Wirtschaften ohne Naturzerstörung. Strategien einer ökologisch-ökonomischen Strukturpolitik
Rudolf Hickel
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Zusammenfassung
Eine Strategie gegen die Umweltkrise kann nur dann erfolgreich sein, wenn sich die Unternehmen sowie die privaten und öffentlichen Haushalte einzel-und gesamtwirtschaftlich umfassend an ökologischen Zielen ausrichten. Denn mittlerweile unbestritten ist die politikbestimmende Erkenntnis, daß das Ausmaß der bisherigen Naturzerstörung aus der Dynamik des traditionellen Wirtschaftswachstums, das die Natur als „freies" (kostenloses) Gut vernutzt hat, erklärt werden muß. Die Umweltbelastungen, die sich aus einem komplexen Zusammenwirken unterschiedlichster Schadstoffemissionen in die Luft, Gewässer und Böden ergeben, sind jedoch nicht nur lebensbedrohlich, sie schränken auch künftig die privatwirtschaftlichen Produktionsmöglichkeiten empfindlich ein, weil sich eine schleichende ökologische Entwertung der Wirtschaft zu vollziehen droht. Deshalb ist eine aktive Umweltpolitik, die die ökologischen Ziele im ökonomischen Verhalten verankert, zu verwirklichen. Aktive Umweltpolitik muß in Zukunft den Kem einer modernen ökonomisch-ökologischen Strukturpolitik bilden. Auf der Basis der Beschreibung der Schwerpunktfelder einer ökologischen Nach-und Vorsorgepolitik werden in diesem Beitrag die Instrumente einer aktiven Umweltpolitik auf ihren Einsatz untersucht. Die in ihrer ökologisch-ökonomischen Wirkung charakterisierten Instrumente, die aufeinander abgestimmt eingesetzt werden sollten, sind: Auflagen, Abgaben, ökologisch orientierte Steuerpolitik, finanzielle Förderung (Subventionen) sowie zeitlich beschränkte bzw. dauerhafte Produktionsverbote. Dabei ergibt die Analyse der Strategie eines börsenorientierten Handels mit den Rechten an der Umweltnutzung im Rahmen von sogenannten „Umweltzertifikats-Modellen“, daß diese preisregulierte Verteilung in einem dicht-besiedelten Land wie der Bundesrepublik Deutschland schlichtweg nicht praktizierbar ist. Wichtige ökonomische Einwendungen gegen die effiziente Realisierung einer aktiven Umweltpolitik werden abschließend bewertet. Für das hier entwickelte Konzept einer ökologisch-ökonomischen Strukturpolitik bleibt gegenüber der Kritik festzuhalten: Sie schafft insgesamt erheblich mehr zukunftsorientierte Arbeitsplätze, als durch die Zurückdrängung bisher umweltbelastender Produktionsbereiche verlorengehen; sie ist weiterhin in den Präferenzen der Individuen verankert und damit nicht Ausdruck bürokratischer Gängelei; schließlich bildet sie eine allgemeine Voraussetzung für die künftige optimale Produktion und Versorgung, gerade auch unter Anerkennung der starken Weltmarktabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland.
I. Einleitung: Ökologische Herausforderungen an die Ökonomie
Zuerst kaum merkbar — die Natur schien lange Zeit „geduldig“ gewesen zu sein — haben sich in den letzten Jahren die ökologischen Belastungen derart ausgeweitet, daß mittlerweile nicht mehr nur die Grundlagen des Wirtschaftens bedroht werden, sondern in Einzelfällen und temporär für ganze Gebiete die Stillegung schadstoffausstoßender Produktion erforderlich wird. Für die temporären Produktionsverbote steht als Beispiel die höchste Smog-Alarm-Stufe, die die an sich aus den privatwirtschaftlichen Eigentumsverhältnissen begründete unternehmerische Investitions-bzw. Produktionsautonomie in dieser Phase völlig aushebelt. Die Schließungen von einzelnen Unternehmen wegen hoher Belastung der Beschäftigten und der Umwelt — also Produktionsverbote auf Dauer — mögen hier als weitere Beispiele radikaler Rückwirkungen der ökologischen Krise auf die Grundlagen dieses Wirtschaftssystems dienen. Schleichende ökologische Enteignung — man denke nur an den Wertverlust von Wohnhäusern durch lärmbelästigende Verkehrswege oder in der Nähe vergiftungs-und strahlungsriskanter industrieller Großanlagen — sowie die unvermeidbare Entwertung von Teilen des bisherigen Kapital-Stocks durch umweltpolitische Auflagen und Produktionsverbote machen deutlich: Um die Basis einer entwicklungsstabilen Langzeitökonomie wiederherzustellen, bedarf es einer auf die Ziele ökologischer Nach-und Vorsorge ausgerichteten fundamentalen Umstrukturierung der Wirtschaft -
Die ökologische Krise fordert auf drei Problemebenen das bisherige System des Wirtschaftens heraus:
— Die sich seit Jahrzehnten aufstauenden und heute komplex wirkenden Umweltschädigungen führen, soweit diese überhaupt monetär bewertbar und derzeit reparierbar sind, zu enormen gesamtwirtschaftlichen Kosten Werden die Schäden — zumindest soweit technologisch möglich — ursachenorientiert abgebaut, so gehen die ökologischen Kosten der bisherigen Produktionsweise zurück. Die ökologisch-zielorientierte Bearbeitung dieser Schäden muß jedoch finanziert werden; sie belastet heute die Einzelwirtschaft. Das ist jedoch die bittere Folge der früheren Produktion, die wegen der Verdrängung ökologischer Schadensfolgen auf falschen Preisrelationen beruhte. Aktive Umweltschutzpolitik, das zeigt die Gegenüberstellung der Aufwendungen für einzelne Umweltschutzmaßnahmen mit den dadurch erlösten Erträgen — etwa durch verbesserte Luft —, ist erheblich billiger als unterlassener Umweltschutz. Über eine Auswertung unterschiedlicher Studien läßt sich die Faustregel aufstellen: 1 Mrd. DM Kosten für den Umweltschutz steht im Durchschnitt ein Nutzen von 2, 5 Mrd. DM gegenüber Die investitionsspezifischen Vorteile einer effizienten Umweltpolitik — im Rahmen von Kosten-Nutzen-Analysen bestätigt — geben somit eine zusätzliche, jetzt ökonomische Begründung für den dringend erforderlichen Umbau der Wirtschaft auf allen Ebenen — bei den Unternehmen, den privaten Haushalten und den Gebietskörperschaften.
— Die Notwendigkeit einer neuen ökologisch-ökonomischen Strukturpolitik ergibt sich weiterhin aus der Anatomie der Ürsachen der heutigen Umwelt-belastungen. All die spektakulären Beispiele ökologischer Katastrophen ebenso wie die voranschreitende Qualitätsminderung des Bodens, der Gewässer und der Luft verweisen immer wieder darauf, daß die Ursache der bedrohlich fortgeschrittenen Umweltzerstörung auf den Typ wirtschaftlichen Wachstums, der die Natur als „freies Gut“ bzw. als „Gratisproduktivkraft“ glaubt nutzen zu können, zurückzuführen ist Durch die einzelwirtschaftlich begründete Tendenz, ökologische Schädigungen der Produktion aus dem unternehmerischen Kalkül der Gewinnoptimierung bzw. Kostenmini-mierung zu verdrängen, verlagern sich diese im Sinn einer Drittwirkung auf die Gesellschaft, die dann zeitverzögert über politische Instanzen darauf lediglich reparativ reagieren kann. Was also heute an ökologischen Schäden in Kosten berechenbar auf die gesamte Wirtschaft zukommt, das sind die Folgen einer vorangegangenen Güter-und Dienstleistungsproduktion, bei der sich die ursprünglich kurzfristig ausgerichtete einzelwirtschaftliche Gewinnrationalität längerfristig ökologisch, aber auch wegen der Gegenreaktionen ökonomisch als nicht haltbar erweist. — Angesichts dieser Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge muß die nach-und vorsorgende Umweltpolitik den bereits im Gang befindlichen Umbau des Wirtschaftssystems beschleunigen. Sicherung einer ökologischen Infrastruktur durch die Gebiets-körperschaften, vor allem auf der kommunalen und regionalen Ebene, und die direkte Berücksichtigung ökologischer Ziele bei ökonomischen Entscheidungen in der Wirtschaft bilden die Fundamentalaufgaben einer Strukturpolitik zur Durchsetzung des Entwicklungstyps „Wirtschaften ohne Naturzerstörung“. Hier stellen sich strukturell, institutionell, aber auch interessenpolitisch schwierige Gestaltungsaufgaben, die mit saloppen, politikwirksamen Formeln wie die von der „Versöhnung der Ökonomie mit der Ökologie“ eher verdeckt als offengelegt werden.
II. Überwindung des Wirtschaftens in der Wachstumsfalle
Auf die Phase der bundesrepublikanischen Wirtschaftsentwicklung seit Anfang der fünfziger Jahre konzentriert, läßt sich sagen: Die heute zum Teil technologisch (noch) nicht beherrschbaren Um-weltprobleme haben ihre Ursache im wirtschaftlichen Entwicklungstyp seit Anfang der fünfziger Jahre. Heute erst wird etwa mit dem Waldsterben die ökologische Rechnung der sogenannten Wirtschaftswunderjahre sichtbar. Was sich gegenüber dieser wirtschaftlichen Prosperitätsphase auch ökonomisch angesichts der seit Jahren anhaltenden Arbeitslosigkeit ohnehin nur als „kurzer Traum immerwährender Prosperität“ (B. Lutz) erwies, enthüllt sich jetzt als ökologischer Alptraum. Wenn nicht ökologisch gegengesteuert wird, dann läuft das gesamte Wirtschaftssystem in eine Wachstums-falle. Wir haben es heute mit nicht-linearen, hoch-komplexen, synergistischen Schadensverursachungen zu tun. Das macht die Spezifizierung der Ursachen ökologischer Schädigungen so schwierig. Eine Einheit mehr an einem Schadstoff (Input) führt in Verbindung mit anderen Schadstoffen auf dem heutigen Niveau der ökologischen Krise zu einer überproportionalen Schadenswirkung (Output). Bei einer konstanten Rate des Sozialproduktswachstums — etwa von 2, 5 Prozent im jüngsten Aufschwung — und damit einer unterstellten ebenfalls konstanten Wachstumsrate der Abgabe einzelner Schadstoffe nehmen die ökologischen Schäden schneller zu. Damit steigen die Beanspruchung des Sozialprodukts für Umweltreparaturen und somit deren Finanzierungskosten, während gleichzeitig das Ausmaß irreparabler Schäden zunimmt.
Was hier makroökonomisch als Wachstumsfalle beschrieben wird, läßt sich auch auf der Mikroebene des Wirtschaftens demonstrieren. Eine fortgesetzte Verdrängung ökologischer Schadensfolgen beim gewinnwirtschaftlichen Investitionskalkül wäre auf Dauer auch für die Wirtschaft in immer deutlicherem Ausmaß schädlich. Der Abbau wertvoller, knapper Naturressourcen ebenso wie die Externalisierung von Umweltschädigungen über die Medien Luft, Wasser und Boden führen zu Kostenbelastungen sowie zu Produktionsbehinderungen. Die gigantischen Kosten einer nach-und vorsorgenden Umweltpolitik, die jetzt insbesondere durch die Wirtschaft beklagt werden, sind auch die Folge jahrzehntelangen ökologieindifferenten Wirtschaftens. Diese jahrelange Fehlentwicklung hat den jetzt in der Tat starken administrativen Regulierungsbedarf ausgelöst. Die ökologischen Schädigungen durch die Art des bisherigen Produzierens kommen jetzt in Form von Kostenerhöhungen, Produktionseinschränkungen und Gesetzesregulierungen auf die Wirtschaft — einem Bumerangeffekt vergleichbar — zurück. Die Notwendigkeit ökonomischer Umstrukturierung ist die Folge unökologischen Wirtschaftens in dn vergangenen Jahrzehnten. Die Beseitigung der Schäden energisch anzugehen, ist für die Wirtschaft auf Dauer jedoch entwicklungsrational. Einzelwirtschaftlich dazu erforderlich ist vor allem ein neuer Gewinnbegriff, der die zeitlich verzögerten Folge-belastungen bei Verdrängung ökologischer Schäden in das heutige Investitionskalkül verankert. Anders formuliert läßt sich wiederholen: Ökologische Ziele müssen im Anreizsystem ökonomischen Verhaltens internalisiert werden.
III. Instrumente einer nach-und vorsorgenden Umweltpolitik
1. Schwerpunkte der Umweltpolitik Von der zeitlichen Entstehung sowie dem Instrumenteneinsatz her lassen sich zwei Schwerpunkte der ökonomischen Umweltpolitik systematisch unterscheiden: Als Folge aufgestauter Umwelt-schädigungen aufgrund des bisherigen Wachstums-typs sind ökologische Altlasten entstanden. Altlasten sind insoweit ein typisches Erbe des spezifischen Industrialisierungstyps. Den Kem dieser Altlasten bilden Deponien, kontaminierte Böden, vor allem ökologisch schwer belastete Industriebranchen. In der Bundesrepublik werden (ohne die undichten Kanäle, die zur Kontaminierung führen) ca. 35 000 Verdachtsstandorte gezählt Um das Ausmaß der Umweltsanierung deutlich zu machen, ist es geboten, den Altlastbegriff jedoch weiter zu fassen. Altlasten stellen demnach Schädigungen dar, die zwar durch die einzelwirtschaftliche Externalisierung bei den Produzenten, aber auch Konsumenten zustande gekommen sind, heute jedoch den Verursachern im Prinzip nicht mehr zugerechnet werden können und deshalb ein negatives „Kollektivgut“ darstellen. Die Altlast wird zur Gemeinlast, das heißt, sie kann nur durch öffentliche Infrastrukturpolitik bearbeitet werden.
Gegenüber dieser nachsorgenden Verarbeitung ökologischer Schäden konzentriert sich die präventive Umweltpolitik auf einen Umbau der Wirtschaft, der die Verursachung von Umweltbelastungen im Prozeß der privatwirtschaftlichen und öffentlichen Produktion sowie der Konsumtion auf Dauer zu verhindern hat. Die Durchsetzung einer präventiven Umweltpolitik gewinnt in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland immer stärker an Bedeutung. Dabei läßt sich jedoch die Beobachtung machen, daß sich dieser Umstrukturierungsprozeß noch viel zu wenig auf die Durchsetzung von Produktionstechnologien, die überhaupt zu keinen ökologischen Belastungen mehr führen, konzentriert. Es dominieren zur Zeit Technologien, die innerhalb des Betriebes immer noch entstehende Schadstoffemissionen abfangen. Diese Abfang-und Rückhaltetechnologien werden mit dem Bild des „End-of-the-Pipe“ -Prinzips zutreffend beschrieben, das heißt am Ende der Produktion werden reparativ Anlagen zur Reduzierung der Schadstoffabgabe angehängt. Typisches Beispiel dafür ist die Rauchgasentschwefelungsanlage, bei deren Produktion jedoch zusätzlicher Bedarf an wertvollen Naturressourcen entsteht und neue ökologische Belastungen sowie Restprodukte (Gips) bisher anfallen. Ein anders gelagertes Beispiel ökologisch reparativer Problemverlagerung bildet das Recycling von Altglas. Während dieses Altglas unter Einsatz von Energie wiederverarbeitet wird, bleibt es bei der ressourcen-und energieverzehrenden Produktion von Einwegflaschen. Hier ist dringend eine Politik der Zurückdrängung der Einwegverpackung anzustreben.
In einer Übergangsphase wird der Einsatz von Abfangtechnologien in verschiedenen Bereichen der Emissionseinschränkung von Schadstoffen unvermeidbar sein. Der Forschungs-und Entwicklungsprozeß muß sich jedoch auf Umwelttechnologien konzentrieren, die überhaupt keine Schadstoffe mehr entwickeln. Diese Einsicht lehrt uns das ökologische Kreislaufdenken, das aufzeigt, inwieweit mit der Produktion von Umwelttechhologien neue ökologische Belastungen entstehen können. Die damit verschobenen Grenzen der Nachsorge werden bei der Energieversorgung deutlich. Für die Produktion von Energieeinspartechnologien wer-'den Energien (etwa durch Nutzung des energieintensiven Aluminiums) eingesetzt, die dann an eine „Leerlaufgrenze“ stoßen, wenn die letzte verfügbare Energieeinheit für nachsorgende Umwelt-schutzmaßnahmen genutzt werden muß 2. Programm zum Abbau der Altlasten Bei den Altlasten ist die Anwendung keines der Modelle zum Verursacherprinzip anwendbar. Zur Verarbeitung der Altlasten, die zugleich als Gemeinlast anfallen, bedarf es einer öffentlichen Infrastrukturpolitik. Die Notwendigkeit öffentlicher Regulierung in diesem Bereich der Umweltpolitik ist nach langer Problemverdrängung endlich allerseits anerkannt. Auch der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ hat erstmals in seinem jüngsten Jahresgutachten (1986/87) den Abbau der Altlasten zur öffentlichen Produktionsaufgabe erklärt Eine zügige Altlastsanierung verlangt eine finanzielle Absicherung auf bundesstaatlicher Ebene. Die Forderung des Sachverständigenrats, Fonds — auch unter Beteiligung der Industrie — auf kommunaler Ebene für eine begrenzte Zeit einzurichten, reicht jedoch nicht aus, denn damit würden die gesamtstaatliche Verantwortung ausgehebelt und die Sanierungsaktivitäten von den jeweils kommunalenGegebenheiten abhängig. Zu empfehlen wäre deshalb ein nationaler Fonds zur Altlastsanierung, der vergleichbar dem „Zukunftsinvestitionsprogramm“ (ZIP) von 1978— 1980 per Antrag der betroffenen Kommunen bzw. Regionen in Anspruch genommen werden kann und der somit einen ökologischen Teil eines Beschäftigungsprogramms bildet. In den USA ist beispielsweise zur Lösung der Altlasten-probleme ein „Superfonds“ zwischen 1981 und 1985 mit 1, 6 Mrd. US-Dollar gespeist worden. Als hoch-gefährlich eingestufte Altlasten werden in die „Nationale Prioritäten-Liste“ (NPL) aufgenommen und deren Sanierung vorrangig aus diesem Fonds finanziert. Soweit sich im Einzelfall noch Verursacher identifizieren lassen, sollen nach dem Konzept diese in die Finanzierung etwa einer Deponiesanierung einbezogen werden. Der Großteil dieses Fonds (1, 38 Mrd. US-Dollar) in den USA wird aus einer Abgabe auf chemische Grundstoffe (Grundstoffabgabe) finanziert, und zwar mit der Begründung, es handle sich hier um eine Unternehmens-gruppe, die in früherer Zeit von der ökologisch belastenden und billigen Altablagerung profitiert hätte Die auch in der Bundesrepublik geforderte Entgiftungsabgabe hat somit in den USA ein nachahmenswertes Vorbild. 3. Instrumente präventiver Umweltpolitik Im Gegensatz zur Altlastensanierung muß für eine präventiv-effiziente Umweltpolitik das Verursacherprinzip im Vordergrund stehen. Die rechtlich-fiskalischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß die unternehmerische Externalisierung ökologischer Schadenskosten nicht mehr möglich ist, das ist die Fundamentalanforderung an ein Programm ökologischer Umstrukturierung der Wirtschaft. Für die ökonomische Strukturanalyse bedeutend ist die Tatsache, daß das Umweltrecht mittlerweile das zentrale Instrumentarium für den ökologischen Umbau der Wirtschaft bietet. Während die Politik der ökologischen Infrastruktur als zentraler Inhalt eines qualitativen Beschäftigungsprogramms fiskalisch über die öffentlichen Haushalte oder öffentliche Fondsmodelle abgewickelt werden muß, geraten die Medien des Umweltrechts zu Instrumenten einer wirksamen Strategie der Ökologisierung der Ökonomie. Zwei Beispiele für die ökonomischen Wirkungen des Umweltrechts zeigen dies: Nach vorsichtigen Schätzungen sind durch die gesetzliche Auflagenpolitik im Dienste der Luftreinhaltung in den letzten Jahren im Umfang von ca. 25 Mrd. DM Investitionsmaßnahmen induziert worden. Über die Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes sowie des Abwasserabgabengesetzes sind nochmals ca. 20 Mrd. DM Investitionsmaßnahmen ausgelöst worden.
Es ist hier nicht der Platz, detailliert auf die Instrumente einer präventiven Umweltpolitik so einzugehen, daß die nationalen und internationalen Erfahrungen verarbeitet werden können. Im folgenden soll lediglich ein erster Überblick vermittelt werden. Auflagen Wenn auch innerwissenschaftlich am umstrittensten, kommt der Politik mit Auflagen, die für Produktionsanlagen, aber auch Anlagen in privaten Haushalten Grenzwerte zur Schadstoffemission definiert, zentraler Stellenwert zu. Für den Bereich der Verbesserung der Luftqualität haben die „Großfeuerungsanlagen-Verordnung“ (zulässige Schwefeldioxydemission auf maximal 400 Milligramm pro Kubikmeter bzw. auf einen Reinigungsgrad von 85 % fixiert) sowie die im Frühjahr letzten Jahres nur unzureichend novellierte „Technische Anleitung Luft“ deutliche, auch beschäftigungswirksame Umstrukturierungsmaßnahmen in der Wirtschaft ausgelöst. Mit einer Einzelmengenregulierung, die die Grenzwerte höchstzulässiger Emission für einige Schadstoffe festlegt, wird somit einzelwirtschaftlich Druck in Richtung Umrüstungsmaßnahmen ausgeübt.
Die Kritik an diesem Instrument, die vor allem der „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ vorgetragen hat, besagt: Unternehmerisches Investitionsverhalten werde auf den mit den aktuellen Grenzwerten verbundenen Stand der Umwelttechnologie festgeschrieben. Anstatt Anreize zu schaffen, um noch bessere Umwelttechnologien, deren Grenzwerte gegenüber den administrierten Werten tiefer liegen könnten, auszulösen, käme es zu einem „Sperrklinkeneffekt“ Gegen diese Kritik bleibt einzuwenden: Jede, wie auch immer geartete, ökonomisch wirksame, umweltpolitische Regulierungsmaßnahme impliziert eine Vorstellung über das aktuell vorhandene und ausschöpfbare technologische Innovationspotential. Selbst bei den sogenannten Marktmodellen gehen in die Definition der ökopolitischen Rahmenbedingungen Informationen über den aktuell technologischen Stand der möglichen Reduktion der Umweltbelastung ein. Faktische Grenzwerte sind insoweit nicht naturwissenschaftlich, sondern politisch-ökonomisch fixiert, das heißt, es wird von deren aktueller Realisierbarkeit per ökonomischem Umbau ausgegangen. Wenn die gesetzlichen Grenzwertregelungen dynamisiert, das heißt über einen längeren Zeitraum die Etappen schrittweiser Absenkung der Grenzwerte festgelegt werden, dann wird der heutigen Investi-tionsentscheidung die grundlegende Information gegeben. Es ist übrigens zu beobachten, daß dieses ökologisch-präventive Investitionsverhalten in der Wirtschaft bereits schon praktiziert wird, das heißt bei Neuanlagen die momentan geltenden Grenzwerte der TA-Luft unterschritten werden, insoweit also eine rationale Erwartungsbildung wenigstens zum Teil die Investitionen bestimmt. Aus den bisherigen Erfahrungen mit der Auflagenpolitik folgen zwei Forderungen: Die bisherigen Ermessensklauseln, die vor allem von dem Kriterium „wirtschaftlicher Vertretbarkeit“ bei Einzelentscheidungen ausgingen, aber bereits mit der Novellierung der TA-Luft auch für die Umrüstung der Altanlagen eingeschränkt wurden, sollten in der Praxis völlig aufgehoben werden. Darüber hinaus sollten weitere luftbelastende Schadstoffe in die TA-Luft aufgenommen werden. Analog zur TA-Luft wäre auch eine TA-Boden, die Produktionsanlagen mit reduzierter Schadstoffabgabe zum Einsatz bringen soll, erforderlich.
Abgaben Im Unterschied zu den Auflagen überlassen die Abgaben auf die Einleitung von Schadstoffen in die Umwelt dem Betroffenen die Entscheidung, in welchem Ausmaß diese beansprucht wird. Diese „umweltpolitischen Festpreise“ können im Rahmen des mikroökonomischen Kalküls dazu führen, daß Anlagen, durch die keine Schadstoffbelastungen entstehen, bevorzugt werden, weil damit der vergleichsweise teuere Abgabentatbestand entfällt. Solange jedoch die Abgaben bei den öffentlichen Haushalten anfallen, lassen sich — vergleichbar der Nutzung der Mineralölsteuer für den Straßenbau — diese für die öffentliche Finanzierung umweltpolitischer Programme, etwa zum Bau von Kläranlagen, nutzen. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ökologisch geht es bei der Abgabe nicht um die Erschließung einer neuen öffentlichen Finanzierungsquelle. Die Rationalität der Abgabenregelung liegt im Ziel einer Umstrukturierung der Wirtschaft, die diese staatlichen Einnahmen schrittweise auf Null zurückführen soll, denn dann erst ist die ökologische Belastung mit Schadstoffen verschwunden. Die Abwasserabgabe, die erstmals 1981 erhoben wurde, ist das wichtigste Beispiel für die Bundesrepublik. Neben den im „Wasserhaushaltsgesetz“ festgehaltenen „Mindestanforderungen an die Schadstoffeinleitung“ reguliert das „Abwasserabgabengesetz“ die umweltpolitischen Belange. Bei dieser Abgabenregulierung liegen Erfahrungen mit deren Dynamisierung vor. Im Gesetz wurde vom Prinzip her die Erhebung der Abgabe sowie deren schrittweise Erhöhung angekündigt, damit sich die Investoren rechtzeitig einstellen konnten. Die Diskussion um die inhaltliche und zeitliche Ausrichtung dieser Abgabenregelung zeigt jedoch zugleich, wie wirtschaftliche Interessen zu einer, Verwässerung 4 dieser ursprünglich geplanten Abwasserabgabe geführt haben. Während der SRU (Sachverständigenrat für Umwelt) als sofort geltende Einstiegsgröße 80 DM je m 3 gefordert hatte, entschloß sich der Gesetzgeber, bei 12 DM zu beginnen, um dann über fünf Schritte zwischen 1981 und 1986 bei 40 DM anzugelangen. Die angesichts des Problemdrucks erforderliche ökologische Anpassung ist damit nur schwach wirksam geworden. Dringend erforderlich ist deshalb eine effiziente Verschärfung dieses Abwasserabgabengesetzes. Darüber hinaus müßten im Rahmen der dringend gebotenen Novellierung dieses Abwasserabgabengesetzes weitere Schadstoffe (Chloride/Düngesalz) aufgenommen werden. Ökologieorientiertes Steuersystem Die stärkere ökologische Instrumentalisierung des Steuersystems bildet einen weiteren Einsatzbereich für eine Politik ökologischer Vorsorge. So sollte eine ökologisch begründete Besteuerung wertvoller, nicht regenerierbarer Naturressourcen zu deren Einsparung bzw.deren Ersetzung führen.
Die Mineralölsteuer und die Steuerbevorteilung bei Nutzung von Kraftfahrzeugen mit Katalysatoren demonstrieren erste Ansätze dieser ökologischen Nutzung des Steuersystems. Auch hier gilt, was für die Abgaben bereits festgehalten wurde: Rationaler 'Zweck ist nicht die Erschließung neuer Finanzquellen, sondern durch spürbare Ausgestaltung deren Rückgang zu bewirken, weil dies zum Ausdruck bringt, daß auf den Einsatz derartiger Naturressourcen auf Dauer verzichtet wird. Auch hier sollten die Einnahmen zur Finanzierung ökologischer Projekte der öffentlichen Hand genutzt werden.
Bei dieser ökologieorientierten Steuerpolitik stellt sich ähnlich wie bei den Auflagen und Abgaben das sozialökonomische Inzidenzproblem. Die Frage lautet: Welche Einkommensgruppen finanzieren letztlich den ökologischen Umbau über die Implementierung dieser Maßnahmen? Wird für ökologische Auflagen, Abgaben und entsprechende Unternehmensteuern die These von der vollen Überwälzbarkeit über die Preise auf die Endverbraucher unterstellt, dann erfolgt die Finanzierung überproportional durch untere und mittlere Einkommens-schichten. Realistischerweise ist von einer vollen Überwälzung jedoch nicht auszugehen. Das finanz-wissenschaftlich-empirische Wissen reicht momentan jedoch nicht aus, um hier dringend erforderliche, eindeutige Antworten zu geben. Bei der Mineralölsteuer läßt sich jedenfalls für die Nutzung von Kraftfahrzeugen durch die privaten Haushalte deutlich sehen: Die relative Belastung der Arbeitnehmerhaushalte fällt durch deren ökologische Gestaltung intensiver aus als bei einkommensstar47 ken Gruppen. Hier müßte ein Ausgleich über die Erhöhung des steuerlich geltend zu machenden Kilometergeldes für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorgesehen werden. Insgesamt wäre zu überlegen, ob nicht für umweltverträgliche Produkte die Mehrwertsteuer gesenkt wird, um deren Verbreitung zu beschleunigen. Zusammenfassend wird deutlich: Beim Ausbau des ökologischen Regulierungsinstrumentariums müssen sozialökonomisch unterschiedliche Belastungsprofile berücksichtigt werden, weil sonst ökologisch-rationale Politik zusätzlich soziale Probleme schaffen könnte. Hier ist Phantasie gefragt, um zu vermeiden, daß mit der Lösung ökologischer Probleme soziale Differenzierungen vertieft werden, wie umgekehrt die Lösung sozialer und beschäftigungsspezifischer Aufgaben nicht zu Lasten der Umwelt gehen kann. Öffentliche Förderinstrumente Um dort, wo durch diesen ökologischen Umbau erhebliche Anpassungsprobleme entstehen, unterstützend einzuwirken, kommt dem öffentlichen Förderinstrumentarium große Bedeutung zu. Steuererleichterungen einerseits und direkte Finanzierungszuschüsse andererseits bilden die wichtigsten Instrumente einer ökologisch sinnvollen Subventionierung. Diese Subventionierung entlastet die bisherigen Verursacher bei der Aufgabe, ökologische Schäden in Zukunft einzugrenzen bzw. zu vermeiden. Während nach der bisherigen Praxis etwa Rationalisierungsinvestitionen ein Stichwort der Subventionsberichte der Bundesregierung bilden, werden Unterstützungen zur Durchsetzung ökologischer Innovationen nicht ausgewiesen. Mittlerweile gibt es jedoch ein kaum noch überschaubares Geflecht ökologischer Fördermaßnahmen auf allen Ebenen der Gebietskörperschaften sowie in der EG. Hier den Subventionsdschungel zu lichten, um die Informationen auch den Betroffenen einigermaßen unter gleichen Bedingungen weiterzugeben, ist eine erste dringende Aufgabe der öffentlichen Hände. Die Subventionierung im Sinne umwelt-orientierter Anpassungshilfen ist gesamtwirtschaftlich rational, denn damit wird ein Beitrag zur umgehenden Verhinderung weiterer ökologischer Belastungen und damit verbundener Kosten geleistet, während zugleich Langzeitarbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Die staatliche Förderung dieses Umbaus müßte jedoch streng kontrolliert an der Einhaltung ökologischer Ziele ausgerichtet werden und positive Beschäftigungswirkungen berücksichtigen. Da sich bei kleinen und mittleren Betrieben, im Handwerk, aber auch bei einkommensschwachen Hauseigentümern die finanziellen Anpassungslasten konzentrieren, ergibt sich hier der Subventionsschwerpunkt. Neben der präzisen Zielkontrolle müßte die Vergabe von Subventionen in Form von Steuemachlässen und Finanzzuschüssen mit der Sicherung von Beratungsdienstleistungen verbunden werden.
Temporäre und dauerhafte Produktionsverbote Gegenüber der bisherigen Beschreibung der Auflagenpolitik sowie ergänzend zu den Abgaben, der Nutzung des Steuersystems sowie den Subventionen wird das unmittelbar einschneidenste Eingriffs-instrumentarium einer Umweltpolitik gesondert und abschließend angesprochen. Es geht um zeitlich begrenzte und dauerhafte Produktionsverbote. Angesichts der Erfahrungen in Phasen starker Smogbildung gehören temporäre Stillegungen von Betrieben mit belastenden Schadstoffabgaben in die Luft sowie das Verbot der Kraftfahrzeugbenutzung zum Notinstrumentarium einer symptom-orientierten Umweltpolitik. Hier, wie auch im Fall, daß eine Welle von Betriebsunfällen etwa zur konzentrierten Vergiftung des Rheins führt, erzwingt die ökologische Katastrophenlage das Aussetzen der durch den privaten Produktionsmittelbesitz an sich gegebenen Untemehmensautonomie ebenso wie der Konsumentensouveränität. Neben dieser temporären Aussetzung der privaten Eigentumsrechte häufen sich die Fälle, wo Betriebe wegen hoher Vergiftungsrisiken während der Produktion dauerhaft geschlossen bzw. Produkte verboten werden müssen. Die auf einer unternehmensinternen Übereinkunft basierende totale Einstellung der Asbestproduktion in der Bundesrepublik zeigt übrigens, daß im Gegensatz zu interessenbedingten Gegenbehauptungen in vielen Fällen ökologieverträglichere Produkte entwickelt werden und zum Einsatz kommen können. Gerade auch aufgrund der Erfahrungen mit der Querschnittchemikalie *. Formaldehyd wird die Notwendigkeit deutlich, früh über derartige Produkte öffentlich zu berichten, um gefahrlose Ersatzstoffe bzw. -güter zu entwickeln, oder um sich im äußersten Fall auf den Verzicht derartiger Produkte einstellen zu können.
IV. Kritik der Börsenmodelle für Umweltschutz
Dieser hier vorgestellte Instrumentenkatalog einer Strategie ökologischen Umbaus schließt das als „marktwirtschaftskonform" gehandelte Umwelt-börsenmodell explizit aus. Zur Behandlung der Umweltprobleme durch Marktmodelle liegt mittlerweile eine umfangreiche Literatur, deren Aufarbeitung hier nicht möglich ist, vor Die Grundidee läßt sich am Beispiel des Schwefeldioxydausstoßes in die Luft wie folgt darstellen:
Als Ergebnis politischer Entscheidung wird für die Bundesrepublik Deutschland eine Reduzierung des Schwefeldioxydausstoßes von derzeit etwa 3 Mio. Tonnen auf 2, 5 Mio. Tonnen beschlossen. In ihrer Gesamtheit ist es nach diesem Modell der Wirtschaft verboten, diese absolute Belastungsgrenze zu überschreiten. Die Aufteilung dieser politisch definierten Gesamtmenge auf die einzelnen Industrieanlagen erfolgt nicht nach der Festlegung für alle gleicher Grenzwerte, sondern ein einzurichtender Börsenmarkt soll diese regulieren. Die zugelassene absolute Schwefeldioxydmenge wird in Zertifikate (Aktien) etwa mit einem Nennwert von 100 kg aufgeteilt. Diese Zertifikate, die Umweltnutzungsbzw. Verschmutzungsrechte verbriefen, werden an der „Schwefeldioxydbörse“ gehandelt; je nach Angebot und Nachfrage bilden sich für diese Preise. Ist aufgrund stärkerer Nachfrage gegenüber dem Angebot der Zertifikatspreis hoch, dann wird es für Unternehmen rational, eine ökologische Umrüstung vorzunehmen, so daß mit dieser Anlage keine Schadstoffabgabe mehr zustande kommt und daher auch keine Rechte an der Umweltverschmutzung vorhanden sein oder erworben werden müssen. Wegen der Konstanz der gesamten ökologischen Belastungen gilt das Prinzip: Was das eine Unternehmen an Schadstoffemission einspart, kann ein anderes Unternehmen beanspruchen. Dieses Börsenmodell, so die Botschaft seiner Protagonisten, schafft für das einzelwirtschaftliche Kalkül ökonomische Anreize, Umwelttechnologien einzusetzen, die etwa unter der heute geltenden, für alle Anlagen gleichen Grenzwertnorm liegen. Aber dieser Verteilungslogik nach gibt es bei entsprechendem Eigentum an Umweltzertifikaten auch Unternehmen, die Anlagen einsetzen, deren Schadstoffemission über der heutigen Auflagenfixierung liegt.
Dieses Vermarktungsmodell der „knappen Ressource Umwelt“ ist genauer besehen theoretisch durch Ungereimtheiten und Widersprüche charakterisiert. In die staatliche Definition der höchstzulässigen Gesamtmenge an Schwefeldioxyd gehen zwangsläufig schwierige Abschätzungen über das im Durchschnitt dafür vorhandene und einsetzbare, technologisch und ökologisch realisierbare Potential ein. Dies gilt auch für die in das Modell einbaubare Abwertung der Aktien. Danach ist es vorstellbar, daß in zeitlichen Stufen die zulässige Gesamtemissionsmenge reduziert und somit der Wert eines einzelnen Zertifikats etwa von bisher 100 auf 80 kg abgesenkt wird. Auch hier muß unter Einbezug der ökonomisch-technologischen Möglichkeiten diese Rahmenbedingung für das Wirtschaften politisch gesetzt werden. Das zentrale Dilemma liegt jedoch in der Schaffung von privaten Eigentumsrechten an der Umweltnutzung.
Private Anteilseigner an dem öffentlichen Gut Umwelt können Markteintrittsbarrieren aufbauen sowie über die Verwendung der Zertifikate die Produktion blockieren. Wenn etwa ein inländischer Unternehmer Zertifikate — vielleicht auch aus ökologischer Überzeugung — weit über seinen Produktionsbedarf hält, oder aber die internationale Konkurrenz diese aufkauft, dann bricht die Funktionsweise dieses Modells zusammen. Administrative Nutzungseinschränkungen und -verböte wären die Folge dieses an sich gegen politische Interventionsregelungen gerichteten Marktmodells. Weiterhin wirkt diese Zertifikatswirtschaft konzentrationsfördemd, denn finanzkräftige Großunternehmen haben beim Erwerb von Umweltzertifikaten eine Vorteilsposition. Um hier Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, müßte der Zertifikatshandel mit einer Mittelstandsklausel versehen werden. Schließlich müssen ökologisch hoch belastete Ballungsräume („hot spots“), die ökologisch eine zusätzliche Produktionsausweitung nicht verkraften, ebenso wie Naturschutzgebiete gesondert behandelt werden. Im Fall eines Smogalarms werden mit der Aussetzung der unternehmerischen Produktionsautonomie ohnehin die Nutzungsrechte für Umweltzertifikate ebenfalls stillgelegt.
Geht man von den heute bekannten wichtigsten Schadstoffen, die in die Luft abgeben werden, aus, dann müßten viele derartige, immer weniger überschaubare Schadstoffemissionsbörsen eingerichtet werden. Deshalb überrascht es nicht, daß die praktischen Erfahrungen mit diesem Modell negativ sind und auch ernsthaft in der Bundesrepublik von deren Installierung nicht ausgegangen wird. In den 247 theoretisch möglichen Luftreinhaltebezirken in den USA sind lediglich fünf Emissionsbanken realisiert worden. Eine dem Marktmodell folgende Funktionsweise ist selbst für diese fünf Emissionsbanken nicht nachweisbar: „Entweder überwogen die Anbieter oder aber die Nachfrager konnten mit den vorhandenen Angeboten nicht einmal eine einzige Anlage neu installieren.“ In Kalifornien beispielsweise hat sich die Nutzung dieser Umweltzertifikate auf die Unternehmen, die schädliche Produkte herstellen, konzentriert, während sie etwa die Brotproduktion behinderten. Konzeptionell zwar gegen ökologischen Staatsinterventionismus gerichtet, verfängt sich diese Zertifikatswirtschaft nur allzuleicht in administrativen Fallstricken, weil ansonsten die Effizienz nicht gewährleistet werden kann.
V. Ökologisch-ökonomische Struktur über das Jahr 2000 hinaus
Über den Einsatz der Instrumente für eine nach-und vorsorgende Umweltpolitik wird sich die sektorale Wertschöpfungs-und Beschäftigungsstruktur deutlich verschieben. Die bereits im Gang befindliche Entwicklung sowie das zusammengefaßte Wissen, das aus nationalen und internationalen Studien gewonnen werden kann, lassen die folgenden Leitsektoren plausibel erscheinen:
— Dem Sektor Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet komplexer Schadensanalysen einerseits sowie auch dem Bereich Umwelttechnologien zur Belastungsreduktion und Messung andererseits kommen strategische Relevanz zu. Die Forschung darf sich jedoch nicht nur auf technologische Innovationen konzentrieren, während begleitende soziale Innovationen verdrängt werden. Die interdisziplinäre rechts-, wirtschafts-und sozialwissenschaftliche Forschung ist angesichts der Wirkungskomplexität des ökologischen Umbaus von Wirtschaft und Gesellschaft dringend geboten.
— Innerhalb des verarbeitenden Gewerbes als industriellem Kemsektor werden sich die Produktionskapazitäten und damit die Arbeitsplätze auf eine an Gewicht weiter gewinnende Umweltschutz-industrie (Anlagenbau auf mikroelektronischer Basis etwa) konzentrieren. Alle uns vorliegenden Prognosen gehen angesichts des nationalen und internationalen Umrüstungsbedarfs von einer Expansion dieses Produktionsbereichs aus. Hier können ökologisch vernünftige Langzeitarbeitsplätze entstehen.
— Vergleichbar mit den sektoralen Wirkungen der Mikroelektronisierung vollzieht sich beim ökologischen Umbau der Wirtschaft eine Tertiarisierung, das heißt, umweltorientierte Dienstleistungen nehmen zu. Neben den sich ausweitenden Meß-und Kontrolltätigkeiten konzentriert sich der Dienstleistungsschwerpunkt auf Beratung. Wirtschaftsunter-* nehmen, aber auch private Haushalte sind heute überfordert, im Rahmen dieser ökologischen Umstrukturierung die richtigen Entscheidungen zu treffen. Umwelttechnologietransferstellen sowie Consulting-Büros kommen hier eine wichtige Funktion zu. Am Beispiel der bisherigen Energieversorgung wird die Verschiebung der Aufgabenschwerpunkte deutlich: Nicht Expansion der Unternehmen durch Ausweitung der Versorgung mit mehr Energie, sondern die Energieberatung in den Bereichen der Einsparungs-und Substitutionsmöglichkeiten muß das zweite Bein der Geschäftspolitik werden.
— Dadurch, daß sich die zentrale Gestaltungsfunktion auf die Gebietskörperschaften, insbesondere auf die Kommunen konzentriert, wird der öffentliche Sektor in diesen Bereichen an Bedeutung gewinnen. Das in der Ökologiebewegung häufig genutzte Handlungsbild „Global Denken, lokal Handeln“ umschreibt nicht die gesamte Aufgabenstellung, denn es muß eben auch global gehandelt und lokal gedacht werden. Für den öffentlichen Sektor lassen sich drei ökologische Aufgabenprofile umschreiben:
a) Die Konzipierung und Durchsetzung eines effizienten Umweltrechts erweitert die rechtspolitischen Aufgaben. Daß in den letzten Jahren eine Flut an Umweltregelungen zustande gekommen ist, ist jedoch Folge des über Jahrzehnte aufgestauten Problemdrucks.
b) Ein Großteil der ökologisch-innovativen Dienstleistungen konzentriert sich auf den öffentlichen Sektor. Verursacherkontrolle, Kontrolle der administrativen Gesetzesregulierungen, Abbau von Vollzugsdefiziten, Unterhaltung von mobilen und festen Meßstationen, Erstellung von Umweltberichten und Umweltberatung sind nur wenige Beispiele.
In diesem Zusammenhang wird die Kompetenzerweiterung des Umweltbundesamtes sowie die Einrichtung von Landesumweltämtern erforderlich.
c) Die Sicherung und der Ausbau einer ökologischen Infrastruktur mit den Schwerpunkten Altla-B sten, Luftreinhaltung, Gewässerschutz, Boden-schutz und Lärm bilden den materiellen Aufgabenschwerpunkt im strukturdominanten öffentlichen Sektor. Bedarfsfelder für diese ökologische Infrastrukturpolitik sind sowohl bundesweit als auch regionalspezifisch und kommunal mittlerweile spezifiziert Auf Initiative der zuständigen DGB-Landesverbände und im Auftrag der „Hans-Böckler-Stiftung" des DGB etwa haben Forscher der GEWOS für die Küstenregion ökologische Bedarfsschätzungen vorgenommen Das „Deutsche Institut für Urbanistik“ hat vor allem mit den Schwerpunktaufgaben nach-und vorsorgender Umweltpolitik für die Kommunen von 1985 bis 1990 einen Investitionsbedarf von knapp 400 Mrd. DM errechnet Die Berechnungen, die sich für ökologische Infrastrukturbereiche spezifizieren lassen, widerlegen deutlich die These, für öffentliche Beschäftigungspolitik gäbe es keinen Programm-vorrat. Hier werden sinnvolle, dringend in Angriff zu nehmende Aufgabenfelder für ein Beschäftigungsprogramm vorgestellt. Die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen durch den Ausbau dieser öffentlichen Infrastruktur ist zugleich ein Beitrag zum qualitativen Wirtschaftswachstum, das heißt zum Wirtschaften ohne Naturzerstörung.
VI. Auseinandersetzung mit kritischen Einwendungen gegen dieses Strukturkonzept
1. Positive Arbeitsplatzeffekte Umweltpolitik, so die häufigste Kritik, vernichte Arbeitsplätze. Diese Kritik trifft nicht zu. Die auf dieses Strukturkonzept abzielende Umweltpolitik schafft zusätzliche Arbeitsplätze in Bereichen zukunftsorientierter, großteils bisher versäumter Produktion. Eine synoptische Auswertung aller jüngeren nationalen und internationalen Studien zum Zusammenhang „Arbeit und Umwelt“ belegt die arbeitsplatzschaffende Funktion der Umweltpolitik und widerlegt damit die These von der Job-Killer-Wirkung ökologischen Umbaus Die Pionierstudien, die in der folgenden Übersicht zusammengefaßt sind, belegen selbst für die vergleichsweise moderate Umweltpolitik der siebziger Jahre deren positive Beschäftigungswirkungen. Dabei bleibt zu vermerken, daß die von Sprenger/Britschkat angestellte Studie, die vom Bundesverband der deutschen Industrie als Kritik an den Ergebnissen von Meißner/Hödl geplant war, jedoch zu gleichgerichteten Ergebnissen kam.
Zur Abschätzung der im öffentlichen und privatwirtschaftlichen Sektor vorhandenen Umweltschutzarbeitsplätze liegen mittlerweile Untersuchungen vor. Auf der Basis einer kombinierten Analyse der Nachfrage nach und des Angebots an Umweltschutzgütern und -dienstleistungen wurde etwa errechnet, daß 1980 ca. 170 000 bis 180 000 Arbeitsplätze allein durch umweltschutzinduzierte Nachfrage in der Wirtschaft voll ausgelastet wurden Die Zahl dieser Arbeitsplätze dürfte mittlerweile gestiegen sein. Werden die bestehenden Arbeitsplätze in den Umweltschutzverwaltungen, der öffentlichen und privaten Entsorgung, des Rohstoffrecyclings und der Umweltforschung hinzugerechnet, dann kann momentan — vorsichtig gerechnet — von 440 000 Umweltschutzarbeitsplätzen ausgegangen werden
Auf der Basis einer Zusammenfassung verschiedener Studien zur Abschätzung von Arbeitsplatz-wirkungen schwerpunktspezifischer Umweltaktivitäten prognostizieren Lutz Wicke, Erika Schulz und Werner Schulz für die nächsten Jahre eine weitere Zunahme dieser Umweltschutzarbeitsplätze um ca.
250 000 bis 300 000. Bei dieser Zuwachsgröße sind negative Wirkungen der aktiven Umweltschutzpolitik (etwa durch Kosteneffekte) bereits gegengerechnet. Hinter dieser Ausweitung der Umweltschutzarbeitsplätze auf dann insgesamt maximal ca.
740 000 steht die erwartete Verwirklichung folgender Aktivitäten: durch die Verminderung der Schwefeldioxyd-Emissionen könnten rund zehn Jahre lang 22 000 Arbeitsplätze ausgelastet und 9 000 Dauerarbeitsplätze geschaffen werden, — durch eine zusätzliche Entstickung dürften jährlich 11 000 Arbeitsplätze ausgelastet und 5 000 Dauerarbeitsplätze (für den Betrieb der Entstikkungsanlagen, R. H.) geschaffen werden, — durch zusätzliche Energieeinsparmaßnahmen und vorgezogene bauwirksame öffentliche Umwelt-investitionen können in den nächsten zehn Jahren schätzungsweise 150 000 Arbeitsplätze jährlich ausgelastet werden, — durch die Aktivierung des Eigeninteresses könnten rund 170 000 Arbeitsplätze geschaffen werden.“
Dabei ist zu betonen, daß insbesondere den öffentlichen Beschäftigungsprogrammen mit den Schwerpunkten ökologischer Nach-und Vorsorge netto erhebliche Beschäftigungseffekte zuzurechnen sind. Das von der Arbeitsgruppe „Alternative Wirtschaftspolitik“ vorgelegte „ökologische Sofortprogramm“ rechnet bei einem öffentlichen Investitionsvolumen von rund 52 Mrd. DM pro Jahr über fünf Jahre mit einem jährlichen Beschäftigungsvolumen von ca. 670 000 neuen oder gesicherten Arbeitsplätzen Monheim hat unlängst für dringend in Angriff zu nehmende Aufgabenfelder der Verkehrssanierung ein über 15 Jahre zu verteilendes Investitionsvolumen von 436 Mrd. DM (nach Berücksichtigung örtlicher und sachlicher Überschneidungen des Gesamtprogramms) geschätzt. Da wegen der kleinteiligen Baumaßnahmen die
Beschäftigungswirkungen hoch anzusetzen sind, wird davon ausgegangen, daß die Ausgabe von 1 Mrd. DM in diesem Bereich ca. 16 500 Arbeitsplätze beansprucht. Einem öffentlichen Investitionsvolumen von 29 Mrd. DM pro Jahr über 15 Jahre wird deshalb ein jährliches Beschäftigungsvolumen von rd. 480 000 Arbeitsplätzen zugerechnet Nach Berechnungen von Franzius/Keiter/Knauer ergibt sich allein für die Sanierung und Überwachung von Altablagerungen sowie kontaminierter Betriebsgelände für die Bundesrepublik Deutschland ein Investitionsvolumen von 17 Mrd. DM über zehn Jahre. Wird von der in der Bauwirtschaft geltenden Relation 9, 1 Beschäftigte pro 1 Mio. DM Bruttoproduktionswert ausgegangen, dann wäre durch diese Maßnahme mit der Schaffung von 15 000 Arbeitsplätzen zu rechnen, die in den nächsten zehn Jahren zur Verfügung stehen könnten
Bei diesen Untersuchungen zur Abschätzung der Beschäftigungseffekte werden jedoch auch negative Arbeitsplatzeffekte einer aktiven Umweltpolitik gegengerechnet, so daß die hier präsentierten Werte faktisch zusätzliche Arbeitsplatzeffekte angeben. Dazu zwei Beispiele: Zu einem ökologisch-modernen Abfallkonzept gehört auch die Verhinderung der weiteren Zunahme von Einweggetränkeverpackungen, um zum Teil nicht mehr verwertbaren Müll zu vermeiden. Von den 170 000 Arbeitsplätzen (40 500 Dauerarbeitsplätze und 59 200 durch Investitionen in Höhe von 64, 3 Mrd. DM über zehn Jahre gesicherte Arbeitsplätze), die Peters seinem „neuen abfallwirtschaftliehen Konzept“ zurechnet, gehen rund 70 000 Arbeitsplätze auf die Verhinderung der weiteren Erhöhung des Anteils der Einweggetränkeverpakkung zurück. Eine Modellrechnung zeigt: Würde der Anteil der Einweggetränkeverpackung von 15 vH (Stand 1982) etwa auf den derzeitigen Stand in den USA (90 vH) ansteigen, dann ließen sich zwar 15— 20 000 Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig gingen jedoch durch die weitere Verdrängung der Mehrweggetränkeverpackung 90 0000 Arbeitsplätze verloren Die ökologisch rationale Strategie des Ausstiegs aus der weiteren Zunahme von Einweggetränkeverpackungen, die politisch enormer Kraftanstrengung bedarf, verhindert einen sich ansonsten vollziehenden Rückgang von Arbeitsplätzen in der Brauwirtschaft, der Erfrischungsgetränke-Industrie, dem Fachgroßhandel und dem Einzelhandel bei Berücksichtigung erheblich weniger zusätzlicher Arbeitsplätze in der Verpackungsindustrie und bei der Müllabfuhr. Dieses Beispiel belegt die Verhinderung eines künftigen Verlustes von Arbeitsplätzen nach Saldierung durch die Realisierng eines ökologisch sinnvollen abfallwirtschaftlichen Konzepts.
Ein weiteres Beispiel für Arbeitsplatzgewinne bietet der Umstieg aus der Kernenergie in einen „sanften“ Energiepfad mit den Instrumenten der Energieeinsparung und -Substitution gefährlicher und wertvoller Naturressourcen. Während im Bereich der Kernenergie (einschließlich der Vorlieferwirkungen) in der Tat einige Tausende Arbeitsplätze verloren gehen, können durch das alternative Konzept der Energieversorgung über 500 000 Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden
Bei all den bisherigen Angaben zu den Beschäftigungswirkungen aktiver Umweltpolitik wurden nur die direkten Effekte erfaßt. Die tatsächlichen Arbeitsplatzwirkungen jedoch sind größer, denn in den Vorliefersektoren (indirekte Effekte) entstehen ebenfalls Arbeitsplätze. Weiterhin wird durch diese Produktion Einkommen geschaffen, das über seine Verausgabung zusätzliche Arbeitsplätze erforderlich macht (multiplikative Wirkung). Derart bedarfsbegründete Beschäftigungsprogramme verfügen über einen dreifachen Selbstfinanzierungseffekt: Wegen der das Programmvolumen übersteigenden Einkommensausweitungen — Folge multiplikativer und akzelerativer Anpassungsprozesse der Gesamtwirtschaft — steigen die Staatseinnahmen. Weiterhin werden Kosten der Arbeitslosigkeit von derzeit über 55 Mrd. DM und ökologische Reparaturkosten in erheblichem Ausmaß eingespart. 2. Umweltpolitik durch Konsumentenpräferenzen abgesichert Vielfach wird beklagt, die politisch-administrativ verordnete Umweltpolitik decke sich nicht mit den Präferenzen, die die Konsumenten auf den Märkten äußern. Hier werden jedoch Ursache und Wirkung verkehrt. Nachdem durch die Art des Wirtschaftens über Jahre ökologische Schadensfolgen verdrängt wurden, kam es zur Politisierung der Nachfrage nach einer verbesserten Umwelt gegenüber dem politisch-ökonomischen System. Die Notwendigkeit, das Kollektivgut „Umwelt“, das nicht privatisierbar ist, einer öffentlichen Regulierungsund Infrastrukturpolitik zu übereignen, erklärt sich aus den Systembedingungen, die schon Adam Smith im fünften Buch seiner „Wealth of Nations“ (1776) beschrieben hat. Es gibt öffentliche Arbeiten — hier im Rahmen der Umweltpolitik —, die „auch für eine große Gesellschaft höchst vorteilhaft sind, doch niemals einen solchen Profit abwerfen, daß sie einem einzelnen oder einer kleinen Anzahl von Personen die Kosten ersetzen, und deren Einrichtung und Unterhaltung daher von keinem einzelnen und keiner kleinen Anzahl von Personen erwartet werden darf.“ Aus diesem Dilemma erwächst die allokative Funktion des politischen Systems, das heißt die Gebietskörperschaften müssen dafür sorgen, daß volkswirtschaftliche Produktionsaktivitäten in den Bereichen ökologischer Nach-und Vorsorge zustande kommen. Da sich die allokativen Umweltaufgaben vorwiegend auf Kommunen und Regionen konzentrieren, ist für deren Umsetzung eine Dezentralisierung, die zugleich betroffenennah ist, erforderlich. Dem Bund kommt jedoch angesichts seiner gesamtwirtschaftlichen Stellung und Funktion die Aufgabe zu, die gesetzlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen zu sichern. Festzuhalten bleibt, die Umweltpolitik — wie selbst die methodisch problematischen„Befragungen zur Zahlungsbereitschaft“, mit denen etwa die ökologischen Schäden der Luft bewertet werden, sowie repräsentative Befragungen zur Akzeptanz der Ausgabenstruktur etwa des Bundeshaushalts zeigen — nimmt einen oberen Stellenwert in der Bedarfsskala ein; insoweit ist diese auch präferenziell abgesichert 3. Ökologische Voraussetzungen internationaler Konkurrenzfähigkeit Die Kosten des ökologischen Umbaus würden, so ein weiteres Gegenargument, die Wirtschaft generell ruinieren und speziell die internationale Konkurrenzfähigkeit verschlechtern. Zum einen sind die Kosten, die heute im Rahmen dieser Umstrukturierungspolitik entstehen, die Folge jahrelang im einzelwirtschaftlichen Produktionskalkül verdrängter ökologischer Schäden. Heute geht es um die späte Korrektur früherer Preisrelationen, die sich unter der Nutzung der Umwelt zum „Nulltarif“ gebildet haben und insoweit falsch waren. Dies gilt auch für den enorm gewachsenen administrativ-rechtlichen Regulierungsbedarf. Sollen die Entwicklungsvoraussetzungen gerade auch der Wirtschaft gesichert werden, dann gibt es angesichts jahrzehntelanger Problemverdrängung jetzt in der Tat nur den kostenbelasteten und ökologisch regulierten Weg zu einem Wirtschaften ohne Naturzerstörung. Freilich, wie bereits bemerkt, der Nutzen des Umweltschutzes ist gegenüber den damit entstehenden Kosten mehr als zwei mal so groß. Prospektiv formuliert: Jede versäumte Umweltschutz-maßnahme kommt kostenschwerer später auf die Wirtschaft zurück, während die Blockierung normaler Produktion angesichts sich häufender ökologischer Katastrophenkonstellationen zunimmt. Die heutigen Kosten des Umweltschutzes sind bedeutend geringer als die sich im Zeitablauf kumulierenden Kosten unterlassenen Umweltschutzes. Dabei zeigt sich: In den letzten Jahren vollzieht sich bereits verstärkt ein wirtschaftlicher Anpassungsprozeß an die ökologischen Anforderungen. Die Wirtschaft hat nach vorsichtigen Schätzungen seit 1970 ca. 120 Mrd. DM Kosten für den Umweltschütz aufgebracht und somit „verkraften“ können.
Zum anderen muß sich die Bundesrepublik als dicht besiedeltes Land auf eine aktive ökologische Vor-und Nachsorgepolitik einstellen. Wenn dies nicht geschieht, dann wird das Ziel internationaler Wettbewerbsfähigkeit ohnehin zum Hirngespinst, weil die Produktion nicht mehr ungestört möglich ist.
Kein Land kann sich auf Dauer internationale Wettbewerbsvorteile bei der Güter-und Dienstleistungsproduktion zum Preis der Schädigung der Öko-und Biosphäre leisten. Japan ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie ein Land in der Phase aktiver Umweltschutzpolitik, die durch Protestbewegungen ökologisch Geschädigter massiv durchgesetzt wurde, seine internationale Wettbewerbsposition nicht verloren hat. Dies vor allem deshalb, weil es im Export hochwertiger Umwelttechnologien mittlerweile eine Spitzenposition hat Für die Bundesrepublik Deutschland kommt es darauf an, die ohnehin derzeit riskante außenwirtschaftliche Abhängigkeit zugunsten der Ressourcennutzung für die binnenländischen, gerade auch ökologischen Produktionsaufgaben auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen. Gleichzeitig sollte ein Umbau der Exportpalette auf Umwelttechnologien und komplementäre Dienstleistungen erfolgen. In diesem Feld kann sich für die Bundesrepublik eine Verschiebung in der internationalen Arbeitsteilung als sinnvoll, weil zukunftsorientiert erweisen. Die Konzentration auf Umwelttechnologien sowie Consulting-Dienstleistungen im Bereich der Umweltpolitik könnte einen außenwirtschaftlich sinnvollen Beitrag leisten, denn in den anwendenden Ländern wäre damit eine schnellere Rückführung ökologischer Belastungen möglich und speziell den sich industrialisierenden Ländern — vor allem den sogenannten Schwellenländem — könnten die Gefahren einer ökologischen Krise erspart werden.
Es gibt zum Konzept des Wirtschaftens ohne Natur-zerstörung keine Alternative. Dieses Konzept ist ökologisch rational und ökonomisch machbar. Es trägt dazu bei, einen qualitativen Entwicklungsweg mit ökologisch verträglichen Langzeitarbeitsplätzen zu eröffnen.
RudolfHickel, Dr. rer. pol., geb. 1942; Studium der Wirtschaftswissenschaft; danach wissenschaftlicher Assistent zuerst an der Universität Tübingen, dann am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Konstanz; seit 1972 Professor für Politische Ökonomie mit den Schwerpunkten Wirtschafts-und Finanzpolitik an der Universität Bremen. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Jan Priewe) Ineffiziente Instrumente oder unzureichende Anwendung? Die Finanzpolitik von 1974-1984 auf dem Prüfstand: Argumente für ein Beschäftigungsprogramm; in: PIW-Studien, Nr. 3, Bremen 1985; (Hrsg.) Radikale Neoklassik — Ein neues Paradigma zur Erklärung der Massenarbeitslosigkeit?, Opladen 1986; (zus. mit Heiner Heseler) Mit Wirtschaftsdemokratie gegen Wirtschaftskrise, Hamburg 1986; (zus. mit Manfred Gurgsdies) Pilotstudie: Umwelt und Beschäftigung — Nationale und internationale Studien im Überblick — Anhaltspunkte für ein Programm „Arbeit und Umwelt“ im Lande Bremen, Bremen 1986; Technologische Arbeitslosigkeit oder langfristiger Aufschwung — Arbeitsplatzeffekte der Rationalisierung; in: WSI-Mitteilungen, (1987) 6; Ein neuer Typ der Akkumulation? Kritik der orthodoxen Nationalökonomie (im Erscheinen).
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