Aktuelle Spannungsfelder in den amerikanisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen
Barbara A. Fliess
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Zusammenfassung
Neue Akzente in der Außenwirtschaftspolitik der zweiten Reagan-Administration unterwerfen die amerikanisch-europäischen Beziehungen einer Bewährungsprobe. Es geht darum, gegenüber einem zunehmenden Handelsprotektionismus, Wechselkursverzerrungen und einer krisenanfälligen Weltkonjunktur gemeinsame Lösungen zu finden. Der Versuch der USA, ihre massiven Handels-und Leistungsbilanzdefizite abzubauen, wird von einem starken Interesse an einer internationalen währungs-und wirtschaftspolitischen Koordinierung begleitet. Insbesondere Japan, aber auch die westeuropäischen Verbündeten, hier vor allem die Bundesrepublik, werden als Überschußländer zur Beisteuerung von Entlastungsmaßnahmen aufgefordert. Der politische Antrieb für diese Reorientierung der USA ist im inneramerikanischen Umfeld der Handelspolitik zu suchen. Marktverluste der amerikanischen Industrie haben die protektionistischen Strömungen im Kongreß angeheizt und handelspolitische Auseinandersetzungen mit der EG über unfaire Wettbewerbsbedingungen nicht nur beim Agrarhandel, sondern auch im Hochtechnologiebereich und im Dienstleistungsverkehr bewirkt. Das Konzept der Regierung Reagan zum Abbau der externen Ungleichgewichte setzt neben einer Abwertung des Dollars, mit derdie eigene Konkurrenzfähigkeit wieder hergestellt und die politische Handelskrise entschärft werden sollen, auf zusätzliche konjunkturpolitische Stützungsinitiativen von Seiten der westeuropäischen Verbündeten. Die zentrale Frage ist. ob bei diesem Anpassungsprozeß eine Rezession vermieden werden kann. Die Umsetzung einer stabilitätsfördemden Gewichtung externer Korrekturverfahren und haushaltspolitischer Anpassungen in den USA ist Gegenstand sowohl von Koordinierungsansätzen als auch von Interessendivergenzen beider Seiten. Die sich hier bildenden Spannungspotentiale drohen sich weiterhin in wirtschaftlich destabilisierenden Reaktionen der internationalen Kapital-und Devisenmärkte zu entladen.
Mit Beginn der zweiten Amtsperiode der Reagan-Administration ist eine Neubestimmung der amerikanischen Außenpolitik erfolgt, die im amerikanisch-europäischen Verhältnis insbesondere die Wirtschaftsbeziehungen betrifft. Die Wirtschaftspolitik blieb in der ersten Amtsperiode Reagans stark binnenwirtschaftlich orientiert. Verfolgt wurde das Ziel, die Inflationssrate auf ein niedriges Niveau zurückzuführen, die private Wirtschaftstätigkeit mit Steuersenkungen anzukurbeln und die Staatsquote durch Ausgabenkürzungen zu senken. Dieses Konzept einer angebotsorientierten Politik in Verbindung mit einer straffen Geldpolitik hat im Außenbereich eine dramatische Verschlechterung der amerikanischen Handelsposition bewirkt. Die Industrie mußte in den letzten Jahren starke Positionsverluste an den internationalen Märkten hinnehmen — in praktisch allen Sektoren und gegenüber allen Handelsregionen. Im vergangenen Jahr belief sich der Importüberschuß im Warenhandel auf rund 160 Mrd. US-Dollar, und die amerikanische Leistungsbilanz wies ein Rekorddefizit von 141 Mrd. US-Dollar aus. Wachsende protektionistische Bestrebungen im Kongreß haben die Handelspolitik der USA zunehmend offensiver werden lassen. Die Handelskonflikte haben dementsprechend zugenommen. Die Ursachen für die dramatische Verschlechterung der amerikanischen Außenhandelsposition sind im makroökonomischen Umfeld der Wirtschaftspolitik zu suchen. Der Fehlbetrag im US-Bundeshaushalt ist enorm gestiegen. Seine Finanzierung über die internationalen Kapitalmärkte trieben Zinsraten und Dollarkurs in die Höhe. Von 1981 bis zu seinem Höchststand im Februar 1985 wurde der Dollar von 1. 80 DM auf 3. 47 DM aufgewertet. Dadurch entstanden für die einheimische Industrie nicht nur preisliche Wettbewerbsnachteile; mit einer Auslandsverschuldung von derzeit rund 300 Mrd. US-Dollar sind die USA zum welt-größten Schuldnerland geworden. Diese Konstellation — Haushalt-, Handels-und Finanzschwächen von historischer Größenordnung — hat schließlich zur Aufgabe der passiven amerikanischen Wechselkurspolitik geführt und eine wirtschaftspolitische Reorientierung zur internationalen Ebene hin bewirkt. Seit Beginn der zweiten Amtsperiode Reagans sind die USA bemüht, ihr enormes Leistungsbilanzdefizit abzubauen und gleichzeitig die konjunkturelle Stabilität zu bewahren. Damit hat sich neben dem Handelsbereich, in dem die USA mehr Marktzugang und „fair trade“ fordern, in den amerikanisch-europäischen Wirtschaftsbeziehungen ein weiterer Bereich entwickelt, in dem sich auf die westeuropäischen Partner Erwartungen richten. Sie betreffen Fragen des „burden-sharing“ im Rahmen einer verstärkten währungs-und wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit.
I. Strukturveränderungen und Konfliktbereiche in den Handelsbeziehungen
Das wirtschaftliche und politische Gewicht der USA und Westeuropas, welches über die gemeinsame Handelspolitik der EG-Mitglieder als ein den Vereinigten Staaten ebenbürtiger Partner auftritt, wirkt im multilateralen Handelssystem dominierend. Zusammen entfallen auf die USA und die Europäische Gemeinschaft 34 Prozent des Weltexports und beinahe zwei Drittel des Bruttosozialproduktes (BSP) aller Industrieländer. In den bilateralen Handelsbeziehungen der USA liegt die EG mit rund 130 Mrd. US-Dollar knapp vor Kanada, dem größten individuellen Handelspartner der USA. und Japan an dritter Stelle. Aus Tabelle 1 ist zu ersehen, daß, gemessen am jeweiligen Gesamthandel beider Wirtschaftsräume, der Handel mit der EG für den amerikanischen Außenhandel von größerem Gewicht ist als umgekehrt der Amerikahandel für die Gemeinschaft. Seit 1980 hat jedoch der EG-Anteil am amerikanischen Import von 15, 2 Prozent auf 24. 5 Prozent zugenommen; die Lieferungen in die USA am Gesamtexport der Gemeinschaft haben sich von 5, 6 Prozent auf 9, 3 Prozent erhöht. Die mit einer Exportquote (EG-exteme Exporte als Prozent des EG-BSP) von rund 10 Prozent im Vergleich zu den USA (5 Prozent) viel exportabhängigere Gemeinschaft wickelt den Großteil ihres Handels zwar innerhalb des europäischen Raums ab. EG-Handel und Wirtschaftswachstum konnten in den letzten Jahren von der starken Inlandsnachfrage der USA aber profitie25 ren. Nachdem die EG. anders als zum Beispiel Japan, gewöhnlich mehr Waren aus den USA importiert als nach den USA exportiert hat, kehrte sich dieser Trend in den letzten Jahren um: 1986 ver-macht diese enorme Verschlechterung auf der amerikanischen Seite sowie die hier entstandenen Un-gleichgewichte zwischen den USA. Westeuropa und Japan anhand eines Vergleichs der jeweiligen Leistungsbilanzen (die neben dem Waren-auch den Dienstleistungshandel und die Kapitalerträge einschließen) deutlich. Während die 1980 noch positiv abschließende Leistungsbilanz der USA 1986 ein Rekordminus von 141 Mrd. US-Dollar auswies, erwirtschafteten umgekehrt die westeuropäischen Partner — an zweiter Stelle nach Japan — einen Gesamtüberschuß von 62 Mrd. US-Dollar, die Bundesrepublik allein 36 Mrd. US-Dollar.
Abbildung 4
USA OECD-Europa davon Bundesrepublik Deutschland Japan Region der Gesamtimporte) 1975 8. 2 59. 6 13. 0 2. 0 1980 8. 3 59. 2 12. 1 2. 5 1984 8. 3 61. 0 12. 5 3. 3 1985 8. 0 62. 5 13. 0 3. 4 1986 7. 3 67. 4 15. 1 4. 3 EG-Einfuhren nach (in Prozent
USA OECD-Europa davon Bundesrepublik Deutschland Japan Region der Gesamtimporte) 1975 8. 2 59. 6 13. 0 2. 0 1980 8. 3 59. 2 12. 1 2. 5 1984 8. 3 61. 0 12. 5 3. 3 1985 8. 0 62. 5 13. 0 3. 4 1986 7. 3 67. 4 15. 1 4. 3 EG-Einfuhren nach (in Prozent
Die enorme Verschlechterung der amerikanischen Handelsposition ist aber auf weitergehende Veränderungen zurückzuführen. Die USA importieren mehr aus den Entwicklungsländern als Westeuropa oder Japan, und die Schuldenkrise der Dritten Welt hat das amerikanische Exportgeschäft wesentlich stärker belastet, weil sie zum Zusammenbruch der traditionellen amerikanischen Exportmärkte in Lateinamerika führte. Gemessen am Volumen ging der Weltimport der lateinamerikanischen Länder im Zeitraum 1981— 86 um 27 Prozent zurück, während diese Länder ihre Weltexporte um 13 Prozent steigern konnten. Dies hat dazu beigetragen, daß der 1980 noch rund 30 Mrd. US-Dollar betragende US-Exportüberschuß im Fertigwarenhandel mit den Entwicklungsländern sich nach fünf Jahren in ein etwa gleichwertiges Handelsminus verwandelte. zeichnete sie einen Warenhandelsüberschuß mit den USA von rund 18 Mrd. US-Dollar, verglichen mit einem amerikanischen Defizit gegenüber Japan von 59 Mrd. US-Dollar -Tabelle 2
Abbildung 5
Region (in USA OECD-Europa davon Bundesrepublik Deutschland Japan der 1975 5. 5 M. 2 12. 3 0. 9 1980 5. 6 67. 5 12. 7 0. 9 Quelle: OECD. Monthly Statistics on Foreign Trade. verschiedene Ausgaben. 1984 9. 5 64. 7 12. 0 1. 2 1985 10. 1 65. 4 12. 0 1. 2 1986 9. 3 68. 5 12. 2 1. 4 EG-Ausfuhren nach Prozent Gesamtimporte)
Region (in USA OECD-Europa davon Bundesrepublik Deutschland Japan der 1975 5. 5 M. 2 12. 3 0. 9 1980 5. 6 67. 5 12. 7 0. 9 Quelle: OECD. Monthly Statistics on Foreign Trade. verschiedene Ausgaben. 1984 9. 5 64. 7 12. 0 1. 2 1985 10. 1 65. 4 12. 0 1. 2 1986 9. 3 68. 5 12. 2 1. 4 EG-Ausfuhren nach Prozent Gesamtimporte)
Mit der rapiden Verschlechterung der amerikanischen Außenhandelsposition haben sich in den transatlantischen Beziehungen auch die Handels-konflikte gehäuft. Die Zunahme der Warenimporte aus aller Welt und der Verlust amerikanischer Absatzmärkte im Ausland machen sich im innenpolitischen Umfeld der USA dadurch bemerkbar, daß nicht nur importbedrängte Branchen größere Anstrengungen unternehmen, der Regierung Schutzmaßnahmen abzuringen.
Wie die Forderungen im Kongreß nach „fair trade" und „reciprocity" veranschaulichen, hat die amerikanische Toleranzschwelle gegenüber Handels-schranken und anderen wettbewerbsverzerrenden Praktiken im Ausland einen Tiefstand erreicht. Als Folge haben sich die transatlantischen Auseinandersetzungen nicht nur im landwirtschaftlichen Bereich verschärft. Auch beim Handel mit Hochtechnologieprodukten und Dienstleistungen haben sich Konfliktherde gebildet.
Die Handelskonflikte haben nicht zuletzt an Virulenz gewonnen, weil Meinungsverschiedenheiten verhinderten, daß frühzeitig eine neue Runde multilateraler Verhandlungen zur Handelsliberalisierung im Rahmen des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommen (GATT) zustande kamen, um protektionistischen Forderungen, vor allem im amerikanischen Kongreß, die Spitze zu nehmen. Die im Herbst 1986 schließlich offiziell eröffnete „Uruguay-Runde“ soll den Abbau insbesondere der nichttariflichen Handelshemmnisse fqrtsetzen.den Agrarhandel liberalisieren und multilaterale Verhaltensregeln für bislang ungeregelte Bereiche wie Dienstleistungshandel, Direktinvestitionen und Schutz geistigen Eigentums festlegen Obwohl sich diese außerordentlich komplexen Verhandlungen zur Stärkung und Ausweitung der multilateralen GATT-Handelsrunde über Jahre hinwegziehen dürften, wird sich das amerikanisch-europäische Kooperationsvermögen bereits in einem frühen Verhandlungsstadium erweisen müssen. Die Reagan-Administration wünscht schnelle Zwischenergebnisse, weil sie Kongreß und Wirtschaft gegenüber beweisen muß, daß die Verhandlungen konkrete Handelsvorteile bringen.
Auf westeuropäischer Seite macht man sich indessen weitaus mehr Sorgen über ein umfassendes Handelsgesetz, das der Kongreß gegenwärtig erarbeitet. Durch die Vorlage würden zwar notwendige Verhandlungsvollmachten des Präsidenten für die Uruguay-Runde verlängert, sie enthält aber eine ganze Reihe protektionistischer Elemente und ist von westeuropäischer Seite aufs schärfste attackiert worden. Zu den offensiven Bestimmungen zählen Verschärfungen der amerikanischen Antidumpingund Ausgleichszollregeln, um der einheimischen Industrie die Einleitung entsprechender Beschwerde-und Untersuchungsverfahren gegen ausländische Lieferer zu erleichtern. Andere, zum Teil handelssektor-oder länderspezifische Bestimmungen legen die Betonung jedoch deutlich auf ein härteres Vorgehen gegen „unfaire“ Behinderungen amerikanischer Exporte und Auslandsaktivitäten durch die Handelspraktiken anderer Regierungen. Darunter fällt das sogenannte „Gephardt-Amendment“, das Ländern Strafmaßnahmen androht, die sich auf diese Art und Weise „excessive and unwarranted trade surpluses" erwirtschaften.
Die EG-Kommission hat den USA Vergeltungsmaßnahmen für den Fall angekündigt, daß die Handelsvorlage nicht wesentlich modifiziert werden sollte und vor der Gefährdung der neuen GATT-Runde gewarnt. Die schärfsten Bestimmungen dürften an der ambivalenten Stimmung im Kongreß selbst und nicht zuletzt an der Veto-Bereitschaft Reagans scheitern. Für die Erneuerung der Verhandlungsvollmachten werden sowohl die Reagan-Administration als auch die Handelspartner der USA die Fortschreibung eines „Verfahrensprotektionismus“ im amerikanischen Handelsrecht in Kauf nehmen müssen, der bereits im Handelsgesetz von 1974 anläßlich der Tokio-Runde festzustellen war. Um so mehr wird deshalb der gemeinsame Wille zur Zusammenarbeit bei der Stärkung der multilateralen Handelsregeln an den Verhandlungstischen des GATT erforderlich sein. Solange hier und beim Abbau des US-Handelsdefizits keine beträchtlichen Fortschritte gemacht werden, bleiben insbesondere der Agrarhandel, aber auch der Hochtechnologie-und Dienstleistungsbereich Gegenstand konfliktgeladener bilateraler Konkurrenzbeziehungen. 1. Der Agrarhandel Die USA und die EG sind nicht nur die größten Agrarexporteure der Welt, sondern auch die schärfsten Antagonisten im Streit um agrarpolitische Reformen. Daß bei der fortschreitenden Liberalisierung des Welthandels dieser Sektor weitgehend ausgespart worden ist. liegt an derjahrzehntelangen Protektion der Landwirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks. Obwohl der Agrarbereich ein chronisches Konfliktfeld der transatlantischen Beziehungen ist und die von der EG praktizierte gemeinsame Agrarpolitik wegen ihrer effektiven Abschottung des europäischen Marktes schon in den sechziger Jahren zur Zielscheibe amerikanischer Handelsbeschwerden wurde, hat sich die Lage seit Beginn der achtziger Jahre noch wesentlich zugespitzt. Die auf einem komplexen System der Preisstützungsmechanismen aufbauende Gemeinschaftspolitik deckt heute mehr als 90 Prozent der Agrarproduktion innerhalb der EG (im Vergleich zu 50 Prozent der EG-Produktion Anfang der sechziger Jahre) Sie verursacht inzwischen nicht nur chronische Haushaltskrisen in Brüssel, sondern Produktionsüberschüsse.deren subventionierter Export die EG in Teilbereichen wie Getreide zum Nettoexporteur und zum Rivalen der USA auf dem Weltmarkt gemacht hat. Diese Entwicklung bewirkt eine zunehmende Verlagerung bilateraler Agrarkonflikte weg vom EG-Binnenmarkt und hin zum Weltmarkt. Zwar sind Exportsubventionen nach den Regeln des GATT insofern grundsätzlich verboten. als sich ein Land dadurch keine Anteile am Weltexport zu Lasten anderer verschaffen darf. Zur Frustration auf amerikanischer Seite stehen in der Praxis diesbezügliche Interpretationsschwierigkeiten einer effektiven Regelung von Streitfällen im Wege.
Verschärfte Wettbewerbsbedingungen auf den internationalen Märkten treffen die exportorientierten amerikanischen Farmer zu einer Zeit, wo sie durch Verschuldung und rückläufige Auslandsumsätze die schwerste Einkommenskrise seit den dreißiger Jahren durchmachen. Obwohl die Landwirtschaft der USA zu den effizientesten der Welt gehört, sank ihr traditioneller Exportüberschuß, der anderweitige Defizite in der US-Handelsbilanz auszugleichen hilft, von 26. 6 Mrd. US-Dollar 1981 auf 5 Mrd. US-Dollar im vergangenen Jahr Mrd. US-Dollar im vergangenen Jahr 4). Mit rund 6. 5 Mrd. US-Dollar (25 Prozent aller US-Agrarexporte) bleibt die EG der wichtigste, allerdings rückläufige Absatzmarkt, während Japan aufgerückt ist. Zudem ist der Exportüberschuß der USA gegenüber der EG in diesem Sektor seit 1980 durch sinkende Ausfuhren bei gleichzeitigem Importanstieg geschrumpft. Bemühungen um den Abbau der eigenen Programme zur Einkommensstützung sind in den USA gescheitert und die Gesamtaufwendungen derart sprunghaft gestiegen, daß sie diejenigen der EG nun übertreffen. Vor allem aber wird die Kritik an der Agrarpolitik der EG inzwischen von offensiven Exportsubventionen zur Rückeroberung verlorengegangener Märkte sekundiert. Zielscheibe ist insbesondere Frankreich, das als größter Agrarexporteur der Gemeinschaft den europäischen Widerstand gegen ein von der Reagan-Administration gefordertes Verbot aller Exportsubventionen anführt.
Mit der „Globalisierung“ des transatlantischen Agrarkonflikts — insbesondere zu Lasten von Drittländern — sind die bilateralen Auseinandersetzungen in diesem Bereich einem ständigen Krisenmanagement unterworfen. Die Beispiele des so-genannten „Pasta-Kriegs“, bis hin zu den amerikanischen Kompensationsforderungen in Verbindung mit der EG-Süderweiterung um Spanien und Portugal, zeigen, daß Eskalation und politische Vernunft gefährlich nahe beieinander liegen. bevor beide Seiten sich schließlich zu einer Kompromißlösung durchringen. Der Ansatz für bilaterale Regelungen ist aber begrenzt, so daß dauerhafte Lösungen nur über multilateral ausgehandelte Agrarreformen gefunden werden können. Der nächste Konflikt zeichnet sich bereits in der Androhung von Vergeltungsmaßnahmen ab. sollte 1987 ein von den USA als diskriminierend und illegal attackiertes Fleischhormonverbot der EG in Kraft treten. Daß der Agrarhandel überhaupt zum Gegenstand ernsthafter Liberalisierungsbemühungen in der Uruguay-Runde erklärt wurde und beide Seiten nun dabei sind, ihre Verhandlungspositionen zu konkretisieren, dürfte bereits ein Fortschritt sein. Um sich die politische Unterstützung der Farmer-Lobby zu erhalten, die in den USA eine einflußreiche Wählergruppe ist und zu den freihändlerischen Kräften zählt, drängt die Reagan-Administration auf den Abschluß eines Abkommens über Reformmaßnahmen noch vor Ablauf ihrer Amtszeit.
Dieses Anliegen, wie auch der jüngst im GATT eingebrachte amerikanische Aktionsplan zur radikalen Eliminierung aller Agrarsubventionsprogramme und Einfuhrbeschränkungen bis zum Jahr 2000. findet innerhalb der EG wenig Unterstüt-zung . Doch hat sich die EG-Kommission in einem Gegenentwurf bereit erklärt, zunächst über eine abgestimmte Stabilisierung der Märkte zu verhandeln. mit der Aussicht auf eine langfristig koordinierte Verringerung der Maßnahmen zur Preisstützung. Dies entspricht den gegenwärtigen Bemühungen Brüssels, strengere Mechanismen zur Eindämmung der Agrarüberschüsse und -ausgaben der Gemeinschaft durchzusetzen. Die überstrapazierte Agrarkasse der EG wird vom nicht minder haushaltsgeplagten Gegenspieler USA als letztlich bestes Druckmittel für eine Verhandlungsbereitschaft auf beiden Seiten gewertet. Auf die agrarpolitische Finanzlage der EG wirkt sich auch der zunehmende Verfall des Dollars negativ aus. was mit ein Grund für die EG-Kommission ist. auch eine möglichst geschlossene europäische Front gegenüber den USA bei der Währungspolitik zu fordern. 2. Verschärfte Konkurrenz und Konflikte im Bereich der Hochtechnologie Strukturbedingte Anpassungszwänge haben sowohl in Westeuropa als auch den USA Diskussionen über Stand und Förderungsmöglichkeiten der eigenen Wettbewerbsfähigkeit ausgelöst. Während nationale und gemeinschaftliche industriepolitische Anstrengungen der Verbesserung vorhandener Wettbewerbsgrundlagen dazu beigetragen haben, daß die westeuropäische Selbsteinschätzung der internationalen Konkurrenzfähigkeit heute wesentlich optimistischer ist als noch zu Beginn der achtziger Jahre, beschäftigt das Problem der Wettbewerbsfähigkeit die USA derzeit umso stärker. Eine verschärfte Konkurrenz zwischen den USA, Japan und Westeuropa auf dem Technologiesektor hat dazu geführt, daß die Handelskonflikte der achtziger Jahre vor den Bereichen des Handels mit hochtechnologisierten Waren und dem Dienstleistungsverkehr nicht mehr halt machen. Eine gezielte Förderung von Technologie und Innovation erfolgt im westeuropäischen Kontext durch die Initativen der EG oder einzelner europäischer Länder, das technologische Know-how in einer — inzwischen ansehnlichen — Liste von Forschungs-und Entwicklungsvorhaben zu bündeln. Hierzu zählt das 1984 gestartete zehnjährige Programm ESPRIT (European Strategie Program for Research and Development in Information Technology), das 1985 angelaufene Projekt Eureka in Reaktion auf die amerikanische „Strategie Defense Initiative“. RACE (Research and Development in Advanced Communication Technologies in Europe) und BRITE (Basic Research in Industrial Technologies in Europe). Hauptzielsetzung bei all diesen Projekten ist es, Kooperationsvorhaben zwischen Firmen und Forschungseinrichtungen europäischer Staaten zu fördern, um Rückstände bei Technologien aufzuholen bzw.den eigenen Unternehmen im Bereich der Hochtechnologie durchschlagende Vorteile auf dem europäischen und Weltmarkt zu verschaffen.
In den USA hat das Wirtschaftsprogramm der Reagan-Administration im Bereich der kommerziellen Technologiepolitik auf Eigenleistungen der Privatwirtschaft gesetzt und das Schwergewicht der staatlichen Direktmittel für Forschung und Entwicklung auf den militärischen Bereich gelegt. Inzwischen ist die gesamte amerikanische Industrie in Schwierigkeiten geraten. Nicht nur Basisindustrien wie Textil und Stahl, welche sich schon länger im chronischen Zustand des Abbaus und der Umstrukturierung befinden, mußten in den letzten Jahren weitere Marktverluste hinnehmen. Erstmals gerieten auch die Hochtechnologiebranchen, auf die rund 30 Prozent der US-Exporte entfallen, vom Regen in die Traufe. Eine von der Regierung beauftragte Commission on Industrial Competitiveness (Young-Kommission), die 1985 einen Empfehlungskatalog zur Sicherung der eigenen Hochtechnologieleistung erstellte, warnte, daß auch die technologische Überlegenheit der USA nicht mehr selbstverständlich sei: „Obwohl für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine Steigerung der technologischen Fähigkeiten in West-Europa und Japan erwartet werden mußte, geben die Geschwindigkeit und die Ausdauer der Veränderung der Position gegenüber den Vereinigten Staaten Anlaß zur Beunruhigung. Auf dem High-Technology-Sektor, der dem Rest der US-Wirtschaft stark überlegen ist. hat sich der Anteil am Weltmarkt nur für ein Produkt verbessert, nämlich für Computer, während die anderen an Boden verloren haben“ Im vergangenen Jahr haben die USA ihren allerersten Importüberschuß in diesem Sektor verzeichnet. Entsprechend mehren sich die Fälle, wo wettbewerbsschwachen High-Tech-Branchen mit Ad-hoc-Maßnahmen der Importkontrolle und Subventionierung unter die Arme gegriffen wird. Öffentliche Mittel zur Innovationsförderung fließen verstärkt — vorwiegend über den Verteidigungshaushalt — in die bereits durch Abkommen zur freiwilligen Exportbeschränkung (Japan, Taiwan) geschützten Werkzeugmaschinenindustrie. Ähnliche Unterstützung wird auch der Zusammenschluß amerikanischer Chip-Hersteller im kommerziellen Entwicklungsprojekt „Sematech“ erhalten, mit dem man den japanischen Vorsprung im Halbleitermarkt bei der nächsten Generation der Mikrochip-Verarbeitung überholen will. Obwohl die Mittel aus dem Pentagon kommen, ist der Akzent auf kommer-ziehe Förderung und nicht auf militärische Forschungs-und Beschaffungsprogramme gesetzt. Sowohl die Werkzeugmaschinen-als auch die Halbleiterindustrie erhalten verstärkt finanzielle Unterstützung. nachdem die Administration vorher mit dem Argument ihrer militärischen Bedeutung handelspolitische Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Ließ sich zu früheren Zeiten überzeugend argumentieren. daß sicherheitspolitische Nationalinteressen eine liberale Handelspolitik erforderlich machten, geht der Trend zusehends in die andere Richtung.
Wirtschaft und Regierung versprechen sich von der Dollarabwertung seit 1985 hier wie auch anderswo eine baldige Wende zum Besseren. Die Optimisten, die wie der Präsident an die ungebrochene Stärke des amerikanischen Unternehmertums glauben, haben bisher die Oberhand behalten, wenn es auch pessimistische Stimmen gibt, die strukturelle Schwächen der amerikanischen Leistungsfähigkeit sehen Die Administration hat in ihren diesjährigen Handelsgesetzesvorschlägen jedenfalls diverse Empfehlungen der Young-Kommission aufgegriffen — nicht zuletzt um politische Gruppierungen, die für mehr industriepolitische Staatsaufsicht oder Importschutz plädieren, zu beschwichtigen. Statt dessen sollen Ausbildung, Wissenschaft und Technologie gefördert, der Schutz von geistigem Eigentum verbessert sowie die bestehenden Exportkontrollen im Rahmen des Export Administration Act unter anderem bei Produkten gelockert werden, über die die USA kein Technologiemonopol besitzen. Im letztgenannten Bereich klagen die Hersteller lizenzpflichtiger Waren, sie würden von ausländischen Abnehmern zunehmend gemieden
Stärker noch als nach Europa blicken die USA im internationalen Technologiewettlauf in Richtung Pazifik. Das Zusammenschmelzen ihrer Außen-handelsüberschüsse im Bereich hochtechnologischer Produkte seit Beginn der achtziger Jahre ist weniger auf steigende Importe aus dem westeuropäischen Raum zurückzuführen als auf Importe aus Japan und den südostasiatischen Schwellenländem Wie die scharfe Kritik und anschließende GATT-Beschwerde der EG hinsichtlich einer amerikanisch-japanischen Kartellvereinbarung bei Halbleitern illustriert, werden durch die von den USA mit der pazifischen Seite erwirkten Preis-oder Exportbeschränkungsvereinbarungen auch die europäischen Märkte betroffen. Die gegen ausländisches industriepolitisches „targeting" (das heißt staatlich gelenkte Entwicklung bestimmter Industrien, Produktionsbranchen oder Technologien), Dumping-und Subventionspraktiken gerichtete Handelsoffensive der USA hat aber auch direkte Zusammenstöße mit den westeuropäischen Verbündeten bewirkt. 3. Die Airbus-Kontroverse Die USA fühlen sich vor den Kopf gestoßen, da das europäische Projekt Airbus, welches Ende der sechziger Jahre gestartet wurde, um der damals weltweiten Dominanz der amerikanischen Flugzeugindustrie ein europäisches Gegengewicht zu schaffen, inzwischen in den USA Marktanteile gewinnt. Daß die Airbus-Industrie, wie sich Undersecretary of Commerce, Bruce Smart, jüngst ausdrückte. zum „major industrial trade issue with Europe“ geworden ist. hat zwei Gründe. Erstens verbuchen die USA beim zivilen Flugzeugbau zwar immer noch Exportüberschüsse, aber die Industrie befürchtet konkurrenzbedingte rückläufige Umsätze in einem Zeitalter, in dem steigende Entwicklungskosten einen harten Kampf um das Auftragsvolumen auslösen. Zweitens ist der Erfolg des expandierenden. sich bisher jedoch nicht selbstfinanzierenden Airbus-Programms den Subventionsmaßnahmen der beteiligten Regierungen zu verdanken. was in den Augen Washingtons unfaire Wettbewerbsbedingungen schafft. Die von einheimischen Herstellern unter Druck gesetzte US-Regierung sah sich schließlich zur Beschwerde veranlaßt. Airbus habe im vergangenen Jahr mit einer unfairen Preispolitik rund die Hälfte der Neuaufträge amerikanischer Luftfahrtgesellschaften eingestrichen. Auf europäischer Seite, wo die öffentlichen Forschungsausgaben der USA im Verteidigungsbereich als Subvention der Industrien im Hochtechnologiesektor gewertet wird, wird daran erinnert, daß der Flugzeugsektor ebenso konstante staatliche Hilfe durch Militäraufträge erhält und amerikanische Unternehmen außerdem durch Auftragsbeteiligung am europäischen Programm profitieren. Ein handfester Konflikt, den unilaterale Vergeltungsmaßnahmen unweigerlich auslösen würden, ist bisher durch die Verlagerung der Auseinandersetzungen in das GATT vermieden worden. Sollte hier keine politische Einigung erzielt werden, könnte auf Airbus eine offizielle Subventionsbeschwerde der Hersteller unter dem US-Handelsrecht zukommen und zu Strafzöllen führen. Dies wäre um so wahrscheinlicher, wenn eine im Kongreß gestartete Initiative, den Anwendungsbereich für das entsprechende Untersuchungsverfahren explizit auf internationale Konsortien auszuweiten. erfolgreich wäre. 4. Der Telekommunikationsbereich Den anderen Bereich wachsender transatlantischer Handelsbeziehungen bildet die Telekommunikation: Hier liegt die EG als weltweit zweitgrößter Markt vor Japan, aber noch weit hinter den USA Es ist das besondere Anliegen der amerikanischen Regierung, im Rahmen der Uruguay-Runde erstmals auch beim privaten Dienstleistungsverkehr, zu dem nicht nur der Telekommunikationssektor, sondern zum Beispiel auch das Bankenwesen. Transportleistungen, Versicherungen und der Bausektor gehören, international geltende Verhaltensnormen zu schaffen und Liberalisierungsschritte einzuleiten. Der Weltdienstleistungshandel beläuft sich jährlich schätzungsweise auf etwa 400 Mrd. US-Dollar oder ein Fünftel des Güterhandels. Rund 75 Prozent davon entfallen auf den Raum der OECD. Die USA. gefolgt von Großbritannien. Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland und Japan sind die wichtigsten Exporteure und Importeure Abgesehen von direkten Handelsaktivitäten der Dienstleistungsunternehmen ist dieser Bereich für Entwicklung und Vermarktung von Hochtechnologieprodukten, den Investitionen und dem gesamten verarbeitenden Gewerbe von zunehmender Bedeutung — sowohl in seinen nationalen als auch internationalen Dimensionen. Er ist nicht nur in den USA. sondern auch in Europa die „Beschäftigungs“ -Industrie für etwa 60 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung und trägt mit etwa derselben Größenordnung zum Bruttosozialprodukt beider Wirtschaftsräume bei. Obwohl der amerikanische Exportanteil im Vergleich zu den europäischen Ländern nicht herausragend ist und der Dienstleistungshandel allein zum Abbau der amerikanischen Handelsbilanz nur einen geringen positiven Beitrag leisten kann, sind restriktive Praktiken im Ausland zum Gegenstand vielfältiger Beschwerden einflußreicher amerikanischer Großunternehmen geworden.
Zwar hat diese multilaterale Initiative auch bei der EG Unterstützung gefunden. Doch zeigen die in den letzten Jahren auftretenden amerikanisch-europäischen Spannungen im Telekommunikationsbereich. daß der Weg in Richtung Liberalisierung ein besonders beschwerlicher ist. weil die Fortschritte auf EG-Ebene hinsichtlich der Freizügigkeit im Dienstleistungverkehr noch weit hinter denen des Warenverkehrs liegen. Was den europäi-sehen Telekommunikationsmarkt angeht, gibt es weder eine homogene Infrastruktur noch weitgehenden privaten Wettbewerb. Das Telephonnetz bildet ein Strickwerk national unterschiedlicher technischer Standards und Nutzergebühren. Im Unterschied zu den USA werden Dienstleistungsund Endgerätsektoren von staatlichen Postmonopolen reguliert: die zersplitterten EG-Beschaffungsmärkte dominieren die jeweiligen nationalen Computer-und Telekommunikationsproduzenten, so daß es selbst für europäische Anbieter schwer ist. außerhalb von Erwerbsbeteiligungen bzw. Zusammenschlüssen Zugang zum Markt des Nachbarlandes zu erhalten. 1985 belief sich die Importpenetrationsrate im Endgerätbereich in den USA auf 14 Prozent, in Großbritannien auf 9 Prozent und für Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland auf nicht einmal 3 Proz Prozent, in Großbritannien auf 9 Prozent und für Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland auf nicht einmal 3 Prozent 13).
Seit mit dem Auseinanderbrechen des amerikanischen Privatmonopols A. T. & T.der US-Telekommunikationsmarkt zunehmend liberalisiert und für ausländische Anbieter interessant geworden ist. steht die Administration unter innenpolitischem Druck, von den Europäern für diese Konzession, die als einseitige Leistung der USA angesehen wird. Gegenleistungen der Öffnung ihrer eigenen, lukrativen Märkte zu verlangen.
Wenn es einen Bereich gibt, in dem sektorspezifische „Reziprozitäts“ -Forderungen im Kongreß handelsgesetzliche Konsequenzen haben dürften und die Europäer vor die Wahl gestellt werden, entweder über eine Öffnung ihrer Märkte zumindest zu verhandeln oder ihre eigenen Aktivitäten im amerikanischen Markt eingeschränkt zu sehen, dann ist es der hier genannte.
II. Gemeinsame Lastenteilung beim Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte: Währungs-und wirtschaftspolitische Kooperation
Abbildung 3
nach Region OECD-Europa davon EG davon Bundesrepublik Deutschland Japan der Gesamtimporte) 1975 27. 8 21. 4 4. 9 9. 0 1980 30. 3 24. 7 5. 0 9. 4 1984 26. 4 23. 2 4. 2 10. 8 1985 26. 3 23. 0 4. 2 10. 6 1986 28. 1 24. 5 4. 9 12. 4 U. S. -Ausfuhren (in Prozent
nach Region OECD-Europa davon EG davon Bundesrepublik Deutschland Japan der Gesamtimporte) 1975 27. 8 21. 4 4. 9 9. 0 1980 30. 3 24. 7 5. 0 9. 4 1984 26. 4 23. 2 4. 2 10. 8 1985 26. 3 23. 0 4. 2 10. 6 1986 28. 1 24. 5 4. 9 12. 4 U. S. -Ausfuhren (in Prozent
Blieb die Wirtschaftspolitik der Reagan-Administration während der ersten Amtszeit stark nach innen konzentriert und die gegen Importbeschränkungen und unfaire Wettbewerbsbedingungen im Ausland gerichtete Handelsoffensive das zentrale Instrument der Kontrolle protektionistischer Strömungen im Inland, so ist seit 1985 eine grundlegende wirtschaftspolitische Reorientierung nach außen erfolgt. Wegen der Dominanz des Dollars als wichtigster Leit-und Reservewährung, ihres größeren Weltwirtschaftsgewichts und niedrigen Außenhandelsanteils sind die USA in der Lage. Anpassungen an außenwirtschaftliche Zwänge länger ignorieren zu können als die kleineren europäischen Partner oder Japan. Damit verbunden ist auch eine gewisse Neigung, den externen Auswirkungen ihrer Wirtschaftspolitik weniger Beachtung zu schenken. So zeichnet sich praktisch jede amerikanische Regierung seit den siebziger Jahren durch ein anfänglich währungspolitisches „benign neglect" aus.dem früher oder später Initiativen folgen, die dadurch entstehenden Fehlentwicklungen im Außenbereich im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit mit den westlichen Verbündeten zu meistem 14). Im Fall der gegenwärtigen Regierung war die Phase des „benign neglect“ — an der internen finanzpolitischen und externen währungspolitischen Front — besonders lang, das daraus resultierende Ungleich-gewicht der Handels-und Leistungsbilanzen wesentlich größer als in vergleichbaren Situationen während der siebziger Jahre. Der inzwischen angelaufene Prozeß der Korrektur dieses Ungleichgewichts. um den es in den transatlantischen Diskussionen über gemeinsame währungs-und wirtschaftspolitische Zusammenarbeit geht, könnte sich für die USA als lang und schmerzhaft erweisen. 1. Die makroökonomischen Hintergründe Während die amerikanische Inflationsrate von 13. 5 Prozent 1980 auf 1. 9 Prozent im vergangenen Jahr gedrückt werden konnte, schnellte im gleichen Zeitraum das Bundeshaushaltsdefizit von 74 Mrd. US-Dollar (2. 7 Prozent des BSP) auf 212 Mrd. US-Dollar (5 Prozent des BSP), Gemessen am Sozialprodukt ist der Stand der Netto-und Bruttoverschuldung im Vergleich etwa zu vielen westeuropäischen Ländern nicht auffallend hoch, doch stößt eine wachsende Kreditnachfrage in den USA viel schneller an die Grenzen der wesentlich niedriger nationalen Sparquote. Hohe Realzinsen zogen ausländisches Kapital an und führten zur anhaltenden Aufwertung des Dollars gegenüber anderen Haupt-währungen wie der DM und dem Yen. In Westeuropa (und Japan), wo im Gegensatz zur expansiven Haushaltspolitik der USA ein konsequenter fiskalpolitischer Sparkurs verfolgt wurde, kam es im Sog des Zinsenanstiegs ebenfalls zu erheblichen Zinssteigerungen. und die Zentralbanken versuchten. durch eine restriktive Geldpolitik weitere Abwertungen ihrer Währungen gegenüber dem Dollar entgegenzuzwirken und den Abfluß der privaten Ersparnisse in die USA im Interesse der eigenen Binnenkonjunktur zu unterbinden. Seit 1980 hat sich auch hier die zweistellige durchschnittliche Inflationsrate auf 3, 6 Prozent (EG-Durchschnitt im Jahr 1986) zurückgebildet, während die Arbeitslosenquote mit einem EG-Durchschnitt über 11 Pro-Dasaußenwirtschaftliche Phänomen stellt natürlich die asymetrische Entwicklung der Leistungsbilanz-salden der USA auf der einen und Westeuropas und Japans auf der anderen Seite dar. Den Hauptgrund bildet die wesentlich stärkere, über den internationalen Kapitalmarkt finanzierte, amerikanische Binnennachfrage. Waren es die USA. welche in den fünfziger und sechziger Jahren mit Kapitalexporten den wirtschaftlichen Wiederaufbau ihrer europäischen Verbündeten mitfinanzierten, kehrte sich die Situation in den achtziger Jahren um. Die aus Europa und Japan stammenden Nettokapitalimporte, die den Ausgleich zum Defizit der US-Leistungsbilanz bilden, machten 1983 1. 1 Prozent und 1986 schätzungsweise 3. 5 Prozent des BSP aus Dieses externe Kapitalangebot verhinderte zwar das „crowding out“ privater Investitionen in den USA. welches der steigende Kreditbedarf der öffentlichen Hand normalerweise bewirkt hätte. Doch wurde die Binnennachfrage über steigende Einfuhren gesättigt. mit deren Größenordnung die amerikanischen Ausfuhren aufgrund des starken Dollars, einer schwächeren Nachfrage in den europäischen Wirtschaften und einem starken Nachfragerückgang in den hochverschuldeten Ländern der Dritten Welt nicht mithalten konnten.
Was im währungs-und wirtschaftspolitischen Bereich der Beziehungen zwischen den USA und den zent wesentlich höher liegt als in den USA. wo sie mit rund 6 Prozent auf das geringste Niveau seit mehr als sieben Jahren zurückgefallen ist. Insgesamt gesehen ist die westeuropäische Konjunktur-entwicklung seit Beginn der achtziger Jahre die schwächste der Nachkriegsgeschichte. Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, fiel das reale Wirtschaftswachstum in den USA insbesondere in den Jahren 1983 und 1984 wesentlich höher aus. größten europäischen Ländern eine Phase verstärkter Kooperationsbemühungen eingeleitet hat, sind die nunmehr deutlichen Bemühungen der Reagan-Administration, das große Leistungsbilanzdefizit abzubauen, ohne dabei einen abrupten Konjunktureinbruch zu riskieren. Das amerikanische Interesse, Westeuropa und Japan in eine engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik einzubinden, die diesem Ziel förderlich wäre, hat allerdings auch Auseinandersetzungen über die notwendigen Anpassungen der binnenwirtschaftlichen Entwicklungen bewirkt. 2. Die Anfangsphase der konzertierten Dollarkurs-Steuerung Den Ausgangspunkt für eine intensivere Koordinierungspolitik bildet das „Plaza-Abkommen“ vom September 1985 mit dem die Reagan-Administration ihre passive währungspolitische Haltung aufgab und damit der Weg frei wurde, im Rahmen der sich aus den Hauptwährungsländer USA.der Bundesrepublik. Frankreich. Großbritannien, sowie Japan zusammensetzenden Fünfer-Gruppe eine Rückführung des Dollarkurses zu erreichen. Während der ersten Amtsperiode Präsident Reagans hatten europäische Notenbanken und Finanzminister wenig Erfolg gehabt, die amerikanische Regierung für eine koordinierte Wechselkurs-politik zu gewinnen. Da die europäischen Partner durch die Zinspolitik der USA und den steigenden Dollarkurs ihren eigenen konjunkturpolitischen Spielraum eingegrenzt sahen, wurde das amerikanische Haushaltsdefizit sehr früh zur Zielscheibe heftiger europäischer Kritik Washington nahm hier den Standpunkt ein. daß die 1983 anlaufende konjunkturpolitische Lokomotive USA über die gesteigerten westeuropäischen Exporterlöse zur dortigen konjunkturellen Erholung beitrug. Die sich mit dem 1983 in den USA einsetzenden Konjunkturaufschwung ergebende Chance für einen Budgetausgleich wurde nicht ergriffen, weil Reagan sich von der Hoffnung leiten ließ, daß Wachstum und Steuerentlastung mehr Staatseinnahmen bringen und weitere Ausgabenkürzungen im Zivilbereich das übrige tun würden. Dies hat sich als ein fundamentaler Irrtum erwiesen. Als die Außenhandelsungleichgewichte stetig zunahmen, verharrte jede Seite auf der Position, daß die andere finanzpolitische Anpassungsmaßnahmen ergreifen solle.
Es hat lange gedauert, bis sich innerhalb der amerikanischen Administration überhaupt die Einsicht durchsetzen konnte, daß zwischen der Haushaltslage.dem von Reagan als Symbol der wirtschaftlichen und politischen Stärkung der Nation gepriesenen Dollar, und der Handelsschwäche ein Zusammenhang bestand und es hier etwas zu tun gab. Das letztlich kritische Element im außenwirtschaftlichen „benign neglect" lag in der Fehleinschätzung des Präsidenten, daß der Dollar zwar einen Symbol-wert hatte, durch die protektionistischen Bestrebungen in den USA jedoch gleichzeitig die Integrität des liberalen Handelssystems in Frage stellte und die den Marktprinzipien verbundene Administration an der Handelsfront in immer größere innenpolitische Bedrängnis brachte. Die innenpolitische Lage spitzte sich zu. als immer mehr Wirtschaftsgruppen der Handels-und Währungspolitik ihre Unterstützung aufkündigten und der Kongreß ernsthaft über die Erhebung einer zeitweiligen Einfuhrsteuer zu diskutieren begann.
Das mit dem „Plaza-Abkommen“ schließlich erfolgte währungspolitische Umdenken der Reagan-Administration machte die Rückführung des Dollars nun zum Korrekturinstrument des Abbaus der US-Handels-und Leistungsbilanzdefizite. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für einen Kurs-wechsel waren günstig. Der Dollarkurs wies bereits eine rückläufige Tendenz auf. und ein „leaning with the wind“ war für die Reagan-Administration, die Devisenmarktinterventionen als kostspielig und ineffektiv abgelehnt und sich zuvor nur bei ungewöhnlichen Devisenmarktstörungen eingeschaltet hatte, schon akzeptabler. Wie im Plaza-Kommunique betont wurde, trugen die Wechselkurse einer veränderten Konstellation der Wirtschaftsdaten in den jeweiligen Hauptwährungsländern nicht genügend Rechnung. Im transatlantischen Raum hatte sich das existierende Konjunktur-und Inflationsgefälle aufgrund einer in den USA rückläufigen Konjunkturentwicklung bei gleichzeitig verbesserten Aussichten insbesondere in der Bundesrepublik vermindert. In der Frage, welche geld-und fiskalpolitische Maßnahmen zur Aufrechterhaltung eines nichtinflationären Wirtschaftswachstums in den Hauptwährungsländern zu ergreifen seien, konnte man sich im „Plaza-Abkommen“ nur auf allgemeine politische Selbstverpflichtungen einigen: Die USA würden ihr Haushaltsdefizit reduzieren, während insbesondere die Überschußländer Japan und die Bundesrepublik Deutschland einem Wirtschaftskurs zusagten, der die Konvergenz der nationalen Entwicklungen in den beteiligten Ländern in Richtung eines anhaltend nichtinflationären Wachstums stützen würde. 3. Wirtschaftsrisiken und politische Spannungsfelder der währungs-und wirtschaftspolitischen Kooperation Die wachsende Verflechtung der globalen Geld-und Kapitalmärkte, deren Bewegungspotential viel unberechenbarer ist als die Handelsströme, hat die USA in ein wirtschaftspolitisches Dilemma gebracht. Auf der einen Seite gelang es ihnen, für ein langjähriges „deficit spending“ privates Auslandskapital zu mobilisieren, ohne das Vertrauen der Dollaranleger zu verlieren. Auf der anderen Seite haben sie sich mit ihrer Haushaltspolitik in eine Situation hineinmanövriert, die für sie bisher unbekannte Abhängigkeiten und Unwägbarkeiten birgt. Sie münden in die zentrale Frage, die seit dem währungspolitischen „Plaza-Abkommen“ im Mittelpunkt der wirtschaftspolitischen Abstimmungsbemühungen, aber auch der hierbei auftretenden politischen Konflikte zwischen den USA und ihren wichtigsten Partnerländern steht: Wie kann das amerikanische Leistungsbilanzungleichgewicht abgebaut werden, ohne daß eine Rezession entsteht? Das erste mit dieser Frage angesprochene Problem stellen die internationalen Finanzmärkte und ihre Erwartungen hinsichtlich der Stabilität einer Wirtschaft mit wachsender Auslandsverschuldung. Die Gefahr, daß es zu einem dramatischen Dollarverfall kommen könnte, der eine Korrektur der amerikanischen Außenposition über eine Rezession erzwingen würde, wird in der inneramerikanischen Dis-B kussion unter dem Begriff der „harten“ Talfahrt oder „weichen“ Landung des Dollars diskutiert. Die „harte“ Landung und ihre möglichen Folgen wären „ein tiefer Sturz des Dollars, unerschwingliche Importe, eine lange Rezession, verschärfter Protektionismus, wuchernde Inflation und eine erhebliche Absenkung des amerikanischen Lebensstandards“ Um ihr Leistungsbilanzungleichgewicht in möglichst „weicher“ Landung des Dollars und damit bei anhaltender Konjunktur abbauen zu können, müssen die USA einen restriktiveren fiskalpolitischen Kurs einschlagen. Zwar sollte sich der Dollarrückgang durch die preisliche Wettbewerbsstärkung der amerikanischen Industrie nach einer gewissen Zeit in steigenden Exporten und abnehmenden Importen niederschlagen und damit eine Verbesserung der Leistungsbilanz bewirken. Ist jedoch die Kapitalzufuhr geringer als sie gesamtwirtschaftlich zur Finanzierung der Leistungsbilanz und des Haushalts benötigt wird, steigen die Zinsen und lösen möglicherweise eine Rezession mit weltweiten Folgen aus. Um diesen zweigleisigen Anpassungsprozeß bei fortgesetzter stabiler konjunktureller Entwicklung von außen her abzusichern, wird eine parallele Stimulierung der Inlandsnachfrage auf Seiten der Länder mit externen Überschüssen, der Bundesrepublik und Japans, für erforderlich gehalten
Der außenwirtschaftspolitische Kurs der Reagan-Administration setzt sich seit 1985 aus zwei Strategien zusammen: Die aus der Überbewertung des Dollars resultierenden Wettbewerbsverschiebungen im Außenhandel sollen nun auf dem umgekehrten Weg der Dollarabwertung korrigiert werden. Wie tief der Dollar fallen muß. weiß allerdings niemand. Weiterhin sollen die westeuropäischen Länder (und Japan), angeführt von der Bundesrepublik. expansive geid-und finanzpolitische Maßnahmen ergreifen. Der Grund dafür ist. daß man in US-Regierungskreisen neben dem Dollarproblem auch den transatlantischen „growth-lag" für das Leistungsbilanzdefizit verantwortlich hält Die geforderte Stärkung der Binnennachfrage im westeuropäischen Wirtschaftsraum würde eine haushaltssparpolitisch bedingte nachlassende Binnennachfrage in den USA kompensieren. Mit ihr wären die Exportchancen der USA nach Europa größer, und der gesamten Weltwirtschaft würde ein Wachstumsimpuls gegeben. Auf diese Weise würde die Gefahr gemindert, daß die entstandenen Ungleich-gewichte zwischen den USA. Japan und Westeuropa über eine weltweite Wirtschaftskrise abgebaut werden. Mit einer rezessiven Entwicklung in den USA sind eine Reihe von Gefahren verbunden. Der Abbau des US-Außendefizits würde über den Rückgang des Welthandels laufen, welcher seit 1986 bereits an Schwung verloren hat. Das Wachstum und Offenhalten der Märkte in den Industrie-ländern ist für die Bewältigung der andauernden Finanzkrise in den verschuldeten Entwicklungsländern unabdingbar, nicht zuletzt aber auch für die Stabilität des amerikanischen Bankensystems. In den USA selbst könnte eine anhaltende defizitäre Haushaltslage bei einer Rezession zum Faß ohne Boden werden. Außerdem will die Reagan-Administration angesichts der näherrückenden Präsidentschaftswahlen Ende 1988 unter allen Umständen eine Rezession vermeiden.
Dieser Fahrplan des gemeinsamen „economic burden-sharing“ ist bei den wichtigsten europäischen Partnern, insbesondere der Bundesrepublik Deutschland, auf Skepsis und Ablehnung gestoßen. Man sieht die Hauptursache für die amerikanischen Probleme in der „hausgemachten“ Finanzpolitik der USA. Eine erfolgreiche Steuerung wirtschaftspolitischer Koordinationsmaßnahmen setzt aber auch eine Übereinstimmung der grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Konzeptionen voraus, und die Konzeptionen der Europäer sind anders. So hält die bundesdeutsche Regierung, die nach Meinung der amerikanischen Administration die Vorreiterrolle im westeuropäischen Raum spielen soll, ihren eigenen wirtschaftspolitischen Spielraum für begrenzt. Eine starke Lockerung der Geldpolitik läuft der — aus Erfahrung erforderlichen — hohen Priorität für Preisstabilität entgegen, könnte Vertrauensverluste bei den Unternehmen bewirken und sich damit negativ auf Investitionen und Innovation auswirken Auf der fiskalpolitischen Seite wird der Spielraum durch die für 1990 geplante Steuerreform und die Sparpolitik der öffentlichen Hand bestimmt, wobei die auch in anderen westeuropäischen Ländern gemachten Anstrengungen der Haushaltskonsolidierung zu den europäischen Erfolgen der letzten Jahre gehören. Diese Bemühungen der Schaffung stabiler binnenwirtschaftlicher Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung will man nicht aufs Spiel setzen. Auf westeuropäischer Seite wird auch die Arbeitslosigkeit als ein strukturpolitisches Problem angesehen, das sich nicht über weitere expansive Mittel lösen läßt.
Die ablehnende Haltung der bundesdeutschen Regierung gegenüber den amerikanischen Forderungen nach mehr wirtschaftlicher Expansion wird nicht zuletzt auch durch die schlechten Erfahrungen bedingt, die mit einer ähnlichen Verteilung der Aufgaben gemacht würde, welche die Carter-Administration 1978 propagierte, um die damaligen Dollar-und Handelsschwächen der USA zu meistem. Der damals von der Bundesrepublik (und Japan) eingeschlagene Kurs der finanzpolitischen Expansion führte zu einer rapiden Verschlechterung der deutschen Leistungsbilanz und zwang die Bundesrepublik letztlich, trotz rückläufiger konjunktureller Entwicklung die monetäre Bremse zu ziehen, um Inflationstendenzen und Außenposition kontrollieren zu können. 4. Fortschritte der währungs-und wirtschaftspolitischen Koordinierung Wenn sich im Rahmen der bi-und multilateralen Konsultationen auch erhebliche Dissonanzen über die Verteilung der Anpassungslasten ergeben haben, ist der Prozeß der gegenseitigen Abstimmung im währungs-und wirtschaftspolitischen Bereich schrittweise vorangekommen.
So existierte nach dem „Plaza-Abkommen“ ein erster gemeinsamer wirtschaftspolitischer Kooperationsbedarf bei der Senkung des Zinsniveaus in den USA. Europa und Japan, um die konjunkturelle Entwicklung in den USA zu stützen. Das Resultat waren koordinierte Diskontsatzsenkungen, bei der die deutsche Bundesbank die von den USA für dringlich erachtete Vorreiterrolle zunächst auch übernahm. Die amerikanische Notenbank befürchtete nämlich, daß sich die Dollarabwertung auf den Devisenmärkten beschleunigen würde, wenn die USA hier zuerst oder unilateral aktiv wären. Zu jenem Zeitpunkt hatte der Dollar gegenüber der DM schon 30 Prozent und gegenüber dem Yen rund 50 Prozent seines zu Beginn 1985 erreichten Wertes verloren. Während der sich nach der Plaza-Erklärung beschleunigenden Dollarabwertung hatte US-Notenbankchef Volcker schon zuvor gewarnt, daß der Dollar in die „Gefahrenzone“ geraten könne, die einen Vertrauensverlust der Devisen-und Kapitalmärkte in die Wirtschaftspolitik des Landes auslösen könne.
Als sich die Bundesrepublik wegen der hier bereits hohen Geldliquidität zwei weiteren Zinssenkungsabsprachen nicht anschloß, für die Washington jedoch Japan gewinnen konnte, kam es zu ernsthaften politischen Auseinandersetzungen. In Washington wollte man die deutsche Haltung nicht akzeptieren. wie es in dem anschließenden „Peitschenund-Zuckerbrot“ -Taktieren von Finanzminister Baker deutlich zum Ausdruck kam. Dieser versuchte, den Druck auf Bonn zunächst über eine Politik des „Herunterredens“ des Dollars gegenüber der DM zu erhöhen, während auf seine weitere Initiative Ende Oktober 1986 eine bilaterale Übereinkunft mit Japan (Baker-Miyazawa-Agreement) getroffen wurde. in Verbindung einer gleichzeitigen Zusage Tokios weiterer Maßnahmen der Wirtschaftsexpansion die bestehende Dollar-Yen-Parität fortan gemeinsam auf Stabilisierungskurs zu halten
Auf dem Wirtschaftsgipfel von Tokio im Mai 1986 kam man überein, daß im Rahmen der um Italien und Kanada erweiteren Siebener-Gruppe der Finanzminister und Notenbankchefs eine regelmäßige gegenseitige Überwachung („multilateral surveillance") der nationalwirtschaftlichen Entwicklungen stattfinden soll, deren Grundlage ein Korb von Wirtschaftsindikatoren (Inflationsraten, Wachstumrate, Zinssätze etc.) bildet. Dieses „Indikatorenkonzept“ trägt der Tatsache Rechnung, daß stabile Wechselkursrelationen eine breite Überein-stimmung in den wirtschaftlichen Grunddaten der einzelnen Länder voraussetzt. Allerdings ist dieses Prüfungsverfahren mit keinen verbindlich wirkenden Handlungsvorgaben verbunden, so daß wirtschaftspolitische Anpassungsmaßnahmen eine Frage der Verhandlungspolitik und der „peer pressure“ der beteiligten Regierungen bleibt. Auf dem diesjährigen Gipfeltreffen von Venedig ist dieser Koordinierungsprozeß jedenfalls nochmals bekräftigt worden.
Das jüngste Abkommen über eine gemeinsame wechselkurspolitische Steuerung bildet der soge-nannte „Louvre-Akkord“ vom Februar 1987. mit dem die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der Siebener-Gruppe einen konzertierten Versuch unternommen haben, einen weiteren Wertverfall des Dollars zu verhindern. Der währungspolitischen Aussage dieses Abkommens zufolge hatten die bereits erfolgten Wechselkursveränderungen eine gute Grundlage zum Abbau der bestehenden Außenhandelsungleichgewichte geschaffen und entsprachen nunmehr weitgehend den vorhandenen ökonomischen Grunddaten in den Hauptwährungsländern Gegenüber der DM hatte der Dollar mit einem Wert von 1. 82 DM wieder das Niveau von 1981 erreicht und in den westeuropäischen Wirtschaften die Exportaktivitäten bereits unter spürbaren Druck gesetzt. Vor dem Hintergrund aufkommender Turbulenzen auf den Devisenmärkten. sowohl im Herbst 1986 als auch im Frühjahr 1987, näherten sich die jeweiligen Interessenlagen der Bundesrepublik und der USA in der Form von Zugeständnissen einander an. Bonn erklärte sich zu zusätzlichen konjunkturstimulierenden Maßnahmen im Zuge der 1988 in Kraft tretenden Steuer-Vergünstigungen bereit, während die amerikanische Regierung einer Stabilisierung der Wechselkursrelationen zwischen dem Dollar, der DM und dem Yen auf dem damaligen Niveau zustimmte und ihre Selbstverpflichtung zur zügigen Haushaltskonsolidierung nochmals bekräftigte. 5. Fortbestehende Spannungsfelder Die Erwartungen, die auf amerikanischer Seite in die Wirtschaftsexpansion im westeuropäischen Raum und auf westeuropäischer Seite in die amerikanische Haushaltspolitik gesetzt werden, haben im Laufe des Jahres zu weiteren politischen Spannungen geführt. So ist das Verständnis der USA gering dafür, daß die Bundesrepublik sich mit einer diesjährigen Wachstumsrate zufrieden gibt, die aufgrund der wechselkursbedingt verringerten Export-nachfrage unter dem Niveau von 1986 liegen wird. Umgekehrt verzeichnet die amerikanische Wirtschaft eine anhaltend günstige Konjunkturentwicklung. doch ist die Haushaltsproblematik nur mühsam in den Griff zu bekommen.
Die politische Selbstverpflichtungen der Administration gegenüber ihren drängenden westeuropäischen Partnern, hier energisch zu handeln, haben sich konsequent auf Kürzungen auf der Ausgabenseite beschränkt, und das Wort „Steuererhöhungen“ wurde bislang sorgsam gemieden. Die Situation in den USA illustriert die unterschiedliche Vorgehensweise bei der inzwischen auch in Europa Fuß fassenden angebotsorientierten Steuerpolitik. Eine Haushaltskonsolidierung zählt im wirtschaftspolitischen Instrumentarium vieler westeuropäischer Regierungen zu den Voraussetzungen für eine Steuer-entlastung, wogegen in den USA beide Ziele parallel angestrebt wurden und dabei die finanzpolitische Stabilität verloren ging Daß das sich 1986 auf rund 220 Mrd. US-Dollar belaufende Bundesdefizit nur langsam in das Bewußtsein der Öffentlichkeit eingedrungen ist. liegt zum Teil daran, daß sich viele Amerikaner nicht daran erinnern können, wann ihre Regierung einmal nicht mehr Geld ausgab, als sie hat. Im politischen System haben sich Präsident und Kongreß in der Frage der Lösungsansätze zu blockieren gewußt. Fest steht, daß weder heute noch morgen eine Mehrheit der republikanischen oder der demokratischen Kongreßmitglieder eine Einkommenssteuererhöhung unterstützen würde. Reagan selbst hat sich lange geweigert, über die Erhöhung jeglicher Steuern im Kongreß zu verhandeln; andererseits konnten seine dort eingebrachten Sparpläne bei den zivilen Ausgaben sich nicht durchsetzen lassen. Nach einem ersten Anlauf von Seiten des Kongresses aus, mit dem 1985 ver-abschiedeten „Balanced Budget and Emergency Control Act“ (Gramm-Rudman-Hollings-Gesetz) beide Seiten in die Zwangsjacke einer stufenweisen Haushaltsanierung bis 1991 zu stecken (der letztlich aber auf verfassungsrechtliche Hürden stieß), ist nun eine Neuauflage dieses Gesetzes in Kraft getreten. Dabei sind aber auch die jährlichen Zielvorgaben für den angestrebten Haushaltsausgleich gestreckt worden. Die gute Nachricht, daß sich die Haushaltslage mit einem für das Fiskaljahr 1987 geschätzten Fehlbetrag von noch 148 Mrd. US-Dollar rascher gebessert hat als erwartet, hat die Skepsis vieler europäischer und amerikanischer Beobachter nicht mindern können und sich letztlich auch für die internationalen Börsen und Devisenmärkte als „nicht gut genug“ erwiesen. Dahinter stecken keine sparpolitischen Anstrengungen, sondern hauptsächlich einmalige Mehreinnahmen, die darauf zurückzuführen sind, daß amerikanische Steuerzahler verstärkt Absetzungsmöglichkeiten ausgenutzt haben, die durch die Steuerreform von 1987 künftig entfallen. Auch wenn die gesetzlich für das angelaufene Fiskaljahr 1988 vorgeschriebene Mindestkürzung um 23 Mrd. US-Dollar erfolgen wird, könnte das Defizit in den nächsten Jahren wieder wachsen Allerdings hat sich der Dollar inzwischen der Gefahrenzone genähert, und die Finanzmärkte haben den Druck verstärkt, was die amerikanische Regierung schließlich veranlaßt hat, insbesondere in der Haushaltsfrage doch energischer zu handeln.
Neben den Unsicherheiten, die von den Erwartungen der Geld-und Devisenmärkten ausgehen, läßt die Verbesserung der amerikanischen Außenhandelsposition zu wünschen übrig. Der Geist des Plaza-Abkommens schien sich im vergangenen Jahr durch die ersten transatlantischen Meinungsunterschiede in der Frage zu verflüchtigen, inwieweit der Dollar bereits genug gefallen bzw. das Wechselkurssystem überfordert sei. Daß es innerhalb der amerikanischen Regierung kein geschlossenes Meinungsbild in dieser Frage gibt und im Finanz-und Handelsministerium sowie im Büro des amerikanischen Handelsbeauftragen eine weitere Korrektur des Dollarkurses nach unten nicht ausgeschlossen wird, hängt damit zusammen, daß dort unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle des protektionistischen Drucks der Entwicklung des Außenhandels und den Reaktionen des Kongresses weitaus mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als es die amerikanische Notenbank tut. Das „Louvre-Abkommen“ hat hier zwar ein Einvernehmen herbeigeführt. daß die Wechselkurse auf dem bestehenden Niveau stabilisieren soll. Das Problem liegt aber darin, daß die US-Handelsbilanz auf die enorme Dollarabwertung gegenüber den anderen Haupt-Währungen viel langsamer reagiert als ursprünglich erwartet.
Nachdem im vergangenen Jahr das Importvolumen immer noch zunahm, dürfte sich das amerikanische Handelsdefizit in diesem Jahr gerade stabilisieren Indessen hat in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in den meisten anderen westeuropäischen Ländern die erwartete Abnahme der Exportaktivitäten bei steigendem Importvolumen viel früher eingesetzt Nach den GATT-Analysen sind in den USA die Wechselkurseffekte aufder Importseite durch die dort nach wie vor stärkere Inlandsnachfrage aufgehoben worden. Der Fehleinschätzung amerikanischer Handelsexperten, die ihre optimistischen Prognosen mit den positiven Erfahrungen der USA bei entsprechenden Abwertungsphasen während der siebziger Jahre abstützten. Hegen verschiedene Faktoren zugrunde. Dazu zählt die Dauer der Dollarüberbewertung, der heute weitaus größere Fehlbetrag in der US-Handelsbilanz sowie veränderte strukturelle Besonderheiten der weltwirtschaftlichen Integration der USA. Ein wichtiger Teil des amerikanischen Handels entfällt auf Kanada und die südostasiatischen Länder, deren Währungen von der Abwertung des Dollars gegenüber dem Yen und den europäischen Währungen nicht betroffen waren. Japanische und europäische Unternehmen sind bestrebt, trotz Gewinnverlusten ihre Marktanteile in den USA zu verteidigen; ein Großteil der europäischen Güterexporte in die USA fallen unter die Kategorie der Investitionsgüter, wo die preisliche Konkurrenzfä-higkeit eine weniger ausschlaggebende Rolle spielt als in anderen Wirtschaftssektoren; außerdem ist die Abhängigkeit der amerikanischen Industrie von importierten Fertigungsteilen gewachsen Trotz der überaus langsamen Wende in der amerikanischen Handelsposition hat jedoch die Dollarabwertung im innenpolitischen Umfeld der Handelspolitik als ein Gegengewicht gegen den protektionistischen Druck im Kongreß wirken können.
Die Frage bleibt, ob die bisherigen währungs-und wirtschaftspolitischen Korrekturmaßnahmen ausreichen. Wie die jüngsten Einbrüche der internationalen Börsen und Devisenmärkte deutlich machen, ist das Vertrauen der privaten Dollaranleger in die amerikanische Wirtschaftspolitik gefährdet. Als Folge davon wird das amerikanische Leistungsbilanzdefizit derzeit über enorme Dollarkäufe der europäischen Notenbanken finanziert. Zu Beginn des Jahres begannen zudem auf den amerikanischen und europäischen Kapitalmärkten die Zinsen wieder zu steigen, unter anderem weil eine Beschleunigung der US-Inflationsrate registriert wird. Diese Entwicklungen deuten an, daß der Trend der Einflußnahme der Politik auf die Erwartungen der Devisen-und Finanzmärkte in die andere Richtung umschlägt: Die internationalen Märkte beginnen die Politik zu kontrollieren. Selbst die USA können einem weiteren Dollarverfall nur mit einer glaubwürdigeren Budgetpolitik begegnen. War der transatlantischen Kooperationsbereitschaft bei der Absicherung eines stabilitätsorientierten währungs-und finanzpolitischen Kurses bisher die Härteprobe des Krisenmanagements erspart, ist die Zeit, in der leere Absichtserklärungen die Märkte beeindruckten, vorbei. Es zählen mehr denn je die Taten.
Barbara A. Fliess, geb. 1956; M. A.; Studium der Sozialwissenschaften an der McGill University in Montreal sowie der Internationalen Beziehungen an der School of Advanced International Studies der John Hopkins University in Washington; seit Juli 1984 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsbereich Nordamerika der Stiftung Wissenschaft und Politik in Ebenhausen. Veröffentlichungen u. a.: Einige Aspekte und Aktionsfelder der Außenpolitik der Reagan-Administration. in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/84; Sicherheitspolitik zwischen Reagan und Kongreß, in: Außenpolitik, 26 (1985) 4, S. 413— 425; Strategische Rüstungskontrolle und Verteidigungspolitik unter Reagan, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 44/85; Towards More Equitable Sharing of the Global Radio Resource: The W. A. R. C. 1979 Negotiation, in: I. William Zartman (Ed.), Positive Sum: Improving North-South Negotiations, New Brunswick 1987. S. 171— 212.
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