Wider die Folgenlosigkeit Bestandsaufnahme der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung zu den Kabelpilotprojekten
Will Teichert
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Zusammenfassung
Im Rahmen der vier Kabelpilotprojekte in der Bundesrepublik (Ludwigshafen/Vorderpfalz, München, Berlin, Dortmund) sind zahlreiche sozialwissenschaftliche Begleitforschungsprojekte angeregt und realisiert worden. Die Forschungsschwerpunkte hegen in den Bereichen „Nutzung/Akzeptanz, Wirkungsforschung, Programmanalysen, Anbieter-Kommunikatorstudien“. Die anfänglich auf Politikberatung zielenden Forschungsprojekte zu den Folgen zukünftiger Telekommunikationstechniken wurden allerdings von der faktischen medienpolitischen und medienökonomischen Entwicklung überholt. Die ursprünglich auf „Rückholbarkeit“ angelegten Pilotprojekte wurden zu den Einfallsschneisen der grundsätzlichen Veränderung der bundesdeutschen Rundfunklandschaft in Richtung eines dualen Systems. In diesem Zusammenhang veränderte sich auch die Rolle der Begleitforschung. Sie bewegt sich zwischen den Polen einer marktorientierten Akzeptanzforschung einerseits und den theorie-geleiteten, innovativen Ansätzen der Wirkungsforschung auf der anderen Seite. Der organisatorische Rahmen der Begleitforschung, die Entstehungs-und Verlaufsgeschichte der verschiedenen Projekte lassen erkennen, wie unmittelbar die sozialwissenschaftlichen Projekte in politische Verwertungszusammenhänge eingebunden wurden bzw. eingebunden werden sollten.
I. Ausgangssituation
Es kann einer Bestandsaufnahme der sozialwissenschaftlichen Begleitforschung im Rahmen der vier Kabelpilotprojekte in Ludwigshafen/Vorderpfalz, München. Berlin und Dortmund nur dienlich sein sich zu erinnern, mit welchen Zielen, Ansprüchen, Bedenken die Pilotprojekte wie auch die sie begleitende Forschung von Beginn an verbunden waren. Vor dem Hintergrund der Planung und Entwicklung neuer technischer Kommunikationssysteme wurde am 2. November 1973 — nachdrücklich gefördert von der Bundespost in Verbindung mit der elektrotechnischen Industrie November 1973 — nachdrücklich gefördert von der Bundespost in Verbindung mit der elektrotechnischen Industrie 1) — von der damaligen Bundesregierung eine Kommission eingesetzt, die prüfen sollte, welche Bedingungen und Chancen für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems in der Bundesrepublik Deutschland bestehen. Die Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems (KtK) konstituierte sich im Februar 1974. Ihre Arbeit sollte, neben einer Einschätzung der technischen und finanziellen Rahmenbedingungen, vor allem klären, ob ein gesellschaftlicher, politischer und volkswirtschaftlicher Bedarf für neue Telekommunikationsformen besteht.
Am 27. Januar 1976 legte die KtK ihren Bericht vor, in dem u. a. empfohlen wurde, Kabelpilotprojekte durchzuführen, um Bedarf, Akzeptanz und Nutzung erweiterter Hörfunk-und Fernsehangebote zu prüfen. Parallel dazu wurde eine sozialwissenschaftliche Begleitung der Pilotprojekte gefordert Die beiden Empfehlungen gehen davon aus, daß die Pilotprojekte entscheidungsoffen anzulegen seien. Ob und wie Kabelfemsehen eingeführt wird, sei erst nach Ablauf der Pilotprojekte zu entscheiden.
Jenseits der nicht unproblematischen Tatsache, daß die Forschung bereits hier schon den Gegebenheiten der Pilotprojekte nachgeordnet war. ihr keine aktive, gestaltende Rolle zugesprochen wurde verbanden sich bei den Medienwissenschaftlern mit dieser Ausgangssituation anfänglich noch positive Erwartungen. U. Paetzold hoffte, daß durch die Begleitforschung erstmalig in der Bundesrepublik die kommunikationswissenschaftliche Arbeit „zum integralen Bestandteil einer politisch-folgenreichen Experimentalphase“ werden könne B. P. Lange formulierte auf der Basis der von der KtK grundsätzlich annoncierten Testbedingungen Kriterien und Anforderungen für die Begleitforschung (Repräsentativität, Vergleichbarkeit, Bedarfsanalysen) -Gründe für diese optimistische Haltung gab es schon: Nicht nur der KtK-Bericht signalisierte ergebnisoffene Pilotprojekte. Im öffentlichen Hearing z. B.der CDU-Fraktion des baden-württembergischen Landtages am 8. Februar 1979 sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Erwin Teufel: „Wir sind zu diesem Zeitpunkt in unserer Meinung noch nicht festgelegt, weder in Bezug auf die Notwendigkeit des Pilotprojektes (Mannheim/Ludwigshafen), noch in der konkreten Ausgestaltung eines solchen Versuchs, also erst recht nicht, was den Text eines Staatsvertrages anbelangt. Die CDU-Landtagsfraktion wird einem Staatsvertrag und damit einem Pilotprojekt nur zustimmen, wenn eindeutig klargestellt ist, daß es sich um eine ergebnisoffene Versuchsanordnung handelt.“ Parallel dazu aber gab es seit 1976 von Seiten der unterschiedlichen Interessenverbände und politischen Gruppen zahlreiche öffentliche Äußerungen, die die Rückholbarkeit der Projekte in einem anderen Licht erscheinen lassen. In einem dpa-interview vom 4. Februar 1976 erklärte BDZV-Präsident Johannes Binkowski zu den beabsichtigten Pilotprojekten: „Natürlich sind solche Projekte notwendig, aber sie können nur unzulänglich nachweisen, ob und wie neue Kommunikationssysteme beim Publikum aufgenommen werden. Gewisse Bedarfsfragen lassen sich eben nur am offenen Markt testen.“ Im „Rheinischen Merkur“ vom 17. Dezember 1976 sagte der medienpolitische Sprecher der CDU, Prof. Hans-Hugo Klein, daß. sobald die Beschränktheit der Frequenzen und die wirtschaftliche Unerschwinglichkeit entfalle, privates Fernsehen nicht nur möglich, sondern geboten sei.
Hinsichtlich der vorgegebenen Rückholbarkeit der Projekte zeigte sich auch bei der damaligen Bundesregierung bereits eine gewisse Zurückhaltung: „Die Erprobungsphasen, die zur Klärung der noch offenen Probleme dienen, führen zwangsläufig zu faktischen Folgewirkungen, die ihr dynamisches Eigengewicht gewinnen, Fehlentscheidungen könnten ... die geordnete Weiterentwicklung von Meinungsvielfalt und Informationsfreiheit schwerwiegend beeinträchtigen.“ Nachdrücklich in Erinne-rung zu bringen ist auch jene Feststellung des damaligen Leiters der Abteilung Planung im Bundeskanzleramt, Albrecht Müller, der in einer kritischen Würdigung der mit den Kabelpilotprojekten verbundenen kommunikationspolitischen Ziele prognostizierte: „Dieses Land wird am Ende anders aussehen; so, wie wir es eigentlich nicht gewollt haben.“
Angesichts der auf das Kabelfemsehen gewendeten Ziele wie — mehr Chancengleichheit — Verringerung sozialer Isolierung — soziale Integration, aktives Fernsehen — Verbesserung der Nahbereichs-Kommunikation — Erweiterung der Meinungsvielfalt — Verbesserung der Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung forderte Müller die begleitende Erforschung vor allem der sozialen Folgen der Kabelkommunikation. Eine reine Akzeptanz-Forschung reiche nicht aus. Die heute radikal veränderte Rundfunklandschaft der Bundesrepublik und der inhaltliche Ertrag mancher Studien aus der Begleitforschung beweisen, wie begründet diese Skepsis war. Die Pilotprojekte markieren tatsächlich die Einfallsschneisen der ökonomisch-technischen wie auch politisch-rechtlichen Veränderung der bundesdeutschen Medienstruktur.
II. Die Rahmenbedingungen der Begleitforschung
Abbildung 2
Auswirkungen des Kabelfemsehens — Panelbefragungen
Auswirkungen des Kabelfemsehens — Panelbefragungen
Der Entscheidungsprozeß über die formale wie inhaltliche Ausgestaltung der Pilotprojekte war zeitraubend und von einander widerstrebenden politischen Interessen geprägt. Er ist letztlich als ein Verfahren zu werten, das die Voraussetzung dafür schuf, daß die medientechnische und medienökonomische Wirklichkeit die mögliche politische Planung überholen konnte.
Zwei Jahre nach dem KtK-Bericht wurden Anfang 1978 die Städte Berlin, München und Ludwigshafen als Standorte für die Pilotprojekte benannt. Im November 1978 fiel schließlich der Entscheid für den vierten Versuch in Dortmund. Auf der Strecke geblieben waren u. a. die Standorte Kassel, Hamburg und Köln bzw. Wuppertal. Wiederum zwei Jahre später verständigten sich die Ministerpräsidenten im November 1980 auf den sogenannten „Kabelgroschen“ innerhalb der Rundfunkgebühr als Finanzierungsmöglichkeit der Tests. Jetzt wurden — wieder in zähen politischen Auseinandersetzungen — in den betroffenen Landtagen die für die Projekte erforderlichen rechtlichen Grundlagen geschaffen: — Am 4. Dezember 1980 verabschiedete der rheinland-pfälzische Landtag das Landesgesetz über einen Versuch mit Breitbandkabel in der Region Ludwigshafen/Vorderpfalz. Startdatum des Pilot-projektes ist der 1. Dezember 1984.
— München beginnt mit dem Projekt ein Vierteljahr später am 1. April 1985. Die gesetzliche Grundlage, der „Grundvertrag für das Kabelpilotprojekt München“, datiert vom 16. Juni 1982. — Der öffentlich-rechtliche Modellversuch mit Breitbandkabel in Dortmund wird am 14. Dezem15 ber 1983 gesetzlich verabschiedet. Eineinhalb Jahre später ist Betriebsstart in Dortmund. — Berlin hat am 28. August 1985 als letztes Pilotprojekt mit der Programmarbeit begonnen. Basis ist das „Gesetz über die Durchführung des Kabelpilotprojektes Berlin" vom 17. Juli 1984.
Von den KtK-Empfehlungen bis zur Realisierung waren nunmehr acht bzw. neun Jahre vergangen. Die politisch-inhaltlichen Voraussetzungen von 1976 (Test, Experiment) waren längst überholt angesichts der Tatsache, daß die Verkabelung (einst Gegenstand der Überprüfung) zeitlich parallel vorangetrieben wurde, daß private Fernsehprogramme (gesetzlich gesichert) bereits in die bestehenden Kabelnetze eingespeist wurden Nur folgerichtig erklärte der gerade ernannte Bundespostminister Schwarz-Schilling in einem Interview mit „epd-Kirehe und Rundfunk“ am 9. Oktober 1982, „daß es bei den geplanten Kabelpilotprojekten nicht um die Frage einer Rückholbarkeit gehe, sondern vor allem darum, verschiedene Programmangebote und Kommunikationsdi Juli 1984.
Von den KtK-Empfehlungen bis zur Realisierung waren nunmehr acht bzw. neun Jahre vergangen. Die politisch-inhaltlichen Voraussetzungen von 1976 (Test, Experiment) waren längst überholt angesichts der Tatsache, daß die Verkabelung (einst Gegenstand der Überprüfung) zeitlich parallel vorangetrieben wurde, daß private Fernsehprogramme (gesetzlich gesichert) bereits in die bestehenden Kabelnetze eingespeist wurden 11). Nur folgerichtig erklärte der gerade ernannte Bundespostminister Schwarz-Schilling in einem Interview mit „epd-Kirehe und Rundfunk“ am 9. Oktober 1982, „daß es bei den geplanten Kabelpilotprojekten nicht um die Frage einer Rückholbarkeit gehe, sondern vor allem darum, verschiedene Programmangebote und Kommunikationsdienste zu erproben“.
Die wissenschaftliche Begleitforschung ist von diesen veränderten Voraussetzungen unmittelbar betroffen. Zu eindeutig ist die Funktionsverschiebung von der ursprünglichen Technologie-Folgenabschätzung im Sinne möglicher medienpolitischer Planungshilfe hin zu einer Forschung im Sinne der Implementationshilfe und Legitimation. Allerdings eröffnete die Zeitspanne von acht Jahren zwischen der KtK-Empfehlung und dem Beginn des ersten Pilotprojektes in Ludwigshafen/Vorderpfalz der wissenschaftlichen Debatte erhebliche Zeiträume, die für die Formulierung veränderter Akzente der Forschungsaufgaben hätten genutzt werden können. In welchem Maße dies geschehen ist, läßt sich erst an den Ergebnissen diskutieren. Da bislang, neben zahlreichen Zwischenberichten, nur zwei Abschlußberichte (für München und Ludwigshafen) vorliegen, soll hier vor allem ein Überblick über die sozialwissenschaftliche Begleitforschung gegeben werden — allerdings mit einigen Interpretationen.
Die im Vorfeld der Projekte geführte öffentliche Diskussion über die sozialen Folgen veränderter Medienstrukturen erbrachte reichlich Belege, wie deutlich Wissenschaft, zumal die um „eindeutige“ Aussagen verlegene Sozialwissenschaft, den instrumenteilen Argumenten von Wirtschaft, Technik und Politik unterlegen war und auf eine symbolisehe Reflexionsfunktion begrenzt blieb 12). Die Vielzahl der differenzierenden Stellungnahmen und Expertisen zu den sozialen und gesellschaftlichen Folgen kontrastiert inhaltlich augenfällig zu den dann formulierten medienpolitischen Gestaltungsvorschlägen. Nur beispielhaft sei hier auf die sozialwissenschaftlichen Gutachten im Rahmen der Expertenkommission Neue Medien (EKM) in Baden-Württemberg 13), auf die aufwendigen Vorarbeiten der „Interdisziplinären Arbeitsgruppe Kabel-kommunikation Berlin“ 14) oder auf das von Wolfgang R. Langenbucher betreute Unternehmen „Projektdesign Kabelkommunikation Berlin“ 15) verwiesen.
Die Sozial-und Kommunikationswissenschaftler erhielten zwar vielfältig Gelegenheit, ihre Standpunkte und Konzepte zu den möglichen gesellschaftspolitischen Folgen zu formulieren — aber für die Ausgestaltung der Projekte selbst blieb dies ohne Konsequenzen. Grundsätzliche Gestaltungsalternativen wurden nicht erörtert; die angesichts der zeitlichen Verzögerung der Pilotprojekte zwangsläufigen Fragen nach dem „Ob“ und „Wie“ blieben außen vor. Entsprechend dieser Erfahrungen kam es zu negativen Einschätzungen der Rolle der Begleitforschung:
— Sie werde vordringlich als Instrument der Marktforschung und Markterkundung eingesetzt 16);
— sie diene im Sinne der Überlegungen von Luhmann zur „Legitimation durch Verfahren“ der Politik als Implementationshilfe 17);
— sie werde durch die Auffächerung in zahlreiche Einzelstudien derart partialisiert, daß umfassende, gesellschaftlich bedeutsame Ergebnisse nicht entstehen könnten — sie lasse sich für „Scheintests“ instrumentalisieren. da die veränderten Medienstrukturen längst schon Wirklichkeit seien
Trotz der vielfältigen Bedenken, trotz desillusionierender Erfahrungen in den Kommissionen formulierten die an der Begleitforschung beteiligten
Wissenschaftler noch 1983 und 1984 umfängliche Zielsetzungen — diese allerdings mit der Einsicht, daß es jetzt nicht mehr um medienpolitische Beratung und Planungshilfe gehe. Gerade die Distanz zum unmittelbaren Planungsbedarf eröffne den wissenschaftlichen Fragen größere inhaltliche und methodische Freiräume
III. Begleitforschung im Überblick
Abbildung 3
Dokumentation der Strukturdaten-Dateien geschäftlich relevanter Kommunikation
Dokumentation der Strukturdaten-Dateien geschäftlich relevanter Kommunikation
Jedes Kabelpilotprojekt verfügte über eine eigene wissenschaftliche Begleitkommission, die die Konzeptionen der verschiedenen Forschungsprojekte intern und extern, d. h. bezogen auf die Studien in den anderen Gebieten, entwickeln und koordinieren sollte. Neben diesen vier Kommissionen setzten die Ministerpräsidenten der Länder am 19. Mai 1983 eine „Medienkommission der Länder“ ein, die in übergreifender Funktion den Informationsaustausch zwischen den einzelnen Projekten gewährleisten und eigene umfassende Forschungsvorhaben initiieren sollte
Ludwigshafen/Vorderpfalz: Zuständig für die wissenschaftliche Begleitung des Ludwigshafener Versuchs waren sieben Wissenschaftler, je zwei Vertreter der Anstalt für Kabelkommunikation und beteiligter kommunaler Gebietskörperschaften sowie je ein Vertreter der Landesregierung, der Datenschutzkommission und der Deutschen Bundespost. Den Vorsitz hatte der Medienrechtler Reinhart Ricker, Universität Mainz. Ricker war gleichzeitig im rechtswissenschaftlichen Ausschuß der Länder-Medienkommission (neben den Professoren Kübler und Starck). Die Ziele der Begleitforschung waren ursprünglich sehr umfangreich und anspruchsvoll In einem gewissermaßen systemtheoretischen Modell sollte das erweiterte Medienangebot in seinen Einflüssen auf die unterschiedlichen Lebensbereiche analysiert werden. Im einzelnen sollte sich die Forschung befassen mit — dem Mediennutzungsverhalten;
— den Auswirkungen auf den einzelnen, auf die Familie;
— den Auswirkungen auf die bestehenden Rundfunkanstalten, die Presse, den Film;
— den Möglichkeiten künftiger Organisationsformen für den Rundfunk;
— den wirtschaftlichen und finanziellen Fragen der Kabelkommunikation, der Veranstalter, der Teilnehmer — und mit dem Sachverhalt neuer Programmformen und Programminhalte.
Hier, wie auch in den anderen Pilotprojekten, galt der Anspruch einer interdisziplinären Forschungskonzeption. München: Am 18. Dezember 1980 konstituierte sich die Kommission für das Kabelpilotprojekt München, deren 15 Mitglieder vom bayerischen Ministerpräsidenten berufen worden waren. Den Vorsitz hatte Eberhard Witte (Universität München), der bereits Vorsitzender der KtK gewesen war. Witte war gleichzeitig auch Vorsitzender des Ausschusses „Wirtschaftswissenschaft“ der Länder-Medienkommission. Nach den Vorgaben des bayerischen Medienerprobungs-und Entwicklungsgesetzes sollte die wissenschaftliche Begleitung der umfassenden Erprobung neuer Programme und anderer Dienste dienen sowie der Feststellung ihrer Aufnahme bei den Teilnehmern und ihrer Auswirkungen auf bestehende Medien Die Laufzeit des Pilotprojektes erstreckte sich auf den Zeitraum vom 1. April 1984 bis zum 31. Dezember 1985. 14. Das am Dezember 1973 vom Landtag von Nordrhein-Westfalen verabschiedete Gesetz über die Durchführung eines Modellversuchs mit Breitbandkabel legt fest, daß der Dortmunder Versuch im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verantwortung durchgeführt wird. Zur Organisation und inhaltlichen Betreuung der Begleitforschung hat die Landesregierung neun Fachwissenschaftler in eine interdisziplinäre Kommission berufen. Sprecher der Kommission ist Gerd K. Köpper, Universität Dortmund.
Die wissenschaftlichen Ziele sind vergleichbar mit denen der anderen Pilotprojekte. Es geht um die Wirkungen der Telekommunikations-Techniken — auf den einzelnen und sein soziales Umfeld — auf die bestehenden Medienstrukturen — auf den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Zusätzlich sollen Fragen neuer Organisations-und Finanzierungsformen geklärt werden
Der stellvertretende Sprecher der Kommission, Bernd-Peter Lange, war gleichzeitig Mitglied im Ausschuß „Wirtschaftswissenschaft“ der Länder-Medienkommission. Berlin: Das Berliner Pilotprojekt nahm am 28. August 1985 auf der Grundlage des Gesetzes vom 1. August 1984 als letztes Projekt den Sendebetrieb auf. Eine mit 22 Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen besetzte Projektkommission (Vorsitz: J. Thoma) befaßt sich mit den Vorschlägen und Planungen der wissenschaftlichen Begleitung. Die von der Forschung aufzunehmenden Fragen sind wie August 1985 auf der Grundlage des Gesetzes vom 1. August 1984 als letztes Projekt den Sendebetrieb auf. Eine mit 22 Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen besetzte Projektkommission (Vorsitz: J. Thoma) befaßt sich mit den Vorschlägen und Planungen der wissenschaftlichen Begleitung. Die von der Forschung aufzunehmenden Fragen sind wiederum nahezu gleichlautend mit den Problemstellungen aus den anderen Projekten. Es geht um gesellschaftliche Wirkungen, um die Einflüsse auf die bestehenden Medienstrukturen, um Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft sowie um Fragen der technischen, finanziellen und rechtUchen Konsequenzen 26).
Medienkommission der Länder Die weitgehend identischen Forschungsziele der Pilotprojekt-Kommissionen sollten nicht verdecken, daß sie organisatorisch und in ihren Befugnissen recht unterschiedlich konstruiert waren. Die Münchner Kommission war sowohl für die Gestaltung des Modellversuches selbst zuständig als auch für die wissenschaftliche Begleitung, dagegen war die Forschung in Berlin ohne institutioneile Absicherung. Die Kommission in Ludwigshafen war auch durch die personelle Besetzung (Teilnahme von Regierungsvertretem) in das politische Geflecht des Landes integriert, was bei der Vergabe von Forschungsprojekten mit eine Rolle gespielt haben mag. Die Dortmunder Kommission schließlieh repräsentierte am ausgeprägtesten eine wissenschaftliche Interdisziplinarität.
Die gemeinsame Medienkommission der Länder wollte deshalb eine übergreifende Funktion. Sie konnte die intendierte Koordinierungsaufgabe jedoch nur befristet und eingegrenzt wahmehmen. Befristet deshalb, weil sie am 30. Juni 1986 durch den Beschluß der Ministerpräsidenten vorzeitig aufgelöst wurde; eingegrenzt, weil die Projektarbeiten z. B. in Ludwigshafen bereits so weit vorangetrieben waren, daß eine inhaltliche Einflußnahme nicht mehr möglich war oder weil es konzeptionelle Differenzen gab (Dortmund).
Das Forschungskonzept der Länder-Medienkommission 27) wollte — eine Anbieteranalyse, um den möglichen Einfluß der unterschiedlichen Organisationsformen der Pilotprojekte zu klären, — eine Analyse der Programmangebote unter Berücksichtigung der Programme in allen vier Modellversuchen — und die Untersuchung der Mediennutzung und Medienwirkungen (telemetrische Messungen, Befragungen, teilnehmende Beobachtung).
Nach Aussagen des Kommissionsmitglieds Lange 28) gab es innerhalb der Kommission vor allem Auseinandersetzungen über den Stellenwert der telemetrischen Forschung. Die sich in der Minderheit befindenden Kritiker befürchteten ein Übergewicht der Akzeptanzforschung zuungunsten „qualitativer“ wirkungsorientierter Ansätze, zumal die Telemetrie einen Großteil der bereitgestellten finanziellen Mittel binden würde (ca. 6— 7 Millionen DM von insgesamt 10 Millionen DM).
Weil es wiederholt keine Verständigung gab über Projekte, die jenseits der quantitativen Nutzungsstudien Wirkungen ermitteln wollten (auf Jugendliche. auf die Familie, auf den Werbemarkt, auf Produktionsabläufe bei den privat-rechtlich organisierten Medien), dies dann auf politische Hintergründe zurückgeführt wurde, kam es zum Eklat. Das Land Nordrhein-Westfalen erklärte am 17. Dezember 1985 seinen Austritt aus der Medienkommission der Länder. Dem folgten dann die Länder Hessen, Hamburg, Saarland und Bremen. Die Arbeit der Medienkommission endete zum 30. Juni 1986. Wie am Beispiel der Länder-Medienkommission überdeutlich wurde, bot die Tatsache, daß die Medienrealität längst die eigentlichen Aufgaben der Begleitforschung überholt hatte, keine Gewähr, aus unmittelbaren Verwertungsbezügen entlassen zu werden. Die Vielzahl der in den Modellversuchen in Auftrag gegebenen Akzeptanzstudien läßt erkennen, daß die Projekte weiterhin im Bereich kurzfristiger Verwertungsinteressen gehalten wurden. Im Bereich „Akzeptanz, Nutzung, soziale Wirkungen“ sind von den Begleitkommissionen 13 Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben worden. Vier Vorhaben galten dem Komplex „Angebotsanalysen“. Die Medienkommission der Länder vergab eine vergleichende Studie zur Programmstruktur-und Inhaltsanalyse über alle vier Pilotprojekte; weitere Untersuchungen dazu wurden in Ludwigshafen und Dortmund durchgeführt. Sieben Studien befassen sich mit Fragen der Veranstalter-bzw. Anbieter-struktur, der Lizenzierung der Kontrollgremien. Andere Untersuchungen gelten rechtlichen Aspekten sowie den technischen, organisatorischen, ökonomischen Voraussetzungen der Pilotprojekte
Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Forschungsergebnissen ist in umfassender Weise derzeit nicht möglich, weil etliche Projekte noch nicht abgeschlossen sind, nur Zwischenberichte vorliegen bzw. Ergebnisberichte noch nicht veröffentlicht wurden. Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß die Untersuchungen im Auftrag der Länder-Medienkommission zum Teil substantiell vom Scheitern der Kommission betroffen sind. Hier setzte sich das fort, was bereits im Vorfeld der Pilotprojekte die wissenschaftlichen Arbeiten beeinträchtigte: Forschungspolitische Ziele und medien-politische Intentionen gerieten in eine derartige Gemengelage, daß die Abstimmungen über die zu finanzierenden Projekte erschwert bis verunmöglicht wurden. Fazit: Von den 18 Projekten der Länder-Medienkommission wurden nur sechs im geplanten oder reduzierten Umfang realisiert. Entsprechend stellt die Kommission in ihrem Abschlußprotokoll fest, „dem Aufwand (Verbindlichkeiten von ca. vier Millionen DM) stehe durch den vorzeitigen Abbruch ein geringer Erkenntnisgewinn gegenüber“.
IV. Die Forschung im Kabelpilotprojekt München: Wirkungsaussagen ohne Wirkungsforschung
Abbildung 4
Journalistisches Rundfunk Fortsetzung: Begleituntersuchungen im Kabelpilotprojekt Dortmund
Journalistisches Rundfunk Fortsetzung: Begleituntersuchungen im Kabelpilotprojekt Dortmund
Ein mutiges „Experimentaldesign“ wollte die Münchner Pilotgesellschaft für Kabelkommunikation unter Vorsitz von Prof. Witte realisieren, „um zu verhindern, daß nach Abschluß des Pilotprojektes die gestellten Fragen unbeantwortet bleiben“ Das Attribut „mutig“ bezieht sich eher auf die ökonomischen Vorleistungen der Anbieter und auf die technisch-organisatorische Anlage des Projektes als auf die Konzeption der wissenschaftlichen Begleitforschung. Den Anbietern bescheinigte der Abschlußbericht eine erhebliche Risikobereitschaft, die man in der Hoffnung gezeigt habe, „die seit Jahren festgeschriebene deutsche Medienlandschaft durch ein überzeugendes zusätzliches Angebot zu bereichern“.
Mut erforderte der Einsatz von Millionenbeträgen — die Post investierte für Technik und Verkabelung ca. 32 Millionen DM, die Programmanbieter mußten ca. 100 Millionen DM aufbringen — allein schon deshalb, weil sich in München bestätigte, was die KtK zehn Jahre früher festgestellt hatte: Die Menschen zeigten sich an der neuen Medienvielfalt relativ uninteressiert. Die Entwicklung der Teilnehmerzahlen im Münchner Pilotprojekt waren dafür ein eindeutiger Beleg: Nach 134 Jahren lagen am 1. Januar 1986 von ca. 56 000 möglichen Anschlüssen knapp 7 000 vor. Es soll nicht übersehen werden, daß die Koordinationsprobleme zwischen Post, Handwerk und der Münchner Pilotgesellschaft für Kabelkommunikation (MPK) wesentlich zu dieser schleppenden Erschließung beigetragen haben. Aber wie sehr gleichwohl der ökonomisch-technische Wille zur Marktveränderung das Pilotprojekt beherrschte, dokumentiert die Feststellung des Berichtes, es habe eines bewußten, gezielten und kontrollierten Eingriffs in die existierende Medienlandschaft bedurft, um die entstehenden Wirkungen messen zu können: „Das Kabelfernsehen mußte zunächst einmal herbeigeführt werden.“ Man kann an dieser Stelle an die Mahnung von Ulrich Saxer erinnern, der im Vorfeld der Begleitforschung die Frage stellte: „Wieweit ist es mit wissenschaftlicher Ethik vereinbar, durch bewußte Implementierung des Neuen soziale oder auch wirtschaftliche Schäden zu verursachen und durch Quasi-Experimente künftige Entwicklungen zu präjudizieren?“
Den finanziellen Aufwand von weit über 100 Millionen DM für knapp 7 000 Teilnehmer in dem 21monatigen Projektverlauf (vom 1. April 1984 bis zum 31. Dezember 1985) hält der Abschlußbericht nicht für verloren, sondern interpretiert ihn als eine Investition für die Zukunft, denn mit dem ökonomischen Engagement der Anbieter sei die Erwartung verbunden gewesen, „bei einer großflächigen Verbreitung der neuen Medien einen Markt vorzufinden . . ., der Erfolg verspricht“. Diese Passagen muß man insbesondere vor dem Hintergrund lesen, daß die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) am kleinräumigen Konzept festhält und für Bayern 50 eigenständige lokale Hörfunk-Vollprogramme erwartet, die sich wirtschaftlich tragen sollen — dies trotz der Lizenzvergabe für eine landesweite private Hörfunkkette „Die sozialwissenschaftlichen Begleituntersuchungen sollen auch die gesellschaftliche Akzeptanz testen. Wir wollen wissen, wie sich neue Medien auf die Kinder, auf das Familienleben, auf die Gemeinde, auf die Gesellschaft und auf die Politik auswirken. Wir sind auf diesem Gebiet mindestens so neugierig wie die großen Sozialkritiker und lassen uns in der wissenschaftlichen Differenziertheit nicht überbieten.“ — Was so anspruchsvoll 1981 auf einer Fachkonferenz des Münchner Kreises gefordert wurde, reduziert sich in den durchgeführten Nutzungsstudien in München dann doch eingestandenermaßen auf einen Markttest. Selbst wo der Kommissionsbericht zwischen Nutzungsforschung und Wirkungsforschung zu unterscheiden versucht, muß er einräumen, daß das Forschungs-Design Aussagen in die Richtung von „Wirkungen“ kaum erlaube. Mit einem, nach Angaben des Berichts, finanziellen Forschungsvolumen von 1, 2 Millionen DM wurden in München zur Nutzung und Akzeptanz die in der folgenden Übersicht zusammengefaßten Erhebungen durchgeführt.
Mit diesen Untersuchungen liegen für das Kabelpilotprojekt München allenfalls marktrelevante Daten zur Nutzung und Bewertung verschiedener Programmangebote vor. Und selbst hierzu mahnen die Infratest-Berichte (Infratest war Auftragnehmer der Studie) zur behutsamen Interpretation: Einmal wegen der geringen Fallzahlen, zum anderen, weil kommunikations-bzw. verhaltensrelevante Aspekte bei diesen Befragungen nur eingeschränkt angesprochen wurden.
Auffällig ist, daß der Kommissionsbericht verschiedene kritische Aussagen der Infratest-Studien ausspart. Gegenüber der Feststellung des Berichtes, in allen Bevölkerungsgruppen sei im Hinblick auf die neuen Medienangebote „Zufriedenheit“ und „eine positive Einstellung“ zu erkennen gewesen, heißt es bei Infratest: „Kritische Einwände einer Reihe von Projektteilnehmern betreffen den Tatbestand, daß ihrer Ansicht nach bestimmte von ihnen erwartete Programmerneuerungen ausgeblieben sind und im Vergleich zur Sendungsqualität zu starkes Gewicht auf die Angebotsquantität gelegt werde.“
Akzentverschiebungen zeigen sich auch bei den unterschiedlichen Aussagen von Infratest und der Kommission zur Angebotsnutzung. Berichterstatter Witte schreibt, der verstärkte Femsehkonsum der Projektteilnehmer „bezog sich bevorzugt auf kulturelle, informative und politische Inhalte“. Infratest formulierte dies in der Ergebnisdarstellung in der Hauptuntersuchung anders: Bei etwa 50 Prozent der Teilnehmer habe die Programmerweiterung zum vermehrten Ansehen von Spielfilmen geführt. „Allerdings führte extensives Fernsehen bei einem Drittel der Projektteilnehmer auch zu häufigerem Kontakt zu Fernsehnachrichten und bei einem Fünftel auch zu vermehrten Begegnungen mit vertiefenden Informationssendungen.“
Ein weiteres Beispiel für die eigenwillige Interpretation der Daten liefert der Kommissionsbericht bei den Aussagen zu den möglichen sozialen Folgen der Angebotserweiterung. Obwohl es in München keine eigentliche Wirkungsforschung gegeben hat, enthält der Bericht ein Kapitel „Wirkungsforschung“ mit Feststellungen zu den populären Thesen der Reizüberflutung, der Unterhaltungsdominanz, der Vereinsamung und der Verstärkung eines eher passiven Verhaltens infolge der Angebotsvervielfältigung. Der Bericht stellt fest, daß wegen des Fehlens eines Panels, wegen der nicht kontrollierbaren Umweltfaktoren, der unterschiedlichen Erhebungszeiträume und wegen der kurzen Nutzungsdauer Wirkungsaussagen eigentlich nicht möglich sind. Dennoch werden folgende Aussagen gemacht: — Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Reizüberflutung ergeben.
— Die Nutzer des erweiterten Programmangebotes wiesen ein eher „angeregtes Interesse“ an allen Ereignissen auf.
— Das Kommunikationsverhalten gegenüber der Umwelt werde durch Mehr-Angebote nicht beeinträchtigt. Die nicht eingetroffene Reizüberflutung wird u. a. damit begründet, daß die Fernsehnutzung bei den Projektteilnehmern kaum gestiegen wäre und es auch nicht zu einer bevorzugten Nachfrage nach Unterhaltungssendungen gekommen sei.
Die eingegrenzte Aussagefähigkeit der Studien hindert die Verfasser des Berichtes nicht, des weiteren festzustellen, im Pilotprojekt habe sich zur Zufriedenheit der Teilnehmer eine beachtliche Programmvielfalt verwirklichen können. Diese Interpretation erinnert an Wittes Argumentation in seiner Studie „Ziele deutscher Medienpolitik“ Dort heißt es nach einer inhaltsanalytischen Bestandsaufnahme der medienpolitischen Zielvorstellungen gesellschaftlich relevanter Institutionen: „Die publizistische Vielfalt kann — im quantitativen und positiven Sinne — als Anzahl der Anbieter von Medieninhalten verstanden werden. Bei einer solchen Interpretation wird die publizistische Vielfalt durch jeden zusätzlichen Anbieter erhöht. Wenn die neuen Medien also die Medienlandschaft betreten, ohne überproportional andere Anbieter zu vernichten oder in Richtung auf Einförmigkeit zu einer Veränderung ihres Verhaltens zu veranlassen, so müßten sie dem Ziel der publizistischen Vielfalt entsprechen“. Vor diesem Hintergrund mag sich erklären, warum der Bericht zu so eindeutigen Schlußfolgerungen kommt.
V. Begleitforschung in Ludwigshafen/Vorderpfalz: Nutzungsdaten dominieren
Abbildung 5
Medien-und Kommunikations-Atlas Berlin
Medien-und Kommunikations-Atlas Berlin
Das Kabelpilotprojekt Ludwigshafen/Vorderpfalz stand von Beginn an im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, weil es als zeitlich erster Modell-versuch den Anfang der Strukturveränderungen der bundesdeutschen Rundfunklandschaften markiert. Entsprechend galt auch der wissenschaftlichen Begleitforschung besondere Aufmerksamkeit. Die äußeren Voraussetzungen schienen vielversprechend: Von den 140 000, später 180 000 Haushalten im Kabelversuchsgebiet verfügten bereits beim Start am 1. Januar 1984 1 200 über betriebs-bereite Kabelanschlüsse. Bei Versuchsende (31. Dezember 1986) waren es knapp 72 000 Haushaltes
Auch die Mittelausstattung der Kommission schien angemessen. Der ursprüngliche Finanzrahmen von 1, 7 Millionen DM wurde nach Vorlage des Arbeitsplans auf 2, 7 Millionen DM erhöht. Und Zeit war grundsätzlich vorhanden — schließlich wußte man seit 1978 um den Standort und seit 1980 um die gesicherte Finanzierung. Dennoch konstituierte sich die Kommission erst im September 1983 — ein Vierteljahr vor dem Versuchsstart. Zu spät: „Eine Bestandsaufnahme der Sozialstruktur und der Einstellungen der Bevölkerung im zukünftigen Untersuchungsgebiet konnte die Kommission nicht mehr konzipieren“
Aber jenseits des nicht vorhandenen Forschungsplans hatte das Institut für Demoskopie Allensbach. in Absprache mit der Staatskanzlei in Mainz, bereits Vorbereitungen für eine Null-Messung getroffen, die zur Jahreswende 1983/1984 ins Feld ging-Unabhängig von der Frage, ob hierin eine präjudizierende Wirkung hinsichtlich der geplanten Panel-Erhebungen bestand, ist festzustellen, daß die Zuschauerforschung in Ludwigshafen in der Folge mit verschiedenen Problemen konfrontiert wurde: Durch die Tatsache, daß anfänglich keine ausreichend große Zahl von Haushalten mit Kabelanschluß erreicht wurde, kam man nicht auf die angestrebte Zahl der Befragten bzw. erreichte sie nur näherungsweise durch „Nachbesserungen“. Diese waren auch weiterhin notwendig, weil im Verlauf des Projektes immer mehr Nicht-Teilnehmer in die Gruppe der Kabelhaushalte wechselten, was den angestrebten Vergleich „Verhalten von Teilnehmern“ zu „Verhalten von Nicht-Teilnehmern“ erschwerte. Schließlich fehlten der Begleitforschung zuverlässige, detaillierte Nutzungsdaten. Entsprechend dieser methodischen Einschränkungen mahnt Landwehrmann im Abschlußbericht nachdrücklich „vorsichtige Formulierungen“ an und spricht von einem bewußten Verzicht, Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu unterstellen, „auch wenn sie inhaltlich naheliegen“
Um so überraschender war es, daß im Ersten Zwischenbericht auf der Grundlage von zwei Erhebungen (November 1983, Februar 1984) vom Allensbacher Meinungsforschungsinstitut erstaunlich kausale Ergebnisse öffentlich gemacht wurden Das Kabelfernsehen, so heißt es hier, harmonisiere das Familienleben, der Femsehkonsum in den Kabel-Haushalten steige nur unwesentlich an, beeinträchtige weder das Zeitungslesen noch andere Freizeit-gewohnheiten.
Diese Tendenzaussagen wurden von Kommissionsmitglied A. Zerdick im Zwischenbericht mit einem abweichenden Votum modifiziert. Er halte „einen Teil der Aussagen über die möglichen Auswirkungen des Kabelfemsehens für empirisch so schwach gestützt, daß . . . ihre medienpolitische Verwendung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genügend abgesichert erscheint“ (Zweiter Zwischenbericht, S. 310). Aussagen dieser Tragweite sind im Abschlußbericht so auch nicht mehr vorhanden. Namentlich der Bericht über den Einfluß des Fernsehens auf die Familie formuliert zurückhaltend. Erklärbare Zusammenhänge zwischen Kabelanschluß, Intensität des familiären Zusammenlebens und/oder Verhaltensschwierigkeiten der Kinder seien nicht nachzuweisen.
Der interessanteste Aspekt der das Pilotprojekt begleitenden Forschung ergibt sich aus der Vielfalt der verfügbaren Studien. Das Manko telemetrischer Messungen wird partiell aufgehoben durch die Studien, die im Auftrag von Südwestfunk und ZDF durchgeführt wurden. Ergänzend kommt das von der Länder-Medienkommission initiierte Projekt „Kabelfernsehen und Freizeit“ hinzu, das im Forschungsdesign eine Panelerhebung vorsah Daß das quasi-experimentelle Design realisiert werden konnte, verdankt die Projektgruppe unter Leitung von Prof. Kaase (Universität Mannheim) der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die nach dem Ende der Länder-Medienkommission die dritte Panelerhebung finanzierte und somit das Gesamtprojekt sicherte.
Die rundfunkeigene Begleitforschung konzentrierte sich auf folgende Fragen zur Programmausweitung: die Folgen für die Nutzungsdauer, für die Angebotsstrukturen sowie für die Programmbewertung und Programmakzeptanz
Aufschlußreich sind die unterschiedlichen Projekte in ihrer Ergebnisdarstellung. Zum Beispiel versucht der Bericht der Begleitkommission den Beweis zu führen, daß ein „Nutzungsslalom“ des Fernsehzuschauers durch die einzelnen Programme bezüglich der Unterhaltungsprogramme nicht eindeutig zu belegen sei, da die Informationsangebote seitens der Kabelteilnehmer stark genutzt würden. Das Ergebnisfazit der Medienreferenten der Rundfunkanstalten ist dagegen sehr eindeutig: „Die Fernsehnutzung liegt in Kabel-Haushalten höher als in vergleichbaren nicht verkabelten Haushalten, und die inhaltliche Zusammensetzung des Gesehenen ändert sich deutlich, zum Teil dramatisch. Die Vervielfachung des Angebots — wie die Programmanalysen beweisen, ist dies nur zum Teil eine inhaltliche Erweiterung — führt gleichzeitig zu Verschiebungen in der Nutzung der Programme . . . Die Nutzungsverschiebung zwischen den Programmen ist zum Teil identisch mit einer Zuschauerbewegung von öffentlich-rechtlichen Bildungs-und Informationsangeboten hin zu privaten Unterhaltungsserien und Spielfilmen, mit dem Effekt einer starken Veränderung in der Nutzung einzelner Programm-sparten. So verringert sich die Zuschauerzahl der öffentlich-rechtlichen Angebote ... im Bereich der Kunst/Kultur . . . um 60 %. Ebenso sieht es bei Nachrichten-Magazinen aus. Im Bereich Politik/Wirtschaft sind 55 % weniger Zuschauer zu registrieren.“
Etwas abstrakter und anders akzentuiert wird dies im Zwischenbericht von Kaase formuliert Im Kontext der Nutzung von Kabelfernsehen ließe sich eine Individualisierung der Massenkommunikation beobachten, was nicht nur bedeute, „daß mündige Bürger bei der Auswahl des Programmangebotes ihren Interessen folgen können“. Es heiße auch, daß sich bestehende Muster kommunikativer Unterschiedlichkeit verstärken werden . . ., so könnte sich in letzter Konsequenz eine Ausdifferenzierung der Gesellschaft nach unterschiedlichen Kommunikationsstilen ergeben. Diese mögen unabhängig von herkömmlichen Schichtdifferenzen sein, sie können diese aber auch verstärken.“
Einen zweiten Forschungsschwerpunkt bilden die inhaltsanalytischen Studien zu den Programmangeboten. Die umfangreiche Arbeit von Faul u. a. umfaßt sechs unterschiedliche Erhebungsschritte:
— Eine Inhaltsanalyse aller im Rahmen des Kabelpilotprojektes angebotenen Fernsehprogramme (Stichprobe: ca. 8 000 Programmstunden im Zeitraum Herbst 1984 bis Ende 1986);
— eine Sonderstudie der Nachrichten-und Informationssendungen mit politischen Elementen;
— eine entsprechende Untersuchung der im Kabelfernsehen eingespeisten französischen Programme; — eine Inhaltsanalyse der Angebote der offenen Kanäle im Hörfunk und im Fernsehen;
— eine Inhaltsanalyse der zusätzlichen Hörfunk-programme (eine Programmwoche des Jahres 1985, zwei Programmwochen des Jahres 1986);
— eine Inhaltsanalyse zu den Aspekten „Gewalt“ und „Sexualität“ in den Hauptprogrammen des Fernsehens.
Die wesentlichen Ergebnisse, die hier nur verkürzt dargestellt werden können, korrespondieren in weiten Teilen mit den Befunden der entsprechenden inhaltsanalytischen Untersuchungen, die in der Publikation von Frank/Klingler dargestellt werden: — Die Ausweitung der Fernsehangebote in dem Kabelpilotprojekt hat insbesondere zur Vermehrung der Unterhaltungssendungen geführt. Dabei zeigen sich die Angebote von SAT 1 und RTL Plus „wesentlich stärker unterhaltungsorientiert“ als die Programme der öffentlich-rechtlichen Anbieter. Auch die in Ludwigshafen eingespeisten Programme ausländischer Veranstalter waren nahezu reine Unterhaltungsangebote.
— Der Anteil politischer und gesellschaftlich relevanter Informationen ist im privaten Fernsehen nicht nur absolut, sondern auch relativ geringer. Faul wertet die Berichterstattung, da sie weniger an Institutionen und Organisationen, dagegen stärker an Personen und anderen Motiven orientiert sei. eher als ausgedünnt denn als unausgewogen. „Das Regierungs-, Parlaments-und Parteienwesen findet im privaten Fernsehen eine relativ geringere Beachtung als im Anstaltsfernsehen.“
— Die starke Programmausweitung rekrutiert sich zum hohen Maße aus Angeboten aus dem US-amerikanischen Fernsehprogramm-Markt.
— Es zeige sich eine Verwischung von Programm-konturen, d. h. Konturen spezifischer Genres. Damit verbinde sich auch eine Tendenz zur Verwischung der Grenzen zwischen Fiktion und Realität. — Das Privatfernsehen bietet deutlich weniger regional-/lokalbezogene Sendungen an als das öffentlich-rechtliche Fernsehen.
Angesichts der vorliegenden differenzierten Angebotsanalyse macht sich wieder defizitär bemerkbar, daß für die Begleitforschung in Ludwigshafen programmbezogene Nutzungsdaten fehlen. Die der politischen Kontroverse geopferten telemetrischen Messungen wie auch der Ausfall des ursprünglich vorgesehenen FAT-Systems (Femsteuerbares, Adressierbares Teilnehmer-Konverter-System), das gerätebezogen automatisch kontrolliert, welches Programm eingeschaltet wird, schränken exakte, detaillierte Angaben über die Bedeutung der programminhaltlichen Veränderungen für die Programmnutzung ein.
Gerade angesichts dieser Eingrenzungen bleibt letztlich zu fragen, warum sich die von der Begleitkommission angeregte Zuschauerforschung dennoch weitgehend auf deskriptive Nutzungsdaten beschränkt. Warum wurden nicht verstärkt theoriebezogene Fallstudien durchgeführt, z. B.
— zur Wissenskluft-Hypothese (Medien-Mehrangebot vergrößert die Kluft zwischen „InformationsReichen“ und „Informations-Armen“), — zum Aspekt der medieninduzierten „Para-Social-Interaction" (TV-Konsum als Ersatz für zwischenmenschliche Kontakte), — zum Agenda-Setting-Ansatz (Medien bestimmen öffentliche Themen und Themenkarrieren)? So hat die Begleitforschung jedenfalls in weiten Teilen erwartbare Ergebnisse erbracht, die allerdings jeweils ergänzt werden müssen um Daten aus der kontinuierlichen Fernsehzuschauer-Forschung der öffentlich-rechtlichen Anstalten.
VI. Begleitforschung im Kabelpilotprojekt Dortmund: Die ertragreichsten Ansätze
Obwohl der Versuch in Dortmund noch nicht abgeschlossen ist, läßt sich schon jetzt absehen, daß die Begleitforschung hier in ihrer inhaltlichen und interdisziplinären Konzeption die wissenschaftlich ertragreichsten Ergebnisse und Berichte erbringen wird. Eine Bewertung der Studien wird erst später möglich sein. Die Begleitforschungskommission hat bereits fünf Bände zu ihrer Arbeit publiziert, die einerseits Zwischenberichte zu einzelnen Forschungsvorhaben darstellen, andererseits den Stand der Projekte in Jahresberichten zusammenfassen
Das Versuchsgebiet umfaßt die Dortmunder Innenstadt mit ca. 44 000 Haushalten und etwa 95 000 Einwohnern. Das Gebiet entspricht in etwa der Wohnbevölkerung einer deutschen Großstadt, d. h. es hat einen höheren Anteil an Ein-Personen-Haushalten, mit Menschen tendenziell formal höherer Bildung und größerem Haushalts-Nettoeinkommen. Kennzeichnend für Dortmund ist auch der hohe Anteil der Arbeitslosen.
Die Erwähnung der Daten zur Sozialstruktur des Versuchsgebietes geschieht nicht zufällig. Die demographische Zusammensetzung spielt eine nicht unwesentliche Rolle bei einer Auseinandersetzung um Reichweiten-Messungen, die im Rahmen eines Forschungsprojektes der Dortmunder Begleitkommission entstanden sind. Es geht dabei um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse des FAT-Meß-Systems im Kabelpilotprojekt mit den Ergebnissen der kontinuierlichen GfK-Fernsehzuschauerforschung in der Bundesrepublik Ähnlich wie für das Pilotprojekt Ludwigshafen/Vorderpfalz (vgl. S. 23) werden in der Übersichtstabelle die verschiedenen Forschungsvorhaben aufgelistet, unterteilt nach ihren thematischen Schwerpunkten und ihrer zeitlichen Einbindung. Eine inhaltliche Würdigung der einzelnen Projekte ist gegenwärtig noch nicht möglich, doch lassen sich daraus die generellen Zielsetzungen der Begleituntersuchungen erkennen.
Die Dortmunder Kommission ist in besonderer Weise bemüht, die einzelnen Forschungsvorhaben in einen „integrativen Ansatz“ einzubinden, um eine Mehrfach-Verwertung der Daten aus den Studien zu sichern und eine relative Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erreichen. Die Kommission setzt eindeutiger als die vorgenannten Begleitkommissionen auf die wissenschaftlichen, methodischen Erträge, da die beabsichtigte politische Relevanz der Studien vor dem Hintergrund der Entscheidungen der Gesetzgeber und den faktischen Gegebenheiten der Medienentwicklung erheblich relativiert wurde.
VII. Begleitforschung im Kabelpilotprojekt Berlin: Opfer der politischen Entwicklungen
Berlin hatte ursprünglich den anderen Pilotprojekten viel voraus. Die Kabelanschlußdichte (ein Problem namentlich in Ludwigshafen und in München) war in Berlin überaus hoch. Schon zu Beginn des Pilotprojektes Mitte 1985 waren über 200 000 Haushalte an Breitband-Verteilnetze angeschlossen. Berlin verfügte des weiteren über besonders umfangreiche Vorarbeiten zur Konzeption einer Begleitforschung Und schließlich sollte das Pilotprojekt auch hinsichtlich der Angebote besondere Akzente setzen: Vorrang für den Einsatz interaktiver Dienste, Förderung lokaler Vielfalt. Noch 1983 betonte Kultursenator Hassemer: „Konventionelles Fernsehen ...sei nun wirklich kein Thema für ein Pilotprojekt“ (Berliner Morgenpost vom 25. Juni 1983).
Im Verlauf der medienpolitischen Entwicklungen veränderten sich die Ziele. Zwar standen nach wie vor lokale Anbieter im Vordergrund, aber weniger im Sinne der Vielfaltskriterien, sondern eher als Teilnehmer einer medienökonomischen Standort-politik. Schlußfolgerung kritischer Beobachter: „Daß die Testkapazität der Kabelpilotprojekte mit dem Fortschreiten der medienpolitischen Entwicklung zum Teil bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt wurde, hat insbesondere das Berliner Projekt demonstriert ... In Berlin (wurde) ein System des Außenpluralismus installiert, das für privaten Rundfunk außerordentlich liberale Zugangsbedingungen nahezu ohne aktive Vielfaltssicherung von Seiten des Gesetzgebers vorsah.“
Die Konsequenzen für die Begleitforschung: Von den großen Entwürfen der Vergangenheit ist wenig geblieben. In inhaltlicher Entsprechung zu den veränderten Konditionen kann man das am Fachbereich Kommunikationswissenschaften der Freien Universität Berlin durchgeführte Projekt „Medienund Kommunikations-Atlas Berlin“ sehen, das eine umfassende Bestandsaufnahme der Strukturen des Medienplatzes Berlin darstellt. Im Auftrag der evangelischen Kirche wird ein Projekt „Kommunikationsverhalten und neue Medientechniken“ durchgeführt, das mit vornehmlich „qualitativen“ Verfahren (biographische Methode, Gruppendiskussionen, Tagebücher) ermitteln will, welche Rolle die Medien in der Alltagsgestaltung der Menschen spielen. Das Projekt will in besonderer Weise medienpädagogische Fragen einbeziehen. Dem dient u. a. ein Teilprojekt mit Schülern einer Grundschule, das sich insbesondere der Integration der Medieninhalte in die Erlebniswelt der Kinder widmet.
VIII. Weitere Begleituntersuchungen im Auftrag der Länder-Medienkommission
Das Ziel einer kooperativen, zwischen den einzelnen Pilotprojekten abgestimmten Begleitforschung konnte durch die terminlichen Differenzen, die heterogenen Finanzierungsmodalitäten und das Scheitern der Länder-Medienkommission nicht oder nur unvollständig erreicht werden. Es sind dennoch fünf Projekte zu verzeichnen, die auf Anregung und mit finanzieller Unterstützung der Länder-Medienkommission den übergreifenden Anspruch zumindest annäherungsweise umsetzen konnten:
— Brepohl analysiert die Organisation, Struktur und die Finanzierungsmodalitäten der Anbieter in den vier Pilotprojekten Die Ergebnisse werden allerdings beeinträchtigt durch die unterschiedliche Auskunftsbereitschaft der Anbieter und die sich häufig verändernden Anbieterstrukturen.
— In Anspruch und Umfang mußte auch eine zweite von der Länder-Medienkommission in Auftrag gegebene Studie Abstriche machen: die Programmstruktur-und Inhaltsanalyse des Hörfunk-und Fernsehprogramms in den vier Kabelpilotprojekten. Unter der Projektleitung von Heribert Schatz wurde diese Untersuchung am Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung der Gesamthochschule Duisburg durchgeführt. — Übergreifenden Charakter hat auch die Rezipienten-Untersuchung von Klaus Merten (Institut für Publizistik. Universität Münster). Die Untersuchung, die an den Orten der vier Kabelpilotprojekte durchgeführt wurde, fragt nach den Wirkungen der unterschiedlichen Nachrichtensendungen der privaten und der öffentlich-rechtlichen Anbieter auf die Zuschauer
— Bereits angesprochen wurde die Studie von Fleisch zur Arbeit der Zulassungs-und Kontrollgremien in den vier Kabelpilotprojekten
— Des weiteren gab die Länder-Medienkommission ein Gutachten in Auftrag zu „Urheberrechtlichen Problemen des Kabelrundfunks“
Eine der Anwendbarkeit verpflichtete Sozialforschung unterliegt vielfachen Risiken. Sie kann im Sinne einer „Frühwarn-Funktion“ genutzt werden, um angesichts absehbarer Entwicklungen frühzeitig mögliche Folgen sichtbar zu machen. Diese Rolle konnte die Begleitforschung zu den Kabelpilotprojekten nicht wahmehmen, weil die medienpolitische und medienökonomische Entwicklung die Forschung und ihre Ansätze überholte.
Wissenschaft kann mit ihrem Einsatz und ihren Ergebnissen auch der öffentlichen Konsensbildung dienen. Die Tatsache, daß „geforscht“ wird, daß Resultate „erarbeitet“ werden, verweist darauf, daß potentielle Probleme angegangen werden. Allerdings liegt die Frage nach den Konsequenzen der Forschungsprojekte für das politische Handeln auf einer anderen Ebene. Die weitgehende Folgenlosigkeit bzw.der affirmative Charakter der aufwendigen Untersuchungen z. B. in Ludwigshafen und München spricht eine eigene Sprache. Die filigranen „Nicht-Entscheidungsstrategien“ der Enquete-Kommissionen verweisen in ähnliche Richtung.
Die Frage nach dem Verhältnis von Sozialwissenschaften und Politikberatung wäre ein eigenes Thema: „Wider die Harmonie-Illusion“ heißt der programmatische Titel eines Aufsatzes des österreichischen Soziologen Leopold Rosenmayr über die Praxisbeziehung der Sozialwissenschaften Dem ist angesichts der Bestandsaufnahme zur Begleitforschung der Kabelpilotprojekte nichts hinzuzufügen.
Will Teichert, Dr. phil., geb. 1941; Abteilungsleiter Medienforschung/Programmplanung beim Hessischen Rundfunk; bis 1985 geschäftsführender Referent am Hans-Bredow-Institut für Rundfunk und Fernsehen an der Universität Hamburg; Lehrbeauftragter an der Universität Frankfurt. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Peter Stromberger) Einführung in soziologisches Denken, Weinheim 19862; (Hrsg. zus. mit Karsten Renckstorf) Empirische Publikumsforschung: Fragen der Medienpraxis — Antworten der Medienwissenschaft, Hamburg 1983; (Hrsg. zus. mit Wolfgang Hoffmann-Riem) Musik in den Medien, Hamburg 1985; Beiträge zu Fragen der Medienforschung, Medienpolitik, journalistischen Berufsrolle in Fachzeitschriften und Handbüchern.
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