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Der Status Berlins aus Sicht der DDR Eine kritische Bestandsaufnahme | APuZ 50/1987 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 50/1987 Artikel 1 Die rechtliche und politische Funktion eines Friedensvertrages mit Deutschland Die Deutsche Konföderation — der große nationale Kompromiß als tragendes Element einer neuen europäischen Friedensordnung Der Status Berlins aus Sicht der DDR Eine kritische Bestandsaufnahme

Der Status Berlins aus Sicht der DDR Eine kritische Bestandsaufnahme

Gerd Langguth

/ 48 Minuten zu lesen

I. Einleitung

In keiner deutschen Stadt zeigen sich auch heute noch so deutlich die Folgen des Zweiten Weltkrieges wie in Berlin — im Ost-und Westteil der Stadt. Der Status dieser Stadt ist eine wesentliche völkerrechtliche Klammer des geteilten Deutschland. Deshalb ist die Frage nach der Interpretation des Berlin-Status durch die SED besonders interessant. Daraus ergeben sich auch die langfristigen Zielsetzungen der Berlin-Politik der DDR. Und aus aktuellem Anlaß: Signalisierte nicht sogar das Jahr der 750-Jahr-Feiern ein Datum, das die Endgültigkeit der Teilung Berlins zementiert? Warum kam es nicht zu Gesamtberliner Feierlichkeiten?

Wenn Rechtspositionen erst einmal aufgegeben sind, sind sie in aller Regel politisch nicht mehr rückholbar. Auch deshalb hat die Interpretation des Berlin-Status durch DDR und Sowjetunion eine eminent politische Bedeutung. An dieser Stelle kann auf die Teilung Berlins nicht näher eingegangen werden, insbesondere nicht auf die Tatsache, daß die Ost-Berliner Stadtverwaltung 1948 aus einem Putsch hervorgegangen ist der bislang von den drei Westmächten als Statusmächten, aber auch vom Senat von Berlin und der Bundesregierung nicht akzeptiert wurde: Die östliche Seite wußte, daß die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) bei den für den 5. Dezember 1948 angesetzten Neuwahlen ein ähnlich schlechtes Ergebnis erzielen würde wie bei den einzigen bisher freien Gesamtberliher Wahlen vom 20. Oktober 1946, bei denen sie lediglich 19, 8 Prozent erreichte. Nach westlicher Auffassung war Berlin nie Teil der früheren Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), sondern — laut „Londoner Protokoll“ vom 12. Sep-tember 1944, das die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen regelte — „ein besonderes Gebiet Berlin, das von den vier Mächten gemeinsam besetzt wird“ Die Anwesenheit der drei Westmächte in Berlin entspringt also originären Rechten und ist kein Entgegenkommen der Sowjetunion, auch wenn die Truppen der Westmächte erst im Sommer 1945 in Berlin einzogen. Für die Sowjetunion und insbesondere für die spätere DDR war die Existenz einer „kapitalistischen“ Insel inmitten eines sozialistischen Umfeldes von Anfang an lästig und erschwerte die volle politische Kontrolle über die frühere SBZ. Durch eine Blockade 1948/49 sollten die Westmächte deshalb gezwungen werden, aus ihren Sektoren abzuziehen. Trotz der faktischen Teilung Berlins durch die Bildung eines „provisorischen demokratischen Magistrates“ unter Friedrich Ebert am 30. November 1948, mußte es ein wesentliches Ziel östlicher Politik sein, die Lebensbedingungen in West-Berlin zu schmälern und rechtlich-politisch alle Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß eines Tages ganz Berlin unter kommunistischen Vorzeichen regiert werden kann, und zwar aus folgenden Gründen: — Die Tatsache, daß sich West-Berlin dem politischen Zugriff der DDR-Regierung entzieht, führt bis zum heutigen Tage zu vielfältigen Einschränkungen der Souveränität der DDR. — Die rechtliche Qualität der „Hauptstadt der DDR“ wird auch dadurch in Frage gestellt, daß insbesondere die westlichen Statusmächte die Zugehörigkeit Ost-Berlins zum Territorium der DDR in Frage stellen. Es ist in der Welt einmalig, daß der Rechtscharakter einer „Hauptstadt“ in Zweifel gezogen werden kann. — Berlin ist nach wie vor der Ort, an dem die vier früheren Siegermächte immer wieder selbst agieren können. Dies bedeutet konkret, daß insbesondere die politische Situation um Berlin für die Sowjetunion einen Hebel darstellt, auf die DDR einzuwirken. um Entwicklungen zu verhindern, die dem sowjetischen Interesse nicht entsprechen. — West-Berlin hatte die Rolle eines „Schaufensters des Westens“ — in der DDR-Propaganda häufig als „Pfahl im Fleische der DDR“ interpretiert. Bis zum Mauerbau des Jahres 1961 konnte vor allem die Ost-Berliner Bevölkerung regelmäßig den Lebensstil und Lebensstandard der West-Berliner mit den eigenen politischen Bedingungen vergleichen, was zweifelsohne destabilisierende Wirkung hatte. — Die Sowjetunion sorgte in den ersten Jahren dafür, daß der Sonderstatus ganz Berlins auch für die DDR-Bevölkerung sichtbar blieb. Auch dadurch wurde der DDR-Führung der Mangel politischer Souveränität bewußt. Die praktischen Konsequenzen aus diesem Sonderstatus ganz Berlins sind zwar heute noch spürbar, wenngleich in geringerem Maß als in den fünfziger und sechziger Jahren.

II. Die SED-Führung zu Statusfragen Berlins

Schon in der Sprache schlagen sich die Statusfragen nieder: „West-Berlin“ bzw. „Ost-Berlin“ sind eingebürgerte Begriffe in der wissenschaftlichen Literatur. Im noch korrekteren Amtsdeutsch wird von „Berlin (West)“ gesprochen, dem der Begriff „Berlin (Ost)“ entsprechen sollte. Die DDR stellt aber in einem auffälligen Unterschied in der Regel „Westberlin“ gegenüber „Berlin, Hauptstadt der DDR“.

Die politische Rhetorik der DDR-Führung gegenüber West-Berlin hat sich erst nach dem Vier-Mächte-Abkommen des Jahres 1971 gemildert. Walter Ulbricht erklärte noch im Oktober 1958: „Ganz Berlin liegt auf dem Territorium der Deutschen Demokratischen Republik. Ganz Berlin gehört zum Hoheitsbereich der Deutschen Demokratischen Republik.“ Und der V. Parteitag der SED 1958 beschloß: „Ein Teil der Hauptstadt. Westberlin, wird gegenwärtig noch als Stützpunkt des kalten Krieges, der Spionage und Sabotage gegen die DDR und die anderen Länder des sozialistischen Lagers mißbraucht.“

Die SED-Führung erklärte also ganz Berlin zum Teil des Staatsgebietes der DDR. Und noch kurz vor dem Vier-Mächte-Abkommen 1971 wurde im Jahre 1969 von der Tatsache ausgegangen, „daß Westberlin eine inmitten der DDR und auf ihrem Territorium gelegene selbständige politische Einheit darstellt“ Die hinter diesen Aussagen liegende Rechtsauffassung, die die DDR und die Sowjetunion bis auf den heutigen Tag beibehalten haben, beinhaltet, daß ganz Berlin von Anfang an Tei) der früheren SBZ war, die sowjetische Besatzungsmacht somit alleine die Gebietshoheit über ganz Berlin besaß, die sie auch nicht zugunsten der Vier-Mächte-Verwaltung aufgegeben habe. Die Völkerrechtslehre der DDR begründet diesen Standpunkt im wesentlichen mit folgenden Argumenten 1. Ganz Berlin sei Teil der früheren SBZ gewesen. Irgendwelche Rechte habe die Sowjetunion prinzipiell nicht zugunsten einer Vier-Mächte-Verantwortung aufgegeben: „Da Berlin Teil der sowjetischen Besatzungszone war, erstreckte sich die Hoheit der sowjetischen Militäradministration (SMAD) auch auf Berlin, soweit nicht eine spezielle Zuständigkeit der Alliierten Kommandantur als Verwaltungsorgan vereinbart war.“

Dieser Ansicht stehen folgende Tatsachen entgegen: Das „Londoner Protokoll“ vom 12. September 1944, ergänzt am 14. November 1944, sah in der abgeänderten Fassung in Art. 1 vor, daß die oberste Gewalt in Deutschland von den vier Zonenbefehlshabern ausgeübt wird, „von jedem in seiner eigenen Besatzungszone und auch gemeinsam in den Deutschland als Ganzes betreffenden Angelegenheiten als Mitglieder des durch das gegenwärtige Abkommen errichteten obersten Kontrollorganes“ Diese Londoner Vereinbarungen wurden von den Regierungschefs auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 gebilligt, darüber hinaus von den Siegermächten mit Erklärungen vom 5. Juni 1945 bestätigt Im Londoner Protokoll wurde auch eine ausdrückliche Beschreibung der „Ostzone“ vorgenommen, die durch die Streitkräfte der UdSSR besetzt wurde, jedoch „mit Ausnahme des Berliner Gebietes, für das ein besonderes Besatzungssystem weiter unten vorgesehen ist“ Das „Berliner Gebiet“ — unter diesem Ausdruck ist das Territorium Groß-Berlins zu verstehen, wie es durch Gesetz vom 27. April 1920 festgelegt wurde — sollte demnach „gemeinsam von den bewaffneten Streitkräften der USA.des UK und der UdSSR, die durch die entsprechenden Oberkommandierenden dazu bestimmt werden, besetzt“ werden

Nicht nur aus dem Wortlaut der Abkommen ergibt sich, daß Berlin als eine fünfte (internationale) Zone zu betrachten ist. sondern auch aus den Landkarten. die dem Protokoll vom 12. September und dem Ergänzungsabkommen vom 14. November 1944 beigegeben wurden. Diese Karten sind Bestandteil der Abkommen. Auf allen Karten sind die verschiedenen Besatzungszonen Deutschlands durch eine rote Markierung abgegrenzt. Berlin ist, wi November 1944 beigegeben wurden. Diese Karten sind Bestandteil der Abkommen. Auf allen Karten sind die verschiedenen Besatzungszonen Deutschlands durch eine rote Markierung abgegrenzt. Berlin ist, wie die anderen Zonen, ebenfalls rot umrandet. Diese rote Markierung begrenzt also die sowjetische Besatzungszone und löst Berlin als selbständige Sonderzone heraus 13). In den vier Zonen waren die jeweiligen Oberbefehlshaber die Träger der jeweiligen Gebietshoheit. In Berlin hingegen übte die Alliierte Kommandantur die oberste Gewalt aus. Ganz Berlin war also eine unabhängige Sonderzone und keinesfalls Teil der SBZ. Dies ist im übrigen in der Anfangszeit von der Sowjetunion auch anerkannt worden; die bis auf den heutigen Tag geltenden Sonderregelungen (siehe unten) bestätigen dies. Zahlreiche Anordnungen der Kommandantur und des Kontrollrates belegen ferner, daß unter Mitwirkung der sowjetischen Seite zunächst immer wieder zwischen Berlin und der SBZ unterschieden worden ist. 2. Die „Mitbeteiligung der Westmächte an der Besetzung und Verwaltung Berlins“ habe die Sowjetunion freiwillig eingeräumt 14). nur dadurch sei eine „Teilnahme der Westmächte an der gemeinsamen Verwaltung Berlins“ möglich geworden Nach dieser Lesart sollte lediglich die „Gleichberechtigung der Hauptmächte“ dokumentiert werden, die für den Alliierten Kontrollrat als oberstem Regierungsorgan der vier Hauptsiegermächte einen ge-meinsamen Sitz benötigt hätten, um die „Erfüllung der Auflagen des Potsdamer Abkommens“ zu kontrollieren

In keinem Abkommen gibt es jedoch Hinweise auf eine reduzierte Rechtsposition der Westmächte in Berlin. Auch der Versuch, mit Hilfe des Begriffes „Verwaltung“ eine solche mindere Berechtigung der westlichen Alliierten in Berlin zu begründen, kann nicht überzeugen, zumal die UdSSR den Begriff „Sowjetische Militärverwaltung in Deutschland“ (SMAD) für ihr Besatzungsregime verwendet hat. 3. Mit dem Ende der Tätigkeit des Alliierten Kontrollrates sei auch der Berlin-Kommandantur die Berechtigung entzogen worden.

Zwar erhielt die Berlin-Kommandantur auch Weisungen vom Alliierten Kontrollrat, doch hängt die rechtliche Existenz der Berlin-Kommandantur nicht vom Kontrollrat ab. zumal diese bereits am 11. Juni 1945 ihre Tätigkeit aufgenommen und eine Reihe von Befehlen gegeben hat. Hingegen konstituierte sich der Kontrollrat, den der sowjetische Oberkommandierende. Marschall Sokolowski, am 20. März 1948 verließ, erst am 30. August 1945. 4. Die Anwesenheit der Westmächte in Berlin und damit die Tätigkeit der Berlin-Kommandantur sei „mit der Erfüllung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens eng verbunden und damit zeitlich begrenzt“ gewesen.

Auch dies trifft nicht zu: In dem am 14. November 1944 ergänzten Londoner Abkommen wird in Art. 10 zwar davon ausgegangen, daß die alliierten Organe für die Kontrolle und Verwaltung Deutschlands ihre Tätigkeit „während der Anfangsphase der Besetzung Deutschlands“ ausüben, „die unmittelbar auf die Kapitulation folgt, d. h. während der Periode, in der Deutschland die grundlegenden Forderungen der bedingungslosen Kapitulation erfüllen wird“ Andererseits muß darauf hingewiesen werden, daß in Art. 11 von der Notwendigkeit ausgegangen wird, ein besonderes Abkommen zu einem späteren Zeitpunkt abzuschließen, mit dem die Erfüllung der Kontroll-und Verwaltungsaufgaben in Deutschland sichergestellt werden soll. Dieses Abkommen ist jedoch nie geschlossen worden. Demnach konnten auch nicht die in dem Londoner Abkommen vorgesehenen Kontrollorgane durch den Auszug der sowjetischen Seite zum Erlöschen kommen. Dies wäre nur durch eine Übereinkunft derjenigen Mächte möglich gewesen. die die Kontrollorgane eingesetzt haben. 5. Die westlichen Alliierten hätten sich immer mehr vom Geist des „Potsdamer Abkommens“ entfernt und dieses verletzt

Das Potsdamer Abkommen ist aber insoweit rechtlich unbedeutend, da diese Konferenz vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 stattfand und die Gültigkeit der Londoner Abkommen unabhängig vom Potsdamer Abkommen gesehen werden kann, selbst wenn spätere Abkommen gegenüber früheren grundsätzlich Vorrang besitzen. Dieser Grundsatz gilt indes nur dann, wenn das spätere Abkommen den gleichen Gegenstand behandelt wie das frühere. Das Potsdamer Abkommen befaßt sich jedoch mit den für die Anfangsphase der Besetzung vorgesehenen Besatzungszielen, die Londoner Abkommen über die Besatzungszonen legen hingegen die für die gesamte Periode der Besetzung vorgesehene Einteilung Deutschlands in verschiedene Besatzungsgebiete fest -Übrigens hat Frankreich wesentlichen Besatzungszielen des Potsdamer Abkommens nicht zugestimmt und dennoch hat niemand die französischen Besatzungsrechte bestritten. Niemand hat zunächst die Besatzungsrechte von der Billigung und Erfüllung der Besatzungsziele des Potsdamer Abkommens abhängig gemacht 6. Auch die Tatsache, daß die Wasserstraßen und das Verkehrsnetz sowie eine Reihe von Einrichtungen in West-Berlin unter sowjetischer Verwaltung blieben, nachdem die Westmächte in ihre Sektoren eingerückt waren, wurde als Argument für die Gebietshoheit der Sowjetunion in ganz Berlin angeführt: „Alle von der sowjetischen Besatzungsmacht vor der Beteiligung der Westmächte an der Verwaltung Berlins erlassenen Befehle und Anordnungen für Berlin blieben weiterhin in Kraft; die Reichsbahnanlagen und das Wasserstraßennetz Berlins blieben in vollem Umfang unter sowjetischer Zuständigkeit; die sowjetische Besatzungsmacht erließ auch nach dem Einzug der drei Westmächte in Berlin für die gesamte Stadt Befehle und Anordnungen. wie z. B.den SMAD-Befehl vom 27. Juli 1945 über die Schaffung von 11 deutschen ZentralVerwaltungen für die damalige sowjetische Besatzungszone einschließlich Berlin.“

Tatsächlich war die Verwaltung von Wasserstraßen. Eisenbahn usw. eine reine Konzession der Westmächte. Wegen der Einheit des Verkehrsnetzes erschien es seinerzeit nicht sinnvoll, die Verwaltungskontrolle über rein technische Einrichtungen aufzuteilen. Eine Interpretation, daß die Gebiets-hoheit der Alliierten Kommandantur von einer solchen Konzession berührt worden wäre, ist nicht berechtigt. 7. Ganz Berlin sei mit Gründung der DDR rechtlich Bestandteil der DDR geworden: „Obwohl auch der westliche Teil Groß-Berlins zum Territorium der damaligen sowjetischen Besatzungszone und nach der Gründung der DDR zu ihrem Staatsterritorium gehörte, wurde sie rechtswidrig daran gehindert, in und gegenüber Westberlin ihre Hoheitsbefugnisse auszuüben.“ Der DDR seien von der UdSSR am 10. Oktober 1949 die ihr zustehenden Verwaltungsfunktionen der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone einschließlich der „Hauptstadt der DDR, Berlin“ übertragen worden

Diese Argumentation kam spät: In der Anfangszeit achtete die Sowjetunion peinlich genau darauf, daß die territorialen Unterschiede zwischen dem Ostsektor von Berlin und dem Staatsgebiet der DDR berücksichtigt wurden. Erst ab 1958. also kurz vor der zweiten Berlin-Krise, sah sich die DDR in der Lage, den Ostsektor Berlins als „Hauptstadt der DDR“ zu bezeichnen. Für die gesamtdeutschen Belange war der Kontrollrat aufgrund der Vier-Mächte-Vereinbarungen Träger der Gebietshoheit, für die Besatzungszonen die jeweiligen Befehlshaber. für Berlin jedoch die Alliierte Kommandantur mit dem Kontrollrat als höchster Instanz. Nach westlicher Auffassung wurde also die Gebietshoheit über Berlin nicht auf die einzelnen Sektorenkommandanten aufgespalten, sondern lag gemeinsam in den Händen aller vier Mächte. An dieser Rechtslage hat die weitgehende Integration Ost-Berlins in die DDR nichts geändert. Erst 1958 behauptete die Sowjetunion in einer Note an den UN-Generalsekretär, „daß Berlin die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik ist“ Es dürfte sich dabei um die erste offizielle sowjetische Erklärung handeln, nach der Berlin als Hauptstadt der DDR bezeichnet wird

Professor Herbert Kröger. SED-Experte für Staats-und Völkerrecht, hatte im Januar 1958 in der Zeitschrift „Deutsche Außenpolitik“ zu „Fragen des staatsrechtlichen Status von Berlin“ behauptet, ganz Berlin sei gemäß den Vier-Mächte-Vereinbarungen ein Teil der SBZ gewesen. Er ging davon aus, daß die sowjetische Besatzungsmacht aufgrund der Vier-Mächte-Vereinbarungen die oberste Gewalt (Gebietshoheit) über ganz Berlin besitze, während die Rechte der Westmächte auf ein Mitwirkungsrecht bei der Besetzung und Verwaltung Berlins beschränkt gewesen seien. Am 27. Oktober 1958, zu Beginn der zweiten Berlin-Krise, machte sich Ulbricht die Thesen Krögers zu eigen. Er betonte in einer Rede, daß auch aufgrund des Vertrages mit der Sowjetunion vom 20. September 1955 „im demokratischen Teil der Hauptstadt der Deut-sehen Demokratischen Republik keinerlei Kontroll-und Aufsichtsgewalt aus der Besatzungszeit mehr besteht“ Die DDR kenne „keinerlei Beschränkungen ihrer Souveränität“, sie übe „ihre Hoheitsrechte auch in und für Berlin“ aus Zwischen den Zeilen ließ er aber erkennen, daß die DDR die Einschränkungen ihrer Souveränität, wie sie im Zusammenhang mit der Kontrolle des Verkehrs von Truppenpersonal und Gütern der in West-Berlin stationierten Garnisonen auftreten, möglichst bald beseitigt sehen möchte

Die SED setzte als Nahziel alles daran, eine möglichst vollständige Integration Ost-Berlins in das Staatsgebiet der DDR zu erreichen. Gleichzeitig kam es ihr darauf an.den Status West-Berlins zu diminuieren — und dies mit Hilfe einer eigenen Interpretation des Berlin-Status. Nach Abschluß des Vier-Mächte-Abkommens von 1971 wurde von der DDR die bis dahin gebräuchliche Formel von der „selbständigen politischen Einheit“ oder „besonderen politischen Einheit“ zwar kaum noch oder nur in Umschreibungen verwendet. Doch ist mit dieser semantischen Änderung keineswegs eine grundsätzliche Abkehr von der bisherigen DDR-Position verbunden. Denn das Vier-Mächte-Abkommen von 1971 wurde in dem Bewußtsein geschlossen. daß eine Übereinstimmung in Statusfragen nicht erzielt werden konnte. Während die westliche Seite davon ausgeht, das Berlin-Abkommen beziehe sich auf ganz Berlin, wird dies von der östlichen Seite kategorisch zurückgewiesen Die westliche Seite spricht daher vom „Vier-MächteAbkommen über Berlin“, die östliche Seite dagegen von einem „Vierseitigen Abkommen über Westberlin“. Trotz der unterschiedlichen Interpretationen in Statusfragen wurde mit Hilfe des Vier-Mächte-Abkommens ein Modus vivendi gefunden, der seitdem größere Berlin-Krisen verhinderte.

III. Der Status von West-Berlin aus SED-Sicht

Wie die DDR den Status West-Berlins sieht, zeigen folgende Zitate Erich Honeckers:

1973: „Westberlin — diese kapitalistische Insel, dieses Sondergebilde inmitten der Deutschen Demokratischen Republik — ist kein Bestandteil irgendwelchen Staates.“

1977: „Berlin ist die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik und Westberlin ein besonderes Gebiet, das durch das Vierseitige Abkommen vom 3. September 1971 Zukunftschancen erhalten hat.“

1986: „Was Berlin (West) betrifft, so sind wir für die strikte Einhaltung und volle Anwendung des Vierseitigen Abkommens vom 3. September 1971. das sich, nicht zuletzt zum Vorteil der West-Berliner selbst, im Leben bewährt. Auch in Zukunft erteilen wir gemeinsam mit unseren Verbündeten allen Versuchen eine entschiedene Abfuhr, die das Abkommen auf seine Belastbarkeit testen und seine Kern-bestimmung unterlaufen, daß Westberlin nicht zur BRD gehört und nicht von ihr regiert werden darf.“

Im Zusammenhang mit dem Chruschtschow-Ultimatum vom 27. November 1958 wird in der Bundesrepublik häufig die Vermutung geäußert, die DDR und die Sowjetunion gingen von einer Drei-Staaten-Theorie aus. Seinerzeit hatte Chruschtschow vorgeschlagen, West-Berlin in eine „entmilitarisierte Freie Stadt“ umzuwandeln, wenn die drei Westmächte aus Berlin abzögen. Hatte dieses damalige „Angebot“ die Zielsetzung eines souveränen Staates „West-Berlin“ im Auge, wie manche vermuteten? Die Völkerrechtslehre der DDR lehnt indes eine Drei-Staaten-Theorie völlig ab. Sie geht von zwei souveränen deutschen Staaten und von West-Berlin — zumeist als „Westberlin“ bezeichnet — aus, dem keine generelle Völkerrechtssubjektivität zugebilligt wird. Dabei wird auf „besondere Völkerrechtssubjekte“ in der Geschichte hingewiesen, wie auf die Freien Städte (z. B. Krakau und Danzig). Bei solchen besonderen Völkerrechtssubjekten handele es sich in der Regel um „staatsähnliche Gebilde, weil sie ebenso wie Staaten über ein bestimmtes, wenn auch meist sehr kleines Territorium verfügen, eine Bevölkerung aufweisen und auch einen Regierungsapparat besitzen“ Dennoch stellten diese „keine originären Völkerrechtssubjekte“ wie die Staaten dar. weil ihre Entstehung und ihre Existenz auf besonderen völkerrechtlichen Regelungen beruhten. In Ausnahmefällen könnten internationale Beziehungen auch von „staatsähnlichen oder sonstigen politisch-sozialen Gebilden (Einheiten), die keine Staaten sind, ausgehen“ West-Berlin besitze gleichwohl auch deshalb keine selbständige Völkerrechtssubjektivität, weil „diese zu keinem Staat gehörende Stadt“ unter einem Besatzungsregime stünde und ihr rechtlicher Status im Vier-Mächte-Abkommen geregelt sei. Dies schließe indes nicht aus. daß „die besondere politische Einheit Westberlin“ eine „bestimmte völkerrechtliche Vertragsfähigkeit“ besitze Von einer solchen mache sie beispielsweise beim Abschluß von Vereinbarungen zwischen der DDR und dem Senat über Reise-und Besucherverkehr Gebrauch. Insofern handele es sich hier prinzipiell um völkerrechtliche Verträge.

Der Status West-Berlins ist also für die DDR ein Status sui generis, der durch folgende fünf Merkmale bestimmt wird: 1. West-Berlin unterliege „nach wie vor einem entsprechend der bestehenden Lage modifizierten Besatzungsregime der vier Mächte“ 2. West-Berlin sei „in gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Hinsicht durch seine Insellage inmitten des Staatsterritoriums der DDR charakterisiert" 3. Die „drei Westsektoren von Berlin“ seien territorial und völkerrechtlich „kein Bestandteil der Bundesrepublik“ und würden auch von ihr nicht regiert werden -4. In West-Berlin bestehe „eine ihrem Wesen nach imperialistische staatliche Ordnung“, die sich „allerdings unter den Bedingungen der Existenz eines Besatzungsregimes entwickelte und weiterhin entwickelt.“ Es existierten ein eigener staatlicher Machtapparat sowie eine eigene Verfassung 5. Schließlich sei festzustellen, daß die „ständigen Einwohner von Berlin (West)“ eigene Personaldokumente besitzen „und ihren eigenen personalpolitischen Status haben, d. h.. sie sind weder Staatsbürger der BRD noch der DDR“

Insgesamt gesehen ist also der völkerrechtliche Status West-Berlins aus Sicht der SED „durch den modifizierten Fortbestand eines Besatzungsregimes der Vier Mächte, durch seine geographische Lage inmitten der DDR und durch die Nichtzugehörigkeit der Stadt zur BRD charakterisiert“

Hinweise zur Statusinterpretation Berlins gibt auch der „Vertrag über Freundschaft. Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ zwischen der DDR und der Sowjetunion vom 7. Oktober 1975, in dem es in Art. 7 wörtlich heißt: „In Übereinstimmung mit dem vierseitigen Abkommen vom 3. September 1971 werden die hohen vertragsschließenden Seiten ihre Verbindungen zu Westberlin ausgehend davon unterhalten und entwickeln, daß es kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist und auch weiterhin nicht von ihr regiert wird.“ Dieser Text ist zwar an die Formulierungen des Vier-Mächte-Abkommens angelehnt, er zeigt aber auch, wie restriktiv DDR und Sowjetunion die Bindungen von Berlin (West) an den Bund interpretieren. So war im Vier-Mächte-Abkommen geregelt, daß „die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden“

Das Wort „entwickeln“ weist auf ein wichtiges dynamisches Element hin. Dieser Satz war eindeutig ein Zugeständnis der Sowjetunion an die westliche Seite, da bis zum Abschluß des Vier-Mächte-Abkommens vorr der östlichen Seite immer wieder West-Berlin als eine „selbständige politische Einheit“ bezeichnet wurde. Der Text dieses Freundschaftsvertragesjedoch negiert dieses Zugeständnis an die westliche Seite, weshalb auch die drei Westmächte in einer Erklärung darauf hingewiesen haben. daß dieser Vertrag zwischen der UdSSR und der DDR nichts an der Rechtsgrundlage Berlins oder an dem Vier-Mächte-Abkommen zu ändern vermag

Die DDR bemüht sich, in ihren Verträgen mit Drittstaaten ihren Rechtsstandpunkt zu Berlin ausdrücklich zu fixieren. Dabei fällt allerdings auf, daß sich nach dem Abschluß des Vier-Mächte-Abkommens keine Formulierungen bezüglich West-Berlins als einer „selbständigen politischen Einheit“ mehr finden. Noch im Freundschaftsvertrag mit Rumänien betrachteten die DDR und Rumänien West-Berlin als eine „besondere politische Einheit“ (Art. 9) In späteren internationalen Verträgen hingegen wird dieser Terminus nicht mehr verwandt. So heißt es im Freundschaftsvertrag mit Ungarn in Art. 7: „In Übereinstimmung mit dem Vierseitigen Abkommen vom 3. September 1971 werden die Hohen Vertragsschließenden Seiten ihre Verbindungen zu Westberlin ausgehend davon unterhalten und entwickeln, daß es kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist und auch weiterhin nicht von ihr regiert wird“ Gleichlautende Artikel sind im Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der DDR und der Mongolischen Volksrepublik vom 6. Mai 1977 sowie im Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen vom 28. Mai 1977 enthalten

Der besondere Status West-Berlins aus Sicht der DDR kommt auch in einigen aus ihrer Sicht nicht unwichtigen Formalitäten zum Ausdruck. So gibt es im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR eine Abteilung, die für die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist (Abteilungsleiter: Seidel), und eine formal gleichrangige, eigene Abteilung für West-Berlin, an deren Spitze ein Abteilungsleiter (Dr. Müller) mit Botschafterrang sitzt. Während Seidel für die Kontakte zur Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR zuständig ist, gehören in den Zuständigkeitsbereich von Müller die Kontakte zum Senat von Berlin. Die DDR versucht dabei, den Senat von Berlin umfassend ins Gespräch zu ziehen, während nach westlicher Auffassung Müller trotz seines Botschafterranges lediglich „Besuchsbeauftragter der DDR“ ist — ebenso wie sein West-Berliner Gesprächspartner, Senatsdirigent Kunze, der Besuchsbeauftragter des Senates ist.

IV. Berlin — Hauptstadt der DDR?

Schon frühzeitig wurden von der DDR-Führung alle wichtigen Regierungsinstitutionen — mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums —, vor allem aber auch die SED-Führung, im sowjetischen Sektor Berlins angesiedelt. Die darin zum Ausdruck kommende Hauptstadtfunktion des Ost-teils der Stadt war aber zum Zeitpunkt der Gründung der DDR keineswegs formalisiert. Denn es war auch in der rechtlichen Betrachtungsweise der Sowjetunion klar, daß der neue Staat DDR von einem Gebiet aus regiert wurde, das rechtlich nicht zu diesem gehörte und einer Vier-Mächte-Verantwortung für ganz Berlin unterlag. Andererseits wurde dadurch auch der Anspruch Berlins symbolisiert. Hauptstadt ganz Deutschlands zu sein, was in der ersten Verfassung der DDR aus dem Jahr 1949 zum Ausdruck kam. Doch als besonders nachteilig wirkte sich in den ersten Jahrzehnten der DDR-Existenz die Tatsache aus, daß die DDR nicht alle Attribute eines „normalen“ Staates besaß, und zwar alleine schon deshalb, weil ihr auch nach der sowjetischen Souveränitätsübertragung von 1954/1955 eine eigene, „ihrer Gebietshoheit uneingeschränkt unterliegende Hauptstadt fehlte“ Die Stadtverordnetenversammlung von Ost-Berlin übernahm nämlich erst am 28. Januar 1957 des „Gesetz über die örtlichen Organe der Staatsmacht“ das die faktische Integration Ost-Berlins in das Regierungssystem der DDR weitgehend abschloß. Allerdings muß es die Regierenden in der DDR verbittert haben, daß selbst nach dem Mauerbau am 13. August 1961 in Ost-Berlin Reste eines Sonderstatus (z. B. im Hinblick auf die OstBerliner Volkskammer-Abgeordneten) erhalten blieben. In diesem Zusammenhang wurde im „Neuen Deutschland“ von schwer zu erklärenden Versäumnissen gesprochen, „die teilweise (in) Rücksichten auf internationale Vorgänge und sonst irgendwie begründet sind“ Diese Sonderstellung zeigte sich beispielsweise daran, daß Berliner Abgeordnete der Volkskammer lediglich „beratende Stimme“ hatten, diese nur in einem indirekten Verfahren (durch die Stadtverordnetenversammlung) nominiert, also nicht von der Bevölkerung unmittelbar „gewählt“ wurden. Darüber hinaus galten die DDR-Gesetze nicht automatisch im Ostsektor, sondern erst nach Zustimmung durch den Magistrat und nach gesonderter Verkündung. Gleichwohl hatte sich die DDR schon frühzeitig bemüht, möglichst viele Kennzeichen dieses Sonderstatus zu beseitigen. Im November 1953 wurde beispielsweise angeordnet, daß die bis dahin ausgestellten Deutschen Personalausweise für die Bevölkerung von „Groß-Berlin“ durch die Personalausweise der DDR ersetzt wurden.

Weitere Schritte zur Aufhebung des Sonderstatus von ganz Berlin und Ost-Berlins speziell waren:

— Am 26. Januar 1962 wurde im damals noch existierenden „Verordnungsblatt für Groß-Berlin“ die Übernahme des Verteidigungsgesetzes der DDR vom 20. September 1961 und des Gesetzes der Volkskammer vom 24. Januar 1962 über die allgemeine Wehrpflicht für die „Hauptstadt Berlin (Demokratisches Berlin)“ verkündet

— Im September 1976 erschien zum letzten Male das „Verordnungsblatt für Groß-Berlin“, in dem bis dahin alle von der DDR für Ost-Berlin übernommenen Rechtsnormen veröffentlicht wurden. Wenngleich vor dem Zeitpunkt der Einstellung nur noch die für Ost-Berlin gültigen Gesetze und Verordnungen aufgeführt, die jeweiligen Texte indes nicht mehr abgedruckt wurden, so zeigt doch allein die Existenz eines solchen Verordnungsblattes die auf der östlichen Seite berücksichtigte Sonderstellung Ost-Berlins.

— Noch bis zum Dezember 1976 hatte es auch an den Ausfallstraßen von Ost-Berlin in die DDR Kontrollposten gegeben, die mit Beginn des Jahres 1977 entfielen. Eine solche formale Sondersituation gab es für keine Großstadt der DDR.

— Die bis zum Frühjahr 1977 gebräuchliche Bezeichnung „Magistrat von Groß-Berlin“ wurde danach in „Magistrat von Berlin, Hauptstadt der DDR“ umgewandelt.

— Die Volkskammer beschloß am 28. Juni 1979, künftig die 66 Abgeordneten von Ost-Berlin direkt wählen zu lassen und nicht — wie bisher — von der Stadtverordnetenversammlung zu delegieren. Schon nach der Volkskammerwahl im Oktober 1976 hatten die Ost-Berliner Abgeordneten keinen gesonderten Abgeordneten-Ausweis mehr erhalten. Zwar argumentiert die DDR immer wieder, sie habe die volle Souveränität über „Berlin. Hauptstadt der DDR“, womit sie den Ostteil der Stadt meint. Sicherlich war der wichtigste „Erfolg“ im Kampf gegen den Sonderstatus ganz Berlins der Bau der Mauer im Jahre 1961. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war die Bewegungsfreiheit für Bürger Berlins in beiden Stadthälften gegeben. Aber mit dem Bau der Mauer wurde für die östliche Seite nur ein Teilerfolg erzielt. Denn es gelang auch während der zweiten Berlin-Krise (1958— 1962) nicht, die Westmächte aus Berlin herauszudrängen und damit insgesamt den Sonderstatus Berlins zu beseitigen. Die DDR-und SED-Führung hatten seitdem jede Zurückhaltung verloren, den Anspruch auf die Hauptstadteigenschaft Ost-Berlins offensiv zu vertreten. Doch bis auf den heutigen Tag zeigen einige wichtige Punkte den Sonderstatus ganz Berlins auf und damit auch, daß die DDR über ihre eigene „Hauptstadt“ keinesfalls die volle Souveränität besitzt. Zu diesen gehören: — Nach wie vor gibt es eine Bewegungsfreiheit von Soldaten aller vier Siegermächte in ganz Berlin. Die Bemühungen der DDR, Patrouillenfahrten der Westmächte im Ostsektor der Stadt zu behindern, sind gescheitert. — Für ganz Berlin bestehen nach wie vor besondere Rechte für die Diplomaten der Generalkonsulate und insbesondere der nach wie vor existierenden Militärmissionen. Diese besondere Stellung der Diplomaten wurde deutlich, als die DDR im Sommer 1986 den Versuch unternahm, eine Visum-pflicht für die in West-Berlin stationierten Diplomaten (also auch für die Angehörigen der Militärmissionen) einzuführen und neue Ausweisbestimmungen für die Diplomaten in Ost-Berlin durchzusetzen. Dieser Versuch scheiterte am Widerstand der westlichen Seite. Eine besondere rechtliche Bedeutung kam dabei der Bewegungsfreiheit der Angehörigen der Militärmissionen zu. weil diese Einrichtungen noch zu Zeiten des Alliierten Kontrollrates als Verbindungsstellen zu anderen Staaten eingerichtet worden waren. Die Militärmissionen sind also auch heute noch Einrichtungen gesamt-alliierten Rechtes. — Die gemeinsame Flugsicherheitszentrale der vier Alliierten, die in einem Umkreis von 32 km für die Kontrolle des Flugverkehrs in und um Berlin zuständig ist. signalisiert als interalliierte Einrichtung. daß die DDR in ihrem eigenen Territorium nicht über die volle Souveränität im Luftraum verfügt — was im übrigen auch die drei Luftkorridore zeigen. — Nach wie vor gibt es besondere Regelungen für den Transport von Militärpersonen und Militärgütern der westlichen Garnisonen auf dem Eisenbahn-wege. da deren Kontrolle der „Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland“ und nicht den DDR-Behörden unterliegt

V. Die Haltung der Sowjetunion zur Berlin-Frage

DDR und Sowjetunion erklären bei jeder Gelegenheit, daß die DDR völlige Souveränität besitze. Ziel solcher Äußerungen ist es, dem Eindruck entgegenzuwirken, daß die kommunistische Ordnung in der DDR durch die UdSSR oktroyiert worden sei. Eine Analyse der völkerrechtlichen Erklärungen der Sowjetunion und insbesondere der Verträge zwischen der Sowjetunion und der DDR führt aber zu dem Ergebnis, daß die sowjetische Führung ihrem ostdeutschen Verbündeten keinesfalls alle Souveränitätsrechte übertragen hat.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Sowjetunion mit der DDR auch keinen separaten Friedensvertrag geschlossen hat. Nur ein Friedensvertrag könnte der DDR alle Souveränitätsrechte verleihen. Im Zusammenhang mit der zweiten Berlin-Krise hatte Chruschtschow zwar einen solchen separaten Friedensvertrag mit der DDR angedroht, doch wurde dieser bis heute nicht realisiert. Diese Nicht-Gewährung der völligen Souveränität zeigt sich in den nachfolgenden Vertragswerken zwischen der UdSSR und der DDR:

— Bevor der Moskauer Vertrag vom 20. September 1955 über die Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion geschlossen wurde erklärte die Sowjetregierung am 25. März 1954. sie behalte in der DDR diejenigen „Funktionen, die mit der Gewährleistung der Sicherheit im Zusammenhang stehen und sich aus den Verpflichtungen ergeben, die der Sowjetunion aus dem Viermächteabkommen erwachsen“ Diese Erklärung der Sowjetregierung wurde durch eine Erklärung des Ministerrates der DDR vom 27. März 1954 bestätigt

— Auch der Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der UdSSR vom 12. Juni 1964 war keinesfalls ein separater Friedensvertrag mit der DDR, zumal in der Präambel von dem „Wunsch“ gesprochen wurde, „den Abschluß eines deutschen Friedensvertrages zu erleichtern und die Verwirklichung der Einheit Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage zu fördern“ Auf dem VI. Parteitag der SED hatte Chruschtschow am 16. Januar 1963 bereits angedeutet, daß er nach dem Mauerbau eine Lösung der Berlin-Frage nicht mehr als so dringlich ansehe, weil der 13. August 1961 „der wichtigste Schritt zur Festigung der Souveränität“ der DDR gewesen sei Einen Journalisten zitierend, sagte er im Zusammenhang mit dem 13. August 1961: „Somit habt ihr. noch ehe der Friedensvertrag unterzeichnet ist. alles bekommen, was ihr wolltet, und was ihr durch den Abschluß dieses Vertrages zu erlangen gedachtet“ Im übrigen wurde in Art. 6 dieses Vertrages festgelegt: „Die hohen vertragsschließenden Seiten werden West-Berlin als selbständige politische Einheit betrachten“ Die drei Westmächte haben mit einer Erklärung vom 26. Juni 1964 die Bezeichnung West-Berlins als „selbständige politische Einheit“ zurückgewiesen — Der „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ zwischen der DDR und der UdSSR vom 7. Oktober 1975 entließ die DDR ebenfalls nicht in die völlige Souveränität, zumal in Art. 1 von „ewiger und unverbrüchlicher Freundschaft“ und „brüderlicher gegenseitiger Hilfe auf allen Gebieten“ gesprochen wird Denn in Art. 10 dieses für die Dauer von 25 Jahren abgeschlossenen Vertrages heißt es: „Dieser Vertrag berührt nicht die Rechte und Pflichten der hohen vertragsschließenden Seiten aus gültigen zwei-und mehrseitigen Abkommen.“ Mit dieser Formulierung bezieht sich die Sowjetunion exakt auf ihre Verpflichtungen gegenüber den drei Westalliierten, die sie in den beiden anderen vorangegangenen Verträgen gleichwohl konkreter aufgeführt hatte. Zur Berlin-Frage heißt es in Art. 7: „In Übereinstimmung mit dem Vierseitigen Abkommen vom 3. September 1971 werden die hohen vertragsschließenden Seiten ihre Verbindungen zu Westberlin ausgehend davon unterhalten und entwickeln, daß es kein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist und auch weiterhin nicht von ihr regiert wird“ Damit werden Formulierungen aus dem Vier-Mächte-Abkommen über Berlin verwandt, wenn auch in verkürzter Form, da im Vier-Mächte-Abkommen das dynamische Element enthalten ist, daß die „Bindungen“ (die ostdeutsche Fassung spricht von „Verbindungen“) zwischen West-Berlin und dem Bund „aufrechterhalten und entwickelt werden“ können. (II B des Vier-Mächte-Abkommens).

Die Berlin-Frage — aber auch die Tatsache, daß die Sowjetunion an ihren Rechten in bezug auf Deutschland als Ganzes generell festhält — zeigt, daß die Sowjetunion Berlin als Hebel für ihre Politik zu nutzen weiß. Die Rechtsposition der Sowjetunion wird an den beiden folgenden Beispielen besonders deutlich:

Am 9. November 1972 wurde in den vier Hauptstädten eine Erklärung der Regierungen Frankreichs. Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten herausgegeben, die im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag zwischen den beiden Staaten in Deutschland und dem daraus resultierenden Beitritt der DDR und der Bundesrepublik Deutschland in die Vereinten Nationen stand. Interessanterweise stellten die vier Regierungen fest, „daß diese Mitgliedschaft die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte und die bestehenden diesbezüglichen vierseitigen Regelungen. Beschlüsse und Praktiken in keiner Weise berührt“

Die Tatsache, daß sich die Sowjetunion 1971 an einem Abkommen über Berlin beteiligte — selbst wenn es hinsichtlich des Geltungsbereiches dieses Abkommens einen Auslegungsstreit gibt —, zeigt auf, -daß die Sowjetunion an ihren fortbestehenden Rechten vor allem bezüglich Berlins festhält. Dies kommt übrigens auch eindeutig in der Präambel des Vier-Mächte-Abkommens zum Ausdruck, wenn symbolhaft darauf hingewiesen wird, daß die Regierungen der vier Alliierten, vertreten jeweils durch ihre Botschafter, „in dem früher vom Alliierten Kontrollrat benutzten Gebäude im amerikanischen Sektor Berlins eine Reihe von Sitzungen abgehalten haben“ — und zwar „handelnd auf der Grundlage ihrer Viermächte-Rechte und -Verantwortlichkeiten und der entsprechenden Vereinbarungen und Beschlüsse der Vier Mächte aus der Kriegs-und Nachkriegszeit, die nicht berührt werden“. Deutlicher läßt sich die Mitverantwortung der Sowjetunion für die Lage um Berlin und das Beibehalten eines Vier-Mächte-Status nicht ausdrücken, auch wenn das Vier-Mächte-Abkommen mehr oder minder nur die Beschreibung eines Modus vivendi und keine Einigung über unterschiedliche Statusauffassungen darstellt. Gerade weil Walter Ulbricht mit dem Vier-Mächte-Abkommen offensichtlich nicht einverstanden war. wurde er wohl auf Druck der Sowjetunion abgelöst

Auch in der praktischen Politik zögerte die sowjetische Führung, sich eindeutig und unwiderruflich festzulegen, daß Ost-Berlin völlig in das Staatsgebiet der DDR integriert sei.

Sie hat also dem Drängen der DDR-Führung nach Änderung des besatzungsrechtlichen Sonderstatus für Ost-Berlin nicht nachgegeben. Gleichwohl bemühte sich die sowjetische Führung aber darum, daß ihr Festhalten an gewissen Aspekten der Vier-Mächte-Verantwortung — auch im Zusammenhang mit der Erklärung der vier Alliierten vom 9. November 1972 — dem Westen keine Möglichkeiten gab, ein sowjetisches Einverständnis mit der These von der Aufrechterhaltung der Vier-Mächte-Verantwortung und des Vier-Mächte-Status Gesamt-Berlins argumentativ begründen zu können.

Im einzelnen ist nicht bekannt, wie der Abstimmungsprozeß in Berlin-und deutschlandpolitischen Fragen zwischen der Sowjetunion und der DDR aussieht. Andererseits wird die DDR auch nicht zugeben können, daß es ein wie auch immer geartetes Abstimmungsverfahren mit der Sowjetunion gibt. Denn offiziell erklärt sie, sie handele in ihrer Berlin-Politik in völliger Souveränität. In gewisser Weise kann jedoch die DDR die Statusfragen flexibler bewerten, weil sie — nicht die Sowjetunion — in erster Linie von einer Vertragspolitik mit der Bundesrepublik und in wenigen eingegrenzten Fragen mit dem Senat von Berlin profitiert. Gleichzeitig hat sie — bedingt durch die Insellage West-Berlins — gewisse Druckpotentiale in der Hand. Andererseits gibt es aber auch Hinweise dafür, daß die DDR immer wieder die Sowjetunion drängt, bei ihren konkreten einzelnen Verhandlungen mit der Bundesrepublik eine möglichst harte Linie an den Tag zu legen.

Ein neueres Beispiel für die Rahmensetzung vertraglicher Verhandlungsmöglichkeiten ist das von der Bundesrepublik im Juli 1986 mit der Sowjetunion geschlossene Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (WTZ). das fast in letzter Minute gescheitert wäre, weil die Sowjetunion eine ausreichende Einbeziehung von Berlin (West) in dieses Abkommen nicht akzeptieren wollte. Dieses Rahmenabkommen umfaßt drei Ressortabkommen (friedliche Nutzung der Kernenergie. Gesundheit und medizinische Wissenschaft und Landwirtschaft) Verhandlungen mit Moskau über einen wissenschaftlich-technischen Austausch hatten schon 1972 begonnen. Die für 1973 vorgesehene Unterzeichnung kam jedoch wegen der damaligen sowjetischen Weigerung, Berlin (West) angemessen einzubeziehen, nicht zustande. Bei den 1986 wieder aufgenommenen Verhandlungen war das schwierigste Problem die Einbeziehung des Forschungspotentials von Bundeseinrichtungen in Berlin (z. B. Bundesanstalt für Materialprüfung). Da die UdSSR jegliche Bundespräsenz in Berlin vehement bekämpft, mußte es ihr große Probleme bereiten, mit Bundeseinrichtungen in Berlin zusammenzuarbeiten. Der schließlich gefundene Kompromiß bestand in der „personenbezogenen Lösung“. Dies heißt, daß in den Teilnehmerlisten im Falle von Angehörigen einer Bundesinstitution nur der Name des betreffenden Teilnehmers und eine Postfach-Adresse in Berlin, nicht die Einrichtung selbst mit ihrer Bezeichnung, angegeben wird.

Andere Berliner Wissenschaftler hingegen werden auf solchen Teilnehmerlisten — wie Teilnehmer aus Westdeutschland — mit der vollen Anschrift ihrer Arbeitsstelle angegeben. Eine entsprechende Lösung wurde auch für ein Umweltschutzabkommen mit der UdSSR gefunden. Hier spielt das Umweltbundesamt eine wichtige Rolle, dessen Errichtung nach Abschluß des Vier-Mächte-Abkommens von Seiten der Sowjetunion als eine besonders schwere politische Belastung empfunden worden war. Die Unterzeichnung des WTZ-Abkommens der Bundesrepublik Deutschland mit der Sowjetunion machte auch den Weg für entsprechende Verhandlungen mit der DDR frei, die im Zusammenhang mit dem Honecker-Besuch in der Bundesrepublik Deutschland vom 7. bis 11. September 1987 abgeschlossen werden konnten.

VI. Statusfragen und die Feiern zum 750. Stadtjubiläum

Die 750-Jahr-Feiem wurden von der DDR dazu genutzt, „Berlin“, also Ost-Berlin, als das „politische, wirtschaftliche und geistig-kulturelle Zentrum“ der DDR zu propagieren Berlin habe sich als „das kräftig schlagende Herz unseres sozialistischen deutschen Staates“ (Erich Honecker) entwikkelt In den offiziellen „Thesen — 750 Jahre Berlin“ wurde „Berlin“ als „Hauptstadt des sozialistischen deutschen Staates“ bezeichnet Das „Vierseitige Abkommen über West-Berlin“ vom September 1971 habe festgelegt, „daß Westberlin so wie bisher kein Bestandteil der BRD ist und auch weiterhin nicht von ihr regiert wird.“ Und während des „Staatsaktes“ der DDR anläßlich der 750-Jahr-Feier bezeichnete Honecker Ost-Berlin ausdrücklich als „Hauptstadt des deutschen Arbeiter-und Bauem-Staates der Deutschen Demokratischen Republik“

Die Diskussion zu Fragen des Berlin-Status wurde im Zusammenhang mit den 750-Jahr-Feierlichkeiten sehr praktisch, nachdem im Oktober 1986 Erich Honecker Berlins Regierenden Bürgermeister Diepgen zu einem „Staatsakt“ der DDR anläßlich der Ost-Berliner Feierlichkeiten vom 23. Oktober 1987 eingeladen hatte. Gleichzeitig lud der OstBerliner Oberbürgermeister Krack Diepgen zu einem Oberbürgermeistertreffen nach Ost-Berlin ein, das vom 1. — 5. Juni 1987 stattfand. Beide Einladungen an den Regierenden Bürgermeister warfen eine Fülle von Statusfragen auf:

— Im Schreiben Honeckers wurde im Zusammenhang mit der Einladung zum „Staatsakt der Deutschen Demokratischen Republik aus Anlaß des 750jährigen Bestehens von Berlin“ der Hoffnung Ausdruck verliehen, Diepgen „in der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik“ begrüßen zu können. Gegner der Annahme einer solchen Einladung argumentierten, daß eine Teilnahme an diesem Staatsakt eine offiziöse Anerkennung des Hauptstadtcharakters Ost-Berlins durch Berlins Regierenden Bürgermeister darstelle, der nach der Verfassung von Berlin Stadtoberhaupt aller Berliner ist — wenngleich es sich hier nur um einen verfassungsrechtlichen Anspruch handelt. Erich Honecker lud in dreifacher Eigenschaft (in folgender Reihenfolge) ein: als Vorsitzender des Komitees der Deutschen Demokratischen Republik zum 750jährigen Bestehen von Berlin, als Vorsitzender des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik und als Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands. — Ähnlich schwierige statusrechtliche Probleme warf indes auch das Schreiben von Krack auf, der in zweifacher Eigenschaft einlud: als Stellvertreter des Vorsitzenden des Komitees der Deutschen Demokratischen Republik zum 750jährigen Bestehen von Berlin und als „Der Oberbürgermeister von Berlin“. Die Statusprobleme waren vor allem darin zu sehen, daß es in der Vergangenheit zwar immer wieder von den drei Schutzmächten legitimierte Kontakte auch des Senates von Berlin mit der DDR-Regierung gegeben hatte. Dabei wurde faktisch anerkannt, daß die DDR-Regierung mit ihren wichtigsten Institutionen im Ostsektor der Stadt vertreten ist; es wurde jedoch damit nicht anerkannt, daß Ost-Berlin integraler Bestandteil des Staatsgebietes der DDR ist. Eine offizielle Gesprächsbasis hingegen mit dem „Oberbürgermeister“ von Ost-Berlin hatte es in der Vergangenheit bislang nicht gegeben, da nach westlicher Rechts-auffassung die Ost-Berliner Stadtverwaltung durch einen Putsch etabliert wurde, der bis heute nicht anerkannt wurde. In gewissem Sinne kann man davon sprechen, daß bisher eine Art Alleinvertretungsanspruch für ganz Berlin durch den Senat von Berlin und das Abgeordnetenhaus zum Ausdruck gebracht wurde — wenngleich es sich hierbei mehr um einen rechtlichen Anspruch handelt, der sich der praktischen Realisierung entzogen hat.

So gab es durchaus unterschiedliche Sichtweisen, ob der Regierende Bürgermeister von Berlin diese Einladungen hätte annehmen sollen — eine Frage, die sowohl mit der Bundesregierung als auch mit den drei westlichen Statusmächten verhandelt werden mußte. Über drei Möglichkeiten war zu entscheiden: Ablehnung beider Einladungen, Annahme lediglich der Einladung zum Oberbürgermeistertreffen oder Annahme lediglich der Einladung zum „Staatsakt“. Aus welchen Motiven heraus Honecker (und mit ihm Krack) seinerzeit diese Einladung ausgesprochen hat. ist nicht eindeutig zu beantworten. Es ist aber davon auszugehen, daß sich Honecker durch die Annahme der Einladungen einen Statusgewinn erhoffte — durch die Teilnahme des Berliner Regierenden Bürgermeisters an den Ost-Berliner Feierlichkeiten zu erreichen, daß der Hauptstadtcharakter Ost-Berlins von der westlichen Seite akzeptiert würde. Ein zweites Motiv dürfte gewesen sein, Zwiespalt zwischen dem Senat von Berlin und den westlichen Alliierten zu säen, die als Statusmächte zweifelsohne aufgrund ihres Rollenverständnisses mit einer gewissen Skepsis dieser „Besuchsdiplomatie“ gegenüberstanden. Zum Dritten war es sicherlich ein von Honecker gewünschtes Ergebnis, daß über die Besonderheiten des Status von Berlin — nach seinem Verständnis nur des Status von West-Berlin — diskutiert werden sollte. Denn je mehr die rechtlichen Besonderheiten lediglich West-Berlins und die rechtlichen Überlegungen, die bei der Annahme solcher Einladungen bedacht werden müssen, in den Vordergrund gestellt werden, umso eher wird der Zielsetzung der SED entsprochen, daß West-Berlin als eine „besondere politische Einheit“ in der deutschen wie in der Weltöffentlichkeit betrachtet wird. Ein vierter Grund mag gewesen sein, daß Honecker durch seinen von den meisten als überraschend empfundenen Vorstoß bei den eigenen Feierlichkeiten eine möglichst breite Repräsentanz von Persönlichkeiten aus der Bundesrepublik und darüber hinaus erreichen wollte. Wenn West-Berlins oberster politischer Repräsentant zu diesen Feierlichkeiten eingeladen wurde, konnten sich andere bundesdeutsche Politiker weniger versagen, als wenn sie Rücksicht auf den Regierenden Bürgermeister von Berlin hätten nehmen müssen.

Ein Problem der Einladungsdiskussion bestand darin, daß über einen mehrmonatigen Prozeß hinweg der Regierende Bürgermeister über eine Annahme der Einladung nicht entscheiden konnte, bevor nicht wichtige Detailfragen in Gesprächen zwischen dem Chef der Senatskanzlei, Staatssekretär Stronk, und seinem DDR-Gesprächspartner, Staatssekretär Löffler, geklärt worden waren. Denn für den Regierenden Bürgermeister wäre eine Veranstaltungsteilnahme nur in Betracht gekommen. wenn die DDR hieraus keinen Statusgewinn reklamiert hätte. Die oben dargelegten status-politischen Bedenken hätten bei einer geschickten Gestaltung des Besuches überwunden werden können. Dazu gehört auch eine Erklärung, wie sie bei einem in Ost-Berlin stattgefundenen Gespräch des damaligen Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker mit Erich Honecker abgegeben wurde. Honecker erklärte damals ausdrücklich, daß aus einem solchen Treffen in Ost-Berlin kein Statusgewinn gefolgert würde (in der Vergangenheit hatte Diepgen mehrfach Honecker getroffen, jedoch während der Leipziger Messe). Darüber hinaus war es Zielsetzung des Regierenden Bürgermeisters, die westlichen Alliierten nicht vor vollendete Tatsachen zu stellen.

Es ist nicht bekannt, ob Honecker mit einer Annahme der Einladung zum Staatsakt und/oder zum Ost-Berliner Oberbürgermeistertreffen gerechnet hat. Wahrscheinlich hat er aber nicht erwartet, daß er umgekehrt von Diepgen zu den West-Berliner Feierlichkeiten am 30. April 1987 in das Internationale Congress Centrum eingeladen würde. Diese Einladung mußte umgekehrt Honecker vor schwierige Entscheidungen stellen, weil bei diesen Feierlichkeiten der Bundespräsident, der Bundeskanzler (der eine Rede hielt), das gesamte Bundes-kabinett. die Ministerpräsidenten der Länder und zahlreiche hochrangige politische Persönlichkeiten sowie viele in Bonn akkreditierte Diplomaten anwesend waren. Der Sinn der Gegeneinladung war, Honecker damit zu einer Anerkennung der Bundespräsenz in Berlin und damit der Bindungen West-Berlins an den Bund zu bewegen. Allerdings mußte es denjenigen, die eine Gegeneinladung vorschlugen, klar sein, daß Honecker mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht den politischen Gestaltungsspielraum durch Moskau eingeräumt erhielt, eine solche Einladung annehmen zu können. Wer also verhindern wollte, daß der Regierende Bürgermeister an entsprechenden Feierlichkeiten in OstBerlin teilnahm, konnte insofern auf eine entsprechende Wirkung der Gegeneinladung hoffen, auch wenn einigen diese Einladung deshalb suspekt war, weil mit Honeckers Anwesenheit bei einem solchen Festakt in West-Berlin ebenfalls eine Separierung West-Berlins vom Bund argumentativ untermauert werden konnte. Darüber hinaus ließ Diepgen zunächst offen, ob er nur zu den Feierlichkeiten nach Ost-Berlin hätte gehen können, wenn Honecker seinerseits die West-Berliner Feierlichkeiten wahrgenommen hätte.

In die Länge gezogen wurde der Entscheidungsprozeß auch durch die Tatsache, daß ein Abstimmungsprozeß mit der Bundesregierung wie mit den drei westlichen Alliierten vorgenommen werden mußte, die sich auch ihrerseits untereinander vereinbaren mußten. So wurden Äußerungen des französischen Außenministers Raimond beim traditionellen Jahresessen der Berliner Pressekonferenz mit besonderer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen.der mahnte, bei allen Schritten „mit doppelter Sorgfalt“ darauf zu achten, alles zu unterlassen, „was die Teilung der Stadt verewigen könnte“

— Am 10. März 1987 lud Berlins Regierender Bürgermeister Diepgen Erich Honecker zum WestBerliner Stadtjubiläum am 30. April 1987 nach West-Berlin ein. Diese Einladung waran Honecker in seiner Eigenschaft als „Vorsitzender des Komitees der DDR zum 750jährigen Bestehen von Berlin“ gerichtet und wurde vom Chef der Senatskanzlei. Stronk, bei einem Gespräch mit dem DDR-Beauftragten für die 750-Jahr-Feier, Kurt Löffler, übergeben. Zum Zeitpunkt dieses Briefes hatte Diepgen sich offiziell noch nicht entschieden, ob er eine Annahme der Einladung Honeckers zum Staatsakt am 23. Oktober 1987 anzunehmen gedenke. Da die offiziellen Feierlichkeiten in West-Berlin bereits im April stattfanden, war also nun Honecker mit einer Entscheidung zuerst im Zug-zwang. — Am 13. April 1987 lehnte Honecker indes die Einladung nach West-Berlin ab. Begründet wurde diese Absage mit einem Brief des Regierenden Bürgermeisters an seine Ministerpräsidentenkollegen der Bundesländer vom 4. Juni 1986 — also lange zurückliegend — und außerdem nicht erläuterten „anderen Bedingungen“, die einem Besuch entgegenstünden. — In einer Erklärung „zum Auftakt der 750-Jahr-Feier“ in West-Berlin am 30. April 1987 im ICC bedauerte der Regierende Bürgermeister noch einmal. daß Honecker nicht zur Eröffnung des Stadt-jubiläums nach West-Berlin kommen werde. Dies sei umso mehr zu bedauern, „als aus unserer Sicht alle damit verbundenen Fragen lösbar waren.“ Die „vielfältigen Abhängigkeiten der politischen und rechtlichen Lage in und um Berlin“ hätten jedoch zu der Absage geführt — Am 6. Mai 1987 erklärte Diepgen, die Einladung Honeckers zum „Staatsakt“ für „erledigt“, nachdem eine Erklärung des DDR-Außenministers eine faktische Ausladung darstellte. Der Sprecher des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR, Botschafter Wolfgang Meyer, hatte „in Beantwortung entsprechender Anfragen von Korrespondenten westlicher Nachrichtenagenturen sein Befremden über das Auftreten des Regierenden Bürgermeisters von Berlin (West), Herrn Diepgen, auf dem Festakt zur Eröffnung der 750-Jahr-Feier in West-Berlin zum Ausdruck gebracht“.

Die Kenntnis des exakten zeitlichen Ablaufs ist bei der Beurteilung dieser „Einladungsdiplomatie“ wichtig. Einerseits ist die Besuchspolitik nicht zustandegekommen und insoweit „gescheitert“, andererseits war sie aber auch eine — berechtigte — Auslotung dessen, was unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen berlinpolitisch möglich war. Ein Großteil wichtiger statusrechtlicher Probleme hätte bei entsprechender Gestaltung des Besuchs und im Zusammenwirken mit der Bundesregierung wie den westlichen Alliierten überwunden werden können. Eine Teilnahme des Regierenden Bürgermeisters am „Staatsakt“ wäre auch nach der Absage Honeckers zur Teilnahme an den West-Berliner Feierlichkeiten möglich gewesen, wenn beispielsweise Fragen des Protokolls dies zugelassen hätten. Ein solcher Besuch hätte auch dem Mehrheitswillen der West-Berliner Bevölkerung entsprochen, wäre aber auch von der Ost-Berliner Bevölkerung außerordentlich begrüßt worden — und zwar unbeschadet der statusrechtlichen Überlegungen, da solche Details in der Bevölkerung in der Regel wenig bekannt sind. Diepgen hätte durch einen solchen Besuch der Symbolik Ausdruck verleihen können, daß er das einzig freigewählte Stadtoberhaupt Berlins und insofern Repräsentant aller Berliner ist.

Bei allen taktischen Winkelzügen, derer sich die DDR in ihrer Einladungspolitik bediente, kann doch bei einer Gesamtbewertung davon ausgegangen werden, daß die DDR in ihrer Politik gegenüber West-Berlin eine größere Flexibilität an den Tag legen wollte. Offensichtlich hat jedoch die „Statusmacht“ Sowjetunion, die auf ihre übergeordnete Rolle bedacht ist und manches Mißtrauen gegenüber einer zu eigenständigen Deutschland-und Berlin-Politik der DDR hat, dafür gesorgt, daß der DDR die Grenzen ihrer Souveränität erneut bewußt gemacht wurden. Das Nichtzustandekommen gegenseitiger Besuche kann indes nicht als Schlußpunkt der Teilung Berlins interpretiert werden. Gleichwohl dürften alle vier früheren Alliierten, wenn auch aus sehr unterschiedlichen Motiven, mit dem Endergebnis einer Nichtteilnahme zufrieden sein: die Sowjets, weil sie damit erneut OstBerlin in die Schranken verwiesen und eine ihr zu weit gehende Politik verhindert haben. Die West49 mächte ihrerseits konnten deshalb zufrieden sein, weil die Annahme der Einladung vermutlich nicht ihren generellen Zielen als Statusmacht entsprochen hätte. Da sie aber auch den Eindruck von „Besatzungsmächten“ verhindern wollten, hatten sie ihrerseits keine formalen Schritte zur Verhinderung einer Veranstaltungsteilnahme in Ost-Berlin unternommen — wozu sie als die Wahrer des Berlin-Status nach der Rechtslage ohne weiteres in der Lage gewesen wären. Sie sind in ihren Kompetenzen selbstverständlich dann berührt, sobald Fragen des Status von deutscher Seite durch entsprechende Aktivitäten angesprochen werden.

Daß auch die westlichen Alliierten Berlin nach wie vor eine besondere symbolhafte und politische Bedeutung beimessen, ist an der zahlreichen politischen Prominenz zu ersehen, die aus ihren Ländern Berlin im Jahr der 750-Jahr-Feier besuchte: die Britische Königin und mehrere Mitglieder ihres Königshauses sowie die britische Regierungschefin Thatcher; der französische Präsident Mitterand und Premierminister Chirac sowie der amerikanische Präsident Reagan. Eine besondere Bedeutung erhielt der Besuch des amerikanischen Präsidenten, der in einer Rede am 12. Juni 1987 eine Reihe von Vorschlägen über die zukünftige Rolle von Berlin unterbreitete, die — wenn auch bisher negative — Reaktionen der Sowjetunion und der DDR hervorriefen

1. Ausweitung des kommerziellen Flugverkehrs nach Berlin mit der Zielsetzung, daß eines Tages dort ein europäisches Luftverkehrskreuz sich entwickeln kann; 2. mehr internationale Konferenzen in beiden Teilen der Stadt, beispielsweise Veranstaltungen der Vereinten Nationen;

3. Austauschprogramme für junge Ost-und WestBerliner. um sich leichter treffen zu können;

4. Durchführung von Olympischen Spielen in ganz Berlin. „All diese Vorschläge würden eine neue Offenheit in das Leben nicht nur der Berliner bringen, sondern auch der Menschen in Osteuropa wie auch in der Sowjetunion“, erklärte der amerikanische Präsident Es handelt sich hier um die wichtigsten berlinpolitischen Vorschläge eines westlichen Alliierten seit vielen Jahren, die mehr Mobilität in die Berlin-Frage bringen sollen. Gleichwohl sind diese Vorschläge sehr rasch von der SED abgelehnt worden — begründet mit angeblicher Statusunverträglichkeit. Eine Zielsetzung dieser vier Vorschläge ist, die Einheit des geteilten Berlin zu demonstrieren. Die DDR reagierte ebenso negativ auf entsprechende Vorschläge des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, der erklärt hatte, daß bei weiter andauernden Unruhen in Südkorea Berlin als Austragungsort für die Olympischen Spiele einspringen könnte: Er halte es für möglich, die Olympischen Spiele 1988 in beiden Teilen der Stadt auszutragen Die „neueste Philosophie“, die gefährdeten Olympischen Spiele nach West-Berlin zu verlegen, sei „ein weiteres Beispiel für — um es noch gelinde auszudrücken — ein unrealistisches Denken des Senats“, erklärte das „Neue Deutschland“ zu diesen Vorschlägen.

VII. Honecker-Besuch und Berlin-Status

Der Besuch des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker vom 7. bis 11. September 1987 in der Bundesrepublik Deutschland hat neben der allgemeinen deutschlandpolitischen Bedeutung auch berlinpolitische Relevanz. Besuche hochrangiger DDR-Politiker in der Bundesrepublik haben stets auch berlinpolitische Bedeutung, weil sie Gelegenheit geben, Berliner Probleme mit der DDR zu besprechen, deren politische Zielsetzung grundsätzlich darin besteht, berlinspezifische Fragen unmittelbar mit dem Senat von Berlin zu verhandeln, um damit die Sonderstellung von Berlin (West) zu unterstreichen. Da der 1973 ratifizierte Grundlagenvertrag nicht automatisch eine Einbeziehung von Berlin (West) in die Abmachungen und Verträge mit der DDR vorsieht — über eine solche Einbeziehung muß jeweils von Fall zu Fall verhandelt werden —. gestalten sich Vertragsabschlüsse zwischen der DDR und der Bundesrepublik besonders schwierig. Hinzu kommt, daß sich auch die Ständige Vertretung der DDR in der Bundesrepublik Deutschland für Berlin-Fragen als nicht zuständig erklärt. Deshalb sind solche Besuche ein Anlaß für die Bundesregierung, im Rahmen ihrer Gesamt-repräsentanz für Berlin (West) diesbezügliche Fragen anzusprechen Im „Gemeinsamen Kommunique“ wird auf Berlin lediglich an drei Stellen hingewiesen, nämlich bei den Verbesserungen im Eisenbahnverkehr, im Post-und Fernmeldeverkehr sowie im Zusammenhang mit einem Stromverbund: Hier handelt es sich um Vereinbarungen, die für Berlin hinsichtlich seiner Bindungen an den Bund eine besondere Bedeutung haben. Bezüglich des Eisenbahnverkehrs drängt Berlin schon seit vielen Jahren auf eine Verbesserung des Standards („Schnellbahn“ entsprechend den Baumaßnahmen in Westdeutschland). Im Kommunique werden auch die Vereinbarungen der Verkehrsminister beider Staaten hinsichtlich der „Fahrpreisermäßigungen im gegenseitigen privaten Reiseverkehr sowie im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) auf den Strecken der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn“ gewürdigt. Und bezüglich des Stromverbundes ist die DDR bereit, dem Bau einer Transitleitung nach Berlin zuzustimmen. Beide Seiten begrüßen „die zur Zeit auf kommerzieller Ebene geführten Gespräche über den Bezug und die Lieferung von Elektroenergie zwischen den Energieversorgungsunternehmen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung von Berlin (West)“.

Über den Wortlaut des Kommuniques hinaus erläuterte Bundesminister Schäuble, Chef des Bundeskanzleramtes, in einer Pressekonferenz vom 8. September 1987 wichtige berlinspezifische Fragen, die bei den ersten Gesprächen eine Rolle gespielt haben. In den Vordergrund stellte er neue Erleichterungen und Vereinfachungen hinsichtlich des Reise-und Besucherverkehrs für die Berliner selbst Wichtig sind für Berlin schließlich auch die während des Besuches unterzeichneten Vereinbarungen der beiden Regierungen über die weitere Gestaltung der Beziehungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes, über Informations-und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet des Strahlenschutzes sowie über die Zusammenarbeit auf den Gebieten von Wissenschaft und Technik. Hier wurde das oben erläuterte „personenbezogene Modell“ (Vorbild WTZ-Abkommen mit der Sowjetunion) verwirklicht.

Im Zusammenhang mit dem Honecker-Besuch muß auch gesehen werden, daß von 1988 an auch Jugendgruppen aus West-Berlin in die DDR und Jugendgruppen aus der DDR nach West-Berlin reisen können. Eine entsprechende Vereinbarung über den Austausch von Jugendreisegruppen haben das Deutsche Jugendherbergswerk, Landesverband Berlin, sowie das Reisebüro der Freien Deutschen Jugend, Jugendtourist, kurz vor dem Besuch unterzeichnet

VIII. Fazit

Statusfragen sind politisch wie rechtlich von großem Gewicht. In unserer Öffentlichkeit werden sie bisweilen als bloß „formale“ Fragen eingeordnet. Diesem Mißverständnis unterliegen die DDR und die Sowjetunion nicht: 1. Die DDR und die Sowjetunion leugnen einen Vier-Mächte-Status für ganz Berlin und beschrän-ken ihn auf Berlin (West). Dieses betrachten sie als eine „besondere politische Einheit“, auch wenn diese Formel nach Abschluß des Vier-Mächte-Abkommens insbesondere auf Seiten der DDR seltener geworden ist. Vielfach umschreiben sie den Status von Berlin (West) nur „negativ“, aus einer angeblichen „Nichtzugehörigkeit“ von Berlin (West) zur Bundesrepublik. Sie gehen von einem besonderen Verhältnis von Berlin (West) auch zur DDR aus. Besonders die DDR hält sich alle rechtlichen Interpretationen offen, eines Tages sehr viel offensiver die Einbeziehung von West-Berlin in ihren Einflußbereich verlangen zu können. Sie betrachtet West-Berlin als vorläufig noch unter einem „Besatzungsregime“ stehend. Der Hinweis in der Völkerrechtslehre der DDR, West-Berlin habe einen mit früheren „Freien Städten“ (z. B. Danzig. Krakau) vergleichbaren Status, ist insoweit besonders aufschlußreich. als deren Autonomie meistens nur sehr kurzlebig war und diese von ihrem sie umgebenden bzw. angrenzenden Staat aufgesogen wurden. Die DDR lehnt eine eigentliche Drei-Staaten-Theorie ab. nach der West-Berlin ein völlig souveräner, völkerrechtlich anzuerkennender Staat sei. Das langfristige Ziel der DDR, die Isolierung West-Berlins, bleibt klar 2. Berlin-Politik ist nicht von der innerdeutschen Politik zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR zu separieren, für die die DDR die Zustimmung der Sowjetunion erfahren muß. Auch wenn dies offiziell bestritten wird: Gerade die Existenz Berlins und die vielfältigen politischen Komplikationen der damit zusammenhängenden politischen und statusrechtlichen Fragen geben der Sowjetunion vielfältige Möglichkeiten der Einwirkung auf die innerdeutsche Politik der DDR. Die DDR besitzt also keine volle Souveränität. 3. Es muß eine wichtige Zielsetzung für die DDR sein, die enge Kooperation zwischen den westlichen Alliierten einerseits, dem Senat von Berlin und der Bundesrepublik andererseits zu stören. Es muß auch ein Ziel der DDR-Politik sein, diejenigen politischen Kräfte in West-Berlin zu stärken, die einen Berliner Sonderweg zu gehen bereit sind, um diese gegenüber jenen auszuspielen, die die Berlin-Politik möglichst eng mit der Bundesrepublik verzahnt wissen wollen. 4. Neben der erstrebten Abwertung West-Berlins und dessen Isolierung ist es ein Hauptziel der DDR, eine Aufwertung des Ostteils der Stadt als „Berlin, Hauptstadt der DDR“ zu erreichen. Deshalb ist es für die DDR besonders wichtig, durch Staatsbesuche ausländischer Repräsentanten in Ost-Berlin den Sonderstatus ganz Berlins zu überlagern Dieser generellen Zielsetzung dient auch die weitestgehende Integration Ost-Berlins in das Regierungssystem der DDR, insbesondere die volle Einbeziehung der Ost-Berliner Abgeordneten in die Volkskammer. Aber auch Städtepartnerschaften Ost-Berlins mit westlichen Hauptstädten sollen dieser Aufwertung dienen, ebenfalls die Bemühungen um internationales Flair und internationalen Standard. 5. Das besondere Prestigebedürfnis der DDR und ihre Bemühungen um eine Aufwertung Ost-Berlins als „Hauptstadt“ stoßen aus vielen Gründen an natürliche Schranken. Das in dieser Politik liegende Risiko für die westliche Seite sollte also nicht überbewertet werden. Gleichwohl darf nicht verschwiegen werden, daß sich langfristig eine Schwierigkeit abzeichnet, die in einem Gegensatz zwischen der westlichen, auf die Bewahrung des Status gerichteten Berlin-Politik einerseits und der trotz aller Mängel des sozialistischen Systems mit einer gewissen dynamischen Tendenz versehenen östlichen Politik andererseits liegt 6. Die wichtigste Gegenstrategie gegenüber den Abwertungsbemühungen der DDR ist. West-Berlin in seiner Attraktivität als kulturelle, wissenschaftliche und wirtschaftliche Metropole zu stärken. Der Senat bedarf hierzu der Unterstützung des Bundes — auch finanziell! — .der anderen Bundesländer und nicht zuletzt der drei Schutzmächte. 7. Die grundlegende Bedeutung des Berlin-Status darf nicht dahin gehend mißverstanden werden, daß er den Westen zu einer bloß statischen Politik nötige. So sieht es auch das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin vor, in dem ausdrücklich festgehalten wird, „daß die Bindungen zwischen den Westsektoren Berlins und der Bundesrepublik Deutschland aufrechterhalten und entwickelt werden.“ Die Errichtung eines Umweltbundesamtes war der letzte deutliche Versuch einer institutioneilen Stärkung der Bundespräsenz in Berlin 8. Deutschland-und Berlin-Politik können nicht in erster Linie von Berlin aus „gemacht“ werden — wohl können und müssen Anstöße von dort gegeben werden. Isolierte Berliner Vorschläge ohne Abstimmung mit der Bundesregierung und mit den Alliierten sind eher zum Scheitern verurteilt.

9. Die Rahmenbedingungen der innerdeutschen Beziehungen beginnen sich zu verändern — mit Auswirkungen auf Berlin. Weitgehend unbemerkt sind wir in die Phase einer neuen Qualität der Deutschland-Politik eingetreten, weil die innerdeutschen Beziehungen durch föderale und kommunale Elemente immer mehrerweitert und aufgefächert werden. Schon ist das Wort von der „Föderalisierung der Deutschland-Politik“ geprägt worden. Die zunehmende Zahl von Städtepartnerschaften legt nahe, auch von einer „Kommunalisierung“ der Deutschland-Politik zu sprechen. Bei den stärker werdenden Bemühungen der einzelnen Bundesländer um direkte Kontakte zur DDR werden aber weder die Länder noch die Kommunen die innerdeutsche Rolle der Bundesregierung in Frage stellen können, die über die wesentlichen Zuständigkeiten und Ressourcen verfügt. Schwierigkeiten können entstehen, wenn deutsch-deutsche Regierungskommissionen die Arbeit aufnehmen sollen, bei denen die Länder beteiligt sind. Hier müßte Berlin (West) berücksichtigt werden. Auch die Bildung einer „Gemischten Kommission zur weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen“, wie sie im Gemeinsamen Kommunique anläßlich des Honecker-Besuches einvernehmlich festgelegt wurde, wirft berlinspezifische Überlegungen auf. Das sogenannte „Berliner Abkommen“ von 1951. das im Grundlagenvertrag bestätigt wurde, bezieht sich auf die „Währungsgebiete“, umschließt also Berlin (Ost) und Berlin (West) ebenso wie die beiden Staaten. Zuständig für die westliche Seite ist die Treuhandstelle für Industrie und Handel (TSI) in West-Berlin. Dort finden auch regelmäßige Verhandlungen mit dem Ministerium für Außenhandel der DDR statt. Die geplante Gemischte Kommission kann zweifelsohne wichtige Auswirkungen auf die in West-Berlin beheimatete Bundesinstitution TSI haben. Eine Schwächung dieser Einrichtung muß vermieden werden.

10. Die Sicherheit West-Berlins kann nur durch die Westmächte garantiert werden. Ihre Präsenz liegt also im Interesse der Bundesrepublik und der WestBerliner selbst. Es wäre gleichwohl lebensfremd, wenn die westlichen Alliierten nicht zugleich eigene Interessen hinsichtlich ihrer Präsenz in Berlin verfolgten. Denn Berlin-Politik kann ein wesentliches Instrument zur generellen Beeinflussung deutscher und europäischer Politik sein. Befürchtungen, die gelegentlich in den Hauptstädten der westlichen Alliierten hinsichtlich eines für möglich gehaltenen „deutschen Sonderweges“ geäußert werden, sind schon angesichts der starken Position der Alliierten in Berlin realitätsfern. Der besondere Status der Stadt und ihre Lebensfähigkeit können langfristig nur dann aufrechterhalten werden, wenn eine intensive Abstimmung der Deutschland-und Berlin-Politik — wie bisher — erfolgt und wenn insbesondere die Bevölkerung Berlins die westlichen Alliierten nicht als „Besatzungsmächte“, sondern als echte „Schutzmächte“ anerkennt.

11. Letztlich hängt an der Berlin-Frage die deutsche Frage, die nur bei einem Zusammenwirken der vier früheren Alliierten lösbar ist. Allerdings sorgt die Insellage Berlins dafür, daß die beiden Staaten in Deutschland miteinander in Verhandlungen, in Kooperation, treten müssen. Insoweit ist — bei allen unterschiedlichen Auffassungen in statusrechtlichen Fragen — die bloße Existenz Berlins bereits eine Mahnung zur Lösung der deutschen Frage.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe zur Geschichte des Berlin-Konfliktes u. a.: Dennis L Bark. Die Berlin-Frage 1949— 1955. Berlin-New York 1972; Jens Hacker. Die Rechtslage Berlins. Bonn-Berlin 1964; Hans Herzfeld. Berlin in der Weltpolitik 1945 — 1970. Berlin-New York 1973; Hans-Adolf Jacobsen/Gert Leptin/Ulrich Scheuner/Eberhard Schulz (Hrsg.). Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR. München-Wien 1979; Gerd Langguth. Innerdeutsche und internationale Aspekte der Berlin-Politik. in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 33-34/86; Dieter Mahncke. Berlin im geteilten Deutschland. München-Wien 1973; Diethelm Prowe. Weltstadt in Krisen. Berlin 1949— 1958. Berlin-New York 1973; Alois Riklin. Das Berlinproblem. Historisch-politische und völkerrechtliche Darstellung des Viermächtestatus. Köln 1964; Udo Wetzlaugk. Berlin und die deutsche Frage. Köln 1985; Ernst R. Zivier, Der Rechtsstatus des Landes Berlin. Berlin 1977.

  2. Forschungsinstitut der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (Hrsg.). Dokumente zur Berlin-Frage 1944— 1966 (abgekürzt: Dokumente). München 1967. S. 1.

  3. Ebd.. S. 75.

  4. Neues Deutschland vom 28. Oktober 1958.

  5. Ebd.

  6. Günter Görner. Die DDR gewährleistet friedlichen Westberlin-Transit, Berlin (Ost) 1969, S. 30.

  7. Siehe hierzu aus östlicher Sicht u. a.: Günter Görner. DDR gewährleistet friedlichen Transitverkehr von und nach West-Berlin, in: Deutsche Außenpolitik. (1968) 11; Herbert Kröger. Die Entmilitarisierung und Neutralisierung Westberlins — ein Schritt auf dem Weg zur Sicherung des Friedens. in: Einheit. (1958) 12; ders.. Die rechtlichen Grundlagen der sowjetischen Vorschläge zur Lösung der Berliner Frage, in: Deutsche Außenpolitik. (1959) 1; ders., Strikte Einhaltung des Westberlin-Abkommens — ein Gebot der Vernunft und des Rechts, in: Deutsche Außenpolitik. (1977) 12; Wolfgang Walter/Wolfgang Kleinwächter. Zur Entstehung des Vierseitigen Abkommens über Westberlin und zum Kampf um seine Verwirklichung, in: IPW-Forschungshefte. 13 (1978) 4; Rudolf Arzinger/Walter Poeggel. Westberlin — selbständige politische Einheit. Berlin (Ost) 1965; Gerhard Keiderling. Die Berliner Krise 1948/49 — Zur imperialistischen Strategie des kalten Krieges gegen den Sozialismus und der Spaltung Deutschlands. Berlin (Ost) 1982; Gerhard Keiderling/Percy Stulz. Berlin 1945 — 1968 — Zur Geschichte der Hauptstadt der DDR und der selbständigen politischen Einheit Westberlin. Berlin (Ost) 1970; Pjotr Abrassimow. Westberlin — gestern und heute. Berlin (Ost) 1981.

  8. Grundriß Völkerrecht. Berlin (Ost) 1983. S. 268.

  9. Dokumente (Anm. 2), S. 5.

  10. Ebd.. S. 11.

  11. Ebd.. S. 2.

  12. Ebd.

  13. Keiderling/Stulz (Anm. 7). S. 65.

  14. Grundriß Völkerrecht (Anm. 8). S. 267.

  15. Siehe auch Walter/Kleinwächter (Anm. 7). die von „Mitbesetzung Berlins“ durch die westlichen Alliierten sprechen.

  16. Siehe auch A. Riklin (Anm. 1). S. 250.

  17. Grundriß Völkerrecht (Anm. 8). S. 267.

  18. Dokumente (Anm. 2). S. 6.

  19. Keierling/Stulz (Anna. 7). S. 67.

  20. A. Riklin (Anm. 1), S. 242.

  21. Ebd., S. 243.

  22. Grundriß Völkerrecht (Anm. 8). S. 268.

  23. Ebd.

  24. Walter/Kleinwächter (Anm. 7). S. 11.

  25. A. Riklin (Anm. 1). S. 187.

  26. Ebd.

  27. Neues Deutschland vom 28. Oktober 1958.

  28. Ebd.

  29. Siehe zur Bewertung dieser Rede U. Wetzlaugk (Anm. 1). S. 150.

  30. Hierzu ausführlicher G. Langguth (Anm. 1).

  31. Aus dem Bericht des Politbüros an die 9. Tagung des ZK der SED vom 28. /29. Mai 1973. Berichterstatter: E. Honekker. in: Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDRMinisterium für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR (Hrsg.). Das Vierseitige Abkommen über Westberlin und seine Realisierung. Dokumente 1971 — 1977. Berlin (Ost) 1977. S. 141.

  32. Neues Deutschland vom 12. Mai 1977.

  33. Neues Deutschland vom 18. April 1986.

  34. Siehe hierzu Dokumente (Anm. 2). S. 301 ff.

  35. Arbeitsgemeinschaft für Völkerrecht beim Institut für Internationale Beziehungen an der Akademie für Staats-und Rechtswissenschaft der DDR (Hrsg ). Völkerrecht-Lehrbuch. Teil 1. Berlin (Ost) 1981. S. 156.

  36. Ebd.. S. 21.

  37. Ebd.. S. 157.

  38. Grundriß Völkerrecht (Anm. 8). S. 269.

  39. Ebd.

  40. Ebd.. S. 269f.

  41. Ebd., S. 270.

  42. Ebd.

  43. Völkerrecht-Lehrbuch (Anm. 36). S. 262.

  44. Tribüne vom 8. Oktober 1975; ebenfalls veröffentlicht in: Bundesminister für Innerdeutsche Beziehungen. Texte zur Deutschlandpolitik. II/3. Bonn 1976. S. 440ff.

  45. Presse-und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.). Die Berlin-Regelung. Das Viermächte-Abkommen über Berlin und die ergänzenden Vereinbarungen. Bonn (o. J.). S. 159.

  46. Texte zur Deutschlandpolitik (Anm. 57). S. 446.

  47. Gesetzblatt der DDR. Teil 1. 1972. Nr. 11. S. 155. veröffentlicht in: Das Vierseitige Abkommen (Anm. 32), S. 105.

  48. Neues Deutschland vom 26. /27. März 1977, zitiert in: Das Vierseitige Abkommen (Anm. 32), S. 311.

  49. Neues Deutschland vom 31. Mai 1977.

  50. Siehe hierzu insbesondere Hans Heinrich Mahncke. Das Hauptstadtproblem, in: Jacobsen/Leptin/Scheuner/Schulz (Anm. 1). S. 109 ff.

  51. Udo Wetzlaugk, Berlin und die deutsche Frage. Köln 1985. S. 98.

  52. Dokumente (Anm. 2). S. 253 ff. Siehe auch die Verordnung vom 14. Februar 1958. ebd.. S. 277 ff.

  53. Neues Deutschland vom 13. November 1960.

  54. Dokumente (Anm. 2), S. 463f.; siehe zu den Aufwertungsbemühungen als „Hauptstadt“ auch Gerd Langguth. Die Berlin-Politik der DDR, Melle 1987.

  55. Im Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag vom 20. September 1955 hatten die Außenminister der DDR und der Sowjetunion. Bolz und Sorin, in einem Briefwechsel vom gleichen Tage die DDR verpflichtet, die sowjetischen Zusagen aus dem New Yorker Abkommen über die Aufhebung der Berliner Blockade vom 4. Mai 1949 zu akzeptieren. In dem Schreiben des DDR-Außenministers Bolz wird u. a. folgendes bestätigt: „Die Kontrolle des Verkehrs von Truppen-personal und Gütern der in Westberlin stationierten Garnisonen Frankreichs. Englands und der USA zwischen der Deutschen Bundesrepublik und Westberlin wird zeitweilig bis zur Vereinbarung eines entsprechenden Abkommens vom Kommando der Gruppe der sowjetischen Truppen in Deutschland ausgeübt." (Dokumente [Anm. 2]. S. 241).

  56. Abgedruckt in: Dokumente (Anm. 2). S. 239ff.

  57. Ebd.. S. 208.

  58. Ebd.. S. 209.

  59. Dokumente (Anm. 2). S. 555. In Art. 9 dieses Vertrages heißt es ausdrücklich: „Dieser Vertrag berührt nicht Rechte und Pflichten der beiden Seiten aus geltenden zweiseitigen und anderen internationalen Abkommen einschließlich des Potsdamer Abkommens.“ Darüber hinaus wurde sogar die Zielsetzung eines „friedliebenden, demokratischen, einheitlichen deutschen Staates" proklamiert.

  60. Ebd., S. 544.

  61. Ebd., S. 545.

  62. Ebd.. S. 556.

  63. Einseitige Schritte der sowjetischen Regierung könnten die Rechtslage Berlins in keiner Weise ändern. Die Westmächte wiesen noch einmal darauf hin. daß sie auch unter Vorbehalt ihrer Rechte, aber mit Rücksicht auf die Notwendigkeiten der Entwicklung der Stadt die Herstellung enger Bindungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland genehmigt haben, „und zwar einschließlich der Erlaubnis, daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die Vertretung Berlins und der Berliner Bevölkerung nach außen wahrnimmt. Diese Bindungen, die als solche für die Lebensfähigkeit Berlins wesentlich sind, sind in keiner Weise unvereinbar mit dem Vier-Mächte-Status der Stadt und werden auch in Zukunft aufrecht erhalten werden.“ (Dokumente [Anm. 2], S. 556f.).

  64. Tribüne. Berlin (Ost) vom 8. Oktober 1975; veröffentlicht ebenfalls in: Texte zur Deutschlandpolitik (Anm. 45), S. 440 ff.

  65. Ebd., S. 443.

  66. Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen. Texte zur Deutschland-Politik. Bd. 11. Bonn 1973, S. 325.

  67. Siehe hierzu die besonders verdienstvolle Arbeit von Gerhard Wettig. Die Sowjetunion, die DDR und die Deutschland-Frage. Stuttgart 1976. S. 101 ff.

  68. Siehe insbesondere die Berichterstattung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 9. Juni 1986 und 24. Juli 1986.

  69. „Thesen — 750 Jahre Berlin“, Neues Deutschland vom 14. /15. Dezember 1985.

  70. Aus dem Schlußwort des Generalsekretärs des ZK der SED. Erich Honecker, XVI. Bezirksdelegierten-Konferenz Berlin der SED. 11. und 12. Februar 1984. Berlin 1984. S. 137. zitiert nach: Neues Deutschland vom 14. /15. Dezember 1985.

  71. Neues Deutschland vom 14. /15. Dezember 1985.

  72. Neues Deutschland vom 24. /25. Oktober 1987.

  73. Der Tagesspiegel vom 11. Dezember 1986; siehe hierzu auch Süddeutsche Zeitung vom 11. Dezember 1986 („Alliierte sorgen sich um Berlin-Status“).

  74. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. April 1987.

  75. Diese Forderungen wiederholte Reagan in seiner wöchentlichen Radioansprache am 8. August 1987 in den USA; zitiert nach: US-Policy Information and Texts. Nr. 141, 10. August 1987.

  76. Ebd.. S. 4.

  77. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23. Juni 1987.

  78. Neues Deutschland vom 22. Juni 1987.

  79. Eine erste Bewertung zum Honecker-Besuch gibt Wilhelm Bruns. Nach dem Honecker-Besuch — und wie weiter?. in: Außenpolitik. 38 (1987) 4. S. 345ff.; vgl. darüber hinaus Peter Jochen Winters. Vereinbarungen über Technisches. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. September 1987.

  80. Veröffentlicht im Bulletin der Bundesregierung. Nr. 83 vom 10. September 1987, S. 710 ff.

  81. Zwar wurde die seit 1984 geforderte Gleichstellung der West-Berliner mit Bewohnern grenznaher Kreise in der Bundesrepublik (bei Reisen in grenznahe Kreise der DDR) insofern nicht erreicht, als nur die letzteren neben Ein-Tages-Reisen auch Zwei-Tages-Reisen ohne langwierige Voranmeldung unternehmen können. Für Berlin bleibt es bei Ein-Tages-Reisen. Eine Angleichung erfolgte aber z. B. bei der Geltungsdauer der „Mehrfachberechtigungsscheine“ für Besuche in Ost-Berlin und in der DDR. Sie gelten jetzt — wie schon im „grenznahen Verkehr“ — sechs Monate statt bisher drei. Schäuble betonte, daß anläßlich des Honecker-Besuches sehr intensiv über diese Fragen des Reise-und Besu-cherverkehrs gesprochen wurde und daß die DDR bereits am 20. August 1987 den Senat von Berlin über mögliche Erleichterungen und Vereinfachungen informiert hat. die im Rahmen der Gespräche in Bonn „ausdrücklich bestätigt“ worden sind. Der Bundeskanzler habe Honecker darauf aufmerksam gemacht, „daß wir über diese Verbesserungen hinaus weitere Erleichterungen im Reise-und Besucherverkehr für die Berliner wünschen und erforderlich halten“. Hervorzuheben ist schließlich, daß nach den Erläuterungen von Bundesminister Schäuble auch über den Berliner Transitverkehrsübergang Staaken gesprochen wurde, sowie darüber, daß die Gespräche über Kontakte und Verbindungen in den beiden Teilen der geteilten Stadt wieder aufgenommen werden sollen.

  82. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9. September 1987.

  83. Dies zeigt sich beispielsweise in einer Diskriminierung von West-Berliner Bundestagsabgeordneten bei Besuchen von Bundestagsdelegationen in der DDR. Eine besondere Form der Diskriminierung lag vor. als sich die Sowjetunion weigerte, zwei West-Berliner Bundestagsabgeordnete (die beiden SPD-Politiker Dietrich Stobbe, ehedem Regierender Bürgermeister von Berlin, und Paul Heimann, ehedem Berliner Bundessenator) als Delegationsmitglieder des Auswärtigen Ausschusses in Moskau zu empfangen. Deshalb sagte der Ausschußvorsitzende Stercken (CDU) diese Delegationsreise ab (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. November 1987).

  84. Für einen Besuch des Bundeskanzlers in Ost-Berlin stellt Berlins Bundes-und Justizsenator Professor R. Scholz allerdings folgende rechtlich interessante Überlegung an: „Die DDR kann ihre Regierungsorgane in der ganzen Welt haben, sie kann sie theoretisch überall installieren. Sie darf nur damit nicht einen Souveränitätsanspruch über Ost-Berlin verbinden.“ Die Tatsache, „daß die Regierungsorgane der DDR bekanntlich in Ost-Berlin ihren Sitz haben“, sei „für sich genommen kein rechtliches Problem.“ (Deutschland Archiv [1987] 10. S. 1120).

  85. Vgl. in diesem Zusammenhang ein „Szenario“ in: G. Langguth (Anm. 1), S. 44f.

  86. Siehe zur Kontroverse hinsichtlich des Ausbaues der Bundespräsenz: Wilhelm Kewenig. Quo vadis Berlin?, in: Die Zeit vom 20. Februar 1987; Peter Bender, Versöhnung mit dem alten Gegner, in: Die Zeit vom 6. März 1987; vgl. auch Wilhelm Kewenig. Deutschlandpolitik im Dreieck Berlin-Bonn-Berlin, Deutschland Archiv (1987) 11.

Weitere Inhalte

Gerd Langguth. Dr. phil., geb. 1946; Lehrbeauftragter im Fach Politische Wissenschaft an der Universität Bonn, von 1976 bis 1980 Mitglied des Deutschen Bundestages, von 1981 bis 1985 Direktor bei der Bundeszentrale für politische Bildung, 1986 Bevollmächtigter des Landes Berlin beim Bund und Staatssekretär (bis 1987). Veröffentlichungen u. a.: Jugend ist anders — Portrait einer jungen Generation. Freiburg-Basel-Wien 1983; Protestbewegung — Entwicklung. Niedergang, Renaissance. Die Neue Linke seit 1968. Köln 1984; Der grüne Faktor — Von der Bewegung zur Partei?. Zürich 1985; The Green Factor in German Politics, Boulder/Colorado-London 1986; Innerdeutsche und internationale Aspekte der Berlin-Politik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 33— 34/86; Wie steht die junge Generation zur deutschen Teilung?, in: Politische Studien. Nr. 289, September/Oktober 1986; Die Deutschlandpolitik der Grünen, in: M. Langner (Hrsg.), Die Grünen auf dem Prüfstand, Bergisch Gladbach 1987; Die Berlin-Politik der DDR, Melle 1987. Berlin and the „German Question“ — The Berlin-Policy of the German Democratic Republic, Boulder-London 1988 (i. E.).