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Die deutsche und polnische Frage in der deutschen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts | APuZ 14/1987 | bpb.de

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APuZ 14/1987 Die deutsche Frage in der französischen Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts Deutschland und die deutsche Frage in der polnischen Geschichtsschreibung im 19. und 20. Jahrhundert Die deutsche und polnische Frage in der deutschen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts Von der „Befreiung“ zur „Verantwortungsgemeinschaft“. Die Deutschlandpolitik der Bundesrepublik und der DDR

Die deutsche und polnische Frage in der deutschen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts

Wolfgang Wippermann

/ 23 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Lösung der deutschen Frage war nicht ohne und schon gar nicht gegen Polen möglich und anstrebenswert. Dieser Zusammenhang war den deutschen Liberalen im Vormärz durchaus bewußt. Dennoch haben sie sich bereits in der Paulskirche für eine Lösung der deutschen auf Kosten der polnischen Frage entschieden. Im Kaiserreich hat man die Existenz einer polnischen Frage entweder geleugnet oder versucht, die polnische Minderheit durch Zwang zu germanisieren. Dieser Weg war nicht zwangsläufig. In Teilen der deutschen Historiographie und Publizistik ist der enge Zusammenhang zwischen deutscher und polnischer Frage erkannt worden, wurden transnationale, europäisch-föderative Alternativen entwickelt. Sie sind jedoch von den vorherrschenden klein-und „alldeutschen“ Historikern scharf abgelehnt, ja meist noch nicht einmal zur Kenntnis genommen worden. Diese Historiker haben das Gewordene kritiklos bejaht und verherrlicht. Dies gilt sowohl für die Gründung des kleindeutschen Reiches auf Kosten Polens wie für seine immer schärfer werdende Minderheitenpolitik. Ihre politisch motivierten, aber historisch legitimierten Vorschläge wurden um so aggressiver, je erfolgloser diese Minderheitenpolitik wurde. Mehr aus einem Gefühl der Angst heraus zeigten sich diese Historiker bereit, „alldeutsche“, „völkische“ und schließlich auch rassistische Vorstellungen und Ideologien zu übernehmen und offensiv zu vertreten. Maßgebend war die irrationale Hoffnung, die Strukturprobleme des kleindeutschen Nationalstaates durch einen „Sprung nach vorn“, durch den „Griff nach der Weltmacht“ im Zeichen des Imperialismus und schließlich des Rassismus überwinden zu können.

1848 erklärte der kurhessische Abgeordnete Karl Wilhelm Wippermann im 50er Ausschuß des Frankfurter Paulskirchenparlaments, daß es, zumindest im südlichen Deutschland, „keinen einzigen Gegner von Polen, nur sehr wenige laue Freunde, aber unendlich viele eifrige Freunde desselben“ gebe 1). Wie Wippermann dachten damals viele deutsche Liberale und Patrioten. Sie waren Polenfreunde und strebten sowohl die deutsche Einheit wie die Wiederherstellung Polens an. Sie wollten, wie das Schlagwort lautete, „für unsere und eure Freiheit“ kämpfen. Beides war in ihren Augen untrennbar miteinander verbunden. Die Lösung der deutschen Frage war für sie nicht ohne und schon gar nicht gegen Polen möglich und anstrebenswert.

Diese deutschen Liberalen hatten recht. Die deutsche Frage war untrennbar mit der polnischen verbunden. Ein deutscher Einheitsstaat durfte nicht auf Kosten, sondern nur im Einvernehmen mit einem wiederhergestellten Polen errichtet werden. Von diesem, m. E. grundlegenden, aber innerhalb der neueren Forschung 2) wenig beachteten Tatbestand gehe ich aus und möchte drei Fragen beantworten: Warum der Zusammenhang von deutscher und polnischer Frage von den handelnden deutschen Politikern geleugnet wurde; wieso es zur antipolnischen Lösung der deutschen Frage kam. Ob der Zusammenhang von deutscher und polnischer Frage innerhalb der deutschen Historiographie und Publizistik völlig übersehen worden ist; ob es hier Vorschläge gab, die deutsche Frage nicht im kleindeutsch-nationalstaatlichen, sondern im trans-nationalen, europäisch-föderativen Sinne zu lösen. Schließlich möchte ich untersuchen, warum die vorherrschenden „klein“ -und „alldeutschen“ Historiker diesen Zusammenhang geleugnet, die polnische Frage nicht beachtet haben und welche politischen Ursachen und politischen Folgen dies hatte.

Die antipolnische Lösung der deutschen Frage

1848, als zum ersten Mal — fast erfolgreich — versucht wurde, die deutsche Frage zu lösen, war den handelnden Personen der enge Zusammenhang von deutscher und polnischer Frage durchaus bewußt. Ein in seiner symbolhaften Bedeutung kaum zu unterschätzendes Ereignis der Revolution war die Befreiung der polnischen Gefangenen des Aufstandes von 1846 in Berlin-Moabit. Das Gefängnis Moabit war gewissermaßen so etwas wie die deutsche oder preußische Bastille; Mieroslavski und seine Mithäftlinge wurden im Triumphzug durch das mit weiß-roten und schwarz-rot-goldenen Fahnen geschmückte Berlin geführt. Die Revolution von 1848 stand zumindest zu Beginn ganz im Zeichen von Weiß-Rot und Schwarz-Rot-Gold, im Zeichen des deutschen und polnischen Liberalismus und Patriotismus 3). Doch die deutsch-liberale Polenbegeisterung des Vormärz war schon vor 1848 auf Kritik gestoßen Sie trug unverkennbare schwärmerische, ja irrealapolitische Züge und basierte sehr wesentlich auf der Feindschaft gegen Rußland. Diese Feindschaft richtete sich nicht nur gegen das politische, also zaristische System Rußlands, sondern gegen die Russen schlechthin. Gerade viele der damals so beliebten und politisch wirkungsvollen „Polenlieder“ sind durch einen geradezu fanatisch wirkenden Russenhaß gekennzeichnet. Nicht geklärt, ja geradezu verdeckt und verschwiegen wurde auch von den liberalen Polenfreunden die Frage, wo denn die Westgrenze des wiederherzustellenden Polens verlaufen sollte. Dies hing eng damit zusammen, daß das Polen vor 1772 ja kein Nationalstaat im modernen Sinne war und sein konnte. Die polnische Adelsrepublik war transnational, transkonfessionell (dabei zumindest bis weit ins 18. Jahrhundert hinein bemerkenswert tolerant gegenüber , nationalen und konfessionellen , Minderheiten), und sie war natürlich eine Adelsrepublik, d. h. die Staatsform einer — allerdings sehr breiten — herrschenden Klasse

Alle Momente oder Argumente haben in der berühmten Polendebatte der Paulskirche eine große Rolle gespielt Es war vor allem der bis dahin als liberal angesehene Wilhelm Jordan, der die Polenbegeisterung des Vormärz als sentimentale Schwärmerei abtat, die Fehler der polnischen Adelsrepublik emporhob, wobei er zumindest indirekt auf das allgemein bekannte Schlagwort von der „polnischen Wirtschaft“ hinwies und die Tatsache hervorhob, daß in den Gebieten, die vor 1772 zu Polen gehört hatten, Deutsche lebten. Schließlich malte er das Schreckgespenst des aggressiven polnischen Nationalismus, ja, weil Polen und Russen „stammverwandt“ seien, des „Slavismus" an die Wand. Der Abgeordnete Löw aus Posen schloß sich der Argumentation Jordans an und wies auf ein weiteres Moment hin, das ebenfalls auf viele Liberale großen Eindruck machte, nämlich auf die — angebliche — Judenfeindschaft der Polen. Richtig daran war, daß die Posener Juden sich in Sprache, Kultur und politischer Einstellung nicht an der polnischen Mehrheit, sondern an der deutschen Minderheit in Posen orientierten, sich als Deutsche und zu Deutschen assimilieren wollten.

Doch diese fünf bzw.sechs Punkte waren nicht die einzigen und m. E. auch nicht entscheidenden Gründe, weshalb sich die Mehrheit der Abgeordneten der Paulskirche für die Teilung der Provinz Posen und damit gegen die Wiederherstellung Polens in den Grenzen von 1772 aussprach. Entscheidend war vielmehr, daß die deutschen Liberalen und Revolutionäre zwar auf Polen blickten, sich aber im Hinblick auf ihren Nationsbegriff an Frankreich orientierten. Der moderne, in Frankreich geprägte und hier auch verwirklichte Nationsbegriff im Sinne der einheitlichen und unteilbaren Nation war aber nicht so einfach auf Deutschland übertragbar. Bei jeder der in der Paulskirche diskutierten Lösungen der deutschen Frage, ob nun im klein-oder im großdeutschen Sinne, wie man später sagte, blieben nämlich Deutsche aus dem neuen deutschen Nationalstaat ausgeschlossen (z. B. im Baltikum, in Ost-und Südosteuropa) und es mußten, was wohl noch wichtiger war, Nicht-Deutsche in Deutschland als nationale oder ethnische Minderheit leben. Dies waren (und wurden dann nach der „kleindeutschen“ Reichsgründung) Franzosen und/oder Elsässer im Elsaß (an das ebenfalls annektierte rein französische Lothringen dachte 1848 kaum jemand) sowie Wallonen im Westen, Dänen im Norden, möglicherweise Kroaten und Slowenen im Süden (Kärnten), Litauer und vor allem Polen im Osten. Hinzu kamen die, wie ich es nennen möchte, ethnischen Minderheiten der Sorben, Kaschuben und Masuren, die sich dann im Zuge und als Folge des von der kaiserlichen Reichsregierung geführten sogenannten Nationalitätenkampfes ebenfalls zum Teil „nationalisierten“, d. h. sich als Teil einer nationalen Minderheit fühlten Es ist hier nicht Zeit und Ort, näher auf die Geschichte des sogenannten Nationalitätenkampfes im kleindeutschen Reich einzugehen, von dem schließlich auch die Juden betroffen wurden, obwohl sie allenfalls eine religiöse Minderheit waren und sein wollten. Vieles von dem, was sich im Kaiserreich ereignete, wäre vielleicht bei einer besseren, liberaleren Politik der preußisch-deutschen Staatsführung vermeidbar gewesen. Vieles war jedoch unvermeidbar; unvermeidbar u. a.deswegen, weil es in Ostmitteleuropa wegen der nationalen „Gemengelage“ keine alle Seiten befriedigende Grenzziehung nach nationalen Kriterien gab. Als das vom Charakter und Anspruch her vornationale Preußen „in Deutschland aufging“, wurden die preußischen Staatsbürger nichtdeutscher, vor allem polnischer Nationalität gezwungen, das zu werden und zu sein, was sie keinesfalls werden wollten, nämlich Deutsche. Damit war der Nationalitäten-konflikt gewissermaßen vorprogrammiert, ja geradezu unvermeidlich, weil das kleindeutsche Reich nach französischem Vorbild ein Nationalstaat war und sein wollte.

Um so wichtiger und beachtenswerter sind daher die Alternativen zur kleindeutschen, antipolnischen Lösung der deutschen Frage, wie sie in Teilen der deutschen Historiographie und Publizistik des 19. und 20. Jahrhunderts vorgeschlagen worden sind.

Alternativen

Alternativen zur kleindeutschen, antipolnischen Lösung der deutschen Frage sind vor allem innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung vorgeschlagen und diskutiert worden. Bei einigen Repräsentanten, genannt seien hier nur Wilhelm und Karl Liebknecht sowie Rosa Luxemburg, war und blieb der Gedanke des Internationalismus lebendig, wurde nicht oder nicht völlig auf dem Altar der Parteiräson und der Staatstreue geopfert. In diesem Zusammenhang ist auch die enge Verbindung zwischen der deutschen und der polnischen Frage erkannt und die Unterdrückungspolitik gegenüber den nationalen und ethnischen Minderheiten kritisiert worden

Zu erwähnen ist ferner die kleine und politisch leider nicht sehr einflußreiche deutsche Friedensbewegung. In den Schriften von Fried, Quidde, Foerster, um nur einige Namen zu nennen, werden ebenfalls der enge Zusammenhang der deutschen und polnischen Frage erkannt, die Polen-und Minderheitenpolitik des Deutschen Reiches kritisiert und föderative, europäische Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen

Auch innerhalb der deutschen Historiographie vor und nach 1848 gab es Stimmen und Tendenzen, die den Zusammenhang von deutscher und polnischer Frage erkannten und föderative, d. h. nicht-nationalstaatliche Lösungsmöglichkeiten im europäischen Kontext vorschlugen. Zumindest Ansätze kann man innerhalb der liberalen Historiographie des Vormärz, zum Beispiel bei Schlosser und Zimmermann sowie bei Ranke finden, obwohl gerade Ranke ansonsten wenig Verständnis für Polen und die polnische Frage gezeigt hat.

Besonders wichtig und erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang Julius Fröbel, Karl Vogt und Constantin Frantz Alle drei suchten nach anderen, eben nicht-nationalstaatlichen Lösungen der deutschen Frage, wobei gerade der polnischen Frage große Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Doch ihre europäischen, genauer: ostmitteleuropäischen Föderationspläne und -Vorschläge stießen nicht nur innerhalb der deutschen Rechten, son-dem auch innerhalb der Linken auf Kritik und Ablehnung. Erinnert sei hier nur an die Kampf-schrift von Karl Marx .. Herr Vogt“ aus dem Jahre 1860 Derartige Gedanken konnten und wurden jedoch auch in der Folgezeit nicht völlig totgeschwiegen. Gerade Constantin Frantz’ Schriften fanden immer wieder Beachtung, obwohl oder gerade weil sie außer-bzw. überhalb der die deutsche Historiographie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts so prägenden Debatte über die klein-oder großdeutsche Lösung der deutschen Frage standen

In dieser historiographischen Auseinandersetzung, die ich hier nicht in allen Einzelheiten behandeln möchte, haben einige der dann unterlegenen soge-nannten Großdeutschen die Bedeutung der polnischen Frage erkannt. Dies gilt jedoch nicht so sehr für den Hauptexponenten des Sybel-Fickerschen Streits. Julius Ficker vertrat ganz offensichtlich die Ansicht, daß die naturgemäß noch zahlreicheren nationalen Minderheiten in dem von ihm propagierten großdeutschen Reich integrierbar seien. Sein Opponent Heinrich von Sybel hatte daher recht, als er 1862 schrieb: „Es scheint auch uns ein Zeichen von Schwäche, wenn ein großes Volk gar keinen Trieb zur Ausdehnung und gar keine Fähigkeit zur Annexion hat. Aber es dünkt uns ebenso bestimmt eine Torheit oder Vergehen, mit blinder Ehrsucht zuammenzuschmieden, was nicht zusammengehört. und die äußere Erweiterung mit innerer Zerrissenheit zu erkaufen. Mit einem Worte, man mag fremde Lande erobern, wenn man stark und klug genug ist, daß im Laufe der Zeiten die bezwungenen Fremden zu wahren Volksgenossen werden . . .“

Dies ist zugleich ein Schlüsselzitat zum Verständnis der deutschen Frage und ihrer Behandlung in der deutschen Historiographie. Sybel und seine Gefährten und Nachfolger, die kleindeutschen oder borussischen Historiker, wollten letztlich nicht wahrhaben, daß die „bezwungenen Fremden“ — die Elsässer und/oder Franzosen, die Wallonen, die Dänen, die Litauer und natürlich vor allem die Polen — zwar „bezwungen“ waren und in das klein-deutsche Reich gezwungen waren, aber hier eben „Fremde“, Angehörige nationaler Minderheiten blieben, die aus eigenem Antrieb und wegen der schon erwähnten Minderheitenpolitik des Deutschen Kaiserreiches nicht zu „wahren“, d. h. treu-deutschen „Volksgenossen“ wurden und werden wollten.

Doch anderen sogenannten Großdeutschen war genau dieses Problem bewußt. Sie wußten und wiesen darauf hin, daß auch die Gründung des klein-deutschen Reiches mit „innerer Zerrissenheit“ erkauft wurde, eben weil sich die nationalen und dann auch die ethnischen Minderheiten nicht in einen deutschen Nationalstaat integrieren lassen wollten, der dann auch noch eine betont nationale, d. h. germanisierende Minderheiten-und vor allem Polenpolitik betrieb. Hier ist der aus Ostfriesland stammende, als Ultramontaner, Habsburger, Partikularist und schließlich auch noch als Welfe gescholtene und dann totgeschwiegene Onno Klopp zu nennen

Aber nicht alle Kritiker der Lösung der deutschen Frage auf nationalstaatlichem Wege, die die Unterdrückung der polnischen und der anderen nationalen Minderheiten im kleindeutschen Reich mit einschloß, ja im gewissen Grade einschließen mußte, ließen sich totschweigen. Vor allem nach dem ersten fehlgeschlagenen Versuch, die deutsche Frage im „alldeutschen“, d. h. aggressiv-imperialistischen Sinne zu lösen, nach dem dann aus Gründen der Chronologie so genannten Ersten Weltkrieg, meldeten sich gerade die Kritiker der deutschen Polenpolitik zu Wort. Hier sind, wiederum leider nur summarisch und ohne Zitate, Hans Delbrück zu nennen, der sich schon während des Kaiserreiches als Kritiker des Deutschen Ostmarkenvereins und des sogenannten Hakatismus profiliert hatte, ferner Hermann Kötzschke und sein 1921 publiziertes Buch „Die deutsche Polenfreundschaft“ sowie der junge, sich damals nur Wolfgang, dann George W. F. nennende Hall-garten und andere

Zu dieser — wenn man will — „Nebenströmung" der deutschen Historiographie über die deutsche Frage ist auch Friedrich Schinkel zu zählen, dessen Buch von 1931 über die „polnische Frage als Problem der preußisch-deutschen Nationalstaatsentwicklung“ allerdings stark von Arthur Moeller van den Brucks Vorstellungen vom „Recht der jungen Völker“ geprägt war Diese Gedanken haben auch einen gewissen Einfluß auf diejenigen Historiker ausgeübt, die im Zeichen des Nichtangriffspaktes zwischen Hitler-Deutschland und Pilsudski-Polen nach scheinbar neuen Wegen suchten, die deutsche Frage im engen Zusammenhang mit der polnischen zu lösen Tatsächlich war in der in diesem Zusammenhang vorgeschlagenen deutsch-polnischen Allianz Polen allenfalls die Rolle des Juniorpartners bzw. Satelliten im europäisch-antibolschewistischen Kreuzzug zugedacht. Natürlich war dies nur eine Episode. Dennoch ist sie bemerkenswert, weil in diesem zeitlichen und ideologischen Kontext Bücher wie Kurt Lücks „Der Mythos vom Deutschen in der polnischen Volksüberlieferung“ erschienen, die auch methodisch anregend waren und es bis heute sind

Doch vielleicht ist es gut und weise, diese sehr merkwürdige Phase im deutsch-polnischen Dialog nicht weiter zu erwähnen. Die haßerfüllten, beispiellos aggressiven antipolnischen Äußerungen vieler deutscher Historiker nach dem Überfall auf Polen zeigen zudem, daß dies nur eine vom nationalsozialistischen Regime verordnete, von den deutschen Historikern zumeist nur widerwillig tolerierte Episode war

Ebenfalls Episode und ebenfalls politisch leicht zu durchschauen blieben nach 1945 Versuche westdeutscher Historiker, wie z. B. von Fritz Gause, eine deutsch-polnische Einigung im Zeichen einer antisowjetisch orientierten Europa-und Abendlandideologie zu erreichen

Die klein-und alldeutschen Historiker

Die klein-und alldeutschen Historiker haben den Zusammenhang zwischen der deutschen und polnischen Frage geleugnet. Dafür waren vor allem politische Gründe maßgebend, die mit unterschiedlicher Deutlichkeit und in unterschiedlicher Schärfe zum Ausdruck gebracht wurden. Dies ist bereits bei der knappen Skizzierung des Streits zwischen den groß-und kleindeutschen Historikern angedeutet worden. Doch bei aller berechtigten Kritik an den politisch sehr durchsichtigen Motiven gerade der kleindeutschen oder borussischen Historiker ist zunächst und mit Nachdruck zu betonen, daß Historiker wie Sybel, Waitz, Droysen, Treitschke u. a.

fachlich ihren großdeutschen Widersachern überlegen waren, weil sie die damals modernen und richtungsweisenden Methoden der Quellenkritik angewandt haben. Dies ist ja — siehe die sogenannte Krakauer Schule — auch von den meisten polnischen Historikern anerkannt worden

Die Übernahme des ursprünglich französischen Nationalstaatsgedankens ist wohl ebenfalls nicht zu kritisieren. Dies war — vielleicht — im Zeitalter der Nationalstaaten unvermeidlich. Zu kritisieren war und ist jedoch, daß das Faktisch-Gewordene, die kleindeutsch-großpreußische Reichseinigung von oben, von diesen Historikern als ebenso notwendig wie alternativlos dargestellt und legitimiert wurde. Damit distanzierten sie sich nicht nur von den geschilderten Alternativen der Lösung der deutschen Frage, sie gaben vielmehr fast jede kritische Distanz gegenüber der preußisch-deutschen Staatsführung auf. Wenn selbst ein so hervorragender Historiker wie Otto Hintze eine Darstellung der neueren deutschen Geschichte unter dem Titel „Die Hohenzollern und ihr Werk“ publizierte dann zeigt dies zur Genüge, wie weit sich die deutschen Historiker im Hinblick auf ihre Obrigkeitstreue und ihre Verherrlichung des Machtstaatsgedankens von ihren europäischen, insbesondere französischen und polnischen Kollegen entfernt hatten. Derartig obrigkeitsbeflissene Darstellungen gab es m. E. weder in Polen noch in Frankreich, sieht man einmal vom Napoleonkult und der bonapartistischen Napoleonlegende ab.

Im Mittelpunkt meiner Kritik steht jedoch die Nicht-, ja Mißachtung der polnischen Frage. Dabei war allen das Problem und der Problemzusammenhang bekannt. Wenn man, was de facto schon das Paulskirchenparlament getan hatte, sich dazu entschloß, ganz Preußen in das kleindeutsche Reich aufzunehmen, dann hatte man eben, wie sich Sybel ausdrückte, „Fremde“, d. h. nationale Minderheiten, vor allem Polen, im deutschen Nationalstaat, der sich schon deshalb vom französischen Vorbild unterschied und unterscheiden mußte. (Die bretonische, korsische, aquitanische „Frage“ war ja im 19. Jahrhundert noch nicht akut.)

Wie wollten die kleindeutschen Historiker dieses Problem lösen? Zunächst gingen sie von der optimistischen Erwartung aus, daß die Polen sich genauso germanisieren würden, wie es die Elb-und Ostseeslaven im Mittelalter getan hatten Gewohnt, in historischen Analogien zu denken und mit den sogenannten Lehren der Geschichte zu arbeiten — siehe den Sybel-Fickerschen Streit —, gingen die kleindeutschen Historiker davon aus, daß sich die Germanisierung ehemals slavischer und polnischer Gebiete auch im 19. Jahrhundert geradezu zwangsläufig und naturgemäß fortsetzen würde. Georg Waitz formulierte in einem 1860 publizierten Aufsatz über die „erste Theilung Polens“ (die „natürlich“ gerechtfertigt wurde), daß „deutsche Cultur, deutsche Bevölkerung den Beruf“ hätten, „sich gegen Osten hin auszubreiten“ Dieses angebliche Gravitationsgesetz von einem kulturellen West-Ostgefälle in der europäischen Geschichte hatte der Historiker Wilhelm Binder schon 1843 in seinem Buch „Der Untergang des polnischen Nationalstaates pragmatisch entwickelt“ folgendermaßen beschrieben: „Die Zivilisation hatte in den letzten Jahrhunderten ihren Gang von Westen nach Osten befolgt und so den Deutschen die Überlegenheit über die Polen, den Polen über die Russen, den Russen über die Tataren verschafft . . ,“

Um den „naturwüchsigen“, weder steuer-und schon gar nicht umkehrbaren Charakter dieser west-östlichen Gravitation und der untrennbar damit verbundenen Germanisierung auszudrücken, gebrauchten viele deutsche Historiker und Publizisten schon seit dem Beginn der vierziger Jahre den Begriff „Drang“ in verbalen und substantivischen Formen, also als drängen, eindringen, vordringen oder eben Drang, im Sinne einer natürlich-naturwüchsigen Kraft, vergleichbar der Kraft, die das Wasser bewegt, von den Höhen in die Täler zu fließen.

Doch all diese „Drang-nach-Osten-Theorien“ und die damit verbundenen politischen Erwartungen erwiesen sich als falsch. Es kam eben nicht, wie Wilhelm Wattenbach noch 1863 erwartete, zu einer „Zeit des kräftigen Vordringens der abendländischen“ sprich: deutschen Kultur. Die Polen, die den revolutionären Aufschwung der polnischen Maiverfassung von 1791 in Erinnerung hatten, die daher auch nur sehr unwillige preußische Staatsbürger geworden waren, wollten nach 1871 auf keinen Fall zu deutschen Staatsbürgern werden, wollten und ließen sich weder indirekt noch direkt „germanisieren“. Polnische Historiker — so weit ich sehe zuerst 1861 der Lelewel-Schüler Karol Szajnocha — erkannten die Gravitationstheorie vom globalen West-Ostgefälle nicht an, wollten im „deutschen Drang nach Osten“ kein Naturgesetz, sondern einen aggressiven „Andrang“ (natisk, napör) sehen und vertraten ihrerseits die These von einem (in der Form eines deutschen Lehnwortes benutzten) epochen-und klassenübergreifenden „deutschen Drang nach Osten“, gegen den sich alle Polen, ja alle Slaven wehren müßten

Die deutschen Historiker haben dies natürlich bemerkt. Ihnen wurde zudem mehr und mehr bewußt, daß sich die polnischen Staatsbürger des deutschen Nationalstaates nicht germanisieren ließen, daß immer mehr Polen immer intensiver ihre nationale Eigenständigkeit betonten, einen eigenen polnischen Staat forderten. Max Weber hat dies 1894 in seiner Freiburger Antrittsrede kurz und treffend folgendermaßen ausgedrückt: „Das Polentum im Osten schien in der ersten Hälfte des Jahrhunderts langsam und stetig zurückgedrängt zu werden, seit den 60er Jahren aber ist es, wie bekannt, ebenso langsam und stetig im Vordringen begriffen.“

Kaum jemand, auch Max Weber nicht, schien jedoch zu bemerken, daß für die Tatsache, daß auf den ostelbischen Gütern und in den Kohlezechen des Ruhrgebietes mehr und mehr Polnisch gesprochen wurde, nicht das polnische „Vordringen“, sondern der Drang der deutschen Junker und Schlot-barone nach Profiten maßgebend war. Kaum jemand war bereit, zuzugeben, daß für das Anwachsen der polnischen Nationalbewegung vornehmlich die Unterdrückungspolitik des deutschen Kaiserreiches verantwortlich war. Anstatt dies anzuerkennen und jedenfalls zu versuchen, die polnische Frage ernst zu nehmen und Lösungen vorzuschlagen, haben die deutschen Historiker die zunehmend aggressiver werdende Polenpolitik des deutschen Kaiserreiches wiederum mit dem Hinweis auf die angeblichen „Lehren der Geschichte“ legitimiert.

Wenn, so wurde argumentiert, die Germanisierung der Polen eben nicht naturwüchsig verlief, dann könne und solle man hier etwas „nachhelfen“. Ein historisches Vorbild wurde schnell gefunden — der Staat des Deutschen Ordens in Preußen und die an sich überwiegend friedlich verlaufene mittelalterliche deutsche Ostsiedlung

Heinrich von Treitschke charakterisierte die Ost-siedlung — man beachte die aggressive Sprache — schon 1862 als das „reißende Hinausströmen deutschen Geistes über den Norden und Osten, das gewaltige Schaffen unseres Volkes als Bezwinger, Lehrer, Zuchtmeister unserer Nachbarn“. Über das Ordensland Preußen, das vom Deutschen Orden in „schonungslosen Rassenkämpfen“ gewonnen worden sei, schrieb er ebenfalls schon 1862: „Es weht ein Zauber über jenem Boden, den das edelste deutsche Blut gedüngt hat im Kampfe für den deutschen Namen und die reinsten Güter der Menschheit.“

Schon bei Treitschke findet man also biologistische, ja sozialdarwinistische Vorstellungen, die bei seinen Schülern und Imitatoren eine immer größere und verhängnisvollere Bedeutung gewinnen sollten. Anlaß und gewissermaßen „Einfallstor“ derartiger sozialdarwinistischer und dann rassistischer Vorstellungen war jedoch vornehmlich das Bestreben vieler deutscher Historiker und Publizisten, den sogenannten Kampf um die Ostmark, d. h. die Germanisierungs-und Unterdrückungspolitik vor allem gegen die polnische Minderheit zu legitimieren.

Dabei blieben sich jedoch Treitschke und die übrigen borussischen Historiker ihrer kleindeutschen Überzeugung treu. An die Gewinnung weiterer Gebiete im Osten dachten sie nicht. Es war Treitschke, der die „Anschluß“ -Bestrebungen gerade der Baltendeutschen zurückwies, wobei er übrigens die baltendeutschen Adligen mit ähnlich scharfen Worten kritisierte, wie es Karl Marx getan hat

Doch diese außenpolitische Zurückhaltung, die aber zugleich ganz allgemein von einer aggressiven Tendenz gegenüber den Polen, den anderen nationalen Minderheiten und den sogenannten Reichs-feinden begleitet war, wurde in der Endphase des Kaiserreiches mehr und mehr aufgegeben. Waren es zunächst Publizisten wie Paul de Lagarde, der schon 1885 forderte, daß Deutschland endlich mit einem großen Kolonisationswerk „nicht in fremden Weittheilen, sondern in unserer nächsten Nähe“, also im Osten und Südosten Europas, beginnen solle stimmten in den Ruf nach einem neuen „deutschen Drang nach Osten“ sehr bald so einflußreiche und mächtige Organisationen wie der All-deutsche Verband ein, obwohl, ja gerade weil immer deutlicher wurde, daß die deutsche Minderheitenpolitik gescheitert war. Maßgebend war offensichtlich die irrationale Hoffnung, die geschilderten Strukturprobleme des kleindeutschen Nationalstaates durch einen „Sprung nach vorn“, durch den „Griff nach der Weltmacht“ überwinden zu können.

Dabei wurde der die Gemüter so bewegende Streit zwischen den Anhängern einer klein-oder groß-deutschen Lösung der deutschen Frage überwunden, ja wurde gewissermaßen obsolet. Man forderte in zunehmender Schärfe eine all-oder, wie es der Historiker Hermann Aubin formulierte, eine „allgemeindeutsche“ Lösung der deutschen Frage und damit faktisch die Hegemonie in Europa Ich erspare mir die Aufzählung und Erwähnung von Beispielen, wie willfährig und geradezu begeistert deutsche Historiker auch Hitlers „Lebensraumpolitik“ verherrlicht und mit den „Lehren der Geschichte“ legitimiert haben

Heute, nach zwei von Deutschland begonnenen Weltkriegen, nach Auschwitz, nach der Zerstörung und Teilung des deutschen Nationalstaates — kurz nach der „deutschen Katastrophe“ — müssen nicht nur die deutsche Frage, sondern auch die deutsche Historiographie zu diesem Problem neu überdacht und kritisch beurteilt werden. Dazu gehört der enge Zusammenhang von deutscher und polnischer Frage.

Zusammenfassung

Die handelnden deutschen Politiker haben den engen Zusammenhang zwischen der deutschen und deutsch-polnischen Frage geleugnet und sich für eine antipolnische Lösung der deutschen Frage im kleindeutschen Reich entschieden, weil 1.der in Frankreich entwickelte und hier auch zumindest weitgehend legitime und zu verwirklichende Nationalstaatsgedanke übernommen wurde, ohne daß 2. geprüft und erkannt wurde, daß eine bloße Übertragung auf die deutschen Verhältnisse nicht möglich war, weil es 3. bei jeder Lösung der deutschen Frage, sei es im klein-oder im großdeutschen Sinne, Deutsche im Ausland und Ausländer in Deutschland leben mußten. Letzteres traf 4. zunächst und vor allem auf die Polen zu, die ebenfalls nach französischem Vorbild die Errichtung eines Nationalstaates anstrebten, der in den Grenzen der vor-und transnationalen polnischen Adelsrepublik von 1772 entstehen sollte. Daher und weil 5. im ostmitteleuropäischen Raum eine beide Seiten befriedigende Grenzziehung nach nationalen Kriterien einfach nicht möglich war, gab es von Anfang an einen untrennbaren Zusammenhang zwischen der deutschen und polnischen Frage. Doch dieser Zusammenhang wurde geleugnet und mißachtet. Dies führte 6. zu einer immer schärfer werdenden Polen-und Minderheitenpolitik im kleindeutschen Nationalstaat. Dieser Weg war nicht zwangsläufig. In Teilen der deutschen Historiographie und Publizistik ist der enge Zusammenhang zwischen deutscher und polnischer Frage erkannt worden, wurden transnationale, europäisch-föderative Alternativen entwikkelt. Sie sind jedoch von den vorherrschenden klein-und „alldeutschen“ Historikern scharf abgelehnt, ja meist noch nicht einmal zur Kenntnis genommen worden. Diese Historiker haben das Gewordene kritiklos bejaht und verherrlicht. Dies gilt sowohl für die Gründung des kleindeutschen Reiches auf Kosten Polens wie für seine immer schärfer werdende Minderheitenpolitik. Ihre politisch motivierten, aber historisch legitimierten Vorschläge wurden um so aggressiver, je erfolgloser diese Minderheitenpolitik wurde. Mehr aus einem Gefühl der Angst heraus zeigten sich diese Historiker bereit, „alldeutsche“, „völkische“ und schließlich auch rassistische Vorstellungen und Ideologien zu übernehmen und offensiv zu vertreten. Maßgebend war die irrationale Hoffnung, die Strukturprobleme des kleindeutschen Nationalstaates durch einen „Sprung nach vorn“, durch den „Griff nach der Weltmacht“ im Zeichen des Imperialismus und schließlich des Rassismus überwinden zu können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Karl Juchow, Verhandlungen des deutschen Parlaments. I. Verhandlungen des Vorparlaments. II. Verhandlungen der 50er Ausschusses und der 17 Vertrauensmänner, Bd. 2, Frankfurt am Main 18482, S. 392. Allgemein zur Polen-freundschaft der deutschen Liberalen: Eberhard Kolb, Polenbild und Polenfreundschaft der deutschen Frühliberalen. Zur Motivation und Funktion außenpolitischer Parteinahme im Vormärz, in: Saeculum, 26 (1975), S. 111 — 127.

  2. Gemeint ist die Forschung zur deutschen Frage innerhalb der deutschen Historiographie. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit verweise ich auf: Georg G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft. Eine Kritik der traditionellen Geschichtsauffassung von Herder bis zur Gegenwart, München 1971; Joachim Streisand (Hrsg.), Studien über die deutsche Geschichtswissenschaft, Bd. 1— 2, Berlin (Ost) 1965; Bernd Faulenbach, Ideologie des deutschen Weges. Die deutsche Geschichte in der Historiographie zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, München 1980. In der neuesten Publikation zur „deutschen Frage“ von Wolf D. Gruner, Die deutsche Frage. Ein Problem der europäischen Geschichte seit 1800, München 1985, wird Polen und die polnische Frage nur einmal (S. 84) erwähnt. Anders ist dies in der polnischen Historiographie. Ich verweise hier vor allem auf das maßgebende Werk von Jerzy Krasuski u. a. (Hrsg.), Stosunki polsko-niemieckie w historiografii, Poznan 1974. Weitere Hinweise in dem grundlegenden Aufsatz von Klaus Zernack, Das Jahrtausend deutsch-polnischer Beziehungsgeschichte als geschichtswissenschaftliches Problemfeld und Forschungsaufgabe, in: Wolfgang H. Fritze/Klaus Zernack (Hrsg.), Grundfragen der geschichtlichen Beziehungen zwischen Deutschen, Polaben und Polen, Berlin 1976, S. 3-46.

  3. Dazu unter anderem: Wolfgang Hallgarten, Studien über die deutsche Polenfreundschaft in der Periode der März-revolution, München-Berlin 1928; Richard Cromer, Die Polenfrage auf den Nationalversammlungen von Frankfurt am Main und Berlin, in: Nation und Staat, 7 (1933/34), S. 649 - 686, und 9 (1935/36), S. 679 - 707; Martin Broszat, Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik, Frankfurt am Main 19722, S. 105 ff.

  4. Ausführlich dazu: Horst-Joachim Seepel, Das Polenbild der Deutschen. Vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis zum Ende der Revolution von 1848, Phil. Diss. Kiel 1967.

  5. Zum trans-bzw. vornationalen Charakter der polnischen Adelsrepublik von vor 1772 vor allem: Gotthold Rhode, Geschichte Polens. Ein Überblick, Darmstadt 1980, S. 306 ff.

  6. Franz Wigard (Hrsg.), Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der deutschen constituierenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Bd. 2, Frankfurt am Main 1848, S. 1124-1233, besonders S. 1143-1150 (Rede Jordans) und 1190 (Rede Löws).

  7. Eine zusammenfassende Darstellung der Geschichte der nationalen und ethnischen Minderheiten im kleindeutschen Reich fehlt. Allgemeiner Überblick mit weiterführenden Literaturhinweisen bei: Stefi Jersch-Wenzel, Minderheiten in der preußischen Gesellschaft, in: Otto Büsch/Wolfgang Neugebauer (Hrsg.), Moderne preußische Geschichte 1648— 1947. Eine Anthologie, Bd. 1, Berlin 1981, S. 486— 506. Zur Minderheitenpolitik des Kaiserreiches und ihrer Funktionalisierung im Sinne einer „negativen Integration“: Hans-Ulrich Wehler. Das Deutsche Kaiserreich 1871 — 1918, Göttingen 1973, besonders S. 96ff. und 107ff. Vgl. auch seine Detailstudien zur Lage der Polen, Masuren und Elsässer im Kaiserreich, in: Hans-Ulrich Wehler, Krisenherde des Kaiserreiches 1871 — 1918. Studien zur deutschen Sozial-und Verfassungsgeschichte, Göttingen 1970.

  8. Vgl. vor allem: Hans-Ulrich Wehler, Sozialdemokratie und Nationalstaat. Nationalitätenfrage in Deutschland 1840— 1914, Göttingen 19712. Hinweise dazu auch in: Hans-Josef Steinberg, Sozialismus und deutsche Sozialdemokratie. Zur Ideologie der Partei vor dem Ersten Weltkrieg, Berlin-Bonn 19764.

  9. Dazu: Karl Holl, Die deutsche Friedensbewegung im Wilhelminischen Reich. Wirkung und Wirkungslosigkeit, in: Wolfgang Huber/Johannes Schwerdtfeger (Hrsg.), Kirche zwischen Krieg und Frieden, Stuttgart 1976, S. 321— 372.

  10. Dazu: Georg Schilfert, Friedrich Christoph Schlosser, in: J. Streisand (Hrsg.), Studien über die deutsche Geschichtswissenschaft (Anm. 2), Bd. 1, S. 136— 147; ders., Wilhelm Zimmermann, ebd., S. 170— 184.

  11. Zum Europagedanken bei Ranke: Heinz Gollwitzer, Europabild und Europagedanke, München 1964, S. 22 f. Unterschiedliche Ansichten hierzu bei: Georg Schilfert, Leopold von Ranke, in: J. Streisand (Anm. 2), Bd. 1, S. 241— 270; und Helmut Berding, Leopold von Ranke, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. 1, Göttingen 1969, S. 7— 24.

  12. Julius Fröbel, Wien, Deutschland und Europa, Wien 1848; Karl Vogt, Studien zur gegenwärtigen Lage Europas, Genf-Bern 1859; Constantin Frantz (anonym), Polen, Preußen und Deutschland. Ein Beitrag zur Reorganisation Europas, Halberstadt 1848; ders., Untersuchungen über das europäische Gleichgewicht, 1859, Neudruck Osnabrück 1968. Zu den (keineswegs unproblematischen) Europaplänen dieser Autoren vor allem: Henry Cord Meyer, Mitteleuropa in German Thought and Action 1815 — 1945, The Hague 1955. Zu den Ostmitteleuropa-Plänen von Frantz: Wolfgang H. Fritze, Polen, Preußen und Deutschland. Bemerkungen zur Neuausgabe der gleichnamigen Schrift von Constantin Frantz, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel-und Ostdeutschlands, 10 (1971), S. 262— 293.

  13. Karl Marx, Herr Vogt (1860), in: Karl Marx/Friedrich Engels. Werke, Bd. 14. S. 381— 686. Dazu: Wolfgang Wippermann, Die Bonapartismustheorie von Marx und Engels, Stuttgart 1983, S. 129 f.

  14. Vgl. dazu vor allem: Gottfried Koch, Die mittelalterliche Kaiserpohitik im Spiegel der bürgerlichen deutschen Historiographie des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 11 (1962), S. 1837— 1870; ders., Der Streit zwischen Sybel und Ficker und die Einschätzung der mittelalterlichen Kaiserpolitik in der modernen Historiographie. in: J. Streisand (Anm. 2). Bd. 1, S. 311 — 336.

  15. Heinrich von Sybel zit. nach: Friedrich Schneider (Hrsg.), Universalstaat oder Nationalstaat. Macht und Ende des Ersten Deutschen Reiches. Die Streitschriften Heinrich von Sybels und Julius Fickers zur deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters, Innsbruck 19432, S. 194.

  16. Dazu: Elisabeth Fehrenbach, Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871 — 1918, München-Wien 1969.

  17. Dazu: Elisabeth Fehrenbach, Wandlungen des deutschen Kaisergedankens 1871 — 1918, München-Wien 1969. 16a) Der Begriff „Hakatismus" ist abgeleitet aus den Namen der Gründer des Deutschen Ostmarkenvereins F. von Hansemann, H. Kennemann und H. von Tiedemann-Seeheim. Der 1894 gegründete Ostmarkenverein bemühte sich um die gewaltsame Germanisierung der im Rahmen der polnischen Teilungen an Preußen gefallenen Gebiete, insbesondere der Provinzen Posen und Westpreußen.

  18. Hans Delbrück, Die Polenfrage, Berlin 1894; Hermann Kötzschke, Die deutsche Polenfreundschaft, Berlin 1921; Wolfgang Hallgarten, Studien über die deutsche Polen-freundschaft in der Periode der Märzrevolution, München-Berlin 1928.

  19. Friedrich Schinkel, Polen, Preußen und Deutschland. Die polnische Frage als Problem der preußisch-deutschen Nationalstaatsentwicklung, Breslau 1931; Arthur Moeller van den Bruck, Das Recht der jungen Völker, Berlin 1932.

  20. Vgl. dazu das Sammelwerk von Albert Brackmann (Hrsg.), Deutschland und Polen. Beiträge zu ihren geschichtlichen Beziehungen, München-Berlin 1933, das jedoch deutlich erkennen läßt, wie tief verwurzelt die Polenfeindschaft bei vielen deutschen Historikern war.

  21. Kurt Lück, Der Mythos vom Deutschen in der polnischen Volksüberlieferung und Literatur. Forschungen zur deutsch-polnischen Nachbarschaft im ostmitteleuropäischen Raum, Posen 1938.

  22. Als besonders abstoßendes Beispiel: Franz Lüdtke, Ein Jahrtausend Krieg zwischen Deutschland und Polen, Stuttgart 1941.

  23. Fritz Gause, Deutsch-slawische Schicksalsgemeinschaft. Abriß einer Geschichte Ostdeutschlands und seiner Nachbarländer, Würzburg 19673.

  24. Dazu: Celina Bobinska/Jerzy Wyrozumski (Hrsg.), Spor o historyczn szkole krakowsk, Krakow 1972; Marian H. Serejski, L’ecole historique de Cracovie et l’historiographie europeenne, in; Acta Poloniae Historica, 26 (1972), S. 127-151.

  25. Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländische Geschichte, Berlin 1915. Hinzuweisen ist auf die neueste Gesamtdarstellung der Geschichte Preußens, die in ihrer Tendenz dem Titel des Hintzeschen Werkes weit mehr gerecht zu werden sucht, als dies Hintze selber getan hat: Gerd Heinrich, Geschichte Preußens. Staat und Dynastie, Berlin 1981.

  26. Dazu und zum folgenden: Wolfgang Wippermann, Der „deutsche Drang nach Osten“. Ideologie und Wirklichkeit eines politischen Schlagwortes, Darmstadt 1981, besonders S. 30 ff.

  27. Georg Waitz, Preußen und die erste Teilung Polens, in: Historische Zeitschrift, (1860) 3, S. 14.

  28. Wilhelm Christian Binder, Der Untergang des Polnischen Nationalstaates pragmatisch entwickelt, Bd. 1— 2, Stuttgart 1843-1844, Bd. 1, S. 87.

  29. Karol Szajnocha, Jadwiga i Jagiello 1374— 1413. Opowiadanie historyczne, Bd. 1— 4, Lwow 18612, Bd. 2, S. 10f. Zur Übernahme und Entwicklung des Schlagworts vom „deutschen Drang nach Osten“ als Fremdstereotyp in Polen und Rußland: W. Wippermann, (Anm. 25), S. 47 ff.

  30. Max Webers Freiburger Antrittsrede von 1894 in: ders.. Gesammelte politische Schriften, München 1921, S. 8— 30, Zitat S. 14.

  31. Dazu mit Hinweisen auf Beispiele und weiterführende Literatur: Wolfgang Wippermann, Der Ordensstaat als Ideologie. Das Bild des Deutschen Ordens in der deutschen Geschichtsschreibung und Publizistik, Berlin 1979; ders., Die Ostsiedlung in der deutschen Historiographie und Publizistik. Probleme, Methoden und Grundlagen der Entwicklung bis zum Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang H. Fritze (Hrsg.), Germania Slavica I., Berlin 1980, S. 41— 69; ders., „Gen Ostland wollen wir reiten!“. Ordensstaat und Ostsiedlung in der historischen Belletristik Deutschlands, in: Wolfgang H. Fritze (Hrsg.), Germania Slavica II, Berlin 1981, S. 187-235.

  32. Heinrich von Treitschke, Das deutsche Ordens-land Preußen, in: Preußische Jahrbücher, 10 (1862), S. 95 — 151; zitiert nach: ders., Historische und politische Aufsätze vornehmlich zur neuesten deutschen Geschichte, Leipzig 18652, S. 1-67, Zitat S. 2.

  33. Heinrich von Treitschke, Altpreußen und die deutsch-russischen Ostseeprovinzen, in: Preußische Jahrbücher, 22 (1866), S. 254— 260; Karl Marx, Die Geschichte der Geheimdiplomatie des 18. Jahrhunderts. Über den asiatischen Ursprung der russischen Despotie. Mit Kommentaren von Bernd Rabehl und D. B. Rjasanov, hrsg. von Ulf Wolter, Berlin 1977.

  34. Paul de Lagarde, Deutsche Schriften, Göttingen 1892 (zuerst 1885), S. 25.

  35. Hermann Aubin, Das Gesamtbild der mittelalterlichen deutschen Ostsiedlung, in: Hermann Aubin u. a. (Hrsg.), Deutsche Ostforschung. Ergebnisse und Aufgaben seit dem ersten Weltkrieg, Bd. 1, Leipzig 1942, S. 331 — 361; ders., Zur Erforschung der deutschen Ostbewegung, Leipzig 1939. Aubins Wortschöpfung „allgemeindeutsch“ hat sich nicht durchgesetzt. Im Dritten Reich sprach man von „Großdeutschland“. Daß dieses „Großdeutschland“ wenig mit dem gemein hatte, das von den großdeutschen Historikern des 19. Jahrhunderts gefordert worden war, muß nicht betont werden.

  36. Vgl. dazu: W. Wippermann, (Anm. 30), S. 253ff.; ders. (Anm. 25), S. 104 ff. In Kürze erscheint eine Darstellung der „Ostforschung" im Dritten Reich des englischen Historikers Michael Burleigh.

Weitere Inhalte

Wolfgang Wippermann, Dr. phil., geb. 1945; Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen'u. a.: Faschismustheorien, Darmstadt 1972, 19804; (zus. mit Hans-Ulrich Thamer) Faschistische und neofaschistische Bewegungen, Darmstadt 1977; Der Ordensstaat als Ideologie, Berlin 1979; Der „deutsche Drang nach Osten“, Darmstadt 1981; Zur Analyse des Faschismus, Frankfurt/M. 1981; Die Bonapartismustheorie von Marx und Engels, Stuttgart 1983; Europäischer Faschismus im Vergleich; Frankfurt/M. 1983; Jüdisches Leben im Raum Bremerhaven, Bremerhaven 1985; Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit I —IV (4 Bände), Frankfurt/M. 1986; (Hrsg.) Kontroversen um Hitler, Frankfurt/M. 1986.