Der Beitrag untersucht die wichtigsten, aktuellen programmatischen Aussagen der im Bundestag vertretenen Parteien auf ihre umweltpolitischen Gehalte. Den Schwerpunkt der Untersuchung bilden die jeweils relevanten Aussagen zu den beabsichtigten umweltpolitischen Maßnahmen sowie die vorgesehenen Mittel und Wege zu ihrer Durchsetzung. Die Aussagen werden kontrastiert mit dem gegenwärtigen Zustand unserer Umwelt sowie mit den ergriffenen Maßnahmen derjenigen Parteien, die sich im Bund oder in den Ländern in der Regierungsverantwortung befanden bzw. befinden.
I. Problemzusammenhänge
Über den Zustand der „Umwelt — weltweit“ zu räsonieren, scheint zu bedeuten, die sprichwörtlichen Eulen nach Athen zu tragen. Doch da die Eule der Minerva ihren Flug bekanntlich erst in der Dämmerung beginnt, würde Athen selbst dann nicht von Weisheit geblendet, versammelten sich heute dort alle Eulen der Welt. Da wir bereits seit geraumer Zeit auf des Messers Schneide wandeln, bedarf es nicht weniger, als allen Scharfsinn und Weitblick der lokalen, nationalen und internationalen Akteure auf die Zerstörung der natürlichen Lebensvoraussetzungen und ihre Folgewirkungen zu konzentrieren.
Seit Rachel Carson darauf aufmerksam machte, daß der Frühling stumm geworden ist sind die umweltpolitischen Hiobsbotschaften nicht mehr verstummt; sie werden vielmehr immer zahlreicher und immer drängender. Doch Rachel Carson wurde ebensowenig ernst genommen wie andere früh empfindsam Gewordene. Erst der erste Bericht des Club of Rome über „Die Grenzen des Wachstums“ sorgte für weltweite Unruhe, die durch Herbert Gruhls „geplünderten Planeten“ eine beträchtliche nationale Steigerung erfuhr Die sich anschließenden „Weltmodelle“ erlebten dagegen bereits weit weniger Interesse, obwohl sie keineswegs weniger eindringlich ausfielen, dafür aber jene Differenzierung boten, deren Fehlen es den Kritikern des Meadows-Berichts so leicht zu machen schien
Größere Aufmerksamkeit erlangte dann erst wieder Bericht „Global 2000“ — wahrscheinlich, weil er an den Präsidenten der Vereinigten Staaten gerichtet war Präsident Carter aber, der den Bericht in Auftrag gegeben und von seiner Verwaltung hatte unterstützen lassen, mußte die demokratische Wahlstatt räumen, und da Präsident Reagan neue Prioritäten setzte, war das Interesse bald verebbt
Doch diese wissenschaftlichen Untersuchungen blieben nicht völlig folgenlos, denn schließlich ersetzt politische Rhetorik nicht jene Maßnahmen, derer die bedrohten natürlichen (Über-) Lebensvoraussetzungen harren. Inzwischen waren nämlich nicht mehr „nur“ die Tier-und Pflanzenwelt von der Ausrottung bedroht, das Wasser, die Luft, die Erde — kurz alle Umweltmedien — sind gefährdet und letztlich wird sich auch der Mensch, der ihnen entstammt, zugehört, darin und daraus lebt, nicht als widerstandsfähiger erweisen.
Die Störung und Zerstörung der natürlichen Lebens-und Produktionsvoraussetzungen, die nicht nur immer eindringlicher durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt werden, deren Bedrohlichkeit vielmehr auch immer unmittelbarer erlebt wird, hat allmählich zur Herausbildung eines gewandelten Bewußtseins der Bevölkerung geführt, das sich rasch verbreiterte und weiter verbreitet. Zunächst hat die Bürgerinitiativbewegung später die Ökologiebewegung die dort den ideellen und organisatorischen Boden bereitet fand, jenen politischen Paradigmenwechsel in Gang gebracht, dem sich die traditionellen Parteien spätestens dann nicht mehr entziehen konnten, als die programmatischen Forderungen der „grünen“ Partei immer mehr Anhänger fanden. Da selbst die gruppenpluralistisch organisierte Demokratie der Zustimmung des Titularsouveräns bedarf, vermochten sich die von unterschiedlichen (Grup- pen-) Interessen geleiteten und daher widerstrebenden Parteien nicht mehr länger zu verweigern. Sie hatten sich der neuen Herausforderung wenigstens durch entsprechende Programme zu stellen.
In Anlehnung an Otto Meyer, den Nestor der deutschen Verwaltungsrechtslehre, wird man feststellen dürfen, daß „Regierung vergeht, Partei besteht“; die jüngere Vergangenheit hat dies gerade an dem für umweltpolitische Entscheidungen bedeutsamen Wechsel der Kanzlerschaft von Willy Brandt zu Helmut Schmidt oder noch deutlicher von US-Präsident Carter zu Reagan belegt. Wenn aber Regierungen wechseln, weil sie nur für einen knapp bemessenen Turnus legitimiert sind, lohnt es sich mehr, auf die programmatische Arbeit der die Legislaturperioden überdauernden Parteien zu achten. Was sich nicht in deren Programmen finden läßt, wird sich auch nur schwerlich in Regierungserklärungen und noch weniger in staatlichem (Umwelt-) Handeln finden lassen, denn Parteiprogramme sind gewissermaßen „pränatales Recht“.
II. Umweltprogramme der Parteien
1. Frühe Ansätze Auch wenn angesichts der allgegenwärtigen politischen Rhetorik gelegentlich ein gegenteiliger Eindruck entsteht — Umweltpolitik ist durchaus keine zeitgenössische „Mode“ -Erscheinung; Maßnahmen zum Schutz der Natur und der Umweltmedien wurden vielmehr zu beinahe allen Zeiten durchgeführt.
Allerdings wechselten die Auffassungen über das Notwendige bzw. Richtige oder sie wurden durch andere Ereignisse in den Hintergrund gedrängt. Das gilt auch für die durchaus sinnvollen Ansätze der Rechtsvorgänger der Bundesrepublik (und der Deutschen Demokratischen Republik)
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges waren die Interessen beinahe ausschließlich auf die Konstruktion des bis dahin effizientesten Wirtschaftssystems gerichtet. Der Schutz der Umwelt fand in dieser Aufbruchstimmung keine Protagonisten. So dauerte es bis 1961, ehe die SPD im Wahlkampf •einen „blauen Himmel über der Ruhr“ forderte und damit den Umweltschutz zu einem — zunächst allerdings belächelten — politischen Thema zu formen begann. Noch in ihrem politischen Grundsatzprogramm von 1959 (Godesberger Programm) war davon kaum etwas zu spüren.
Dabei hatte es durchaus frühe Impulse gegeben, die den Politikern zur Information zur Verfügung gestanden hätten. Schon 1952 stellte die aus Bundes-und Landespolitikern zusammengesetzte „Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft für naturgemäße Wirtschaftsweise“ ihre „Grundsätze“ einer ökologiegerechten Politik zur Diskussion, und Anfang der sechziger Jahre stellte der „Deutsche Rat für Landespflege“ die „Grüne Charta von Mainau“ vor, die dann wenigstens Fernwirkungen auf die Umweltdiskussion der siebziger Jahre ausübte. Selbst Bundeskanzler Erhards Staatssekretär Müller-Armack, der als einer der „Väter“ des „Wirtschaftswunders“ gilt, hatte davor gewarnt, über dem Wirtschaftswachstum die natürlichen Lebensgrundlagen zu vernachlässigen. In Nordrhein-Westfalen wurde bereits 1962 ein Immissionsschutzgesetz verabschiedet, und in Bayern als erstem Bundesland wurde ein eigenes Umweltministerium eingerichtet (1970). Schließlich kamen wesentliche Anstöße aus dem Ausland, insbesondere aus den USA und Japan.
Doch erst Ende der sechziger Jahre, mit dem Beginn der sozial-liberalen Koalition, ist die Umweltproblematik zu einem salonfähigen „political issue“ geworden. Zwar hatte die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD noch 1967 das soge-nannte Stabilitäts-Gesetz verabschiedet, das allein die ökonomische Stabilität ins Auge faßte, dennoch zog die Bewußtwerdung der Umweltgefährdung so weite Kreise, daß sich auch die politischen Instanzen dem wachsenden Druck, der nicht zuletzt von einer erstarkenden Bürgerinitiativbewegung ausging, nicht mehr länger zu entziehen vermochten. Zunächst war es jedoch die Exekutive, die vor allem durch das Umweltprogramm (1971), die Einberufung des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen (1971), die Einrichtung des Umweltbundesamtes (1974) und schließlich durch die Verabschiedung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG, 1974) sowie weiterer Umwelt-Gesetze die Initiative ergriff, ehe die Parteien dann allmählich folgten.
Die theorie-und diskussionsfreudige SPD hatte 1968 die „Perspektiven im Übergang zu den siebziger Jahren“ vorgelegt, denen bald darauf der „Orientierungsrahmen für die Jahre 1975 — 1985“ folgte. Beide Programme haben die Umwelt zwar zum Thema gehabt, allerdings ohne den damaligen ökologischen Diskussionsstand ausreichend zu reflektieren. Die SPD war noch zu sehr darauf fixiert, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen durch verstärkte Ausbeutung der natürlichen Ressourcen abzuschwächen
Sehr viel deutlicher äußerte sich die FDP in den „Freiburger Thesen zur Gesellschaftspolitik“ (1971). Sie forderte darin u. a. bereits eine Änderung des Art. 2 GG, durch die die Verfassung um ein „Recht auf eine menschenwürdige Umwelt“ ergänzt und die Naturgrundlagen unter den „besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“ gestellt werden sollten. In den „Kieler Thesen zur Wirtschaft im sozialen Rechtsstaat“ (1977) wurden diese Forderungen erneut bekräftigt, obwohl die durchaus verheißungsvollen umweltpolitischen Ansätze der SPD/FDP-Koalition angesichts der 1973/74 einsetzenden weltwirtschaftlichen Rezession längst einer „Politik der peripheren Eingriffe“ hatten weichen müssen und lediglich ein „riesenhaft dimensioniertes Stückwerk“ hinterließen, wie die SPD-Abgeordnete Liesel Hartenstein befand
Von den Unions-Parteien, die sich in jener Zeit in der — die Regierungsübernahme vorbereitenden — Opposition befanden, war allerdings programmatisch noch weniger zu vernehmen. Waren im „Berliner Programm“ (1971) noch einige formel-hafte Forderungen zur Umweltpolitik enthalten, so war darüber wenige Jahre später im „Mannheimer Programm“ (1975) schon kein Wort mehr zu lesen.
Allerdings hat es in allen Parteien Vertreter gegeben, die sich persönlich sehr nachdrücklich für einen intensiven Schutz der Lebensgrundlagen engagierten, ohne aber Mehrheiten für diese Positionen zu finden. Exemplarisch hervorgehoben seien hier nur Erhard Eppler (SPD), Herbert Gruhl (CDU) und Günter Hartkopf (FDP). Weit stärker als deren Einfluß jedoch wog die Macht der Verbände-Lobby; hier sind vor allem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu nennen, die jeweils mit sehr ähnlichen Argumenten versuchten, verschärfte Umweltschutzauflagen gegen gefährdete Arbeitsplätze auszuspielen. Der DGB hat diese Position in seinen „Leitsätzen zum Umweltschutz“ (1972) und dann im „Umweltschutzprogramm“ (1974) theoretisch zwar entschärft, in seiner konkreten Politik aber trotz aller Bemühungen um eine „Humanisierung der Arbeitswelt“ und um eine Verbesserung der „Qualität des Lebens“ an der Priorität der Arbeitsplatzsicherung bis in die Gegenwart festgehalten Daß aber die Unternehmerverbände allenfalls dann bereit sind, der Umwelt Schutz angedeihen zu lassen, wenn andernfalls die Produktionsvoraussetzungen gefährdet werden und wenn die dadurch anfallenden Kosten möglichst nach dem Gemeinlastprinzip aufgebracht werden, darf angesichts der betriebswirtschaftlichen Vorteile, die aus der ungestörten Ausbeutung der Umweltmedien zu ziehen sind, nicht verwundern. Gerade diese Möglichkeit aber bildet den Grund, den „Staat als Wirklichkeit der sittlichen Idee“ (Hegel) beim umweltpolitischen Gemeinwohl zu fordern — oder aber diese Idee und damit die Zukunft zu verspielen. 2. Die Umweltprogrammatik der Christlich Demokratischen Union (CDU)
Die umweltpolitischen Grundsätze der CDU sind im „Grundsatzprogramm“ aus dem Jahre 1978 niedergelegt; das spezifische „Umweltprogramm“, das auf den Prinzipien des Grundsatzprogrammes basiert, stammt aus dem Jahre 1979. Beide Programme wurden also verabschiedet, als sich die CDU — seit geraumer Zeit — in der Opposition befand. Die umweltpolitische Orientierung wird dann in den „Stuttgarter Leitsätzen“ wiederholt, die im Jahre 1984 beschlossen wurden, als die CDU bereits Regierungsverantwortung übernommen hatte.
Im „Grundsatzprogramm" werden mehr oder minder alle Stichworte angesprochen, die die Umwelt-diskussion seit geraumer Zeit beherrschen. Zumeist geschieht dies jedoch in eher beiläufiger Art, indem den geläufigen Politikzielen eine ökologische Komponente angefügt wird (etwa Nr. 49, 62, 70, 96 u. a.). Grundsätzliche Aussagen trifft das Programm dann unter dem Begriff „Umweltschutz“, der „die Erhaltung der natürlichen Grundlagen des Lebens (als) ein Stück verantworteter Freiheit“ (Nr. 87) definiert. Zur intergenerativen Erhaltung dieser Grundlagen zählen insbesondere die Luft, das Wasser einschließlich der Meere, das Klima, die Landschaft mit ihrer Tier-und Pflanzenwelt, die nicht ersetzbaren Rohstoffe, die Eindämmung von Lärm, der Schutz vor Verseuchung mit giftigen oder sonstigen schädlichen Stoffen sowie — etwas unsystematisch — auch der sichere, umweltfreundliche Betrieb und die Entsorgung der Kernkraftwerke. Erreicht werden sollen diese Ziele durch die Anwendung des Verursacherprinzips; dabei sei allerdings entscheidend, daß die politische Führung im Bürger das Bewußtsein der persönlichen Mitverantwortung für dessen Umwelt wecke und den Schutz der Umwelt durch ergänzende Konventionen auf internationaler Ebene sichere (Nr. 87).
Die ordnungspolitischen Grundsätze, mit denen die im ersten Anlauf zutreffend beschriebenen Probleme gelöst werden sollen, bleiben weithin im Unklaren. Der Bürger, auf dessen Mitverantwortung so großer Wert gelegt wird, wird dazu jedenfalls institutionell nicht in die Lage versetzt. Obwohl das Programm einräumt, daß der demokratische Staat Gefahr läuft, „sich nur noch nach organisierten Mehrheiten zu richten“ (Nr. 100), und etwas verschwommen davon spricht, daß die repräsentative Demokratie „nicht die Möglichkeit direkter Entscheidungen des Volkes aus(schließt)“ (Nr. 117), baut es doch nicht auf die Unterstützung von Bürgerinitiativen, „da sie meist Sonderinteressen vertreten“ (Nr. 119), und auch nicht auf die Verbandsklage, da sie „für unsere Demokratie nicht angemessen“ ist („Umweltprogramm“, A 5).
Die unmittelbaren Mitwirkungsrechte, die den Bürgern verweigert werden, sollen sie — so ist es jedenfalls anzunehmen — indirekt durch die Beteiligung an der Sozialen Marktwirtschaft, die den Schlüssel-begriff aller genannten Probleme bildet, wahmehmen. Damit aber gerät der Umweltschutz in Gefahr, in eine Abseitsposition verdrängt zu werden, weil die ökonomischen Zielsetzungen dadurch ihre Priorität beibehalten. Das traditionelle „Magische Quadrat“ des Stabilitätsgesetzes aus Wachstum, Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität und Außenhandelsgleichgewicht wird zwar um die „ökologische Zukunft unseres Gemeinwesens“ erweitert (Nr. 81), doch zu den „grundlegenden Elementen einer marktwirtschaftlichen Ordnung“ zählen die ökologischen Grundlagen nach dem Programm nicht (Nr. 67). Dafür sollen die „Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft“ auch im Umweltschutz „anwendbar und verstärkt einzusetzen“ sein, übrigens auch dann, wenn die in Wirtschaft und Gesellschaft erstrebten freiheitlichen und sozialen Lösungen nicht ausschließlich über Märkte gesteuert werden können (Nr. 96).
Die Lösung dieser komplizierten Zusammenhänge kann eigentlich nur darin bestehen, einerseits durch gesetzgeberische Maßnahmen, andererseits durch eine progressive Interpretation von Sozialer Marktwirtschaft einen geeigneten Bezugsrahmen zu schaffen. Lassen sich für angestrebte gesetzgeberische Maßnahmen aber nur wenige und zudem unspezifische Hinweise finden, so werden die Vorteile der Sozialen Marktwirtschaft um so nachdrücklicher betont (Nr. 65 ff.). Allerdings geschieht auch dies in so unbestimmter Weise, daß weder die Instrumente noch die Wege deutlich werden, mit denen das Ziel der „Erhaltung der natürlichen Grundlagen des Lebens“ (Nr. 87) erreicht werden könnte. Wirtschaftliches Wachstum wird jedenfalls als unabdingbare Voraussetzung aller Politik bewertet, und nur wo es „zu einer unvertretbaren Beeinträchtigung der natürlichen Umwelt führt, muß notfalls auf solches Wachstum und damit verbundene Einkommensmehrung verzichtet werden“ (Nr. 84).
Sehr viel ausführlicher beschäftigt sich das „Umweltprogramm“ mit den anstehenden Fragen, ohne allerdings in der Sache wesentliche zusätzliche Aussagen einzuführen. Von Interesse ist daher vor allem festzustellen, welches umweltpolitische Instrumentarium zur Durchsetzung angestrebt wird. Dabei wird erkennbar, daß die CDU vor allen Dingen auf offensive Strategien baut. Der hauptsächliche Mangel der bisherigen Umweltpolitik wird darin gesehen, daß die Probleme noch zu wenig erforscht seien (C II 1, D I 4, D II 4, D IV); es sei daher notwendig, die wissenschaftliche Forschung materiell und personell zu intensivieren (C II 2, C II 4, C II 5).
Angestrebt wird jedoch nicht nur die Intensivierung der Ursachenforschung, vielmehr sollen die Bemühungen zugleich zu anwendungsorientierten wissenschaftlich-technischen Fortschritten führen (C II 4, C IV 6, E). Dadurch lassen sich die Umweltprobleme dann tendenziell über den Markt lösen; die CDU vertraut nämlich „vorrangig auf die Einsicht und Verantwortung von Unternehmern und Verbrauchern, nicht auf staatliche Reglementierungen“ (A 2), um so mehr, als ihr weder geklärt erscheint, mit welchem politischen (C II 1) noch mit welchem wirtschaftspolitischen Instrumentarium (C II 3) die angestrebten Umweltziele durchgesetzt werden können. Durch die Regulierung über den Markt werden überdies Investitionen im Umweltschutz (Abwärmenutzung, Recycling, Energieeinsparung) gefördert, die der Wirtschaft zusätzliche Wachstumsimpulse vermitteln (B II).
Die Soziale Marktwirtschaft soll sich allerdings nicht völlig uneingeschränkt entfalten dürfen. Der Schutz der Umwelt verlangt nach der „Schaffung eines ökologischen Ordnungsrahmens“ (B III), der für eine eindeutige Klärung von Gefährdungs-und Verbotstatbeständen im Umweltschutz sorgt (B II, B III) und die Zuweisung der sozialen Kosten von Umweltbelastungen an den Verursacher gewährleistet (B II, B III). Dazu zählt ferner das Vorsorge-prinzip als „ein tragendes Element der Umweltpolitik der CDU“ (B II) wie auch das „Instrument der Abgabe“, das dort wirksam werden kann, „wo die Umweltbelastung vertretbar und ihre Vermeidung zu kostspielig ist“ (B III). Im Einzelfall kann aber auch das Gemeinlastprinzip beibehalten werden, wenn das Verursacherprinzip zu unzumutbaren sozialen oder wirtschaftlichen Härten führen würde oder Schäden nicht zurechenbar sind (B III).
Schließlich kann es notwendig sein, „auch in Zukunft der Allgemeinheit in vertretbaren Grenzen Umweltbelastungen zuzumuten“, weil maximale Vermeidungsstrategien knappe Güter beanspruchen können, „die unserer Gemeinschaft und späteren Generationen zur Gestaltung der Lebensgrundlagen fehlen würden“ (B III). Als wesentliche Bestandteile einer verantwortlichen Politik fordert die CDU ferner eine Technologiefolgenabschätzung (A 4) sowie für den Naturschutz und die Landschaftspflege auch eine Umweltverträglichkeitsprüfung als unverzichtbaren Bestandteil aller entsprechenden Planungen (D IX 3).
Angesichts eines derart differenzierten „Ordnungsrahmens“ ist es freilich unabdingbar, daß sich die Regierung nicht in Leerformeln flüchtet, um politische Verantwortung zu vermeiden, sondern „die Bestimmtheit der Rechtsbegriffe in der Umweltgesetzgebung gewährleisten muß“ (B III). Würde man die Nutzanwendung aus dieser Einsicht für das Programm selbst ziehen, könnte es nicht zu der Panne kommen, daß zunächst die sichere Entsorgung von Kernkraftwerken als unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung und für den weiteren Ausbau der Kernenergie postuliert, zugleich aber gefordert wird, daß die Forschungs-und Entwicklungsarbeiten zur sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle voranzutreiben sind (D VIII 6), weil aus gesamtwirtschaftlich und energiepolitisch wünschenswerten Gründen schon jetzt nicht mehr auf die Nutzung der Atomenergie verzichtet werden könne (D VIII 4, „Grundsatzprogramm“ 89).
Auf die „Stuttgarter Leitsätze“ vertieft einzugehen erübrigt sich insofern, als auch sie kaum zusätzliche umweltpolitische Erkenntnisse einführen. Bemerkenswert ist allerdings, in welchem Maß die nach der Regierungsübernahme rhetorisch selbstbewußt gewordene CDU auf die Einführung neuer Technologien — auch im Bereich des Umweltschutzes — setzt.
Den Auftakt bildet das Ziel, die Bundesrepublik „zu einem der umweltfreundlichsten Industrieländer zu machen“ (Nr. 41). Die Inanspruchnahme von Umwelt darf dabei nicht mehr zu wirtschaftlichen Vorteilen führen, vielmehr muß die Vermeidung von Schadstoffemissionen zu einem Ziel jedes gewinnorientierten Unternehmens werden (Nr. 41). Die entscheidende Rolle soll dabei der staatlich geförderten Umweltforschung zufallen (Nr. 42), die insbesondere zum Ergebnis haben soll, durch neue Technologien Produktionsprozesse zu fördern, die sowohl umweltschonend (Nr, 18, 42) als auch wachstumsfördernd (Nr. 9) wirken.
Um diese Ziele zu erreichen, ist es erforderlich, „eine Ethik der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation zu begründen“, denn „nicht alles, was tech33 nisch möglich und ökonomisch vorteilhaft ist, ist unter humanen Gesichtspunkten erwünschenswert“ (Nr. 12). Die Atomenergie hat zwar nach wie vor einen unverzichtbaren Beitrag zur Energieversorgung zu leisten (Nr. 15), doch „mögliche Eingriffe in menschliches Erbgut erfordern neue Grenzen für das technisch Machbare, die den ethischen Maßstäben unseres christlichen Menschenbildes entsprechen“ (Nr. 20). So bestehen die Herausforderungen des nächsten Jahrzehnts auch nur noch „im Wandel der wirtschaftlichen, technischen und sozialen Gegebenheiten sowie in der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung“ (Nr. 52) — die alten Orientierungen sind wiederhergestellt! 3. Die Umweltprogrammatik der Christlich Sozialen Union (CSU) Ähnlich wie bei der CDU sind auch bei der CSU die umweltpolitischen Leitsätze im „Grundsatzprogramm“ aus dem Jahre 1976 niedergelegt, während die anzuvisierende „Umweltpolitik“ vom Parteiausschuß im Jahre 1980 beschlossen wurde.
Zwei Aussagen des „Grundsatzprogrammes“, die maßgebend auch das Verständnis der Umwelt prägen, scheinen für die Politik der CSU von zentraler Bedeutung zu sein. Zunächst ist es die Aussage, „nur ein starker Staat kann liberal sein“ (S. 17);
diese Liberalität äußert sich vor allem in der Sozialen Marktwirtschaft, die „eine ökonomische Garantie der Freiheitsrechte aller Bürger“ bildet (S. 39). Daneben steht die Aussage, daß sich die CSU seit ihrer Gründung „an die Spitze der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung gestellt“ hat (S. 13). Diese „schnelle technische Entwicklung hat in der Vergangenheit auch negative Auswirkungen, insbesondere auf die natürlichen Lebensgrundlagen, bewirkt. Ihnen kann heute nur durch einen technischen Fortschritt begegnet werden, der sich an den ökologischen Erfordernissen orientiert“ (S. 64). Den Teufel mit Beizebub auszutreiben, dient allerdings ausschließlich anthropologischen Zwecken, denn „Umweltpolitik ist Politik für den einzelnen Menschen und die Gesellschaft“ (S. 63). Die Soziale Marktwirtschaft hat sich daher auch nicht um den Schutz der Umwelt zu sorgen, sondern sich lediglich der „Knappheit der Rohstoffe und Begrenztheit der Energiereserven“ (S. 42) zu stellen; Atomstrom ist daher eine „unerläßliche“ Bedingung (S. 42).
Die expliziten Aussagen zur Umwelt werden dann ganz in den Kontext der Raumordnung (S. 59— 65) gestellt, die schon 1970 zur Gründung eines Ministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen geführt hatte. Überhaupt wird man feststellen müssen, daß die CSU in ihrem bayerischen Regelungsbereich dem Natur-, Landschafts-und Umweltschutz früher und schneller Bedeutung zumaß als die meisten anderen Bundesländer. Ihre vorläufigen formellen Höhepunkte fanden diese Bemühungen in der — durch einen Volksentscheid herbeigeführten — Verfassungsänderung vom 1. Juli 1984, die der Umwelt verfassungsrechtlichen Schutz gewähren soll (vgl. Art. 3, 131 Abs. 2, 141 Bayer. Verfassung).
Daß diese Politik dennoch an einen „aufgeklärten Absolutismus“ gemahnt, liegt nicht zuletzt daran, daß zwar immer wieder an die Verantwortung der Bürger appelliert wird, ihre diesbezüglichen Rechte, die gerade in Bayern konstitutionell relativ ausgeprägt sind, aber kaum erwähnt werden, und von der Bürgerinitiativ-und Ökologiebewegung ist im Programm nicht die Rede. Dafür aber ist vom Selbstbewußtsein der CSU die Rede, die einen Beitrag geleistet haben will, „dessen Wertung nicht erst der Geschichte überlassen werden muß“ (S. 75).
Das Positionspapier des Parteiausschusses zur „Umweltpolitik“ wird durch die im Grunde zutreffende — zugleich aber die bisherigen Mängel offenbarende — Überlegung eingeleitet: „Die Umweltpolitik ist in ihrer Aufgabenstellung des Erhaltens und Bewahrens und des überlegten Gestaltens eine im konservativen Denken beheimatete Aufgabe“ (S. 9). Konsequent wird dann gefolgert, das Vorsorgeprinzip auszubauen, „Umweltschutz bereits von Anfang an bei der Planung (zu berücksichtigen)“ (S. 15, 21), denn „je mehr wir die Naturgesetze beachten und danach handeln, um so erfolgreicher ist unser Handeln“ (S. 14, 20).
Doch was so im besten Sinne konservativ beginnt, wird bald vom Grundkonzept der „konservativen Fortschrittlichkeit“ in den Schatten gestellt. Aufgabe der Menschen ist es nämlich, „unter Beachtung des Eigenwertes alles Lebendigen die Welt zu gestalten“ (S. 13), und dazu gehört, „daß Fortschritt ohne Risiko so wenig möglich ist wie Leben ohne Risiko“ (S. 18). Dieses „zivilisatorische Rest-risiko“ ist an einer Wertordnung zu messen, in der durch Güterabwägung entschieden wird, „was vom Machbaren als Fortschritt eingestuft wird und realisiert werden soll“ (S. 18). Dies darfjedoch keineswegs durch staatliche Reglementierung geschehen (S. 17), denn „die Ernüchterung über die Grenzen des Planbaren und des Machbaren hat nach den von der SPD/FDP-Bundesregierung Anfang der siebziger Jahre angeheizten Erwartungen bei manchen Mitbürgern von der Euphorie in tiefen Pessimismus umgeschlagen“ (S. 18). Wie immer man diese Einschätzung bewertet, offen bleibt, mit welchem ordnungspolitischen Instrumentarium die „Güterabwägung“ erfolgen soll.
Nothilfe soll offenbar auch hier die Soziale Marktwirtschaft leisten, die „schon bislang dazu geführt (hat), daß unsere Wirtschaft mit einem wesentlich geringeren spezifischen Rohstoff-und Energieeinsatz auskommt, als viele andere industrialisierte Volkswirtschaften“ (S. 23). Offenbar sollen die genannten Ziele durch die „konsequente Anwendung des Verursacherprinzips“, das „im Falle fehlender Zurechenbarkeit oder (sozialer und wirtschaftlicher) Unzumutbarkeit“ im Einzelfall durch das Gemeinlastprinzip ersetzt werden kann (S. 23), erreicht werden. Doch die Anwendung des Verursacherprinzips gewährleistet weder die Beachtung der Naturgesetze (S. 14, 20) noch kann es eine Güterabwägung an einer Wertordnung treffen, und es ist keineswegs frei von staatlichen Reglementierungen, um so mehr, als es durch ein „durchdachtes System von Anreizen auszubauen ist“ (S. 23, 27, 28, 33).
Derartige Subventionen — so sinnvoll und notwendig sie sein mögen — stehen nicht nur in deutlichem Widerspruch zur vielfach geforderten „Freiheit vom Staat“, sie stehen vielmehr auch in deutlichem Widerspruch zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Da auch die CSU nicht mehr auszuschließen vermag, „daß es immer schwieriger wird, dauerhaft ein Wirtschaftswachstum zu sichern, das die gewünschten und gewohnten sozialen Leistungen bringen kann und umweltverträglich ist“ (S. 20), „wirksamer Umweltschutz (aber) künftig auch bei kleinem oder fehlendem Wirtschaftswachstum möglich sein (muß)“ (S. 21), ist anzunehmen, daß die CSU darauf baut, technische Fortschritte werden zukünftig jeweils so rechtzeitig eintreffen, daß sich sowohl Wachstums-als auch Umweltprobleme vermeiden lassen.
Ist man bereit, die Erwartungen an die Zukunft an das rechtzeitige Eintreffen technologischer Innovationen zu binden, dann bieten auch die folgenden Aussagen zu einzelnen Bereichen umweltpolitischer Aktivitäten (Abfallwirtschaft, Energie, Chemie, Wasser, Siedlungswesen, Land-und Forstwirtschaft sowie Naturschutz und Landschaftssicherung) durchaus zutreffende Analysen. Die Anbindung der Umweltpolitik an die Raumplanung wird merklich gelockert, eine große Zahl umweltpolitischer Notwendigkeiten klar herausgearbeitet und sogar regenerative Energiequellen sollen eine Chance erhalten (S. 26). Die Atomspaltungsenergie wird dadurch allerdings keineswegs bedeutungslos; für ihren weiteren Ausbau ist jedoch „eine offene Diskussion über die Risiken der Energieversorgung wichtig“ (S. 27) — derart etwa, wie sie nach der Kemschmelze in Tschernobyl und im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen den „Einstieg in die Plutoniumwirtschaft“ durch die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf praktiziert wird?
Ein wenig irritierend ist schließlich, wenn in der „Umweltpolitik“ von „bäuerlicher Landwirtschaft“ gesprochen und ihr attestiert wird, „die beste Voraussetzung für Vielfalt und Stabilität der Kulturlandschaft und für die Ziele des Naturschutzes zu bieten“ (S. 32); die umstrittene „Landwirtschaftsklausel“ (§ 1 Abs. 3 BNatSchG) bleibt dadurch natürlich unangetastet. 4. Die Umweltprogrammatik der Freien Demokratischen Partei (FDP)
Die kontinuierlichste umweltpolitische Programm-arbeit aller Parteien dürfte wohl die FDP geleistet haben. Seit der Verabschiedung der „Freiburger Thesen“ (1971) war auf etwa jedem zweiten Parteitag die Umwelt wenigstens eines der Themen. Eine Verdichtung hat dann der 30. Parteitag („Umweltschutz“) gebracht, ehe auf dem 32. Parteitag (1981) die „Umweltpolitik für die 80er Jahre — Ökologisches Aktionsprogramm“ („Aktionsprogramm“) verabschiedet wurde. Dieses „Aktionsprogramm“ bestätigt bekannte Positionen, ergänzt sie aber um neuere Einsichten und fügt sie in einen relativ geschlossenen Rahmen.
Auch für die FDP bildet die Soziale Marktwirtschaft die Grundlage zur „Sicherung der Existenz und Steigerung des Entfaltungsspielraums als den beiden wichtigsten Grundbedürfnissen des Menschen“, allerdings mit der bedeutsamen Einschränkung, daß diese nur durch wirksame Umweltpolitik zu erlangen seien. Im „Konflikt widerstreitender Ziele und Ansprüche hat die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen (aber) Vorrang, denn Umweltschutz ist Langzeitökonomie“ („Umweltschutz“, S. 5). In einem Beschluß des Bundeshauptausschusses (1985) zur „ökologischen Marktwirtschaft“ wird dann sogar davon gesprochen, daß der Umweltpolitik der gleiche Rang eingeräumt wird wie der Wirtschafts-und Sozialpolitik.
Im „Aktionsprogramm“ nimmt die FDP Abschied vom Gemeinlastprinzip, das die Kosten der Umweltpolitik der Gesellschaft auferlegt. Gefordert wird die strikte Anwendung des Vorsorgeprinzips; wenn sich die Belastung der Umwelt aber nicht vermeiden läßt, „trägt der Verursacher die vollen Kosten“ der notwendigen Beseitigungsmaßnahmen (S. 6). Die FDP versteht darunter die Erhebung von Abgaben, mit denen alle Emissionen belastet werden sollen, also auch solche, die nach dem Stand der Technik nicht zu vermeiden sind; diese Abgaben sind zweckgebunden für Umweltverbesserungen zu verwenden (These 35).
Zugleich setzt die FDP aber auf die politische Steuerung durch den Erlaß von Rahmenbedingungen, damit „sich die Wirtschaft an verläßlichen umweltpolitischen Vorgaben für mittel-und langfri35 stige Planungen orientieren kann“ (S. 6f.). Die Grundlage dieser Orientierung bilden „ökologische Eckwerte“; sie „sind das Ergebnis politischer Entscheidungen, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und nach Abwägung mit den Zielen anderer Politikbereiche getroffen werden“ (S. 7). Diese „ökologischen Eckwerte müssen so gesetzt werden, daß die Gesundheit der Menschen, die Leistungs-und die Nutzungsfähigkeit der Natur-güter sowie die Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts langfristig gesichert sind“. In besonderen Fällen kann dies dazu führen, daß „eine Abwägung zwischen Ökologie und konkurrierenden Politikbereichen, vor allem der Ökonomie, nicht mehr zulässig ist“. Dies soll immer dann der Fall sein, wenn „konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Umwelt bestehen“, ohne daß eine hinreichende wissenschaftliche Bestimmung der ökologischen Eckwerte schon möglich ist; „Umweltvorsorgepolitik“ ist dann verpflichtet, einen „Sicherheitszuschlag“ zugunsten des Umweltschutzes vorzusehen, „um nicht mehr zu behebenden Schäden vorzubeugen“ (S. 7).
Im folgenden Abschnitt werden elf dieser ökologischen Grundwerte skizziert (Thesen 1 — 11), um sodann deren Umsetzung in den wichtigsten Verursacherbereichen zu erörtern. An diesem Abschnitt ist von besonderem Interesse, daß die „Landwirtschaftsklausel“ (§ 1 Abs. 3 BNatSchG) zugunsten einer am ökologischen Wissensstand orientierten Einschätzung der Landwirtschaft zu revidieren ist;
einen Ausweg aus den von der Landwirtschaft ausgehenden Umweltgefährdungen bietet die „Prak. tizierung des integrierten Pflanzenschutzes“
(These 13). Daß das europäische Agrarmarktordnungssystem nicht funktioniert, wird zwar moniert, doch werden keine Konsequenzen aus der markt-widrigen Preis-Mengen-Garantie gezogen, die nicht unwesentlich zur „Industrialisierung“ der Landwirtschaft beiträgt. Bemerkenswert ist ferner, daß das „Aktionsprogramm“ keine Aussage zur Atomenergie enthält, obwohl die Erfordernisse der Energiewirtschaft (Sparsamkeit, Kraft-Wärme-Kopplung, regenerierbare Energie, Gaswärmepumpe) ausführlich besprochen werden (These 17).
Im 4. Abschnitt werden schließlich die wichtigsten Instrumente und Maßnahmen des Umweltschutzes dargestellt. Hervorgehoben zu werden verdient nach wie vor die Forderung, dem Umweltschutz Verfassungsrang einzuräumen (These 23). Während die „Freiburger Thesen“ die Verankerung im Grundgesetz noch durch eine Ergänzung des Art. 2, also als Grundrecht anstrebten, ist das „Aktionsprogramm“ in dieser Frage unbestimmt geblieben; inzwischen hat jedoch der Bundesparteitag in Münster (1984) beschlossen, den Umweltschutz als Staatszielbestimmung durch Änderung der Art. 20, 28 ins Grundgesetz aufzunehmen Dadurch ist den Bürgern zwar ein gewichtiges Abwehr-bzw. Anspruchsrecht verlorengegangen, für dessen Verlust sie aber durch eine „stärkere Beteiligung von Bürgerinitiativen und Umweltverbänden bei der Entscheidungsvorbereitung in der Verwaltung und in den Parlamenten“, vor allem aber durch „die Einführung der Verbandsklage in Bereichen des Umweltschutzes, in denen das gegenwärtige Verfahren der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht ausreicht, den Schutz wichtiger Lebensbereiche heutiger und künftiger Generationen zu sichern (Naturschutz und Landschaftspflege)“, entschädigt werden sollen (These 32). In der Frage der Bürgerbeteiligung an Planungs-und Verwaltungsvorhaben noch nachdrücklicher sind allerdings die Beschlüsse des Bremer Parteitages (1979).
Als weitere wichtige Maßnahmen zum Schutz der Umwelt beschlossen wurden die Anwendung der Umweltverträglichkeitsprüfung auf allen Ebenen (These 24), die Erstellung und Finanzierung eines Biotopschutzprogrammes (These 26), die Einrichtung eines Überwachungssystems für die wesentlichen Schadstoffe oder Leitsubstanzen (These 27), die Ausarbeitung von Sanierungsplänen (These 28), wobei allerdings das Problem der sogenannten Altlasten unberücksichtigt bleibt, sowie nicht zuletzt die Verbesserung des nach wie vor defizitären Vollzugs bestehender Umweltvorschriften (These 30), wozu im weiteren Sinne verbesserte Aufklärung und Bildung (These 33) sowie Forschung und Entwicklung (These 34), aber auch die verstärkte internationale umweltpolitische Zusammenarbeit zählen (These 37). 5. Die Umweltprogrammatik der Partei DIE GRÜNEN Von gänzlich anderem Zuschnitt als die Programmatik aller anderen Parteien ist das Programm der GRÜNEN. Während alle anderen Bundestagsparteien die Notwendigkeit des Umweltschutzes erst allmählich erkannten und schrittweise in ihre Zielsetzungen aufnahmen, haben DIE GRÜNEN mit einem Bundesprogramm die politische Bühne betreten, das von Anfang an und in erster Linie ein Umweltprogramm war. Dieser Dominanz haben sich alle anderen Politikziele, insbesondere aber die von den übrigen Parteien präferierte Wachstums-wirtschaft, unter-oder jedenfalls einzuordnen. Dadurch wird die grüne Ümweltpolitik zu einem Rahmen, der Form und Inhalt der gesellschaftlichen Aktivitäten weitgehend präformiert. Dieses Konzept bezieht sich zunächst zwar auf die Bundesrepublik, doch gleichzeitig wird die internationale Dimension der Umweltzerstörung nachdrücklich einbezogen, weil die Umweltmedien nun einmal keine Grenzen kennen
Das „Bundesprogramm“ stimmt daher auch nicht das hohe Lied auf die Soziale Marktwirtschaft an, sondern problematisiert die „Krise des heutigen Wirtschaftssystems“ (II. 1.), dem die „Grundlagen und Ziele grüner Wirtschaftspolitik“ gegenübergestellt werden (II. 2.). Angestrebt wird eine ökologisch und sozial ausgerichtete, das heißt dynamische Kreislaufwirtschaft, die sich vor allem durch Entflechtung der Großkonzerne, Förderung kleiner, mittlerer und vor allem alternativer Betriebe sowie dezentrale, überschaubare Produktionseinheiten auszeichnet und eine demokratisch kontrollierbare Anwendung der Technik sowie eine regional-spezifische MischWirtschaft unterstützt. Dazu ist es auch notwendig, Produktionen mit verhältnismäßig hoher Belastung der Arbeitskräfte und der Umwelt einzudämmen oder auszuschalten, eine „ökologische Buchhaltung“ in den Betrieben einzuführen und die Folgen aus der Einführung neuer Technologien durch eine gesamtgesellschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse zu bilanzieren, um dadurch auch die Arbeitslosigkeit zu beseitigen und Energien sowie Rohstoffe einzusparen (II. 3.). Diese Vorstellungen werden dann in Aussagen zu einzelnen Bereichen der natürlichen wie der sozialen Umwelt (Arbeitswelt und Technologie, Energie, Land-und Forstwirtschaft, Fischerei, Raumordnungs-, Siedlungs-und Verkehrspolitik, Dritte-Welt-Politik [H. 4. —II. 9. ]) etwas konkreter gefaßt, wobei jeweils der Kritik die erstrebten Alternativen entgegengestellt werden.
Dem Schutz von „Umwelt und Natur“ ist noch ein eigenes Kapitel (IV.) gewidmet, das sich detaillierter mit Umweltschutz, Natur-und Landschaftsschutz, Wasser, Luft und Lärm sowie dem Tier-und Artenschutz beschäftigt. Die weiteren Programm-aussagen wenden sich allgemeinpolitischen Zielsetzungen zu; doch ist dabei charakteristisch, daß die Umweltproblematik wenigstens implizit immer eingeschlossen bleibt. Deutlich wird dies vor allen Dingen bei der Behandlung der Bürgerrechte (V.). Die Forderung nach gesicherter Meinungs-und Demonstrationsfreiheit, Demokratisierung von Staat und Gesellschaft, intensivierter innerparteilicher Demokratie u. ä. verfolgt immer auch das Ziel, die gesellschaftspolitischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bürger in weit stärkerem Maße in die Lage versetzt werden, auf die Entwick-lung der Umweltbedingungen aktiv Einfluß zu gewinnen.
Darin zeigt sich zugleich, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln DIE GRÜNEN die postulierten Ziele anstreben. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Konzept der sogenannten Basisdemokratie zu. „Basisdemokratische Politik bedeutet verstärkte Verwirklichung dezentraler, direkter Demokratie“, das heißt, daß „der Entscheidung der Basis prinzipieller Vorrang eingeräumt“ und die „Bevölkerung in allen politischen Bereichen durch verstärkte Mitbestimmung in Volksabstimmungen an der Lösung lebenswichtiger Planungen beteiligt“ werden soll (Präambel).
Damit sind zum einen die Prinzipien der eigenen innerparteilichen Organisation angesprochen, die zugleich zu einem partizipationsfreundlicheren Parteiengesetz führen sollen (V. I. 3.), zum anderen wird dadurch die potentielle umweltpolitische Aktionsbasis mobilisiert. Da es zu den Grundauffassungen der GRÜNEN zählt, daß die Dominanz wirtschaftlicher Interessen gebrochen werden muß, um zu lebensfreundlichen und umweltgerechten Orientierungen zu gelangen (Präambel), muß auch die breite Masse der von den politischen Entscheidungen Beeinträchtigten zur Wahrnehmung ihrer demokratischen Kompetenzen angeregt werden. Angesprochen werden damit zuallererst „die neuen sozialen Bewegungen“, die das außerparlamentarische „Standbein“ bilden, während sich die grüne Partei als „Verstärker“ des gesellschaftlichen Pro-tests in den Parlamenten versteht. Für DIE GRÜNEN sind daher materielle Forderungen von organisatorischen ebensowenig zu trennen wie sozioökonomische Forderungen von ökologischen. 6. Die Umweltprogrammatik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD)
Die SPD hat zweifellos an führender Stelle daran mitgewirkt, daß die Umwelt zu einem wichtigen Bereich politischer Gestaltung wurde. Sie hat in der Vergangenheit umfangreiche programmatische Vorarbeiten geleistet und arbeitet auch gegenwärtig noch intensiv an einem Gesamtprogramm zur „ökologischen Modernisierung der Volkswirtschaft“; dennoch beansprucht sie gegenwärtig nicht, ein vollständig ausgearbeitetes Umweltprogramm vorzuweisen. Die beiden Programme „ Umweltschutz“ (1979) und „Frieden mit der Natur“ (1984) werden vielmehr nur als „Zwischenergebnisse“ eines von der „Kommission für Ökologie und Umweltfragen“ zur Beschlußfassung erst noch vorzulegenden umweltpolitischen Gesamtprogramms angesehen.
Das „Umweltschutz“ -Programm der SPD ist zweigeteilt. In zehn „Thesen zur Umweltpolitik“ und in einem Abschnitt über die „Grundlagen für ein ökologisch-ökonomisches Gesamtkonzept“ werden beinahe alle Probleme des Umweltschutzes angesprochen.
Der Kem sozialdemokratischer Umweltpolitik ist darin zu sehen, daß „die vorbeugende Vermeidung von Umweltschäden“ zunehmend wichtiger wird, da die „gesamtgesellschaftliche Kostenbelastung um so geringer ausfällt, je mehr Umweltanforderungen bereits bei der Planung von öffentlichen und privaten Investitionen, bei der Entwicklung von Produktionsverfahren und Produkten sowie bei der Beeinflussung der Konsum-und Verhaltensweisen der Bürger berücksichtigt werden“ (These 5). Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, verstärkt Einfluß zu nehmen auf das Investitions-, Produktions-und Konsumverhalten, um die technisch-wirtschaftliche Entwicklung unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten zu steuern. Dazu sind „Überzeugungsarbeit, positive und negative Anreize, Gebote und Verbote“ ebenso unerläßlich wie unmittelbare strukturbeeinflussende Maßnahmen der öffentlichen Hand, zu denen auch die Verhinderung neuer umweltbelastender Vorhaben zählen kann (Thesen 2— 4). Diese Forderung erhält Nachdruck durch das angekündigte „Verbot und die vorübergehende Stillegung umweltschädlicher Aktivitäten“ (These 5), die „Stillegung veralteter emissionsintensiver Anlagen“ (These 9. 3) und „die Möglichkeit des Verbots, der Anwendungsbeschränkung und der Kennzeichnung gesundheitsund umweltgefährdender Stoffe“ (These 9. 4) sowie die nachträgliche Verschärfung bereits erteilter Genehmigungen (These 5).
Zugleich soll die „umweltpolitische Sanierung vorhandener Industrieregionen“ an Gewicht gewinnen (These 3). Das in erster Linie geltende Verursacherprinzip kann ausnahmsweise durch das Gemeinlastprinzip ersetzt werden, wenn die Verursacher dieser Altlasten nicht mehr zu ermitteln sind, die Entwicklung und Durchsetzung umweltfreundlicher Produkte und Verfahren dadurch verhindert würde oder wenn die daraus resultierenden Kostenbelastungen für private Haushalte aus sozialpolitischen und für Unternehmen aus wirtschaftsoder arbeitsmarktpolitischen Gründen nicht tragbar sind (These 5).
Bei der Durchsetzung dieser Vorstellungen baut die SPD vor allem auf die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer, die von Umweltbelastungen am Arbeitsplatz und in der Wohnumwelt doppelt betroffen sind. Arbeitsplätze müssen daher so gestaltet werden, daß von ihnen keine Umweltgefährdungen ausgehen, denn „nur ökologisch vertretbare Arbeitsplätze sind tatsächlich zukunftssicher“ (These 7).
Staatliche Forschungs-und Technologiepolitik soll die „Entwicklung umweltfreundlicher und ressourcenschonender Technologien, Produktionsverfahren, Produkte und Vertriebsweisen“ fördern (These 4), und die „Durchsetzung paritätischer Mitbestimmung in Großunternehmen kann wesentlich dazu beitragen, die Arbeitnehmer bei der Durchsetzung einer wirksamen Umweltpolitik stärker zu beteiligen“ (These 7).
Zum Adressatenkreis zählen aber auch „andere gesellschaftliche Kräfte“, die Bürger im allgemeinen, Bürgerinitiativen und Aktionen, „die das Umweltbewußtsein der Bevölkerung schärfen“ (These 10). Sie sollen in ihren „Initiativen und praktischen Versuchen zur Entwicklung alternativer und umweltfreundlicher Lebens-und Produktionsweisen“ ermutigt und gefördert werden, wie auch die Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten durch positive und negative Anreize unterstützt werden soll (These 4). So ist durch gezielte Steuer-und Abgabenpolitik sowie verbindliche Normierung sicherzustellen, „daß langlebige sowie wartungs-und reparaturfreundliche Gebrauchsgüter auf dem Markt angeboten werden“ (These 9). Der zweite Abschnitt wendet sich dann den „Grundlagen für ein ökologisch-ökonomisches Gesamtkonzept“ zu. Das Verhältnis zwischen Ökonomie und Ökologie, das bisher durch eine „rohstoffvergeudende und die Ökosysteme belastende Wegwerf-und Verschleißproduktion“ gekennzeichnet war, soll dadurch ins Gleichgewicht gebracht werden, daß die Wirtschaft „in den ökologisch vorgegebenen Kreislauf eingebunden“ wird. Eine „ökologische Kreislaufwirtschaft“ ist notwendig, weil „ein angeblich alle Probleme lösendes Wirtschaftswachstum längst überholt und durch die ökologische und weltweite wirtschaftliche Entwicklung unmöglich geworden ist“. „Die Zeit ist überreif, den . harten'Weg der teueren, inhumanen und sozial rückschrittlichen Großtechnologie mit einer starken Zentralisierung von Bürokratie, Technokratie, Investitionsmitteln und Macht zu verlassen und statt dessen , sanfte', das heißt den ökologischen und humanen Bedingungen angepaßte Technologien zu entwickeln.“ Eine ökologische Gesamt-konzeption schafft nicht nur „mehrere hunderttausende Arbeitsplätze“, sondern ist zugleich „auch aktive Friedenspolitik“ (Ziff. II.).
„Ökologische Kreislaufwirtschaft bedeutet, daß sich der ökonomische Prozeß in die Notwendigkeiten ökologischer und sozialer Gleichgewichte einordnen muß“, um „die nur an der Gewinnmaximierung ausgerichtete sogenannte , freie Marktwirtschaft'“ zu überwinden. „Umweltzerstörende und sozialbelastende Produktionsverfahren und Produkte (sind) systematisch zu verbieten und abzuschaffen“, „ein stabiler Kleingewerbe-und Mittel-B betriebsstand“ ist dagegen verstärkt zu fördern, u. a. durch den Einsatz mittlerer und angepaßter Technologien, die z. B. durch staatliche Forschungsförderung bessere Marktchancen erhalten müssen (II. 1.).
Um diese Konzeption durchzusetzen, fordert die SPD, das Recht auf eine menschenwürdige Umwelt als Staatszielbestimmung im Grundgesetz zu verankern, die Verbandsklage in die umweltrelevante Gesetzgebung aufzunehmen, die Umweltverträglichkeitsprüfung einzuführen, die „Bürgerbeteiligung und das Bürgerrecht auf Mitwirkung bei der Planung“ zu verbessern und schließlich noch Lehrstühle für das Fach Ökologie einzurichten. Insgesamt soll „ökologischen und gesundheitlichen Gesichtspunkten“ Vorrang eingeräumt werden, wenn „Leben oder Gesundheit von Menschen bzw. ökologische Gleichgewichte bei geplanten Maßnahmen auf dem Spiel stehen“ (H. 9.).
Das knapp fünf Jahre später verabschiedete „Natur“ -Programm bewertet ökologische, ökonomische und gesellschaftspolitische Ziele als gleichrangig; „zwischen ihnen besteht kein prinzipieller Unterschied“ (II. 5.). Umweltschutz hat zwar einen Preis, doch „unterlassener Umweltschutz ist noch teurer“; dieser unumstößliche Tatbestand wird jedoch durch den „Zielkonflikt zwischen kurzfristigen einzelwirtschaftlichen und längerfristigen gesamtwirtschaftlichen Interessen“ verdeckt (II. 6.). Da „der Markt allein den umweltschädlichen Egoismus belohnt“, muß die Politik Rahmenbedingungen setzen, damit die Umwelt als knappes Gut behandelt wird (H. 7.). Dazu gehören ordnungspolitische Auflagen (Ge-und Verbote) ebenso wie Abgaben und steuerpolitische Maßnahmen, die umweltschädliche Produktionen unrentabel machen (II. 8., 9.).
Die SPD macht einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Verhältnisses von Ökologie und Ökonomie in der Einrichtung eines „Sondervermögens Arbeit und Umwelt“ aus (II. 9.), das u. a. aus einem steuerlichen Zuschlag (Umweltpfennig) auf den Verbrauch von Strom, Mineralölprodukten und Erdgas finanziert und ca. 4, 7 Mrd. DM pro Jahr bereitstellen soll (Materialien: Arbeit und Umwelt, Ziff. 6). Dadurch sollen einerseits der Energieverbrauch reduziert und zugleich Finanzmittel für Maßnahmen zur Verbesserung der Umwelt zur Verfügung gestellt werden, die andererseits durch ihre Beschäftigungswirksamkeit die Arbeitslosigkeit reduzieren können. Dabei geht die SPD davon aus, daß staatliche „Beschäftigungsprogramme zur Verbesserung der Umweltbedingungen eine sowohl arbeitsmarktpolitische als auch umweltpolitische wichtige Ausgabe“ darstellen, die allemal sinnvoller seien, als „die Finanzierung der Arbeitslosigkeit“ (ILIO.).
In den Ansätzen zur Lösung der Umweltprobleme werden dann die bereits dargestellten bekannten Positionen wiederholt. Von einem gewissen Interesse ist, daß die „spezifischen Risiken bei der Kernenergie durch die Entsorgung und die Gefahr eines großen Reaktorunfalles“ (III. 18.) nun nicht mehr negiert werden, aber auch, daß die Neuorientierung des Wirtschaftens auch „nicht durch das große Angebot an neuen umweltfreundlichen Technologien“ erfolgen kann (III. 22.). Deutlicher herausgestellt wird auch das Kooperationsprinzip, das heißt die Zusammenarbeit „mit Umweltverbänden, Bürgerinitiativen, Gewerkschaften und Unternehmen“, das „eine notfalls auch zur zwangsweisen Durchsetzung fähige und entschlossene Umweltpolitik ergänzen, aber niemals ersetzen (kann)“ (III. 28.).
Aus dem abschließenden Aktionskatalog sind noch die Forderung nach Einführung von Emissionsgrenzwerten für Kraftfahrzeuge entsprechend der Katalysatortechnik, „notfalls im nationalen Alleingang“ (IV. 33, 79), und von Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen, anderen Straßen und in Wohngebieten „aus Gründen der Umwelt, der Verkehrssicherheit und der Energieeinsparung“ hervorzuheben (IV. 82, 85). Ferner soll die staatliche Agrarpolitik Leistungen honorieren, „die die Landwirte zur Erhaltung der ökologischen Lebensgrundlagen erbringen“ (IV. 49), andererseits aber die „pauschale Freistellung der Landwirte . . . durch die sogenannte Landwirtschaftsklausel nicht hingenommen werden“ (IV. 56); sie sollen vielmehr einen Nachweis ihrer Sachkunde erbringen, wenn sie Pflanzenbehandlungsmittel anwenden (IV. 51), denn der Boden ist trotz der konkreten Eigentumsverhältnisse ein soziales Gut, das vor nachteiligen Wirkungen geschützt werden muß (IV. 50).
Schließlich wird nochmals die zentrale Rolle der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften postuliert, ohne deren Mitbestimmungsrecht Umweltpolitik für die SPD „nicht denkbar“ ist (IV. 70). Arbeitnehmer werden in der Mehrzahl von Umweltbeeinträchtigungen nämlich am stärksten betroffen. Überdies finanzieren sie im wesentlichen die Kosten des Umweltschutzes über Steuern, Abgaben und Preise (IV. 67).
III. Vergleichende Beurteilung der Parteiprogramme
Dieser notwendig knappe Überblick über die wesentlichen Aussagen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien hat dreierlei verdeutlicht: Die Umweltpolitik ist von allen Parteien als wichtiger Aufgabenbereich erkannt und anerkannt worden; zwischen den Parteien besteht weitgehend Konsens darüber, was gefährdet ist und daher zukünftig in besonderem Maß geschützt werden muß; es besteht jedoch ein ebenso deutlicher Dissens zwischen den Parteien über die anzuwendenden Mittel und die einzuschlagenden Wege.
Zusammenfassend lassen sich folgende Grundpositionen für die umweltpolitische Zielsetzung ausmachen: Die CDU setzt weiterhin auf den Markt. Die Soziale Marktwirtschaft soll jene Wachstumsvoraussetzungen schaffen, die allein geeignet sind, die für den Umweltschutz anfallenden Kosten zu erwirtschaften. Besondere Bedeutung wird dem technischen Fortschritt beigemessen, der zugleich wachstumsfördemde und umweltschonende Wirkungen entfalten soll. Staatliche (Ausgaben-) Politik soll sich daher vorrangig auf die Technologieförderung konzentrieren, deren Ergebnisse vom Markt verwertet werden.
In noch stärkerem Maße gilt der CSU der technische Fortschritt als Stütze der Umweltpolitik. Obwohl sich der Staat gegenüber den privaten Akteuren in der Umweltpolitik nicht allzu sehr exponieren darf, hat er die Forschungsförderung entweder zu finanzieren oder durch Subventionen zu unterstützen. Die als ökologisch überaus erfolgreich eingeschätzte Soziale Marktwirtschaft übernimmt auch hier die private Verwertung, wobei gewisse gesellschaftliche Risiken in Kauf zu nehmen sind.
Auch für die FDP bildet die Soziale Marktwirtschaft die Grundlage aller umweltpolitischen Überlegungen. Im Hinblick auf die Langzeitwirkungen sollen die Bedürfnisse der Wirtschaft in Konfliktfällen jedoch hinter die Belange des Umweltschutzes zurücktreten. Dies soll durch die strikte Anwendung des Verursacherprinzips (Abgaben) sowie durch den Erlaß präziser politischer Rahmenbedingungen (Ge-und Verbote) geschehen. Die Rechte der Bürger sollen spürbar gestärkt werden.
Die GRÜNEN erwarten eine Verbesserung der Umweltbedingungen vor allem durch eine Veränderung der gegenwärtigen Industriegesellschaft. Durch Entflechtung, Dezentralisation und Stärkung der Selbstverantwortlichkeit soll sich eine ökologisch und sozial verantwortbare Kreislauf-wirtschaft entwickeln. Besondere Umweltbelastungen sollen durch Verbote verhindert werden. Die wesentlichen Akteure sind die Bürger, deren Rechte entsprechend gestärkt werden sollen; großer Wert wird auf die internationale Zusammenarbeit, insbesondere mit den Ländern der Dritten Welt, gelegt.
Für die SPD sollen öffentliche Entscheidungen die tragende Rolle aller umweltpolitischen Aktivitäten übernehmen. Zur Vermeidung von Umweltschäden soll insbesondere die Wirtschaft strukturell verändert werden; dazu gehören Abgaben sowie Geund Verbote für bereits bestehende Produktionseinrichtungen und Auflagen für die Erstellung neuer Produktionsstätten ebenso wie die Förderung der Forschungs-und Technologiepolitik. Die Einrichtung eines „Sondervermögens“ soll die finanziellen Ressourcen bereitstellen. Den politischen Maßnahmen soll das Engagement aller gesellschaftlichen Gruppen, insbesondere aber der Arbeiter und ihrer Organisationen, zur Seite treten.
Als einzige Partei scheinen die GRÜNEN auf staatliche Unterstützung ihrer Umweltpolitik verzichten zu wollen. Sie bedürfen der Hilfe des Gesetzgebers lediglich, um ihre grundlegenden Vorstellungen durchzusetzen, nicht aber im Einzelfall. Die übrigen Parteien setzen dagegen mehr oder minder deutlich auf staatliche Maßnahmen. Hier ist es lediglich die SPD, die sich offen dazu bekennt, und die FDP, insoweit sie rigide umweltpolitische Rahmenbedingungen setzen will. CDU und CSU hingegen setzen vor allem auf die Kräfte des freien Marktes, verschweigen dabei aber die Wirkungen staatlich finanzierter Forschung (z. B. Atomkraftwerksbau, Weltraumforschung, Informationstechnologie etc.).
IV. Ausblick
Angesichts der weitgehenden inhaltlichen Überein-stimmung aller Parteien in der Beurteilung der bedrohten Lebensgrundlagen stellt sich die Frage, ob die zur Mehrung des allgemeinen Wohls angetretenen Parteien ihren Worten und Schriften ebensolche Taten folgen lassen. Die Frage zu stellen, heißt freilich zugleich sie zu verneinen, denn würden die Parteien ihren Programmen folgen, brauchte man sich um die Umwelt kaum noch Gedanken zu machen. Es stellt sich daher die weiterreichende Frage, welche rechtliche und politische Bedeutung diesen Aussagen im System der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes zukommt. Diese Frage zu beantworten fällt leicht, soweit es ihre rechtlichen Aspekte anbelangt; hinsichtlich ihrer politischen Bedeutung läßt sie sich dagegen nur bewerten, nicht aber objektiv entscheiden.
Die Verfassung geht nämlich davon aus, daß die Parteien — neben den Verbänden vor allem, deren Bildung durch die Vereinigungsfreiheit gewährleistet ist (Art. 9 Abs. 1GG) — nur an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken (Art. 21 Abs. 1 GG). Die Verpflichtung, ihre Ziele in politischen Programmen niederzulegen, ist in § 1 Abs. 3 Parteiengesetz daher auch eher beiläufig erwähnt. Dadurch ist über die herausragende politische Bedeutung der Parteien zwar kaum etwas ausgesagt, doch ihre formellen verfassungsrechtlichen Kompetenzen gestatten eben nur die Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes. Die staatliche Willensbildung erfolgt hingegen durch die Verfassungsorgane, vor allem also durch die Parlamente und Regierungen Die Abgeordneten sind aber Vertreter des gesamten Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen verantwortlich (Art. 38 Abs. 1 GG, der das freie Mandat begründet); sinngemäß gilt dies auch für die Bundesregierung, die ihren Amtseid auf das Wohl des gesamten Volkes leistet (Art. 64 Abs. 1, 56 GG), also umfassenderen Interessen verpflichtet sein soll als die Parteien.
Verfassungsrechtlich sind die Parteien, die bloß an der Willensbildung des Volkes mitwirken, von den Verfassungsorganen, die die Bildung des Staatswillens bewirken, daher strikt zu unterscheiden. Natürlich sieht dieses Verhältnis in der durch das Parteiengesetz mitgeprägten Verfassungswirklichkeit völlig anders aus, denn die Parteien sind in der politischen Praxis durchaus in der Lage, auf die Abgeordneten ihrer Fraktion einzuwirken. Obwohl sie von dieser Möglichkeit auch überaus regen Gebrauch machen, weil das Gemeinwohl doch gerade durch die Verwirklichung der Parteiprogramme erstrebt wird und dadurch der Regierung wie auch der Opposition Stabilität verleiht, wird die Vorstellung des ungebundenen Abgeordneten doch aufrechterhalten. Der Staatssekretär der Regierung Adenauer, Ritter von Lex, hat diese Auffassung vor dem Bundesverfassungsgericht komprimiert damit begründet, daß „der Bürger bei der Wahl nicht Sachfragen entscheide, sondern lediglich zum Ausdruck bringe, zu welchen Personen er das Vertrauen habe, daß diese an seiner Stelle befähigt seien, die Entscheidungen zu treffen, für die er eine eigene Meinung verantwortlich zu bilden nicht in der Lage sei“
Verfassungsrechtlich ist es daher geradezu geboten, die Bestimmungen über Parteienprogramme so zu gestalten, daß ihnen keine Bindungswirkung zukommen darf, soll das freie Mandat beibehalten werden Ob es allerdings auch verfassungspolitisch vertretbar ist, sich unter Berufung auf diese Zusammenhänge vom Vollzug der eigenen Zielsetzungen zu dispensieren, ist eine gänzlich andere Frage. Es ist zwar keineswegs zu verkennen, daß der Zwang zu Koalitionsvereinbarungen der Durchsetzung programmatischer Zielsetzungen im allgemeinen nicht gerade förderlich ist, doch angesichts der dargelegten Übereinstimmungen zwischen den Parteien in der Beurteilung der gefährdeten Lebens-und Überlebensbedingungen dürften sich trotz des Zwanges zum Kompromiß wenigstens hinsichtlich einer erfolgversprechenden Umweltpolitik eigentlich keine unüberwindbaren Hindernisse in den Weg stellen; dies gilt vor allem dann, wenn Parteien koalieren, deren ordnungspolitische Vorstellungen konvergieren. Ein derartiger Konsens sollte es dann auch ermöglichen, sozioökonomischem Druck zu widerstehen, der dem kurzfristigen Vorteil die langfristigen Nachteile zum Opfer bringt. Und schließlich sollten sich die Einsichten dann auch auf den internationalen Raum ausdehnen lassen, denn bekanntlich kennt die Luft keine Grenzen und Naturgesetze lassen sich nun einmal nicht novellieren
Ungeachtet der negativen Diagnosen und der nicht minder düsteren Prognosen, die über den Zustand der Umwelt weltweit erstellt werden, wird man doch zu dem Ergebnis gelangen dürfen, daß die vergangenen Jahre nicht völlig ungenutzt verstrichen sind. Der große umweltpolitische Aufbruch, der die frühen siebziger Jahre national und international kennzeichnete, ist zwar verflogen, doch unter dem Druck einer teilweise galoppierenden Umweltzerstörung und dem Druck der Legitimationsverluste kündenden Aktivbürgerschaft beginnen die Parteien der Umweltpolitik wenigstens allmählich jenen Stellenwert einzuräumen, der ihr zukommen muß, wenn die natürlichen Überlebensbedingungen vor der zumindest partiell endgültigen Vernichtung bewahrt werden sollen.
Diesem positiven Trend zum Trotz steht aber doch zu befürchten, daß die Umwelt erst noch dramatische Verschlechterungen erfahren muß, ehe die Parteien ihren Kurs wirklich radikal ändern werden — es sei denn, der Bürger und Wähler läßt sie schon früher spüren, daß die Zeit der halbherzigen Entscheidungen abgelaufen ist.
Mit letzter Gewißheit kann nicht gesagt werden, wie es um die Umwelt objektiv bestellt ist, ob sie nur partiell gestört und mithin noch regenerationsfähig oder ob sie bereits irreparabel gestört ist, ohne daß wir dies schon bemerken. Aber auch ohne im Besitz von Wahrheit zu sein, gilt, daß die Parteien ihren eigenen Handlungsanweisungen desto eher bereit sind zu folgen, je schneller sie begreifen, wie aktuell ihre programmatischen Einschätzungen über Zustand und Bedeutung der Umwelt sind.
In Zweifelsfällen aber ist es allemal lohnenswert, einen „Sicherheitszuschlag wegen Unkenntnis“ zugunsten der bedrohten Lebensgrundlagen einzukalkulieren. Noch klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander; wir aber, die wir auf eine funktionsfähige Umwelt für uns und künftige Generationen angewiesen sind, können nur darauf hinwirken, diese Kluft so rasch wie möglich zu überbrücken, denn nach Lage der Dinge läßt sich den Herausforderungen der Umwelt ohne die Parteien kurzfristig nicht begegnen. Parteiprogramme können für die Parlamente und Regierungen zwar nicht verbindlich sein, doch das befreit keineswegs davon, sich für ihre Durchführung mit allen Kräften einzusetzen: aus Gründen der Glaubwürdigkeit und um des Erfolges in der Sache willen.
Bernd M. Malunat, Dr. rer. pol., Dipl. sc. pol., geb. 1943; Akademischer Rat a. Z. am Geschwister-Scholl-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Veröffentlichungen u. a.: Der Kleinststaat im Spannungsfeld von Dependenz und Autonomie. Eine Fallstudie über das Fürstentum Liechtenstein, Frankfurt u. a. 1987; (zus. mit P. C. Mayer-Tasch/F. Kohout/K. P. Merk) Die verseuchte Landkarte. Das grenzenlose Versagen der internationalen Umweltpolitik, München 1987.
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