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Die Deutsche Konföderation — der große nationale Kompromiß als tragendes Element einer neuen europäischen Friedensordnung | APuZ 50/1987 | bpb.de

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APuZ 50/1987 Artikel 1 Die rechtliche und politische Funktion eines Friedensvertrages mit Deutschland Die Deutsche Konföderation — der große nationale Kompromiß als tragendes Element einer neuen europäischen Friedensordnung Der Status Berlins aus Sicht der DDR Eine kritische Bestandsaufnahme

Die Deutsche Konföderation — der große nationale Kompromiß als tragendes Element einer neuen europäischen Friedensordnung

Theodor Schweisfurth

/ 51 Minuten zu lesen

I. Die Aktualität der Konföderationsidee

Die Deutsche Konföderation — welch ein surrealistisches Sujet! Das mögen Zeitgenossen ausrufen, die sich zugute halten, die Möglichkeiten deutscher Politik „realistisch“ einzuschätzen. Man wird sich vielleicht dunkel erinnern an Konföderationsvorschläge der DDR; aber die sind lange her. Während des Besuchs Erich Honeckers in der Bundesrepublik Deutschland vom 7. bis 11. September 1987 fiel das Stichwort „Deutsche Konföderation“ von keiner Seite. Bundeskanzler Kohl sagte nur, daß die Zielsetzung der Präambel des Grundgesetzes, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, nicht zur Disposition stehe, aber eben auch, daß die Lösung der deutschen Frage zur Zeit kein Tagesordnungspunkt der Weltgeschichte sei. „Konzentrieren wir uns in diesen Tagen auf das Machbare und bleiben wir uns auch einig, die zur Zeit unlösbaren Fragen nicht in den Vordergrund zu stellen.“ Und der Staatsratsvorsitzende der DDR wiederholte seine stereotype Formel, „daß Sozialismus und Kapitalismus sich ebensowenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser“ Für beide gilt nach ihrem Gemeinsamen Kommunique, daß der Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 „Grundlage und Rahmen für die Beziehungen zwischen beiden Staaten bildet“

Auch ein anderes Stichwort fiel offiziell nicht beim deutsch/deutschen Gipfeltreffen: Wiedervereinigung; obwohl es unausgesprochen im Hintergrund stand — für den einen (Kohl) hochgradig dilatorisch, für den anderen (Honecker) vordergründig ablehnend. Ob zwischen Wiedervereinigung und Grundlagenvertrag noch eine dritte Alternative — eben eine Konföderation — diskutabel sein könnte, dazu äußerten sich die deutschen Staatschefs nicht.

Westdeutschen Politikern, Publizisten oder Historikern, die sich als deutschlandpolitische Trendsetter verstehen, indem sie. schon geraume Zeit vor dem Honecker-Besuch, das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes (so zum Beispiel Schmude) bzw.den (deutschen) Nationalstaat (so zum Beispiel Stürmer) für obsolet erklärten muß die Idee einer möglicherweise zur Rekonstruktion des deutschen Nationalstaates führenden Konföderation als völlig verstaubtes Gedankengut, als Unterminierung der Entspannungspolitik oder als historischer Anachronismus erscheinen.

Wenn nicht auf deutsch/deutschen Gipfeltreffen, so sind doch anderenorts Anzeichen für Versuche erkennbar. die Konföderationsidee in die öffentliche Debatte einzubringen. So wußte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen Ende September 1987 zu berichten, aus Moskau si verlautet, der Generalsekretär der KPdSU Gorbatschow habe im Januar vier sowjetische Deutschland-Experten — Falin, Arbatow, Portugalow und Melnikow — beauftragt, jeweils ein Gutachten zu verfassen, die der Moskauer Führung als Grundlage für „eine Konzeption für eine Konföderation beider deutscher Staaten bei Abzug aller Stationierungsstreitkräfte aus der DDR und der Bundesrepublik“ dienen sollten Für „deutschlandpolitische Planspiele im Kreml“ gibt es auch sonst noch Indizien. So sagte Falin im ZDF-Magazin „Kennzeichen D“, falls der Prozeß der Abrüstung und Entspannung fortgesetzt werden könne, gehe es „um Größeres“ als den bisher im Berlin-Abkommen von 1971 geregelten Status der Stadt; verschiedene „sehr interessante Modelle“ seien vorstellbar; konkret nannte er „den Rückzug ausländischer Truppen von deutschem Territorium“

In der deutschland-und sicherheitspolitischen Debatte in der Bundesrepublik haben sich vereinzelte Bundestagsabgeordnete zu Wort gemeldet. In seinem Thesenpapier „Wiedervereinigung als Sicherheitskonzept“ hat der CDU-Abgeordnete Friedmann „auch eine Konföderation“ auf dem Weg zur Einheit als denkbar bezeichnet Friedmanns Ge-dankengängen folgend, hat der CDU-Abgeordnete Hedrich ebenfalls ein Thesenpapier erarbeitet, in dem er Verhandlungen über einen deutschen Friedensvertrag vorschlägt und „die Bildung einer Konföderation aus den beiden deutschen Staaten“ fordert Das Fraktionsmitglied der Grünen, der Abgeordnete Mechtersheimer, hält „die Idee einer Konföderation“ für „durchaus realistisch, sie wird auch in der DDR diskutiert“ Diesen drei Abgeordneten ist es gelungen, wenigstens zeitweise das Konföderationsthema in einem Teil der überregionalen Presse zur Sprache zu bringen, die bis dahin die schon seit 1981 in Kreisen der Friedensbewegung laufende Debatte über eine deutsche Konföderation und den Abschluß eines deutschen Friedensvertrages mit einem Mantel des Schweigens bedeckt hatte. In der Friedensbewegung ging (und geht) es dabei darum, die militärtechnokratische Eindimensionalität der Nachrüstungs-und Abrüstungsdebatte zu überwinden und sie in die Debatte über die politische Lösung des europäischen Sicherheitsproblems zu überführen Dahin gehen offenbar auch die Gedanken der drei Abgeordneten. Unabhängig vom derzeitigen Schweigen der deutschen Regierungschefs zur Konföderationsidee, unabhängig auch davon, ob sich die Mutmaßungen über „deutschlandpolitische Planspiele des Kreml“ zu einem regierungsamtlichen Vorschlag aus Moskau verdichten oder nicht, ist es an der Zeit, sich über eine deutsche Konföderation sowohl als deutschland-wie als sicherheitspolitisches Konzept Gedanken zu machen. „Wir sind aufgerufen, an einer großen Aufgabe mitzuwirken: der Aufgabe, eine europäische Friedensordnung zu gestalten, die die Spaltung Europas überwindet. Völker und Staaten zusammenführt und für die Menschen die Grenzen öffnet“, lautete ein Passus in der Tischrede des Bundeskanzlers in der Godesberger Redoute Es fragt sich, ob dieser Aufgabe deutscherseits hinreichend entsprochen wird, wenn sich die deutschen Staaten auf die im übrigen voll zu unterstützende Möglichkeit beschränken, den Grundlagenvertrag „weiter auszuschöpfen“, wie es im Gemeinsamen Kommunique heißt, anstatt diesen Vertrag bis zur Bildung einer Deutschen Konföderation fortzuentwickeln. Denn gerade eine Konföderation könnte zum „stabilisierenden Faktor für konstruktive Ost-West-Beziehungen“ werden, der nach Auffassung beider deutscher Regierungschefs kennzeichnend sein soll für das Verhältnis beider deutscher Staaten zueinander Eine Deutsche Konföderation könnte zu einem tragenden Element jenes gesamteuropäischen politischen Gebäudes werden, das bisher noch nicht einmal als Entwurf, wohl aber als Idee vorhanden ist. die in Bonn unter dem Signum „Neue Europäische Friedensordnung“ und in Moskau unter dem Signum „unser gemeinsames Haus Europa“ kursiert.

Die Konföderationsidee ist indessen in der Vorstellung vieler behaftet mit dem Makel des Scheiterns des seinerzeitigen Konföderationsvorschlags der DDR. Um ein Urteil über die Tauglichkeit dieser Idee für die Gegenwart und Zukunft zu gewinnen, ist es daher zunächst notwendig, sich den alten Vorschlag noch einmal in Erinnerung zu rufen und die damaligen westdeutschen Ablehnungsgründe auf ihre heutige Überzeugungskraft hin zu überprüfen.

II. Der DDR-Vorschlag zur Bildung einer deutschen Konföderation 1956-1966

Zunächst eine für den einen oder anderen sicher überraschende Feststellung: die Idee einer deutschen Konföderation stammt nicht aus dem roten Sachsen, sondern sie stammt aus Bayern. An den verschiedensten Stellen findet man immer wieder den Hinweis, der ehemalige Finanzminister Schäf-fer habe sie auf einem Besuch in Ost-Berlin im Herbst 1956, zu dem er sich durch die Polen-Krise und den Ungarnaufstand gedrängt sah, lanciert Ulbricht selbst hatte im Oktober 1958 die Katze halb aus dem Sack gelassen: Die Idee der Konföderation sei das Ergebnis einer Aussprache zwischen einem „namhaften Mitglied der Bonner Regierung und unseren Vertretern“ gewesen; der „betreffende . . . Herr Minister der CDU/CSU" habe „die Frage der Konföderation in die Diskussion“ geworfen, „inoffiziell“ versteht sich, und er, Ulbricht, habe kurze Zeit danach dies als einen Vorschlag bezeichnet, „über den man ernsthaft nachdenken muß“ Später im Januar 1959, nannte Ulbricht Roß und Reiter, eben „Dr. Schäffer“ Ein Dementi Schäffers ist nicht bekannt. Staatsordnungspolitisch gesehen ist der bayerische Ursprung der „Konföderationsidee durchaus einleuchtend: ein konföderiertes Deutschland entspricht eher den bayerischen partikularistischen Traditionen als den — für das Gebiet der DDR durch die Auflösung der Länder ja auch verwirklichten — zentralistischen Zielvorstellungen eines sächsischen Kommunisten

Der Vorschlag einer deutschen Konföderation ist rund ein Jahrzehnt, von der Jahreswende 1956/57 bis etwa 1966, auf der Agenda der Deutschlandpolitik der DDR gewesen. Selbstverständlich ist er nicht isoliert, sondern immer eingebettet in die jeweilige deutschlandpolitische Gesamtlage zu sehen. Aus ihr nur sind sein wechselnder Stellenwert, seine Verschiedenheiten und seine Verknüpfung mit anderen Vorschlägen, insbesondere dem deutschen Friedensvertrag, zu sehen und zu beurteilen. Im folgenden können nicht alle Detail-Äußerungen der zehnjährigen DDR-Konföderationspolitik wiedergegeben werden. Die Darstellung wird sich auf die wohl wichtigsten Dokumente beschränken.

Daß Ulbricht Schäffers Idee Ende 1956 aufgriff, hat seine Gründe. „Die Gruppe um Ulbricht war insbesondere 1956 überwiegend damit beschäftigt, die Rückwirkungen des sowjetischen (XX.) Parteitags wie der polnischen und ungarischen Ereignisse auf die DDR in Grenzen zu halten und die innerparteiliche Opposition (die Gruppe Harich, Oelßner, Schirdewan) auszumanövrieren.“ *) Es ist gewiß nicht abwegig anzunehmen, daß Ulbricht fürchtete, das ungarische oder zumindest das polnische Beispiel könnten in der DDR Schule machen; in der ungelösten nationalen Frage lag in Deutschland zusätzlicher Zündstoff bereit; die Blockade der Wiedervereinigung führten viele nicht zuletzt auf Ulbricht und dessen Deutschlandpolitik zurück.

Nachdem Chruschtschow, von der Genfer Gipfelkonferenz — 23. Juli 1955) zurückkehrend, eine „mechanische Vereinigung beider Teile Deutschlands“. das heißt eine Vereinigung mittels freier Wahlen, abgelehnt und Ost-Berlin dementsprechend eine Lösung der deutschen Frage nur durch eine Annäherung beider deutscher Staaten für erreichbar erklärt hatte kam die Konföderationsidee wie gerufen: sie lieferte eine (relative) Konkretisierung der „Annäherung“ und demonstrierte Ulbrichts Flexibilität in der Wiedervereinigungsfrage. In ihrem Ursprung ist die Konföderationsidee also aus der Wiedervereinigungsfrage hervorgegangen, indem sie als alternativer Prozeß zur Wiedervereinigung mittels freier Wahlen angeboten wurde. Unverkennbar geht dies aus Ulbrichts ersten Stellungnahmen zur Konföderation hervor: „Ist es also nicht notwendig, daß im Interesse der Wiedervereinigung die Arbeiterklasse ganz Deutschlands gemeinsam den Kampf gegen den Militarismus und die Herrschaft der großen Monopole in Westdeutschland führt und zu diesem Zweck eine Verständigung zwischen den Arbeiterparteien und Gewerkschaften ganz Deutschlands erfolgt? Nachdem in Deutschland zwei Staaten mit verschiedenen gesellschaftlichen Systemen bestehen, ist es notwendig. zunächst eine Annäherung der beiden deutschen Staaten herbeizuführen, später eine Zwischenlösung in Form der Konföderation oder Föderation zu finden, bis es möglich ist. die Wiedervereinigung und wirklich demokratische Wahlen zur Nationalversammlung zu erreichen.“

Nach diesem wohl ersten Hinweis Ulbrichts auf die Konföderation in einem Grundsatzartikel zum Jahresende 1956 wurden Ulbrichts Vorstellungen über „Annäherung“ und Konföderation in einem Referat auf der 30. ZK-Tagung der SED Anfang Februar 1957 verdeutlicht. Die „Annäherung“ als Voraussetzung der Bildung einer Konföderation verstand Ulbricht nicht als Annäherung beider deutscher Staaten, sondern als Annäherung Westdeutschlands an die DDR. Ulbricht verlangte:

— den Austritt der Bundesrepublik aus der NATO und anderen militärischen Gruppierungen;

— die Abschaffung der Wehrpflicht;

— den Verzicht auf die Politik der Remilitarisierung; — die beiderseitige Begrenzung der Streitkräfte und Errichtung eines Systems kollektiver Sicherheit; — die Schaffung einer Zone verminderter Rüstung unter Teilnahme beider Teile Deutschlands;

— die Entfernung der „führenden Nazifunktionäre aus dem Staats-und Wirtschaftsapparat Westdeutschlands“; — die Ausschaltung „militärischer und imperialistischer Kräfte“;

— den Verzicht auf die „Politik der Refaschisierung“; — die Schaffung des Fundaments des einigen Deutschlands durch „die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Mittelschichten und Kreisen des nationalen Bürgertums“;

— Liquidierung der „Herrschaft der Monopole“;

— Volksabstimmung über die „Überführung der Schlüsselindustrien in Volkseigentum“;

— Aufhebung des Betriebsverfassungsgesetzes;

— Herstellung der vollen Rechte der Arbeiter, einschließlich der Arbeiterkontrolle in Großbetrieben; — Beseitigung der Vorrechte der Großgrundbesitzer; — demokratische Bodenreform (Enteignung des Besitzes über 100 ha);

— Herstellung der „vollen demokratischen Rechte der werktätigen Bauern“;

— Beseitigung aller Maßnahmen des Finanzkapitals. „die den Mittelstand benachteiligen und Gewährleistung der Rechte der Handwerksorganisationen und anderer Organisationen des Mittelstandes“;

— Durchführung einer Schulreform

Nach Erfüllung dieser Voraussetzungen sollte ein paritätisch zusammengesetzter „Gesamtdeutscher Rat“ aufgrund der in beiden Teilen Deutschlands geltenden Wahlgesetze gebildet werden. Er sollte das „Organ der Vereinigung Ost-und Westdeutschlands auf der Grundlage der Konföderation, das heißt eines Staatenbundes“ sein, „die Funktion einer Regierung der deutschen Konföderation ausüben“, Maßnahmen für die Herstellung einer einheitlichen Verwaltung in Deutschland vorbereiten (insbesondere Zoll-und Valuta-Union, Koordinationskommission für Fragen der nationalisierten Industrie, einheitliche Notenbank, einheitliche Währung, einheitliches Transport-und Nachrichtenwesen u. a.) und Maßnahmen für die Durchführung von freien gesamtdeutschen Wahlen zur Nationalversammlung festlegen, die ihrerseits eine Verfassung auszuarbeiten und aus ihrer Mitte eine Regierung zu bilden habe, „die dem Frieden, der Demokratie und dem Fortschritt dient und in der kein Platz ist für eine imperialistische Politik“ -Was Ulbricht da Anfang 1957 präsentiert hatte, war kein Vorschlag zur Bildung einer Konföderation zwischen beiden deutschen Staaten. Ulbrichts Forderungen sind noch ganz im Geist der Wiedervereinigungspolitik jener Jahre konzipiert. Dieser Geist zeichnete sich dadurch aus, daß die Lösung des Systemkonfliktes durch Übertragung des eigenen Systems im Zuge der Wiedervereinigung auf den anderen Teil Deutschlands erhofft und angestrebt wurde. Dies galt für alle politischen Gruppierungen und Parteien in allen Teilen Deutschlands; es war die Zeit, in der die „Bürgerkriegstheorie“ zur Erklärung der Rechtslage Deutschlands und insbesondere des Verhältnisses beider deutscher Regierungen entstehen und florieren konnte. War das Vehikel der einen Seite die Forderung nach freien Wahlen, so setzte Ulbricht nunmehrden „Konföderationsvorschlag“ entgegen, der, gekoppelt mit der Erfüllung der von ihm genannten „Voraussetzungen“, zu einer Wiedervereinigung unter Erstrekkung der gesellschaftlich-politischen Ordnung der DDR auf Westdeutschland führen sollte.

Ein Staatenbund — und „Konföderation“ ist ja nur das lateinische Wort dafür — beeinträchtigt nicht die Unabhängigkeit und damit auch nicht die innere Souveränität der sich zusammenschließenden Staaten; der Zusammenschluß muß auf der Basis der Gleichberechtigung erfolgen, nicht aber der Abhängigkeit des einen vom anderen Mit seinen auf die Angleichung der inneren Ordnung Westdeutschlands an die der DDR abzielenden „Voraussetzungen“ der Bildung einer Konföderation strebte Ulbricht aber die (gesellschaftlich-politische) Abhängigkeit der Bundesrepublik von der DDR an. Es ging Ulbricht nur vordergründig um einen Staatenbund, der Sache nach um die Wiedervereinigung. das heißt um die Wiederherstellung gesamtdeutscher Staatlichkeit. Wenn Ulbricht als „Zwischenlösung“ der Wiedervereinigung die „Form der Konföderation oder Föderation“ vorschlägt. wenn er den „Gesamtdeutschen Rat“ als „Organ der Vereinigung“ Deutschlands bezeichnet. wenn dieser Rat „die Funktion einer Regierung der deutschen Konföderation ausüben“ soll, während doch ein Staatenbund nie eine „Regierung“ als Organ hat. und wenn diese „Regierung“ Maßnahmen zur Herstellung einer einheitlichen Verwaltung und zur Durchführung für Wahlen zur Nationalversammlung treffen soll, die eine gesamtdeutsche Verfassung ausarbeiten soll, dann wird deutlich, daß Ulbricht der Sache nach einen Fusionsvertrag unter dem Etikett eines Staatenbundes präsentiert.

Der eigentliche Konföderationsvorschlag der DDR kam erst ein paar Monate später, und zwar nunmehr regierungsamtlich. Schon Mitte Februar 1957 erläuterte Grotewohl, „was wir unter Konföderation verstehen“. Auch er beharrte auf der Ablehnung freier gesamtdeutscher Wahlen, weil dies „zu einem großen, ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Durcheinander führen“ müßte. Gleichzeitig aber lag in seinen Erläuterungen ein Abrücken von Ulbrichts „Voraussetzungen“ für die Schaffung einer deutschen Konföderation: „Eine solche Konföderation stellen wir uns als einen losen Staatenbund vor. Der Staatenbund bedeutet eine grundsätzliche, dauernde Vereinigung mehrerer unabhängiger Staaten durch einen völkerrechtlichen Vertrag zur gemeinsamen Erreichung umfassender politischer Gesamtzwecke. Diese Konföderation geht von der prinzipiellen Auffassung aus, daß zunächst die beiden deutschen Staaten in ihrer gegenwärtigen Form, in ihrem Inhalt und in ihrer ganzen Lebensweise selbständig bestehen bleiben. Diese Konföderation schafft keine über den einzelnen Staaten stehende selbständige Staatsgewalt. Der eine kann nicht den anderen bedrücken, vergewaltigen. sondern er erkennt den anderen an. Es besteht also keinerlei Herrschaftsverhältnis der beiden Staaten übereinander.“

Damit war die (von Ulbricht erstrebte) Lösung des Systemkonflikts von der Bildung einer Konföderation erst einmal abgekoppelt. Nach Grotewohl war die Bildung einer Konföderation „beileibe nicht . . . ein politischer Idealzustand“, sondern nur ein „Zwischenstadium“, „das die Möglichkeit einer wirklichen Annäherung (beider deutscher Staaten) schaffen kann“. Dementsprechend sollte das Konföderationsorgan, der „Gesamtdeutsche Rat“, weder ein „Organ der Vereinigung“ sein, noch die „Funktion einer Regierung“ ausüben, sondern lediglich eine „Dachorganisation“ darstellen, die „die Möglichkeit der Verhandlungen“ schaffen sollte. Auf diesem Wege sollte es möglich sein „die deutschen Menschen überhaupt einmal wieder dazu zu bringen, daß sie lernen, eine gemeinsame Nation zu sein“

Den regierungsamtlichen Konföderationsvorschlag gab Grotewohl am 27. Juli 1957 bekannt. Danach sollte der „Anfang einer deutschen Konföderation“ ein Abkommen zwischen beiden deutschen Staaten „über die Durchführung einer gemeinsamen Politik in bestimmten Fragen“ sein; zu diesen zählte er: — ein Verbot der Lagerung und der Herstellung von Atombomben und -waffen auf dem Boden Deutschlands sowie ein Verbot der Propagierung des Atomkrieges zu vereinbaren;

— das Ausscheiden beider deutscher Staaten aus der NATO und aus dem Warschauer Vertrag sowie die Aufhebung der Wehrpflicht und Vereinbarung über die beiderseitige Truppenstärke; — gemeinsame oder einzelne Ersuchen an die vier Mächte auf baldige schrittweise Zurückziehung ihrer Truppen aus ganz Deutschland.

Dieser Beginn könnte im weiteren zu Absprachen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Verbindungen, der Zoll-und Währungsangelegenheiten, des Verkehrs-und Nachrichtenwesens, der mit dem Status von Berlin verbundenen Fragen sowie der Aufhebung Juli 1957 bekannt. Danach sollte der „Anfang einer deutschen Konföderation“ ein Abkommen zwischen beiden deutschen Staaten „über die Durchführung einer gemeinsamen Politik in bestimmten Fragen“ sein; zu diesen zählte er: — ein Verbot der Lagerung und der Herstellung von Atombomben und -waffen auf dem Boden Deutschlands sowie ein Verbot der Propagierung des Atomkrieges zu vereinbaren;

— das Ausscheiden beider deutscher Staaten aus der NATO und aus dem Warschauer Vertrag sowie die Aufhebung der Wehrpflicht und Vereinbarung über die beiderseitige Truppenstärke; — gemeinsame oder einzelne Ersuchen an die vier Mächte auf baldige schrittweise Zurückziehung ihrer Truppen aus ganz Deutschland.

Dieser Beginn könnte im weiteren zu Absprachen auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Verbindungen, der Zoll-und Währungsangelegenheiten, des Verkehrs-und Nachrichtenwesens, der mit dem Status von Berlin verbundenen Fragen sowie der Aufhebung des Verbotes demokratischer Parteien und Organisationen in Westdeutschland führen. Der aus Vertretern beider Parlamente zu schaffende Gesamtdeutsche Rat (mit beratendem Charakter) sollte Maßnahmen empfehlen und beschließen, die der schrittweisen Annäherung der beiden deutschen Staaten dienen. Die „von den Körperschaften der Konföderation in gegenseitigem Einvernehmen angenommenen Empfehlungen und Beschlüsse“ sollten von beiden deutschen Regierungen „nur freiwillig durchgeführt werden“. Die Konföderation wurde so als „konkreter Weg der allmählichen Annäherung beider deutscher Staaten“ verstanden 24).

Die (sofortige) Lösung des Systemkonfliktes blieb auch in diesem regierungsamtlichen Vorschlag ausgeklammert 25). Die Wiedervereinigung blieb als Perspektive im Visier: „Die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik macht darum diesen Vorschlag aus tiefer nationaler Verantwortung. Sie hat niemals daran gedacht und denkt nicht daran, sich mit der Existenz zweier deutscher Staaten abzufinden. Sie kämpft gemeinsam mit allen deutschen Patrioten unermüdlich für die Erreichung des hohen Zieles der Wiedervereinigung Deutschlands.“ Ein deutscher Staatenbund würde die (von ihm) „unabhängige Schaffung einer kontrollierten Zone der Begrenzung der Streitkräfte und Rüstungen sowie den Abschluß eines gesamteuropäischen kollektiven Sicherheitsvertrages erleichtern“ 26).

Für die weitere Präsentation des Konföderationsvorschlages ist in der Folgezeit charakteristisch, daß der Verzicht auf gesellschaftspolitische Umstrukturierungen der Bundesrepublik als Voraussetzung der Konföderationsbildung seitens der DDR mehrfach betont wird 27), daß die Sowjetunion den DDR-Konföderationsvorschlag mehrfach öffent-lieh unterstützt und dabei sogar die völkerrechtliche Anerkennung der DDR nicht zur Bedingung macht Ulbricht selbst erklärte zur Anerkennungsfrage: „Als der Vorschlag der Konföderation gemacht wurde, gingen wir davon aus, einen realen Weg zur Wiedervereinigung zu finden und zu beschreiten. Wir haben nicht die Frage gestellt, daß man bei Verhandlungen über die Wiedervereinigung die DDR diplomatisch anerkennen muß. Wenn man das von Bonn nicht wünscht, dann werden wir die Bonner Regierung auch nicht diplomatisch anerkennen. Also stehen wir dann auf Parität. Das ist also keine Diskussionsfrage für uns.“

Nachdem der DDR-Führung klar geworden war, daß der Konföderationsplan auf der bilateralen Ebene zwischen beiden deutschen Staaten nicht vorankam. weil die Bundesregierung für ihn nicht zu gewinnen war, setzte eine neue Phase ein, die man als politische Multilateralisierung des Konföderationsvorschlages bezeichnen kann. Sie erfolgte durch seine Verknüpfung mit der Forderung nach Abschluß des deutschen Friedensvertrages. Auf dem V. Parteitag der SED im Juli 1958 wurde diese Forderung von Ulbricht mit Nachdruck erhoben. In den sechs Punkten über die Grundlagen des Friedensvertrages, die alsbald in dem sowjetischen Friedensvertragsentwurf 1959 wieder auftauchen sollten, nannte Ulbricht in seinem Parteitagsreferat an erster Stelle: „Deutschland wird auf dem Wege der Herstellung der Konföderation der beiden deutschen Staaten ein friedliebender, demokratischer und unabhängiger Staat.“ Nachdem der sowjetische Friedensvertragsentwurf vom 10. Januar 1959 veröffentlicht worden war verknüpfte Ulbricht auf einer ZK-Tagung sogleich wieder beide Vertragspläne: „Die Schaffung eines Friedensvertrages mit Deutschland gibt nun den Bemühungen der friedliebenden, demokratischen Kräfte in Deutschland, durch die Bildung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten zur Wiedervereinigung zu gelangen, neuen Auftrieb.“

Die Bildung der Konföderation, so hieß es nun, „steht im Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptforderungen des Friedensvertrages“. Zu diesen „Hauptforderungen“ zählte Ulbricht „die umfassende Demokratisierung des gesellschaftlich-politischen Lebens in Deutschland“ sowie jene drei Komplexe, die schon im regierungsamtlichen Konföderationsvorschlag vom 27. Juli 1957 genannt worden waren (Kernwaffenfreiheit beider deutscher Staaten, Abzug aller ausländischen Truppen, Austritt beider deutscher Staaten aus den Militär-pakten), und zwar seinerzeit als Gegenstand eines bilateralen deutsch/deutschen Abkommens „über die Durchführung einer gemeinsamen Politik“. Ulbricht präzisierte nunmehr die Organstruktur der Konföderation. Der Gesamtdeutsche Rat (bestehend aus 100 Mitgliedern, paritätisch besetzt und ernannt aus der Mitte der beiden Parlamente) sollte „oberstes Organ“ der Konföderation werden. Der Gesamtdeutsche Rat sollte „ein Vollzugsorgan“ wählen — „das Präsidium des Rates“. Zudem sollte der Rat „Kommissionen und Ausschüsse“ zur Vorbereitung der verschiedenen Fragen bilden. Der Gesamtdeutsche Rat war als Repräsentationsorgan gegenüber Drittstaaten gedacht: In der ersten Periode seiner Tätigkeit sollten zu seinen Aufgaben die „Unterzeichnung des Friedensvertrages im Namen der Konföderation“ sowie die „Verbindung zu den anderen Friedensvertragspartnern" im Zuge der Durchführung des Friedensvertrages gehören. In der Folgezeit sollte der Aufgabenbereich des Rates „eventuell“ erweitert werden durch den Abschluß weiterer Verträge mit Drittstaaten (Außenhandel, Seeschiffahrt, Zugang zu den Weltmärkten, Beitritt zu internationalen Organisationen, die UNO-Sonderorganisationen eingeschlossen). Außerdem sollte sich der Gesamtdeutsche Rat mit der Regelung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten befassen, wofür die Kommissionen als Hilfsorgane für die einzelnen Sachbereiche (militärische Fragen, innerdeutscher Handel, gegenseitige Verrechnungen, Valutaverkehr, Transport-und Güterverkehr, Arbeitsfragen, Sozialversicherung, Kultur, Statistik) gebildet werden sollten. Das Handlungsinstrumentarium in den zwischendeutschen Beziehungen sollte sich auf Empfehlungen an beide deutsche Regierungen beschränken. Die Konföderation war zwar als längerfristige Lösung, aber doch immer auch noch nur als Zwischenlösung gedacht; sie sollte enden mit der Durchführung des Friedensvertrages und nach erfolgter Wiedervereinigung. Deshalb sollte zu den Kompetenzen der Konföderation auch die Vorbereitung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung gehören, zu welchem Zweck „beim Rat“ der Konföderation „ein besonderes Organ“ gebildet werden könnte, „das sich auch mit den Fragen der Ausarbeitung der Verfassung für den künftigen einheitlichen deutschen Staat“ beschäftigen sollte

Die hier referierten Ausführungen Ulbrichts auf der ZK-Tagung im Januar 1959 bilden zusammen mit Grotewohls Regierungserklärung vom 27. Juli 1957 den eigentlichen Konföderationsvorschlag der DDR. Nachdem die Bonner Bundesregierung sich dem Vorschlag nicht zugänglich zeigte, wurde mehr und mehr die westdeutsche Opposition zum Adressaten des Vorschlages, sicher in der Hoffnung, sie würde zugunsten des Konföderationsvorschlages mehrheitsbildend wirken können. Die Forderung, Beratungen auf Regierungsebene durchzuführen, blieb natürlich auf der Tagesordnung, aber zusätzlich wurden — so von Ulbricht auf dem V. Parteitag der SED im Juli 1958 — ein „öffentlicher Meinungsaustausch über die Annäherung der beiden deutschen Staaten und die Bildung einer Konföderation als Weg zur Wiedervereinigung unseres Vaterlandes“ sowie „Beratungen zwischen Vertretern des Zentralkomitees der SED und des Parteivorstandes der SPD über den Weg zur Konföderation beider deutscher Staaten und zur Wiedervereinigung“ vorgeschlagen Der von der SPD am 18. März 1959 vorgelegte „Deutschlandplan“ löste in Ost-Berlin positive Reaktionen aus Im April 1960 wandte sich das ZK der SED in einem offenen Brief „an die Arbeiterschaft Westdeutschlands“, der „fünf Gemeinsamkeiten der Arbeiter ganz Deutschlands“ hervorhob (die „Aktionsgemeinschäft der Arbeiterklasse“; „Erhaltung des Friedens“; „als Arbeiter können wir uns niemals damit abfinden, daß unsere Klasse und unser Deutschland für alle Ewigkeit gespalten bleibt“; „der Wunsch nach besserem Leben und sozialen und kulturellen Aufstieg“; die Völkerfreundschaft) und der unter der Überschrift „Der große nationale Kompromiß“ zum Systemkonflikt als Hemmnis der Wiedervereinigung folgendes ausführte: „Das Problem liegt ja nicht im Vorhandensein zweier gesellschaftlicher Systeme in Deutschland, sondern in der Tatsache, daß der heutige westdeutsche Staat ein militaristischer Staat mit aggressiven Plänen ist, während die DDR ein sozialistischer Friedensstaat ist, . . . Natürlich ist die Frage des Vorhandenseins zweier gesellschaftlicher Systeme in Deutschland ein Problem, das nicht einfach zu lösen ist. Aber wenn wir nicht auf die Wiedervereinigung verzichten oder miteinander Krieg führen wollen, bleibt doch gar keine andere Möglichkeit, als trotz der Verschiedenheit unserer Gesellschaftsordnungen in einer deutschen Konföderation die maximale Annäherung der beiden deutschen Staaten und ihre friedliche Zusammenarbeit zur Überwindung der Spaltung zu sichern. Im Rahmen dieser friedlichen Zusammenarbeit der beiden deutschen Staaten werden die beiden gesellschaftlichen Systeme miteinander wetteifern und zeigen, welches am meisten für das deutsche Volk zu leisten vermag.“ Der offene Brief bezeichnete den solcherart gekennzeichneten „nationalen Kompromiß“ als den „zentralen Gedanke(n) der Konföderation, eines deutschen Staatenbundes, in dem beide deutsche Staaten gleichberechtigt miteinander verbunden sind“

Auch nach dem Scheitern der Genfer Außenministerkonferenz von 1959 hielt also die DDR den Konföderationsvorschlag aufrecht. Bald aber sollte der Gipfel der Konföderationspolitik überschritten sein. Wenige Wochen nach dem Offenen Brief „an die Arbeiter Westdeutschlands“ hielt Herbert Wehner seine bis heute berühmte Bundestagsrede vom 30. Juni 1960, in der er u. a.den Deutschlandplan der SPD als „eine Sache der Vergangenheit“ bezeichnete Die bittere Enttäuschung der SED über diesen Stellungswechsel der SPD kam in einem weiteren Offenen Brief vom 16. Juli 1960 zum Ausdruck: „Der 30. Juni 1960 ist ein schwarzer Tag für die Sozialdemokratische Partei Deutschlands“. Nunmehr ohne jeglichen potentiellen Verbündeten unter den politisch bedeutsamen Parteien der Bundesrepublik verengte die SED ihre aktuelle Deutschlandpolitik auf die „Lösung der West-Berlin-Frage“. Der Konföderationsvorschlag, verbunden mit dem deutschen Friedensvertrag, wurde Anfang Juli 1961 kurz vor dem Bau der Berliner Mauer noch einmal groß herausgestellt in dem Beschluß der Volkskammer über den „Deutschen Friedensplan“ Der Mauerbau am 13. August 1961 war der Hammerschlag, der das doppelte Scheitern deutscher Deutschlandpolitik drastisch signalisierte. Mit der Wiedervereinigung durch freie Wahlen war es nunmehr vorbei, und ebenso waren die Konföderationspläne der SED gescheitert. Nach dem Mauerbau gab es noch einige Konföderationsreprisen. die aber nur noch den Abgesang der Konföderationsidee darstellen: Das „Nationale Dokument“ des Nationalrates beschäftigte sich nochmals ausführlich mit ihr das Parteiprogramm der SED vom Januar 1963 griff sie noch einmal auf Hinter der Mauer erstarkt oder — so man will — verbittert geworden, fiel Ulbricht wieder in die Anfangsphase seines Konföderationsvorschlages zurück, indem er Kataloge von Vorbedingungen aufstellte, die erfüllt sein müßten, bevor die Bundesrepublik überhaupt „konföderationsfähig“ würde; der Systemkonflikt wurde zu Lasten der Staatenbundsidee wieder in den Vordergrund gestellt Dies ließ den versteckten Rückzug vom Konföderationsvorschlag deutlich werden.

Die Streichung des Konföderationsvorschlages der DDR kam schließlich in ihrer neuen Verfassung vom 9. April 1968 zum Ausdruck, die in ihrem deutschlandpolitischen Artikel 8 die Konföderation nicht mehr erwähnte. Und schließlich sollen nach dem neuen Parteiprogramm der SED vom Mai 1976 „angesichts des grundlegenden Gegensatzes der Gesellschaftsordnungen“ in beiden deut-sehen Staaten die Beziehungen zwischen ihnen nur noch „als Beziehungen zwischen souveränen Staaten . . . auf der Grundlage der Prinzipien der friedlichen Koexistenz und der Normen des Völker-rechts entwickelt werden“ können. Das Parteipro-gramm formuliert die deutschlandpolitische Linie, die sich im Zuge der Verhandlungen über den Grundlagenvertrag herauskristallisiert hatte; auf dieser Linie lag kein Konföderationsvorschlag mehr — von der Wiedervereinigung ganz zu schweigen.

III. Die westdeutschen Argumente gegen die Deutsche Konföderation 1956-1966

Die von der Bundesregierung und den sie unterstützenden Publizisten seinerzeit gegen den Konföderationsvorschlag vorgetragenen Gründe erklären sich sämtlich aus der damaligen politischen Grundhaltung des „kalten Bürgerkrieges“, in dem die rivalisierenden Regierungen den Macht-und System-konflikt ausschließlich zu ihren Gunsten zu lösen anstrebten. Diese Grundhaltung ließ keinen Raum für einen „nationalen Kompromiß“. Waren auch Teile der westdeutschen politischen Öffentlichkeit dazu bereit (Deutschlandpläne der SPD und der FDP), so waren doch die Entscheidungsträger in der Bundesregierung ausschlaggebend, und diese setzten auf die letztendliche kompromißlose Durchsetzung ihrer deutschlandpolitischen Ziele. Wie die weitere Geschichte zeigte, unterlag die Bundesregierung dabei einer grandiosen Fehleinschätzung der Stärke ihrer Position. In der historischen Retrospektive drängt sich — crum grano salis — die alte Fabel auf, in der der Fuchs mit einem Fleischbatzen im Maul sich in einem klaren Flußwasser gespiegelt sieht, gierig nach dem ihm größer erscheinenden Fleischbatzen im Wasser schnappt, wobei er den Batzen in seinem Maul in den Fluten des Flusses verliert. Cum grano salis, weil der Fuchs in Bonn den Konföderationsbatzen noch nicht zwischen den Zähnen hatte, er lag aber immerhin am Ufer. Er verschmähte ihn, um des größeren Batzens der Wiedervereinigung willen; diesen bekam er nicht, derweil jener am Ufer verdarb.

Die Argumente der westdeutschen Konföderationsgegner waren schon damals für viele Deutsche ein Ärgernis (freilich nicht für die westdeutsche regierungstragende Mehrheit); inzwischen haben die deutschlandpolitischen Konjunkturen ihren Kurswert zum größten Teil ins Bodenlose absinken lassen: — das Argument, die Existenz eines zweiten deutschen Staates anzuerkennen, wäre ein zu hoher Preis Die Anerkennung der DDR durch Drittstaaten ließ sich nicht verhindern, und die Bundesrepublik hat den Preis entrichtet für die im Vergleich zu einer Konföderation sicher geringere Gegenleistung des Grundlagenvertrages; — das Argument der mangelnden (demokratischen) Legitimität der DDR-Regierung — ein im „kalten Bürgerkrieg“ verständliches, gegenüber Drittstaaten aber sonst nicht benutztes Argument. Das Effektivitätsprinzip hat sich gegenüber dem Legitimitätsprinzip inzwischen auch im deutsch/deutschen Verhältnis durchgesetzt;

— das Argument, „in der sowjetisch besetzten Zone (würde) alles beim alten bleiben“ eine Konföderation biete „der Bundesrepublik keine ernsthafte Chance, die Sowjetzone allmählich zu assimilieren“ Die Chance, über die Konföderation in einem längeren Annäherungsprozeß vielleicht auf eine Synthese hinzuarbeiten, wurde nicht gesehen bzw. hatte im strikt antagonistischen Systemdenken keinen Platz; die Chance einer „Assimilierung“, das heißt der Anschluß der DDR war damals wie heute nicht vorhanden;

— das Argument, das Endergebnis der Konföderation „könnte tatsächlich nur die kommunistische Gleichschaltung der Bundesrepublik sein“ Das war Stimmungsmache für die westdeutsche Bevölkerung; das Argument läßt sich schon allein aus der von der DDR vorgeschlagenen Konstruktion der Konföderation (nur Empfehlungskompetenzen bei Aufrechterhaltung der Entscheidungsfreiheit beider Regierungen) nicht halten;

— das Argument, die Vier-Mächte-Verantwortung für die Wiedervereinigung würde aufgehoben Davon war in den Konföderationsvorschlägen nicht die Rede; die Vier-Mächte-Rechte hätten allenfalls durch den Friedensvertrag aufgehoben werden können und auch darin wäre eine Unterstützungsklausel für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands denkbar gewesen, der sowjetische Friedensvertragsentwurf (Art. 22) von 1959 enthielt sie schon; — das Argument, die Herstellung der Einheit Deutschlands (auf dem Weg der Konföderation) sei „nicht Sache zweier Regierungen“. Sie läge vielmehr „in der ausschließlichen Zuständigkeit des ganzen deutschen Volkes“ Der damit gegebene Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht ist bis heute richtig, nur entbindet die bloße Berufung auf ihn die amtierenden Regierungen nicht davon, nach Wegen zur Realisierung dieses Selbstbestimmungsrechts zu suchen; daß der damals eingeschlagene Weg bis heute nicht zum Ziel geführt hat, dürfte unstreitig sein; damit fällt auch das nächste Argument: — das Argument, die Konföderation sei „nicht der geeignete Weg zur Wiedervereinigung“, sie würde vielmehr dazu beitragen, „die Teilung Deutschlands auf unbestimmte Zeit zu verhärten“ Ob die Konföderation zur Wiedervereinigung geführt haben würde, ist eine spekulative Frage, daß aber der eingeschlagene Weg der Einforderung freier gesamtdeutscher Wahlen und der Forderung nach freier Bündnisoption des wiedervereinigten Deutschlands nicht zum Ziele geführt hat. ist inzwischen geschichtsnotorisch.

Die westdeutschen Konföderationsgegner bemühten auch die Geschichte: Die historischen Erfahrungen mit Konföderationen seien „wenig ermutigend“; so habe die amerikanische Konföderation von 1776 bis 1787/89 „nur wenige Jahre Bestand“ gehabt, weil sie dann in einen Bundesstaat verwandelt worden sei -Wohlgemerkt, dies wurde als Argument gegen die deutsche Konföderation angeführt. während diese Erfahrung doch gerade für die Konföderation spricht, sofern man sie als Durchgangsstadium zum Bundesstaat betrachtet. Gleiches gilt für den Übergang der Schweizer Konföderation in den Schweizer Bundesstaat.

Hat hingegen eine Konföderation lange bestanden — wie der Deutsche Bund — so wurde das historische Argument einfach gewendet: er habe nur eines erreicht: „die wirkliche nationale Einigung Deutschlands wurde für 55 Jahre verzögert“ So wurde dem Deutschen Bund angelastet, was in Wirklichkeit dem preußisch-österreichischen An Jahre verzögert“ 52). So wurde dem Deutschen Bund angelastet, was in Wirklichkeit dem preußisch-österreichischen Antagonismus. vor allem aber der Schwäche der demokratisch-nationalen Einigungsbewegung, zu verdanken war. Diesen politisch-aktuellen und historischen Argumenten wurde ein dogmatisch tiefgründiger erscheinendes hinzugefügt. Brentano formulierte es so: „Was soll eine Konföderation zwischen einer Demokratie und einer kommunistischen Diktatur? Schon wegen des inneren Widerspruchs der staatstragenden Idee wäre eine solche Konföderation zur Aktionsunfähigkeit verurteilt.“ 53)

Schuster brachte diese Position auf den Begriff. Die Voraussetzung einer funktionierenden Konföderation seien „drei Gleichheiten“:

— gesellschaftliche Homogenität.

— außenpolitische Solidarität und — ideologische Kompatibilität.

Alle drei fehlten im Verhältnis zwischen beiden deutschen Staaten 54). Dieser Schustersche Leisten, die Gleichheits-Trias, wurde von anderen westdeutschen Konföderationsgegnern immer wieder gern eingespannt, und zwar gleichsam um den Schlußakkord einer Ablehnungs-Suada zum Tönen zu bringen, als dröhnenden Paukenschlag gegen alle potentiellen Konföderationsbefürworter 55), auch soweit sie im befreundeten westlichen Ausland auftraten. wie zum Beispiel in einer Studie des Pariser Centre d'Etudes de Politique Etrangere von 1967

Wenn Schusters These stimmen würde, gäbe es keine universellen internationalen Organisationen, keine UNO und keine ihrer Sonderorganisationen. Diese Staatenverbindungen funktionieren alle, wenn auch nicht immer exzellent, obwohl keine von ihnen die „drei Gleichheiten“ vorweisen kann. Diese Trias ist sicher günstig, wenn auch noch keineswegs eine Garantie, für einen besonders gut funktionierenden Staatenbund; fehlt die Trias, oder das eine oder andere Element, wird die Zusammenarbeit in einer Konföderation schwieriger sein, aber nicht notwendig völlig unmöglich. Trotz gesellschaftlicher Inhomogenität und ideologischer Inkompatibilität kann es außenpolitische Solidarität gegenüber Drittstaaten geben, und beide müssen die interne Zusammenarbeit zwischen den Konföderationsmitgliedern keineswegs verunmöglichen. Für einen Bundesstaat mögen Schusters „drei Gleichheiten“ als Voraussetzungen seiner Bildung gelten. Es ist bezeichnend, daß ein Autor, der die „verfassungsmäßige Homogenität“ als Voraussetzung einer deutschen Konföderation verlangte, keine Satzung eines modernen Staatenbundes zitieren konnte, in der diese Homogenität gefordert wird; zitiert wurden dagegen nur eine Reihe von Staatsverfassungen eine deutsche Konföderationsakte wäre aber keine Staatsverfassung, zumindestens nicht sogleich.

IV. Der Begriff der Konföderation

Im Völkerrecht bezeichnet Konföderation einen paritätischen, das heißt einen auf der Basis der Gleichberechtigung seiner Mitglieder erfolgenden, organisierten, institutionell verfestigten und auf Dauer angelegten rechtlichen Zusammenschluß zweier oder mehrerer Staaten zur Erreichung umfassender Zwecke. Durch die Organisiertheit unterscheidet sich ein solcher als Staatenverbindung oder Staatenbund bezeichneter Zusammenschluß von bloßen „Vertragsgemeinschaften“; durch die umfassenden Zwecke unterscheidet er sich von den als internationale Organisationen bezeichneten Staatenverbindungen, deren Zwecke weniger umfassend, das heißt auf spezielle Aufgaben gerichtet sind.

Die sich in einer Konföderation zusammenschließenden Staaten behalten ihre Völkerrechtssubjektivität. An die Seite der Völkerrechtssubjektivität der Mitgliedstaaten tritt aber auch die Völkerrechtssubjektivität der Konföderation selbst. Die Konföderation kann daher auf der völkerrechtlichen Ebene handelnd auftreten. Dabei bestimmt sich der Umfang ihrer Handlungsfähigkeit nach den ihr durch die Konföderationsakte übertragenen Kompetenzen Seit dem Abschluß des Grundlagenvertrages und seiner Folgeverträge bestehen zwischen beiden deutschen Staaten bloße „Vertragsgemeinschaften“. Davon würde sich eine deutsche Konföderation durch die Institutionalisierung der Zusammenarbeit und durch eine Ausweitung der Gebiete der Zusammenarbeit unterscheiden. Die Institutionalisierung bedeutet die Schaffung von Organen (Kommission, Ausschüssen, Beratungen, Ämter, möglicherweise auch ein parlamentarisches Gremium und ein Präsidialorgan), durch die die Konföderation (als Völkerrechtssubjekt) nach Maßgabe der diesen Organen übertragenen Kompetenzen handlungsfähig würde. Diese Kompetenzen könnten (zunächst) auf bloße Beratungen und Empfehlungen beschränkt sein, aber auch (später und für die einzelnen Sachgebiete durchaus unterschiedlich) auf für die Mitgliedstaaten der Konföderation verbindliche Beschlüsse erweitert werden.

Die Aufgabengebiete der Konföderation könnten im Prinzip alle Felder staatlicher Tätigkeit betreffen — von der Förderung von Sport und Touristik (eine gemeinsame Olympia-Mannschaft und eine Fußball-Konföderations-Liga würden schlagartig und nachhaltig das „Konföderations-Bewußtsein“ aller Deutschen begründen), von Verkehr und Post (eine gemeinsame Bahn-und Postverwaltung würde einen ungeheuren Modernisierungsschub für Reichsbahn und Deutsche Post der DDR und einen Boom der Zuliefererindustrie der Bundesrepublik bedeuten), vom Umweltschutz und Gesundheitswesen über Kultur und Wissenschaft, Arbeit und Soziales, Entwicklungspolitik, Wirtschaft und Finanzen bis hin zu Außenpolitik, Abrüstung und Verteidigung. Inneres und Justizwesen dürften sich hingegen kaum für eine institutionelle Zusammenarbeit eignen und schon gar nicht Verfassungsschutz hüben und Staatssicherheit drüben.

V. Der politische Zweck einerdeutschen Konföderationspolitik

Warum bisher nur „Vertragsgemeinschaften“ zwischen beiden deutschen Staaten als „das Machbare“ angesehen werden, dafür sind hauptsächlich drei Gründe aus der deutschlandpolitischen Diskussion herausschälbar. Zwei wurden während des Honekker-Besuches von beiden deutschen Staatschefs genannt: „die Unvereinbarkeit der politischen Ordnungen beider Staaten“, also der sogenannte Systemkonflikt und „die verschiedene Bündniszugehörigkeit“. Beide sollen die Grenzen der deutschen Möglichkeiten abstecken

Der dritte Grund kann als Sonderweg-Syndrom bezeichnet werden, das sich schon seit geraumer Zeit bei der SPD bemerkbar machte und das heftig aufbrach bei der Reaktion auf die Vorlage der Thesen Friedmanns -Es ist von der Vorstellung geprägt, die Deutschen dürften nicht „aus der Reihe tanzen“ sondern nur in ihren Bündnissen handeln, es dürfe keine „isolierte Lösung“ der deutschen Frage, sondern nur eine europäische geben, die Deutschen müßten „berechenbar“ bleiben. Nur eine deutsche Konföderation, so die Vorstellung, hebe nicht die Spaltung Europas auf. Daß die Historiker-These vom „deutschen Sonderweg“ selbst auf wackligen Füßen steht, weil es einen europäischen „Normalweg“ nicht gegeben hat wird dabei ebensowenig zur Kenntnis genommen wie Überlegungen in der Richtung angestellt werden, ob aus der gegenwärtigen deutschen Sonderlage der staatlichen und der politischen Ordnung sowie der Bündniszugehörigkeit nach gespaltenen deutschen Nation und des Fortbestands kriegsvölkerrechtlicher Positionen der vier Siegermächte in Deutschland nicht deutsche Sonderanstrengungen und -leistungen für die künftige Sicherung des europäischen Friedens am Platze und an der Zeit sind, die über die bisherigen hinausgehen.

Der Rückblick auf die alten Konföderationsvorschläge der DDR zeigt in deren Verknüpfungen mit der Forderung nach Abschluß des deutschen Friedensvertrages und der Forderung nach einem kollektiven Sicherheitssystem für Europa, daß es schon damals nicht bloß um deutsche Angelegenheiten ging; neben dem bilateralen hatte der Konföderationsvorschlag auch seine multilateralen Aspekte. Auch bei einer aktuellen deutschen Konföderationspolitik ginge es nicht um eine „isolierte Lösung“, sondern um eine Verbindung beider Aspekte. 1. Der bilaterale Aspekt:

der nationale Kompromiß Der übergreifende politische Zweck einer aktuellen Konföderationspolitik kann durchaus wie im DDR-Konföderations-Vorschlag von 1956/66 als „der nationale Kompromiß“ bezeichnet werden. Was heißt das heute? Die Entwicklungder nationalen Frage hat nach Konstituierung beider deutscher Teilstaaten folgende Stufen durchlaufen: In den Jahren des Kalten Krieges tobte in Deutschland der „kalte Bürgerkrieg“, in dem zwei deutsche Regierungen mit unterschiedlichen politischen Ordnungsvorstellungen um die Beherrschung ganz Deutschlands rivalisierten. Die Wiedervereinigung war das Ziel aller, aber jeweils unter dem Zeichen der eigenen politischen Ordnungsvorstellungen. Diese Phase wurde durch den Abschluß des Grundlagenvertrages beendet. Er bedeutete gewissermaßen einen Friedensschluß; beide Regierungen beschränkten ihren Herrschaftsanspruch auf ihren Teilstaat, klammerten die Lösung der nationalen Frage, über die sie nunmehr „unterschiedliche Auffassungen“ registrierten, aus und legten die Basis für die Entwicklung der so begründeten „Vertragsgemeinschaft“, die in Gestalt der Folgeverträge zum Grundlagenvertrag auch tatsächlich erfolgte und deren letzte Elemente die anläßlich des Honecker-Besuchs unterzeichneten Abkommen auf den Gebieten der Wissenschaft und Technik, des Umweltschutzes und des Strahlenschutzes sind.

Heute bestehen hinsichtlich der Lösung der nationalen Frage unter den Deutschen zwei extreme Ziel-projektionen, die hier nicht bestimmten Parteien oder Regierungen zugerechnet werden sollen, weil sie sich, offen oder heimlich vertreten, in allen Gruppierungen finden. Die einen nehmen Abschied vom Ziel der staatlichen Einheit der Deutschen, plädieren für eine endgültige Zweistaatlichkeit und die Pflege der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten allein auf der Basis des Völkerrechts. Die anderen halten am Ziel der staatlichen Einheit der Deutschen (Wiedervereinigung) fest und fordern oder erwarten die Rekonstituierung des deutschen Nationalstaates noch immer durch einen Akt freier Selbstbestimmung des deutschen Volkes (freie Wahlen und freie bündnispolitische Option). Der Akt freier Selbstbestimmung ist, aller rituellen Einforderung zum Trotz, seit Jahrzehnten aus den bekannten Gründen nicht zu haben; die endgültige Zweistaatlichkeit auch nicht, weil die Bundesregierung — und zwar in richtiger Einschätzung des Mehrheitswillens der Deutschen — sie ablehnt. So bleibt alles in der Schwebe, mit der Folge, daß im Innern die Deutschen sich um ihre deutschlandpolitischen Ziele weiter streiten und in der Außenwelt die Irritation der Nachbarn über die eigentlichen Absichten der Deutschen und ihren endgültigen Platz im europäischen Staatenbund, kurz: über ihre „Berechenbarkeit“ bestehenbleibt.

Wäre es nicht im Interesse des inneren Friedens und der Klarstellung des deutschen Beitrags für eine dauerhafte europäische Friedensordnung erforderlich, daß sich die Deutschen auf einen mittleren Weg zwischen den Extremen ihrer Zielsetzungen in der nationalen Frage zusammenfmden? Ein solcher mittlerer Weg wäre die Deutsche Konföderation. Sie würde — von den Extrempositionen her gesehen positiv — die Existenz beider deutscher Staaten erhalten, aber durch ihre institutionelle Verbindung eine größere Nähe zwischen beiden Staaten und zwischen den Deutschen dauerhaft sichern können. Sie würde aber auch — von den Extrempositionen her gesehen negativ — weder die endgültige staatliche Trennung noch die Wiedervereinigung bedeuten. Würde damit der „Wiedervereinigungsgedanke“ aber nicht „für alle Betroffenen in eine realistische Dimension“ gerückt werden ebenso wie der bei anderen „Betroffenen“ vorhandene Trennungsgedanke? Die Konföderation wäre der nationale Kompromiß zwischen den Parteigängern des Wiedervereinigungsgedankens und denen des Trennungsgedankens. Wäre eine solche Konföderation nicht „machbar“ wegen der „Unvereinbarkeit der politischen Ordnungen beider Staaten“ (Kohl) bzw. weil „Sozialismus und Kapitalismus sich ebensowenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser“ (Honecker)?

Es geht bei der Konföderation ja gerade nicht um die „Vereinigung“ beider Systeme, nicht um ihre Vermischung. Die Konföderation wäre, um im Bilde zu bleiben, der Kessel, der Feuer und Wasser getrennt hält. Die Systemunterschiede mögen einer staatlichen Wiedervereinigung entgegenstehen; für den Gedanken einer deutschen Konföderation sind aber gerade sie das auslösende Moment. Wenn es die Systemunterschiede nicht gäbe, könnte es eine Wiedervereinigung (leichter) geben; weil es aber diese Unterschiede gibt, kann es höchstens eine Konföderation geben. Mit den beiden deutschen Staaten selbst bestünden auch ihre unterschiedlichen politischen Ordnungen in der Konföderation fort. Bestünde dann aber nicht auch der „Systemkonflikt“ fort?

Es muß nun einmal endlich von der immer noch weit verbreiteten Vorstellung Abschied genommen werden, es gebe zwischen den beiden deutschen Staaten einen Systemkonflikt. Vom Vorhandensein unterschiedlicher Systeme in verschiedenen Staaten kann nicht eo ipso auf das Vorhandensein eines Systemkonfliktes geschlossen werden. Vom Systemkonflikt kann nur gesprochen werden, wenn unterschiedliche politische Ordnungsvorstellungen sich gegenseitig zu verdrängen versuchen, miteinander „konfligieren". Das war in der Phase des Kalten Krieges der Fall. Davon kann aber seit Abschluß des Grundlagenvertrages nicht mehr die Rede sein, weil in ihm die deutschen Staaten auf die Verdrängung der in dem jeweils anderen Staat herrschenden Ordnungsvorstellungen beiderseits verzichtet haben Indessen haben Wünsche und Bewußtsein vieler Deutscher diesseits und jenseits der Elbe mit diesem grundsätzlichen Wandel auf der innerdeutschen zwischenstaatlichen Ebene nicht Schritt gehalten; dies erklärt, weshalb noch immer viele vom Systemkonflikt reden. Während des seinerzeitigen Konföderationsvorschlages der DDR hatte die SED ganz richtig einmal gesagt: „Das Problem liegt ja nicht im Vorhandensein zweier gesellschaftlicher Systeme in Deutschland.“

Es liegt darin, ob sich diese beiden Systeme gegenseitig tolerieren oder nicht. Daß die im Grundlagen-vertrag bereits vereinbarte gegenseitige Toleranz der Systeme auch im Bewußtsein der Deutschen endlich Wurzeln schlägt, ist sozio-psychologische Bedingung einer aktuellen Konföderationspolitik. Die Peking-Chinesen haben für ihr Verhältnis zu den Taiwan-Chinesen eine nationale Formel gefunden, die sich auch die Deutschen voll zu eigen machen können: „Ein Vaterland und zwei Systeme!“

Gegenseitige Systemtoleranz hieße aber keineswegs Versteinerung der Systeme. Die politischen Ordnungen beider Staaten tragen die Möglichkeiten von Veränderungen in sich. Daß die Deutschen in der Phase der Konfrontation und ihrer bis heute spürbaren Nachwirkungen eher auf den beiderseitigen starren Systemerhalt als auf den Systemwandel fixiert waren, lag, um nochmals Honeckers Metapher zu benutzen, an der Furcht der „Hüter des Wassers“, das Feuer könnte es zum Verdunsten bringen, und an der Furcht der „Hüter des Feuers“, das Wasser könnte es löschen. Garantiert aber eine deutsche Konföderation den Bestand der politischen Ordnungen, so könnte sie doch auch zum Katalysator ihres unverkrampften und gelassenen Wandels werden. Wer die geschichtlichen Prozesse dialektisch betrachtet, kann in beiden deutschen Staaten eine gesellschaftspolitische These und Antithese sehen. Die Konföderation wäre das organisatorische Instrument, aus diesen Gegensätzen vielleicht einmal eine Synthese zu entwickeln. 2. Der multilaterale Aspekt: der deutsche Beitrag zur Neuen Europäischen Friedensordnung Wie schon der erste Konföderationsvorschlag der DDR. so sollte auch eine aktuelle Konföderationspolitik sich nicht auf die Regelung des bilateralen Verhältnisses beschränken. Die Konföderationspolitik wäre Teil einer gemeinsamen deutschen Politik in Richtung auf eine neue europäische Friedensordnung. In der Konföderation könnte die Verantwortungsgemeinschaft beider deutscher Staaten für den europäischen Frieden vom Schlagwort zur konstruktiven Praxis werden, indem die Deutschen gemeinsame Vorschläge für eine europäische Friedensordnung. für die Überwindung der Spaltung Europas in gegnerische Militärblöcke erarbeiteten. Es ginge um zwei Problemkomplexe, für die die Konföderation zwei ständige Kommissionen bilden könnte. Zunächst würde eine neue europäische Friedensordnung ihren Namen nicht verdienen, solange noch nicht einmal die kriegsvölkerrechtlichen Relikte des Zweiten Weltkrieges abgetragen sind, das heißt, solange die Vier Hauptsiegermächte des Zweiten Weltkrieges noch immer als Besatzungsmächte in Deutschland sind und damit die sowjetischen und amerikanischen Streitkräfte sich in Zentraleuropa unmittelbar gegenüberstehen. Ein Friedensvertrag mit Deutschland ist ja nicht nur wegen der Entzweiung der Siegermächte, sondern auch wegen der Uneinigkeit der Deutschen über den Inhalt des Friedensvertrages nicht zustandegekommen. Hier könnte die Deutsche Konföderation Vorschläge erarbeiten und sie den Siegermächten unterbreiten. Regelungsgegenstände für einen deutschen Frie-densvertrag sind noch genügend vorhanden Neben dem Problem eines militärischen Disengagements sei nur noch eine, jedermann offenkundige Materie hier ausdrücklich genannt: Berlin. Die Deutsche Konföderation hätte Vorschläge zu entwickeln, auf welche Weise der Viermächte-Status Berlins beendet werden sollte, die Stadt in ausschließlich deutsche Hoheit überführt werden und welchen Status sie innerhalb der Deutschen Konföderation — etwa den einer „Hauptstadt singulärer Art“ — einnehmen könnte. Der Nichtabschluß eines deutschen Friedensvertrages ist Teil der unerledigten deutschen Frage und einer der wesentlichen Gründe für die anhaltende Spaltung des Kontinents. Es ist dem Aufbau einer neuen europäischen Friedensordnung nicht gedient, wenn der (west) deutsche Bundeskanzler lediglich konstatiert, die Lösung dieser Frage stünde nicht auf der Tagesordnung der Weltgeschichte. Wer, wenn nicht die Deutschen in ihrer „Verantwortungsgemeinschaft", hat geradezu die politische Pflicht, sich dafür einzusetzen, daß sie auf diese Tagesordnung kommt?

Der zweite Problemkomplex ist die Überwindung der Spaltung Europas in sicherheitspolitischer, wirtschaftlicher und menschenrechtlicher Hinsicht. Im KSZE-Prozeß ist hier schon einiges auf den Weg gebracht; in den laufenden Verhandlungen zwischen EG und RGW scheint hinsichtlich der Verbindung dieser beiden Wirtschaftsräume einiges auf den Weg zu kommen. Eine gesamteuropäische Politik zur Überwindung der militärischen Blockspaltung ist noch nicht in Sicht, obwohl die Staaten des War-schauer Paktes Jahr für Jahr die schrittweise Auflösung dieser Pakte Vorschlägen. Die Deutschen, in beiden Pakten stehend, könnten auf der Basis des sich in der Konföderation entwickelnden Vertrauens und gegenseitigen Verständnisses sowie vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen paktintemen Kenntnisse gemeinsam sicherheitspolitische Vorschläge erarbeiten und sich um deren Annahme bei ihren Bündnispartnern bemühen. Dies wäre eine langfristige Aufgabe der deutschen Konföderation, die aber gewiß eher zur Überwindung der Spaltung Europas beitragen würde als die Strategie, die dieses Ziel mittels einer (West-) Europäischen Union der EG-Staaten oder gar einer Reaktivierung der Westeuropäischen Union erreichen zu wollen vorgibt.

Ob dem Abbau der militärischen Blockspaltung Europas auch damit gedient sein könnte, daß beide deutsche Staaten aus den Pakten ausscheiden und sich der Gesellschaft der neutralen Staaten Europas anschlössen, wäre ein Thema, das in der ständigen Konföderations-Kommission für europäische Sicherheit und Zusammenarbeit zu erörtern wäre -Wenn Staaten verschiedener Bündniszugehörigkeit auf der KSZE über vertrauensbildende Maßnahmen und demnächst wohl auch über Abrüstungsfragen miteinander verhandeln, dann ist nicht einzusehen, warum die verschiedene Bündniszugehörigkeit der beiden deutschen Staaten diese der Möglichkeiten berauben sollte, in einer Konföderationskommission gemeinsame Vorschläge für Abrüstung und Zusammenarbeit in Europa zu erarbeiten, die den multilateralen Verhandlungen Impulse verleihen könnten. Auf das Ziel einer europäischen Friedensordnung ausgerichtet und als eines ihrer Elemente begriffen, wäre die deutsche Konföderation auch kein deutscher „Sonderweg“, sondern der aus der spezifischen Lage der deutschen Nation heraus entwickelte genuin deutsche Beitrag zur Überwindung der Spaltung Europas.

VI. Rechtliche Aspekte einer Konföderationspolitik

In der deutschlandpolitischen Diskussion spielen rechtliche Argumente von jeher eine große Rolle. Dies ist nur allzu begründet, denn Deutschlandpolitik findet nicht in einem völkerrechtlichen oder staatsrechtlichen Vakuum statt. Es ist allerdings in dieser Diskussion immer wieder zu beobachten, daß einerseits rechtliche Argumente zur Begründung deutschlandpolitischer Immobilität herangezogen werden, andererseits zugunsten einer deutschland-politischen Dynamik der Tendenz zur Mißachtung des „juristischen Formelkrams“ gehuldigt wird. Das eine ist so wenig eine Tugend wie das andere. Für eine dem nationalen wie dem internationalen Recht verpflichtete Politik kann es allein darum gehen, ihre Ziele im Rahmen des bestehenden Rechts zu verfolgen, nötigenfalls aber auch auf dessen Änderung, auf den „friedlichen Wandel“ des Rechts hinzuwirken, wenn anders die Ziele nicht zu erreichen sind.

Die Fortentwicklung der deutsch/deutschen Beziehungen in Richtung auf eine Konföderation deutete das BVerfG in seinem Grundlagenvertragsurteil an; der Grundlagenvertrag „kann ein erster Schritt sein in einem längeren Prozeß, der zunächst in einer der dem Völkerrecht bekannten verschiedenen Varianten einer Konföderation endet, also ein Schritt in Richtung auf die Verwirklichung der Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einem Staat, also auf die Reorganisation Deutschlands“ Mit diesem Satz hat das BVerfG allen westdeutschen Gegnern des DDR-Konföderationsvorschlages eine späte Abfuhr erteilt und die Konföderationsidee, wenn bislang auch vergeblich, in der rheinischen Residenz gewissermaßen hoffähig zu machen versucht, ohne Homogenitäten und Kompatibilitäten der seinerzeit genannten Art zur Bedingung zu stellen. Angesichts der vom BVerfG angedeuteten Entwicklungsmöglichkeiten mutet es erstaunlich an, daß nahezu die gesamte westdeutsche deutschlandrechtlich und deutschlandpolitisch interessierte Publizistik in den seit Abschluß des Grundlagenvertrages verflossenen Jahren sich über die Konföderationsthematik ausgeschwiegen hat. Viele waren eben offenbar erst einmal damit beschäftigt, den Grundlagenvertrag politisch und analytisch zu verdauen und zusätzlich damit, gegen die Springfluten der damaligen Ostberliner Zwei-Nationen-These wenigstens den Damm der Einheit der Nation zu halten. Während Ost-Berlin längst von der Zwei-Nationen-These wieder abgerückt ist, stilisiert sich die Bonner Regierung derzeit immer noch als Dammbaumeister, indem sie den grundgesetzlichen Auftrag zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands in ihrer praktischen Politik und in zahlreichen Äußerungen auf den Auftrag zum Erhalt der Einheit der Nation reduziert und den konföderationspolitischen Fingerzeig des BVerfG einfach ignoriert. 1. Die Deutsche Konföderation und der Dissens über die Kontinuität des Deutschen Reiches als V ölkerrechtssubjekt Eine Deutsche Konföderation ließe sich mit allen Standpunkten zum Fortbestand oder Untergang des Deutschen Reiches vereinbaren, vorausgesetzt, die Vertragspartner einigen sich auf einen entsprechenden Formelkompromiß. Dieser könnte beispielsweise lauten: „Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik organisieren die deutsche Konföderation. Die Konföderation trägt den Namen . Deutscher Bund*.“ Diese Formel könnte auf dem Boden der von der DDR heute vertretenen Diskontinuitätsthese (Untergang des Deutschen Reiches durch Dismembration) als Neugründung eines deutschen Staatenbundes interpretiert werden, auf dem Boden der Kontinuitätsthese in der Variante der Teilordnungslehre (Dachtheorie) als Reorganisation, das heißt als Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des seit 1945 handlungsunfähigen Völkerrechtssubjektes „Deutsches Reich“, und aufdem Boden der Kontinuitätsthese in der Variante der Identitätstheorie als Umkehrung des von der DDR bisher vollzogenen, aber noch nicht vollends abgeschlossenen Sezessionsprozesses Im Sinne der Teilordnungslehre wäre eine Verwendung des von Grotewohl benutzten Begriffs „Dachorganisation“ gewiß sinnvoll. 2. Die Deutsche Konföderation als Partner des Friedensvertrages Bei der formellen Problematik des Abschlusses eines deutschen Friedensvertrages haben manche Schwierigkeiten mit dem deutschen Partner des Friedensvertrages: es könne doch nur Gesamtdeutschland sein, das heißt das wiedervereinigte Deutschland. Da dieses aber nicht in Sicht ist, bleibt auch der Friedensvertrag eine Chimäre und die Anormalität des Fortbestandes kriegsvölkerrechtlicher Positionen der Siegermächte in Deutschland erhalten. Richtig ist, daß auf deutscher Seite nur jenes Völkerrechtssubjekt Vertragspartner sein kann, das sich im Kriegszustand mit den alliierten Mächten befunden hat und das seit 1871 sich selbst „Deutsches Reich“ nannte, von seinen Kriegsgegnern aber schlicht als „Deutschland“ bezeichnet wurde. Da dieses Deutschland aber derzeit handlungsunfähig ist, gibt es zwei Lösungsmöglichkeiten: Entweder wird es durch Reorganisation wieder handlungsfähig gemacht, oder es wird durch andere Völkerrechtssub-jekte vertreten; als Vertreter kommen sinnvollerweise nur die beiden deutschen Staaten in Betracht und/oder die deutsche Konföderation, wobei diese aber auch, wie oben gesagt, als reorganisiertes Deutschland selbst unmittelbar handeln könnte. Es ist daher eine unzutreffende Behauptung, daß der Abschluß des deutschen Friedensvertrages nur mit einem wiedervereinigten Deutschland möglich sei. Zur Überbrückung der durch die Handlungsunfähigkeit Deutschlands entstandenen Schwierigkeiten hatte die Sowjetunion in ihrem letzten Friedensvertragsentwurfvon 1959 schon eine Formel vorgeschlagen, die ohne weiteres auch heute noch verwendbar wäre: Der deutsche Partner ist „Deutschland, vertreten durch die beiden deutschen Staaten und durch die deutsche Konföderation, falls diese im Zeitpunkt des Abschlusses des Friedensvertrages gebildet ist“ Dieser sowjetische Vorschlag ist übrigens einer der deutlichen Hinweise darauf, daß nach Ansicht der Sowjetunion das Völkerrechtssubjekt „Deutschland“ keineswegs „im Feuer des Zweiten Weltkrieges untergegangen“ ist. An dieser sowjetischen Ansicht hat sich bis heute nichts geändert. 3. Die rechtliche Qualifizierung der Konföderationsakte: Satzungsrecht eines Staatenbundes (Völkerrecht) oder gesamtdeutsches Verfassungsrecht Die rechtliche Qualifizierung einer deutschen Konföderationsakte folgt natürlich aus den durch einen zu vereinbarenden Formelkompromiß ermöglichten Interpretationsvarianten. Hier ist das völkerrechtliche bzw. staatsrechtliche Kästchendenken, das rigorose Entweder-Oder vom Bundesverfassungsgericht in seinem Grundlagenvertragsurteil in einem souveränen Sowohl-als-auch-Spruch beiseitegeschoben worden. Der von Scheuner mokant kritisierte „begriffliche Brei“ den das Bundesverfassungsgericht eingerührt habe, erweist sich als kalorienreiche Nahrung für ein deutsches Konföderationsbaby. Zur rechtlichen Qualifizierung des Grundlagenvertrages heißt es im Urteil: „Das Besondere des Vertrages ist, daß er zwar ein bilateraler Vertrag zwischen zwei Staaten ist, für den die Regeln des Völkerrechts gelten und der die Geltungskraft wie jeder andere völkerrechtliche Vertrag besitzt, aber zwischen zwei Staaten, die Teile eines immer noch existierenden, wenn auch handlungsunfähigen, weil noch nicht reorganisierten umfassenden Staates Gesamtdeutsch-land mit einem einheitlichen Staatsvolk sind ... Insofern läßt sich das Besondere des Vertrages auch durch die Formel verdeutlichen, daß er „inter-seBeziehungen“ regelt. Er regelt aber nicht ausschließlich solche Beziehungen und fällt deshalb nicht aus der Ordnung des allgemeinen Völkerrechts heraus, gehört also nicht einer spezifischen, erst durch ihn geschaffenen, gegenständlich beschränkten Sonderrechtsregelung an . . . Der Vertrag hat also einen Doppelcharakter; er ist seiner Art nach ein völkerrechtlicher Vertrag, seinem spezifischen Inhalt nach ein Vertrag, der vor allem inter-se-Beziehungen regelt. Inter-se-Beziehungen in einem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln, kann vor allem dann nötig sein, wenn eine staatsrechtliche Ordnung wie hier wegen der Desorganisation des Gesamtstaates fehlt.“

So ähnlich wäre auch eine deutsche Konföderationsakte zu qualifizieren. Auch sie hätte „Doppelcharakter“ — als Satzungsrecht eines Staatenbundes würde es sich um Völkerrecht handeln, als Rechtsakt zur Reorganisation des bislang desorganisierten Gesamtstaates „Deutschland“ wäre sie wohl ein Element einer sich wieder aufbauenden staatsrechtlichen Ordnung. Der deutschen Verfassungsgeschichte sind derartige Mischformen völkerrechtlich-staatsrechtlicher Integrationsprozesse nicht fremd: Art. 79 der Verfassung des Norddeutschen Bundes vom 26. Juli 1867 hatte eine vertragliche Regelung der Beziehungen des Bundes zu den süddeutschen Staaten vorgesehen. Dies hätte auch zu einer konföderativen Lösung führen können, die aber durch die auf dem Vertragswege erfolgte Erweiterung des Norddeutschen Bundes um die süddeutschen Staaten überholt wurde.

Daß Völkerrecht auch innerhalb eines Bundesstaates gelten kann, ist der deutschen Verfassungsgeschichte ebenfalls nicht fremd Für die Bundesrepublik Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht zwar judiziert, daß die Beziehungen zwischen den Bundesländern untereinander und dem Bund ausschließlich durch das Verfassungsrecht geregelt werden (BVerfG E 1, S. 14, 51; 34, 216); dies ist aber nicht übertragbar auf die Beziehungen zwischen der DDR und der Bundesrepublik, auch wenn man in der Konföderation den Nukleus eines Bundesstaates erblikken würde. Gerade weil auch die Verfassungsordnung des Deutschen Reiches zerfallen ist, ist überall dort, wo eine solche Verfassung des Gesamtstaates noch nicht wieder aufgebaut ist, Raum für völkerrechtliche Regelungen. 4. Die rechtliche Gestaltungsfreiheit beider deutscher Staaten bei der Begründung und Ausgestaltung einer Deutschen Konföderation a) Die völkerrechtliche Gestaltungsfreiheit Souveräne Staaten sind grundsätzlich frei in der Gestaltung ihrer vertraglichen Beziehungen. Grenzen ergeben sich nur aus dem völkerrechtlichen jus co-ergeben sich nur aus dem völkerrechtlichen jus co-gens Dies gilt auch für Verträge zur Gründung und weiteren rechtlichen Ausgestaltung einer Konföderation. Für die Gestaltung einer deutschen Konföderation könnte natürlich auf aus der bisherigen Staatengeschichte bekannte Konföderationen als Anregung zurückgegriffen werden. Falsch wäre jedoch, an historischen Vorbildern als verbindlichen Modellen zu kleben. Mit Recht sagt Mosler nach Erwähnung des Deutschen Bundes als Beispiel einer Konföderation: „Unions of States, of course, need not be established on this historical model, but can be flexible as regards Organization and competence." Dasselbe gilt auch für zeitgenössische Konföderationsbeispiele, die aber nichtsdestotrotz Anregungen vermitteln können. So enthält etwa die Gründungsakte der Konföderation Senegambia vom 17. Dezember 1981 in ihrer Präambel einen Passus, der wortwörtlich in eine deutsche Konföderationsakte übertragen werden könnte: „Aware that they constitute a single people divided into two States by the vicissitudes of History . . ." b) Die Deutsche Konföderation und die Vier-Mächte-Rechte Die beiden deutschen Staaten befinden sich jedoch nicht in einer völkerrechtlichen Normallage souveräner Staaten. Ihre Unabhängigkeit ist beschnitten durch die vorbehaltenen Rechte der vier Siegermächte. Es muß daher die sich dadurch aufdrängende Frage beantwortet werden, ob und inwieweit sich völkerrechtliche (besatzungsrechtliche) Einschränkungen der deutschen Vertragsfreiheit auf diesen vorbehaltenen Rechten und den auf sie Bezug nehmenden Verträgen mit den beiden deutschen Staaten ergeben Bezüglich der Kompetenz der Bundesrepublik zum Abschluß einer Konföderationsakte mit der DDR könnte immerhin argumentiert werden, daß eine deutsche Konföderation eine Vorstufe zur Wiedervereinigung sei, diese aber gehöre zu den ausdrücklich in Art. 2 des Generalverträges vorbehaltenen Rechten. Gegen ein daraus möglicherweise ableitbares Vetorecht der Westmächte gegen die Bildung einer deutschen Konföderation ließe sich aber Art. 7 Abs. 2 des nämlichen Vertrages anführen sowie die zahlreichen nachfolgenden Erklärungen der Westmächte zur Unterstützung des deutschen Strebens nach Wiedervereinigung und schließlich auch das Selbstbestimmungsrecht. Was die DDR betrifft, so finden sich vergleichbare Unterstützungsklauseln in ihren Verträgen mit der Sowjetunion von 1955 und 1964; ihre Heranziehung hat allerdings zur Voraussetzung, daß diese Verträge durch den nachfolgenden Vertrag der DDR mit der Sowjetunion von 1975, der vergleichbare Klauseln nicht mehr enthält, nicht aufgehoben, sondern nur suspendiert worden sind; dies ist jedoch der Fall Wenn aber beide deutsche Staaten als Sitz der zu schaffenden Konföderationsorgane (Ost-und West-) Berlin bestimmen wollten, so benötigten sie unter der Geltung der gegenwärtigen (Besatzungs-) Rechtslage der Stadt die Zustimmung der vier Mächte. c) Die verfassungsrechtliche Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung Auch bei der Gestaltung ihrer Verträge mit der DDR ist die Bundesregierung an das Grundgesetz gebunden. Wie das BVerfG klargestellt hat, bedürfen auch politische Verträge mit der DDR der parlamentarischen Zustimmung gemäß Art. 59 GG, obwohl die DDR kein „auswärtiger“ Staat ist, und diese Verträge unterliegen der verfassungsrechtlichen Normenkontrolle Bei der Ausgestaltung des Organisations-und Kompetenzgefüges einer deutschen Konföderation dürften nach ihrem Intensitätsgrad drei Stufen zu unterscheiden sein, die sukzessive beschritten werden können.

Den Organen der Konföderation würden zunächst wohl nur beratende und empfehlende Kompetenzen übertragen werden. Eine Konföderationsakte dieses Inhalts wäre als politischer Vertrag gemäß Art. 59 abzuschließen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Konföderation quasi als nächsten Schritt empfohlen hat, dürften prinzipiell keine Bedenken gegen ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bestehen, gewiß aber dürften die gegen den Grundlagenvertrag von der Bayerischen Staatsregierung vorgetragenen und vom Gericht zurückgewiesenen verfassungsrechtlichen Bedenken (Verstoß gegen das Gebot der Wahrung der staatlichen Einheit und das Wiedervereinigungsgebot) wohl nicht wieder ins Feld geführt werden können. Die Beschränkung der Kompetenzen auf Beratungen und Empfehlungen würden eine Garantie dafür bilden, daß die Konföderation nicht unmittelbar in das Verfassungsgefüge des Grundgesetzes eingreifen könnte..

Ein höherer Intensitätsgrad im Kompetenzgefüge der Konföderation würde erreicht durch ihre Ausstattung mit administrativen und rechtsetzenden Kompetenzen, die an die Stelle der entsprechenden Kompetenzen der beiden Mitgliedstaaten treten würden. Dadurch würde sich die Konföderation von einem „klassischen“ zu einem Staatenbund mit „Durchgriffkompetenzen“ umwandeln. Wäre eine solche Ausgestaltung einer Konföderation mit dem Grundgesetz vereinbar? Menzel, einer der wenigen, die seinerzeit die DDR-Konföderationsvorschläge positiv aufgegriffen haben, hat, natürlich mit dem Blick auf die Wiedervereinigung, den sehr interessanten Gedanken der „Vorschaltung eines quasi-völkerrechtlichen Vorstadiums und die Ablehnung einer rein staatsrechtlichen Fusion“ in die Debatte gebracht. Den „pseudo-völkerrechtlichen Weg“ sah Menzel über die unmittelbare oder analoge Anwendung des Art. 24 GG als begehbar an Art. 24 GG ist sicher nicht als möglicher verfassungsrechtlicher Modus der Wiedervereinigung geschaffen worden.

Wenn das Bundesverfassungsgericht es im Pershing-Urteil aber sogar fertiggebracht hat, den Präsidenten der USA als „besonderes Organ“ der NATO zu einer „zwischenstaatlichen Einrichtung“ im Sinne von Art. 24 zu machen so dürfte es eigentlich keine Schwierigkeiten haben, eine deutsche Konföderation auch als eine solche „zwischenstaatliche Einrichtung“ zu verstehen. Wenn schon der Grundlagenvertrag nicht „aus der Ordnung des allgemeinen Völkerrechts“ herausfällt, so dürfte der unmittelbare völkerrechtliche Weg über Art. 24 zur Konföderation tatsächlich begehbar sein. Freilich unterläge auch auf diesem Weg die Bundesregierung gesetzlichen Bindungen. Die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 GG ist „nicht schrankenlos“. Art. 24 GG „eröffnet nicht den Weg, das Grundgefüge der Verfassung anzutasten. Ein unaufgebbarer Bestandteil des Verfassungsgefüges sind die fundamentalen Rechtsgrundsätze, die in den Grundrechten des Grundgesetzes anerkannt und verbürgt sind. Deshalb gestattet Art. 24 Abs. 1 GG nicht, den Grundrechtsteil des Grundgesetzes vorbehaltlos zu relativieren.“ So das Bundesverfassungsgericht im EUROCONTROL-Beschluß vom 23. Juni 1981

In der weiteren Entwicklung der Konföderation könnte es nun von den amtierenden deutschen Regierungen als politisch mach-und wünschbar angesehen werden, zur Förderung des Integrationsprozesses beider deutscher Staaten die Konföderationsakte durch Regelungen zu erweitern, die mit der Verfassung nicht in Übereinstimmung sind (Beispiel: Aufhebung des Instituts des Parteienverbots). Die Bundesregierung als an das Grundgesetz gebundener pouvoir constitue wäre hier in ihrer Vertragsgestaltungsfreiheit eingeschränkt es sei denn, man sähe in einer solchen Regelung einen Schritt zur Wiedervereinigung sowie daß diese „von der Präambel (des GG) als das höchste und mit unbedingtem Vorrang ausgestattete Staatsziel deklariert ist“, dem „alle anderen Staatsgestaltungen unterzuordnen sind“

Geht man aber von der Bindung der Bundesregierung aus, so dürfte eine Weiterentwicklung der Konföderation nur noch über Art. 146 GG möglich sein. Der gesamtdeutsche pouvoir constituant ist an das Grundgesetz nicht gebunden. Freilich liegt dem Art. 146 GG die Vorstellung zugrunde, der gesamtdeutsche Souverän würde uno actu die Verfassung Gesamtdeutschlands beschließen können. Es ist aber nun wahrscheinlicher, daß eine gesamtdeutsche Verfassung vermittels der Konföderation sukzessive aufgebaut und allenfalls am Ende der Entwicklung eine ausformulierte Verfassungsurkunde „in freier Entscheidung“ beschlossen werden würde. Warum sollte nun der gesamtdeutsche Souverän die Verfassung Deutschlands „in freier Entscheidung“ nicht sukzessive beschließen können, mit der Folge, daß auch das Grundgesetz partiell in zeitlicher Aufeinanderfolge „seine Gültigkeit verliert“? Art. 146 GG ließe ein solches Procedere zu. Auch auf diese Weise könnte das gesamte deutsche Volk in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollenden. Wie im Dekolonisierungsprozeß viele Völker schrittweise ihr Selbstbestimmungsrecht realisiert haben, so könnte dies auch das deutsche Volk.

Dies würde bedeuten, daß konföderative Integrationschritte, die in das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland eingreifen, und die man deswegen „Konföderationsverfassungsakte“ nennen könnte, der Bevölkerung in beiden deutschen Staaten zur Abstimmung vorzulegen wären. Volks-abstimmungen über Konföderationsverfassungsakte wären Akte der Ausübung des Selbstbestimmungsrechts, die klarstellen würden, daß der positive oder negative Entscheid über die staatliche Einheit der Deutschen in der Tat, wie Adenauer seinerzeit an Bulganin geschrieben hatte „nicht Sache zweier Regierungen“, sondern des ganzen deutschen Volkes ist. Anders als 1871 die Einheit und anders als nach 1945 die Spaltung würde die Entscheidung nicht „von oben“, sondern durch Willensbekundungen des Volkes „von unten“, das heißt demokratisch fundiert fallen. Wenn der gesamtdeutsche Souverän zum Sprechen gebracht werden könnte, hätte das Grundgesetz zu schweigen.

VII. Schlußbemerkung

Die Aktualisierung der Konföderationspolitik von welcher Seite auch immer — „ein blühender Blödsinn“? Die Vorstellung wäre unzutreffend, die DDR und die hinter dem damaligen Konföderationsvorschlag stehende Sowjetunion hätten durch Mauerbau, Ostverträge und Grundlagenvertrag alles erreicht, was sie durch den Konföderationsvorschlag, gekoppelt mit dem Friedensvertrag hatten erreichen wollen. Sie haben nicht erreicht: ein atomwaffen-freies Gesamtdeutschland, den Austritt beider deutscher Staaten aus den Militärpakten, den neutralen Status Gesamtdeutschlands oder dessen Einbeziehung in ein europäisches kollektives Sicherheitssystem, den Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland, die institutionalisierte Zusammenarbeit beider deutscher Staaten. Daß das nicht alles vergessen ist, zeigte Falins Fernsehinterview über den Rückzug ausländischer Truppen von deutschem Territorium mit hinreichender Deutlichkeit. Noch hat sich nicht herauskristallisiert, zu welcher Deutschlandpolitik das „neue Denken“ in der Sowjetunion führen wird. Sollten aus Planspielen amtliche Verträge werden, so wäre es mehr als angst-bedingte Torheit, es wäre eine unverzeihliche, chancenverspielende deutschland-und europapolitische Blindheit, wenn ein neuerlicher sowjetisch-ostdeutscher Konföderationsvorschlag sogleich nur dahin interpretiert werden würde, daß er „vorrangig auf das Herausbrechen der Bundesrepublik Deutschland aus der westlichen Allianz abzielen würde“ -

Aber warum auf solche Vorschläge — ängstlich oder hoffnungsvoll — warten? In einem Vortrag über „Das geteilte Berlin und die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg“ spannte der Historiker Emst Nolte den Bogen von dem seinerzeitigen DDR-Konföderationsvorschlag zur Gegenwart: Seinerzeit habe es sich um ein Strategem gehandelt, „das bestimmt war, als einen ersten Schritt die staatliche Anerkennung der DDR zu erreichen. Heute ist diese Anerkennung längst vollzogen, und es wäre kein bloßer Schachzug der Bundesregierung, wenn sie von der Sowjetunion die Zustimmung zur Bildung eines deutschen Staatenbundes verlangte, der Berlin zu einer Hauptstadt singulärer Art machen würde, weil darin ein Staatenhaus und zwei Parlamente existieren würden, aber keine Mauer. Es würde sich vielmehr um diejenige Forderung handeln, die allein neben dem moralischen auch den historischen Aspekt der Situation berücksichtigt, daher nicht als . Revanchismus'abgetan werden kann und doch keine passive Hinnahme des gegenwärtigen Zustandes bedeutet.“ Eine solche Initiative der Bundesregierung ist nicht in Sicht. Über das deutschlandpolitische Strategiedefizit, wie es in ihrem letzten Bericht zur Lage der Nation abermals zutage trat, klagt mittlerweile auch die konservative Presse. Der Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 16. Oktober 1987 verdient es, über den Tag hinaus festgehalten zu werden: „Die Bundesregierung muß die Möglichkeit ins Auge fassen, daß die deutsche Frage — als Frage nach Vereinigung der Deutschen ohne Mauer — in außerdeutschen Denkfabriken schon weiter gedacht ist, als in Bonn für möglich gehalten wird. Sollte eine der Großmächte demnächst ernsthaft die deutsche Karte spielen, dann wird vor allem die Kanzlerpartei so ahnungslos aussehen und so hilflos dastehen, wie sie allzuoft aussieht und dasteht. Den Bericht zur Lage der Nation vom Donnerstag hätte ein mittelmäßig begabter Pro-seminarist schreiben können. Die Lage für morgen und für die nächsten Jahre mit einer Konzeption und mit zähem Veränderungswillen ins Auge zu fassen, bedarf einer größeren geistigen und politischen Anstrengung.“ Dem ist — rebus sic stantibus — nichts hinzuzufügen als die Frage: Welche Großmacht hat der Kommentator wohl gemeint?

Fussnoten

Fußnoten

  1. Neues Deutschland (ND) vom 8. September 1987.

  2. Ebda.

  3. Ebda. und Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung. Nr. 83 vom 10. September 1987. S. 710.

  4. Vgl. M. Stürmer, Die deutsche Frage stößt an harte Grenzen. in: Rheinischer Merkur/Christ und Welt vom 17. August 1985; J. Schmude in: Die Welt vom 15. Oktober 1985.

  5. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 26. September 1987.

  6. Vgl. Der Tagesspiegel vom 24. September 1987.

  7. Den vollständigen Text der Thesen Friedmanns fand der Verfasser nur abgedruckt in: GDS (Gesamtdeutscher Studentenverband) Information. Sommer 87; vgl. im übrigen die Berichte in FAZ vom 20. Mai 1987 u. vom 10. August 1987.

  8. FAZ vom 14. September 1987.

  9. Interview in der Züricher Weltwoche, abgedr. in: Die Grünen vom 25. Juli 1987.

  10. Vgl. dazu v. a. W. Venohr. Konföderation Deutschland. Ein Weg zur deutschen Einheit, in: W. Venohr (Hrsg.). Die deutsche Einheit kommt bestimmt. Bergisch Gladbach. 1982, S. 181 ff.; ders. Der Weg zur deutschen Einheit, in: W. Venohr (Hrsg.). Ohne Deutschland geht es nicht. Krefeld 1985, S. 207 ff.; H. Ammon/Th. Schweisfurth. Friedensvertrag. Deutsche Konföderation. Europäisches Sicherheitssystem. Denkschrift zur Verwirklichung einer europäischen Friedensordnung. Starnberg 1985; Th. Schweisfurth. Ein deutscher Friedensvertrag. Vom Comeback eines Themas, in: G. Brunner u. a.. Sowjetsystem und Ostrecht. Festschrift für Boris Meissner. Berlin 1985. S. 737ff.; ders.. Friedensvertrag und Konföderation, in: Deutschland Archiv, (1986). S. 156ff.; H. Grieser/J. M. Streich. Perspektive Deutscher Staatenbund. in: R. Stolz (Hrsg.). Ein anderes Deutschland. Berlin 1985. S. 148 ff.

  11. ND vom 8. September 1987.

  12. Vgl. nochmals das Gemeinsame Kommunique, in: ND vom 9. September 1987.

  13. Vgl. z. B. R. Schuster. Die Schein-Konföderation als Nah-ziel der sowjetischen Deutschlandpolitik, in: Europa-Archiv. (1959). S. 349 ff. (359).

  14. ND vom 21. Oktober 1958.

  15. ND vom 18. Januar 1959.

  16. W. Venohr. Konföderation Deutschland (Anm. 10). S. 181 ff. (S. 185).

  17. J. Kuppe. Phasen der Außenpolitik der DDR. in: Drei Jahrzehnte Außenpolitik der DDR. hrsg. von H. -A. Jacobsen u. a.. München-Wien 1979. S. 173 ff. (183).

  18. Vgl. ebda.. S. 183.

  19. W. Ulbricht. Was wir wollen und was wir nicht wollen, in: ND vom 30. Dezember 1956, S. 3.

  20. Vgl. ND vom 3. Februar 1957; die Auflistung der Forderungen Ulbrichts im obigen Text erfolgte nach J. Hacker. Die „deutsche Konföderation“. Ein untaugliches Mittel für die Wiederherstellung eines freien und demokratischen Gesamt-deutschlands. in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 42/68, S. 3 ff. (S. 7f.).

  21. Vgl. ND vom 3. Februar 1957, S. 5.

  22. Vgl. F. Berber. Lehrbuch des Völkerrechts. 1. Bd.. München-Berlin 1960. S. 139.

  23. Vgl. O. Grotewohls Rede in einer Parteiversammlung der Akademie der Wissenschaften zu Berlin vom 11. Februar 1957. in: ND vom 13. Februar 1957.

  24. Vgl. die Zitate bei Hacker (Anm. 20). S. 10.

  25. Vgl. ebda.. S. 11.

  26. ND vom 21. Oktober 1958. S. 2.

  27. ND vom 11. Juli 1958.

  28. Text des sowjetischen Friedensvertragsentwurfs vom 10. Januar 1959. in: Europa-Archiv. 1959, D 21 ff.

  29. ND vom 18. Januar 1959.

  30. ND vom 18. Januar 1959, S. 4.

  31. ND vom 12. Juli 1958.

  32. Vgl. die Zitate bei Hacker (Anm. 20). S. 14.

  33. ND vom 17. April 1960.

  34. Dt. BT Sten. Ber. 3. Wahlp., 122. Sitzg., S. 7052 ff.

  35. ND vom 16. Juli 1960.

  36. ND vom 7. Juli 1961.

  37. ND vom 27. März 1962. Text auch in A. Riklin/K. Westen. Selbstzeugnisse des SED-Regimes. Köln 1963, S. 45— 48.

  38. Ebda., S. 105 f. und ND vom 25. Januar 1963.

  39. Vgl. z. B. Ulbrichts Rede zum 20. Jahrestag der Zwangsverschmelzungvon KPD/SPDzurSEDam 21. April 1966, ND vom 22. April 1966 sowie Hacker (Anm. 20). S. 17 ff.

  40. W. G. Grewe. Deutsche Außenpolitik der Nachkriegszeit. Stuttgart 1960, S. 268.

  41. Regierungserklärung des Bundesaußenministers von Brentano, in: Dokumentation der Deutschlandfrage, hrsg. v. H. von Siegler. S. 764.

  42. Ebda.

  43. Grewe (Anm. 43). S. 268.

  44. Ebda.. S. 268.

  45. Ebda.. Regierungserklärung von Brentanos (Anm. 44). S. 19.

  46. Schreiben Adenauers an Bulganin vom 20. Januar 1958. zit. in: von Siegler (Anm. 44). S. 737.

  47. Regierungserklärung von Brentanos (Anm. 44). S. 764.

  48. Grewe (Anm. 43). S. 263.

  49. Ebda.

  50. Vgl. Hacker (Anm. 20). S. 29.

  51. Text in: Europa-Archiv. (1968). S. 51 ff.; sowie dazu H. Handzik. Der „Deutsche Bund“ — Ein Modell für die Regelung der innerdeutschen Beziehungen?. S. 793 ff. (S. 802).

  52. Grewe (Anm. 43). S. 265.

  53. Vgl. O. Kimminich. Einführung in das Völkerrecht. München u. a.. 19832. S. 178-181; Berber (Anm. 22). S. 13.

  54. So Bundeskanzler Kohl in seiner Redoute-Rede. Erich Honecker sagte bei gleicher Gelegenheit mit anderen Worten dasselbe: Die Entwicklung der deutsch/deutschen Beziehungen sei „von den Realitäten dieser Welt gekennzeichnet und sie bedeuten, daß Sozialismus und Kapitalismus sich ebenso-wenig vereinigen lassen wie Feuer und Wasser. Bei alledem gehen wir davon aus. daß beiden deutschen Staaten, fest eingefügt in die mächtigsten Militärkoalitionen dieser Zeit, die Verpflichtung zukommt, besonders aktiv zu Frieden. Abrüstung und Entspannung beizutragen.“ ND vom 8. September 1987.

  55. Vgl. z. B.den Abschnitt „Deutschland“ im Irseer Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm der SPD.

  56. Vgl. z. B. die Reaktion der Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen. Wilms, in: Der Tagesspiegel vom 17. Mai 1987.

  57. Vgl. hierzu Grebing/von der Brelie-Lewien/Franzen. Der „deutsche Sonderweg" in Europa 1806- 1945. Eine Kritik. Stuttgart 1986.

  58. Texte dieser Abkommen in Bulletin (Anm. 3).

  59. So die Einschätzung des Parlamentarischen Staatssekretärs Hennig über die vermuteten Moskauer Überlegungen zu einer deutschen Konföderation, in: FAZ vom 26. Juni 1987.

  60. Maßgebend ist hier der Art. 6 des Grundlagenvertrages, wonach beide Vertragsstaaten von dem Grundsatz ausgehen, „daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten.“

  61. Vgl.den offenen Brief des ZK der SED. in: ND vom 17. April 1960.

  62. Vgl. hierzu demnächst Th. Schweisfurth. Deutschland — noch immer ein besetztes Land, in Festschrift für Seidl-Hohenveldern (erscheint 1988).

  63. Vgl. Th. Schweisfurth. Ohne einen Friedensvertrag wird alles bleiben, wie es ist. in: Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden. (1985). S. 76 ff.; W. Fiedler. Viermächte-Verantwortung ohne Friedensvertrag? Zur rechtlichen Funktion eines Friedensvertrages mit Deutschland, in: NJW. (1985). S. 1049 ff.

  64. So der Historiker Emst Nolte in einem Vortrag „Das geteilte Berlin und die Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg“, in: Der Tagesspiegel vom 31. Mai 1987; vgl. auch unten (Anm. 92).

  65. Um welche Vorschläge es sich handeln könnte, ist anderenorts skizziert, vgl. Ammon/Schweisfurth (Anm. 10), S. 38 ff.

  66. Zur Option gesamtdeutscher Neutralität vgl. Th. Schweisfurth. Neutral — sicher — frei: Eine deutsche Eidgenossenschaft?. in: W. Heisenberg/D. S. Lutz (Hrsg.). Sicherheitspolitik kontrovers. Auf dem Weg in die neunziger Jahre. Bd. 247. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn 1987. S. 635 ff.

  67. BVerfG 36, 25 f.

  68. Zum letzteren vgl. G. Ress. Die Rechtslage Deutschlands nach dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972. Berlin u. a. 1978. S. 216 ff.

  69. Vgl.den vollständigen Wortlaut der Formel, in: Europa-Archiv. (1959), S. 21 ff.

  70. U. Scheuner, in: DOV. (1973). S. 583.

  71. BVerfGE 36. S. 23 f.

  72. Vgl. W. Mallmann. Völkerrecht und Bundesstaat, in: Wörterbuch des Völkerrechts. Bd. 3, Berlin 1962. S. 640 ff. (S. 649).

  73. Siehe J. A. Frowein. Jus cogens, in: R. Bernhardt (Ed.), EPIL. Instalment (1984) 7, S. 327 ff.

  74. H. Mosler. Subjects of International Law. S. 442 ff. (S. 453).

  75. Official Gazette of the Senegambia Confederation vom 31. Dezember 1982. Vgl. auch den — allerdings ineffektiven — marokkanisch/lybischen Unionsvertrag vom 13. August 1984, in: Europa-Archiv, (1985), S. 136 ff.

  76. Hinsichtlich der internationalen Kompetenz der beiden deutschen Staaten zum Abschluß des Grundlagenvertrages vgl. Ress (Anm. 73). S. 26 ff.

  77. Vgl. dazu Th. Schweisfurth. Die neue vertragliche Bindung der DDR an die Sowjetunion. Zum „Vertrag über Freundschaft. Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ vom 7. Oktober 1975. in: Europa-Archiv. (1975), S. 753 ff.

  78. BVerfGE 36, S. 13.

  79. E. Menzel. Die staats-und völkerrechtlichen Probleme der Wiedervereinigung Deutschlands, in: Europa-Archiv. (1958). S. 11051 ff. (S. 11060).

  80. Zitiert nach dem Urteilsabdruck, in: EuGRZ, (1984), S. 617.

  81. Zitiert nach dem Abdruck, in: ZaöRV, 42 (1982), S. 602 ff. (S. 628).

  82. Vgl. dazu K. Doehring. Verfassungsrechtliche Bindungen der Bundesregierung bei Bestrebungen zur Wiedervereinigung Deutschlands, in: Studien zur Deutschlandfrage, hrsg. vom Göttinger Arbeitskreis. Bd. 9, Berlin 1985. S. 43 ff.

  83. Ebda., S. 52.

  84. Vgl. Anm. 48.

  85. Vgl. hierzu die Analyse von A. von Borcke. Die Abrüstungsvorschläge Gorbatschows und das „neue Denken“. Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, (1987) 32.

  86. So der Parlamentarische Staatssekretär Hennig, in: FAZ vom 26. September 1987.

  87. Vgl.der Tagesspiegel vom 31. Mai 1987. Der Vortrag ist abgedruckt in: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 32/87. S. 35 ff.

Weitere Inhalte

TheodorSchweisfurth, Dr. jur., geb. 1937; apl. Prof, an der Universität Köln. Lehrbeauftragter an der Universität Zürich; wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg. Referat: Verfassungs-und Verwaltungsrecht der osteuropäischen Staaten, insbesondere Sowjetunion, völkerrechtliche Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten, Warschauer Pakt, RGW, KSZE. Veröffentlichungen u. a.: Der internationale Vertrag in der modernen sowjetischen Völkerrechtstheorie. Köln 1968; Sozialistisches Völkerrecht? Darstellung. Analyse. Wertung der sowjetmarxistischen Theorie vom Völkerrecht „neuen Typs“. Berlin-Heidelberg-New York 1979. sowie zahlreiche Beiträge in in-und ausländischen Fachzeitschriften und Sammelbänden.