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Politische Parteien und Schulbuch Zur symbolischen Bedeutung zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen | APuZ 39/1987 | bpb.de

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APuZ 39/1987 Artikel 1 Mit Schulbüchern Politik machen Politische Parteien und Schulbuch Zur symbolischen Bedeutung zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen Schulbücher und der Umgang mit ihnen — sozialwissenschaftlich betrachtet Geschichte im Schulbuch — das Schulbuch in der Geschichte

Politische Parteien und Schulbuch Zur symbolischen Bedeutung zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen

Franz Josef Witsch-Rothmund

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Härte und Ausmaß zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen, die in ihren Höhepunkten (vor allem in den siebziger Jahren) nicht mehr und nicht weniger als den Bestand der Republik zu verhandeln vorgeben, regen zu der Frage an, in welchem Verhältnis dieser öffentlich inszenierte Schulbuchstreit zu einer sachbezogenen Schulbuchdiskussion steht. Um dieser Problemperspektive Rechnung zu tragen, wird zunächst nach der Bedeutung des Sozialkundebuches im politischen Sozialisationsprozeß gefragt. Am Beispiel des Parteienthemas werden neben didaktisch-methodischen Vermittlungsstrukturen vor allem die politischen Tendenzen der Parteiendarstellung untersucht. Vor dem Hintergrund der neueren Sozialisationsforschung soll darüber hinaus der gerenelle Stellenwert des Sozialkundebuches im komplexen politischen Sozialisationsprozeß eingegrenzt werden. Auf einer sozialisationstheoretisch verläßlichen Erkenntnisgrundlage läßt sich schließlich der Frage nachgehen, inwieweit die Funktion zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen weniger in der Präsentation problemadäquater Lösungsalternativen liegt als in einer Stellvertreterfunktion bei der Inszenierung politischer Grundsatzkontroversen. Auf der Grundlage des symbolischen Politikansatzes wird das Schulbuch-thema als Paradigma politischer Kommunikation in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel untersucht, Aufschlüsse zu gewinnen über Strukturen, Schwerpunkte und Motive des zwischenparteilichen Schulbuchstreits. Unter Einbeziehung der Zulassungsdaten der untersuchten Schulbücher sowie der zeitlichen und wahlgeographischen Planung parteipolitischer Initiativen in den Parlamenten der Bundesländer steht damit die zentrale Untersuchungshypothese auf dem Prüfstand, daß aus einem öffentlich inszenierten, vornehmlich an Legitimationsinteressen ausgerichteten Schulbuchstreit ein „föderalistisches Schisma“ in der Schulbuch-politik resultiert, das schulbuchdidaktische Sachpositionen primär mit politisch-ideologischen Richtungskämpfen verknüpft.

I. Begriffliche Grundlagen und Fragestellungen

CDU SPD FDP abs. 18 4 2 24 % 47, 4 10, 5 5, 3 63, 2 abs.

4 9 1 14 % 10, 5 23, 7 2. 6 36, 8 abs. 22 13 3 38 % 57, 9 34, 2 7, 9 100, 0 A-Länder B-Länder total

Die Schulbuchforschung kann ihrem Gegenstand heute nur gerecht werden, wenn sie ihre Fragestellungen im Sinne von Gerd Stein und E. Horst Schallenberger auf der Grundlage eines „multiperspektivischen“ Forschungskonzepts definiert Der Mehrdimensionalität schulbuchspezifischer Problembezüge entspricht Gerd Stein mit einer Differenzierung des Schulbuchs als „Informatorium“ (inhaltliche Ebene von Schulbüchern), „Pädagogicum“ (pädagogische bzw. didaktisch-methodische Ebene von Schulbüchern) und „Politicum“ (politische Ebene von Schulbüchern)

Dieser Mehrdimensionalität soll im folgenden durch eine Verknüpfung entsprechender Problem-bezüge Rechnung getragen werden. Bereits aus der Tatsache, daß die politischen Parteien in einer zumindest zweifachen Beziehung zur Schulbuchproblematik stehen, ergeben sich verschiedene Zugriffsmöglichkeiten: Einerseits sind die politischen Parteien Objekt schulischer politischer Bildung (qua Schulbuch) und legen damit eine Analyse des Parteienthemas als „Paradigma schulbuchspezifischer Politikvermittlung“ nahe (Schulbuch als „Informatorium“ und „Pädagogicum“). Andererseits erscheinen die politischen Parteien als maßgebliche Akteure der öffentlichen Schulbuchdiskussion und regen damit eine Untersuchung des Schulbuchthemas als „Paradigma der politischen Kommunikation“ in der Bundesrepublik Deutschland an (Schulbuch als „Politicum“).

Vergegenwärtigt man sich zu letzterem Aspekt die öffentliche Schulbuchdiskussion der letzten 15 Jahre, so fallen insbesondere die Härte und das Ausmaß der zwischenparteilichen Schulbuchkontroversen auf. Die Auseinandersetzungen über Schulbuchforschung und Schulbuchdidaktik geraten offenbar in ihren Höhepunkten zu einer fundamentalen Debatte über nicht mehr und nicht weniger als den Bestand der Republik. Selbst wenn man Manfred Hättich u. a. einmal konzediert, daß sich die Schulbuchdidaktik partiell ebenso wie „die analytischen Ansätze mancher groß angelegter Schulbuchuntersuchungen als Vehikel der politischen Auseinandersetzung über Grundlagen der bundes-republikanischen Demokratie“ verstehen und „gelegentlich zu Ersatzkampfstätten in der Auseinandersetzung über politische Ziele und politisch-gesellschaftliche Wertorientierungen“ geworden sind stellt sich mit Nachdruck die Frage, welche Motive denn insbesondere die politischen Parteien veranlassen, eine im Kem fachdidaktische Kontroverse zum öffentlichen Richtungsstreit zu erheben? Da sich dieses Phänomen mit allgemeinhin plausiblen Kriterien zur Themenselektion wie dem „Grad des öffentlichen Interesses“, den „Grad der Betroffenheit und (den) Ansprüche(n) sozialer Gruppen“ oder „der demoskopisch ermittelten Problemlösungskompetenz“ nicht hinreichend erklären läßt gewinnt die Untersuchung der Motive einen besonderen Stellenwert. Eine Analyse der zwischenparteilichen Schulbuchkontroversen über eine Dekade (1970— 1980) in allen wichtigen Bereichen der politischen Kommunikation soll hierüber Aufschluß geben.

Eine solche Analyse kann allerdings nur zu aussagekräftigen, vertretbaren Ergebnissen gelangen, wenn sie in der Lage ist, die im zwischenparteilichen Schulbuchstreit ausgetauschten Argumente erstens auf eine sozialisationstheoretisch verläßliche, schulbuchbezogene Erkenntnisgrundlage zu beziehen und zweitens mit den Ergebnissen einer Legitimationsaspekte berücksichtigenden Schulbuchanalyse zu konfrontieren. Erst auf dieser Basis läßt sich die Stichhaltigkeit der These von der symbolischen Bedeutung zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen, also einer politisch motivierten Schulbuchinstrumentalisierung durch die Parteien, bewerten.

Indem die legitimationsrelevanten Zusammenhänge der Parteiendarstellung und deren vermittlungsspezifische Merkmale auf der Grundlage didaktisch-methodischer Gesichtspunkte untersucht und mit den Zulassungsdaten der Schulbücher korreliert werden, lassen sich darüber hinaus Anhaltspunkte gewinnen, inwieweit der zwischenparteiliche Schulbuchstreit Entsprechungen in der Schulbuchzulassung findet und möglicherweise ein „föderalistisches Schisma“ in der Schulbuchpolitik zur Folge hat.

Die Ergebnisse der damit vorgezeichneten Analyseschritte sollen also insgesamt Aufschlüsse geben: 1. über zustimmende bzw. kritische Tendenzen und die didaktisch-methodischen Grundlagen der Parteiendarstellung in den untersuchten Sozialkundebüchern; 2. inwieweit sich diese Daten zu einer Schulbuchtypologie verdichten lassen, die möglicherweise bis in die Zulassungspolitik der Länder nachzuvollziehen ist;

3. über Strukturen, Verlaufsformen und Schwerpunkte zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen; 4. inwieweit die Schulbuchzulassung sachfremd den Positionen einer parteipolitisch aufgebauten Frontlinie angepaßt wird.

Auf dem Prüfstand steht damit die zentrale Untersuchungshypothese, daß ein öffentlich inszenierter, weniger an Sachaspekten als vielmehr an Legitimationsinteressen orientierter Schulbuchstreit ein länderspezifisches Profil der Schulbuchzulassung zur Folge hat, das schulbuchdidaktische Sachpositionen einer vorgeblich politisch-ideologischen Frontlinie zwischen den „staatstragenden“ Parteien unterordnet.

II. Das Sozialkundebuch: Didaktisches Medium, Sozialisationsfaktor und Objekt staatlicher Zulassungspolitik

1. Politische Legitimation, didaktische Struktur und Zulassungspraxis — Konturen eines „föderalistischen Schismas“ in der Schulbuchpolitik Die im folgenden zusammengefaßten Untersuchungsergebnisse basieren auf einer Schulbuchanalyse, die in zwei getrennten inhaltsanalytischen Schritten legitimationsspezifische Vermittlungszusammenhänge und didaktische Vermittlungsstrukturen der Parteiendarstellung in Sozialkundebüchern für die Sekundarstufe I untersucht Die Ergebniszusammenfassung konzentriert sich auf die Wiedergabe makroanalytischer Zusammenhänge. Auf die Präsentation von Einzelergebnissen wird bewußt zugunsten der Darstellung korrelativer Beziehungen zwischen Legitimationsprofilen, didakti-sehen Strukturen und Zulassungsdaten der Sozialkundebücher verzichtet

In der zwischenparteilichen Schulbuchkontroverse werden Legitimationsansprüche regelmäßig mit dem Argument unvereinbarer Zulassungspositionen verbunden. Diese Unvereinbarkeit wird, je nach politischem Standort, einmal mit der „subversiven, systembedrohenden“ Schulbuchpolitik in A-Ländem, ein andermal mit der „konservativ-harmonisierenden Heile-Welt-Politik" in B-Ländem begründet. Der zitierten Schulbuchanalyse ist vor allem daran gelegen, diese Positionen einmal gezielt am Beispiel des Parteienthemas empirisch zu prüfen. Auf der Basis einer umfassenden Aussagen-analyse, die für jedes Sozialkundebuch des Samples unter anderem einen „Legitimationsquotienten" ermittelt, läßt sich eine betont legitimierende Dar 4 Stellung des Parteienthemas nachweisen. Das Verhältnis von legitimierenden, das heißt das Parteien-system bestätigenden Aussagen, und delegitimierenden, das Parteiensystem in seinen Aufgaben und Funktionen kritisch kommentierenden Aussagen bestätigt diese Tendenz mit einem durchschnittlichen Legitimationsquotienten von 0, 765 recht deutlich Darüber hinaus besteht ein unverkennbarer Zusammenhang zwischen dem Ausprägungsgrad legitimierender Aussagen und den gemessenen Informationsanteilen der Sozialkundebücher. 75 % der untersuchten Bücher lassen sich nahezu gleich-gewichtig in zwei Gruppen zusammenfassen, die durch gegensätzliche Merkmale gekennzeichnet sind: Bücher mit einem überdurchschnittlichen Legitimationsquotienten, die das Parteiensystem in seinen Aufgaben und Funktionen betont positiv bewerten, weisen gleichzeitig unterdurchschnittliche Informationsanteile auf (Gruppe 1). Ein unterdurchschnittlicher Legitimationsquotient mit stärker kritischen Tendenzen korreliert hingegen signifikant mit überdurchschnittlichen Informationsanteilen (Gruppe 2).

Diese Zweiteilung der untersuchten Titel findet im Hinblick auf die didaktisch-methodischen Vermittlungsstrukturen eine nahezu exakte Entsprechung. Die anhand der Text-und Quellenanteile bzw.der visuellen Anteile und Arbeitsanregungen ermittelten Ergebnisse zur didaktisch-methodischen Struktur legen es nahe, zwei grundlegende Typen von Sozialkundebüchem zu unterscheiden: 48% der untersuchten Bücher weisen einen deutlich unterdurchschnittlichen Textanteil auf. Dem steht ein überdurchschnittlicher Quellenanteil gegenüber. Fragestellungen und Arbeitsanregungen dienen in der Regel einer eher offenen, pluralistischen Problemerschließung. Wir bezeichnen diesen Schulbuchtyp als „Arbeitsbuch“. Entsprechende Schulbuchtitel lassen sich überwiegend der Gruppe 2 zuordnen. Eine umgekehrt proportionale Verteilung von Text-und Quellenanteilen weisen 52 % der Sozialkundebücher auf. Fragestellungen und Arbeitsanregungen sind hier häufig auf die Bestätigung normativ vorgegebener Positionen gerichtet. Wir rechnen diese Bücher dem Schulbuchtyp des „Lehrbuchs“ zu. Entsprechende Titel sind überwiegend identisch mit den in Gruppe 1 zusammengefaßten Sozialkundebüchem.

Ihre eigentliche Brisanz erhalten die Ergebnisse der Schulbuchanalyse aber erst, wenn die legitimationsspezifischen Ergebnisse und die Resultate zum Komplex der didaktischen Vermittlungsstrukturen mit den Zulassungsdaten der Sozialkundebücher korreliert werden: Der anhand der Legitimationsquotienten bzw.der ermittelten Informationsanteile und der didaktisch-methodischen Merkmals-ausprägungen nachweisbaren Trennlinie zwischen zwei etwa gleichgewichtigen Gruppen von Sozialkundebüchem entspricht eine schwerpunktmäßige, nach A-und B-Ländern unterscheidbare Zulassungspolitik. Dabei lassen sich folgende Zusammenhänge belegen: Sozialkundebücher mit einem überdurchschnittlichen Legitimationsquotienten und unterdurchschnittlichen Informationsanteilen (Gruppe 1) finden sich schwerpunktmäßig in den Lernbuchlisten der unionsregierten Länder (B-Länder). Umgekehrt besteht (bezogen auf den Untersuchungszeitraum) ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Zulassungspräferenzen sozialdemokratisch bzw. sozialliberal regierter Bundesländer (A-Länder) und Sozialkundebüchem, die bei einem unterdurchschnittlichen Legitimationsquotienten überdurchschnittliche Informationsanteile aufweisen (Gruppe 2).

Gleichzeitig stehen die Daten zur Legitimationsund Informationsstruktur in einem funktionalen Zusammenhang zu den didaktisch-methodischen Grundlagen der Gegenstandsvermittlung: Ein überdurchschnittlicher Legitimationsquotient korreliert danach deutlich mit einer Gegenstandsvermittlung, die auf einer relativ geschlossenen, stark normativ bewertenden Themenpräsentation beruht. Dies wird unterstützt durch eine Reihe von Merkmalen, die eine deutliche Affinität der betreffenden Sozialkundebücher zum Typ des „klassischen Lehrbuchs“ belegen Sie weisen ein überdurchschnittliches Textangebot (zum Teil in Form gedruckten Lehrervortrags) auf, das grundsätzlich mit einem unterdurchschnittlichen Angebot an Quellen und Arbeitsmaterialien korrespondiert. Die normativen Grundlagen des Parteiensystems werden hier in der Regel, über didaktische Einstiegsfunktionen hinaus, auch zur Deskription und Bewertung politisch-gesellschaftlicher Realität herangezogen. Dem entspricht häufig eine bestätigende Kontrollfunktion von Fragekatalogen. Politische Entwicklungen und gesellschaftlicher Wandel lassen diese Schulbuchkonzeptionen weitgehend unberührt.

Im Gegensatz dazu sind jene Titel, die eine reziproke Datenkombination aufweisen, mehrheitlich dem Typ des „Arbeitsbuchs“ zuzuordnen. Sie verzichten entgegen dem Typ des „klassischen Lehrbuchs“ auf eine relativ geschlossene, primär normativ bewertende Gegenstandsvermittlung zugunsten einer offenen, quellengestützten, durch Arbeitshilfen und texterschließende bzw. kontrollierende Fragestellungen didaktisch aufbereitete Themenbehandlung. Ein weiteres signifikantes Merkmal dieser Schulbücher ergibt sich aus einer zumeist konzeptionellen Integration transparenter didaktischer und normativer Prämissen der Schulbuch-autoren. Die vorliegenden Ergebnisse belegen also eine Dichotomie der Zulassungspositionen, deren Trennschärfe sowohl in didaktischer als auch in legitimationsspezifischer Hinsicht offenkundig ist. Daß eine marktorientierte Schulbuchpolitik und -didaktik seitens der Verlage und Autoren in der Tat einem parteipolitischen Glaubensbekenntnis gleichkommt, belegen nicht nur die faktische Dichotomie der Zulassungslisten, sondern im übrigen die vielfältigen Eingriffe der Zulassungsstellen bis hin zur Ausschöpfung aller möglichen Rechtsmittel, um gerichtlichen Zulassungsverpflichtungen entgegenzuwirken Insofern bezeichnet die pointierte For-mulierung von einem „föderalistischen Schisma“ in der Schulbuchpolitik mehr als nur ein Bonmot. Die aufgezeigten Zusammenhänge spielen bei der Rekonstruktion des zwischenparteilichen Schulbuch-streits und vor allem bei der Überprüfung der zentralen Untersuchungshypothese eine wesentliche Rolle. 2. Das Schulbuch und seine Didaktik(er): Spielball im zwischenparteilichen Schulbuchstreit — Thesen zur Funktion des Schulbuchs im Kontext politischer Sozialisation und Instrumentalisierung

Mancher Schulbuchautor, der sich im Grabenkrieg zwischenparteilicher Schulbuchkonflikte zu weit vorwagt und nicht die rechte Parole verlauten läßt, muß erfahren, daß der wärmende Stallgeruch hüben schon der revolutionäre Pulverdampf drüben ist. Vor allem, wer die jeweils gegebenen föderalistischen Demarkationslinien parteipolitischen Hoheitsterrains überschreitet, läuft Gefahr, zwischen die Breitseiten der zwischenparteilichen Scharmützel zu geraten. Kurt Gerhard Fischer bejaht beispielsweise als Wanderer zwischen den Zulassungswelten die Frage, ob er sich als Schulbuchautor nicht klar machen müsse, nur der willkommene Anlaß für Schulbuchkampagnen zu sein, und daß deren eigentliche Zielrichtung die parteipolitische Positionsfixierung zur nachhaltigen Beweisführung „verfassungswidriger Umtriebe“ sei Dieser Eindruck verfestigt sich mit der Feststellung Fischers, man habe Schulbücher auf einerjedermann zugänglichen und doch zumindest kritikwürdigen Theoriegrundlage erarbeitet. Niemand — so Fischer -sei aber jemals zu ihnen gekommen und habe angeboten: „bitteschön, wollen wir nicht einmal darüber reden. Ich würde sagen, das wäre die elementarste Geschäftsgrundlage. Denn mit sachlicher Kritik am Schulbuch sind wir völlig einverstanden — im Gegenteil, dafür sind wir dankbar“ Folgerichtig macht Fischer denn auch deutlich, daß zwischen sachlicher Schulbuchkritik und einschlägiger „Schulbuchschelte“ keine gemeinsame „Geschäftsgrundlage“ mehr besteht. Die Strategie der „Schulbuchschelte“ bedarf — auch wider besseres Wis-sen — der „revolutionären Bedrohungsdimension“ des Schulbuchs und der Aura der tendenziellen „Verfassungsfeindlichkeit“ seiner Autoren. Da ihre Zielrichtung auf politische Beeinflussung und nicht aufsachbezogene, konstruktive Schulbuchkritik gerichtet ist, erweist sie sich unter wissenschaftlichen Kriterien als nicht dialogfähig. Insofern ist auch nicht die „psychische Belastbarkeit“ von Schulbuchautoren sondern die politisch-instrumentelle Effizienz von Schulbuchkampagnen das handlungsleitende Motiv

Gleichwohl sind es die in der Schulbuchdiskussion attakierten Didaktiker, die sich um Wiederherstellung einer gemeinsamen Diskussions-bzw. „Geschäftsgrundlage“ bemühen. Dabei — so Wolfgang W. Mickel — verlangen die an der Schulbuch-produktion Beteiligten nichts anderes, als eine rationale Auseinandersetzung, in der Schulbücher als didaktische Medien zur Unterstützung schulischer Informations-und Kommunikationsprozesse, kurz, als „pädagogische Hilfsmittel“ verstanden werden und ihre außerpädagogische Inpflichtnahme und Instrumentalisierung abgelehnt wird Bevor im weiteren der Frage nachzugehen ist, warum die Position Mickels mit dem „Schulbuchinteresse“ der politischen Parteien unvereinbar ist, soll in fünf Thesen auf die Funktion des Schulbuchs im Kontext politischer Sozialisation einerseits und politischer Instrumentalisierung andererseits eingegangen werden: 1. Die Ergebnisse der neueren Sozialisationsforschung legen nahezu durchgängig die Schlußfolgerung nahe, daß für verhaltens-und einstellungsrelevante Sozialisationseffekte vor allem die Art der strukturell vorherrschenden kommunikativen Verhaltensorganisation maßgebend ist. Diese Annahme läßt sich für den schulischen Erfahrungsraum in der Hypothese zusammenfassen, daß gerade die „nicht veranstalteten“ Lernerfahrungen den entscheidenden Sozialisationseinfluß ausüben. Einstellungs-und verhaltensorientierende Einflüsse vollziehen sich demgemäß weniger über kognitive Lernprozesse als über den institutioneilen und informellen Bedingungsrahmen schulischer Sozialisation 2. Im Hinblick auf Wirkungsaspekte schulischer Sozialisation ist insofern dem Schulbuch lediglich sekundäre Relevanz beizumessen. Schulische Lernprozesse werden als ein komplexes Kommunikations-und Interaktionsgeschehen aufgefaßt, in dem das Schulbuch nur ein didaktisches Strukturelement neben anderen ist. In diesem Sinne ist das Schulbuch kein „Primärfaktor“ schulischer Sozialisation, sondern didaktisches Hilfsmittel 3. Exakte Angaben über den Sozialisationseinfluß von Schulbüchern sind — schon aufgrund fehlender empirischer Forschungsergebnisse — nicht vorhanden. Dies hängt vor allem auch mit erheblichen forschungspraktischen Problemen zusammen. Entsprechende Aussagen sind nur unter Einbeziehung zusätzlicher Variablen sinnvoll bzw. zulässig. Hierzu zählen die Rahmenbedingungen schulischer Politikvermittlung wie: institutionell vorgegebene Handlungsspielräume, Interaktionsstrukturen, Lehrer-und Schülereinstellungen, Mitwirkungschancen, Konformitätsanforderungen, Leistungsdruck, Anpassungsdruck, Kontrollmaßnahmen, alters-und sozialstrukturelle Variablen etc., die in ihrer jeweiligen Ausformung und ihrem Zusammenspiel ein jeweils spezifisches Schulklima begründen So lassen z. B. die Untersuchungen der Konstanzer Forschungsgruppe um Helmut Fend auf gewisse schultypische Differenzen (herkömmliches Schulsystem vs. Reformschulen) schließen 4. Wirkungs-und Anwendungsmöglichkeiten von Schulbüchern hängen im wesentlichen mit von diesen Rahmenbedingungen ab. Als zusätzlicher Faktor, der die Verwendung von Schulbüchern erheblich beeinflußt, sind anwenderspezifische Variablen zu berücksichtigen, so z. B. die unterschiedlich entwickelten Kompetenzen, die Lehrer und Schüler mehr oder weniger in die Lage versetzen, medien-spezifische Angebote zu nutzen. Insofern sind die Möglichkeiten, Planung und Verlauf von Unter-richt durch fachdidaktisch angemessene Schulbuch-konzeptionen positiv zu beeinflussen, an spezifische Voraussetzungen geknüpft, grundsätzlich aber nicht ausgeschlossen 5. Akteure der Schulbuchdiskussion, die in ihrer öffentlichen Argumentation diese breit dokumentierten Aspekte des wissenschaftlichen Forschungsstandes ignorieren oder diffamieren, die Forschungsergebnisse bewußt selektiv zur argumentativen Absicherung und Rechtfertigung eigener Positionen nutzen, setzen sich grundsätzlich dem Verdacht aus, daß ihr Interesse an pädagogischen und insbesondere schulbuchdidaktischen Fragen vordergründig und de facto von politischem Kalkül geleitet ist. Entsprechende, in der Regel unter dem Anspruch oder der Berufung auf wissenschaftliche Seriosität auftretende Schulbuchinitiativen stehen für den Versuch einer politischen Instrumentalisierung des Schulbuchs, mit dem Ziel einer öffentlichen Inszenierung ideologischer Stellvertreterkriege und einer hieraus resultierenden Mobilisierung latenter politischer Vorurteile und Ängste

III. Schulbuch und symbolische Politik — Theoretische Aspekte zu einer erklärungsbedürftigen Parteienkontroverse

Es gehört zu den grundlegenden Strategieelementen von Wahlauseinandersetzungen, eigene Legitimationsansprüche mit der Disqualifizierung des politischen Gegners zu begründen. Dies geschieht in der Regel, indem ein Bild des politischen Gegners gezeichnet wird, das sowohl seine Problemkompetenz als auch seine politischen Ziele und personellen Alternativen diskreditiert Eine entscheidende Bedingung im strategischen Kalkül der politischen Parteien liegt dabei in der sozialpsychologisch begründeten Annahme, daß die überwiegende Mehrheit der Wahlbürger politische Ereignisse oder Prozesse rein „objektivistisch“, lediglich unter ihrem . Nennwert 1 sieht und analysiert, ohne deren . Dramaturgie*, also deren , Symbolwert* zu erkennen. Die zugrundeliegenden politisch-strategischen Kalküle bleiben damit zwangsläufig verdeckt

So begründet beispielsweise Walter Wallmann seine Legitimationsansprüche am deutlichsten zu Lasten einer realitätsbezogenen Problemdefinition, indem er im Hinblick auf die Schulbuchsituation in Hessen 1972 behauptete: „Hessischer Kultusminister vergiftet die Schuljugend mit prokommunistischen Pamphleten“ und „volksverhetzender Propaganda“. Beides vermittelte Wallmann im Vorfeld der Bundestagswahlen 1972 als Menetekel „für eine immer gefährlicher werdende Entwicklung, die für die Zukunft unseres Landes das Schlimmste befürchten läßt“

Der Versuch einer umfassenden empirischen Er-härtung sowie einer theoretischen Erklärung dieser (zwischenparteilichen) Spielart der Schulbuch-instrumentalisierung steht bislang noch aus. Wenn sich aber Härte und Erscheinungsformen des zwischenparteilichen Schulbuchstreits auf der Grundlage „klassischer Kriterien“ der Themenselektion allein nicht hinreichend erklären lassen so muß das parteipolitische Interesse an einem relativ unbedeutenden Politiksegment in anderer Weise begründbar sein. Im Hinblick auf diese Forschungslücke hat Gerd Stein wichtige theoretische Impulse und verdienstvolle dokumentarische Initiativen entfaltet, ohne sie allerdings zu einem theoretisch konsistenten Erklärungsansatz zu verdichten Dies wird nicht zuletzt deutlich, wenn insbesondere Gerd Stein — ähnlich wie Wolfgang W. Mickel — fordert, zumindest die bildungspolitischen Akteure in Parlamenten und Regierungen mögen doch um eine systematische Aufklärung der Öffentlichkeit über Motive, Ziele und Strategien von „SchulbuchSchelte“ bemüht sein Diese Aufforderung kommt allerdings einem Appell zur Selbstentlarvung gleich, scheint doch das „Schulbuchinteresse“ zumindest der aktiven bildungspolitischen Schulbuchdiskutanten gerade in der politisch-strategischen Instrumentalisierung des Schulbuchs begründet zu sein.

Entscheidende Impulse zur Erklärung des zwischenparteilichen Schulbuchstreits vermittelt Ulrich Sarcinelli mit einem umfassenden Konzept zur Analyse politischer Kommunikation insbesondere im Kontext von Wahlkämpfen Ein wichtiges Teilstück dieser Studie bildet die Erarbeitung einer Typologie „artikulativer Legitimationssymbole“. Die von Sarcinelli zu analytischen Zwecken vorgenommene funktionale Dreiteilung in „problemlösende“ (politische Problemlösungsebene), „sinnorientierende“ (politische Zielebene) und „personalisierende“ (politische Akteursebene) Legitimationssymbole stellt verschiedene, im Prozeß der wechselseitigen Positionsfixierung (positives Selbstbild/negatives Fremdbild) meist zugunsten eines strategischen Gesamtkonzepts kombinierte Varianten dar.

Die wesentlichen Impulse zur Entwicklung dieser Typologie bezieht Sarcinelli — so seine These — aus einer zunehmenden Ritualisierung der Wahlkampfkommunikation. Gemeint ist die Tendenz, die politische Kommunikation mit einem Bestand an relativ stabilen Ausdrucksformen zu versehen. Visuelle Erkennungssymbole, Slogans und Schlagwörter stehen hierbei als „polarisierende Hauptstimuli“ für die Neigung, in der politischen Kommunikation ein „Repertoire positiv sanktionierter (für die eigene Position) und negativ sanktionierter Strukturen (für den politischen Gegner) auszubilden“. Sie stellen gewissermaßen das kommunikative Gerüst dar, „auf das sich die wechselseitigen Legitimations-und Delegitimationsbemühungen der Parteien stützen, und die durch ständigen Gebrauch assoziative Äquivalenzen beim Wähler mobilisieren sollen“

Die eminent praktische Relevanz dieser Legitimationssymbole wird deutlich, wenn wir uns die erkenntnisleitenden Forschungshypothesen Sarcinellis vergegenwärtigen: Symbolische Politik erweist sich demnach vor dem Hintergrund eines gemäßigten pluralistischen Parteiensystems der Bundesrepublik, bei weitgehender Konvergenz grundlegender Orientierungen, erstens als „unverzichtbares Darstellungsmittel zur Sichtbarmachung von Politikdivergenzen“. Darüber hinaus gewinnt es, zweitens, die Qualität eines „Steuerungsinstruments“ im Sinne eines loyalitätssichemden „Politikmanagements“ Vor diesem Hintergrund, der das . etablierte Parteiensystem* in der Bundesrepublik an die konsensuale Akzeptanz nicht beliebig veränderbarer Rahmenbedingungen bindet und damit den verbleibenden politischen „Gestaltungsrest“ minimiert, wird nach Sarcinelli plausibel, daß der rhetorischen Politik im Parteienwettbewerb westlicher Demokratien wachsende Bedeutung zukommt. Folgerichtig spricht Sarcinelli von der zentralen Funktion symbolischer Politik als „legitimatorisches Problemlösungssurrogat" oder von der „Fiktion politischer Fundamentalaltemativen“ Dabei werde der symbolische Charakter der Kontroversen gerade dadurch erkennbar, daß die Disqualifizierung des politischen Gegners häufig zum Hauptgegenstand der eigenen Legitimationsansprüche gemacht werde

Die Stellvertreterfunktion öffentlicher Politikkontroversen, so insbesondere auch des Schulbuch-Streits, beruht dementsprechend aufeiner extremen Freund-Feind-Kategorisierung und der Scheinpolarisierung von vermeintlichen ideologischen Fundamentalgegensätzen. Nur vor diesem Hintergrund läßt sich ein plausibler Zusammenhang herstellen zwischen der marginalen Bedeutung des . Politik-segments* Schulbuch und seiner Sekundärfunktion im politischen Sozialisationsprozeß einerseits und seiner — daran gemessen — überaus unverhältnismäßigen Einbindung in die zwischenparteiliche Kontroverse andererseits.

Im Hinblick auf die Verwertbarkeit seiner Forschungsergebnisse verweist Sarcinelli darauf, daß eine bislang noch ausstehende systematische Analyse des Gebrauchs „artikulativer Legitimationssymbole“ unverzichtbar nicht nur für Erkenntnisse zur(Struktur und Funktion politischer Kommunikation in der Bundesrepublik sei. „Sie ist auch unverzichtbar, weil sie konkrete Anhaltspunkte für eine qualitative Bewertung kommunikativer Rechtfertigungsbemühungen von Politikern liefern kann.“

Der von Sarcinelli aufgezeigte Bezugsrahmen einer solchen Bewertung reicht von der systemfunktionalen Perspektive, nach der die Reduktion von komplexen Sachzusammenhängen erst die Vermittlung von Politik ermöglicht, bis hin zu einer normativ-kritischen Perspektive, nach der eben diese Reduktionsleistungen häufig den Charakter von bewußten Manipulationsakten mit der deutlichen Intention einer Verschleierung politischer Sachzusammenhänge annehmen

Wenn im folgenden auf der analytischen Basis des symbolischen Politikansatzes der Versuch unternommen wird, Strukturen und Verlaufsformen und damit letztlich auch die Funktion des zwischenparteilichen Schulbuchstreits aufzuzeigen, dann geschieht dies in bewußt kritischer Absicht In dem Maße, wie die Beurteilung von Politikvermittlungsleistungen nicht mehr nur das „folgenlose Privileg einer kritischen sozialwissenschaftlichen Intelligenz ist“ (Claus Offe), nehmen diese Qualitätsanforderungen zu.

IV. Zur symbolischen Bedeutung zwischenparteilicher Schulbuchkontroversen — Empirische Befunde

Im Gegensatz zu äußeren, nicht direkt beeinflußbaren Ereignissen, die zum Beispiel den Themenhaushalt eines Wahlkampfes entscheidend determinieren können gehören spezielle Themen — wie Schulbuchfragen — gewissermaßen zur frei verfügbaren „Manövriermasse“ der Wahlstrategen. Der symbolische Politikansatz unterstellt, daß zwischenparteilichen Kontroversen unter bestimmten Bedingungen nicht in erster Linie die Funktion zukommt, sachorientierte Problemlösungsaltemativen zu präsentieren; vielmehr komme der „strategisch induzierten Problemlösungskontroverse“ (Sarcinelli) vor allem die Funktion zu, ansonsten nur schwer vermittelbare Politikalternativen auf symbolischem Wege zu verdeutlichen. Neben der „argumentativen Handhabung“ des Themas ergeben sich möglicherweise aus der zeitlichen und wahlgeographischen Themensteuerung weitere Hinweise auf ein primär wahlstrategisch begründetes Themeninteresse.

Die Annahme, das Schulbuchthema werde im Parteienstreit vorwiegend zur Verdeutlichung vermeintlicher ideologischer Fundamentalgegensätze instrumentalisiert, muß daher folgenden Fragestellungen nachgehen: Wer bezieht das Schulbuch-thema mit welchen Argumenten und unter welchen politischen Rahmenbedingungen in die zwischenparteiliche Kontroverse ein?

Die am Beispiel zahlreicher Anfragen und Debatten in den Länderparlamenten zu dokumentierenden Hauptargumentationsstränge werden im folgenden zu idealtypischen Argumentationsmustern verdichtet und auf ihre Repräsentativität hin geprüft. Dies geschieht mit Hilfe der Parlaments-spiegel für die Länderparlamente und Bürgerschaften und der entsprechenden Drucksachen bzw. Plenarprotokolle. Gleichzeitig ermöglichen die Parlamentsspiegel den genauen Nachweis der länderspezifischen Verteilung der Schulbuchinitiativen. Die Struktur der parteipolitischen Initiativen auf Parlamentsebene, differenziert nach A-und B-Ländem Die Tabelle zeigt deutlich, daß die Schulbuchdiskussion auf Parlamentsebene im wesentlichen von der CDU (58 % der Initiativen) initiiert wird, mit Abstand gefolgt von der SPD (34 % der Initiativen) und der FDP (8% der Initiativen). Besonders aufschlußreich ist dabei die länderspezifische Verteilung der Aktivitäten, vor allem unter Gesichtspunkten der jeweiligen parlamentarischen Rollenverteilung. Nahezu zwei Drittel aller erfaßten Initiativen (24 = 63%) ereigneten sich in sogenannten A-Ländern, im Rahmen einer politischen Konstellation also, in der die CDU die Oppositionsrolle inne-hatte. Hier gingen drei Viertel der Initiativen (18 von 24) von der CDU aus. Von daher ergibt sich folgerichtig, daß die Schwerpunkte der parlamentarischen Schulbuchinitiativen in Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen lagen. Der dominanten parlamentarischen Initiativfunktion der CDU entsprach daher auch ein Monopol bei der im folgenden aufgezeigten (quantifizierten) Argumentationsverwendung des Schulbuchthemas in der zwischenparteilichen Kontroverse: 1. Das Schulbuch sei eine entscheidende und prägende Einflußvariable im politischen Sozialisationsprozeß. Dieses Axiom bildet gewissermaßen die entscheidende Prämisse für die politische Instrumentalisierung des Schulbuchs überhaupt. Der instrumentelle Charakter dieses Arguments besteht darin, im Gegensatz zum Erkenntnisstand in der Sozialisationsforschung eine tiefgreifende und entscheidende Sozialisationswirkung von Schulbüchern zu unterstellen. Eine Häufigkeitsauszählung dieses Argumentationsmusters weist insgesamt 25 Belegstellen aus. 2-Die „Sozialisationsallmacht“ des Schulbuchs diene bestimmten politischen Kräften zur einseitigen politischen Indoktrination. Diese systemunterlaufende Schulbuchpolitik führe zu einer ernsthaften Gefährdung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Dieses Argumentationsmuster zeigt, wie eine „Sachdiskussion“ auf Prinzipienfragen verlagert wird. Dabei wird der Eindruck vermittelt, das politisch-gesellschaftliche Ganze und die es tragenden Werte stünden aufgrund einer bestimmten Schulbuchpolitik zur Disposition. Für dieses Argumentationsmuster finden sich 28 Belegstellen in den Plenarprotokollen. 3. Das dritte Hauptargumentationsmuster versucht in Verbindung mit den „Sachargumenten“ die politische Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des politischen Gegners in Frage zu stellen. Für Argumentationsmuster dieser Art finden sich insgesamt zehn Belegstellen.

Während diese Argumentationsmuster ausschließlich von der CDU in die Schulbuchdebatten eingeführt wurden, muß schließlich 4. ein Argumentationsmuster gesondert erfaßt werden, das die Schulbuchkontroverse auf einer metakommunikativen Ebene abhandelt. Dabei wird dem politischen Gegner a) unterstellt, die wahlstrategisch induzierte Schulbuchdebatte erfülle eine Stellvertreterfunktion für die Inszenierung eines fundamentalen Wertekonflikts sowie b) besitze er keine schulbuchdidaktische Sachkompetenz. Dieses Argumentationsmuster wird ausschließlich von SPD und FDP gewissermaßen als reaktive Variante in die Schulbuchdiskussion eingeführt. Hierfür lassen sich 26 Belegstellen nachweisen.

Parlamentarische und außerparlamentarische Instrumentalisierungen der Schulbuchdiskussion laufen nach gleichförmigen Mustern ab. Exemplarisch und richtungsweisend für beide Ebenen ist die weiter oben kurz skizzierte Pressekampagne zur Schulbuchpolitik in Hessen In der Folge hat die CDU/CSU fast durchgängig in allen Landtagswahl-kämpfen, die sie als Opposition zu bestreiten hatte, versucht, Schulbuchfragen zu einem’ zentralen Wahlkampfthema zu machen: Ausgehend von Niedersachsen, wo die CDU wenige Tage vor dem Wahltermin (9. Juni 1974) unter der Parole: „Stoppt den Mißbrauch der Schule durch die linken Systemveränderer!“ eine Anzeigenserie in allen Tageszeitungen Niedersachsens startete, weist die Karriere des Schulbuchthemas eine kontinuierlich zunehmende Resonanz auf Während sich in einigen lokalen Kommunikationsräumen die Schulbuchdiskussion über die Niedersachsen-Wahlen hinaus als Dauerthema etablierte, griff Karl Karstens, damals Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, die Schulbuchpolitik der sozialdemokratisch regierten Länder in einer Rede vor dem CSU-Parteitag in München auf und verlieh der Diskussion damit einen deutlichen bundespolitischen Akzent. Nachdem „Bayernkurier" und überregionale Presse mit dem Tenor „Roter Schmutz auf Schulkinder“ für eine weitere Anheizung der Diskussion sorgten kam es in Hessen und Nordrhein-Westfalen zu Höhepunkten der Schulbuchkampagne. Über das Schulbuchthema wurde hier für eine außerordentlich starke Personalisierung der Wahlauseinandersetzungen gesorgt. Danach fände die vor allem über Schulbücher betriebene „sozialistische Systemveränderung“ in Ludwig von Friedeburg ihren «Spiritus rector“, den „verblendeten Ideologen“, der „die hessischen Schulen ruiniert“, den „ideologischen Eiferer, der den Kommunisten die Türen der Schulen und Hochschulen öffnet“ Durch den Rücktritt von Friedeburgs zusätzlich motiviert, konzentrierte sich die Union in Nordrhein-Westfalen ebenfalls auf die Person des Kultusministers, der „als Buhmann den Beinamen , Roter Jürgen 1 erhielt“, und die von ihm genehmigten „Radikalenbücher“

SPD und FDP verharrten hingegen entweder in der ihnen zugeschriebenen Rolle und bestätigten darüber hinaus die Strategie der Union durch entsprechende politische Konsequenzen wie in Hessen mit dem Rücktritt von Friedeburgs. Oder sie bemühten sich wie in Nordrhein-Westfalen um eine möglichst überzeugende Relativierung schul(buch) -politischer Fragen bei der Betonung einer eigenen positiven Leistungsbilanz Darüber hinaus wurde, zumindest in Nordrhein-Westfalen, in der veröffentlichten Meinung Gelassenheit und ein selbstbewußtes Rechtfertigungsgebaren vor allem der SPD registriert, „die ob all dieser Vorwürfe kalt bleibt“: „Die Fakten unserer Reform sprechen für uns.“

Die Analyse von Schulbuchkontroversen auf parlamentarischer Ebene bzw. im Kontext von Wahlen führt zu der Feststellung, daß die Induzierung von Schulbuchkonflikten in erster Linie ein Element unionsspezifischer Strategien im Prozeß des zwischenparteilichen Wettbewerbs ist. Aufgrund dieser Ergebnisse liegt die Vermutung nahe, daß die Aktivitäten der politischen Parteien auf der Ebene der politischen Zielformulierung zusätzliche Anhaltspunkte für eine unionsdominierte Schulbuch-diskussion liefern. Hierfür sprechen zumindest zwei auffällige Befunde: Erstens wurden entsprechende programmatische Aktivitäten nahezu ausschließlich von der CDU/CSU entfaltet. Die Union demonstrierte damit sichtbar den Anspruch eines Definitionsmonopols. Zweitens: SPD und FDP nahmen schulbuchpolitische Fragestellungen nur dann auf, wenn sich die Reduktion von Rechtfertigungsdruck und der Nachweis der eigenen Problemlösungskompetenz nur um den Preis eigener Profillosigkeit vermeiden ließen So hatte die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz 1980 „Handreichungen für die Genehmigung und Einführung von Schulbüchern“ verabschiedet Das achtseitige Papier, das anschließend an eine allgemeine Einschätzung des Schulbuchs spezielle „Maßstäbe für die Beurteilung von Schulbüchern“ formuliert, kann als programmatisches Substrat aufgefaßt werden, das seit Jahren die ideologische Grundlage der CDU/CSU-Schulbuchpolitik bildet Die hier zusammengefaßten Kriterien bilden gleichzeitig die Grundlage für einen quasi präjudikativen Akt der Klassifizierung von Sozialkundebüchem, die von Hilligen über Fischer bis Mickel als „völlig unbrauchbar“ oder als „propagandistische Machwerke“ (W. Wallmann) abqualifiziert wer den.

V. Symbolische Politik als Herausforderung politischer Bildungsarbeit — Zusammenfassende Ergebnisse und Perspektiven

Auf der Basis der Schulbuchanalyse zur Vermittlung des Parteienthemas in Sozialkundebüchern der Sekundarstufe I und der Verortung des Sozialkundebuches im politischen Sozialisationsprozeß lassen sich die Ergebnisse zur symbolischen Bedeutung des zwischenparteilichen Schulbuchstreits folgendermaßen zusammenfassen: 1. Im komplexen politischen Sozialisationsprozeß ist das Sozialkundebuch kein Primärfaktor, sondern eine Variable, deren Einfluß nur im Zusammenhang mit den übrigen Rahmenbedingungen schulischer bzw. politischer Sozialisation bewertet werden kann. 2. Die Ergebnisse verschiedener Studien bestätigend gelangt die vorgestellte partielle Schulbuchanalyse am Beispiel des Parteienthemas zu dem Ergebnis, daß die Gegenstandsvermittlung betont legitimierende Tendenzen aufweist. 3. Intensität und Tenor der Schulbuchthematisierung durch die politischen Parteien stehen in einem deutlichen Spannungsverhältnis a) zur relativ geringen Sozialisationsrelevanz und b) zur relativ ausgeprägten Legitimierungstendenz von Sozialkundebüchem. 4. Zwischenparteiliche Schulbuchkontroversen bestätigen insofern die Annahme, ein bevorzugtes Terrain symbolischer Politik zu sein. Sie dienen in erster Linie der Inszenierung politischer Grundsatz-kontroversen. Es ist daher zulässig von einer Stellvertreterfunktion des Schulbuchstreits zu sprechen. 5. Für eine strategische Induzierung von Schulbuch-kontroversen spricht vor allem ihre durchgängig dualistische Struktur: Im Rahmen dieser dualistischen Struktur wird die Schulbuchdiskussion von den Unionsparteien dominiert. Schulbuchfragen entwickeln sich nahezu ausschließlich dort zu einem exponierten Thema der zwischenparteilichen Kontroverse, wo sich die CDU als Oppositionspartei um einen Rollentausch im parlamentarischen Positionsgefüge bemüht. 6. Die Inszenierung von Schulbuchkonflikten auf parlamentarischer Ebene steht in der Regel in einem funktionalen Verhältnis zur wahlstrategischen Instrumentalisierung von Schulbuchfragen. Auf Parlamentsebene induzierte Schulbuchkontroversen (Anfragen/Anträge) sorgen regelmäßig im Vorfeld von Wahlen für eine öffentlichkeitswirksame Medienresonanz. 7. Hauptintention des strategisch induzierten Schulbuchstreits ist nicht die Präsentation sachbezogener Alternativen, sondern die Delegitimation des politischen Gegners. Bei der Formulierung von (De) Legitimationsansprüchen wird das . Politiksegment'Schulbuch vor allem als Träger personalisierender und insbesondere wertorientierender Legitimationssymbole herangezogen. 8. Aus einem öffentlich inszenierten, an Legitimationsinteressen ausgerichteten Schulbuchstreit resultiert ein „förderalistisches Schisma“ in der Schulbuchpolitik, das schulbuchdidaktische Sachpositionen an vermeintlich politisch-ideologischen Richtungskämpfen ausrichtet.

In ganz besonderem Maße sensibilisiert der zwischenparteiliche Schulbuchstreit für die Erkenntnis, daß eine rein „objektivistische Wahrnehmung“ von Politik, ohne die Fähigkeit zur Differenzierung von „Nennwert“ und „Symbolwert“ politischer Kommunikation und Aktion, keine Chance zur kritischen Auseinandersetzung mit den jeweils zugrundeliegenden politisch-strategischen Kalkülen und Motiven eröffnet. Hier bleibt nicht der Raum, aus dieser Feststellung die Konsequenzen für eine kritische politische Bildungsarbeit zu ziehen. Vorschläge für eine den symbolischen Politikansatz einbeziehende Bildungsarbeit sind an anderer Stelle zumindest am Beispiel des Wahlenthemas skizziert worden

Ein Politikvermittlungssystem, das von den Parteien hauptsächlich an der Durchsetzung konkurrierender Legitimationsansprüche und Machtinteressen ausgerichtet wird und das es sich zu leisten vermag, im Wahlbürger weniger den kritischen Adressaten sachbezogener Informationen zu sehen als ein Objekt sozialpsychologisch kalkulierter Werbekampagnen, wird in dem Maße fragwürdig, wie es zugleich die Optimierung von Problemlösun-gen behindert. Zumindest für ein relativ „unbedeutendes“ Politiksegment wie das Schulbuchthema muß leider ein entsprechendes Fazit gezogen werden.

Hier soll durchaus nicht einer Optimierung von Problemlösungen im Sinne einer „Expertokratie" das Wort geredet werden. Ganz im Gegenteil wird hier betont, daß in dem Maße, wie die Beurteilung der Qualität von Politikvermittlungsleistungen nicht mehr nur das „folgenlose Privileg einer kritischen sozialwissenschaftlichen Intelligenz ist“ (C. Offe), die Qualitätsanforderungen an die Politikvermittlung zunehmen

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Gerd Stein/E. Horst Schallenberger, Multiperspektivische Schulbuchforschung im Umriß, in: Blickpunkt Schulbuch, (1981) 24, S. 20-24.

  2. Vgl. Dazu grundlegend Gerd Stein, Die politische Dimension des pädagogischen Hilfsmittels Schulbuch. Oder: von der Unzulänglichkeit einer nur fachwissenschaftlichen Schulbucharbeit, in: Politische Didaktik. (1977) 4, S. 5— 33.

  3. Vgl. Manfred Hättich u. a.. Die politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland in Politik-und Geschichtsbüchern (= Forschungsbericht 47 der Konrad-Adenauer-Stiftung), Melle-St. Augustin 1985, S. 12.

  4. Vgl. dazu Reinhold Roth, Legitimation des politischen Systems durch Wahlen, in: Heino Kaack/Reinhold Roth (Hrsg.), Parteien-Jahrbuch 1976, Meisenheim am Glan, S. 557 f.

  5. Franz Josef Witsch-Rothmund. Politische Parteien und Schulbuch. Eine inhaltsanalytische Studie unter Berücksichtigung des Spannungsverhältnisses zwischen sozialisationstheoretischer Forschung und öffentlicher Schulbuchdiskussion, Frankfurt 1986, Teil I: Schulbuchanalyse, S. 21— 83. Die Zusammenstellung des Schulbuchsamples basiert auf den Lernbuchlisten von 1980.

  6. Die Einzelergebnisse sind ebd., S. 60— 83 und vor allem im Anhang der Studie. S. 221— 285, zusammengestellt.

  7. Der Legitimationsquotient stellt die Beziehung her zwischen der Summe der positiv kodierten Ausprägungen und der Summe, die wir aus den Summen der positiv und negativ kodierten Ausprägungen bilden. Er läßt Rückschlüsse zu auf den quantitativen Anteil, den legitimierende (positiv kodierte) bzw.delegitimierende (negativ kodierte) Aussagen in Sozialkundebüchem einnehmen. Der erhaltene Wert schwankt zwischen 0, das heißt ausschließlich negativ kodierten Aussagen, und 1, das bedeutet ausschließlich positiv kodierte Aussagen.

  8. Die „Informationsanteile“ fassen die nicht unmittelbar positiv oder negativ kodierten Aussagen zusammen. Da unter diesem „neutralen“ Ausprägungsgrad vor allem auch die angebotenen Quellen kodiert werden, lassen die „Informa-tionsanteile" durchaus auch Rückschlüsse auf Pluralität und Informationsgehalt der Parteiendarstellung in Sozialkundebüchem zu.

  9. Zum Typ des „klassischen Lehrbuchs“ vgl. Wolfgang W. Mickel. Hat das Lehrbuch noch eine Chance? Probleme der Lehrbuchdidaktik, in: Blickpunkt Schulbuch, (1973) 15, S. 41-45.

  10. Dies zeigt insbesondere die Schulbuchpolitik in Niedersachsen, der nach dem Regierungswechsel 1976 zugunsten der CDU zunächst eine gewisse Außenseiterrolle attestiert werden konnte. Allerdings ist davon auszugehen, daß die Schulbuchsituation in Niedersachsen gegen Ende der siebziger Jahre sehr stark von Relikten sozialliberaler Schulbuch-politik durchsetzt war. Schulbuchrevision ist eben ein langfristiger Prozeß. Dies zeigt nicht zuletzt die verwaltungsrechtliche Klärung eines Zulassungsstreits um das vom Metzler-Verlag herausgegebene Unterrichtswerk „Mensch und Gesellschaft“ von Kurt Gerhard Fischer sowie die vom Pro Schule Verlag edierten Lesebücher „Bunte Drucksachen“ bzw. „Bunte Lesefolgen“. Die Metzler-Klage auf Zulassung wurde seinerzeit abgewiesen, während das Verwaltungsgericht Hannover den Kultusminister — in einem bisher einmaligen Vorgang — verpflichtete, die beiden übrigen Titel für den Gebrauch in den Schulen seines Landes weiterhin bzw. neu zuzulassen. Vgl. dazu im einzelnen Joachim Sach, Prozesse um Schulbuchzulassung in Niedersachsen vor dem Verwaltungsgericht in Hannover, in: Politische Didaktik, (1979) 4, S. 147-161.

  11. Vgl. hierzu ein Interview mit Kurt G. Fischer, in: betrifft: erziehung (1976) 2. S. 64f.. sowie bereits Peter Kalb 1975. Schulbuch . . . „streng nach Osten gerichteter Blick des Verfassers“ (zu K. G. Fischer. Gesellschaft und Politik), in: betrifft: erziehung, (1975) 5. S. 64— 65.

  12. Kurt Gerhard Fischer (Anm. 11), S. 64f.

  13. Vgl. ebd.

  14. Aus der Sicht eines „Betroffenen“ schildert Kurt Gerhard Fischer diese Erfahrung; vgl.ders., Schulbuchschelte — und was dahinter steckt, in: Gerd Stein (Hrsg.), Schulbuch-schelte — Politikum und Herausforderung, Stuttgart 1979, S. 81-96.

  15. Vgl. Wolfgang W. Mickel, Schulbuchschelte, in: Gerd Stein (Anm. 14), S. 78.

  16. In diesem Sinne argumentieren Klaus Hurrelmann/Dieter Ulich (Hrsg.), Handbuch der Sozialisationsforschung, Einführung durch die Herausgeber, Weinheim-Basel 1980, vor allem S. 7; als Hauptvertreter dieser These siehe auch Helmut Fend, Theorie der Schule, München-Wien-Baltimore 1980, S. 226.

  17. Vgl. dazu Wolfgang W. Mickel (Anm. 15), S. 78.

  18. Vgl. Hans Peter Henecka/Karlheinz Wöhler, Schulsoziologie, Stuttgart 1978, S. 109.

  19. Vgl. Helmut Fend (Anm. 16), S. 237.

  20. Vgl. Bernhard Claußen. Welchen Beitrag leisten die Methoden und Medien der politischen Bildung zur politischen Sozialisation?, in: Bernhard Claußen/Klaus Wasmund (Hrsg.), Handbuch der politischen Sozialisation. Braunschweig 1982, vor allem S. 267 f.

  21. Zu dem hiermit zentral verbundenen Begriff der „Schulbuchschelte“ vgl. vor allem Gerd Stein (Anm. 14), S. 9— 27; zur archivarischen und dokumentarischen Seite siehe Gerd Stein, Immer Ärger mit den Schulbüchern. Ein Beitrag zum Verhältnis zwischen Pädagogik und Politik — Dokumentarischer Teil. Stuttgart 1979. Die Verdienste Steins würdigend beachte Bernhard Claußen, Publikationen zur Sache Schulbuch, in: Bildung und Erziehung, (1980) 3, S. 148— 154. Claußen unterstreicht, daß die von Stein vorgelegten Dokumente ein „erschütterndes Abbild des herrschenden Umgangs mit dem Schulbuch seitens bundesrepublikanischer Teilöffentlichkeiten und als solches Indikatoren für den Zustand der politischen Kultur hierzulande“ darstellen.

  22. Diese Differenzierung in problemlösende, wertorientierende und personalisierende Legitimationssymbole geht zurück auf Ulrich Sarcinelli, Symbolische Politik. Zur Bedeutung symbolischer Politik in der politischen Kommunikation, Opladen 1987. Theoretische Aspekte hierzu werden weiter unten ausgeführt.

  23. Vgl. Ulrich Sarcinelli (Anm. 22), S. 5.

  24. Vgl. dazu Walter Wallmann, Hessischer Kultusminister vergiftet die Schuljugend mit prokommunistischen Pamphleten, in: Deutschland-Magazin, (1972) 4, S. 51, sowie G. Münch, Sauberkeit schadet Sozialismus, in: Welt am Sonntag, vom 1. Juli 1972, S. 5.

  25. Vgl. Reinhold Roth (Anm. 4), S. 557f.

  26. Gleichwohl hat Gerd Stein durch vielfältige Initiativen und Impulse die maßgeblichen Voraussetzungen vor allem auch in dokumentarischer Hinsicht geschaffen. An dieser Stelle seien die entscheidend mit seinem Namen verbundenen Aktivitäten des Instituts für Schulbuchforschung an der Universität Duisburg gewürdigt, dem Gerd Stein als Direktor vorsteht.

  27. Vgl. Gerd Stein. Wissenschaftliche Schulbucharbeit und Formen politischen Umgangs mit Schulbuchtexten, in: Bildung und Erziehung, (1980) 3. S. 104.

  28. Ulrich Sarcinelli (Anm. 22). Im folgenden können nur wenige, jedoch mit dem Bezug auf die Typologie „artikulativer Legitimationssymbole“ zentrale Aspekte der Arbeit Sarcinellis vorgestellt werden. Eine ausführlichere, im Hinblick auf den zwischenparteilichen Schulbuchstreit pronon-cierte Darstellung siehe bei Franz Josef Witsch-Rothmund (Anm. 5), S. 148-159.

  29. Auf diese Typologie und vor allem ihre instrumentelle Bedeutung bei der Vermittlung positiver Selbst-und negativer Fremdbilder wurde weiter oben, im Zusammenhang mit Anmerkung 22 Bezug genommen.

  30. Vgl. Ulrich Sarcinelli (Anm. 22), S. 85 ff.

  31. Vgl. ebd., S. 65.

  32. Vgl. dazu exemplarisch Klaus von Beyme, Der Neokorporatismus und die Politik des begrenzten Pluralismus in der Bundesrepublik Deutschland, in: Jürgen Habermas (Hrsg.), Stichworte zur geistigen Situation der Zeit, Band 1: Nation und Republik, Frankfurt 1979, insbesondere S. 242 ff.

  33. Vgl. Ulrich Sarcinelli (Anm. 22), S. 116f., sowie die Überschriften zu den Kapiteln 7 und 8.

  34. Vgl. ebd., S. 133.

  35. Ebd., S. 89.

  36. Vgl. ebd.. S. 89f.

  37. Der umfassende theoretische Bezugsrahmen und eine erschöpfende Ergebnisdarstellung findet sich bei Franz Josef Witsch-Rothmund (Anm. 5), S. 136— 221.

  38. Vgl. dazu Ulrich Sarcinelli (Anm. 22). S. 91 ff.

  39. Vgl. hierzu die einleitenden Bemerkungen zu diesem Gliederungsabschnitt sowie die in Anmerkung 24 angegebenen Quellen.

  40. Vgl. dazu die von Wolfgang R. Langenbucher und Claudia Mast nachgezeichnete Themenkarriere in dem Beitrag: Wie man mit Schulbüchern Wahlkampf macht, in: Gerd Stein (Anm. 14), S. 34— 50.

  41. Bild-Zeitung vom 27. August 1974: Skandal um deutsches Lesebuch — es enthält 215 Schimpfwörter; Bayemkurier vom 7. September 1974: Roter Schmutz auf Schulkinder.

  42. Zitiert nach R. W. Leonhardt. Versager oder Sündenbock?, in: Die Zeit vom 6. Dezember 1974, S. 4.

  43. Vgl. A. Pieper. CDU lockt Wähler mit Tadel für Schulpolitik — Buhmann ist der . Rote Jürgen*, in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 1. Mai 1975.

  44. Vgl. Anzeige Nr. 17 der SPD im Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalen 1975. in: Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 23. April 1975.

  45. Vgl. A. Pieper (Anm. 43).

  46. Dies ist in der Regel vor allem dann der Fall, wo der Parteienwettbewerb ein Engagement gewissermaßen unumgänglich macht, so z. B. auf der Parlamentsebene oder bei Podiumsveranstaltungen zum Thema. SPD und FDP vermeiden ansonsten weitgehend eine offensive Thematisierung von Schulbuchfragen.

  47. Union in Deutschland (UiD) (1980). 24, Dokumenten-teil. S. 1-8.

  48. Mit der Verabschiedung der „Handreichungen“ kommt dieser Position besonderes Gewicht zu. insofern in der Tat ein Definitionsmonopol der Unionsparteien für ihren Einflußbereich nahezu verbindlichen Charakter annimmt.

  49. Vgl. zusammenfassend Klaus Wasmund, Welchen Einfluß hat die Schule als Agent politischer Sozialisation?, in: Bernhard Claußen/Klaus Wasmund (Anm. 20), S. 64— 83.

  50. Werner Simon/Franz Josef Witsch-Rothmund, Wahlkampf und Wählerverhalten im politischen Prozeß der Bundesrepublik Deutschland. Überlegungen für eine Unterrichtseinheit in der Sekundarstufe II, in: Politische Bildung (1986) 2, S. 76-96.

  51. In diesem Sinne ist freilich die These Ulrich Sarcinellis, daß sich bei einem vergleichweise kleinen . Gestaltungsrest* für . materielle Politik* der Bedarf an rhetorischer Politik vor allem dann erhöhe, wenn zugleich die Partizipations-und Transparenzansprüche in großen Teilen der Bevölkerung steigen, kaum stichhaltig. Vgl.ders., Politikvermittlung und demokratische Kommunikationskultur, in: ders. (Hrsg.). Politikvermittlung. Beiträge zur politischen Kommunikations-

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Franz Josef Witsch-Rothmund, Dr. phil., geb. 1952; Diplom-Pädagoge; 1. Staatsprüfung für das Lehramt an Grund-und Hauptschulen. Veröffentlichungen u. a.: Politische Parteien und Schulbuch. Eine inhaltsanalytische Studie unter Berücksichtigung des Spannungsverhältnisses zwischen sozialisationstheoretischer Forschung und öffentlicher Schulbuchdiskussion (= Studien zur Politikdidaktik, Bd. 29, hrsg. von Bernhard Claußen), Frankfurt 1986; (zusammen mit Werner Simon) Der lokale Wahlkampf der Parteien, in: Ulrich Sarcinelli (Hrsg.), Wahlen und Wahlkampf in Rheinland-Pfalz, Opladen 1984; Wahlkampf und Wählerverhalten im politischen Prozeß der Bundesrepublik Deutschland. Überlegungen für eine Unterrichtseinheit in der Sekundarstufe II, in: Politische Bildung, (1986) 2.