I. Einleitung
Am 10. Dezember 1948 jährt sich zum 40. Male die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen. Mit berechtigtem Stolz kann die Weltorganisation auf dieses Ereignis zurückblicken. Obwohl eine Wirkungsgeschichte der Erklärung bisher nicht geschrieben worden ist, steht doch fest, daß jene Resolution 217 A (III) nicht nur die Völkerrechtsordnung tiefgreifend umgestaltet, sondern darüber hinaus die Verfassungen zahlreicher Staaten der Welt beeinflußt hat. Auch den geistigen Urhebern des Grundgesetzes war die Erklärung bekannt. Sie lag dem Parlamentarischen Rat als Drucksache vor, und in den Debatten wurde sie häufig als rechtliche Vorgabe verwendet. Stärker noch hat die Erklärung als Modell die Grundrechtsteile der Verfassungen vieler Neustaaten der Dritten Welt geprägt. Sie symbolisiert das grundlegende Rechtsdatum der heutigen Zeit, daß die Menschenrechte einen integrierenden Bestandteil jeder Rechtsordnung bilden.
II. Grundprobleme der Menschenrechte
Die historische Situation des Jahres 1945
Der Menschenrechtsgedanke läßt sich völkerrechtlich bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Eines der ersten markanten Rechtsdokumente bildet die Erklärung gegen die Sklaverei, welche der Wiener Kongreß des Jahres 1815 verabschiedete 1). In der Mitte des Jahrhunderts setzten Versuche ein, ein besonderes ius in bello zum Schutze der Kriegsopfer zu schaffen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Mandatsmächte, welche treuhänderisch die früheren deutschen und osmanischen Kolonien übernahmen, durch die Völkerbundssatzung auf „das Wohlergehen und die Entwicklung“ der betreffenden Völker verpflichtet, wobei insbesondere die Gewährleistung von Gewissens-und Religionsfreiheit verlangt war. Erinnert sei ferner an das System der Minderheitenschutzverträge aus der Zwischenkriegszeit, das im wesentlichen darauf ausgerichtet war, die besondere kulturelle Eigenart der betroffenen Volksgruppen zu gewährleisten. Aber ein umfassendes System des Menschenrechts-schutzes gab es bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nicht. Grundsätzlich gingen Lehre und Praxis von dem Axiom aus, daß es in der Entscheidungsgewalt des souveränen Staates liege, wie er mit seinen Bürgern umgehe Der Staat, so meinte man, sei als Verkörperung der sittlichen Idee gar nicht in der Lage, seinen selbstverständlichen Auftrag, für Frieden und Gerechtigkeit zu sorgen, zu verfehlen.
Es waren die Erfahrungen aus der Gewalt-und Schreckensherrschaft des Dritten Reiches, die einen allgemeinen Umbruch im Denken herbeiführten. Nachdem die nationalsozialistischen Machthaber überall in Europa eine breite Blutspur hinterlassen hatten, lag offen zutage, daß blindes Vertrauen auf die Vernunft jedweden staatlichen Machtapparates einen gefährlichen Irrtum darstellt. Der Staatengemeinschaft, so lautete nunmehr die Überzeugung, obliege eine generelle Verantwortung für das Lebensschicksal aller Menschen; sie dürfe die Opfer einer Diktatur nicht einfach ihrem Unglück überlassen. So wurde mit großer Selbstverständlichkeit in die UNO-Charta hineingeschrieben, daß die Weltorganisation neben ihrer primären Aufgabe der Friedenssicherung auch die Aufgabe haben solle, „eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen“ (Art. 1 Abs.
Man kann diesen Neuanfang des Jahres 1945 als eine kopernikanische Wende des Völkerrechts bezeichnen. Es stand nunmehr fest, daß der Schutz des Individuums zu den legitimen Aufgaben der internationalen Gemeinschaft gehört und nicht mehr in die alleinige staatliche Zuständigkeit fällt. 2. Universalität der Menschenrechte Will man Menschenrechte nicht nur als politisches Ziel anerkennen, sondern ihnen eine feste rechtliche Gestalt geben, so stellt sich als erstes die Frage, ob es überhaupt denkbar ist, im weltweiten Rahmen Einigkeit über Prinzipien und Regeln zu erreichen, die für jedermann auf der ganzen Welt ohne Rücksicht auf seine ethnische Verwurzelung, seine Sprache, seine Rasse oder seine soziale Prägung gelten sollen 3). Als die Vorarbeiten zur Erklärung sogleich nach der Schaffung der Menschenrechts-kommission, des dem Wirtschafts-und Sozialrat unterstellten Fachgremiums für Menschenrechte, in Angriff genommen wurden, stellte man sich zunächst solche Zweifelsfragen nicht. Man ging von der festen Überzeugung aus, daß es bestimmte Minimalpositionen gebe, die aus der menschlichen Würde abzuleiten seien und deshalb keiner kulturellen Relativierung unterlägen. In der Tat hatten auch seinerzeit eine Reihe prominenter Persönlichkeiten des Geisteslebens aus allen Kulturkreisen der Welt bei einer von der UNESCO veranstalteten Umfrage erklärt, daß sie in den Vorentwürfen zur Erklärung auch die Wertvorstellungen ihrer eigenen geistigen Heimat wiedererkennen würden Erst in späteren Jahren setzte eine — bis heute nicht verstummte — Kritik ein, deren Grundtenor lautet, die Erklärung verkörpere weitgehend nur die Wertvorstellungen der Länder der industrialisierten Welt und beruhe daher auf gewissen kulturellen Vorurteilen.
Es trifft zu, daß die Erklärung in einer Weltorganisation entstanden ist, die seinerzeit im Jahre 1948 lediglich 59 Mitglieder umfaßte und sehr deutlich vom Westen dominiert wurde. Personen aus der Dritten Welt waren dennoch maßgebend an den Redaktionsarbeiten beteiligt, so unter anderem der Libanese Ch. Malik und die Inderin H. Mehta. Im übrigen hat aber die weitere Entwicklung gezeigt, daß die in der Erklärung verkörperte rechtliche Substanz allgemeinen menschlichen Bedürfnissen entspricht und nicht lediglich ein Bild des „westlichen“ Menschen rechtlich verfestigt
Die beiden Weltpakte von 1966 sind aus dem Schoße einer wesentlich veränderten Weltorganisation hervorgegangen, die seit dem Jahre 1960 durch den Einzug vieler Neustaaten schon unter dem beherrschenden Einfluß der Dritten Welt stand. Dennoch weichen die Pakte inhaltlich kaum von der Erklärung ab. Eine grundlegend veränderte Optik liegt ihnen nicht zugrunde, nur sind sie in manchen Punkten vorsichtiger gefaßt als die Erklärung, die in einigen Bestimmungen bloße politische Zukunftsvisionen skizziert. Auch spätere Regionalabkommen wie die Amerikanische Menschenrechtskonvention von 1969 und die Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker von 1981 weichen nicht wesentlich von dem Vorbild der Erklärung ab. So kann man noch heute feststellen, daß die Universalität als Grundannahme des Menschenrechtsgedankens in den Vereinten Nationen nach wie vor ihre Tragfähigkeit besitzt. Nur in einem Teilbereich sind gewisse Erschütterungen eingetreten. Der islamische Fundamentalismus ist offenbar ebensowenig wie der islamische Konservativismus bereit, die in allen Dokumenten der Vereinten Nationen proklamierte schlichte Gleichberechtigung der Frau anzuerkennen. 3. Menschenrechte als Gegenstand des Völker-rechts Die prinzipiellen Aussagen der UNO-Charta über den Schutz der Menschenrechte (Art. 1 Abs. 3, 55) haben durch spätere Rechtsentwicklungen eine weitere Festigung und Bestätigung erhalten. Die in den Vereinten Nationen aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Weltorganisation im Jahre 1970 verabschiedete Erklärung über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den Staaten nennt die Menschenrechte noch nicht unter den großen Strukturprinzipien der Völkerrechtsordnung wie souveräne Gleichheit, Gewaltverbot, Interventionsverbot und Selbstbestimmungsrecht. Man kann dazu anmerken, daß die beiden Weltpakte von 1966 erst im Jahre 1976 in Kraft getreten sind. Schon die Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa aus dem Jahre 1975 schlug indes eine neue Richtung ein. Sie schließt die „Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions-oder Überzeugungsfreiheit“ ausdrücklich in den Katalog derjenigen Prinzipien ein, welche für die Beziehungen zwischen den 35 Teilnehmerstaaten bestimmend sein sollen. Damit ist in einem regionalen Rechtsinstrument zum Ausdruck gebracht, was heute auch weltweit eine gesicherte Überzeugung darstellt. Die Menschenrechte fallen nicht mehr ausschließlich in den inneren Zuständigkeitsbereich der Staaten. Keine Regierung kann sich auf Artikel 2 Abs. 7 der UNO-Charta zurückziehen und behaupten, es gehe die anderen Staaten nichts an, wie sie ihre Angehörigen behandele.
Die Menschenrechte sind zu einer Angelegenheit von „international concern“ geworden. Das gilt sicher nicht fürjedes Versagen, jede Fehlleistung und jeden Rechtsverstoß. Soweit es keine speziellen Verfahren auf vertraglicher Grundlage gibt, dürfen andere Staaten sich nicht in alltägliche Vorgänge mit ihren möglichen Verwicklungen und Pannen einmischen. Sobald aber ein „Gesamtzusammenhang schwerer und zuverlässig belegter Menschenrechtsverletzungen“ vorliegt, hat die internationale Gemeinschaft nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht, geeignete Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
III. Materielles Recht
1. Menschenrechte als individuelle Rechtspositio« nen Der ursprüngliche Gedanke des internationalen Menschenrechtsschutzes ist es, dem Einzelnen eine Rechtsposition zu gewähren, die er selbständig gegenüber der heimischen Staatsgewalt wahrnehmen kann. Dementsprechend sind die in den Rechtsinstrumenten der Vereinten Nationen anzutreffenden Verbürgungen durchweg als individuelle Rechte ausformuliert. Von vornherein stand allerdings fest, daß das Ideal der justizförmigen Durchsetzbarkeit angesichts der spezifischen Natur mancher der Rechte nicht generell zu erreichen sein würde. Vor allem der Genuß wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte hängt von zahlreichen ergänzenden und abstützenden staatlichen Maßnahmen ab, so daß der Proklamation solcher Rechte im wesentlichen nur eine Anstoßfunktion zukommt. Vollends verliert sich der Individualbezug bei den modischen Menschenrechten „der dritten Generation“, dem Recht auf Frieden, auf Entwicklung und auf eine gesunde Umwelt.
Die Erklärung stellt sich bei genauer Lektüre als ein hochmodernes Rechtsinstrument dar. Von den traditionellen liberalen Freiheitsrechten wie dem Recht der Meinungsund Gewissensfreiheit bis hin zu wirtschaftlichen und sozialen Rechten wie dem Recht auf Arbeit enthält sie sämtliche Rechtsver-bürgungen, wie sie heute die politische Debatte in allen Gesellschaftsordnungen, ob in Ost oder West, prägen. Mit einer geradezu grandiosen Geste wird in Artikel 28 dem Einzelnen sogar ein Recht auf eine internationale Ordnung zugesprochen, in der die in der Erklärung niedergelegten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können.
Ihrer Rechtsnatur nach ist die Erklärung eine Empfehlung, d. h. ein Rechtsinstrument, dem die verbindliche Kraft fehlt. In der Präambel hat die Generalversammlung seinerzeit auch unmißverständlich erklärt, daß das Regelwerk ein „zu erreichendes gemeinsames Ideal“ darstelle. Bis heute hat sich an dieser Bewertung nichts geändert. Zwar sind einzelne Bestandteile der Erklärung wie insbesondere das Recht auf Leben und das Folterverbot in das Gewohnheitsrecht übergegangen, doch als solche entbehrt sie nach wie vor der speziellen Qualität des verpflichtenden Rechtssatzes Dies zeigt sich vor allem in der Tatsache, daß einige ihrer Rechte wie insbesondere das Asylrecht (Art. 14), das Recht auf eine Staatsangehörigkeit (Art. 15) sowie das Recht auf Eigentum (Art. 17) nicht in die späteren Weltpakte aufgenommen worden sind. Es fehlt also insoweit an einem internationalen Konsens. Verfehlt wäre es auch, die Deklaration, wie dies vielfach geschieht, als eine authentische Interpretation der Bestimmungen der Artikel 1 Abs. 3 und 55 der UNO-Charta auszugeben Denn in der Erklä-rung haben die Menschenrechte ein Maß an Präzision erlangt, welches nicht lediglich als bloße Konkretisierung der Charta-Bestimmungen selbst ange-sehen werden kann.
Wegen der lediglich empfehlenden Natur der Erklärung waren in den Jahren nach 1948 die Bemühungen aller an der Schaffung einer Welt-Grundrechtscharta („International Bill of Rights“) interessierten Kreise in den Vereinten Nationen darauf ausgerichtet, die in ihr verkörperte rechtliche Substanz in die Form eines völkerrechtlichen Vertrages umzugießen Der Phase der Definition sollte sich nun folgerichtig die Phase der rechtlichen Festschreibung anschließen. Zunächst strebte man an, sämtliche Arten von Menschenrechten in einem umfassenden Vertrag niederzulegen, so wie ja auch die Erklärung Rechte traditionellen Zuschnitts und jene Rechte enthält, die aus dem Gedanken des Sozialstaats erwachsen. Im Jahre 1952 beschloß aber die Generalversammlung, daß das künftige Regelwerk aus zwei selbständigen Konventionen bestehen solle. Auf der Grundlage dieser Entscheidung arbeitete die Menschenrechtskommission bis zum Jahre 1954 zwei Entwürfe aus, deren Beratung innerhalb der Generalversammlung dann nochmals nicht weniger als zwölf Jahre in Anspruch nehmen sollte. Endlich konnten am 16. Dezember 1966 der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Z Dezember 1966 der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) 14) einerseits, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt) 15) andererseits verabschiedet werden. Die Entscheidung erging einstimmig.
Es dauerte freilich noch fast zehn Jahre, bis die beiden Pakte in Kraft treten konnten. Jeweils war eine Mindestzahl von 35 Ratifikationen vorgeschrieben. Selbst Experten meinten zunächst, die Pakte verfolgten derart ehrgeizige Ziele, daß sie wohl als Ruinen einer irregeleiteten Fortschrittsgläubigkeit in der politischen Landschaft stehenbleiben würden. Andere Beobachter äußerten die Befürchtung, daß die westlichen Staaten lediglich den Zivil-pakt, der Osten und die Dritte Welt lediglich den Sozialpakt ratifizieren würden. Keine dieser pessimistischen Prognosen hat sich bewahrheitet. Der Sozialpakt trat am 3. Januar 1976 in Kraft, der Zivilpakt wenig später am 23. März 1976. Heute ist für den Sozialpakt ein Mitgliederstand von 91, für den Zivilpakt von 87 Staaten erreicht. Das dem Zivilpakt beigegebene Fakultativprotokoll, welches eine Individualbeschwerde („Mitteilung“) eröffnet, ist bisher von 40 Ländern akzeptiert worden 16). Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Weltorganisation gehört also nunmehr zum Kreise der Vertragstaaten, und zwar handelt es sich jeweils um Länder aus allen Weltregionen. Augenfällig beiseite stehen von den Staaten der westlichen Welt vor allem noch die USA und in Asien China — das allerdings gegenwärtig die Ratifikation vorbereiten soll — sowie die Staaten der arabischen Halbinsel. Auch die ständigen Außenseiter Israel und Südafrika haben die Verpflichtungen aus den Pakten nicht übernommen. Auch wenn grundsätzlich die Ausweitung des Kreises der Vertragstaaten zu begrüßen ist, so sollte doch eine dahin ausgerichtete Politik ihre Grenzen erkennen. Wenn in einem Lande die politischen Grundstrukturen mit dem Gedanken der Rechtsstaatlichkeit, wie er sich in beiden Pakten verkörpert, im Widerstreit stehen, ist es besser, wenn der Beitritt bis zur Konsolidierung der innerstaatlichen Verhältnisse aufgeschoben wird. Massierte grobe Verstöße gegen die Menschenrechte trotz einer bestehenden völkerrechtlichen Bindung können das gesamte Konzept des internationalen Menschenrechtsschutzes diskreditieren.
Der Zivilpakt umfaßt vier Gruppen von Rechten. An erster Stelle stehen diejenigen Rechte, welche der Sicherung individueller menschlicher Existenz dienen. Der Pakt nennt nacheinander das Recht auf Leben, Folterverbot, Verbot von Sklaverei und Zwangsarbeit, Verbot willkürlicher Freiheitsentziehung, Recht auf angemessene Behandlung bei Freiheitsentzug, Verbot von Schuldknechtschaft (Art. 6— 11). Hinzu tritt in Artikel 17 eine umfassende Gewährleistung vor Eingriffen in das Privatleben, die Familie, die Wohnung, den Schriftverkehr, die Ehre und den persönlichen Ruf. In einem weiteren Sinne gehören zu dieser Gruppe von Rechten auch die Vorschriften des Artikels 9 über das Verfahren bei Freiheitsentzug mit den traditionellen Gewährleistungen einer richterlichen Über-prüfung (Habeas Corpus) sowie die Prozeßgarantien des Artikel 14, die für das Strafverfahren teilweise außerordentlich detailliert ausformuliert sind. Primär auf das Individuum bezogen sind auch die Gewissens-und die Religionsfreiheit.
Eine zweite Gruppe von Rechten schützt die Entfaltungsfreiheit des Menschen in der Gesellschaft. Hier sind vor allem die Freizügigkeit (Art. 12) wie auch die Meinungsäußerungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Vereinigungsfreiheit zu nennen (Art. 19 — 22). Ein Recht auf Eigentums-schütz hat in den Zivilpakt keinen Eingang gefunden; ebenso fehlt das Recht der Berufsfreiheit.
Neben der Meinungsäußerungs-, der Versammlungs- und der Vereinigungsfreiheit, die ihrem Inhalt nach stark auf das politische Geschehen bezogen sind, verbürgt der Pakt auch das Recht zu politischer Mitwirkung im Staat als Menschenrecht. Gewährleistet werden das aktive und das passive Wahlrecht wie auch der Zugang zum öffentlichen Dienst (Art. 25).
Der Pakt erkennt schließlich auch bestimmte soziale Gruppierungen an. In Artikel 1 wird — gleich-lautend auch im Sozialpakt — das Selbstbestimmungsrecht proklamiert. Artikel 27 spricht den Angehörigen ethnischer, religiöser und sprachlicher Minderheiten bestimmte kulturelle Rechte zu.
Sämtliche der im Zivilpakt niedergelegten Rechte sind von den Vertragstaaten strikt zu gewährleisten. Freilich dürfen die meisten Rechte — wie auch die Grundrechte des Grundgesetzes — nach Maßgabe sozialer Bedürfnisse durch Gesetz eingeschränkt werden. Da aber grundsätzlich eine präzise Rechts-bindung besteht, konnte sowohl eine innerstaatliche Beschwerdemöglichkeit vorgeschrieben (Art. 2 Abs. 3) wie auch durch das Fakultativprotokoll ein internationaler Beschwerdeweg eröffnet werden.
Ganz anders stellt sich prinzipiell die Rechtsnatur der Rechte des Sozialpaktes dar. Hier geht es im wesentlichen um Zielverpflichtungen, die von den Staaten angemessene Bemühungen, jedoch nicht das Erreichen des Ziels verlangen
Bei einer systematischen Einteilung kann man auch hier an erster Stelle die Rechte nennen, welche darauf ausgerichtet sind, menschliches Überleben zu sichern. So statuiert Artikel 11 ein Recht auf ausreichende Ernährung, Bekleidung und Wohnung, während Artikel 12 den Staat zur Gesundheitsfürsorge verpflichtet. Der Sozialpakt selbst nennt an erster Stelle das Recht auf Arbeit (Art. 6), sodann Rechte auf gerechte Arbeitsbedingungen (Art. 7), auf Bildung von Gewerkschaften (Art. 8) sowie auf soziale Sicherheit. Durch diese Anordnung wird gleichzeitig die Verantwortung des Einzelnen für sein Schicksal unterstrichen. Eine Verpflichtung zum Schutze der Familie und der Kinder (Art. 10) findet sich auch in den Artikeln 23 und 24 des Zivilpaktes, was zeigt, daß sich die Paktrechte zu einem geringen Teil auch überschneiden. Sein höchstes Niveau erreicht der Sozialpakt mit der Gewährleistung eines Rechts auf Bildung (Art. 13, 14) sowie eines Rechts auf Teilnahme am kulturellen Leben (Art. 15).
Ergänzt werden die beiden Pakte von 1966 vor allem durch die Abkommen, die dem Einzelnen Schutz vor Diskriminierung sichern sollen. Der Sache nach kann man auch sie zur International Bill of Rights hinzurechnen, obwohl dieser Ausdruck nach dem Sprachgebrauch der Vereinten Nationen auf die Erklärung und die Pakte beschränkt bleibt. Noch zeitlich früher als die Pakte war das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung zustande gekommen (angenommen von der Generalversammlung am 21. Dezember 1965). Es ist heute diejenige menschenrechtliche Konvention, welche die weiteste Akzeptanz erlangt hat, da ihr nicht weniger als 124 Staaten ( Dezember 1965). Es ist heute diejenige menschenrechtliche Konvention, welche die weiteste Akzeptanz erlangt hat, da ihr nicht weniger als 124 Staaten (1. März 1988) beigetreten sind. Das Rassendiskriminierungsübereinkommen dehnt seinen Schutz auch in den privaten Bereich hinein aus. Die Staaten werden nicht nur verpflichtet, selbst jedwede rassische Diskriminierung zu unterlassen, sondern sind überdies gehalten, rassische Diskriminierung im Verkehr der Privaten untereinander zu unterbinden (Art. 2 Abs. 1 Buchst, d) und gewisse diskriminierende Handlungen zu bestrafen (Art. 4).
Ganz ähnlich strukturiert ist das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979 19). Auch hier besteht die Verpflichtung nicht lediglich darin, jegliche Schlechterstellung auf Grund des Geschlechts in staatlichen Hoheitsakten selbst zu unterlassen, sondern darüber hinaus im Privatrechtsverkehr gegen Diskriminierungen der Frau vorzugehen. Man darf es als erstaunlich ansehen, daß dieser Vertrag trotz einer weniger als zehnjährigen Existenz heute (1. März 1988) schon einen Mitgliederstand von nicht weniger als 94 Vertragstaaten aufweist. Ergänzend sei ferner auf das Übereinkommen gegen die Apartheid im Sport hingewiesen, eine der jüngsten Schöpfungen der Generalversammlung aus dem Jahre 1985 20).
Besondere Hervorhebung verdient schließlich noch die Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1984 21). Bisher schon sind ihr 28 Staaten beigetreten. Da das Folterverbot schon nach allgemeinem Völkerrecht besteht und auch im Zivilpakt niedergelegt ist, konnte es nicht Ziel dieses neuen Vertragswerkes sein, lediglich das beste-hende Verbot zu bestätigen und zu bekräftigen. Die Konvention gibt vielmehr eine genaue Definition der Folter, schafft ein System der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit bei der Verfolgung von Folterverbrechen und errichtet ein Verfahren der internationalen Überwachung. Die Vorschrift des Artikel 3, wonach niemand in ein Land zurückgewiesen werden darf, wenn schwerwiegende Gründe für die Annahme bestehen, daß er dort gefoltert werden würde, hat in der Bundesrepublik im Zusammenhang mit der Zeichnung der Konvention zu innenpolitischen Auseinandersetzungen geführt.
Zu diesen Verträgen treten zahlreiche Resolutionen der Generalversammlung und anderer UN-Gremien hinzu, unter denen insbesondere der UN-Kongreß für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger hervorzuheben ist. So hat die Generalversammlung etwa im Jahre 1985 einen Beschluß dieses Kongresses über die Grundprinzipien der Unabhängigkeit der Richter gebilligt Auch wenn Resolutionen der Generalversammlung immer im Stande der unverbindlichen Empfehlung verbleiben, darf man doch die wegweisende Wirkung solch eines Regelwerks, das aus sorgfältiger Vorarbeit hervorgegangen ist, in keinem Falle unterschätzen. 2. Menschenrechtsschutz im weiteren Sinne Als Menschenrechtsschutz im weiteren Sinne wird man auch bestimmte Aktivitäten der Vereinten Nationen ansehen können, die darauf ausgerichtet sind, die Rahmenbedingungen zu sichern, von denen menschliches Leben in Würde abhängt.
Von Anbeginn an haben sich die Vereinten Nationen bemüht, den rechtlichen Prämissen der Nürnberger Urteile gegen die Hauptverantwortlichen der nationalsozialistischen Greuel entsprechend Strafnormen zu schaffen, die es erlauben, Personen, die sich in amtlicher Eigenschaft schwerer Verstöße gegen die Völkerrechtsordnung schuldig gemacht haben, vor Gericht zu stellen und strafrechtlich abzuurteilen. Im Jahre 1948 wurde das Völkermord-Abkommen geschaffen, welches den Völkermord als ein Verbrechen „nach Völkerrecht“ qualifiziert und in der Völkergemeinschaft durch formale Annahme einerseits breiteste Unterstützung gefunden hat, andererseits aber doch wohl eher ein Schattendasein führt. Denn von irgendwelchen Verurteilungen auf Grund dieses Abkommens ist, soweit ersichtlich, bisher nichts bekannt geworden. Dies liegt allerdings auch an der sehr restriktiven Gerichtsstandsformel, welche Gerichtsbarkeit lediglich dem Staat verleiht, auf dessen Gebiet Völkermord begangen worden ist, sowie einem internationalen Strafgerichtshof, den es aber bisher nicht gibt.
Kühner ist in dieser Hinsicht das Anti-ApartheidsÜbereinkommen aus dem Jahre 1973 welches den Gerichten jedes Vertragstaates Gerichtsbarkeit zuspricht. Der Hauptmangel dieses Übereinkommens ist, daß es in seinem Artikel III eine so weite Tatbestandsbeschreibung des Verbrechens der Apartheid gibt, daß kaum ein Angehöriger der weißen Minderheit in Südafrika der Strafbarkeit entgehen könnte. Neuerdings wird überdies behauptet, daß sich multinationale Gesellschaften, die in Südafrika tätig sind, der Beihilfe zur Apartheid schuldig machten.
Schließlich sollen die Nürnberger Prinzipien, welche die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (ILC) im Jahre 1950 ausformuliert hat nach dem Willen der Generalversammlung in ihrer ganzen Breite generalisiert werden und durch völkerrechtlichen Vertrag weltweite Geltung erlangen. Vor Jahrzehnten schon war der ILC der Auftrag erteilt worden, einen „Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind“ zu schaffen, d. h. also ein internationales Strafgesetzbuch. In die Straftatbestände eines solchen Strafgesetzbuches müßten sicherlich wie bereits in Nürnberg die Aggression wie auch Versklavung und Verschleppung der Bevölkerung eines besetzten Gebiets aufgenommen werden. Die ILC hat den von ihr erbetenen Entwurf, an dem die Arbeiten von 1945 bis 1981 geruht hatten, bisher noch nicht fertigstellen können. Ob die dahinterstehenden Absichten wirklich ernsthaft sind oder ob es manchen Regierungen nur um ein neues Kampfmittel in der politischen Auseinandersetzung mit einem Gegner wie insbesondere Südafrika geht, wird sich noch erweisen müssen. Will man überhaupt einen qualitativen Sprung nach vorne tun, so müßte man auch bereit sein, die Anwendung eines solchen geradezu revolutionären Strafrechts einem durch eine internationale Anklagebehörde ergänzten internationalen Strafgerichtshof anzuvertrauen.
Hält man Menschenrechte für ein untrennbares Ganzes, in dem die Rechte aller unterschiedlichen Kategorien parallel und vereint miteinander entwickelt werden müssen, kann man auch die Entwicklungshilfe zugunsten der Dritten Welt als Menschenrechtssicherung begreifen. In der Tat hat die Dritte Welt auch ihre Forderung auf Errichtung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung in der Vergangenheit auf menschenrechtliche Erwägungen gestützt. Man kann einer solchen Argumentation kaum die innere Logik absprechen. Auch in der Bundesrepublik hat ja etwa das Grundgesetz das Rechtsstaats-und das Sozialstaatsprinzip gleichberechtigt nebeneinandergestellt.
Umstritten sind bis heute die bereits erwähnten Menschenrechte der dritten Generation geblieben. Die Generalversammlung hat vor wenigen Jahren feierlich ein Recht der Völker auf Frieden proklamiert (Resolution 39/11 vom 12. November 1984). Im Jahre 1986 verabschiedete sie auch eine Deklaration über das Recht auf Entwicklung (Resolution 41/128 vom 4. Dezember 1986). Vertragliche Rechtsgrundlagen für diese Globalrechte gibt es bisher auf Weltebene nicht. Es muß auch zweifelhaft erscheinen, ob sie irgendeinen greifbaren Beitrag zur Besserung der weltpolitischen Lage erbringen können. Die Sicherung des Friedens verlangt nach komplexen Institutionen und Verfahren. Das ganze System der Vereinten Nationen ist primär zur Gewährleistung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit geschaffen worden. Die Entwicklungshilfe nimmt ebenfalls eine zentrale Stellung im institutioneilen Gefüge der Vereinten Nationen ein. Es gibt kaum ein Organ, welches es nicht als seine Aufgabe betrachten würde, in besonderer Weise den Ländern der Dritten Welt bei ihren Bemühungen um Fortschritt beizustehen. Die zusätzliche Normierung eines Menschenrechts auf Entwicklung vermag diese Prozesse aber weder zu beschleunigen noch sonst zu effektivieren.
Nur dann machen die Rechte auf Frieden und Entwicklung Sinn, wenn man sie nicht im strengen Sinne als Rechte, sondern eher als plakative Fixierung von Gemeinwohlzielen der gesamten internationalen Gemeinschaft begreift. Der eigentliche Bereich der Menschenrechte ist hier verlassen. Der Einzelne ist zwar Betroffener, kann aber keine aktive Rolle übernehmen, jedenfalls nicht auf internationaler Ebene. Wie im klassischen Völkerrecht des 19. Jahrhunderts wird er durch seinen Heimatstaat mediatisiert. Selbstverständlich kann sich andererseits jedermann innerhalb seines Gemeinwesens für Frieden und Entwicklung einsetzen. Niemand vermag aber kraft eines Rechtsanspruchs zu verlangen, daß ihm Frieden und Entwicklung ebenso wie andere Leistungen von den zuständigen staatlichen Stellen dargeboten werden
IV. Verfahren der Menschenrechtssicherung
1. Menschenrechte sollen die Einzelperson in erster Linie gegenüber der heimischen Staatsgewalt schützen. Aus diesem Grunde ist es von hervorragender Bedeutung, daß sich alle rechtsanwendenden Instanzen schon im nationalen Raum der dem Staatswesen obliegenden völkerrechtlichen Verpflichtungen menschenrechtlicher Art bewußt sind. Als wirksamste Durchführungsmethode hat sich die Einfügung der einschlägigen Abkommen in das innerstaatliche Recht erwiesen, die sicherstellt, daß sich jedermann unmittelbar auf die ihn schützenden Bestimmungen berufen kann. So hat in der Bundesrepublik der Zivilpakt kraft der nach Artikel 59 Abs. 2 GG erzielten Zustimmung der parlamentarischen Körperschaften die Kraft eines (einfachen) Bundesgesetzes. Für die meisten Länder muß allerdings festgestellt werden, daß sowohl die Verwaltungen als auch die Gerichte nur höchst unvollkommen mit dem Völkerrecht vertraut sind und deshalb häufig zögern, auf die Bestimmungen eines Abkommens zurückzugreifen, zumal wenn das staatliche Recht, sei es auch nur in Form einer rangmäßig untergeordneten Verordnung oder gar Verwaltungsvorschrift, eine abweichende Lösung vorschreibt. Gegenwärtig sind die Vereinten Nationen intensiv darum bemüht, die von ihnen erlassenen Rechtsakte verstärkt in das allgemeine Bewußtsein zu heben. Zu diesem Zwecke hat man etwa jüngst wieder eine aktualisierte Fassung der bekannten Sammlung menschenrechtlicher Rechtstexte herausgegeben Auch eine Reihe von Popularisierungsschriften kann sicherlich aufklärend wirken Das Problem bleibt, solche Werke auch in diktatorisch regierten Ländern einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Bis vor kurzem waren die Schwierigkeiten, in der DDR auch nur einen Text des Zivilpaktes zu Gesicht zu bekommen, geradezu notorisch.
2. In Verfahren auf völkerrechtlicher Ebene kommt die Verantwortung der Staatengemeinschaft für das Schicksal des Einzelmenschen zum Ausdruck. Aber solche Verfahren können eine drohende Rechtsverletzung kaum verhindern, zumal es bis heute keinen geeigneten internationalen Mechanismus zur Durchsetzung der Menschenrechte gibt. Vor allem Beschwerdeverfahren setzen durchweg voraus, daß zuvor die verfügbaren innerstaatlichen Rechtsmittel ausgeschöpft worden sind. So kommt der internationale Rechtsschutz in der Regel spät, manchmal zu spät. a) Die erste Stufe im Arsenal der internationalen Verfahren zur Sicherung der Menschenrechte bildet die — jeweils durch eine förmliche Stellungnahme abgeschlossene — Erörterung menschen-rechtswidriger Lagen vor allem durch die politischen Gremien der Vereinten Nationen, die Generalversammlung und die Menschenrechtskommission. Hier lautet die Zentralfrage, welche Länder zum Gegenstand der Kritik gemacht werden sollen. Wegen des Fehlens fester Verfahrensregeln wohnt der Auswahl der „Angeklagten“ notwendig ein dezisionistisches, irrationales Element inne. Wie dem auch sei: Kein Staat, dem seine internationale Reputation am Herzen liegt, kann es auf die leichte Schulter nehmen, wenn er auf Dauer zur Zielscheibe berechtigter Angriffe wird. Unvermeidbar hat eine Verurteilung durch die Generalversammlung Auswirkungen in allen politischen Bereichen.
Außerhalb eines festen vertraglichen Rahmens hat sich auch das Beschwerdeverfahren nach der Resolution 1503 des Wirtschafts-und Sozialrats aus dem Jahre 1970 entwickelt, das, wie schon erwähnt, der Feststellung dient, ob in einem Lande ein „Gesamtzusammenhang schwerer und zuverlässig belegter Menschenrechtsverletzungen“ besteht. Einzelbeschwerden werden nach den Regeln für dieses Verfahren einzig als Mosaiksteinchen gesammelt, welche die entscheidende Gesamtbeurteilung gestatten sollen. Wegen seiner außerordentlichen Komplexität — es läuft über verschiedene Stufen ab (Arbeitsgruppe der Unterkommission für Diskriminierungsverhütung und Minderheitenschutz, Unter-kommission selbst, Menschenrechtskommission, Wirtschafts-und Sozialrat) — sowie wegen seines vertraulichen Charakters hat das Verfahren die ursprünglich in seine Anwendung gesetzten Erwartungen kaum erfüllt. b) Zunehmend werden Aufgaben der Menschenrechtssicherung in jüngerer Zeit auf Sachverständigenausschüsse verlagert. Die politischen Gremien sind gewiß unverzichtbar, was die rechtsetzende Funktion angeht. Als Instanzen der Rechtskontrolle eignen sie sich aber ganz offensichtlich weniger gut, sobald es nicht mehr nur um die Feststellung massiver Verstöße, sondern um die Überwachung der Anwendung des Rechts in jener reichen Facettierung geht, welche die neueren Abkommen zum Schutze der Menschenrechte bieten. Durchweg wird nunmehr für jedes dieser Abkommen ein besonderes Kontrollgremium ins Leben gerufen. Der erste dieser Expertenausschüsse war der Ausschuß gegen Rassendiskriminierung nach dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1965, der seine Tätigkeit im Januar 1970 aufnehmen konnte. Mit einigem zeitlichem Abstand folgte im Jahre 1977 der Menschenrechtsausschuß, dessen Rechtsgrundlage der Zivilpakt bildet und der aus diesem Grunde das thematisch am weitesten ausgedehnte Tätigkeitsfeld aller Expertengremien besitzt. Der Ausschuß gegen Frauendiskriminierung nach dem Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau wurde im Jahre 1982 errichtet, und die jüngste Schöpfung, der Antifolter-Ausschuß nach dem Anti-Folterübereinkommen von 1984 konnte in diesem Jahr (1988) seine erste Tagung abhalten. So sehr bewährt hat sich das Instrument der Sachverständigenausschüsse, daß man auch die Überwachung des Sozialpakts in die Hände eines solchen Gremiums gelegt hat, obwohl der Vertrag selbst die Kontrollaufgabe dem Wirtschafts-und Sozialrat zuweist.
Neuerdings erst wird die Frage gestellt, ob diese Vermehrung der Überwachungsinstanzen nicht nur zu Überschneidungen und Kollisionen, sondern auch zu einer gewissen bürokratischen Abwertung der Kontrollverfahren führen kann. Unvermeidlich vermindert sich das politische Gewicht der Kontrollorgane allein durch ihre wachsende Zahl. Auf der anderen Seite läßt sich nicht verkennen, daß auf Weltebene Art und Umfang der anfallenden Aufgaben geradezu gigantisch sind. Ein Gremium von 18 Personen wie der Menschenrechtsausschuß, der überdies nur eine außerordentlich begrenzte Tagungszeitzuseiner Verfügung hat — bisher dreimal drei Wochen pro Jahr —, ist kaum in der Lage, auch alle jene besonders verletzungsträchtigen Ek-ken und Winkel auszuleuchten, in denen sich menschenrechtswidrige Zustände verkrustet haben. Nur wenn die Kontrollverfahren mit hoher Intensität und so realitätsnah wie möglich durchgeführt werden, kann man hoffen, daß Verstöße tatsächlich beseitigt werden und daß sich konkrete Ergebnisse einstellen, die sich nicht allein in der Erzeugung von Papier erschöpfen.
Unter den Kontrollverfahren nimmt heute die Berichtsprüfung die erste Stelle ein. Sie kann in der Internationalen Arbeitsorganisation auf eine lange Tradition zurückblicken. Jährlich tritt dort ein Sachverständigenausschuß zusammen, der — nach gründlicher Vorbereitung durch das Sekretariat — die Beachtung und Durchführung der unter den Auspizien der Organisation zustande gekommenen Verträge überprüft In den genannten Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen ist durchweg vorgesehen, daß die Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen über ihre einschlägige innerstaatliche Praxis Rechenschaft ablegen. Die kürzeste Frist — lediglich zwei Jahre — sieht das Rassendiskriminierungs-Übereinkommen vor, während der Zivilpakt die Festlegung der Frist dem Menschenrechtsausschuß überlassen hat, der sich für einen Rhythmus von jeweils fünf Jahren entschieden hat. Auch dieses auf den ersten Blick rein technisch erscheinende Detail kann langfristig erhebliche politische Auswirkungen auf den Rang und das Ansehen einer Kontrollinstanz haben. Ein allzu kurzfristiger Turnus führt zwangsläufig zu leichtgewichtigen Berichten und damit auch zu einer substanzlosen Prüfung, die wiederum negativ auf den Expertenausschuß selbst abfärbt. Als gutes Gleichgewicht erscheint der vom Menschenrechtsausschuß gewählte zeitliche Abstand. Zu lange Intervalle zwischen den einzelnen Berichtsprüfungen beschwören die Gefahr herauf, daß sich in einem Land einschneidende Veränderungen vollziehen, ohne daß diese in dem Überwachungsgremium zur Sprache kommen könnten.
Trotz seines großen Vorzugs, daß es eine umfassende Erörterung aller für das jeweilige Vertragswerk wesentlichen rechtlichen Aspekte gestattet, weist das Berichtsprüfungsverfahren doch auch beträchtliche Schwächen auf Viele Berichte sind äußerst knapp. Positive Entwicklungen werden gebührend herausgestrichen, Fehler und Versäumnisse hingegen verschwiegen. Meist gehen die Berichte auch nur auf die normative Seite der Probleme ein. Die Ausschüsse werden über Gesetzes-texte, vor allem die Verfassungsbestimmungen, informiert, aber man verliert kein Wort darüber, ob diese Bestimmungen auch die lebendige Wirklichkeit des Landes prägen. Aus diesem Grunde müssen die Ausschußmitglieder versuchen, sich schon vorher so eingehend wie möglich zu informieren. Vielfach erhalten sie von Nichtregierungsorganisationen zum Schutze der Menschenrechte wie etwa Amnesty International oder der Internationalen Juristenkommission wichtiges Material. Als Prüfungsmodalität hat sich die Dialogform herausgebildet. Es erscheint jeweils eine Regierungsdelegation, welche die von den Experten gestellten Fragen beantwortet — oder auch eine Stellungnahme verweigert. Obwohl es an den üblichen Formen diplomatischer Höflichkeit niemals fehlt, wird in der Sache doch hart verhandelt. Die Ausschußmitglieder scheuen sich nicht, auch heikle Fragen aufzutischen und ihre Bedenken deutlich vorzutragen. Nicht zu verkennen ist freilich gelegentlich ein gewisses Blockdenken. So haben die östlichen Mitglieder des Menschenrechtsausschusses an Regierungen des östlichen Machtbereichs bisher niemals irgendwelche bohrenden Fragen gestellt. Hier kann in naher Zukunft eine Änderung zu erwarten sein. Mehr oder weniger hilflos ist ein Kontrollorgan, wenn von der anwesenden Regierungsdelegation sämtliche Hinweise auf menschenrechtsverletzende Zustände als Unwahrheiten und Verleumdung abgetan werden. Selten erreicht allerdings eine Verhandlung das Maß an Absurdität, welches der afghanische Vertreter durch die Äußerung erzeugt hat, in seinem Lande gebe es kein Flüchtlingsproblem, schon jeher seien die Afghanen Nomaden gewesen oder hätten sich zur Arbeitssuche in das Ausland begeben
Zu förmlichen Abschlußergebnissen verdichten sich die über einen Bericht geführten Verhandlungen in der Regel nicht. Nach dem Zivilpakt ist wegen der lakonischen Kürze des einschlägigen Artikel 40 Abs. 4 schon rechtlich kontrovers, ob der Menschenrechtsausschuß eine Bewertung abgeben darf Statt dessen hat es sich im Menschenrechtsausschuß eingebürgert, daß nach dem Abschluß der Verhandlungen jedes Mitglied — soweit willens — unter seiner persönlichen Verantwortung eine eigenständige Beurteilung abgibt. Wenn zahlreiche Experten die gleichen Beanstandungen erheben, so kann dies seinen Eindruck nicht verfehlen, obwohl solchen individuellen Stellungnahmen selbstverständlich die rechtliche Verbindlichkeit abgeht.
Vielfach sehen die Menschenrechts-Übereinkommen auch Beschwerdeverfahren vor. Im Gegensatz zur Berichtsprüfung gehören diese Verfahren allerdings in der Regel nicht zum vertraglichen Kernbestand, der allein schon durch Ratifikation des Vertragswerkes selbst verbindlich wird, sondern setzen meist besondere Unterwerfungserklärungen voraus. Das Individualbeschwerdeverfahren nach dem Zivilpakt ist in einem separaten Fakultativ-Proto-koll geregelt, das also eigens in den üblichen Formen ratifiziert werden muß. Ebenso unbeliebt wie im regionalen Rahmen sind auf Weltebene Staatenbeschwerdeverfahren. Wenn eine Regierung Kritik an den menschenrechtlichen Zuständen in einem anderen Lande vorzutragen hat, zieht sie es in der Regel vor, ihre Vorhaltungen in die Generalversammlung oder die Menschenrechtskommission einzubringen. Bisher ist jedenfalls in den Vereinten Nationen selbst kein einziges förmliches Staatenbeschwerdeverfahren auf der Grundlage der geltenden Menschenrechtsabkommen auch nur eingeleitet worden.
Erhebliche Bedeutung besitzt demgegenüber das Individualbeschwerdeverfahren nach dem Fakulta-tiv-Protokoll zum Zivilpakt, das gerade in jüngster Zeit einen spürbaren Aufschwung genommen hat, obwohl sich die Zahlen (etwas über 300 Beschwerden innerhalb von zwölf Jahren) absolut betrachtet immer noch recht bescheiden ausnehmen. Nach dem Protokoll sind Einzelpersonen berechtigt, sich mit der Behauptung an den Menschenrechtsausschuß zu wenden, daß der angebliche Verletzerstaat ihre aus dem Pakt resultierenden Rechte mißachtet habe. Über Jahre hinweg war Uruguay, damals noch unter der Herrschaft der Militärdiktatur, das Land, gegen das sich die meisten begründeten Beschwerden richteten. Heute hat sich der Kreis der beschuldigten Staaten stärker differenziert. Aufgabe des Ausschusses ist es, sich nach der Prüfung der Zulässigkeit mit den in der Sache erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen und im Gegensatz zu dem Beschwerdeverfahren 1503 eine Entscheidung über jeden Einzelfall zu treffen. Diese Entscheidungen, denen der Qualifikation als bloßer „Ansichten“ („views“) wegen ebenfalls die rechtliche Verbindlichkeit fehlt, werden regelmäßig im vollen Wortlaut im Jahresbericht des Ausschusses an die Generalversammlung abgedruckt Ob sich das Beschwerdeverfahren nach dem Fakulta-tiv-Protokoll auch auf Dauer bewähren kann, steht bisher nicht mit Gewißheit fest. Schwierigkeiten bereitet insbesondere die Beweiserhebung. Nach Artikel 5 Abs. 1 des Protokolls stehen dem Ausschuß als Grundlage für sein Urteil lediglich die ihm von den Parteien zugänglich gemachten schriftlichen Unterlagen zur Verfügung. Häufig läßt sich mit diesem Material allein ein Sachverhalt indes nicht aufklären.
Vielfach reicht es zur Beilegung internationaler Streitfälle aus, wenn nur die erheblichen Tatsachen genau festgestellt werden. Sind einmal die Fakten bekannt, kann der betroffene Staat sich nicht mehr durch Ableugnen oder Beschwichtigung aus der Affäre ziehen. So hat man in der Generalversammlung schon in den Anfangsjahren versucht, sich ein genaues Bild von der Lage der unterdrückten schwarzen Mehrheit in Südafrika zu verschaffen. Ein Ausschuß mit der Aufgabe, die israelische Besatzungspolitik unter steter Beaufsichtigung zu halten, wurde im Jahre 1968 gegründet. Aus einer im Jahre 1975 eingesetzten Arbeitsgruppe zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in Chile ging später die Institution des Länder-Berichterstatters hervor, dessen Information die Grundlage für die späteren Erörterungen in der Generalversammlung und in der Menschenrechtskommission bildet. Die Liste der Länder, für die solche Sonderberichterstatter eingesetzt worden sind, zeigt recht anschaulich, daß man sich hier von den konkreten historischen Realitäten und nicht lediglich von politischer Voreingenommenheit hat leiten lassen. Angesichts der Widerstände, denen es naturgemäß begegnet, ein Land zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen, ist man seit einigen Jahren in der Menschenrechtskommission darauf verfallen, soge-nannte „thematische“ Berichterstatter zu Problem-komplexen wie Folter, willkürliche Hinrichtungen oder religiöse Intoleranz einzusetzen Die Prägnanz, Schärfe und Tatsachengenauigkeit der Länderberichte vermögen solche Querschnittsberichte nicht zu erreichen. Viel hängt insoweit auch von der Unabhängigkeit und dem Mut des Berichterstatters ab, die Dinge beim Namen zu nennen und seine Ausführungen nicht in der in den Vereinten Nationen üblichen Art durch Anonymisierung zu verschlüsseln.
Erstmals sind jetzt auch in einem vertraglichen Rechtsinstrument, der Anti-Folterkonvention, Inspektionsrechte des zuständigen Sachverständigen-ausschusses vorgesehen (Art. 20 Abs. 3). Aber eine solche Beweiserhebung an Ort und Stelle setzt das Einverständnis des betroffenen Staates voraus. Staaten können im übrigen sogleich bei der Unterzeichnung oder Ratifikation der Konvention erklären, daß sie den gesamten Artikel 20 für sich ausschließen. Während die geschilderten Verfahren sämtlich darauf ausgerichtet sind, tatsächlichen oder mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen im Wege der (konstruktiven) Kritik entgegenzutreten, will vor allem das Menschenrechtszentrum der Vereinten Nationen das Instrument der Beratungsdienste („advisory Services“) verstärkt einsetzen. In der Tat gehen wohl in manchen Ländern der Dritten Welt Menschenrechtsverletzungen auch auf Faktoren wie Unwissenheit und mangelnde Sachkompetenz zurück. Informationsseminare, Schulungskurse für Polizei-und Gefängnisbeamte und ähnliche Veranstaltungen sind sicherlich geeignet, die insoweit bestehenden Defizite abzubauen.
V. Schlußbetrachtung
Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, hat das System der Vereinten Nationen seinen wichtigsten Beitrag zur Stärkung des Menschenrechtsgedankens durch seine rechtsetzende Tätigkeit erbracht. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die beiden Weltpakte von 1966 wie auch die großen Anti-Diskriminierungsabkommen lassen sich aus der rechtlichen Landschaft nicht mehr wegdenken. Sie bilden tragende Säulen einer Weltordnung, in der die Menschenrechte einen festen Platz gefunden haben.
Weniger eindeutig fällt das Urteil über die Erfolge der Vereinten Nationen bei der Durchsetzung der von ihnen erarbeiteten Schutzstandards aus. Objektivität und Wirksamkeit sind die beiden Kernbegriffe, zu denen sich die vielfach geäußerte Kritik bündeln läßt. Über viele Jahre hinweg waren es fast ausschließlich Südafrika, Israel und Chile, die zur Zielscheibe massiver Vorwürfe gemacht wurden, während etwa der Völkermord in Kambodscha in New York kaum einen Widerhall fand. Die Bilanz hat sich in diesem Punkt entscheidend verbessert. Wie gezeigt, sind etwa Länderberichterstatter auch für eine ganze Reihe weiterer Länder aus allen Weltregionen eingesetzt worden. Erst jüngst hat die Menschenrechtskommission durch Entscheidung 1988/106 vom 10. März 1988 die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Untersuchung der Lage in Kuba beschlossen. Auch die Großmächte können immer weniger mit Schonung rechnen. Verurteilt wurde das amerikanische Eingreifen in Grenada einerseits andererseits aber auch in einer ständigen Resolutionskette der sowjetische Einmarsch in Afghanistan mit seinen verheerenden Folgen für die Bevölkerung Sehr viel besser schneiden in puncto Unparteilichkeit und Objektivität die Ex-pertengremien allein schon deswegen ab, weil sie niemals von sich aus eine Auswahl unter den vermuteten Menschenrechtsbrechern zu treffen haben, sondern nach ihren Verfahrensregeln routinemäßig einen Vertragstaat nach dem anderen überprüfen.
Die Wirksamkeit der Mechanismen zur Sicherung der Menschenrechte wird naturgemäß von der Tatsache bestimmt, daß lediglich die Mittel der Überzeugungsbildung und des Drucks durch Publizität zur Verfügung stehen. Nur in gravierenden Extrem-situationen kann auch der Sicherheitsrat zu einem Eingreifen ermächtigt sein, wenn er zu der Auffassung gelangt, daß durch Menschenrechtsverletzungen auch der Weltfriede und die internationale Sicherheit gefährdet sind Im übrigen können in den Vereinten Nationen getroffene Feststellungen auch von jedem einzelnen Staat bei der Führung seiner eigenen nationalen Außenpolitik berücksichtigt werden. Aber selbst wenn es zu solchen Sekundärreaktionen nicht kommt, bedeutet es für ein Staatswesen eine erhebliche Bürde, wenn es kontinuierlich schwerer Verletzungshandlungen geziehen und damit als Paria der internationalen Gemeinschaft abgestempelt wird. Wie auch die jüngsten Erfahrungen des Sicherheitsrates mit der zum Konflikt zwischen Irak und Iran ergangenen Resolution 598 (1987) gezeigt haben, rührt die effektive Stärke einer Resolution nicht in erster Linie von ihrer formalen Rechtsverbindlichkeit her, sondern von der Kraft der sie fundierenden politischen Überzeugungen. Einhellige Mißbilligung durch die internationale Gemeinschaft ist ein realer Macht-faktor, den zu negieren sich auf die Dauer keine Regierung erlauben kann.