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30 Jahre Römische Verträge. Eine Bilanz der EG-Integration | APuZ 18/1987 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 18/1987 Marshallplan, amerikanische Deutschlandpolitik und europäische Integration 1947— 1950 30 Jahre Römische Verträge. Eine Bilanz der EG-Integration 30 Jahre EG-Agrarmarktsystem Entstehungsgeschichte — Funktionsweise — Ergebnisse

30 Jahre Römische Verträge. Eine Bilanz der EG-Integration

Rudolf Hrbek

/ 42 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die vor 30 Jahren abgeschlossenen Römischen Verträge zur Errichtung von EWG und EURATOM sind eine Etappe der westeuropäischen Integration und werden als ein wesentliches Stück Integrationsfortschritt bewertet. Sie setzen die Errichtung einer neuartigen, nämlich supranationalen internationalen Organisation fort, die 1951 mit der Schaffung der Montan-Union begonnen hatte, dann aber mit dem Scheitern von EVG und EPG 1953/54 zunächst gestoppt worden war. Der Beitrag zeigt einleitend auf, was den Abschluß der Römischen Verträge möglich gemacht hat: Sie sind keineswegs die „logische“ oder zwingende Fortsetzung des mit der Montan-Union eingeschlagenen Weges oder die Realisierung eines fest vorgegebenen Gesamtentwurfs. Es bedurfte vielmehr einer besonderen Konstellation, um unterschiedliche nationale Interessen und integrationspolitische Leitbilder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Der Beitrag gibt sodann einen Überblick über den EG-Integrationsprozeß seit 1958 und stellt dar, wie sich aus der EWG als einem „Zweckverband funktioneller Integration“ ein Gebilde entwickelt, dessen Merkmale es deutlich . von der traditionellen internationalen Organisation unterscheidet, daß das, was man heute als „EG-System bezeichnet, aber auch mehr ist als nur ein Zweckverband. Diese Charakterisierung stützt sich vor allem auf die Ausweitung des Aufgaben-und Kompetenzbereichs, auf Entwicklungen im EG-Entscheidungssystem, auf die Entstehung einer transnationalen politischen Infrastruktur und auf ständige Bemühungen zur Schaffung einer übergreifenden Gesamtkonstruktion („Europäische Union“). Abschließend werden Errungenschaften des EG-Systems mit Blick auf ursprüngliche Ziele europäischer Integration zusammengefaßt, die in der wissenschaftlichen Diskussion um die Deutung des EG-Systems verwendeten Begriffe „Verflechtungssystem“ und „Konkordanzsystem“ erläutert und Entwicklungsperspektiven des EG-Systems und damit des Integrationsprozesses aufgezeigt.

30 Jahre nach dem Abschluß der Römischen Verträge über die Errichtung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG oder EURATOM) am 25. März 1957 bietet die Europäische Gemeinschaft (EG) ein sehr ambivalentes Bild — Die EG ist eine wegen nationaler Interessengegensätze in ihrer Entscheidungsfähigkeit stark beeinträchtigte Gemeinschaft, die auch drängende Probleme häufig vertagen, also unerledigt liegen lassen muß oder komplizierte und kostspielige „Paket-Lösungen“ produziert. — Die EG ist aber auch eine Realität, die zum Beispiel in den Terminkalendern von Politikern der Mitgliedstaaten zunehmend mehr Platz beansprucht, in ihrem Kalkül eine feste, nicht mehr wegzudenkende Größe darstellt und die nicht nur kein Mitgliedstaat — trotz vielerlei Schwierigkeiten und in ihrem Gefolge Enttäuschungen und Frustrationen — verlassen will, sondern die von sechs auf jetzt zwölf Staaten angewachsen ist, im April 1987 den Antrag der Türkei auf Einleitung von Beitritts-verhandlungen erhielt, und von Norwegen vielleicht ein erneutes Beitrittsgesuch erwarten kann. — Die EG ist sodann eine Realität, die von außerhalb, also von Nicht-Mitgliedstaaten — auch von Staatengruppen —, als wirtschaftlicher und politischer Akteur angesehen wird, zu dem Beziehungen zu unterhalten als nützlich, vielfach als unentbehrlich gilt. Das zeigen beispielsweise die Vorstöße der neuen österreichischen Koalitionsregierung in Richtung auf engere Beziehungen oder auch die Initiative des RGW zur Aufnahme geregelter Beziehungen. — Die EG ist schließlich eine Gemeinschaft, für deren Weiterentwicklung unablässig Pläne entworfen und Vorschläge gemacht werden: Sie soll zusätzliche Aufgaben erhalten, die Institutionen Kommission und Europäisches Parlament sollen gestärkt und die Entscheidungsfähigkeit des Rates soll verbessert werden. Während den einen solche Reformvorstellungen viel zu weit gehen, halten andere sie für zu bescheiden und unzulänglich. — Auch die Bewertungen der EG differieren. Für die einen verkörpert sie ein bemerkenswertes Stück Integrationserfolg, für andere ist das Resultat des Integrationsprozesses enttäuschend und bleibt hinter den Erwartungen zurück. Während die einen bezweifeln, daß das auf Verträgen beruhende EG-System zu wirksamer Problemlösung und damit weiterer Integration fähig ist und statt dessen auf neue, zusätzliche Organisationen neben der EG setzen, erwarten andere die Weiterentwicklung des EG-Systems — wenn auch nur jeweils in kleinsten Schritten — über Vertragsänderungen und -ergänzungen.

Der dreißigste Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge ist Anlaß für Bilanz und Ausblick. Im folgenden wird zu analysieren sein was den Abschluß dieser Verträge möglich gemacht hat (I); welches die Merkmale der neuen Gemeinschaften waren und wie sie sich entwickelt haben, was also der Integrationsprozeß an Ergebnissen hervorgebracht hat (II); wie die EG heute einzuschätzen ist und welche Schlußfolgerungen daraus für ihre künftige Entwicklung zu ziehen sind (III).

I. Auf dem Weg zu den Römischen Verträgen

Die Römischen Verträge sind nicht der Beginn, sondern eine Etappe der westeuropäischen Integration. Mit ihnen wurde ein früher eingeleiteter Prozeß fortgesetzt, wobei die Fortsetzung weder selbstverständlich war oder sich aus der Natur der Sache zwingend ergab noch geradlinig — wie als Erfüllung eines feststehenden Gesamtentwurfs — erfolgte. Wie bereits bei vorangegangenen Schritten gab es unterschiedliche nationale Interessen sowie abweichende Vorstellungen über Organisationsform und Charakter einer neuen internationalen Organisation. Um sie auf einen gemeinsamen Nenner als Grundlage für vertragliche Abmachungen zu bringen, bedurfte es einer besonderen Konstellation. 1. Ziele und Leitbilder der Integration Bemühungen um einen engeren Zusammenschluß europäischer Staaten nach dem Ersten Weltkrieg zielten vor allem auf Friedenssicherung, größere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Behauptung Europas in der Weltpolitik, Lösung von Minderheiten-und Grenzproblemen. Ein solcher Zusammenschluß sollte die Souveränität der Staaten nicht antasten, sondern war nur als Rahmen für den Auf-und Ausbau zwischenstaatlicher Kooperationsbeziehungen gedacht.

Das Scheitern der europäischen Neuordnungsbemühungen nach dem Ersten Weltkrieg, die Bedrohung von Freiheit und Demokratie durch autoritäre und totalitäre Regime, schließlich die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs gaben — als dreifache Herausforderung — dem Gedanken der europäischen Einigung neue Schubkraft und ergänzten das Spektrum von Zielen um die Gewährleistung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

Integrationsbestrebungen wurden mit gesellschaftspolitischen Neuordnungskonzepten verknüpft und in den Dienst spezifischer nationaler Belange — wie vor allem das Sicherheitsbedürfnis Frankreichs gegenüber Deutschland — gestellt. Der Kalte Krieg gab dem Integrationsgedanken eine ganz neue Stoßrichtung: Statt um eine gesamteuropäische Konstruktion, wie sie die Europäische Bewegung favorisiert hatte, ging es nun um Konsolidierung und Organisation Westeuropas mit eindeutig antikommunistischer Tendenz.

Was Form und Charakter der neuen Organisation betraf, standen sich zwei idealtypische Auffassungen gegenüber: Schaffung eines lockeren Rahmens für zwischenstaatliche Kooperation, ohne Einschränkung nationaler Souveränität, oder Errichtung eines Bundesstaates — zumindest eines präföderalen Gebildes —, der als supranationale Einheit die Hoheitsrechte der Staaten einschränkt. 2. Erste Ergebnisse der Integrationspolitik (1950-1954)

Angesichts divergierender Ziele und Leitbilder waren integrationspolitische Erfolge nur als Kompromisse möglich, die keinen der Beteiligten überfordern. — Der 1949 gegründete Europarat ließ die nationale Souveränität unberührt (Beschlüsse im Rat der Minister binden nur die Mitgliedsregierungen, die ausdrücklich zugestimmt haben), ging aber mit der Schaffung einer parlamentarischen Komponente (Beratende Versammlung), die Initiativen anregen sollte, über bloße intergouvernementale Kooperation hinaus. Bemühungen um weiteren Integrationsfortschritt scheiterten vor allem an Briten und Skandinaviern, die nicht bereit waren, den Europarat durch Errichtung von funktional begrenzten — aber mit echten Befugnissen ausgestatteten — Organisationen auszubauen. Er entwickelte sich zu einem Rahmen für den Abschluß von Konventionen der beteiligten Staaten — vor allem auf kulturellem und technischem Gebiet, sowie für Menschenrechte — und wird insofern zu Recht positiv bewertet

— Eine kleine Gruppe von Staaten (Frankreich, Italien, die Bundesrepublik Deutschland und die drei Benelux-Länder) entschied sich für einen anderen Ansatz und gründete mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), auch Montan-Union genannt, die erste wirklich supranationale Organisation. Für den Sektor der Montanindustrie wurde eine gemeinsame Rechtsordnung mit Gemeinschaftsorganen, deren Entscheidungen die beteiligten Staaten, aber auch Wirtschaftsunternehmen und Individuen binden, geschaffen.

Es war einer ganz bestimmten Konstellation zu verdanken, daß dieses Stück Integrationsfortschritt möglich wurde. Wirtschaftlich versprachen sich alle Beteiligten angesichts der Mangelsituation bei Kohle und Stahl von der Vergemeinschaftung Vorteile. Auch die politischen Ziele ergänzten sich: Der deutsche Nachbar und sein Potential sollten kontrolliert werden; Frankreich wollte den amerikanischen Einfluß auf die Bundesrepublik durch deren Einbeziehung in eine integrierte westeuropäische Gemeinschaft vermindern, damit auch die weitere Eskalation der Ost-West-Spannungen stop- pen und die dauerhafte Westorientierung und -bindung des deutschen Nachbarn sicherstellen; für Bonn schließlich bedeutete die Montan-Union das Ende der diskriminierenden alliierten Ruhrkontrolle und versprach die schrittweise Erlangung auch politischer Gleichberechtigung.

— Gleich mit Inkrafttreten der Montan-Union wurden Vorstöße unternommen, diese Konstruktion als Vorbild für die Ausgestaltung weiterer Organisationen zu verwenden. Mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) sollte eine gemeinsame Armee mit integriertem Kommando, mit der

Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) eine Montan-Union und EVG überwölbende politische Konstruktion mit föderativer Struktur geschaffen werden, zu deren Kompetenzen zusätzlich die Außen-und Wirtschaftspolitik gehören und deren Institutionengefüge parlamentarischer Regierungsweise mit Zweikammersystem entsprechen sollte. Beide Projekte scheiterten 1954; sie erwiesen sich als zu ehrgeizig, nämlich als Überforderung einzelner Staaten. Nicht alle waren bereit, die sensiblen Bereiche Außen-und Sicherheitspolitik nach dem Muster der Montan-Union zu vergemeinschaften und sich einer politischen Gemeinschaft mit föderativer Struktur, die ihre Souveränität erheblich beschnitten hätte, einzugliedern. 3. Die Ausgangstage vor Abschluß der Römischen Verträge

Ein Jahr nach dem Scheitern von EVG und EPG beauftragten die Außenminister der sechs EGKS-Staaten auf der Konferenz in Messina im Juni 1955 eine Gruppe von Sachverständigen (Spaak-Ausschuß), Möglichkeiten für weitere Integrationsmaßnahmen zu prüfen. In ihrem ein Jahr später vorgelegten „Spaak-Bericht“ schlugen diese die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Atom-Gemeinschaft vor.

Angesichts unterschiedlicher Auffassungen zwischen und innerhalb der Staaten war zunächst völlig ungewiß, ob diese Vorschläge realisiert werden könnten. Viele Franzosen wollten die EGKS zunächst nur um eine weitere sektorale Organisation — die Atom-Gemeinschaft — und nicht auch um einen Gemeinsamen Markt ergänzen. Holländer und Deutsche fürchteten negative Auswirkungen einer westeuropäischen Blockbildung auf den freien Welthandel. Ludwig Erhard hatte ordnungspolitische Bedenken; er sah die Marktwirtschaft doppelt gefährdet: durch ein Übergewicht Frankreichs mit seiner traditionellen Betonung der Rolle des Staates in der Wirtschaft und durch starke Gemeinschaftsorgane, die in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen würden.

Der Erfolg der Regierungsverhandlungen und das Zustandekommen der Römischen Verträge sind auf diesem Hintergrund dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren zuzuschreiben Genannt werden das Engagement einzelner Persönlichkeiten, die in schwierigen Einzelfragen Kompromißlösungen fanden oder, wie Adenauer gegen Erhard, grundsätzliche Weichenstellungen vornahmen. Sodann externe Vorgänge, die insbesondere ein Umdenken in Frankreich bewirkten: Nachdem bereits die Regelung der Saar-Frage die Bundesrepublik als verläßlichen und solidarischen Partner hatte erscheinen lassen, erfuhr Paris von Bonn Solidarität während des Debakels des Suez-Abenteuers und zog daraus den Schluß, daß nationale Alleingänge keine Perspektiven eröffnen, sondern eine festere Einbindung in eine europäische Konstruktion geboten sei. Integrationsfördernde Katalysatorfunktion hatte zusätzlich die Ungarn-Krise mit der militärischen Intervention der Sowjetunion im Herbst 1956. 4. Die EWG als entwicklungsoffener „Zweckverband funktioneller Integration“

Nach Unterzeichnung und Ratifikation der Verträge konnten EWG und EAG, die die EGKS ergänzten, 1958 mit ihren Aktivitäten beginnen. Gemessen an den ursprünglichen Erwartungen ist die Bilanz von EURATOM überaus bescheiden. Nuklearwirtschaft und -politik sind in nationaler Regie verblieben und nicht zu einem Kristallisationspunkt für Integrationsfortschritt geworden. Gemeinschaftsaktivitäten beschränken sich bis heute auf einzelne Forschungseinrichtungen und den Erlaß von Sicherheits-und Schutznormen, vor allem gegenüber Dritten im Zusammenhang mit dem Bezug von spaltbarem Material.

Der Fortgang der europäischen Integration wurde so gut wie ausschließlich von der zweiten Neugründung, der EWG, bestimmt. Ihre im Vertrag genannten Ziele verlangten bzw. erlaubten weitgespannte Aktivitäten:

— Oberstes Ziel war die Errichtung einer Zollunion, also die Beseitigung von Zöllen und Kontingenten für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr sowie die Schaffung eines gemeinsamen Außenzolls für den Handel mit Drittstaaten, und eines Gemeinsamen Marktes, also neben freiem Warenverkehr Niederlassungsfreiheit, freier Kapital-und Dienstleistungsverkehr sowie Freizügigkeit für Arbeitskräfte, ergänzt durch eine europäische Wettbewerbsordnung.

— Für bestimmte Bereiche — vor allem Landwirtschaft — war der Aufbau einer gemeinsamen Poli-tik vorgesehen; für andere Bereiche wurde nur die Koordinierung nationaler Politiken anvisiert.

— Die Gemeinschaft verstand sich nicht als exklusiver Club, sondern als offen gegenüber Dritten: Sowohl weitere Mitglieder sollten aufgenommen werden können als auch besondere Verbindungen — mittels Assoziationsverträgen — zu Drittstaaten, einschließlich aus Übersee, geschaffen werden.

Der EWG war die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben übertragen worden. Mit der Qualifizierung als „Zweckverband funktioneller Integration“ sollte sie sowohl vom Staat — mit seiner umfassenden Aufgabenstellung — als auch von der traditionellen internationalen Organisation unterschieden werden. Im Vergleich zu dieser hatte sie supranationalen Charakter, verfügte nämlich über eine Gemeinschaftsgewalt, der die Mitgliedstaaten unterworfen waren.

Die institutioneile Struktur der EWG folgte dem Vorbild der Montan-Union, schwächte ihr gegenüber aber die supranationale Komponente, indem die Position der Mitgliedstaaten im Ministerrat gestärkt und dieser durch Reduzierung der Kompetenzen der Kommission (im Vergleich zur Hohen Behörde der EGKS) zur letztlich alleinigen Entscheidungsinstanz wurde.

Im einzelnen: Die Kommission hat das Initiativrecht sowie die Funktionen der Ausführung und Überwachung der Beschlüsse der Gemeinschaft. Der Rat entscheidet und muß lediglich Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts-und Sozialausschusses (WSA) einholen, die ihn aber in keiner Weise binden. Für eine Reihe von Fällen sind im Rat Mehrheitsvoten vorgesehen. Das Parlament wirkt beratend an der Gemeinschaftsgesetzgebung mit und übt gegenüber der Kommission Kontrollfunktionen aus. Der WSA ist der Versuch der institutionalisierten Einbindung von Verbands-interessen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des Vertrags sichern; seine Entscheidungen beanspruchen Geltungskraft und werden anerkannt.

Übereinstimmend wurde die Schöpfung der Römischen Verträge als ein wesentliches Stück Integrationsfortschritt bewertet. Sie verzichteten zwar auf die Formulierung einer politischen Finalität, etwa die Errichtung eines Bundesstaates, erlaubten aber einen dynamischen Integrationsprozeß. Vielerorts knüpfte sich an die Verträge die Erwartung weiterer Erfolge, also einer dynamischen Entwicklung der „Zweckverbände funktioneller Integration“ in Richtung auf ein Gebilde, dessen Eigengewicht gegenüber den Mitgliedstaaten durch Ausweitung des Aufgaben-und Kompetenzbereichs sowie durch Stärkung der supranationalen Komponenten des gemeinschaftlichen Entscheidungsgefüges zunehmen und das sich dadurch zu einer Gemeinschaft neuer Qualität — die mehr wäre als nur Zweckverband — wandeln würde. Die Präambel des EWG-Vertrages gibt inhaltliche Orientierungspunkte dafür und die Artikel 235 und 236 nennen die entsprechenden Verfahrensvorschriften. Ob solche Erwartungen in Erfüllung gegangen sind, zu welchen Ergebnissen der Integrationsprozeß also geführt hat, soll der nachfolgende, notwendigerweise sehr geraffte Überblick über die Entwicklung der EG aufzeigen.

II. Der EG-Integrationsprozeß: Die Herausbildung des EG-Systems

1. Erfüllung von Vertragszielen in der Übergangszeit Der EWG-Vertrag sah die schrittweise Verwirklichung des Gemeinsamen Marktes während einer Übergangszeit von zwölfJahren, bestehend aus drei Stufen von je vier Jahren, vor. Während dieses Zeitraums wurden Zölle und mengenmäßige Beschränkungen im innergemeinschaftlichen Warenverkehr abgeschafft. Nichttarifäre Handels-hindernisse bestehen aber bis zum heutigen Tag in großer Zahl und erlauben noch nicht, von einem wirklichen europäischen Binnenmarkt zu sprechen. *

Bis 1969 wurde ein gemeinsamer Außenzolltarif aufgebaut, und die Außenhandelspolitik war nach dem Ende der Übergangszeit prinzipiell Gemeinschaftsangelegenheit. Während die Freizügigkeit für Arbeitnehmer sowie die Dienstleistungs-und Niederlassungsfreiheit fristgemäß erreicht wurden, gelang das nicht ganz für die Freiheit des Kapital-und Zahlungsverkehrs. Erfolgreich war die Gemeinschaft dann wieder beim Aufbau ihrer Wettbewerbspolitik zur Verhinderung von Wettbewerbsverfälschungen.

Auch die Errichtung der Europäischen Investitionsbank — sie soll durch die Gewährung von Darlehen und die Übernahme von Bürgschaften für Investitionsvorhaben in allen Wirtschaftszweigen zu einer ausgewogenen und reibungslosen Entwicklung der Gemeinschaft beitragen (Art. 130 EWG-Vertrag) und hat bis einschließlich 1984 Finanzierungen im Umfang von 26, 5 Milliarden ECU (= ca. 55 Milli21 arden DM) getätigt — und die des Europäischen Sozialfonds — er soll die Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitskräfte im Gemeinsamen Markt verbessern und damit zur Hebung der Lebenshaltung beitragen, fördert die berufliche Verwendbarkeit und örtliche und berufliche Freizügigkeit der Arbeitskräfte (Art. 123 EWG-Vertrag) und hat für diese arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bis 1984 etwa 11, 5 Milliarden ECU (= ca. 25 Milliarden DM) ausgeschüttet — waren auf Errichtung und Gewährleistung des Gemeinsamen Marktes ausgerichtet. Der Aufbau der gemeinsamen Agrarpolitik, ein weiteres Hauptziel des EWG-Vertrages, wurde bis zum Ende der Übergangszeit ebenfalls erreicht.

Assoziierungsabkommen mit dem Ziel späterer Vollmitgliedschaft wurden 1961 mit Griechenland und 1963 mit der Türkei abgeschlossen. Überseegebiete wurden in einer Serie aufeinanderfolgender Abkommen — 1963 erstes Abkommen von Jaunde mit 18 afrikanischen Staaten und Madagaskar, 1969 zweites Abkommen von Jaunde — mit der Gemeinschaft assoziiert. 2. Ausweitung des Aufgabenbereichs der EG Zu einer Ausweitung des Aufgabenbereichs der Gemeinschaft kann es auf zweierlei Weise kommen:

— Die Gemeinschaft nimmt Aufgaben wahr, die ihr die Verträge zwar nicht verpflichtend auferlegt haben, deren Wahrnehmung sie aber erlauben oder nahelegen. Dabei handelt es sich um Aufgaben, die mit dem Funktionieren des Gemeinsamen Marktes verknüpft oder die auf die Erfüllung genereller Zielvorstellungen — wie in der Präambel oder in Art. 2 des EWG-Vertrages enthalten — ausgerichtet sind.

— Die Mitgliedstaaten übertragen der Gemeinschaft ausdrücklich neue Aufgaben: sei es durch Vertragsänderung und -ergänzung, sei es durch die Anwendung der in Art. 235 EWG-Vertrag enthaltenen sogenannten „Kompetenz-Kompetenz“, sei es schließlich durch intergouvernementale, außerhalb des Vertragssystems liegende Absprachen oder Regelungen.

Erfahrungsgemäß kommen solche Funktionsausweitungen nur zustande, wenn Problemdruck vorhanden ist und die davon betroffenen Staaten übereinstimmend zur Auffassung gelangen, daß die Gemeinschaft bei der Problembewältigung nützlich ist. Problemdruck kann im Innern der Gemeinschaft — auch als Folge von Gemeinschaftsaktivitäten — oder in einzelnen Mitgliedstaaten entstehen; er kann aber auch durch externe Herausforderungen induziert werden. a) Der Plan zur Errichtung einer Wirtschafts-und Währungsunion (WWU)

Mit der Vollendung der Zollunion und dem System der gemeinschaftlichen Agrarpolitik hatte die EG Ende der sechziger Jahre sichtbare Erfolge vorzuweisen. Die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten hatte erheblich zugenommen, desgleichen ihre gegenseitige Abhängigkeit: Entwicklungen in einem Land wirkten sich auf die anderen aus, und die Möglichkeiten autonomer nationaler Gestaltung und Steuerung wurden geringer. Auf diesem Hintergrund werden Bestrebungen zur Errichtung einer WWU verständlich, wie sie auf der Gipfelkonferenz von Den Haag im Dezember 1969 unter dem Stichwort der „Vertiefung“ der Integration proklamiert wurden. Die Verträge sahen nur die Koordinierung der nationalen Wirtschafts-und Währungspolitiken vor, denn diese hatten sich als unzulänglich erwiesen, krisenhafte Entwicklungen als Folge zunehmender wirtschaftlicher Ungleich-gewichte zwischen den Staaten zu verhindern oder gar wirtschaftliche Konvergenz zu erreichen.

Die WWU, die in drei Stufen bis 1980 verwirklicht werden sollte, würde demgegenüber folgendes beinhalten: Schaffung eines einheitlichen Währungsgebiets mit voller Konvertibilität und festen Wechselkursen, schließlich mit einer Gemeinschaftswährung; Schaffung eines wirtschaftspolitischen Entscheidungsgremiums und eines gemeinsamen Zentralbanksystems, die künftig anstelle der Staaten wichtige wirtschafts-und währungspolitische Entscheidungen fällen würden, wie z. B. die Bestimmung der Eckwerte der öffentlichen Haushalte, geld-und kreditpolitische Maßnahmen, gemeinsame Regional-und Strukturpolitik zum Abbau des regionalen Entwicklungsgefälles einschließlich eines horizontalen Finanzausgleichs.

Der Plan scheiterte 1973/74 im Zusammenhang mit der Ölkrise, aber vor allem an unüberbrückbaren Auffassungsunterschieden insbesondere zwischen Bonn und Paris. Der deutsche „ökonomistische" Standpunkt besagte, daß wirtschaftliche Konvergenz die unerläßliche Voraussetzung für eine Währungsunion sei, die erst als „Krönung“ erfolgreicher wirtschaftspolitischer Integration erfolgen könne. Dem wurde in Paris die „monetaristische“ Auffassung entgegengehalten, daß ein Wechselkursverbund und schließlich eine Währungsunion wirtschaftliche Konvergenz fördern und herbeiführen helfen würden. Die Bundesrepublik fürchtete unter Berufung auf ihr ordnungspolitisches Credo um ihre Stabilitätspolitik; eine WWU ohne ausreichende Konvergenz müßte zu einer Inflationsgemeinschaft führen. b) Die Errichtung des Europäischen Währungssystems (EWS)

Angesichts dieser Differenzen in Grundsatzfragen kam die Errichtung des EWS 1978/79 reichlich überraschend. Das EWS zielt auf die Errichtung einer Zone mit stabilen Wechselkursen. Damit die Paritäten stabil — d. h. innerhalb einer bestimmten Spanne — bleiben, sollen die Mitgliedstaaten (Großbritannien ist dem System nicht beigetreten) eine stabilitätsorientierte Wirtschaftspolitik betreiben. Für den Fall drohender Paritätsverschiebungen zwischen einzelnen Währungen verpflichten sich die jeweiligen Regierungen und Notenbanken zu gegenseitigen Hilfsmaßnahmen. Unerläßlich werdende Wechselkursänderungen dürfen nicht mehr einseitig vorgenommen werden, sondern sind nur durch einvernehmliche Entscheidung aller Mitglieder des EWS möglich. Auch frühere Kritiker bescheinigen dem EWS, es habe zur Erreichung von mehr Konvergenz beigetragen und sei insofern als (bescheidene) Errungenschaft in der EG zu betrachten.

Die Errichtung des EWS geht auf einen gemeinsamen Entschluß von Präsident Giscard und Bundeskanzler Schmidt zurück. Letzterer hatte gegen erhebliche „ökonomistisch“ inspirierte Bedenken in der Bundesrepublik seine Zustimmung gegeben, weil er offenbar überzeugt war, die Bundesrepublik müsse ihren EG-Partnern einen glaubwürdigen Beweis für solidarisches Verhalten und Handeln liefern. Wenn Helmut Schmidt auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers den systematischen Ausbau des EWS fordert dann ist bei ihm, wie bei anderen Mitstreitern, dafür heute zusätzlich die Sorge um die Zukunft der Welt-währungsordnung angesichts der Entwicklung des Dollars mit ihrer negativen Auswirkung auf die Weltwirtschaft bestimmend. c) Inangriffnahme weiterer Politiken Im Unterschied zum EWS, das durch förmliche Vereinbarung der beteiligten Staaten besiegelt wurde, ist die Gemeinschaft auf anderen Sektoren ganz pragmatisch tätig geworden und reagierte damit auf neu entstandenen oder als besonders drängend empfundenen Problemdruck:

— Auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik wurde der mit den Verträgen von Jaunde beschrittene Weg fortgesetzt. Mit den Abkommen von Lome I, II und III (1975, 1980 und 1985) wurden die über 60 sogenannten AKP-Staaten (aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik) als Gruppe mit der EG assoziiert. Nach dem Beitritt Großbritanniens war es nötig geworden, Staaten, die früher britische Kolonien waren und nach Erringung der Unabhängigkeit weiterhin enge und präferenzielle Wirtschaftsbeziehungen zu London unterhalten hatten, auf diese Weise an die Gemeinschaft zu binden, weil sie sonst den für sie wichtigen bevorzugten Zugang zum britischen Markt verloren hätten.

Die Gemeinschaft hat mit STABEX, einem System zur Stabilisierung der Exporterlöse für eine größere Zahl von Produkten, die für die AKP-Staaten besonders wichtig sind, einen interessanten und stark beachteten entwicklungspolitischen Beitrag geleistet. Trotz mannigfacher Kritik an Unzulänglichkeiten der EG-Entwicklungspolitik im Rahmen der Lome-Abkommen ist der Umstand, daß dieses Vertragswerk immer wieder erneuert wurde, ein Indikator für die insgesamt positive Einschätzung der Brüsseler Politik seitens der AKP-Staaten. Sie sehen im übrigen in der EG einen einheitlich auftretenden Akteur in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen. — Die EG-Regionalpolitik ist ebenfalls im Gefolge der ersten Erweiterung entstanden. Der auf Drängen Großbritanniens und Irlands 1975 geschaffene Regionalfonds ist dazu bestimmt, „die wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Gemeinschaft zu korrigieren, die insbesondere auf eine vorwiegend landwirtschaftliche Struktur, industrielle Wandlungen und eine strukturbedingte Unterbeschäftigung zurückzuführen sind“ Für die Ausstattung des Fonds werden ca. 5— 6 % des Gemeinschaftshaushalts verwendet; das waren 1985 2, 5 Milliarden ECU (= ca. 5, 5 Milliarden DM).

Die Entscheidung über die Einrichtung des Regionalfonds war deshalb so schwierig und benötigte lange Zeit, weil es hier um Verteilungsprobleme ging. Die Lösung kam auf folgender Basis zustande: 95 % der Fondsmittel werden nach festen Quoten auf alle Mitgliedstaaten verteilt, nur 5 % stehen für wirkliche Gemeinschaftsmaßnahmen zur Verfügung. Als ebenso schwierig wie die Einführung des Fonds hat sich seine Reform erwiesen. 1985 konnte schließlich grundsätzliches Einvernehmen über die Ablösung der starren Quoten durch ein System sogenannter Richtspannen erreicht werden, das die strukturschwächeren zu Lasten der höher entwikkelten und reicheren Mitgliedstaaten besser bedienen soll.

— Die Umweltpolitik ist ein besonders gutes Beispiel für die tastend-pragmatische Art, in der die Gemeinschaft an der Wahrnehmung neuer Aufgaben beteiligt wurde und so ihren Funktionsbereich behutsam und in kleinen Dosen erweiterte 1957 war Umweltschutz noch kein Thema und wurde folgerichtig in den Verträgen auch nicht erwähnt. Anfang der achtziger Jahre forderte die Kommission ein Tätigwerden der Gemeinschaft auf diesem Gebiet, weil unterschiedliche Umweltschutzbedingungen zu Wettbewerbsverzerrungen führen und damit das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes beeinträchtigen können. Nachdem sich auch die Staats-und Regierungschefs im Oktober 1972 in Paris zur Bedeutung und Notwendigkeit gemeinschaftlicher Umweltpolitik bekannt hatten, wurden in der Folgezeit drei Aktionsprogramme beschlossen: 1973, 1977 und 1983.

Das erste Programm begründete noch keine gemeinschaftliche Umweltpolitik; einzelne Mitgliedstaaten waren lediglich bereit, im EG-Rahmen mit einer Abstimmung und Koordinierung ihrer jeweiligen Umweltschutzmaßnahmen zu beginnen. Erst später war in aller Form von einer Umweltpolitik der Gemeinschaft die Rede, d. h. erst dann konnte die Gemeinschaft eigene Rechtsakte erlassen. Sie ergingen in Form von Richtlinien, die jeweils die Ziele bestimmen, aber den Mitgliedstaaten die Mittel und Wege zur Erreichung der Ziele überlassen. Das bedeutet, daß Gemeinschaft und Mitgliedstaaten eng Zusammenwirken müssen. Vielfach konnte Übereinstimmung über Richtlinien nur erzielt werden, weil lediglich Mindestnormen festgelegt wurden. Obwohl die Angleichung von Normen im Umweltbereich nur schrittweise und unvollkommen erfolgt, handelt es sich mittlerweile um ein Aktionsfeld der Gemeinschaft, dem die Mitgliedstaaten immer mehr Beachtung schenken müssen und auf dem ein ständig dichter werdendes Netz von Bestimmungen entsteht.

— Die EG-Technologiepolitik entstand als Antwort auf die als äußere Herausforderung empfundene technologische Entwicklung in Japan und den USA. Wichtigste Grundlage für die gemeinschaftliche Technologiepolitik ist das 1983 verabschiedete Rahmenprogramm für Forschung und Technologie für den Zeitraum 1985 — 1987 sowie das Memorandum „Für eine Technologiegemeinschaft“ von 1985. Bislang werden etwa 3 % des Gemeinschaftshaushalts für entsprechende Vorhaben verwendet. Dabei überwiegen Aktionen mit Kostenteilung, an denen sich die Gemeinschaft mit in der Regel 50 % beteiligt. Wie in der Umweltpolitik wirken auch in der Technologiepolitik Gemeinschaft und Mitgliedstaaten zusammen.

Technologiepolitik gehört also unbestreitbar zum Aufgabenbereich der Gemeinschaft. Einzelne Mitgliedstaaten engagieren sich auf diesem Gebiet allerdings auch außerhalb der Gemeinschaft: Das gilt für die Zusammenarbeit mit den USA auf dem Gebiet von SDI sowie für Aktivitäten im Rahmen von EUREKA. Gerade dieses letzte Engagement ist als eine Art „Konkurrenz“ zur gemeinschaftlichen Technologiepolitik zu sehen und damit als eine Infragestellung der EG als vorrangiger und für die Bewältigung dieser Aufgabe bevorzugter Handlungsrahmen. d) Die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ)

Nachdem mit dem Ende der Übergangszeit die Zollunion weitgehend verwirklicht war, stimmten die Mitgliedstaaten in dem Bedürfnis überein, sich künftig auch über Probleme der internationalen Politik regelmäßig zu verständigen. Die Gipfelkonferenz von Den Haag im Dezember 1969 beauftragte die Außenminister, dafür praktische Vorschläge auszuarbeiten. Ihr im Oktober 1970 vorgelegter Luxemburger Bericht ist die Grundlage für die EPZ. Er wurde 1973 durch den Kopenhagener Bericht und 1981 durch den Londoner Bericht ergänzt.

Danach ist es das Ziel der EG-Staaten, auf dem Gebiet der Außenpolitik ihre Positionen abzustimmen und zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen, die schließlich gemeinsames Handeln in Fragen der internationalen Politik erlaubt. Um diese Ziele zu erreichen, wurde ein mehrstufiges und im Laufe der Jahre immer dichter gewordenes Informations-und Kommunikationssystem aufgebaut, das die Außenminister, hohe Beamte und die Botschaften der EG-Mitgliedstaaten in Drittstaaten und bei wichtigen internationalen Organisationen, z. B. bei der UNO, umfaßt. Dieser Verbund beruhte auf Absprachen, also politischen Verpflichtungen der beteiligten Regierungen; er blieb bewußt außerhalb des vertraglich begründeten Gemeinschaftssystems.

Die Bilanz der EPZ mit ihrem eher informellen intergouvernementalen Verfahren enthält nebeneinander Fälle, in denen es zu konzertiertem, ja gemeinsamen Auftreten gekommen ist, und solche, in denen divergierende Standpunkte nicht angeglichen werden konnten. Die Behandlung sicherheitspolitischer Fragen ist wegen der Vorbehalte einzelner Mitgliedstaaten — beispielsweise des neutralen Irland — besonders schwierig. Von außen gesehen haben die EG-Mitgliedstaaten durch die EPZ das Profil eines eigenständigen neuen Akteurs in den internationalen Beziehungen gewonnen, dem als Gesprächs-und Kooperationspartner zunehmende Aufmerksamkeit zuteil wird. * 3. Entwicklungen im EG-Entscheidungssystem Das in den Verträgen niedergelegte Grundmuster des EG-Entscheidungssystems hat während der zurückliegenden Jahrzehnte eine Ausformung erfahren, die es in wichtigen Komponenten letztlich verändert hat und die das Erscheinungsbild der Gemeinschaft insgesamt ganz wesentlich bestimmt. Drei Stichworte prägen die Entwicklung:

— Das Entscheidungssystem hat wegen des Anwachsens der Zahl der an ihm Beteiligten ganz erheblich an Komplexität zugenommen, es ist also unübersichtlich und schwerfällig geworden.

— Je mehr Aufgaben die Gemeinschaft wahrnahm, je folgenreicher also ihre Entscheidungen (und die „Nicht-Entscheidungen“) für die Mitgliedstaaten und ihre Bürger wurden, desto drängender wurde die Frage nach der Legitimität, also der demokratischen Qualität, des Entscheidungssystems gestellt. — Die Zunahme des Gewichts der nationalen Komponente ließ Beobachter von einer Renationalisierung des Entscheidungssystems sprechen.

Die folgenden kurzen Hinweise sollen diese Stichworte sowie weitere Entwicklungen im EG-Entscheidungssystem erläutern.

— Weittragende Auswirkungen hatte der soge-nannte Luxemburger Kompromiß vom Januar 1966, mit dem eine der schwersten Krisen in der Geschichte der EG beigelegt wurde Frankreichs Staatspräsident de Gaulle weigerte sich, im Falle einer Tangierung essentieller nationaler Interessen Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren. Um seinen Standpunkt durchzusetzen, beteiligte sich Frankreich etwa sieben Monate lang nicht an der Arbeit der EG-Organe (Politik des „leeren Stuhls“) und legte diese damit lahm.

Der Luxemburger Kompromiß genannte Beschluß war in Wirklichkeit ein Erfolg Frankreichs, weil kein Einvernehmen darüber erzielt wurde, was geschehen soll, wenn Bemühungen um Konsens erfolglos bleiben und Frankreich auf Einstimmigkeit insistiert, sofern ein Staat vitale Interessen geltend macht. In der Praxis entwickelte sich daraus, gegen die Vertragsnormen, die Einstimmigkeitspraxis, die häufig und fälschlich als „Veto-Recht“ bezeichnet wird. Die Folge dieser Praxis — die im übrigen von Dänemark und Großbritannien, später dann auch von Griechenland als Geschäftsgrundlage ihrer Mitgliedschaft betrachtet wurde — waren Vertagung von entscheidungsbedürftigen Fragen oder die Verknüpfung mehrerer Fragen, an denen die Staaten je unterschiedlich starkes Interesse hatten, zu Paketlösungen. — Um die Minister zu entlasten, wurde unterhalb der Ebene des Rates der Ausschuß der Ständigen Vertreter gebildet. Der Ständige Vertreter ist so etwas wie der Botschafter seiner Regierung bei der Gemeinschaft und die Ständige Vertretung eine gut ausgebaute Behörde, deren Personal aus Experten der nationalen Administration zusammengesetzt ist. Sie sollen die nationalen Belange gerade auch in der Alltagsarbeit der Brüsseler Maschinerie mit ihrer Vielzahl von Arbeitsgruppen und Ausschüssen vertreten. Als Brüsseler Außenposten der nationalen Regierung wirken die Ständigen Vertretungen als Wächter nationaler Interessen und stekken den Rahmen ab, in dem Entscheidungen schließlich möglich sind.

— Das Ausschußwesen ist eine andere Neuerung und Besonderheit im EG-Entscheidungsgefüge. Da gibt es erstens Beratende Ausschüsse, die aus Vertretern von Interessenverbänden bestehen und auf Initiative der EG-Kommission eingerichtet werden.

Sie sind ein Rahmen für die Einbringung nationaler und sektoraler Interessen, dienen der Kommission als Informationsquelle und Resonanzboden und stecken damit auch deren Handlungsspielraum für die Wahrnehmung des Initiativrechts ab. Zweitens gibt es ebenfalls bei der Kommission angesiedelte Verwaltungsausschüsse, die aus nationalen Beamten bestehen und von den Regierungen eingesetzt werden. Sie sollen dafür sorgen, daß die Kommission bei der Implementierung von Gemeinschaftsbeschlüssen die Interessen der Mitgliedstaaten nicht aus den Augen verliert; sie nehmen also Wächter-und Aufpasserfunktionen wahr. — Für die Wahrnehmung ihres Initiativrechts bleibt der Kontakt der Kommission mit Ständigen Vertretungen und den Ausschüssen nicht ohne Wirkung. Sie erfährt von ihren Gesprächspartnern, was die Mitgliedstaaten zu realisieren bereit sein könnten. Ein wenig beachtetes Element des Luxemburger Kompromisses von 1966 hat das originäre Initiativrecht der Kommission nachhaltig zu beschneiden versucht. Wiederum auf Drängen Frankreichs, das mit der allzu selbstbewußten Wahrnehmung der Initiativfunktion nicht einverstanden war, wurde die Kommission zum Kontakt mit den Mitglieds-regierungen über die Ständigen Vertretungen verpflichtet, bevor sie wichtige Vorschläge beschließt. — In der Direktwahl des Europäischen Parlaments (EP) wurde eine Voraussetzung dafür gesehen, das Legitimitätsdefizit der Gemeinschaft abzubauen. Von Abgeordneten, die nicht länger die Bürde eines Doppelmandats tragen würden und die sich auf ein direktes Wählervotum stützen könnten, wurde erwartet, daß sie sowohl vorhandene Kompetenzen — insbesondere beratende Mitwirkung am Rechtsetzungsverfahren der Gemeinschaft und Kontrolle (hierbei wird das EP seit 1977 vom neu-geschaffenen Europäischen Rechnungshof unter-25 stützt, dem die Prüfung des ordnungsgemäßen Haushaltsvollzugs obliegt) — als auch die politischen Funktionen eines Parlaments wie öffentliche Debatte, politische Initiative und intensive Kommunikation mit der Wählerschaft wirkungsvoller wahrnehmen würden. Nicht zuletzt wurde erwartet, daß ein direkt gewähltes Europäisches Parlament mehr Kompetenzen erhalten bzw. sich erkämpfen würde. Abgesehen von marginalen verfahrensmäßigen Reformen, mit denen im wesentlichen nur eine allmählich entstandene Praxis sanktioniert wurde, erhielt das EP lediglich im Haushaltsverfahren ein echtes Mitentscheidungsrecht.

Während sich an der rechtlichen Stellung des EP also wenig geändert hat, konnte es seine politische Rolle als Mitspieler im gemeinschaftlichen Entscheidungsprozeß verstärken Es hat eine Vielzahl von Initiativen lanciert und wertvolle Berichte verfaßt. Es hat versucht, politische Schwerpunkte zu setzen, u. a. im Bereich der Außenbeziehungen einschließlich der Sicherheitspolitik, sodann im Haushaltsbereich, wo es mittels Umschichtungen Prioritäten zu setzen versuchte, weiter durch Initiativen zur Verfassungsentwicklung, die jedoch nur auf geringe Resonanz gestoßen sind. Nicht zuletzt auf dem Gebiet der parlamentsinternen Integration, die insbesondere in den politischen Fraktionen, aber auch in den Fachausschüssen erfolgt, hat das EP innerhalb relativ kurzer Zeit Bemerkenswertes geleistet. — Zusammen mit der Entscheidung zur Abhaltung von Direktwahlen zum EP beschlossen die Regierungen der Mitgliedstaaten die Institutionalisierung ihrer Gipfelkonferenzen, indem sie 1974 den Europäischen Rat gründeten Diese aus den Staats-und Regierungschefs der Staaten bestehende Einrichtung ist im strengen Sinn kein Gemeinschaftsorgan, denn sie beruht nicht auf Vertragsbestimmungen, sondern einer politischen Übereinkunft der Regierungen.

Der Europäische Rat hat zwei Funktionen: Erstens soll er den Kurs der Gemeinschaftsentwicklung festlegen, also Leitlinien formulieren und den Ministern für die Sitzungen des Rates Richtlinien geben. Zweitens soll er Konflikte schlichten, die auf unterer Ebene nicht gelöst werden konnten, also aus Sackgassen herausführen. In der Praxis hat die zweite Funktion häufig solches Übergewicht erhalten, daß für die eigentliche Hauptaufgabe kaum Energie und Zeit übriggeblieben ist. — Zum Entscheidungsgefüge der EG im weiteren Sinn gehören auch die Bestimmungen über die Eigenmittel der Gemeinschaft. Als die EG 1970 nach dem Ende der Übergangszeit ihre Agrarpolitik vergemeinschaftet hatte und als Zollunion einen gemeinsamen Zolltarif besaß, wurde ihre Finanzierung durch vertragliche Vereinbarung von Beiträgen der Mitgliedstaaten auf eigene Mittel der Gemeinschaft umgestellt. Ihr stehen folgende Eigeneinnahmen zu: Zölle aus dem Handelsverkehr mit Drittstaaten, Agrarabschöpfungen aus dem Agrarhandel mit Drittstaaten, Einnahmen aus sonstigen Abgaben, die im Zusammenhang mit einer Gemeinschaftspolitik eingeführt werden, sowie ein Anteil des Mehrwertsteueraufkommens der Mitgliedstaaten in Höhe von bis zu einem Prozent der Bemessungsgrundlage. Die dafür notwendige Harmonisierung der Mehrwertsteuer verzögerte sich in einzelnen Staaten erheblich, so daß die volle Finanzierung der Gemeinschaft aus Eigenmitteln erst 1980 einsetzte.

Da Zölle und Abschöpfungen tendenziell eher abnehmen, kann ein erhöhter Finanzbedarf letztlich nur durch die Erhöhung der 1%-Marke des Mehrwertsteueraufkommens befriedigt werden. Das erfolgte im Zusammenhang mit der Süderweiterung um Portugal und Spanien, indem als neue Marke 1, 4% festgesetzt wurde. Die Einrichtung des Rechnungshofes sowie die neuen Mitentscheidungsrechte des EP beim Haushaltsbewilligungsverfahren stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einführung des Systems der Eigenmittel. 4. Die Entstehung einer transnationalen politischen Infrastruktur Es gehört zu den Merkmalen der EG, daß sich im Umfeld des eigentlichen gemeinschaftlichen Institutionengefüges politische Kräfte organisiert und angesiedelt haben, die im politischen Prozeß der westeuropäischen Nationalstaaten eine zentrale Rolle spielen: insbesondere Interessenverbände und politische Parteien. a) Transnationale Verbandsorganisationen: Die Euro-Verbände

Einzelne Euro-Verbände haben sich bereits bei Inkrafttreten der Verträge 1958 gebildet: UNICE als transnationaler Zusammenschluß von Industrie-verbänden und COPA als entsprechende Gründung der Bauernverbände. Beide Organisationen wurden gebildet, weil die jeweiligen nationalen Verbände auch auf Gemeinschaftsebene präsent sein und dort über eigenständige Organisationen verfügen wollten. In der Existenz solcher Euro-Verbände haben manche Beobachter zunächst einen Indikator für Integrationsfortschritt gesehen. Zum einen würden die Gemeinschaftsinstitutionen, die in erster Linie Adressaten des Wirkens dieser transnationalen Organisationen waren, dadurch aufgewertet und ihre Eigenständigkeit und Bedeutung als Entscheidungsinstanzen unterstrichen. Zum zweiten erwartete mancher Beobachter, daß sich diese Euro-Verbände zu politisch-programmatisch und organisatorisch homogenen und schlagkräftigen Akteuren mit eigenem Schwergewicht entwickeln würden. Diese hochgesteckten Erwartungen haben sich indessen nicht erfüllt. Brüssel als faktische EG„Hauptstadt“ beherbergt zwar eine große Zahl solcher Verbände, und sie sind auch eifrige Mitspieler im gemeinschaftlichen Entscheidungsprozeß, aber eben weniger als Repräsentanten eines gemeinsamen europäischen Interesses in ihrem Bereich, sondern eher als „round table", den der einzelne nationale Mitgliedsverband nutzt, um Interessen und Prioritäten der anderen Verbände kennenzulernen und — falls keine gemeinsame Linie erreicht werden kann — Orientierungspunkte für das eigene Vorgehen zu gewinnen. Insofern ähneln sie in Struktur und Verfahren dem Ministerrat

Es ist auf den Funktionsbereich der Gemeinschaft zurückzuführen, daß sich zunächst agrarische und Industrieinteressen, dazu eine große Zahl spezifischer Branchenverbände, auf EG-Ebene organisiert haben. Die Gewerkschaften folgten erst 1973 mit der Gründung des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB). Arbeitsbeziehungen und Tarifpolitik, die im Zentrum gewerkschaftlicher Aufmerksamkeit und Aktivität stehen, gehörten nicht zum Tätigkeitsfeld der Gemeinschaft. Mit der Gründung eines speziellen „Büros der Sozialpartner“ in der EG-Kommission sowie der Errichtung des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (EGI), das aus Gemeinschaftsmitteln finanziert wird, aber so gut wie ausschließlich dem EGB zuarbeitet, sollte die Integration der Gewerkschaften in das EG-Entscheidungsgefüge gefördert werden. b) Die europäischen Parteibünde Die politischen Parteien haben im Vorfeld der ersten Direktwahlen zum Europäischen Parlament mit der Errichtung transnationaler Parteiorganisationen begonnen 1974 wurde der Bund der Sozialdemokratischen Parteien in der EG gegründet, 1976 folgten die Christlichen Demokraten mit ihrer Europäischen Volkspartei (EVP) und die Liberalen mit der Organisation Europäische Liberale Demo-kraten (ELD), die seit 1985 Europäische Liberale Demokraten und Reformer (ELDR) heißt. Diese Euro-Parteien sollten die parteipolitische Grundlage der entsprechenden politischen Fraktionen im Europäischen Parlament bilden. Sie sollten ferner lebendige und möglichst direkte Kommunikationsbeziehungen zwischen der nationalen und der EG-Ebene gewährleisten, vor allem die nationalen Parteiorganisationen stärker auf die Gemeinschaft und ihre Politik ausrichten helfen.

Eine Bilanz ihrer Tätigkeit ergibt daß die europäischen Parteibünde Mitspieler im EG-Entscheidungsgefüge geworden sind. Von vollentwickelten, organisatorisch leistungsfähigen und politisch homogenen Euro-Parteien, die gemeinsam ein europäisches Parteiensystem bilden würden, kann jedoch noch keine Rede sein, sondern nur von Ansätzen zu mehr Koordination und Kooperation. c) EG-Tripartismus: Der soziale Dialog in der EG

Mit der Errichtung der Gemeinschaftsinstitution Wirtschafts-und Sozialausschuß (WSA) — wie bereits mit dem Beratenden Ausschuß der Montanunion — kam das Bestreben der Vertragsgründer nach institutionalisierter Einbindung der relevanten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Organisationen in das gemeinschaftliche Entscheidungsgefüge zum Ausdruck.

Zusätzlich wurden in vielen westeuropäischen Staaten andere Formen der Einbindung der insbesondere die Faktoren Kapital und Arbeit repräsentierenden Organisationen entwickelt, in der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise die „Konzertierte Aktion“. Für diesen Verbund von staatlichen Instanzen einerseits und Repräsentanten wichtiger Verbände andererseits wurde die Bezeichnung „Neokorporatismus“ oder „liberaler Korporatismus“ geprägt Staat und Spitzenverbände versammeln sich an einem Tisch und versuchen angesichts enger gegenseitiger Abhängigkeit zu abgestimmtem Verhalten und Handeln aller Beteiligten zu gelangen.

Für diesen auch „Tripartismus“ genannten Beratungs-und Entscheidungsmodus erwies sich der WSA mit seiner breit gefächerten Mitgliedschaft als nicht geeignet. So wurde in der EG nach anderen Wegen und Verfahren gesucht.

Ein Versuch war die Einsetzung des Ständigen Ausschusses für Beschäftigungsfragen (SAB) durch Beschluß des Rates im Dezember 1970. Ihm gehören Vertreter der europäischen Arbeitnehmer-und Arbeitgeberverbände, der Regierungen der Mitgliedstaaten bzw.des Rates und der Kommission der EG an. Der SAB hat keine Entscheidungskompetenz, sondern ist auf Konzertierung der Auffassungen durch Beratung angelegt. Seine Wirksamkeit ist begrenzt geblieben: Während die Gewerkschaftsvertreter eine eigenständige Arbeitsmarkt-politik der Gemeinschaft verlangen (z. B. Vereinbarungen zur Arbeitszeitverkürzung), lehnen die Unternehmerverbände dies mit dem Hinweis auf nationale Kompetenzen ab.

Ein weiterer Versuch war die Einberufung der sogenannten Dreierkonferenz; sie trat lediglich dreimal, 1975, 1976 und 1978, zusammen. Die weitere Einberufung solcher Dreierkonferenzen scheiterte daran, daß die Unternehmer-und Arbeitgeberseite nicht bereit war, in diesem Rahmen verbindliche Absprachen zu treffen und sich daraufhin die Gewerkschaften enttäuscht zurückzogen. In jüngster Zeit kam es indessen wieder zu informellen Kontakten zwischen Repräsentanten von UNICE und EGB, also zu neuen Ansätzen für einen sozialen Dialog. Angesichts ordnungspolitischer Divergenzen und unterschiedlicher Auffassungen über die Funktion eines Tripartismus auf EG-Ebene bleibt abzuwarten, welcher Erfolg dem neuen Anlauf beschieden sein wird. d) Die öffentliche Meinung Weil Auffassungen, Einstellungen und Erwartungen der Bürger den europapolitischen Handlungsspielraum von Akteuren auf nationaler und Gemeinschaftsebene mitbestimmen, wird seit Jahren das EG-bezogene Einstellungsprofil der Bevölkerung in den Mitgliedstaaten zu ermitteln versucht wobei solche Umfragen auch über Integrationserfolg, der sich in Einstellungsänderungen niederschlägt, Aufschluß geben können

Die Grundeinstellung zur Idee der europäischen Einigung ist ganz überwiegend positiv; mit Ausnahme Dänemarks halten die Bürger der Mitgliedstaaten in ihrer großen Mehrheit die Zugehörigkeit ihres Landes zur EG für eine gute Sache. Genauere Nachfragen ergeben indessen ein viel differenzierteres Bild. Kompetenzübertragungen vom Nationalstaat auf die Gemeinschaft werden keineswegs für alle Sachgebiete in gleichem Umfang gefordert oder gutgeheißen; wo es um vitale Eigeninteressen und um persönliche Betroffenheit geht (z. B. in Fragen der Geldwertstabilität oder der Arbeitsmarktpolitik), ist die entsprechende Neigung deutlich geringer, jedenfalls bei Angehörigen der Staaten, in denen die Lage auf dem betreffenden Gebiet deutlich besser ist als in anderen EG-Mitgliedstaaten. Ein ganz ähnliches Bild zeigen Antworten auf Fragen nach Solidarität und Opferbereitschaft: Angehörige von Staaten, die als potentielle Empfänger von Solidarleistungen gelten, befürworten (und fordern) Solidarität in größerer Zahl.

Offenbar ist noch kein „Wir-Gefühl“ als Ausdruck einer neuentstandenen und bereits fest verwurzelten europäischen (also EG-) Identität entstanden. Wohl aber ist die gegenseitige Wahrnehmung und Einschätzung der europäischen Nationen und ihrer Bürger positiver geworden, was mit Blick auf frühere Rivalitäten und gewaltsam ausgetragene Konflikte als gar nicht hoch genug zu bewertende Errungenschaft gelten kann.

Die europapolitische Grundeinstellung der Bevölkerung läßt sich als „permissive consensus“ bezeichnen Die Bevölkerung drängt in ihrer großen Mehrheit zwar nicht auf raschen Integrationserfolg, ist aber bereit, entsprechende Entwicklungen zu akzeptieren, wenn auch ohne Enthusiasmus. Das Meinungsklima erlaubt das Fortschreiten des Integrationsprozesses, mahnt es jedoch nicht an. 5. Erweiterungen der Gemeinschaft Die Befürchtungen einer dauerhaften Spaltung Westeuropas und einer Frontstellung zwischen dem Europa der Sechs und den EFTA-Staaten erwiesen sich bereits nach kurzer Zeit als unbegründet. Mit ihrem 1961 gestellten ersten Beitrittsantrag bestätigten die Briten, daß nunmehr auch sie in der EG die einzig zukunftsträchtige Einrichtung sahen. Die ersten Beitrittsverhandlungen beendete Frankreichs Präsident de Gaulle 1963 mit der Begründung, Großbritannien sei zur Mitgliedschaft noch nicht reif und eine Fortsetzung der Verhandlungen daher nicht möglich. 1967 wiederholte London trotz dieser Brüskierung sein Beitrittsbegehren, aber erst der Haager Gipfel 1969 — mittlerweile war de Gaulle aus dem Amt geschieden und durch Pompidou ersetzt worden — gab grünes Licht für förmliche Beitrittsverhandlungen, die zugleich mit Dänemark, Irland und Norwegen geführt wurden. Bis auf Norwegen, dessen Bevölkerung in einem Referendum mit knapper Mehrheit gegen den Beitritt stimmte, traten die anderen drei Staaten der EG 1973 als Mitgliederbei. Mit der 1981 erfolgten Aufnahme Griechenlands wurde die Süderweiterung der EG eingeläutet und mit dem Beitritt Portugals und Spaniens 1986 — zunächst — abgeschlossen.

Die Erweiterung der Gemeinschaft bedeutete eine erhebliche Vergrößerung der Strukturunterschiede zwischen den verschiedenen Staaten und ihren Regionen. Die neuen Mitglieder hatten spezifische Probleme und damit Erwartungen mitgebracht. Ihr Beitrittsersuchen hatte einer Gemeinschaft gegolten, in deren Rahmen sie Hilfe bei der Lösung ihrer Probleme erwarteten. Sofern diese Erwartungen nicht zu einer ins Maßlose gesteigerten Überforderung der Gemeinschaft führen — und davon kann bisher in keinem Fall die Rede sein —, tragen sie zur Verfestigung der Gemeinschaft bei. 6. Bemühungen um eine „Europäische Union“

Schon wenige Jahre nach Abschluß der Römischen Verträge berieten die sechs Mitgliedstaaten über die Errichtung einer „Politischen Union“. Über die drei Teilgemeinschaften hinaus sollte — unter dieser Bezeichnung — ein politischer Verbund geschaffen werden. Frankreich hatte in den Beratungen 1961/62 nacheinander zwei Vertragsentwürfe — die sogenannten „Fouchet-Pläne“ — unterbreitet. Die Verhandlungen scheiterten, weil die anderen Mitgliedstaaten mit dem rein intergouvernementalen Charakter dieser Union nicht einverstanden waren und argwöhnten, damit sollten die (bescheidenen) supranationalen Elemente der bestehenden drei Gemeinschaften unterlaufen und schließlich beseitigt werden, wenn nämlich die Union mit ihren Lenkungsorganen die Gemeinschaften überwölben würde.

Zehn Jahre später proklamierten die Staats-bzw. Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten am 19. /20. Oktober 1972 in Paris, es sei „ihr vornehmstes Ziel“, „die Gesamtheit der Beziehungen der Mitgliedstaaten . . . vor dem Ende dieses Jahrzehnts in eine Europäische Union umzuwandeln“. So sehr der Begriff „Europäische Union“ im einzelnen auch inhaltlich unbestimmt war er wurde seither als Codewort für einen Zustand der Gemeinschaft verwendet, der sich vom Status quo unterscheidet. Der Begriff betont das Prozeßhafte von Integration, ist auf die Weiterentwicklung der Gemeinschaft gerichtet, ohne das Entwicklungsziel allerdings eindeutig zu beschreiben

In dem nach ihm benannten Tindemans-Bericht über die Europäische Union legte der belgische Ministerpräsident 1975 einen Gesamtentwurf zur Konsolidierung und künftigen Ausrichtung und Entwicklung der EG vor. Obwohl der Bericht Kompromißcharakter trug und pragmatisch auch nur auf eine Politik kleiner Schritte setzte, war er nicht konsensfähig.

Wieder fünf Jahre später, 1980, sorgte erheblich verstärkter Problemdruck — verursacht durch Schwierigkeiten im Innern der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten sowie durch externe Herausforderungen — für eine ganze Serie von Anläufen zur Errichtung einer Europäischen Union:

— Die ehrgeizigste Initiative stellt zweifellos der „Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union“ des Europäischen Parlaments dar, nach über dreijähriger Beratungszeit am 14. Februar 1984 mit 232 gegen 31 Stimmen bei 43 Enthaltungen beschlossen Der Vorschlag wird „Verfassungs“ -Entwurf genannt, denn inhaltlich kommt er einer Verfassung gleich, auch wenn er formal ein ratifikationsbedürftiger Vertrag ist.

Europäische Union wird hier mit einer bundesstaatlichen oder bundesstaatsähnlichen Konstruktion gleichgesetzt. Die Resonanz auf den Vorschlag zeigt, daß an die Realisierung eines so weitreichenden Konzepts nicht zu denken ist.

— 1981 hatte der FDP-Vorsitzende Genscher für die EG „einen neuen politischen Impuls“, nämlich „einen sichtbaren Schritt in Richtung auf die Europäische Union“ gefordert Die Bundesregierung hatte sich den Vorstoß zu eigen gemacht und auf Drängen Italiens eine „Erklärung zu Fragen der wirtschaftlichen Integration“ angefügt. Diese Genscher/Colombo-Initiative zielte auf die Verabschiedung einer „Europäischen Akte“, die die Europäische Union nicht begründen, sondern ihre spätere Errichtung vorbereiten helfen sollte. Eine Revisionsklausel sah vor, daß nach fünf Jahren Bilanz gezogen werden sollte „mit dem Ziel, die erreichten Fortschritte des europäischen Einigungswerkes in einem Vertrag über die Europäische Union zusammenzufassen.“ Hier wird die Haupt- funktion der Initiative Genschers erkennbar: Die EG und ihre Politik sollte auf das politische Ziel der Integration ausgerichtet werden. — Die „Feierliche Erklärung zur Europäischen Union“ vom Europäischen Rat auf seiner Sitzung in Stuttgart im Juni 1983 beschlossen, blieb hinter der deutsch-italienischen Initiative von 1981 in einer Reihe von Punkten zurück und erfuhr zudem noch Vorbehalte der dänischen und griechischen Regierung. Auch wenn die Erklärung zunächst keine operative Bedeutung hatte, so hielt sie die Vertrags-und Unions-Idee aufrecht.

— Der Europäische Rat knüpfte im Sommer 1984 an die Stuttgarter Erklärung an, als er einen Adhoc-Ausschuß für Institutionelle Fragen (sogenannter „Dooge-Ausschuß") einsetzte und ihn beauftragte, Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten als Grundlage für dann fällige „konkrete Entscheidungen hinsichtlich eines Fortschritts in Richtung auf eine Europäische Union“ auszuarbeiten.

Der 1985 vorgelegte Dooge-Bericht blieb zwar deutlich hinter dem Verfassungsvorschlag des Europäischen Parlaments zurück, enthielt aber Vorschläge zur Weiterentwicklung der Gemeinschaft, die weit über den Status quo hinausführen würden. Vor allem wurde als übergeordnetes Ziel der Aufbau einer „politischen Einheit“, d. h. eine „Europäische Union“ genannt. Der Bericht listete sodann verschiedene Einzelziele und Maßnahmen auf und forderte schließlich die unverzügliche Einberufung einer Regierungskonferenz, die über den Vertragsentwurf für eine Europäische Union beraten und beschließen sollte. Der Bericht enthielt aber auch in 36 Fußnoten Vorbehalte und Einwände, insbesondere von Dänemark, Griechenland und Großbritannien, die unmißverständlich signalisierten, daß sich an einem solchen Schritt nach vorn nicht alle Staaten beteiligen würden.

— Auf einer Regierungskonferenz Ende 1985 wurde dann doch noch ein gemeinsamer Nenner gefunden: die Einheitliche Europäische Akte (EEA) Die zwölf Mitgliedstaaten entschieden sich damit für eine Reform der EG durch Änderung und Ergänzung der Verträge. Die Errichtung einer Europäischen Union wird als Ziel der weiteren Entwicklung genannt, ohne daß sich die Akte indessen eindeutig zu einer politischen Gemeinschaft als Ziel bekennt.

Daneben enthält die auch „Luxemburger Reform-paket“ genannte EEA folgende Punkte als neue Vertragselemente: das Ziel der Vollendung des Binnenmarktes bis 1992, wobei künftig verstärkt Mehrheitsabstimmungen erfolgen sollen; die Ausrichtung der wirtschafts-und währungspolitischen Kooperation auf das Ziel der Konvergenz; die Erweiterung des Funktionenkatalogs um die Bereiche Forschung und Technologie, Umweltschutz und Sozialpolitik; das Ziel des „wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts“, zu erreichen durch ein neues Konzept für die Verwendung der Strukturfonds und Finanzierungsinstrumente der EG.

Auch die EPZ wird nun auf vertragliche Basis gestellt. Das Entscheidungsverfahren wird nur marginal verändert, vor allem bleibt der Entscheidungsmodus des Rates (Veto-Praxis) im wesentlichen unberührt.

Mit der EEA wird die EG also nur ganz behutsam weiterentwickelt. Das Dokument verkörpert wiederum eine Paketlösung, die die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt. Auch die Realisierung des in der EEA enthaltenen Reformprogramms wird nur möglich sein, wenn jeweils neue Pakete geschnürt werden können. Immerhin gelang mit der EEA die Einbeziehung verschiedener bisher „neben“ dem Vertragssystem angesiedelter Funktionsbereiche und Institutionen in dieses Vertrags-system sowie die Kodifizierung bereits geübter Praxis. 7. Fazit: Vom Zweckverband zum EG-System Aus dem vorstehenden Überblick läßt sich in Beantwortung der eingangs gestellten Frage die Schlußfolgerung ziehen, daß sich die durch die Verträge begründeten drei Gemeinschaften weit über „Zweckverbände funktioneller Integration“ hinaus entwickelt haben:

— Der Funktions-und Kompetenzbereich hat sich erheblich ausgeweitet. Zum einen sind innerhalb des vertraglich begründeten Gemeinschaftsrahmens neue Aufgaben in Angriff genommen und zum andern sind mit EPZ und EWS neue, neben der EG in engerem Sinn angesiedelte und mit ihr in engstem sachlichem Zusammenhang stehende Ver -bundsysteme geschaffen worden.

— Institutionengefüge und Entscheidungsprozesse haben eine erhebliche Ausdifferenzierung erfahren und an Komplexität gewonnen. Die Struktur des Entscheidungssystems ist durch die enge Verknüpfung mehrerer Ebenen und die Aktivität zahlreicher auf diesen Ebenen angesiedelter Akteure gekennzeichnet. Mit dem Europäischen Gerichtshof, dem Parlament und dem in Ansätzen vorhanBdenen Tripartismus verfügt das gemeinschaftliche Entscheidungsgefüge über Elemente, die eine als Zweckverband zu charakterisierende internationale Organisation gewiß nicht aufweisen würde. — Das Entstehen einer transnationalen politischen Infrastruktur im Umfeld des EG-Entscheidungsgefüges und die engen wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen gesellschaftlichen Akteuren und den Gemeinschaftsinstitutionen stellen Merkmale dar, die der EG eine gegenüber einem Zweckverband unverwechselbare neue Qualität geben. — Schließlich zeigen die wiederholten Anläufe zur Schaffung einer übergreifenden politischen Gemeinschaft („Union“), daß sich die EG-Mitgliedstaaten nicht mit der Erfüllung der anfangs festgelegten Ziele der „Zweckverbände“ begnügen wollen, sondern Integration als dynamischen Prozeß innerhalb der von ihnen begründeten Gemeinschaft verstehen.

Mit der Bezeichnung „EG-System“ soll dieser über den Charakter des Zweckverbandes hinausgehenden Qualität der Zwölfer-Gemeinschaft Ausdruck verliehen werden.

III. Merkmale und Entwicklungsperspektiven des EG-Systems

1. Errungenschaften des EG-Systems

Das im vorigen Abschnitt im einzelnen skizzierte EG-System ist das gegenwärtige Ergebnis des westeuropäischen Integrationsprozesses, der lange vor Abschluß der Römischen Verträge eingesetzt, allerdings durch die Verträge wichtige und folgenreiche Impulse erhalten hat. Erinnert man sich an ursprüngliche Ziele und Leitbilder, so hat das EG-System die folgenden Errungenschaften, also Ergebnisse des Integrationsprozesses, aufzuweisen:

— Das EG-System stellt eine Sicherheits-Gemeinschaft dar. Das bedeutet, „daß in den Beziehungen der Staaten zueinander Regeln gelten und beachtet werden, die gewaltsamen Konfliktaustrag ausschließen. Wo es Interessengegensätze und Meinungsverschiedenheiten gibt, werden diese nach bestimmten Regeln (einschließlich rechtlicher Verpflichtungen im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen) ausgetragen. Dazu gehört weiter ein enges Geflecht von Beziehungen, gehört Verklammerung und gegenseitige Durchdringung, gehört gegenseitige Abhängigkeit einschließlich des Wissens um diese Strukturen. Das Verhalten der Mitglieder dieser Sicherheits-Gemeinschaft ist insofern kalkulierbar geworden.“ 35)

— Das EG-System stellt eine Werte-Gemeinschaft dar. Von Anfang an waren die Achtung von Grund-und Menschenrechten, Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Gerechtigkeit zentrale Orientierungspunkte der auf die Schaffung einer integrierten Gemeinschaft hinwirkenden politischen Kräfte. In verschiedenen Grundsatzerklärungen von Gemeinschaftsorganen wird dieser Charakter der Gemeinschaft immer wieder unterstrichen Der Beitritt der ehemals unter autoritären Regimen stehenden drei südeuropäischen Staaten ist ebenso ein Indikator für dieses Merkmal der Gemeinschaft wie Bemühungen der EG, in das Lome-Abkommen so etwas wie eine Menschenrechtsklausel einzufügen. — Das EG-System stellt eine Wirtschaftsgemeinschaft dar. Auf verschiedensten Bereichen der Wirtschaft wird die Gemeinschaft tätig, in aller Regel neben den Mitgliedstaaten und mit ihnen zusammen. Sie richten einen Teil ihrer wirtschaftlichen und sozialen Erwartungen auf die Gemeinschaft. — Das EG-System stellt für seine Mitglieder einen Ordnungs-und Handlungsrahmen dar. Das bedeu-, tet, daß die Lösung von Problemen gemeinsam angestrebt wird und dabei bestimmte Verfahrensregeln und Verhaltensweisen befolgt werden. „Als Ordnungs-und Handlungsrahmen stellt das EG-System eine dauerhafte Größe und nicht nur eine zeitlich befristete Koalition dar. Die gegenseitige Bindung der Mitglieder soll Bestand haben; sie soll verläßlich und im Innern wie für außenstehende Dritte kalkulierbar sein. Das EG-System ist in diesem Sinn also mehr als nur die Summe einzelner Sektorpolitiken, es hat mit dieser Eigenschaft eine darüber hinausgehende Qualität.“ — Das EG-System ist schließlich Problemlösungsebene, die als solche neben den Nationalstaat tritt und ihn ergänzt. Bei neu auftretenden Problemen wie für die Bewältigung von Routine-Aufgaben wird es ins Kalkül der Mitgliedstaaten stets einbezogen. Sie sehen in ihm den bevorzugten Bezugsrahmen außerhalb des eigenen Nationalstaats.2. Der Charakter des EG-Systems In der wissenschaftlichen Diskussion um die Deutung des EG-Systems werden u. a. zwei Begriffe verwendet, die seine charakteristischen Merkmale treffend bezeichnen: es sei ein Verflechtungs-und ein Konkordanzsystem. a) Die EG als Verflechtungssystem ^ Mit dem anschaulichen Ausdruck „Verflechtung“

wird auf verschiedene Merkmale des EG-Systems abgehoben:

— Da sind zum ersten mehrere miteinander verknüpfte und keineswegs hierarchisch klar einander zugeordnete Ebenen: die nationale Ebene der Mitgliedstaaten, die supranationale Ebene der Gemeinschaftsorgane, die transnationale Ebene, auf der sich grenzüberschreitende Kooperation und transnationale Organisation politischer und gesellschaftlicher Kräfte, wie Parteien, Interessenverbände und Unternehmen, abspielen, schließlich die subnationale Ebene, die von territorialen Einheiten unterhalb des Gesamtstaates gebildet wird, die in der Bundesrepublik Deutschland als Länder Staats-qualität haben in anderen EG-Mitgliedstaaten als Regionen, Landesteile, autonome Gemeinschaften in rechtlich anderer Form anzutreffen sind.

Diese Ebenen sind hinsichtlich der EG-Politik eng miteinander verflochten.

— Da ist zweitens die Verflechtung verschiedener Politiken im Rahmen des EG-Systems. Z. B. spielen umweltpolitische Implikationen beim Aufbau des Binnenmarktes ebenso eine Rolle wie bei der Energie-und Technologiepolitik oder bei der Agrarpolitik der Gemeinschaft. Entwicklungen auf einem Politiksektor haben Auswirkungen auf andere Politikfelder und müssen daher in der Regel gemeinsam behandelt werden.

— Drittens sind schließlich eine große Zahl politischer Akteure, auf verschiedenen Ebenen angesiedelt sowie zum gouvernementalen und nichtgouvernementalen Bereich gehörend, eng miteinander verflochten, wie die Skizzierung des gemeinschaftlichen Entscheidungsgefüges und seines Umfelds gezeigt hat.

Verflechtung ist zwar nicht synonym mit Integration zu verstehen. Wohl aber gilt, daß Integrationsbestrebungen von Anfang an auf Schaffung eines Verbundes, der durch vielfältige Verflechtunge gekennzeichnet ist, ausgerichtet waren. Verflech tung ist also ein erwünschtes Ergebnis von Integra tionsprozessen und ist, im EG-Rahmen deutlich erkennbar erfolgt. b) Die EG als Konkordanzsystem

Die Bezeichnung „Konkordanzsystem“ bezieht siel auf das EG-Entscheidungssystem und typische Merkmale der innerhalb der Gemeinschaft ablau fenden Entscheidungsprozesse. In der Anwendung auf die EG wird „Konkordanzsystem“ definiert als „Internationales System, in dem es die Akteure möglich finden, ihre Interessen zu harmonisieren, ihre Gegensätze auszugleichen und aus ihren Interaktionen gegenseitige Belohnungen zu erhalten“.

Die Gemeinschaft als „Konkordanzsystem“ zu deuten heißt nicht, ihren Charakter als Rechtsgemeinschaft zu leugnen oder als unwichtig abzutun, wie er insbesondere auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Ausdruck kommt. Vielmehr sollen die Vorzeichen politischer Verhaltensweisen und Entscheidungsprozesse auf einen Begriff gebracht und ihr hervorstechendstes Merkmal, nämlich der „Zwang“ zu einvernehmlichen Entscheidungen, herausgestellt werden. 3. Die Entwicklung des EG-Systems Welche Entwicklungsmöglichkeiten können dem EG-System, das durch ein hohes Maß von Verflechtung gekennzeichnet ist und dem Konkordanzgebot gehorcht, zugeschrieben werden? Generell sind nur solche Entwicklungen möglich, die die Zustimmung aller beteiligten Mitgliedstaaten gefunden haben.

Die bisherigen Erfahrungen bestätigen diese Notwendigkeit von Konsens und Kompromiß. Angesichts von Strukturunterschieden und Interessen-divergenzen sowie verschiedenartigen integrationspolitischen Leitbildern heißt das:

— Entscheidungen sind stets nur auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners möglich; sie werden in der Regel als „Paketlösungen“ getroffen. Entscheidungen sind insbesondere dann schwierig, wenn Verteilungsfragen anstehen und Umverteilungsvorschläge erworbene Besitzstände in Frage stellen. Das zeigt die immer noch nicht abgeschlossene Diskussion über ein angemessenes und gerechtes EG-Finanzsystem. — Entscheidungen über die Entwicklung des EG-Systems werden, sofern sich die Interessenlage der Beteiligten nicht grundlegend ändert, stets nur kleine und kleinste Schritte ermöglichen, nicht aber den „großen Sprung“. Überträgt man die Erfahrungen mit „Politikverflechtung“ im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland auf die EG, dann gehört auch zum EG-Verflechtungssystem eine Entscheidungsstruktur, die u. a. durch ihre Unfähigkeit charakterisiert wird, „die institutioneilen Bedingungen ihrer Entscheidungslogik zu verändern“ Die EEA als bescheidene Fortentwicklung des EG-Systems nach langer und mühsamer Reformdiskussion bestätigt diese Feststellung. Der Integrationsprozeß hat nicht zur Errichtung eines europäischen Bundesstaates geführt. Er hat die Nationalstaaten nicht nur nicht beseitigt oder entscheidend geschwächt; in seinem Verlauf wurden sie vielmehr gekräftigt aber eben zugleich auch miteinander und stärker verflochten voneinander abhängig gemacht. Der Integrationsprozeß ist insofern nicht nach Art eines Nullsummenspiels abgelaufen.

Da er auch künftig unter den Bedingungen von Politikverflechtung und Konkordanzgebot ablaufen wird, kann sich das EG-System nicht grundlegend und in großen Schritten wandeln. Stabilität und Beharrungsvermögen, die das EG-System damit erreicht hat, verhindern zugleich seinen raschen und durchgreifenden Wandel als auch sein Auseinanderbrechen. Ob und wie sich das EG-System weiterentwickelt, also zu Anpassungen seines Funktionsbereichs und seines Entscheidungsgefüges fähig ist, hängt von den inneren und äußeren Impulsen und Herausforderungen ab sowie von der Fähigkeit der politisch Verantwortlichen, sich für solche Anpassungen im Rahmen eines nur wenig dynamischen Integrationsprozesses auf einen gemeinsamen Nenner zu verständigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Am 18. April 1951 wurde in Paris der Vertrag über die Montan-Union unterzeichnet. Zusammen mit EWG und EAG existieren damit drei Gemeinschaften. Seit der Zusammenlegung der Exekutiven der drei Gemeinschaften — die Kommission ist seit 1965 für alle drei (Teil-) Gemeinschaften zuständig — hat sich die Bezeichnung Europäische Gemeinschaft (EG) eingebürgert.

  2. Dieser Beitrag enthält insgesamt nur wenige Nachweise in Fußnoten. Daher sei auf folgende wichtige Titel verwiesen: Wolfgang Harbrecht, Die Europäische Gemeinschaft. Stuttgart 19842; Wichard Woyke (Hrsg.). Europäische Gemeinschaft. Problemfelder. Institutionen. Politik. Pipers Wörterbuch zur Politik, Bd. 3, hrsg. von Dieter Nohlen, München 1984; Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Gemeinschaft. Rechtsordnung und Politik, Baden-Baden 19822; Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hrsg.). Jahrbuch der Europäischen Integration 1980ff.. Bonn 1981 ff.; sowie die folgenden drei Zeitschriften: Europa-Archiv, Europa-Recht. Integration.

  3. Dieses Kapitel stützt sich wesentlich auf Heinrich Schneider, Leitbilder der Europapolitik 1. Der Weg zur Integration, Bonn 1977.

  4. Vgl. dazu den vom Institut für Europäische Politik, Bonn, herausgegebenen Sammelband: Das Europa der Siebzehn. Bilanz und Perspektiven von 25 Jahren Europarat, Bonn

  5. Ausführlich Hanns Jürgen Küsters, Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Baden-Baden 1982.

  6. Vgl.den Tagungsbericht von Rudolf Hrbek, 30 Jahre danach: Eine Bilanz westeuropäischer Integrationspolitik, in: Integration, (1987) 2, S. 87— 91.

  7. Diesen Begriffverwendet Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972, S. 196— 200.

  8. Ausführlich Hans von der Groeben, Aufbaujahre der Europäischen Gemeinschaft. Das Ringen um den Gemeinsamen Markt und die Politische Union (1958— 1966), Baden-Baden 1982.

  9. Vgl. dazu Hans-Eckart Scharrer/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Das Europäische Währungssystem. Bilanz und Perspektiven eines Experiments, Bonn 1983.

  10. So z. B. in seinem Beitrag „Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Europäischen Währungssystems“, in: Europa-Archiv, (1985) 8, S. 223— 232, sowie in einer zusammen mit Giscard gestarteten neuen Initiative zu Beginn des Jahres 1987.

  11. So formuliert in Art. 1 der Fondsverordnung.

  12. Vgl. dazu Konrad von Moltke, Europäische Umweltpolitik, in: Woyke (Anm. 2), S. 259— 263.

  13. Zur Anfangsphase Reinhardt Rummel/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Die Europäische Politische Zusammenarbeit. Leistungsvermögen und Struktur der EPZ. Bonn 1978. Eine sehr nützliche Dokumentation (Europäische Politische Zusammenarbeit [EPZ], Bonn 19847) hat das Auswärtige Amt herausgegeben.

  14. Vgl. dazu Rolf Lahr, „Die Legende vom Luxemburger Kompromiß“, in: Europa-Archiv, (1983) 8, S. 223— 232.

  15. Vgl. Eberhard Grabitz/Otto Schmuck/Sabine Steppat/Wolfgang Wessels, Das Europäische Parlament — verurteilt zur Machtlosigkeit? Auf der Suche nach einem neuen Leitbild, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/86, S. 22—37.

  16. Ausführlich dazu Wolfgang Wessels, Der Europäische Rat. Stabilisierung statt Integration? Geschichte, Entwicklung und Zukunft der EG-Gipfelkonferenzen, Bonn 1980.

  17. Vgl. Konrad Schwaiger/Emil Kirchner, Die Rolle der Europäischen Interessenverbände. Eine Bestandsaufnahme der europäischen Verbandswirklichkeit. Baden-Baden

  18. Emil J. Kirchner, Interessenverbände im EG-System und der Integrationsprozeß, in: integration, (1986) 4, S. 156-165, hier S. 163.

  19. Grundlegend für die Anfangsjahre Norbert Gresch, Transnationale Parteienzusammenarbeit in der EG, Baden-Baden 1978.

  20. Vgl. Rudolf Hrbek. Die europäischen Parteienzusammenschlüsse, in: Werner Weidenfeld/Wolfgang Wessels (Hrsg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 1984, Bonn 1985, S. 271— 283, hier S. 281, und Oskar Niedermayer, Zehn Jahre europäische Parteienbünde: Kein Integrationsschub, in: integration, (1985) 4, S. 174— 181.

  21. Beate Kohler-Koch/Hans-Wolfgang Platzer, Tripartismus — Bedingungen und Perspektiven des sozialen Dialogs in der EG, in: integration, (1986) 4, S. 166— 180.

  22. Vgl. Ulrich von Alemann (Hrsg.), Neokorporatismus, Frankfurt-New York 1981.

  23. Die Umfrage-Ergebnisse werden zweimal jährlich in dem von der EG-Kommission herausgegebenen „eurobarometer" veröffentlicht.

  24. Vgl. Thomas A. Herz, Europa in der öffentlichen Meinung. Zur politischen Mobilisierung in Deutschland und Frankreich zwischen 1962 und 1973, Bonn 1978.

  25. Vgl. dazu Herz (Anm. 24).

  26. Die „Europäische Union“ war Gegenstand eines größeren, von Hans von der Groeben und Hans Möller geleiteten Forschungsprojekts unter dem Titel „Möglichkeiten und Grenzen einer Europäischen Union“. Die Ergebnisse sind in insgesamt sechs Bänden veröffentlicht worden. Während die Bände 2— 5 speziellen Politiken gewidmet waren, befaßte sich Bd. 1 („Die Europäische Union als Prozeß“. Baden-Baden 1980) — mit Beiträgen von Hans von der Groeben, Hans Möller, Rudolf Hrbek und Heinrich Schneider — mit grundsätzlichen Aspekten der im Begriff „Europäische Union“ liegenden Problematik.

  27. Siehe dazu Rudolf Hrbek, Die „Europäische Union“ als unerfüllbare integrationspolitische Daueraufgabe? Lehren aus dem Reform-Septennium der EG (1980— 1987), in: Ernst-Joachim Mestmäcker /Hans Möller /Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Eine Ordnungspolitik für Europa. Festschrift für Hans von der Groeben, Baden-Baden 1987.

  28. Vgl. dazu Jürgen Schwarze/Roland Bieber (Hrsg.), Eine Verfassung für Europa. Von der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union, Baden-Baden 1984, mit dem

  29. Die Rede ist abgedruckt in: Europa-Archiv, (1981) 6, S. D 164.

  30. Sie ist abgedruckt in: Europa-Archiv, (1982) 2, S. D 50-55.

  31. Abgedruckt in: Europa-Archiv, (1983) 15, S. D 420427.

  32. Abgedruckt in: Europa-Archiv, (1985) 9, S. D 240ff. Zur Interpretation Welches Europa? vgl. Rudolf Hrbek, Zum Zwischenbericht des Ad-hoc-Ausschusses für institutioneile Fragen („Dooge-Committee"), in: integration, (1985) 1, S. 3-10.

  33. Abgedruckt in: Europa-Archiv, (1986) 6, S. D 164182. Zur Interpretation vgl. Rudolf Hrbek, EG-Reform in kleinen Schritten, in: Wirtschaftsdienst, (1986) 4, S. 172— 178; Wolfgang Wessels, Die Einheitliche Europäische Akte — Zementierung des Status quo oder Einstieg in die Europäische Union?, in: integration, (1986) 2. S. 65 — 79; Werner Weidenfeld, Die Einheitliche Europäische Akte, in: Außenpolitik, (1986) 4, S. 375-383.

  34. Vgl. zu dieser Interpretation die Ausführungen von Rudolf Hrbek und Wolfgang Wessels in dem von ihnen herausgegebenen Sammelband: EG-Mitgliedschaft: ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland?, Bonn 1984.

  35. So etwa die Erklärung der Außenminister der EG-Staaten zur europäischen Identität von 1973, die Erklärung des Europäischen Rats zur Demokratie von 1978, die „Feierliche Erklärung von Stuttgart“ von 1983 und schließlich die Präambel der EEA von 1986.

  36. Hrbek/Wessels (Anm. 34), S. 517.

  37. Dieser Begriff wird im Rahmen der Europa-Forschung seit knapp einem Jahrzehnt verwendet. Einen systematischen und sehr scharfsinnigen Vergleich zwischen dem Phänomen der Politikverflechtung in der Bundesrepublik Deutschland und in der EG hat jüngst Fritz W. Scharpf vorgelegt; vgl.ders.. Die Politikverflechtungs-Falle: Europäische Integration und deutscher Föderalismus im Vergleich, in: Politische Vierteljahresschrift. (1985) 4. S. 323— 356.

  38. Vgl. Rudolf Hrbek/Uwe Thaysen (Hrsg.). Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften. Baden-Baden 1986; sowie Rudolf Hrbek, Die deutschen Länder und die EG-Politik, in: Außenpolitik. (1987) 4. S. 120— 132.

  39. Den Begriff hat Donald J. Puchala in seinem Aufsatz „Of Blind Men, Elephants and International Integration“, in: Journal of Common Market Studies, 10 (1972) 3, S. 267— 284, auf die EG angewandt. Vgl. zu diesem Konzept auch Rudolf Hrbek. Die EG ein Konkordanzsystem? Anmerkungen zu einem Deutungsversuch der politikwissenschaftlichen Europaforschung, in: Roland Bieber/Albert Bleckmann u. a. (Hrsg.), Das Europa der zweiten Generation. Gedächtnisschrift für Christoph Sasse, Bd. 1, Baden-Baden 1981, S. 87-103.

  40. Scharpf (Anm. 38), S. 350.

  41. Das ist die These von Stanley Hoffmann. Reflections on the Western Today, Journal Nation-State in Europe in: of Common Market Studies, (1982) 1 u. 2. S. 21— 37, hier S. 21. Die These hat überwiegende Zustimmung gefunden.

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Rudolf Hrbek, Dr. phil., geb. 1938; Professor für Politikwissenschaft an der Universität Tübingen. Veröffentlichungen u. a.: Die SPD, Deutschland und Europa. Die Haltung der Sozialdemokratie zum Verhältnis von Deutschland-Politik und Westintegration (1945 — 1957), Bonn 1972; (zus. mit Hans von der Groeben, Hans Möller und Heinrich Schneider) Die Europäische Union als Prozeß, Baden-Baden 1980; (Hrsg. zus. mit Wolfgang Wessels) EG-Mitgliedschaft: Ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland?, Bonn 1984; (Hrsg. zus. mit Uwe Thaysen) Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, Baden-Baden 1986.