Die medizinischen und virologischen Grundlagen des Erworbenen Immunmangelsyndroms Aids
Reinhard Kurth /Johannes Löwer
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Zusammenfassung
Seit 1981 breitet sich in der westlichen Hemisphäre und in Zentralafrika eine neue Krankheit epidemieartig aus, die „Erworbenes Immunmangelsyndrom“ (Acquired Immunodeficiency Syndrome AIDS) genannt wird. Sie ist insbesondere durch den Verlust einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen, nämlich der sog. T-Helfer-Zellen, charakterisiert, deren natürliche Rolle die Verstärkung der Immunantwort ist. Aufgrund dieser Störung leiden die Patienten an Folgekrankheiten, die durch beim Gesunden in der Regel harmlose Keime oder durch bestimmte Tumoren hervorgerufen werden. Die Krankheit ist nach wie vor im wesentlichen auf bestimmte Risikogruppen (homosexuelle Männer, Personen, die von intravenös zu verabreichenden Drogen abhängig sind, und Bluterkranke sowie deren Sexualpartner) beschränkt. Sowohl diese Tatsache als auch weitere Beobachtungen wiesen auf eine infektiöse Ursache hin. In einer in der Medizingeschichte einmalig kurzen Zeit konnte als Erreger ein Virus identifiziert werden, das zur Familie der Retroviren zählt und Humanes Immundefizienz-Virus (HIV) genannt wird. Wesentliche Eigenschaften dieses Virus konnten rasch aufgeklärt werden. Von praktischer Bedeutung ist, daß das Virus nach erfolgter Infektion lebenslang im Infizierten verbleibt. Dies ist die biologische Grundlage für die Beobachtung, daß zwischen dem Zeitpunkt der Infektion und dem Ausbruch der Erkrankung oft viele Jahre vergehen können. Unbekannt ist jedoch, welche Faktoren schließlich dazu beitragen. Auch bedarf es noch intensiver Forschungsbemühungen, die Art und Weise zu verstehen, wie die Virusinfektion zu den Krankheitserscheinungen führt. Die Aufklärung der Menschen über die Ansteckungswege von HIV bleibt daher zur Zeit noch die wichtigste Waffe in den Bemühungen, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen oder vielleicht sogar zu stoppen.
I. Die wichtigsten Meilensteine in der Entdeckung und Beschreibung des Erworbenen Immunmangelsyndroms
Die Krankheit Im Jahre 1981 veröffentlichten die amerikanischen Centers for Disease Control 1) in Atlanta Berichte, die das gehäufte Auftreten zweier bis zu diesem Zeitpunkt seltener Erkrankungen bei jungen Männern beschrieben. Zum einen handelte es sich um bösartige Tumoren der Haut, um Kaposi-Sarkome, die in Europa und Nordamerika bisher eigentlich nur bei alten Männern bekannt waren. Die andere Beobachtung bezog sich auf eine Lungenentzündung, die durch einen ungewöhnlichen Erreger, den parasitären Einzeller Pneumozystis carinii, hervorgerufen wurde. Insbesondere diese Erkrankung, aber auch gelegentlich das Kaposi-Sarkom, kann sonst nur bei Patienten beobachtet werden, deren Immunsystem entweder wegen eines angeborenen Defektes, infolge einer anderen Erkrankung oder aufgrund einer gezielten Therapie, zum Beispiel bei einer Nierentransplantation, nicht funktionsfähig ist. Es lag daher nahe, auch in den neu beobachteten Fällen nach Störungen des Immunsystems zu suchen. Bereits Ende 1981 konnte dabei festgestellt werden daß diese neuartige Erkrankung durch den Verlust der sogenannten T-Helfer-Zellen (einer Untergruppe der weißen Blutkörperchen) charakterisiert ist, die eine zentrale Rolle im Aufbau einer Immunantwort gegen ein beliebiges Antigen, z. B. einen Krankheitserreger, spielen und die durch einen Eiweißkörper (Protein) in ihrer Zellmembran, der CD4 (früher T4) genannt wird, im Labor erkannt werden können.
Auf Grund zusätzlicher klinischer Erfahrungen konnten die Centers for Disease Control 1982 einen Symptomenkatalog zur Definition dieser Erkrankung, die sie Acquired Immunodeficiency Syndrome (Aids) nannten, zusammenstellen. Dabei war es von vornherein klar, daß mit dieser Liste wohl nur die schwerste Erscheinungsform, die in den meisten Fällen rasch zum Tode führte, beschrieben wurde und daß das Auftreten leichterer Formen oder von möglichen Vorstufen nicht ausgeschlossen war. Trotzdem bewährte sich diese Definition insbesondere in der Aufklärung der Epidemiologie von Aids, d. h.der Verteilung dieser Erkrankung in der Bevölkerung. Auf diese Weise konnten Risikogruppen definiert werden, die auch heute noch den Hauptanteil der an Aids Erkrankten in den westlichen Ländern ausmachen: homooder bisexuelle Männer, Personen, die von intravenös zu verabreichenden Drogen abhängig sind („Fixer“), Bluter (Hämophile), die zur Behandlung ihrer Erkrankung Blutprodukte benötigen, und schließlich auch Empfänger von Bluttransfusionen. 2. Der Erreger Die weitgehende Beschränkung von Aids auf diese Risikogruppen ist identisch mit der bekannten Verteilung der Hepatitis B. Diese zum Teil sehr schwer verlaufende infektiöse Leberentzündung wird von einem Virus, dem Hepatitis B-Virus, ausgelöst, das durch Blut und Blutprodukte mit der Injektionsnadel und durch Sexualkontakte natürlicherweise weitergegeben wird. Die Begrenzung von Aids auf bestimmte Personengruppen sowie die Beobachtung, daß Aids gehäuft bei Personen auftrat, die von wechselnden Sexualkontakten berichteten, legte die Vermutung einer infektiösen Ursache nahe. Die Tatsache, daß Aids im Falle der Bluter offensichtlich auch durch Blutprodukte übertragen wird, die auf Grund ihres Herstellungsverfahrens mit Sicherheit frei von Bakterien und höheren zellulären Parasiten (Einzeller, Pilze) sind, wies auf Viren als mögliche Erreger hin. Nach der Verfolgung einiger falscher Spuren gelang es schließlich 1983 Luc Montagnier am Institute Pasteur in Paris aus einem Erkrankten Retroviren zu isolieren, die heute als HIV-1 (Humanes Immundefizienz-Virus, früher LAV, HTLV-III u. a.) bezeichnet werden. Ein Jahr später zeigte die Gruppe von Robert Gallo am National Institute of Health in Bethesda bei Washington durch die Isolierung dieser Retroviren aus einer großen Anzahl von Erkrankten und durch den Nachweis von Antikörpern gegen diese Viren bei Patienten und bei Personen aus den Risikogruppen, daß diese Viren nicht nur einmal zufällig in einem Patienten gefunden wurden, sondern daß sie tatsächlich epidemiologisch mit Aids verknüpft sind.
Diese Entdeckung eröffnete neue Möglichkeiten. Zum einen konnte nun der Verlauf einer HIV-Infektion, deren schwerste Manifestation unter der Bezeichnung „Erworbenes Immunmangelsyndrom AIDS“ verstanden wird, weitgehend beschrieben werden. Zum anderen war nun die Basis für eine gezielte Suche nach Therapeutika gegeben, die bisher Ende 1986 in dem Nachweis der Wirksamkeit von Azidothymidin (AZT) bei der Behandlung von Aids-Patienten gipfelte
Weiterhin war es nun möglich, mit Laborverfahren die Verteilung des Virus in den meisten Ländern der Erde zu untersuchen. Es stellte sich heraus, daß das Virus nicht nur in Nordamerika, in der Karibik und in Europa, wo die Erkrankung zunächst klinisch beschrieben worden war, gefunden wird, sondern daß es, zum Teil mit anderen Krankheitsbildern assoziiert, insbesondere auch in Zentralafrika und in Südamerika auftritt. Bei Untersuchungen in Westafrika fiel allerdings auf, daß dort Erkrankungen zu beobachten waren, die klinisch als Aids eingestuft werden mußten, die aber keine Hinweise für eine Infektion mit HIV-1 zeigten. Dies führte — wieder durch die Gruppe von Luc Montagnier — 1986 zur Entdeckung einer zweiten Retrovirusgruppe, die Aids verursachen kann, aber trotz einer eindeutigen Verwandtschaft mit HIV-1 von diesem gut zu unterscheiden ist. Diese Viren werden heute HIV-2 (früher LAV-2) genannt.
Die Möglichkeit, HIV-1 und HIV-2 in Zellkulturen im Labor zu vermehren und zu untersuchen, führte zu einer raschen molekularbiologischen Charakterisierung dieser Viren. Bereits Anfang 1985 war das Erbmaterial von HIV-1 entschlüsselt, d. h.sein Genom vollständig sequenziert Die meisten Erbanlagen konnten definiert werden. Dabei stellte sich eine unerwartete Komplexizität dieses Virus heraus, die es taxonomisch innerhalb der Familie der Retroviren in die Untergruppe der Lentiviren einordnet und damit von der besser untersuchten Untergruppe der Oncoviren, die in Tieren für die Induktion von bösartigen Tumoren und Leukämien verantwortlich sind, unterscheidet
II. Der klinische Verlauf einer HIV-Infektion
1. Erste Zeichen der Infektion und der Erkrankung Auf Grund der üblichen Übertragungswege (Sexualkontakt, kontaminierte Nadel eines Drogensüchtigen) ist in den meisten Fällen der Beginn einer HIV-Infektion nicht festzustellen. Nur dann, wenn eine einzelne Bluttransfusion, eine einzelne Gabe eines Blutgerinnungsfaktors oder eine einzelne Stichverletzung mit einer Injektionsnadel, die mit HIV-haltigem Blut kontaminiert war, für die Infektion verantwortlich gemacht werden kann, lassen sich die frühen Symptome beobachten und die Zeitdauer bis zur Bildung von Antikörpern bestimmen.
Die selten zu beobachtenden frühen Zeichen einer HIV-Infektion ähneln einem grippalen Infekt: Fieber, Nachtschweiß, Magen-Darm-Probleme und gelegentlich Kopfschmerzen, bedingt durch Reizungen der Hirnhäute oder des Gehirns. Diese Erscheinungen verschwinden innerhalb von zwei bis drei Wochen. Doch ist damit die Infektion nicht überwunden; auf Grund der weiter unten beschriebenen Eigenschaften von Retroviren verbleibt der Aids-Erreger lebenslang im Infizierten.
Nach vier bis sechs Wochen treten in der Regel im Serum des Infizierten Antikörper auf, die spezifisch HIV erkennen lassen. Während bei vielen anderen Viruserkrankungen, z. B.der Kinderlähmung, diese Antikörper zunächst anzeigen, daß der Körper die Oberhand über die Infektion gewinnt und später Zeichen einer überstandenen Infektion und gleichzeitig eines Schutzes gegen eine Neuinfektion mit dem gleichen Erreger sind, beweisen HIV-spezifische Antikörper lediglich die stattgefundene Infektion. Aus diesem Grunde sind sie aber zur Diagnose der HIV-Infektion geeignet.
Eine ganze Reihe sehr sensitiver und sehr spezifischer Such-und Bestätigungstests, die vom Paul-Ehrlich-Institut, dem Bundesamt für Sera und Impfstoffe, zugelassen werden müssen, stehen dazu zur Verfügung. Als zweites Land der Welt hat die Bundesrepublik Deutschland bereits zum 1. Oktober 1985 die Pflichtuntersuchung auf HIV-Antikörper für alle Blutspenden, die zur Transfusion bereitgestellt oder zur Herstellung von Blutprodukten eingesetzt werden, angeordnet, um eine Übertragung des Virus auf diesem Wege zu verhindern. Damit wurde auf dem Gebiet der Diagnose von HIV und der Verhinderung seiner Übertragung durch Blut und Blutprodukte eine enorme Sicherheit erreicht. Sie ist nur beschränkt durch die Zeitdauer zwischen der Infektion und dem Auftreten von Antikörpern, wobei es sich in der Regel, wie erwähnt, um einige Wochen, in sehr wenigen Ausnahmen aber auch um Monate und Jahre handelt. Nach dem Abklingen der ersten Symptome ist der HIV-infizierte für einen Zeitraum, der Monate bis viele Jahre betragen kann, klinisch gesund. In dieser Latenzperiode hat er aber als infektiös zu gelten, da erja das Virus in sich trägt. Allerdings ist das Ausmaß der Infektiosität schwer vorauszusagen. So sind weniger als die Hälfte der regelmäßigen Sexualpartner von HIV-positiven Blutern selbst infiziert, wobei keine Relation zu Häufigkeit und Art des Sexualverkehrs festgestellt werden kann. Dieser Befund kann durch eine geringe Infektiosität mancher Infizierter (evtl, nur zu bestimmten Zeiten), aber auch durch eine höhere Widerstandsfähigkeit mancher Nicht-Infizierter erklärt werden. In Einzelfällen ließ sich aber zeigen, daß ein einzelner Sexualkontakt zur Infektion ausreichen kann. Nach dieser in ihrer Dauer nicht voraussagbaren Zeit der klinischen Unauffälligkeit kann der Infizierte Krankheitssymptome entwickeln, sei es in der Form des Lymphadenopathiesyndroms (LAS), sei es unmittelbar mit dem Vollbild von Aids. Das Lymphadenopathiesyndrom, das als Vorstufe oder als schwächere Verlaufsform von Aids interpretiert werden kann, ist klinisch charakterisiert durch generalisierte Lymphknotenschwellungen, die an mindestens zwei verschiedenen Körperstellen außerhalb der Leistenregion auftreten, die mindestens über drei Monate bestehen bleiben und für die keine andere Ursache (z. B.andere Infektionskrankheiten oder Tumore) ausfindig gemacht werden kann. Dazu kommen allgemeine Symptome wie Fieber, Durchfälle und Gewichtsverlust. Dies geht einher mit einer zunehmenden Störung des Immunsystems, die sich in einer Abnahme der Hautreaktion gegenüber bestimmten Antigenen äußert und die durch eine Abnahme der Gesamtzahl im Blut zirkulierender CD 4-positiverT-HelferZellen (unter 400/ul) im Labor nachgewiesen werden kann. 2. Das Vollbild von Aids Das Vollbild von Aids unterscheidet sich vom LAS im wesentlichen durch das Auftreten opportunistischer Infektionen und/oder bestimmter Tumoren. Opportunistische Infektionen werden von Erregern hervorgerufen, die in Personen mit intaktem Immunsystem nicht zu einer entsprechenden Krankheit führen. Zu diesen Keimen zählt der schon erwähnte Einzeller Pneumocystis carinii, der bei einem hohen Prozentsatz der Aids-Patienten zu einer schweren Lungenentzündung führt. Dazu gehört ebenso Candida albicans, ein Pilz, der auch bei ungestörtem Immunsystem Infektionen verursachen kann, dann aber niemals, wie es bei Aids-Patienten häufig vorkommt, Speiseröhre, Luftröhre. Bronchien und Lunge bewächst. Die Liste der möglichen opportunistischen Erreger, die sowohl zu den Viren als auch zu den Bakterien, Pilzen und Einzellern zählen können, ist lang. Sie unterscheiden sich in den Möglichkeiten, die zu ihrer Behandlung zur Verfügung stehen. Manche (z. B. Pneumocystis carinii, Herpes-Viren) lassen sich gut bekämpfen, andere (Epstein-Barr-Virus, Kryptosporidien, Mycobacterium avium intracellulare) dagegen überhaupt nicht.
Unter den Tumoren, die beim Vollbild von Aids auftreten, spielt nach wie vor das Kaposi-Sarkom, das allerdings nicht in allen Risikogruppen gleich häufig auftritt, eine wichtige Rolle. Daneben sind insbesondere Lymphome des Gehirns beobachtet worden. Es ist leicht einzusehen, daß eine Therapie dieser Tumore, etwa mit Zytostatika (Substanzen, die die Zellvermehrung hemmen), durch die vorhandene Immunsuppression erschwert ist.
Die jüngste Definition durch die Centers for Disease Control zählt zwei weitere Krankheitsbilder zum Vollbild von Aids, die zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Zum einen handelt es sich um eine durch HIV bedingte Gehirnerkrankung, die HIV-Enzephalopathie, die vermutlich direkt durch den Erreger verursacht wird Sie ist gekennzeichnet durch einen wachsenden Verlust geistiger Fähigkeiten, der schließlich zu einer Apathie führen kann, häufig gefolgt von motorischen Symptomen wie Zittern und Gangstörungen. Dieser „AIDS Demenz Komplex“ tritt in der Regel zusammen mit den weiter oben erwähnten Symptomen auf, gelegentlich aber auch als einzige klinische
Manifestation. Er ist aber immer auch begleitet von im Labor nachweisbaren Störungen des Immunsystems. Das zweite neu in die Definition von Aids eingearbeitete Krankheitsbild wird „HIV wasting Syndrome“ genannt, was mit „HIV-Schwindsucht“ übersetzt werden könnte. Es ist gekennzeichnet durch einen Gewichtsverlust von über zehn Prozent des ursprünglichen Körpergewichts bei gleichzeitigem chronischen Durchfall (über 30 Tage) oder chronischer Schwäche mit Fieberschüben oder anhaltendem Fieber für mehr als dreißig Tage. Diese Form von Aids wird besonders häufig in Zentral-afrika beobachtet und dort „slim disease“ genannt
Die Prognose dieses Vollbilds von Aids ist schlecht. 95 Prozent der Patienten, die dieses Stadium erreichen, sterben innerhalb von drei Jahren. Die kumulative Sterblichkeit beträgt etwa 50 Prozent, d. h. daß etwa die Hälfte aller Patienten, bei denen das Vollbild von Aids diagnostiziert werden mußte, bereits verstorben ist.
Diese Zahlen gelten nicht für die erscheinungsfreie HIV-Infektion. Es ist noch nicht mit Sicherheit bekannt, welcher Prozentsatz der Infizierten LAS oder Aids entwickeln wird. Die diskutierten Zahlen schwanken zwischen 30 und 100 Prozent. Weiterhin ist nicht absolut sicher, ob die Krankheit auf einer Stufe stehen bleiben kann oder sich unabwendbar bis zum Endzustand weiterentwickelt. Gelegentlich tauchen aber Berichte auf, daß HIV seropositive Personen ihre Antikörper verlieren und daß in manchen dieser Fälle das Virus selbst auch mit den empfindlichsten Methoden nicht mehr nachgewiesen werden kann. Ob dies bedeutet, daß das Virus vielleicht doch vollständig eliminiert werden kann oder daß es sich nur in wenigen unzugänglichen Zellen „versteckt“, kann noch nicht entschieden werden.
III. Die Eigenschaften des Humanen Immunschwäche Virus HIV
1. Der Vermehrungszyklus von HIV Um eine kausale, d. h. gegen den Erreger gerichtete Therapie des Aids entwickeln zu können, ist es notwendig, die Eigenschaften dieses Virus und die Art und Weise, auf die es die Erkrankung verursacht, kennenzulernen.
Beim HIV handelt es sich, wie bei den anderen Retroviren, um ein etwa 0, 1 um großes kugeliges Virus, dessen „Kern“, in dem das genetische Material verpackt ist, noch von einer lipidhaltigen Hülle umgeben ist, die selbst von der Membran der Wirts-zelle, in der sich das Virus vermehrt hat, abstammt. Mit allen Viren, die eine derartige Lipidhülle besitzen, hat es gemeinsam, daß es recht instabil ist. So wird es schon durch die Behandlung mit milden Detergenzien oder mit 70prozentigem Alkohol sowie durch mäßiges Erhitzen (z. B. 56 °C für 30 min) in seiner Infektivität zerstört.
Die Vermehrung des Virus läuft vereinfacht folgendermaßen ab: In einem ersten Schritt lagert sich das Virus an die Oberfläche einer Wirtszelle an. Dieses Geschehen wird durch die Reaktion eines Eiweiß-stoffes in der Zellmembran, dem sogenannten Rezeptor, mit einem Eiweiß in der Hülle des Virus vermittelt. Auf noch nicht eindeutig geklärte Weise dringt nun das Virus in das Zellinnere ein und setzt sein genetisches Material frei. Im Gegensatz zum genetischen Material der Zelle, das aus doppelsträngiger Desoxyribonukleinsäure (DNS) (dient als Speicher für die Erbinformation in allen Zellen und einem Teil der Viren) besteht, ist das des Virus eine einzelsträngige, Ribonukleinsäure (RNS) (transportiert die Erbinformation in verschlüsselter Form von der DNS des Zellkerns in den Zellkörper und in manchen Viren Speicher für die Erbinformation). Ein vom Virus mitgebrachtes Enzym (steuert den Stoffwechsel des Organismus) schreibt nun die virale RNS in doppelsträngige DNS um.
Dieses DNS-Stück, Provirus genannt, wird, vermittelt durch virale Enzyme, in die zelluläre DNS fest eingebaut, in der es nach unseren heutigen Kenntnissen für alle Zukunft verbleibt. Dieses Provirus wird von der Zelle von nun an wie ein eigenes Gen behandelt, aus dem Virus ist de facto ein Bestandteil der Zelle geworden. Vom zellulären Enzymapparat wird es wieder in eine RNS umgeschrieben. Entweder programmiert diese RNS den Eiweißsyntheseapparat der Zelle so, daß virale Eiweißstoffe synthetisiert werden, oder aber sie wird mit Hilfe dieser Eiweißstoffe direkt in neue virale Partikel eingebaut, die sich an der Zellmembran zusammensetzen und in einem Knospungsprozeß von der Wirtszelle abschnüren, um neue Zellen zu infizieren. 2. Die Viruspersistenz Eine wesentliche Eigenschaft von Retroviren und damit auch HIV, besteht darin daß die virale genetische Information nach Infektion einer Zelle Bestandteil des zellulären genetischen Materials wird und bleibt. Damit erklärt sich, daß das Virus über Jahre und vielleicht Jahrzehnte im einmal Infizierten persistiert und trotz des Aufbaus einer Immunantwort in der Regel nicht eliminiert wird. Eine Folge davon ist, daß der Nachweis von Antikörpern in seiner praktischen Bedeutung dem Nachweis des Virus selbst gleichkommt und damit eine potentielle Infektiosität des Antikörperträgers dokumentiert.
Diese Persistenz des Virusgenoms in der einmal infizierten Zelle erklärt auch die Tatsache, daß das Virus selbst nach einer langen Latenzperiode wieder aktiv werden kann. Die Faktoren aber, die schließlich zum Auftreten der klinischen Symptome führen, sind weithin unbekannt. Zwar besitzt das Virus zwei Gene (tat und rev) deren Aufgabe es ist, die Produktion von Viruspartikeln zu initiieren und zu verstärken, doch bestehen nur undeutliche Vorstellungen darüber, wie diese Gene selbst nun reguliert, wie das Virus in die Latenz (Verborgenheit) und aus ihr heraus gesteuert wird. Die Beobachtung, daß eine Stimulierung der Wirtszellen (z. B.der CD 4-positiven Helferzellen durch Antigene) eine Voraussetzung für die Virusvermehrung ist, zeigt allerdings, daß auch zelluläre Einflüsse eine wichtige Rolle spielen. Allein der Faktor Zeit ist als Risikofaktor erkannt und meßbar geworden: Je länger die Infektion zurückliegt, desto häufiger erfolgt der Übergang von symptomloser Infektion zur Krankheit. Insgesamt sind jedoch die Kenntnisse auf diesem Gebiet sehr lückenhaft. Es bedarf intensiver wissenschaftlicher Bemühungen, diese Lücken möglichst rasch zu schließen. 3. Welche Zellen werden von HIV infiziert?
Einfacher erscheint zunächst die Frage, welche Zellen von HIV infiziert werden können. Wie oben schon kurz angedeutet, hängt dies von einem Wechselspiel zwischen Eiweißkörpern auf der Oberfläche der Zellen und der Viren ab. Bei den dafür verantwortlichen viralen Strukturen handelt es sich um zwei zuckerhaltige Proteine, von denen eines („gp 41“) fest in der Virusmembran verankert ist und die Bindung zum zweiten („gpl 20“) vermittelt, das an der Außenseite sitzt. Schon 1984 konnte der zelluläre Partner des Andocksystems identifiziert werden: das CD 4-Antigen, das gerade die Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) charakterisiert, deren Verlust während der Entwicklung von Aids so offensichtlich ist Dieser Befund entspricht den Ergebnissen in der Zellkultur, die zeigen, daß nur CD 4-positive T-Lymphozyten infiziert werden können. Dieses Oberflächenprotein ist aber nicht nur auf diese Lymphozyten beschränkt. Es wird auch auf einer Subpopulation der Makrophagen (Gruppe der weißen Blutkörperchen) gefunden, der „Freßzellen“, die durch ihre Fähigkeit, Antigene zu „präsentieren“, eine wichtige Rolle beim Aufbau einer Immunantwort spielen. Auch diese Zellen werden durch HIV in vivo und in vitro infiziert und möglicherweise funktionell inaktiviert.
Die Situation ist aber nicht so klar und einfach, wie es nach der bisherigen Schilderung erscheint. So gibt es Befunde, die darauf hinweisen, daß das CD 4-Antigen für eine erfolgreiche Infektion einer Zelle zwar notwendig, aber nicht ausreichend ist. Es scheint, daß dieser Eiweißkörper wohl die Bindung des Virus an die Zelloberfläche vermittelt, daß aber weitere Faktoren für das Durchdringen des Virus durch die Zellmembran in das Zellinnere notwendig sind. Eventuell handelt es sich um ein bisher noch nicht identifiziertes Protein, das mit dem viralen Hüllprotein gp 41 reagiert. z Es häufen sich aber auch Hinweise, daß zumindest Makrophagen auch noch auf einem zweiten Weg infiziert werden können. Diese Zellen besitzen nämlich Rezeptoren für Antikörper. Ist nun das Virus mit Antikörpern beladen, so können diese das Anheften an die Oberfläche der Makrophagen vermitteln und damit eine Aufnahme des Virus in diese Zelle ermöglichen. Normalerweise führt dies zu einem Abbau der Viren, nicht aber dann, wenn sich das Virus in diesen Zellen gut vermehren kann. Dies gilt nur für wenige Viren, aber auch für Lentiviren, zu denen ja HIV zählt. Es liegt auf der Hand, daß diese „Antikörper-abhängige Verstärkung“ der Infektiosität zu konzeptionellen Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines Impfstoffes führt, dessen Aufgabe es ja ist, vor einem Kontakt mit dem Virus die Produktion von anti-viralen Antikörpern im Impfling zu erzeugen.
Untersuchungen in Patienten haben gezeigt, daß außer den T-Helfer-Zellen und den Makrophagen noch weitere Zellen infiziert sein können. Mit Sicherheit handelt es sich dabei um bestimmte Zellen des Gehirns, eventuell auch um Zellen der Darmschleimhaut. Ob sie alle auch das CD 4-Protein an der Oberfläche tragen oder durch einen bisher noch unbekannten Mechanismus infiziert werden, bleibt zu erforschen. Das zunächst einfache Bild, daß nämlich die Infektion einer Zelle durch das Andokken der Virushülle an den zellulären CD 4-Rezeptor vermittelt wird, ist so nicht mehr aufrecht zu erhalten. Vielmehr sind erneute Anstrengungen notwendig, um sowohl möglichst alle infizierbaren Körper-zellen zu keimen als auch die Art und Weise der Infektion zu verstehen. Diese Kenntnisse sind Voraussetzungen dafür, letztlich zu begreifen, welche Wege von der Infektion mit dem Virus schließlich zur Entstehung der Krankheit führen. 4. Wie verursacht das Virus die Erkrankung?
Auch im Verständnis der Pathogenese, des Mechanismus also, der die Entwicklung der Krankheit bedingt, trügt das ursprünglich einfache Bild. In der Zellkultur war zu erkennen, daß die CD 4-positiven Lymphozyten-Linien nach der Infektion absterben, vorwiegend dadurch, daß sie miteinander verschmelzen, d. h. Synzytien bildeten. Es war nahe-liegend, diesen zytopathischen Effekt auch für den Verlust der CD 4-positiven Zellen im Körper verantwortlich zu machen. Überraschenderweise konnte aber gezeigt werden, daß im Blut nur sehr wenig Zellen (eine von zehn-bis hunderttausend) infiziert sind wäs ausschließt, daß der Verlust an T-Helfer-Zellen ein direkter Effekt der Infektion ist. Auch andere kompliziertere Modelle sind nicht in der Lage, die Entstehung des Immundefektes überzeugend zu erklären. Gerade in dieser Frage klafft eine besonders große Lücke im derzeitigen Kenntnisstand, die wohl nur durch große Forschungsanstrengungen geschlossen werden kann. Ein möglicher Ansatzpunkt, diese Frage zu klären, liegt in dem Vergleich von HIV mit nahe verwandten Viren aus Affen (sog. „Simian Immunodeficiency Viruses“ SIV), die in den Spezies, in denen sie natürlicherweise gefunden werden, keine Krankheiten auslösen, in anderen Arten aber Aids-ähnliche Zustände verursachen.5. Ansätze zur chemotherapeutischen Behänd* lung Viel Aufwand wurde und wird in die Entwicklung von Verfahren zur Behandlung der HIV-Infektion investiert. Dabei geht es in diesem Zusammenhang um die Bekämpfung des Virus selbst, nicht um die der opportunistischen Infektionen. Wird als Ziel angestrebt, das Virus aus dem Körper eines einmal Infizierten endgültig zu vertreiben, so ergeben sich große konzeptionelle Schwierigkeiten. Zur Zeit ist nicht vorstellbar, wie die Erbinformation des Virus nach einmal stattgefundenem Einbau in die Erbsubstanz der Zelle spezifisch und vollständig eliminiert werden kann. Alle Überlegungen konzentrieren sich deshalb derzeit darauf, Medikamente in die Hand zu bekommen, die zumindest eine Virusvermehrung verhindern können. Ein aus der Entwicklung der Antibiotika abgeleiteter Weg ist es, nach Substanzen zu suchen, die essentielle virusspezifische, nicht in der Wirtszelle vorkommende Enzyme hemmen. Mit der Substanz Azidothymidin (Handelsname Retrovir) wurde in der Tat ein solches Medikament gefunden. Es hemmt das virale Enzym, das die Umschreibung der viralen RNS in doppelsträngige DNS katalysiert und mit Trivialnamen „Reverse Transkriptase“, systematisch aber „RNS abhängige DNS Polymerase“ genannt wird. Die Anfangserfolge mit dieser Substanz sind groß, bei fast allen behandelten Aids-Patienten konnte eine Lebensverlängerung erzielt werden Jedoch zeigen sich auch Nebenwirkungen, die zum Teil darauf beruhen, daß auch verwandte zelluläre Enzyme mit der Zeit beeinträchtigt werden. Zunächst treten Anämien (Blutarmut) auf, deren Häufigkeit zwar nach einiger Zeit der Behandlung zurückgeht, denen aber eine Leukopenie folgt, der Verlust von weißen Blutkörperchen. Dies zeigt deutlich die große Herausforderung bei der Entwicklung derartiger Medikamente, die, da sie ja lebenslang gegeben werden müssen, nur eine äußerst geringe Nebenwirkungsrate haben dürfen.
Nach wie vor gilt das therapeutische Hauptinteresse der Suche nach neuen Hemmstoffen der Reversen Trankriptase. Die Hoffnung besteht darin, spezifischere Substanzen mit geringeren Nebenwirkungen zu finden, oder aber ein geeignetes Gemisch zu entwickeln, das, bedingt durch die Herabsetzung der Mengen der Einzelkomponenten, besser vertragen wird. Daneben wird von zahlreichen Gruppen auch nach Substanzen geforscht, die andere virale Schritte spezifisch unterbinden. Es ist daher auf diesem Gebiet in Zukunft durchaus mit Erfolgen zu rechnen, auch wenn wegen der Behandlungsdauer und der damit verbundenen Nebenwirkungsrate eine gewisse Skepsis angebracht erscheint.
Die Entwicklung von gegen Viren wirksamen Medikamenten steckt insgesamt noch in den Kinderschuhen und weist wenige Erfolge auf, sieht man von den Behandlungsmöglichkeiten bei durch Herpes-Viren und HIV bedingten Erkrankungen ab. Dies liegt zweifellos auch an dem im Vergleich zur Antibiotika-Forschung geringen finanziellen und wissenschaftlichen Einsatz bei der Suche nach wirksamen Virostatika. Eine weitere Ursache ist der Erfolg, der sich durch den Einsatz von Impfungen bei der Bekämpfung von Viruserkrankungen in vielen Fällen eingestellt hat. Es liegt daher auf der Hand, in der Entwicklung eines Impfstoffes gegen HIV den Schlüssel Zur Bekämpfung von Aids zu sehen. 6. Kann es einen Impfstoff geben?
Dementsprechend haben sich zahlreiche Gruppen dieser Aufgabe gewidmet. Aus einer Reihe von Gründen scheint die Entwicklung eines Impfstoffes aus Spaltprodukten des Virus (Spaltimpfstoff) der einfachste und der direkteste Weg zu sein. Als wesentlicher Bestandteil eines solchen Impfstoffes wird die virale Hülle betrachtet, die auch bei der natürlichen Infektion das Immunsystem stark stimuliert. Zur Enttäuschung aller Beteiligter zeigten jedoch derartige gegen HIV gerichtete Impfstoffe während der letzten ein bis eineinhalb Jahre in Versuchen mit Schimpansen, dem einzigen zur Zeit bekannten Tier, das mit Sicherheit mit HIV infiziert werden kann, keinerlei Schutzwirkung
Eine Diskussion der möglichen Ursachen für diese Mißerfolge ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung der nächsten Generation potentieller Impfstoffe. Zwei Schwerpunkte in dieser international intensiv geführten Debatte sollen Erwähnung finden.
Wie bereits oben erwähnt, reagiert das Hüllprotein von HIV mit dem CD 4-Rezeptor einer Zelle und leitet so das Eindringen des Virus in die Zelle ein. Ist diese Reaktion dadurch behindert, daß das virale Hüllprotein (gpl 20) mit sogenannten neutralisierenden Antikörpern beladen ist, dann kann eine Infektion der Zelle nicht mehr stattfinden, das Individuum ist geschützt. Seit längerem ist aber bekannt, daß das Gen für dieses virale Hüllprotein sehr variabel ist, d. h. daß sich ähnlich wie bei Grippeviren (Influenza) diese viralen Eiweißstoffe in Virusisolaten aus verschiedenen Personen zum Teil stark unterscheiden Darüber hinaus gibt es Hinweise, daß sich dieses Gen und damit auch das gpl 20 im einmal Infizierten dauernd ändert und sich deswegen einer Reaktion mit den entstandenen Antikörpern entziehen kann. In den bisherigen Experimenten wurden Schimpansen mit großen Mengen eines individuellen Hüllproteins geimpft, und es ist durchaus vorstellbar, daß sich die Viren, mit denen die Tiere belastet wurden, in vivo so verändert haben, daß sie von den durch die Impfung hervorgerufenen Antikörpern in ihrer Infektiosität nicht länger beeinträchtigt wurden. Eine natürlich auftretende Infektion wird auch in der Regel von einem Gemisch unterschiedlicher Immundefizienzviren ausgehen, so daß Antikörper, die gegen ein individuelles gpl 20 gerichtet sind, nicht alle dieser Viren erkennen können. Eine mögliche Konsequenz aus diesen Überlegungen ist die Entwicklung eines Impfstoffes, der Komponenten von HIV beinhaltet, die nicht dieser großen Variabilität unterworfen sind, wie z. B. innere Virusproteine.
Eine weitere in diesem Zusammenhang sehr wichtige Frage ist, ob Antikörper allein überhaupt in der Lage sind, bei einer HIV-Infektion die Krankheit zu verhindern. Die Ergebnisse der Schimpansen-versuche scheinen dies in Frage zu stellen Dazu kommt die Beobachtung der „Antikörper abhängigen Verstärkung“ der Infektiosität, die weiter oben beschrieben wurde. Die gegenwärtigen Vorstellungen gehen daher davon aus, daß auch andere Zweige der Immunantwort, insbesondere zelluläre Abwehrmechanismen (z. B. zelltötende T-Zellen aus der Gruppe der weißen Blutkörperchen), eine wesentliche Rolle für den Erfolg einer Impfung spielen dürften. Noch ist aber nicht abgeklärt, welchen Mechanismen die entscheidende Bedeutung zukommt. Dazu bedarf es ausführlicher, technisch nicht einfacher in vitro-Experimente mit weißen Blutzellen HIV-infizierter. Darüber hinaus wären Untersuchungen von Zuständen wichtig, in denen es trotz einer HIV-Infektion nicht zur Erkrankung kommt. Dafür gibt es in Tieren mehrere Beispiele. Unter anderem wird die Afrikanische Grüne Meer-katze, eine Affenart, auch in der freien Wildbahn mit einem Virus infiziert, das dem HIV sehr ähnlich ist. doch werden die infizierten Tiere nicht krank. Studien zielen nun darauf ab, die Gründe für das Fehlen einer Krankheitsentwicklung zu finden. Diese könnten in einer effizienteren Immunabwehr liegen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden dazu beitragen, die Zusammensetzung der Immunantwort zu erkennen, die in der Lage ist, eine HIV-Infektion abzuwehren.
Die Komplexität der andiskutierten Probleme zeigt deutlich, wie schwierig die Entwicklung eines Impfstoffes ist. Die Frage, wann ein solcher Impfstoff zur Verfügung stehen wird, kann daher zur Zeit nicht beantwortet werden.
IV. Ausblick
Es ist erst sieben bis acht Jahre her, daß das Erworbene Immunmangelsyndrom Aids erkannt und beschrieben wurde. In einer in der Medizingeschichte ungewöhnlich kurzen Zeit wurde der Erreger entdeckt und hinsichtlich seiner molekularen Zusammensetzung aufgeklärt. Auch konnten erste wirksame Medikamente gefunden werden. Dennoch bestehen zahlreiche wichtige unbeantwortete Fragen, wie die nach dem Mechanismus der Krankheitsentstehung. Auch sieht sich die Entwicklung eines Impfstoffes, des bisher zur Eindämmung von Viruskrankheiten wirksamsten Mittels, ganz besonderen Problemen konfrontiert. Große Anstrengungen sind daher in der Forschung noch vonnöten, bis davon gesprochen werden kann, daß Krankheitsverbreitung und Krankheitsentwicklung unter Kontrolle sind. Es ist aber zu erwarten, daß diese Anstrengungen über das erhoffte Ziel hinaus auch wesentliche Erkenntnisse über grundlegende Mechanismen der Immunologie und der Krebsentstehung zeitigen werden. Bis zum notwendigen Erreichen der wissenschaftlichen Zielsetzungen bleibt die Aufklärung der Menschen über die Ansteckungswege von HIV die einzige Waffe, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen und vielleicht sogar zu stoppen.
Reinhard Kurth, Dr. med., geb. 1942 in Dresden; Studium der Medizin in Erlangen; Habilitation an d Universität Tübingen; 1980 Berufung zum Direktor und Professor an das Paul-Ehrlich-Institut Frankfur seit 1986 dessen Präsident. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit R. Löwer, J. Löwer, H. Gelderblom) Retroviren und Lymphomen stehung, in: Onkologie, (1987) 10, S. 186— 194; (zus. mit G. Kraus, A. Werner, S. Hartung, P. Centne M. Baier, S. Norley, J. Löwer) Aids: Animal retrovirus models and vaccines, in: Journal of Aid (1988) 11. Johannes Löwer, Dr. med., geb. 1944 in Wien; 1963— 1969 Studium der Medizin in Würzburg un Tübingen; 1970— 1974 Studium der Biochemie in Tübingen (Dipl. -Biochem.); seit 1988 Leiter der Abte lung Human-Virologie am Paul-Ehrlich-Institut und Ernennung zum Direktor und Professor. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit R. Kurth, E. M. Wondrak) Genome analysis and reverse transcriptas activity of Human Teratocarinoma-Derived Retroviruses (HTDV), in: Journal of General Virology, ((1987); (zus. mit R. Kurth, E. M. Wondrak) Inhibition of HIV RNA dependent DNA polymeras and cellular DNA polymerases a, ß and y by phosphono formic acid and other drugs, in: Journal Antimicrobial Chemotherapy, 21 (1988).
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