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Positionen und Stellungnahmen der Evangelischen Kirche zu sozialpolitischen Aufgaben | APuZ 21-22/1988 | bpb.de

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APuZ 21-22/1988 Aussagen der katholischen Soziallehre zu gesellschaftlichen Fragen Positionen und Stellungnahmen der Evangelischen Kirche zu sozialpolitischen Aufgaben Die Zukunft der Sozialpolitik Neue Ansätze zur Wirtschafts-und Sozialpolitik Artikel 1

Positionen und Stellungnahmen der Evangelischen Kirche zu sozialpolitischen Aufgaben

Theodor Strohm

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Trotz der Vielfalt, gelegentlich auch Widersprüchlichkeit evangelischer Äußerungen gibt es doch — seit den Tagen Johann Hinrich Wieherns (1848/49) — eine Grundtendenz des „sozialen Protestantismus“ und seit 1945 grundsätzliche Stellungnahmen durch die Organe der EKD zu sozialpolitischen Aufgaben. Im Sinne des „dreifachen diakonischen Amtes“ sollen jeder einzelne als Bürger und Christ, die Kirche in ihren Verbänden und Gemeinden und die staatlichen Organe in differenzierter Weise Zusammenwirken und zur sozialen Erneuerung beitragen. Prinzipien wie „Personalität“, „Solidarität“, „soziale Gerechtigkeit“ stehen im Vordergrund, getragen von einem theologischen Vorverständnis der „Menschenwürde“ und einer Perspektive auf die „verantwortliche Gesellschaft“. Von daher erfolgt die Beleuchtung und Interpretation des Grundgesetzes. In der neuesten Denkschrift der Sozialkammer der EKD „Alterssicherung" (1987) werden bewährte Prinzipien festgehalten und neue Aufgaben umschrieben (Verbesserung der Sicherung von Frauen, „Mindestsicherung“, Flexibilisierung der Altersgrenze etc.). Vielfach Stellung genommen hat die Kirche zur Arbeitslosigkeit. Zuletzt hat sie „Gezielte Hilfen für Langzeitarbeitslose“ gefordert und detaillierte Vorschläge unterbreitet. Ein hoher Beschäftigungsstand und entsprechende öffentliche Maßnahmen werden als Voraussetzung für eine verantwortliche Sozialpolitik gesehen. Die Sozialhilfe als Basissicherung wird gegenwärtig durch die Arbeitslosigkeit ruiniert und pervertiert. Schließlich wird der „Jugend-und Familienhilfe“, die in eine Gesamtperspektive vorausschauender, begleitender und rehabilitierender Sozialpolitik erst noch eingebunden werden muß, in vielen Einzelbereichen große Aufmerksamkeit geschenkt. Gerade in diesem Bereich wird die Aufgabe der Zukunft besonders klar: An der Basis, im Nahbereich bedarf es eines Höchstmaßes an ganzheitlicher Solidarität. Selbsthilfeinitiativen. Nachbarschaftsnetze und die „heilende Gemeinschaft“ diakonischer Gemeinden könnten die Zielvorstellung lokaler „Wohlfahrtsgemeinden“ mit Sinn und Leben erfüllen.

I.

In der Zeit nach 1945 hat sich innerhalb des deutschen Protestantismus erst allmählich eine Struktur der Willensbildung herausgebildet, aus der heraus kontinuierlich Äußerungen zu Fragen der politischen und sozialen Ordnung möglich geworden sind. Nicht nur kirchenamtliche Organe wie Kirchenleitungen oder Synoden haben aus eigener Initiative oder auf Anregung hin selbständig Erklärungen abgegeben. Vielmehr ergibt sich ein buntes und für manche interessierte Betrachter innerhalb und außerhalb der Kirche nur schwer zu deutendes Bild durch Stellungnahmen auch aus der Arbeit von Kirchentagen, Akademien, kirchlichen Werken und Verbänden und nicht zuletzt einzelner engagierter Gruppen. Es gehört zum Wesen evangelischer Willensbildung, daß die Möglichkeit ausscheidet, allen Kirchenmitgliedern gewisse Grundentscheidungen sozialer und politischer Ethik lehramtlich aufzuerlegen und Gehorsam zu fordern. Weisungen in solchen Fragen, von welchem kirchlichen Gremium sie auch stammen, können sich nur an das Gewissen aller Beteiligten wenden und niemals bloßen Gehorsam fordern.

Dieser Prozeß und die Tatsache, daß das Gewissen eine nicht zu übergehende Instanz der Verantwortung der Christen ist, konnten häufig als Anzeichen einer Individualisierung und Privatisierung innerhalb der Evangelischen Kirche und ihrer Gemeinden mißverstanden werden. In Wahrheit aber intendiert christliche Ethik grundsätzlich den Konsensus der Gemeinde und der auf sie bezogenen Gremien der Kirche, und zwar einen immer neu zu erringenden Konsensus. Jede Überzeugung — gerade auch wenn sie auf brennende und künftige Fragen aufmerksam macht und das vorauseilende Wort und die vorwegnehmende Entscheidung wagt — soll die Öffentlichkeit der Kirche suchen, sich ihren Rückfragen und Korrekturen aussetzen und so auf ihre Einheit hinwirken.

Vor dem Hintergrund dieser grundsätzlichen Feststellungen sind allerdings einige Spielregeln unerläßlich, die dazu dienen, die Wahrnehmung des Öffentlichkeitsauftrages der Kirche in überschaubare und verläßliche Bahnen zu lenken. Die Synode und der von ihr gewählte Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sind die wichtigsten „berufenen“ Organe, die ihre in der Grundordnung angelegte Ermächtigung zu Initiativen und Kundgebungen von politischer und sozialer Erheblichkeit in vielfacher Weise nutzen. Der Rat der EKD beruft gemäß Art. 22 Abs. 2 der Grundordnung von 1948 „Kammern“ oder für bestimmte Aufgaben Kommissionen aus sachverständigen Gliedern der Kirche, die den kirchenleitenden Organen nicht nur beratend zur Verfügung stehen, sondern „in der Regel Gutachten im Auftrag des Rates erarbeiten sollen“. Sie haben aber auch das Recht, „im Einvernehmen mit dem Rat von sich aus Fragen aus ihrem Aufgabenbereich aufzugreifen“ Die Kammer der EKD für soziale Ordnung ist das wichtigste Organ der EKD im Blick auf kirchliche Stellungnahmen zu sozialpolitischen Fragen. Sie hat nicht selten auch die Gelegenheit wahrgenommen, mit Gremien der katholischen Kirche in bestimmten Aufgaben zusammenzuarbeiten.

Mit dem Zusammenschluß des 1945 gegründeten Hilfswerks der EKD und des auf Johann Hinrich Wieherns entscheidende Initiativen im Jahre 1848/49 zurückgehenden Centralausschusses für die Innere Mission im „Diakonischen Werk der EKD“ im Jahre 1975 wurde die soziale Arbeit der Kirche organisatorisch zusammengeführt. Die Evangelische Kirche hat sich diese Einrichtung in bestimmter Weise als eigenes Werk zugeordnet. Zugleich nimmt sie durch das Diakonische Werk als ein „Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege“ zu ihrem Teil Verantwortung wahr in allen wesentlichen Bereichen des Systems der sozialen Sicherung. Insbesondere gilt dies für die Jugend-und Familien-hilfe, die Sozialhilfe und für das Gesundheitswesen sowohl in stationärer als auch in ambulanter Form. In der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege wirkt das Diakonische Werk mit den anderen fünf Spitzenverbänden partnerschaftlich zusammen. In seiner Vertretungsarbeit in zahlreichen Gremien und gemäß seiner Aufgabenkompetenz in § 1 Abs. 3 der Satzung von 1975 beteiligt es sich an der Erarbeitung und Abstimmung von Stellungnahmen zu Akten der staatlichen Gesetzgebung und sonstiger Rechtssetzung. Alle Äußerun-* gen in diesem Bereich finden ihre innere Berechtigung und ihre Grenze darin, daß sie ihrerseits der Erfüllung des eigentlichen Verkündigungs-und Sendungsauftrages dienen. Diakonie ist diesem Auftrag nicht äußerlich zugeordnet, sondern selbst „Lebens-und Wesensäußerung der Kirche“

II.

Gibt es. so soll nun weiter gefragt werden, sozial-ethische Traditionen und sozialpolitische Strömungen im deutschen Protestantismus, die auf die Begründung kirchlicher Stellungnahmen Einfluß haben und auf eine inhaltliche Kontinuität der Willensbildung schließen lassen? Die Wichtigkeit der Antwort auf diese kann daran erkannt werden, daß noch heute das zusammenfassende Urteil von Gerhard Uhlhorn nachwirkt, der in seinem großangelegten, noch immer grundlegenden historischen Werk über „Die christliche Liebestätigkeit“ auf grundsätzliche konfessionelle Unterschiede hinwies und diese auf folgende Formel brachte: „Katholisch ist es. die Armenpflege prinzipiell für die Kirche in Anspruch zu nehmen und dem Staat bloß die Aufgabe zuzuweisen, für diese kirchliche Armenpflege Hilfsdienst zu thun da. wo die kirchliche Tätigkeit nicht ausreicht; reformiert ist es. Staat und Kirche so zu scheiden, daß sie beide eine von verschiedenem Geiste getragene Armenpflege treiben; dem lutherischen Charakter dagegen entspricht es.dem Staate die Armenpflege zu überlassen, aber diese Armenpflege, wie den ganzen Staat, mit christlichem Geiste zu durchdringen und ihn in Lösung seiner Aufgabe durch Freie Liebestätigkeit zu unterstützen.“

So richtig diese Feststellung allgemeine Entwicklungslinien des 19. Jahrhunderts beschreibt, so wird sie doch der inneren Bewegung und der Grundintention nicht gerecht, die durch das Wirken Johann Hinrich Wieherns vorgezeichnet wurde. Ihm und seinen Mitstreitern in der Evangelischen Kirche ging es um eine soziale Erneuerung, von der zunächstjeder einzelne Bürger und Christ, sodann die Kirche in ihren Gemeinden und Gruppen erfaßt werden sollten, schließlich nicht zuletzt die Organe des Staates bei der Erfüllung ihres sozialpolitischen Auftrages. Diese dreifache, sich wechselseitig befruchtende und ergänzende soziale Aufgabe nannte Wichern das „dreifache diakonische Amt“ Während Wichern vom einzelnen eine auf den bedürftigen Nächsten gerichtete Haltung der Mitmenschlichkeit und soziales Engagement verlangte, sollte sich die Kirche in ihrer Diakonie den akuten Nöten und Notständen in ihren verschiedenen Erscheinungsformen durch konkrete Hilfe an den betroffenen Menschen zuwenden. Das „diakonische Amt“ der staatlichen Organe hingegen richtet sich auf die Beseitigung noterzeugender Strukturen und auf die Bereitstellung, Sicherung und dynamische Entwicklung von Lebensmöglichkeiten gerade auch für diejenigen, die aus eigener Kraft keine ausreichenden Lebensmöglichkeiten erreichen können. So läßt sich eine Tendenz des „sozialen Protestantismus“ verfolgen, die sich in den Denkschriften und Stellungnahmen des Centralausschusses der Inneren Mission, in den Ergebnissen des Evangelisch-sozialen Kongresses bis hinein in die Sozialgesetzgebung der Bismarckzeit und schließlich in die soziale Grundrechtsgestaltung der Weimarer Verfassung hinein verfolgen läßt

Die Kräfte erwiesen sich jedoch als zu schwach, um dem alle bis dahin geltenden Grundlagen der Sozialpolitik pervertierenden Nationalsozialismus widerstehen zu können. Es gingen alle Reste von Mündigkeit und Barmherzigkeit zugunsten einer rassenhygienischen, staatspolitisch orientierten Zweckrationalität verloren. Josef Goebbels prägte die Formel: „Wir gehen nicht von den einzelnen Menschen aus, wir vertreten nicht die Anschauung, man muß die Hungernden speisen, die Durstigen tränken und die Nackten kleiden — das sind für uns keine Motive. Unsere Motive sind ganz anderer Art. Sie lassen sich am lapidarsten in dem Satz zusammenfassen: Wir müssen ein gesundes Volk besitzen, um uns in der Welt durchsetzen zu können.“ Es waren nicht zuletzt die Erfahrungen mit einer sozialdarwinistisch geprägten Politik, die die Kirche nach 1945 zu einer grundsätzlichen Neubesinnung auf ihre ethischen Grundlagen und ihren Beitrag zur sozialen Gestaltung verpflichteten.

Es ist nicht verwunderlich, daß die Willensbildung zunächst unentschieden schwankte zwischen einer Einstellung, die den sozialen Staat als weltliche Erfüllung diakonischer Anregungen und Vorbilder begrüßte und der Sorge, dem modernen Wohl-fahrtsstaat wohne eine „Tendenz zur Ausrottung aller anerkannten Diakonie-Wirklichkeit“ inne, durch seine materialistische, autoritärpädagogische Sozialfürsorge mache er „der Verkündigung der Botschaft durch Diakonie ein Ende“ Wenn auch diese Sorgen bis heute lebendig geblieben sind so bestimmen sie jedoch nicht das Geschehen. Dieses ist seit Beginn der Nachkriegszeit und seit der Gründung der Bundesrepublik durch eine konstruktive und partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht nur mit den öffentlichen Leistungsträgem, sondern auch mit den anderen Wohlfahrtsverbänden gekennzeichnet. Übrigens gilt — bei all den Unterschieden im Grundsätzlichen und im Detail — dies auch für die DDR. Die Diakonie der Evangelischen Kirche hat sich dort als einer der wichtigsten Träger einer freien Wohlfahrtspflege behauptet und erfährt dafür im wachsendem Maße auch die Anerkennung und Förderung durch staatliche Instanzen

III.

Die Frage ist oft gestellt und häufig verneint worden. ob es auf Seiten der Evangelischen Kirche eine gesicherte theologische bzw. ethische Basis gebe, aus der heraus sich tragfähige Sozialprinzipien und Kriterien für die Formulierung eigener Stellungnahmen und für die Beurteilung sozialpolitischer Konzeptionen ableiten lassen. Den vorliegenden Versuchen haftet immer zugleich etwas Vorläufiges. die Richtung des Handelns Suchendes an. Diese sind meist auch von der Sorge begleitet, die Kirche könne sich an Ideale. Programme und Ideologien ausliefern und dabei den Blick auf ihr sozial-ethisches Proprium verlieren. Die Gesellschaft ist für sie gemäß ihrer Orientierung an der Botschaft von der in Christus erneuerten Gottebenbildlichkeit des Menschen, und zwar gerade auch des in seiner Existenz beschädigten, gefährdeten und der Hilfe bedürftigen Menschen, das Feld der Bewährung ihres Auftrages: Der Mensch soll sein Mensch-sein im Leben der Gemeinschaft durch das Mitmensch-Sein bewähren. Die Christen, die Gemeinde. die Kirche in ihren Organen soll bei der Verwirklichung ihres Auftrages „keinerlei taktischen Rücksichten Raum geben“, sich jeder Bevormundung der Gesellschaft durch eigene Sozial-macht-Ansprüche enthalten. „Die Solidarität der Kirche mit den Nöten der Welt ist die Voraussetzung für die Partnerschaft der kirchlichen mit den politischen Kräften bei der als Integration erfolgenden Neuformung gesellschaftlichen Daseins in Staat, Wirtschaftsleben und Kirche.“ Dieser — hier nur angedeutete — Grundgedanke kann in drei Gesichtspunkten weiter entfaltet und in die Ebene konkreter Entscheidungsfindung verfolgt werden.

Der bedeutende Rechtsgelehrte Erik Wolf hat im Jahre 1957 den Versuch unternommen, das im christlichen Glauben neu begründete „Nächstenverhältnis“ aus dem „Reservat des Social-Caritativen“ herauszulösen und „als Grund und Mitte des Rechts (zu) behaupten“. Auf diese Weise werde die Aufgabe allen Rechts erfüllt: „in gegebener Lage natürlicher wie sozialer Ungleichheit Jedem das Seine zuzuteilen und zu belassen“. Wolf formuliert hier so etwas wie ein Grundrecht, das vor jedem Selbstbehaupten von menschlichem Recht „aus Natur, Vernunft oder geschichtlicher Tradition“ gelten soll. Die theologische Dimension dieses Ansatzes wird durch zwei Kategorien verdeutlicht: „Personalität“ und „Solidarität“. Personalität bezieht sich auf das von Gott Angerufensein, auf die Verantwortlichkeit vor Gott, das Angenommensein jedes Menschen vor allen gesellschaftlichen und persönlichen Konstellationen. „Personalität ist das Urrecht vor allen Grundrechten, die es theologisch ebenso begründet, wie es philosophische oder juristische Definitionen der Menschenrechte begrenzt.“ Solidarität konstituiert als Konsequenz von Personalität ein neues Verhältnis der Mit-menschlichkeit: „Aus Mitmenschen werden Nächste.“ Indem der Mensch seiner Bestimmung durch Gott entsprechend seinen Nächsten annimmt, vermag er „Interessengruppen in verantwortliche Gesellschaft“ umzuwandeln

Erik Wolf nahm mit dem Begriff der „verantwortlichen Gesellschaft“ das wichtigste sozialethische Axiom des ökumenischen Rats der Kirchen auf, das erstmals 1948 bei der Vollversammlung in Amsterdam in die Willensbildung eingeführt wurde. Die Kurz-Definition basiert auf dem Gedanken, daß der Mensch geschaffen und berufen sei. ein freies Wesen zu sein, verantwortlich vor Gott und seinem Nächsten. Sie lautet: Eine verantwortliche Gesellschaft ist eine solche, in der Freiheit die Freiheit von Menschen ist, die sich für Gerechtigkeit und öffentliche Ordnung verantwortlich wissen, und in der jene, die politische Autorität oder wirtschaftliche Macht besitzen, Gott und den Menschen, deren Wohlfahrt davon abhängt, für ihre Ausübung verantwortlich sind -Mit diesen Formulierungen war ein „Leitbild“ — oder vorsichtiger — ein Leitkriterium benannt, das seither in der kirchlichen Willensbildung eine wichtige Orientierungsfunktion erfüllte und deshalb auch mancherlei Ergänzungen erfuhr. Implizit oder explizit gingen diese Vorstellungen in die Begründung vieler kirchlicher Stellungnahmen zu wirtschafts-und sozialpolitischen Fragen mit ein.

Von solchen Voraussetzungen her erfuhr auch die Verfassungsordnung der Bundesrepublik — in anderer Hinsicht auch die Verfassung der DDR — ihre sozial-ethische Beleuchtung. Das Grundgesetz der Bundesrepublik, das mit den Worten beginnt: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“, bildet eine Basis der Integration und ermächtigt zu notwendigem sozialen Handeln, zu dem sich Christen im Zusammenwirken mit Nichtchristen herausgefordert wissen. Das Bonner Grundgesetz versteht sich — anders als die Weimarer Reichsverfassung — als norma normans und als norma normata, das heißt, sie geht über das rechtsstaatliche Legalitätsprinzip des bürgerlich-liberalen Rechtsstaats hinaus und bindet „die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht“ (Art. 20 Abs. 3). Das Konstitutionsprinzip der Menschenwürde (Art. 1 GG) bildet die verfassungsrechtliche Grundlage der Rechtsstaatlichkeit und begründet zugleich eine materiale Rechtsstaatlichkeit der demokratischen Verfassung. Die Grundrechte werden durch die Menschenwürde inhaltlich bestimmt und bilden zusammen mit ihr den „Wesensgehalt“, der bei den

Grundrechten „in keinem Fall. . . angetastet werden“ darf (Art. 19 Abs. 3).

Das Konstitutionsprinzip der Menschenwürde, das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verpflichten den Staat, für Einrichtungen zu sorgen, die jedenfalls das „Existenzminimum“ garantieren. Es ist die Konsequenz dieses Ansatzes, wenn das geltende Recht — als reflexiver interpretatorischer Kontext einer Verfassungsnorm — in § 1 des Bundessozialhilfegesetz (BSHG) den Auftrag formuliert, die Sozialhilfe solle „die Führung eines Lebens ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht“. Zu bezeugen, was ein „menschenwürdiges Dasein“ unter den gegenwärtigen Bedingungen erfordert, ist nicht zuletzt Aufgabe der verantwortlichen gesellschaftspolitischen Kräfte und Träger der Willensbildung. Die erwähnten Grundrechte stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20. 28, 79 Abs. 3 GG) und mit der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2). Das Sozialstaatsprinzip ist die eigentliche „Transformationsstelle von gesellschaftspolitischen Postulaten in Rechtsansprüche“ und dient zugleich „als rechtspolitischer Anknüpfungspunkt zugunsten umfassender staatlicher Aktivität auf dem sozialen Sektor“ Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit der Formulierung unterstrichen, es sei Aufgabe des Sozialstaates, „für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“

Zwei Thesen sollten zuletzt verdeutlicht werden: Erstens ist das Grundgesetz einer Wertordnung verpflichtet, die im hohen Maße auch Ausdruck evangelischer Sozialethik ist, oder, in einer Formulierung Bismarcks: „praktisches Christentum in gesetzlicher Betätigung“. Zweitens ist das Grundgesetz in seiner relativen Unbestimmtheit zugleich Auftrag, der auf seine rechtliche und gesellschaftspolitische Erfüllung angewiesen ist. Die Qualität dieser inhaltlichen Erfüllung hängt wesentlich von der Leistungsbereitschaft einzelner, der verantwortlichen Institutionen, Verbände und Gruppen ab. 12 >>IV.

Über die Art und Weise des Zusammenwirkens von staatlichen, nicht zuletzt kommunalen Instanzen und freien Verbänden sowie privaten Initiativen der Wohlfahrtspflege herrschten lange Zeit in der evangelischen Theologie, Kirche und Diakonie ungeklärte Vorstellungen. Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip, das auf der Verfassungsebene kaum angedeutet und erst recht nicht durchgehend verwirklicht ist, entstammt der katholischen Sozial-lehre und reicht — wie das erwähnte Uhlhorn-Zitat zeigt — tief in die Geschichte katholischer Sozialarbeit und Soziallehre zurück, auch wenn es erst in der Enzyklika „Quadragesimo Anno“ von 1931 expliziert und dort stark an eine berufsständische Ordnung gebunden wurde Zwar läßt sich das Prinzip der „Personnähe“ ohne weiteres auch aus der evangelischen Ethik begründen, aber als ein formales Abgrenzungsprinzip zwischen „öffentlicher“ und „freier“ Trägerschaft und als Zuständigkeitsprinzip blieb es evangelischer Ethik bis heute fremd. Dies gilt insbesondere für die Funktion, die es in der öffentlichen Auseinandersetzung annahm, indem es zugleich eine Abwehrfunktion im Sozialstaat erfüllte und umfassende Leistungsansprüche gegen diesen begründete. Faktisch wurde es in die ganz andere Argumentationsfigur integriert, die besagt. daß den Kirchen mit dem Prinzip der Glaubensfreiheit nach Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung und dem Schutzbereich des Art. 4 GG auch ein denkbar weiter Spielraum karitativer Tätigkeit eingeräumt wird, ein „Grundrecht karitativer Tätigkeit“, wie es das Bundesverfassungsgericht einmal nannte. Diesem kam es in seinem berühmten Urteil zum Sozialhilfe-und Jugendwohlfahrtsgesetz von 1967 darauf an, den in § 10 Abs. 2 BSHG niedergelegten Grundsätzen der Zusammenarbeit von Staat, Kirchen und freien Wohlfahrtsverbänden durch die Formulierung eines Koordinationsprinzips Wirkung zu verleihen. Es sei Sinn dieser Grundsätze, „mit dem koordinierten Einsatz öffentlicher und privater Mittel den größtmöglichen Erfolg zu erzielen“ Mit diesem Grundsatz konnte man, insbesondere in Zeiten der Prosperität, in der reichliche Mittel vorhanden waren, gut leben. Heute drohen Gefährdungen von zwei Seiten: Auf der einen Seite kann die kirchliche Sozialarbeit ihre Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie wegen des Mangels an Diakonen oder Diakonissen, an Nachwuchs für ihre „geistlich geprägten Dienstgemeinschaften“ sich in nennenswertem Umfang als Sozialleistungsträger von öffentlichen Leistungsträgern kaum mehr unterschiede. Sie könnte die umfassenden Leistungsansprüche nach dem Kostendeckungsprinzip nicht mehr glaubwürdig begründen. Auf der anderen Seite kann in Zeiten abnehmender Wachstumsraten und einer forcierten Konsolidierung öffentlicher Haushalte die Freie Wohlfahrtspflege zur „staatlich konzessionierten Fürsorge privater Institutionen“ degenerieren, so daß schon heute gelegentlich von der „Beinahe-Verstaatlichung“ der kirchlichen Krankenhäuser gesprochen wird

Angesichts solcher Unsicherheiten sind die Klärungen, die Oswald von Nell-Breuning unter der Über-schrift „Subsidiarität und Solidarität“ vorgenommen hat, auch für den evangelischen Betrachter hilfreich Er kritisierte ein Verständnis von Subsidiarität, das darauf abziele, den „freien“, das heißt „ausschließlich auf freiwillige Mitwirkung angewiesenen Trägem nicht einmal nur im Zweifel, sondern grundsätzlich den Vortritt vor öffentlich-rechtlichen über hoheitliche Gewalt verfügenden Trägem zuzuerkennen“. Man habe schon frühzeitig erkennen können, daß die politische Ortsgemeinde oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften oder Anstalten im Vergleich zu einer freien, jedoch von einer weit entlegenen Zentralstelle geleiteten Institution sehr wohl der engere, „hautnähere“ Lebenskreis sein könne. Es sei paradox, den Staat für Bereiche finanziell verantwortlich zu machen, aus denen „man ihn soviel wie möglich verdrängen möchte, ganz besonders dann, wenn dieser Staat wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten sich aus bestimmten Bereichen zurückziehen, zum mindesten seine Leistungen kürzen will“. Er fragt nach der Struktur des „selbstlosen Dienstes an der Sache“, nach dem Ausmaß des Opfers, nach der Fähigkeit zur Bewährung in schwieriger Lage, in der die sozialen Aufgaben zugleich vergrößert und die dafür verfügbaren Mittel beschränkt werden. Was aber besagt das Subsidiaritätsprinzip, wenn es weder als Vorrangsprinzip noch als Zuständigkeitsprinzip etwa im föderalistischen Staatsaufbau noch als Stufenprinzip der Belastung mit Leistungen gedacht werden kann? Hier ist die Formulierung von Nell-Breunings richtungsweisend auch dann, wenn ihre Umsetzung in menschenwürdige Lösungen erst noch durchdacht werden muß: „Wer jeweils der berufene Träger sozialer oder caritativer Werke oder Maßnahmen ist, bestimmt sich nicht generell oder a priori, sondern stets nach dem konkreten Sachverhalt; dieser ist allerdings an einem allgemeingültigen Maßstab zu messen. Jede Art von Hilfe und darum auch die Gemeinschaftshilfe ist in umso höherem Grad wirklich „hilfreich’, als sie den Hilfsbedürftigen so wenig wie möglich als hilfsloses Objekt behandelt, vielmehr ihn so viel wie möglich zur Selbsthilfe instand setzt und ihm Gelegenheit gibt, als aktives Subjekt selbst an der Befreiung aus seiner Not mitzuwirken, sich aktiv daran zu beteiligen. Unter dieser Rücksicht ist auszumachen, wer der jeweils berufene Helfer ist. Dies und nichts anderes ist das vielberufene Subsidiaritätsprinzip.“

Dieser Definition sind drei Gedanken zu entnehmen, die auch ganz dem evangelischen Ansatz entsprechen: Als Richtschnur für die Beachtung der Menschenwürde ist das Subsidiaritätsprinzip aufdie Bedürfnisse des jeweils konkret Hilfesuchenden ausgerichtet. Menschenwürde wird hier als Beachtung, Stärkung und Beteiligung des in Not Geratenen ausgelegt. Damit ist sicher auch das „Wahlrecht“ der Betroffenen gemeint, aber mehr noch als das: Nicht die Bevorrechtigung helfender Instanzen, sondern das Recht des Hilfebedürftigen soll mittels dieses Prinzips ermittelt werden. Von Nell-Breuning erwartet deshalb ein hohes Maß an „Selbstlosigkeit“ und Opferbereitschaft von kirchlichen Trägem, und man wird hinzufügen müssen: Eine sensible Methode der Kooperation wird hier von allen Instanzen gefordert. Deutlich wird an dieser Definition auch, daß die öffentlichen und freien Träger sich jederzeit auch gegenüber neuen Formen der Hilfe und einer bewußten Förderung von Selbsthilfepotentialen aufgeschlossen zeigen sollten

V.

Mit der von der Kammer der EKD für soziale Ordnung erarbeiteten und 1973 vom Rat der EKD veröffentlichten Denkschrift „Die soziale Sicherung im Industriezeitalter“ beteiligte sich die Evangelische Kirche an der Grundsatzdiskussion über die Ausgestaltung des Systems der sozialen Sicherung Diese Denkschrift fiel in die zweite Phase sozialpolitischer Entwicklungen, als es darauf ankam, die Vielfalt der Regelungsansätze, die zum großen Teil schon vom ersten Bundestag vorgenommen worden waren, zu systematisieren und sinngemäß weiterzuentwickeln.

Die Denkschrift ist bemüht, die Aufgabe der sozialen Sicherung im Industriezeitalter in größere Zusammenhänge zu stellen. Es wird nicht die These vertreten, die Sozialpolitik sei ein Appendix der wirtschaftlichen Entwicklung. Vielmehr wird die Funktionsfähigkeit der Wirtschaft auch als „soziale Aufgabe“ verstanden, andererseits werden „Investitionen im Sozialbereich zugleich als Bestandteil und als Voraussetzung der wirtschaftlichen Entwicklung angesehen“. Im Blick auf den epochalen Wandel wird festgestellt, daß der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit heute nicht mehr vor dem Hintergrund von Privilegien des Standes oder Besitzes formuliert werden darf, sondern aus dem Prinzip heraus, daß „der eigene Beitrag, den jeder für die Gesamtheit leistet, das Maß dafür abgibt, was er als Entgelt erhält“. Wenn aber der Leistung ein so hoher Rang beigemessen wird, dann muß auch berücksichtigt werden, daß die Leistungen jedes einzelnen in vielfältiger Weise von den Voraussetzungen abhängen, die er nicht selber geschaffen hat. „Um so mehr ist die Gemeinschaft verpflichtet, diejenigen Sicherungen zu schaffen, die die Voraussetzungen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens sind.“

Die sozialethischen Perspektiven gehen von dem Prinzip der „verantwortlichen Gesellschaft“ aus. Die wirtschaftliche Absicherung der großen Lebensrisiken (Unfall, Krankheit, Erwerbslosigkeit. Tod des Ernährers) sowie die Altersversorgung und zusätzliche Kosten für die längere Ausbildung von Kindern gehören heute in grundlegender Weise in die Verantwortung der Gesellschaft. Erst in diesem Rahmen wird dann die Vielfalt der individuellen und persönlichen Hilfen und Vorsorgen wirksam und unentbehrlich. Die Denkschrift kehrt die herkömmliche Reihenfolge der Verpflichtungen zum sozialen Handeln um: Die großen Risiken müssen durch gesetzliche und finanzielle Maßnahmen der Gesellschaft abgesichert werden. Darauf aufbauend soll die Verantwortung und menschliche Betreuung durch einzelne, durch die Familie und kleinere Gruppen wirksam werden. Das Gebot der Nächstenliebe wird im doppelten Sinne interpretiert: als Gebot zur Schaffung von Strukturen der Sicherung und als Gebot der Zuwendung des Menschen zu seinen Mitmenschen, der intergenerativen Verantwortung, der persönlichen Hilfe für alle Mitmenschen, die sich in einer Notlage befinden. In ausdrücklicher Würdigung des Subsidiaritätsprinzips wird darauf hingewiesen, daß der Staat die freie Initiative der Bürger fördern und nicht lähmen soll, sondern der Bürgerschaft „so viel Verantwortung zumutet, wie das bei der gegebenen Struktur von Wirtschaft und Gesellschaft möglich ist“. Das Subsidiaritätsprinzip werde aber falsch ausgelegt, wenn gefordert würde, auch bei den großen sozialen Risiken dürfe die im Staat vertretene Gesamtheit erst dann eingreifen, wenn sich herausstelle, daß personale Gemeinschaften nicht mehr ausreichend helfen können

Soziale Gerechtigkeit wird als „Leistungsgerechtigkeit“ und als „ausgleichende Gerechtigkeit“ mit Umverteilungswirkung verstanden. Als Gebot der Gerechtigkeit werden auch Klarheit und Einfachheit des Systems gefordert und eine umfassende Sozialberatung in Verbindung mit sozialanwaltlichem Beistand für die auf Hilfe Angewiesenen. In analoger Weise werden die drei Prinzipien einander komplementär zugeordnet: Das „Kausalprinzip“, das die verursachenden Tatbestände von Leistungen festlegt, wird als Ober-Prinzip verstanden. Die Höhe und der Umfang der Leistung kann nach dem „Äquivalenzprinzip“, das Leistung und Vorleistung systematisch verbindet oder nach dem „Finalprinzip“. das Sachleistungen ohne Rücksicht auf Höhe und Dauer der Vorleistung, also „final“ gewährt, bestimmt werden. Zur Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit wird gefordert, dem Finalprinzip in Zukunft in wesentlichen Bereichen (zum Beispiel für die Behinderten) mehr als bisher öffentliche Leistungen zuzuordnen

Die Denkschrift hat im grundsätzlichen bis heute ihre Gültigkeit bewahrt. In den Einzelfragen hat sich die Willensbildung meist weiterentwickelt. Neuere Stellungnahmen ziehen die begonnene Linie weiter aus. Gegenwärtig werden sechs Risiko-bereiche — bei aller inneren Verzahnung — voneinander abgehoben: „Gesundheit“ in vielfältigen Einzeldimensionen; „Ausbildung“ im Sinne der „Chancengerechtigkeit“ für alle; „Arbeit“ (Arbeitslosigkeit); „Einkommen“, dem unter anderem die „Sozialhilfe“ systematisch zugeordnet ist: „Alter“ als wichtiges Aufgabenfeld der Zukunft; „Familie“, das noch am wenigsten strukturierte Feld, dem unter anderem auch die „Jugendhilfe“ zuzuordnen ist.

Auf diese Aufgabenfelder bezieht sich kirchliche Arbeit in größerem oder geringerem Umfang. Zur Zeit sind in 18 567 Einrichtungen der Evangelischen Kirche bzw. ihrer Diakonie 214 407 hauptamtliche Vollzeitkräfte und 82 492 hauptamtliche Teilzeitkräfte tätig (bei einer „Betten“ -bzw. Platz-kapazität von 789 612). Hinzukommen z. Zt. rund 5 500 Selbsthilfegruppen sowie Clubs Es ist bei dieser Sachlage nicht verwunderlich, wenn kirchliche Äußerungen zu Einzelfragen dieser Aufgabenbereiche oft ihrem unmittelbaren Engagement, ihren Erfahrungen und Sorgen entsprechen. Auf einige dieser Äußerungen soll hier — exemplarisch — kurz eingegangen werden.

VI.

Im Bereich des Gesundheitswesens liegt seit langem einer der wichtigsten Schwerpunkte kirchlichen Engagements. Neben zahlreichen Allgemeinkrankenhäusern sind es vor allem die Fach-und Rehabilitationskliniken, in denen sich viel fachliche Erfahrung und Kompetenz angereichert hat, wobei die Arbeit mit geistig und körperlich Behinderten im Psychiatriebereich hervorzuheben ist. Verschiedentlich haben sich quasi Monopolstellungen herausgebildet (zum Beispiel bei der Behandlung von Epilepsie). Aber auch ein Großteil der ambulanten sozialpflegerischen Dienste. Beratungsstellen und Einrichtungen der Altenpflege sowie die Tageseinrichtungen für Behinderte gehören hierher Eine Denkschrift zur Reform des gesamten Gesundheitswesens liegt bislang noch nicht vor. Die Sozialkammer der EKD ist jedoch um eine Stellungnahme bemüht.

Schwerpunkte bildeten die Themenbereiche Krankenhausfmanzierung, Krankenpflegeausbildung, aber auch ganz allgemein die Rechtsstellung und Versorgung der Behinderten. Das seit 1972 geltende duale System der Krankenhausfinanzierung, nach dem die Investitionskosten durch Bund und Länder zu übernehmen sind, ganz allgemein die Finanzierung der Bereitstellung von Krankenhäusern als öffentliche Aufgabe bestimmt wird und andererseits die Erstattung der Pflegekosten durch die Versicherungsträger geregelt wird, steckt den Rahmen ab, in dem die Kooperation von staatlichen und kirchlichen Instanzen auf diesem Gebiet verläuft. Die Gefahr, zwischen Investitionsträgern und Versicherungsträgem zerrieben zu werden, zeichnete sich ab und verschärfte sich im Zeichen der Haushaltskonsolidierungs-und Kostendämpfungspolitik in den achtziger Jahren. Die Synode und der Rat der EKD haben wiederholt an die Verantwortlichen appelliert, „für eine ausreichende Finanzierung, auch für einen größeren Handlungsund Verantwortungsspielraum der evangelischen Krankenhäuser zu sorgen“ Sowohl die Eigenbeteiligung der freigemeinnützigen Träger an den Investitionskosten als auch restriktive Bestimmungen hinsichtlich der Pflegesatzgestaltung und der Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser erhöhen die Risikobelastung. Die Befürchtung, daß „vor allem frei-gemeinnützige Krankenhäuser nach und nach das Feld räumen müssen“, durchzieht die Mehrzahl der Stellungnahmen. Damit wäre die im Subsidiaritätsprinzip mitgegebene Wahlfreiheit und auch die verfassungsrechtlich geschützte „besondere Rechtsstellung“ kirchlicher Wohlfahrtspflege tangiert und die freigemeinnützigen Leistungserbringer „unter einen staatlichen Sicherstellungsauftrag mit Hilfe der Mittel der Hoheitsverwaltung“ subsumiert

Die Trägerpluralität im Krankenhauswesen ist aus der Sicht der Evangelischen Kirche ein wesentliches und auch für die Zukunft unverzichtbares Element des deutschen Gesundheitswesens. Diese wird umso höhere Beachtung verdienen, je deutlicher das Profil der freigemeinnützigen Einrichtung in Richtung einer humanen, ganzheitlichen Behandlung und zugleich in bezug auf eine — auf Forschung und Erfahrung basierende — hohe therapeutische Qualität ausgeprägt ist. Hier werden eigene Perspektiven für die Zukunft, die organisatorische und finanzielle Modelle überzeugend reflektieren, entwickelt werden müssen.

Die Zusammenarbeit mit geistig, körperlich und mehrfach Behinderten bildet einen der wichtigsten Schwerpunkte kirchlicher Präsenz im Gesundheitswesen. Im Umgang mit ihren behinderten Menschen erweist eine Gesellschaft ihre humane Qualität. Es entsprach dem reformatorischen Anliegen, wenn der bedeutende Kirchenmann und Sozialreformer Johann Valentin Andreae bereits um 1600 den Grundsatz aufstellte: „Wem die Natur ungünstig war.der soll durch die Gesellschaft umso mehr begünstigt werden.“ Friedrich von Bodelschwingh hat 1888 den Plan eines Gemeinwesens entwickelt und ins Leben gerufen, in dem ein möglichst normaler Ort entsteht, an dem gerade auch kranke und behinderte Menschen einen Lebensraum für sich und gemeinsam mit anderen Bürgern finden: mit Wohnen und Arbeiten, mit Lernen und Leben, mit Ausruhen und Feiern, mit Kranksein und Altwerden, mit Geborenwerden und Ster-ben Die Kirche und ihre Diakonie bemüht sich überall im Lande, solche Ansätze festzuhalten und sinngemäß aufgrund neuer Erfahrungen und Aufgaben weiterzuentwickeln.

Mit Beginn der siebziger Jahre setzte eine „geradezu stürmische Entwicklung im Bereich der Hilfen für Menschen mit einer Behinderung“ ein, die ihren Niederschlag in richtungsweisenden Gesetzen gefunden hat. Leitgedanken wie „Normalisierung“, „Integration“. „Emanzipation“ und „Partizipation“, vor allem aber auch „Rehabilitation" gaben die Impulse. Eine stärkere Fachlichkeit der Hilfen für behinderte Menschen zeigte sich in einem interdisziplinär orientierten Ausbau therapeutischer und pädagogischer Förderungsangebote und in einer entsprechenden fachlichen Qualifikation der Mitarbeiter. Die Lebensbedingungen behinderter Mitmenschen haben sich seither in quantitativer und qualitativer Hinsicht in wenigen Jahren wesentlich verbessert. Es ist deshalb kaum verwunderlich, daß die Verantwortlichen in der Kirche und ihrer Diakonie mit Entschiedenheit darum kämpfen, das Erreichte nicht durch Sparoperationen zu gefährden, vielmehr sinngemäß weiterzuentwickeln. Abzuwehren sind Tendenzen, die Sorge für behinderte Menschen aus der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung wieder herauszunehmen und die Lasten einseitig den Betroffenen durch Verschlechterung ihrer Lage, den Familien oder imaginären sozialen Netzen zu übertragen. Ebenso droht die Tendenz zur Standardisierung durch Regelungsmechanismen mit einheitlichen Grundsätzen für unterschiedliche Einrichtungen, für persönlich und hinsichtlich ihrer Behinderung unterschiedliche Menschen. Gewährleistet werden müssen — darauf wird von maßgeblicher Seite der Diakonie mit Nachdruck hingewiesen — in Zukunft: — „die Aufwendungen für die Früherkennung und Frühförderung behinderter Kinder;

— die Aufwendungen für angemessene besondere oder gemeinsame frühkindliche Erziehung (außer jenen Beiträgen, die Eltern nichtbehinderter Kinder auch bezahlen);

— die Aufwendungen für die schulische und berufliche Bildung einschließlich der Kosten für ein unter Umständen notwendiges Leben in einem Heim (außer der . häuslichen Ersparnis');

— die Aufwendungen zur Erlangung und Erhaltung eines Behindertenarbeitsplatzes;

— die Aufwendungen für das Leben als geistig behinderter Erwachsener in einem Heim (in einem Alter, in dem Erwachsene üblicherweise nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie leben); — Aufwendungen für behinderungsbedingte medizinische Betreuung, pädagogische Förderung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben;

-die Aufwendungen für den Bau, den Unterhalt und den laufenden Betrieb von Einrichtungen, die Hilfen für Behinderte vorhalten.“

Die Debatte über Struktur und Zukunft stationärer Hilfen ist auch in der Evangelischen Kirche im Gange. Nicht die Alternative „ambulant“ versus „stationär“ wird als Lösung empfohlen, sondern eine differenzierte Koordination zwischen gemeindenahen Netzen und stationärer Hilfe. Deren Dezentralisierung sowie Ausbau der Vorsorge-und Nachsorgebereiche erweisen sich als ein angemessener Weg in die Zukunft. Niemand sollte sich freilich der Illusion hingeben, „daß ambulante Angebote . . . finanziell weniger aufwendig sind als stationäre Einrichtungen“ -Entscheidend ist, daß die Spielräume geschaffen, mit Leben erfüllt werden, damit im Einzelfall die angemessene Hilfe auch gewährt werden kann.

Die Pflegebedürftigkeit im Alter ist sowohl hinsichtlich ihrer Risikosicherung als auch hinsichtlich ihres Pflegestandorts eines der großen ungelösten Probleme des Sozialsystems; immer deutlicher wird auf diesen Notstand hingewiesen. Die von allen Verantwortlichen mitgetragenen Zielvorstellungen für die ambulante und stationäre Altenhilfe lauten: — „die körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Grundbedürfnisse zu befriedigen;

— die Selbständigkeit möglichst lange und umfassend zu erhalten, und zwar auch nach Heimeintritt durch Rehabilitation und Therapie sowohl körperlich als auch im sozialen Bereich;

— die Lebenskontinuität soweit wie möglich zu erhalten; — den alten Menschen, gleichgültig ob in der eigenen Wohnung oder im Heim, zu selbständigem Handeln zu befähigen.“

Im Gegensatz zu diesen Zielen haben sich die wirtschaftlichen und sonstigen Rahmenbedingungen der Altenpflege, insbesondere im stationären Bereich, verschlechtert. Der Mindestbedarf an Pflegekräften wird gegenwärtig oft um rund 50 Prozent unterschritten. Eine der Würde des Menschen ententsprechende Hilfe und Pflege ist immer häufiger nicht mehr gewährleistet. Dies wird auch noch dadurch unterstrichen, daß immer mehr alte Menschen am Ende eines arbeitsreichen Lebens auf die Leistungen aus der Sozialhilfe angewiesen sind, die dadurch entgegen ihrer ursprünglichen Funktion als nachrangige Hilfe zur beinahe üblichen Finanzierung jedenfalls der stationären Pflege geworden ist. Die Evangelische Kirche hat wiederholt zu diesen Fragen Stellung bezogen, zuletzt in der von der „Kammer der EKD für soziale Ordnung“ erarbeiteten Denkschrift „Alterssicherung — Die Notwendigkeit einer Neuordnung“. Dort wird die Einbeziehung dieses Risikos in die Sozialversicherung (Krankenversicherung) vorgeschlagen, was Bundeszuschüsse nicht ausschließt. Unter anderem soll — nach dieser Denkschrift — folgendes sichergestellt werden:

— „Leistungsansprüche bei Pflegebedürftigkeit müssen auch dann bestehen, wenn nicht (nach bisherigem Verständnis) zusätzlich eine Krankheit vorliegt.

— Das Wahlrecht des Pflegebedürftigen und seiner Familie, ob Leistungen (z. B. auf Krankenschein) im ambulanten, teilstationären oder stationären Bereich in Anspruch genommen werden wollen, ist zu beachten und wirksam zu gewährleisten . . .

— Der Standard der häuslichen Pflege sollte dem der stationären Pflege nicht nachstehen.

— Im ambulanten Bereich müssen die Pflegehilfen (Haus-und Familienhilfe. Grund-und Behandlungspflege, aktivierende und habilitierende Hilfen, zu denen auch jene Zuwendungen gehören, die den pflegebedürftigen kranken Menschen in seinem Menschsein bestätigen und ermutigen) wirksam ausgebaut werden.“

In naher Zukunft sollte außerdem über die Beschreibung der Pflegestufen („Bewohner ohne besondere Betreuung“ bis „Schwerpflegebedürftige Heimbewohner“) und den jeweils zuzuordnenden Pflegesätzen und Personalschlüssel Einigung erzielt werden. Dabei wird der Ausgestaltung der Berufsbilder in diesem Bereich eine hohe Priorität zuzumessen sein Angesichts der Tatsache, daß jede(r) dritte Bürger/in, der/die heute das 80. Lebensjahr überschritten hat, damit rechnen muß, ein Pflegefall zu werden, muß dieser Komplex auch wesentlicher Bestand der geplanten Strukturreform im Gesundheitswesen werden. >>VII.

In der erwähnten Denkschrift zur Reform der Alterssicherung äußerte sich die Evangelische Kirche erstmals ausführlich zur sozialen Ordnung des Risikobereichs Alter, bezog sich dabei aber implizit auf das in vielen Schritten seit 1889 herausgebildete System der Alterssicherung. Die Sicherung materieller Voraussetzungen für ein Leben in menschlicher Würde gehört zu den Grundanliegen christlicher Ethik. Gefordert ist eine Verhältnisbestimmung zwischen dem Auftrag zu selbst-verantwortlichem Leben und zum solidarischen Zusammenleben der Leistungsfähigen und der Schwachen, und das heißt auch der Generationen.

Die Kemaussagen zur Diagnose bzw. Prognose lassen sich in zwei Hauptpunkten zusammenfassen: Die zentralen Grundprinzipien des bisherigen Systems der Alterssicherung haben sich bewährt und sollten sinngemäß festgehalten werden. Aber gerade um dieses Ziel der Bewahrung zu erreichen, bedarf es grundlegender Reformbemühungen, die in einigen Elementen bereits heute einsetzen müssen, auf die aber eine Reihe wichtiger Reformen in naher Zukunft folgen sollen. Zu den bewährten Prinzipien gehört:

— Alterssicherung bedarf in einer sozialstaatlich verfaßten Gesellschaft eines obligatorischen, umfassenden Versicherungssystems mit Ausgleich besonderer sozialer Belastungen.

— Die Alterssicherung soll der Sicherung eines angemessenen Lebensstandards nach einem erfüllten Arbeitsleben dienen, in der zugleich im Falle krankheits-und unfallbedingter Erwerbsunfähigkeit das entgangene Erwerbseinkommen in bestimmten Umfange ersetzt wird.

— Nach dem Umlageprinzip finanziert die jeweils aktive Generation mit ihren Beiträgen die Renten der Leistungsempfänger (Drei-Generationenvertrag). — Alterssicherung basiert auf Beiträgen der Versicherten und damit auf dem Prinzip der Eigenvorsorge für das Alter. Sie ist zugleich auf einen verläßlichen Staatsbeitrag angewiesen

In längerfristigen Reformbemühungen sind gravierende Unausgewogenheiten im System der Alterssicherung auszuräumen. Dies betrifft vor allem folgende Bereiche: Noch immer gehören — insbesondere alleinstehende — Frauen im Alter zu den Hauptbenachteiligten. Hier sind Korrekturen in der Struktur der Alterssicherung vorzunehmen, unter anderem durch eigenständige Versicherungsverläufe, großzügige Anrechnungszeiten für Kindererziehung, eventuell auch Pflegeleistungen und eine „Mindestsicherung“ für diejenigen Frauen und Männer, die unverschuldet keine ausreichende Rente beziehen können. Damit würde der heute weit verbreiteten (verschämten) Altersarmut entgegengewirkt. Es müßten — bei Vermeidung neuer Sozialbürokratien — Alterssicherung und Sozialhilfe individuell und generell neu ausgewogen werden. Vorgeschlagen wird auch, auf längere Sicht eine Flexibilisierung der Ruhestandsgrenzen vom 58. bis 72. Jahr zuzulassen mit Möglichkeiten eines schrittweisen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben. Schließlich wird auch von den Beamten in Zukunft ein „adäquater“ Anteil an den demographischen Lasten“ erwartet

Die Darlegungen machen deutlich, daß es keine Zauberformel für eine elegante Lösung aller Probleme gibt, sondern nur ein schrittweises Verfahren mit einer Mehrzahl aufeinander abzustimmender Elemente. Entscheidend ist. daß die Reform eingebettet ist in eine zuverlässige Perspektive der Erwerbsgesellschaft. in der Raum ist für das solidarische Zusammenleben der Leistungsfähigen und der Schwachen, und das heißt auch der Generationen.

VIII.

In der Evangelischen Kirche herrscht Einigkeit darüber, daß in einem modernen Industriestaat die Bereitstellung, Sicherung und dynamische Entwicklung von Lebensmöglichkeiten für die Angehörigen des Gemeinwesens davon abhängt, daß ausreichend bezahlte Arbeitsplätze vorhanden sind. Die wichtigsten Grundrechte sowie das Sozialstaatsgebot erhalten in diesem Bereich ihre materielle Erfüllung; unfreiwillige Arbeitslosigkeit ist zugleich ein Angriff auf die Würde des Menschen. Die bezahlte Arbeit ist die wichtigste Grundlage, nach der das Leben der Bürger als Individuen, der Familien und der Gesellschaft organisiert wird. Von ihr hängen auch die sozialpolitischen Programme zum Beispiel im Gesundheitswesen, in der Alterssicherung ab. Nur auf einem hohen Beschäftigungsstand kann auch die Sozialhilfe, die Arbeitslosenversicherung und die Arbeitslosenhilfe ihre Funktionen zuverlässig erfüllen. Es ist deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von höchster Priorität, dafür zu sorgen, daß jeder Erwachsene nach Beendigung der Ausbildung und bis zu seinem Ruhestand eine für die Gesellschaft nützliche und für das Individuum sinnvolle Arbeit findet. Hinter diesen dringlichen Forderungen steht ein biblisch begründetes Verständnis vom Recht auf und von der Pflicht zur Arbeit, das in der modernen Industriegesellschaft in die gesamtgesellschaftliche Regelungs-Verantwortung gestellt ist. Grundsätzlich soll Arbeit eine zielstrebige, der kreatürlichen Ordnung gerecht werdende Tätigkeit sein, die gemeinschaftlich ist und in der Kooperation der verschiedenen Gaben von Männern und Frauen, Alten und Jungen, Starken und Schwachen zur Geltung kommt. Bemühungen um die „Humanisierung der Arbeitswelt“ haben ebenso die Unterstützung der Evangelischen Kirche erfahren wie die Modelle praktizierter Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung. Unverschuldete Arbeitslosigkeit wurde schon immer als ein besonders hartes Schicksal angesehen, ihre Überwindung als vornehmliche gesellschaftspolitische Aufgabe „Arbeitslosigkeit ist ein Skandal für eine reiche Gesellschaft, wie wir es sind“, stellte vor kurzem der Ratsvorsitzende Bischof Martin Kruse fest Die individuellen und sozialen Schäden nehmen mit der Dauer der Arbeitslosigkeit zu: Armut, Familienkrisen, Suchtgefahren, Kriminalität. Obdachlosigkeit sind Schicksale, die nicht nur die rund 700 000 Langzeitarbeitslosen betreffen, virtuell auch die rund 2, 5 Millionen Arbeitslosen. Man rechnet mit rund zehn Millionen Bürgern, die direkt oder indirekt in das Schicksal der Arbeitslosigkeit verwickelt sind. Die Evangelische Kirche, insbesondere die Diakonie, engagiert sich hier mit über 1 000 Projekten mit rund 15 000 Plätzen, in denen circa 2 500 Mitarbeiter mitwirken. Rund 40 Millionen DM wurden in den letzten Jahren aus eigenen Mitteln aufgebracht. Dies alles is Millionen DM wurden in den letzten Jahren aus eigenen Mitteln aufgebracht. Dies alles ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Arbeitslosigkeit kann und darf nicht privatisiert werden!

Die Synode, der Rat und die Kammer der EKD für soziale Ordnung haben sich seit dem Jahre 1977 (Synode der EKD) kontinuierlich in die Diskussion um die Zukunft der Erwerbsarbeit und die Arbeitslosigkeit eingeschaltet, konkrete Forderungen gestellt und eigene Vorschläge erarbeitet. Von den staatlichen Instanzen wurde bereits damals gefordert, „alle Anstrengungen auf beschäftigungspolitisch wirksame und gleichzeitig sozial wünschenswerte Investitionen zu richten, u. a. auf Gemein-Schaftsaufgaben, soziale Dienste, Raumordnung, Umweltschutz und Bildung“.

In der Studie „Solidargemeinschaft von Arbeitenden und Arbeitslosen“ wurden konkrete Modelle der Arbeitszeitflexibilisierung und -Verkürzung diskutiert. Im Blick auf die Tarifvertragsparteien wurde (1982!) ausdrücklich ein Junktim gefordert: Verkürzung der Arbeitszeit mit Lohneinbußen dann, „wenn gewährleistet ist, daß damit tatsächlich Arbeitsplätze geschaffen werden“ 39). Für eine befristete Zeit und einen klar umrissenen Personenkreis wurde erstmals die Schaffung eines „zweiten Arbeitsmarktes“ vorgeschlagen. Im Blick auf ausländische Erfahrungen wurde vorgeschlagen, einen permanenten Beschäftigungssektor denjenigen zu garantieren, die von sogenannter „struktureller Arbeitslosigkeit“ betroffen sind (zwei Jahre dauerarbeitslos oder insgesamt zwei Jahre mit Unterbrechung in einem Zeitraum von vier Jahren) 40). Dieser Grundgedanke wurde angesichts der Tatsache eines wachsenden Sockels an „Dauerarbeitslosen“ — mehr als 700 000 im Jahre 1987 — in der neuesten Erklärung weitergeführt. „Statt in einem größeren Umfang Arbeitslosigkeit und ihre Folgewirkungen zu finanzieren, müssen Möglichkeiten entdeckt und genutzt werden, um Unterstützungsleistungen an Arbeitslose in produktive Arbeitsmöglichkeiten zu transformieren.“ Es wird eine Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Gemeinden gefordert und ein „integrierter Ansatz“ in bezug auf die Mittelzusammenführung und -vergäbe. Es geht im Ziel um die Entwicklung von „kommunalen Arbeitsbeschaffungs-und Investitionsprojekten“, durch die notwendige Aufgaben in den Kommunen und Landkreisen — sowohl im Bereich des zusätzlichen Umweltschutzes, der Stadtsanierung als auch der sozialen Dienste (Prävention, Rehabilitation) — zu einem Zeitpunkt erledigt werden, in dem diese Aufgaben rechtzeitig und mit vorhandenen Arbeitskräften wirtschaftlich vertretbar erledigt werden können Hier wie auch in den anderen Risikobereichen zeichnen sich evangelische Stellungnahmen durch ein hohes Maß an Aktualität und Konkretheit aus. Gelegentlich wurden durch sie unmittelbar Vorstöße im Bundestag oder Gesetzentwürfe angeregt >>IX.

Den Bereichen der Jugend-und Familienhilfe widmete die Evangelische wie auch die Katholische Kirche ihre besondere Aufmerksamkeit. Seit vielen Jahren füllt sie mit ihren Einrichtungen den im Jugendwohlfahrtsgesetz (§ 5) abgesteckten Rahmen mit aus, sie ist immer wieder mit Vorschlägen hervorgetreten. So entwickelten evangelische Träger und Einrichtungen teilstationäre, ambulante und begleitende Hilfen (sozialpädagogische Familien-hilfe). Die Diakonie dringt darauf, durch eine Reform des Jugendhilferechts erweiterte zusätzliche Handlungsspielräume für die Schaffung pädagogischer Alternativen zur Jugendstrafe und im Präventivbereich des Jugendstrafrechts zu eröffnen Die Erfahrungen mit Straßenarbeit. Klubarbeit. Gemeinwesenarbeit, die im Lebensfeld des Jugendlichen ansetzen, bedürfen der methodischen Präzisierung und öffentlichen Förderung.

Die Qualität der Jugendhilfe steht und fällt mit einer vorausschauenden und sozial gerechten Familienpolitik. Es fehlt bis heute eine familienpolitische Zielsetzung, die auf eindeutigen, ausreichend umsetzbaren und politisch planbaren Vorstellungen beruht. Die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Familienfragen hat 1980 ein „familienpolitisches Programm“ vorgelegt und detaillierte Vorschläge zur Verbesserung des Familienlastenausgleichs gemacht. Das Diakonische Werk hat dem Thema „Familienhilfe in Kirche und Diakonie“ eines ihrer „Schwerpunktprogramme“ gewidmet (1980— 1984)

Die Familie, das heißt das verantwortliche Zusammenleben von Erwachsenen und Kindern, droht unter den Bedingungen der technischen Arbeitswelt aufgerieben zu werden. Die allgemeine Position der Familien mit Kindern, insbesondere kinderreicher. verschlechterte sich immer mehr; die Lebenslagen von Kindern, alleinerziehenden Müttern. auf Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe angewiesenen Familien unterschreiten in allzu vielen Fällen* die Grenze des Zumutbaren. Daraus abgeleitet werden Forderungen nach mehr Steuergerechtigkeit, nach einer Neubewertung der Erziehungsleistung sowie einer klaren Konzeption für familien-unterstützende, -ergänzende und -ersetzende Maßnahmen. Die veränderte Stellung von Frauen in Ausbildung, Beruf und Familie fordert nicht zuletzt auch flexible und zugleich tragfähige Konzepte für die Gestaltung der Frauenerwerbsarbeit und längerfristig — wie erwähnt — eine Neuordnung der Alterssicherung, die zu eigenständigen und gesicherten Rentenansprüchen von Frauen im Alter führt. Eine tendenziell kinderlose Gesellschaft ist nicht in erster Linie ein bevölkerungspolitisches Problem. Es geht um ihre Humanität, die Qualität ihrer Lebensbedingungen und um ihre Zukunftsperspektive. Verantwortliche Elternschaft läßt sich nicht durch restriktive Gesetze herbeizwingen. Es bedarf gesicherter Erfahrungen einer lebenswerten Umwelt und tragender sozialer Gemeinschaften. Das von den Vereinten Nationen initiierte „Internationale Jahr der Familie“ wird die Menschheit weltweit vielleicht herausfordem, über die Familie als Grundmuster der menschlichen Gemeinschaft, zu der es keine Alternative gibt, neu nachzudenken.

Mit rund 7 300 Tageseinrichtungen für Kinder nimmt die Evangelische Kirche ihren diakonisch-pädagogischen Auftrag wahr. Dabei werden neue Wege gemeinsamer Förderung von Kindern mit und ohne Behinderung seit 1982 in einem FünfJahresplan erprobt und gegenwärtig ausgewertet. Familien, und zwar ohne Ansehen der Konfession, Nationalität oder Religion, benötigen eine integrative soziale Arbeit vor Ort, die von Fachberatern, Erzieherteams und Eltern gemeinsam wahrgenommen wird. Die kirchlichen Gemeinden sind hier in ihrer Gemeinwesenverantwortung herausgefordert. Nur in einem integrativen Umfeld können auch die Einrichtungen der Jugendhilfe wie der Behindertenhilfe ihre Aufgaben in Zukunft erfüllen >>X.

Wir stoßen hier auf ein Kernproblem des deutschen Sicherungssystems. Unbefangene Beobachter dieses Bereichs stellen oft — trotz der beeindruckenden Leistungen sozialer Institutionen — vor Ort, im Nahbereich, verstärkt in den großstädtischen Ballungsgebieten soziale Kälte, Distanziertheit und Verschlossenheit fest. Auch den zahlreichen christlichen Denominationen wohnt diese Tendenz zu „geschlossenen Gesellschaften“ inne. Die Ziele der Sozialpolitik wären verfehlt, wenn alle Tendenzen auf die komplementären Befindlichkeiten „Individualisierung“, „Singularisierung" und „Sicherheit“ hinausliefen

Die Debatte über die Zukunft des Sozialstaats ist in der evangelischen Ethik wie auch in der sozialen Arbeit der Kirche in Gang. Einigkeit besteht darin, daß nicht ein Abbau des sozialstaatlichen Hilfe-und Leistungssystems oder ein ganz anderes System sozialer Sicherung in Frage kommt. Eher schon ein „Umbau“ in dem Sinne, „daß die Solidarität, die der Sozialstaat verwirklichen soll, umgedacht wird von einem Reparaturbegriff für die sozial schädlichen Folgen des Individualismus zum Ausgangspunkt und Strukturprinzip des Zusammenwirkens und Miteinander der Menschen“

Unter diesem Aspekt muß auch die viel beschworene „Krise des helfenden Handelns“ diskutiert werden, die Legitimationskrise helfender Berufe sowie das unausgewogene Verhältnis von professionellen und freiwilligen — zu spontaner Solidarität bereiten — Hilfsangeboten. Die Prognosstudie „Entwicklung der Freien Wohlfahrtspflege bis zum Jahr 2000“ hat mit Recht auf erhebliche latente Ressourcen im Hinblick auf ein finanzielles und persönliches Engagement in breiten Schichten hingewiesen. Diese werden umso eher zu aktualisieren sein, je mehr „sichtbare Anknüpfungsmöglichkeiten“ bestehen, je stärker das persönliche, mitverantwortliche Engagement herausgefordert wird. Diese Bereitschaft wird häufig „in der Selbsthilfe-bewegung und/oder in Bürgerinitiativen absorbiert“. „Dieses Engagement in die Arbeit der freien Wohlfahrtsverbände einzubinden, stellt sich als zentrale Aufgabe.“ Der Selbsthilfegedanke wie auch der Genossenschaftsgedanke dürfen nicht überfordert werden, ihnen dürfen nicht „flächendeckende“ Aufgaben zugewiesen werden. Die soziale Arbeit der Kirchen kann in Förderung und offener Kooperation dazu beitragen, daß in Gemeinde und Stadtteilen soziale Netze entstehen, die im Nahbereich den Hilfesuchenden ein Höchstmaß an ganzheitlicher Hilfe und Hilfe zur Selbsthilfe gewähren Ebenso will die Vision der „diakonischen Gemeinde“ und der „heilenden Gemeinschaft“, die heute zentrale Impulse aus der Wichem-Zeit und aus der Ökumene aufnimmt, die Ortsgemeinden gemäß ihrem Auftrag zu lebendigen Zellen, zur Basis mitmenschlicher Solidarität gestalten

Nur so kann auf die Dauer verhindert werden, daß immer mehr Aufgaben aus dem Sichtbereich der Menschen verdrängt und mit technokratisch-bürokratischen Methoden bearbeitet werden. Auf diesem Wege würde der heute abgesteckte Rahmen der professionellen und institutionellen Träger weit überschritten. So würden die Kräfte unmittelbarer und spontaner Solidarität am Leben gehalten und neu geweckt werden, ohne die der Sozialstaat früher oder später erstarren würde.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. H. P. Braune. Die Kammern der Evangelischen Kirche in Deutschland, in: ZevKR, 21 (1976), S. 131-182 und Th. Strohm, Sozialethik und soziale Ordnung — Die Kammer der EKD für soziale Ordnung, in: ZEE, 31 (1987), S. 434-447.

  2. Vgl. H. Seifert, Das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland als kirchliches Werk und als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege, in: Th. Schober (Hrsg.), Das Recht im Dienst einer diakonischen Kirche, Stuttgart 1980, S. 103-110.

  3. G. Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit (1884). unveränd. Nachdruck der 2. Aufl. von 1895, Darmstadt 1959, S. 799.

  4. Vgl. J. H. Wichern, Gutachten über die Diakonie und den Diakonat (1856), in: Sämtl. Werke, hrsg. von P, Mein-hold, Bd. III 1, Berlin-Hamburg 1968, S. 130ff.

  5. Diese Zusammenhänge habe ich in meiner Habilitationsschrift: Die Ausformung des sozialen Rechtsstaats in der protestantischen Überlieferung. Münster 1969, herausgearbeitet.

  6. E. Berggrav, Staat und Kirche in lutherischer Sicht, 1952; vgl. hierzu H. Berthold, Sozialethische Probleme des Wohlfahrtsstaates, Gütersloh 1968, S. Uff.; M. Stolleis, Sozialstaat und karitative Tätigkeit der Kirchen, in: A. v. Campenhausen/H. J. Erhardt (Hrsg.), Kirche — Staat — Diakonie. Zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im diakonischen Bereich. Hannover 1982. S. 188 ff.

  7. Vgl. Arbeitskreis für eine missionarische Diakonie der Evangelischen Sammlung in Württemberg (Hrsg.), Diakonie ist absolut kein weltlich Ding, Reutlingen 1981; Die Frage nach dem Nächsten und die Antwort der Bibel. Reutlingen 1983. Dazu G. Schäfer/Th. Strohm. Der Dienst Christi als Grund und Horizont der Diakonie. Überlegungen zu einigen Grundfragen der Diakonie, hrsg. vom Diakonischen Werk Württemberg, 1987.

  8. Vgl. hierzu u. a. Diakonie als Faktor in Kirche und Gesellschaft. in: R. Henkys (Hrsg.), Die evangelischen Kirchen in der DDR, München 1982, S. 62— 85. Die Diakonie in der DDR unterhält (Stand 1. Januar 1987) gegenwärtig 1 193 Einrichtungen mit 41 087 Plätzen/Betten und 14 850 Mitarbeitern.

  9. E. Wolf, Sozialethik — Theologische Grundfragen, hrsg. von Th. Strohm, Göttingen 1975, S. 163f.

  10. Vgl. E. Wolf, Recht des Nächsten — Ein rechtstheologischer Entwurf, Frankfurt 1958, S. 16 f.

  11. Vgl. Dokumentation der ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen. Bd. 5, Amsterdam 1948, S. 100 f.

  12. M. Stolleis (Anm. 6). S. 198.

  13. Vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom 18. Juli 1967. Hierzu: Zur gegenwärtigen sozialpolitischen Entwicklung in der Bundesrepublik. Eine Stellungnahme des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche von Westfalen, 1985, S. 2 ff.

  14. Zur evangelischen Auseinandersetzung um das Subsidiaritätsprinzip vgl. R. Herzog, Subsidiaritätsprinzip und Staatsverfassung, in: Der Staat, (1963), S. 399-423; T. Rendtorff, Kritische Erwägungen zum Subsidiaritätsprinzip, 1962, S. 405— 430; J. Doehring, Gesellschaftspolitische galitäten, Beiträge aus Evangelischer Sicht, Gütersloh

  15. Vgl. BVerf. GE 22, 180 (1967); dazu A. v. Campenhausen (Anm. 6), S. 45 ff.

  16. Vgl. G. Thermann, Die Diskussion um das Krankenhausfinanzierungsgesetz in den Jahren 1969 bis 1973, in: Krankendienst, (1983) 6, S. 185 ff.; und H. Seifert. Die freie Wohlfahrtspflege im Sozialstaat der achtziger Jahre, Manuskript.

  17. Vgl. O. v. Nell-Breuning, Solidarität und Subsidiarität, in: Deutscher Caritasverband (Hrsg.), Der Sozialstaat in der Krise?, Freiburg 1984, S. 92 ff.

  18. Ebda., S. 92ff.

  19. Vgl. hierzu K. Blessing, Die Zukunft des Sozialstaats. Grundlagen und Vorschläge für eine lokale Sozialpolitik, Opladen 1987, S. 156-194.

  20. Diese Denkschrift ist abgedruckt in: Die Denkschriften der Evangelischen Kirche in Deutschland. Soziale Ordnung, Bd. 2, Gütersloh 1978, S. 113-162.

  21. Ebda., S. 123.

  22. Ebda., S. 126.

  23. Ebda., S. 129ff.

  24. Vgl. hierzu Jahrbuch des Diakonischen Werkes der EKD 1986/87, Stuttgart 1987, S. 272 ff.

  25. Ebda. — Mehr als 2 700 solcher Einrichtungen gibt es in der Bundesrepublik in evangelischer Trägerschaft.

  26. Vgl. Kundgebung der sechsten Synode der EKD vom 8. November 1984 und Stellungnahme der EKD zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung und des Bundesrates zur Neuordnung der Krankenhausfinanzierung vom 24. Oktober 1984, Bundestagsdrucksache (BTD) 10/2095 und 10/2096.

  27. So H. Seifert (Anm. 16).

  28. Th. Strohm (Anm. 5), S. 183.

  29. Vgl. Arbeitsbericht 1985 der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel. S. 8; Grundsätze für das Leben und Arbeiten in den v. Bodelschwinghschen Anstalten. Fassung 1985.

  30. Vgl. Tätigkeitsbericht des Präsidenten des Diakonischen Werks der EKD K. H. Neukamm vor der siebten Tagung der sechsten Synode der EKD vom November 1984. S. 28.

  31. Vgl. G. Brandt, Dem Leben Raum geben — auch morgen. Wohin gehen wir? — Schwerpunkte der Behinderten-hilfe in den nächsten Jahren, in: Diakonie Korrespondenz, (1985) 5, S. 2ff.

  32. Vgl. BTD 10/2784, S. 18.

  33. Vgl. Die Denkschrift der Kammer der EKD für soziale Ordnung, Alterssicherung — Die Notwendigkeit einer Neuordnung, Gütersloh 1987, S. 54 ff.

  34. Hier geht es um die Probleme der „Heim-Mindest-Personal-Verordnung“, die gegenwärtig intensiv in den Einrichtungen, Werken und Verbänden debattiert werden.

  35. Denkschrift Alterssicherung (Anm. 33), S. 36— 41.

  36. Ebda., Ziff. 48, S. 41.

  37. Vgl. die Studie der Kammer der EKD für soziale Ordnung. Solidargemeinschaft von Arbeitenden und Arbeitslosen — Sozialethische Probleme der Arbeitslosigkeit. 19832; und Kammer der EKD für soziale Ordnung, Gezielte Hilfen für Langzeitarbeitslose — Probleme der Langzeitarbeitslosen, arbeitsmarktpolitische Überlegungen EKD, Texte 19, Hannover 1987; vgl. auch, Gemeinsames Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur Arbeitslosigkeit 1985; Kundgebung der 7. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 3. Tagung zur Langzeitarbeitslosigkeit, 1986.

  38. Zitiert nach K. H. Neukamm, Bericht des Diakonischen Werkes der EKD, der Diakonischen Konferenz der EKD in Leichlingen vorgelegt am 20. Oktober 1987, S. 23.

  39. Vgl.den Plan des European Centre for Work and Society, den sogenannten Lindemans-Plan, der von der erwähnten EKD-Studie zur Arbeitslosigkeit aufgegriffen wurde, S. 124.

  40. Vgl. Gezielte Hilfen für Langzeitarbeitslose (Anm. 37), S. 15 ff.

  41. Erfreulicherweise griff der Bundestag die letzten arbeitsmarktpolitischen Überlegungen der Sozialkammer der EKD auf und behandelte sie ausführlich in seiner Sitzung am 10. März 1988; vgl. F. C. Schilling, Debatte über Langzeit-arbeitslosigkeit: Bundestag griff EKD-Anregungen auf, in: Evangelische Information, (1988) 11.

  42. Ebda.

  43. Vgl. Stellungnahme des Diakonischen Werkes zum Referentenentwurf: Erstes Gesetz zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes (1. JGGÄndG) vom 25. Januar 1988. in: Diakonie — Sozialpolitische Informationen 2 vom 14. März 1988.

  44. Diakonisches Werk der EKD (Hrsg.), Familie, Schwerpunktprogramm der Diakonie 82/84. Familienhilfe in Kirche und Diakonie. Reutlingen 1985.

  45. Auf die Zusammenhänge von diakonischem Gemeinde-aufbau und Gemeinwesenarbeit im Rahmen eines integrierten Ansatzes ist die Kammer der EKD für soziale Ordnung ausführlich in ihrer Studie eingegangen. Menschengerechte Stadt: Aufforderung zur humanen und ökologischen Stadterneuerung, Gütersloh 1984, S. 107— 126.

  46. Auf Probleme dieser Art haben W. Zapf u. a. in: Individualisierung und Sicherheit — Untersuchungen zur Lebensqualität in der Bundesrepublik Deutschland. München 1987, S. 6— 41. hingewiesen.

  47. So E. W. Böckenförde, Sozialstaat, Besitzindividualismus und die Uneinholbarkeit der Hegelschen Korporation, in: P. Koslowski u. a. (Hrsg.), Chancen und Grenzen des Sozialstaats. Staatstheorie — Politische Ökonomie — Politik, Tübingen 1983, S. 249; zum Ganzen vgl. Th. Strohm, Die Zukunft des Sozialstaats im Blickwinkel der neueren Literatur, in: ZEE, (1988) 2.

  48. Vgl. Entwicklung der Freien Wohlfahrtspflege bis zum Jahr 2000, Studie der Prognos AG, Basel 1984, S. 91 ff.

  49. Vgl. die Diskussion herausfordernden Beiträge in: Th. Olk u. a. (Hrsg.), Der Wohlfahrtsstaat in der Wende, München 1985; dort u. a. Th. Olk, Der informelle Wohlfahrtsstaat — Beziehungsprobleme zwischen Sozialarbeit und nichtprofessionalem Hilfssektor; B. Dewe/W. Fliehhoff, Die Krise des Wohlfahrtsstaates — Niedergang oder neue Chance für die Idee des Professionalismus.

  50. Vgl. hierzu M. Scheel, Partnerschaftliches Heilen, Verlagswerk der Diakonie, Stuttgart 1986; H. Steinkamp, Diakonie — Kennzeichen der Gemeinde, Freiburg 1985.

Weitere Inhalte

Theodor Strohm, Dr. theol., Dr. phil., geb. 1933 in Nürnberg; Studium der Theologie und Sozialwis senschaften; praktische Erfahrungen in der kirchlichen Industrie-und Sozialarbeit; 1970 bis 1977 Professoi für Sozialethik und Religionssoziologie an der Kirchlichen Hochschule Berlin; 1977 bis 1982 Professor für Systematische Theologie und Direktor des Instituts für Sozialethik an der Universität Zürich; Vorsitzendei der Kammer der Evangelischen Kirche in Deutschland für soziale Ordnung; Professor für praktische Theologie und Leiter des Diakoniewissenschaftlichen Instituts an der Universität Heidelberg. Veröffentlichungen u. a.: Die Ausformung des sozialen Rechtsstaats in der protestantischen Überlieferung, Münster 1969; zahlreiche Publikationen zu sozial-karitativen Fragen.