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Geschichtswissenschaft und Große Politik | APuZ 11/1987 | bpb.de

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APuZ 11/1987 Zeitgeschichtliche Erfahrungen als aktuelles Problem Antisemitismus und Holocaust als Epochenproblem Geschichtswissenschaft und Große Politik

Geschichtswissenschaft und Große Politik

Volker Berghahn

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Verfasser unternimmt in diesem Aufsatz eine Analyse der Hintergründe des gegenwärtigen „Historikerstreits“. Für ihn ist es kein Zufall, daß dieser Streit jetzt ausbrach, nachdem in der westdeutschen Historikerschaft bereits jahrelang grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten über die Interpretation der neueren deutschen Geschichte geherrscht hatten. Diese Differenzen wurden zeitweilig lediglich durch Debatten verdeckt, die die Sozialhistoriker untereinander ausfochten. Es ging dabei darum, ob eine Sozialgeschichte „von unten“, wie sie sich auch in anderen westlichen Ländern durchgesetzt hat, einen besseren Zugriff auf Grundprobleme gesellschaftlicher Entwicklung anbot. Währenddessen wandte sich die „Staatengeschichte“ verstärkt Fragen der nationalen Identität der Deutschen zu und bemühte sich um eine Neuformulierung der Aufgaben der Historiker als „Sinnstifter“. Nachdem die Gründe für diese Orientierung anhand der politisch-historischen Konzeption des Erlanger Historikers Michael Stürmer analysiert worden sind, schließt der Verfasser mit einem Ausblick auf die zu erhoffende weitere Entwicklung innerhalb des Faches.

I.

Mit Ernst Noltes Thesen über die Ursprünge und die Vergleichbarkeit der nationalsozialistischen Mordpolitik ist es der westdeutschen Geschichtswissenschaft nicht zum ersten Mal gelungen, weltweites Aufsehen zu erregen. In den fünfziger Jahren waren es vor allem die Schriften und programmatischen Erklärungen Gerhard Ritters, des damaligen Doyens der Historikerschaft, die eine breite Wirkung hatten und z. B.den namhaften französischen Historiker Jacques Droz zu dem Appell veranlaßten, die Kollegen jenseits des Rheins sollten endlich das Getto nationaler Apologetik verlassen und sich zugleich neuen Methoden und Fragestellungen öffnen, anstatt an einer traditionellen Geschichte der Großen Politik festzuhalten. Zwar gab es schon damals auch in der Bundesrepublik Ansätze zu einer „Strukturgeschichte“ industrieller Gesellschaften, wie sie etwa von Werner Conze vertreten wurde, aber die von Droz erhoffte Öffnung erfolgte tatsächlich erst im folgenden Jahrzehnt im Zuge der sogenannten Fischer-Kontroverse über die Ursprünge des Ersten Weltkriegs

Die stimulierende Wirkung, die von dieser Kontroverse und ihren neuen Forschungsergebnissen auf die beiden nächsten Generationen in-und ausländischer Historiker ausging, kann kaum unterschätzt werden. So erinnerte sich kürzlich der heute in Michigan lehrende Engländer Geoff Eley, wie er als junger Doktorand zum ersten Male Hans-Ulrich Wehlers Bismarck und der Imperialismus (Köln 1969) gelesen habe Dieses Buch, so schrieb er, sei für ihn „eine große Entdeckung“ gewesen wegen der Weise, in der es Wirtschaftstheorie, Detailanalyse, politische Ereignisgeschichte und eine umfassende historische Interpretation miteinander verbindet. Wehlers theoretische Überlegungen hätten am Anfang und Ende seiner Studie nicht nur auf Georg Lukäcs und Marx Bezug genommen, sondern auch auf Max Horkheimer, Jürgen Habermas, Hans Rosenberg und Eckart Kehr. Doch zugleich enthalte das Buch eine ausgreifende Analyse der Handels-und Kolonialexpansion Deutschlands während der siebziger und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts sowie eine eingehende Diskussion über die Formulierung der Bismarckschen Politik. Solche Bücher, so erinnerte sich Eley weiter, wurden damals von englischen Historikern einfach nicht geschrieben. Unter den weiteren Autoren, die ihn beeinflußten, seien außer Kehr, Fischer und Rosenberg auch Helmut Böhme, Hans-Jürgen Puhle, Dirk Stegmann, Peter-Christian Witt und Michael Stürmer gewesen

Während diese und andere Historiker damals mit neuen Fragestellungen und neuem Archivmaterial die Geschichte des Kaiserreichs aufarbeiteten, wurden zur gleichen Zeit auch neue Anläufe zur Analyse des Dritten Reiches unternommen. Auf der einen Seite begann das Ringen um strukturalistische Erklärungen für die radikale Dynamik des Hitler-Regimes, die —wenn auch mit unterschiedlicher Methodik und Thesenbildung— sowohl Hans Mommsen oder Martin Broszat als auch Andreas Hillgruber oder Klaus Hildebrand beschäftigte Hier wurde der Nationalsozialismus gewissermaßen von „oben“ her untersucht, als bürokratischer Apparat und als politisches Entscheidungssystem. Auf der anderen Seite versuchten beispielsweise der britische Historiker Tim Mason und der Amerikaner Da-vid Schoenbaum die Realität der viel beschworenen NS-Volksgemeinschaft von „unten“ her an der Graswurzel der deutschen Gesellschaft zu erfassen

Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, die unterschiedlichen Perspektiven zu verschiedenen Epochen der modernen deutschen Geschichte darzustellen. Soweit es die „Bielefelder“ Interpretation des Kaiserreichs betrifft, liegen inzwischen eine Reihe von kritischen Würdigungen aus dem In-und Ausland vor Aber auch das Interesse, das die neuen Arbeiten über das Dritte Reich erregten, spiegelt sich in diversen historiographisehen Arbeiten in deutscher, englischer und französischer Sprache

So aufschlußreich diese Rückblicke auf den Gang der Forschung auch sein mögen, durchweg bleibt ein für das Verständnis der westdeutschen Geschichtswissenschaft sehr wichtiger Faktor ausgeblendet: nämlich daß Historiographie in Deutschland von jeher immer auch starke Gegenwarts-und Zukunftsbezüge besessen hat. Diese Tradition hat sich bis auf den heutigen Tag fortgesetzt. Im Vergleich mit anderen westlichen Ländern ist der „pädagogische“ Impuls in der Bundesrepublik — wie unter anderem Vorzeichen übrigens auch in der DDR— bemerkenswert stark ausgeprägt.

Im folgenden soll es nicht um den von Nolte ausgelösten „Historikerstreit“ im engeren Sinne gehen, zumal so gut wie alle Argumente zu diesem Thema seit dem Sommer 1986 in zahlreichen Artikeln in der Tages-und Wochenpresse durchgeprobt worden sind. Vielmehr dreht es sich hier um die Frage, was der Debatte um historisch inspirierte „Sinndeutung“ und „Identitätsstiftung“ zugrundeliegt und welche Macht-und Einflußlagen innerhalb und außerhalb der Historikerschaft sich in ihr spiegeln. Was jetzt die Gemüter in einer breiteren Öffentlichkeit bewegt, schwelte nämlich seit etwa zehn Jahren unter der Oberfläche. Daß es Noltes Thesen waren, die zur Eruption führten, liegt zum einen gewiß daran, daß durch kein anderes Thema so viele zentrale und grundsätzliche Fragen der deutschen Vergangenheit und ihrer Implikationen für die Gegenwart angeschnitten werden wie durch die Frage der Praktizierung des nationalsozialistischen Rassenwahns. Das lange Schwelen des nun offen ausgebrochenen Konflikts ist nicht zuletzt aber auch darauf zurückzuführen, daß jene Historiker, die Jürgen Habermas in seiner Initiative direkt oder indirekt unterstützt haben, bis dahin stärker in einer anderen Kontroverse engagiert waren, nämlich der Diskussion um Vor-und Nachteile der Alltagsgeschichte.

Im Anschluß an ähnliche Bewegungen in Frankreich und den angelsächsischen Ländern hatte dieses Genre historischer Forschung in den letzten Jahren auch verstärkt die Bundesrepublik Deutschland erfaßt. Die westdeutsche Alltagsgeschichtsforschung brachte wie anderswo auch Grundsatzerklärungen zu ihrer Programmatik hervor und produzierte bedeutsame und innovative Veröffentlichungen, aber auch mancherlei problematische Projekte, die kaum Bestand haben werden. „Erkenntnisinteresse, Möglichkeiten und Grenzen“ dieses Einstiegs in die Geschichte sind kürzlich von Peter Steinbach in einem lesenswerten Aufsatz behandelt worden Stein-bach verzeichnet allenfalls die Ursprünge der alltagsgeschichtlichen Richtung, die er stark nach Frankreich verlagert, während insgesamt das angelsächsische und vor allem das britische Vorbild der populär history entscheidender gewesen sein dürfte.

Bereits in den sechziger Jahren war es in England unter dem Einfluß der Thompson-Schule zu Projekten, „Geschichtswerkstätten“ und Zeitschriftenneugründungen gekommen, in denen die neuere britische Geschichte in erster Linie von „unten“ als die Geschichte einer sich selbst mobilisierenden und sich kulturell selbständig artikulierenden Industriearbeiterklasse begriffen wurde Die dort entwickelten Methoden und Fragestellungen wurden von angio-amerikanischen Deutschland-Historikern aufgegriffen und auf Themen der deutschen Geschichte angewandt Soweit es die Aufarbeitung der Geschichte des Dritten Reiches aus dieser sozialgeschichtlichen Perspektive betrifft, müssen an vorderster Stelle die Veröffentlichungen von Mason genannt werden Seine Arbeiten implizierten eine Kritik an der Regime-und Elitenfixierung der bisherigen westdeutschen Forschung. Vor allem aber regten sie eine jüngere Generation von Historikern zu Untersuchungen der alltagsgeschichtlichen Erfahrung und Lage der Unterschichten während der Hitler-Diktatur an

Sehr ähnlich war die Argumentation, die etwa zur gleichen Zeit aus einem Kreis britischer Historiker gegen das „Bielefelder“ Bild der Geschichte des Kaiserreichs vorgetragen wurde. Die Fischer-Schule, Wehler und andere — so die Kritik — hätten trotz ihrer Abwendung von der alten Politikgeschichte und trotz ihres Aufgreifens sozialgeschichtlicher Fragestellungen die bismarcksche und wilhelminische Zeit immer noch zu sehr aus der Perspektive der Führungsschichten und von „oben“ her gesehen. Ihre kürzeste Ausprägung erhielt die hier entstehende Gegenposition damals durch Richard Evans (University of East Anglia) in seiner Einleitung zu einer Essaysammlung über Gesellschaft und Politik im Kaiserreich Die westdeutschen Revisionisten, meinte Evans, betrachteten „politische Prozesse, Veränderungen und Einflüsse nicht als von unten nach oben, sondern von oben nach unten fließend — auch wenn es diesmal die den Staat kontrollierenden Eliten sind und nicht die soziologisch weniger faßbare Einheit des Staates an sich. Das Verhalten und die Vorstellungen der Massen werden mit Hilfe von Einflüssen erklärt, die durch manipulierende, an der Spitze der Gesellschaft stehende Eliten auf sie ausgeübt werden. Das Deutsche Reich wird als ein Puppentheater dargestellt, in dem die Junker und die Industriellen die Fäden ziehen, während die Mittel-und Unterklassen in eckigen Bewegungen bis zum Schlußakt des Dritten Reiches über die Bühne der Geschichte tanzen.“

Diese Kritik an der neueren Geschichtsschreibung über das Kaiserreich weitete sich bald zu einer Attacke gegen die These von einem deutschen Sonderweg aus und kulminierte 1980 in einem Band, den Eley und der Londoner Historiker David Blackbourn in deutscher Sprache mit dem provozierenden Titel Mythen deutscher Geschichtsschreibung (Frankfurt 1980) veröffentlichten. Vor allem auf den von Eley verfaßten Teil des Buches, der von Vereinfachungen, Mißdeutungen und Verzerrungen alles andere als frei ist, haben die Angegriffenen scharf reagiert

Im Hinblick auf unser Thema ist an dieser Debatte zweierlei relevant: Zum einen beanspruchten die Diskussionen über die Art und Weise, wie eine Geschichte der deutschen Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert am besten zu schreiben sei, erhebliche Energien der Beteiligten. Dies um so mehr, als sich die Welle einer Sozialgeschichte von „unten“ im Anschluß an ähnliche Entwicklungen im übrigen Westeuropa und in Nordamerika auch in der Bundesrepublik ausdehnte. Zum anderen zwangen sie beide Seiten zu einem erneuten Überdenken der Stärken und Schwächen ihres jeweiligen Ansatzes. Vor allem Wehler hat den Alltagshistorikern mangelnde Rationalität und einen theoriefeindlichen neohistoristischen Illusionismus vorgeworfen, die fundamentale Probleme der Machtausübung, Bürokratisierung und Verrechtlichung moderner Industriegesellschaften nicht zu erfassen vermöchten Nicht zuletzt aber bestehe die Gefahr, daß „aus dem Interesse an den sozialen Kosten westlicher Modernisierung... leicht eine Fundamentalopposition gegen die okzidentale Modernisierung überhaupt“ werde.

Hier gelte es daher, „unmißverständlich Farbe zu bekennen“. Wohl sei vielen „die Vieldeutigkeit westlicher Rationalität und Rationalisierung ... längst bewußt. Auch die Vernichtungsmaschinerie des Nationalsozialismus folgte zweckrationaler Planung. Rationale Wissenschaftler erfinden beispiellose Zerstörungswaffen.“ Dennoch gebe es „eine spezifisch westliche Wertrationalität, einen positiven Rationalisierungsbegriff vernünftig angeleiteten Handelns, argumentativen Diskutierens, rationalen Planens, Forschens und Verhaltens, deren Verteidigung sich auch und gerade heute allemal lohnt. Wenn das Erbe dieser gewaltigen historischen Leistung der okzidentalen Modernisierung gegen den biederen Hirsebrei der Alltagsgeschichte , von unten* und , von innen* verkauft werden soll, steckt darin eine naive, deprimierende Zumutung. Politisch aber ist es in der gegenwärtigen Lage ein billiger Defätismus gegenüber dem längst nicht überholten Entwicklungsniveau des eigenen Kulturkreises.“

Jenseits solcher Worte, die mancherlei Unmut erregt haben und der wir uns weiter unten noch mit Bezug auf Noltes Thesen erneut zu erinnern haben werden, wird man aber sagen können, daß sich die Debatte um die Geschichte von „unten“ als fruchtbar erwiesen hat. Sie hat die Verbindung zu einer weiteren internationalen Forschungsrichtung hergestellt und viel, bisher unangetastetes Quellenmaterial zutage gefördert Vor allem aber haben die beiden Seiten auf die Kritik an ihren jeweiligen Schwachpunkten einzugehen versucht und Verbesserungen vorgenommen.

So ist sich die westdeutsche Alltagsgeschichte des Aspekts der Herrschaft in ihren verschiedenen Formen stärker bewußt, als dies bei der britischen populär history der Fall gewesen ist Umgekehrt haben die „Bielefelder“ durchaus eingeräumt, daß „Geschichte , von unten* als Ergänzung bisher vorherrschender Perspektiven, als Wiedergutmachung, als Korrektur am gängigen Geschichtsbild ... durchaus berechtigt“ sei, auch wenn es „letztlich nur Durchgangsstationen“ seien, „bis ein vielseitiges, ausgewogenes, differenziertes Gesamtbild“ entstehe Denn eine umfassende Gesellschaftsgeschichte könne aus der alltagsgeschichtlichen Perspektive allein eben auch nicht geschrieben werden.

Während sich große Teile der westdeutschen Historikerschaft in den letzten zehn Jahren auf diesem auch international bedeutsamen Forschungsfeld betätigt haben kam es innerhalb der Generation, die die Neuorientierung der sechziger Jahre mitgetragen hatte, zu einer Absetzbewegung von den „Bielefeldern“, deren Bedeutung erst jetzt vor dem Hintergrund des neuerlichen „Historikerstreits“ voll erkennbar wird. Wie es zu dieser Bewegung kommen konnte, wird die Geschichte der Geschichtswissenschaft in Zukunft gewiß noch ausführlicher beschäftigen. Hier können lediglich einige Wendemarken angedeutet und erste Durchblicke geboten werden.

Dies soll anhand der wissenschaftlichen und ideologischen Entwicklung eines Historikers geschehen, in dessen Karriere sich die verschiedenen Tendenzen innerhalb der Absetzbewegung besonders gut bündeln lassen: Michael Stürmer.

Sein Name ist in den letzten Jahren nicht nur unter Fachkollegen bekannt geworden. Er tritt in Fernsehdiskussionen auf, schreibt Kolumnen zu politischen und historischen Themen in Burdas Die Bunte und in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, agierte zeitweilig als Berater Helmut Kohls und sitzt in diversen Beiräten und Gremien von Stiftungen und anderen Organisationen.

Vor allem aber hat er die methodologischen und ideologischen Positionen einer Reihe von anderen Historikern in sich aufgenommen und mit erheblichem Geschick synthetisiert. Er beherrscht eine durchaus einprägsame, bildhafte Sprache in Wort und Schrift und ist derjenige in einem einflußreichen größeren Kreis, der den Schritt in die Große Politik am konsequentesten getan hat. Dabei hat er zugleich den Führungsanspruch der Geschichtswissenschaft angemeldet als „einer fundamentalen Disziplin des Denkens..., fundamental nicht allein im Gefüge der Geisteswissenschaften, wo sie gegen die mächtige Mode szientistischer Daseinsdeutung steht; fundamental auch im Gefüge einer Politischen Kultur, deren geschichtliche Prägung bis heute ihre stärkste blieb“ Von diesem Postulat ausgehend, artikuliert Stürmer besonders häufig das Unbehagen gleichgesinnter Kollegen an den Dissonanzen des Fortschritts Wie er dazu gekommen ist und was er damit meint, soll anhand einiger seiner Schriften eruiert werden.

II.

Stürmer schrieb seine Doktorarbeit bei dem der SPD nahestehenden Zeitgeschichtler Erich Matthias über Probleme von Koalition und Opposition in der Stabilisierungsphase der Weimarer Republik. Die 1967 veröffentlichte, immer noch wichtige Studie verband (verfassungs) historische mit politikwissenschaftlichen Ansätzen, wie sie von Matthias vertreten wurden Als Matthias Mitte der sechziger Jahre von Marburg nach Mannheim übersiedelte, zog Stürmer mit ihm und begann seine Habilitation zu Fragen der Parlaments-und Parteiengeschichte der Bismarck-zeit. Unvermeidlich hatte er sich auch mit der Innenpolitik des ersten Reichskanzlers auseinanderzusetzen und ließ es dabei an einer sehr kritischen Einschätzung dieser Politik nicht fehlen. Das geht etwa aus einem längeren Aufsatz hervor, der 1969 erschien und sich kritisch mit Bismarcks „Drohung einer Verfassungsrevision von oben“ gegen die Gefahr einer Parlamentarisierung sowie mit anderen Regierungstechniken des Kanzlers beschäftigte seien doch des Kanzlers Kalkulationen, „mit der Proskription der Sozialdemokraten, der Durchsetzung des Primats der wirtschaftlichen Interessen und dem Übergang zu einem die gesellschaftliche Machtverteilung konservierenden Wirtschaftsnationalismus“ Mittel gegen die schleichende Parlamentarisierung zu gewinnen, nicht aufgegangen. Denn „die permanente Strukturkrisis des deutschen Herrschaftssystems“ sei „im Grunde ungelöst“ geblieben. Nur wenige Monate später erschien sodann aus Stürmers Feder eine ausführliche Rezension von Wehlers Bismarck und der Imperialismus, dessen kritische Beurteilung des Kaiserreichs und der Politik des Kanzlers er über weite Strecken zu-stimmend referierte Dementsprechend findet man dort folgende Sätze „zur Revision des überkommenen Geschichtsbilds“: „Die Wirtschaftskrise [der 1870er Jahre] verschärfte die Klassen-spannungen und schürte jenes latente Krisenbewußtsein, das zum ideologischen Motor der überseeischen Politik werden sollte. Die Angst vor der Revolution, die seit 1848 bürgerliche Wohnstuben und industrielle Kontore, Staatskanzleien und Kasernenhöfe durchzog, wurde wach und verdrängte die Euphorie der Gründerzeit... Da man um jeden Preis wirtschaftliche Prosperität erreichen und auf diese Weise das Gesellschaftsgefüge konservieren wollte, war es das Hauptziel, Märkte zu gewinnen und zu sichern, nicht aber unbedingt Kolonien zu erobern. Dabei traf eine unreflektierte, »gleichsam im Zustand politischer Unschuld agierende Form des Kolonialenthusiasmus mit durchaus manipulativen Ausdrucksformen des Aktivismus zusammen. Beide formten eine Ablenkungsstrategie großen Stils, geleitet von der konservativen Utopie ... einer bewegungsarmen Gesellschaftsordnung mit starrem Sozialgefüge und unverrückbarem Wertesystem.“ Dieselbe Ablenkungsstrategie lasse sich auch später unter Wilhelm II. erkennen, als es darum gegangen sei, mit Hilfe von Flottenbau und Weltpolitik das Bestehende „gegen den Bazillus des industriewirtschaftlichen Wandels“ zu immunisieren.

Auch mit Wehlers Gebrauch sozialwissenschaftlicher Methoden und seinen theoriegeleiteten, aus der Gegenwart erwachsenden Fragestellungen hat Stürmer keine ernsten Probleme. Denn „im Prinzip zumindest besteht Übereinstimmung, daß moderne Geschichtswissenschaft nicht auskommt, ohne die Grenze zur Wirtschafts-und Sozialwissenschaft zu überschreiten.“ Sie mache ebenso „von begrifflicher Abstraktion und theoretisch vorstrukturierten, durch wissenschaftliche Kritik erhärteten Erklärungsmodellen zunehmend Gebrauch. Es ist zu einem Gemeinplatz geworden, daß Geschichtsschreibung der ständigen Reflexion ihrer eigenen Abhängigkeit von vielfältigen gesellschaftlichen und politisch-historischen Prozessen bedarf.“ Daß Bismarcks Politik in Wehlers Analyse dabei „moralisch und politisch auf die Verliererseite“ gerät, ist für Stürmer weniger bedeutsam als dessen explizites Ziel einer ,, gegenwartskritische[n] Bewußtseinsbildung“, habe doch schon Theodor Mommsen ge-sagt, „daß die Historie sich der »Pflicht politischer Pädagogik* nicht entziehen könne“.

Zur gleichen Zeit, als er diese Worte veröffentlichte, bereitete Stürmer eine Sammlung von Essays zum 100. Jahrestag der Reichsgründung vor. Ursprünglich sollte der Band in Zusammenarbeit mit dem renommierten Kölner Historiker Theodor Schieder entstehen. Doch kam es zwischen beiden zu konzeptionellen Differenzen, nicht zuletzt deshalb, weil Schieder das Buch auf die unmittelbare Reichsgründungszeit beschränken wollte. Stürmer hingegen kam es gerade darauf an, durch eine längsschnittige kritische Analyse des Kaiserreichs auf die Konsequenzen der Bismarckschen Politik hinzuweisen. Er machte sich daher selbständig und rekrutierte für seinen Band eine Garde von Historikern, die damals für eine Überprüfung des herkömmlichen Bildes über die deutsche Innen-, und Außenpolitik von 1871 bis 1918 eintraten, darunter nicht nur Wehler, Jürgen Kocka, Böhme, Puhle und Manfred Messer-schmidt, sondern auch Hillgruber und Hildebrand

Wie stark sich Stürmer 1971 auf dieser Linie bewegte, geht nicht nur aus seinen eigenen zwei Beiträgen zu der Anthologie hervor, sondern noch deutlicher aus einer 30seitigen Untersuchung über „Bismarck-Mythos und Historie“, die im selben Jahr in dieser Zeitschrift erschien

Dort findet sich zunächst eine Abrechnung mit der älteren Bismarckforschung, die unter dem Primat der Außenpolitik gestanden hatte. Dagegen stelle sich, so schrieb Stürmer, mehr und mehr die Frage, „inwieweit nicht Bismarcks Gleichgewichtspolitik im europäischen Rahmen unlösbar mit dem Kampfkurs im Innern verkoppelt“ gewesen sei. Auch der deutsche Aufbruch in den Imperialismus sei nicht erst ein Phänomen der wilhelminischen Zeit gewesen, sondern sei, „wenn auch im Grunde nur widerwillig und tastend“ angebahnt, schon Bismarck als „Ausweg aus den Gefahren der wirtschaftlichen Stagnation und der sozialen Revolution“ erschienen. Im weiteren stellt Stürmer die Frage „nach den Auswirkungen jenes eigentümlich zukunftslosen und unfruchtbaren Konservatismus, der das Gesicht der inneren Politik in der späten Bismarckzeit prägte und auch der auswärtigen Politik Ziel und Grenze setzte“. Mußte dieser Konservatismus, so fragte er weiter, „als Damm gegen die von der Industriellen Revolution in Gang gesetzte Erosion der sozialen und politischen Werte-und Machtpyramide errichtet, nicht letztlich die Belastungen noch verstärken, die durch Deutschlands Mittellage von Anfang an vorgegeben waren?“

Vor dem Hintergrund solcher Positionsbestimmungen geht Stürmer mit „dem überwiegenden Teil der Fachhistorie“ ins Gericht, dem es nicht gelungen sei, „das in der Nachfolge Rankes errichtete Gebäude politisch-staatlicher Geschichte zur Seite der Sozialwissenschaften hin aufzubrechen und damit das kritische Instrumentarium zu gewinnen, um die im Gefolge der Reichsgründung vertieften gesellschaftlichen Bruchlinien sichtbar zu machen“. Zwar habe es in der Weimarer Zeit einige Außenseiter gegeben, „die den seit 1848 verschütteten liberaldemokratischen Entwicklungslinien“ der deutschen Geschichte nachgegangen seien; dennoch dauerte es bis zu den sechziger Jahren, ehe sich dieser Ansatz durchsetzte und damit auch den Bismarck-Mythos zerstörte. Nun sei klarer erkannt worden, wie sehr des Reichskanzlers Strategie der Revolution von oben „das Verhältnis von gesellschaftlicher Entwicklung und preußisch-deutscher Staatspolitik mit einer schweren Hypothek belastet [habe]. Bismarcks auf die Erhaltung des Klassenstaats gerichtete Staatsführung schuf nicht Stabilität, sondern nur den Schein davon.“ Gewiß, er sei getrieben worden durch „eine trauma-tische Furcht vor der Revolution, nur erklärbar auf dem Hintergrund der Märzereignisse von 1848 und auf dem Hintergrund eines Zeitalters, dessen ideologische Fronten sich im Für und Wider der Revolution gebildet hatten“. Die gleiche Furcht „vor der sozialen und politischen Revolution und die daraus erwachsende Akklamationsbereitschaft gegenüber dem starken Staat“ habe auch die bürgerliche Bewegung durchdrungen und zu ihrer Kapitulation gegenüber den cäsaristischen Herrschaftstechniken des Reichskanzlers geführt.

Abschließend kam Stürmer dann auf die Kontinuitätsproblematik bis 1945 zu sprechen. Er bezog sich dabei zunächst auf Hillgruber, der 1969 zu einem Durchdenken der Konsequenzen angeregt hatte, „die sich aus der spezifischen Verschränkung innen-und außenpolitischer Momente am Ausgangspunkt des Weges zur preußisch-deutschen Großmacht für ihre gesamte folgende Geschichte“ ergeben hätten. Stürmers Antwort darauf lautete: „Trotz aller Brüche, die im Grunde als Verschärfung der industriellen Wachstumsprobleme, Perfektionierung der Militär-und Massenbeeinflussungstechnik und als zunehmende Belastung der außenpolitischen Lage zu begreifen sind, überwiegen in der Sicht mancher und vor allem jüngerer Historiker heute die Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten auf dem Weg von 1871 bis 1945.“ In diesem Zusam-B menhang zitierte er seinen Mannheimer Kollegen Hildebrand, der 1969 geschrieben hatte: „Alle drei Repräsentanten deutscher Politik, Bismarck, Tirpitz und Hitler, standen grundsätzlich im Dienste einer Utopie: nämlich innenpolitisch einen Gesellschaftszustand zu zementieren und eine Sozialordnung unter Quarantäne zu stellen, die vom Bazillus der industriewirtschaftlichen Veränderung bereits ergriffen war.“ Stürmers Schluß daraus, soweit es die Geschichte des Kaiserreichs betraf, lautete: „Unter dem Primat der inneren Politik blieb in Gestalt von Staatsstreich-drohung und Cäsarismus, im Export der inneren Krise nach Übersee und in dem Griff nach maritimer Macht nur die Flucht nach vorn als , Ultima ratio‘ des konservativen Deutschland gegenüber der industriellen Massengeseilschaft. Am Ende aber wurde das Gesetz, unter dem das Bismarck-reich gegründet worden war, ihm in der tödlichen Krisis, die 1914 begann, zum Verhängnis.“ Auch in den nächsten Jahren kam Stürmer bei aller Kritik an Bismarck vom Kaiserreich nicht los. Er unternahm später zwar einen Ausflug in die Sozialgeschichte des 18. Jahrhunderts, als er Handwerkskultur und höfisches Leben untersuchte Aber diese Arbeiten sind wohl richtiger bewertet, wenn man sie mit einer über lange Jahre erworbenen hohen Sachkenntnis für alte Möbel in Zusammenhang bringt, die er mit kulturhistorischen Interessen verband, ohne sich damit für immer als Fachhistoriker in jener Epoche bewegen zu wollen.

Inzwischen hatte er sein Verständnis der Bismarckzeit nämlich insofern verfeinert, als er zu der Auffassung kam, im Zeitalter der Industriegesellschaft liege der Schlüssel für zentrale Probleme der deutschen Geschichte in der Dialektik von nationaler Frage und Klassenfrage, in der Wechselbeziehung von Innen-und Außenpolitik. Und mehr und mehr schien ihm der Bismarck-sehe Cäsarismus als Ablenkungsstrategie hierbei das Scharnier zu bilden.

Genau diesem Problem wandte er sich daher in einem Aufsatz über „Bismarckstaat und Cäsarismus“ zu, der 1973 in der Zeitschrift Der Staat veröffentlicht wurde In durchaus revisionistischer Manier identifizierte er darin „Thron und Altar, Kasernenhof und Gutshaus“ als „die Fundamente politischer Herrschaft im Deutschen Reich“. Gegenüber diesem Sozialmilieu sei der Cäsarismus „ein modernes Stilelement“ gewesen:

„eine Technik der Macht, die den vorindustriellen Machteliten eine Brücke ins Massenzeitalter“

geschlagen habe. Denn „in der cäsaristischen Herrschaft ungleich schärfer als im konstitutionellen Staat kam die epochaltypische Alternative zur sozialen und politischen Revolution zum Ausdruck“.

Im weiteren ging Stürmer dann auf das Wirken dieser „Alternative“ ein. Unter Bezugnahme auf Otto Hintze, der „auf den unlösbaren Zusammenhang von Staatensystem und innerstaatlicher Verfassungsentwicklung“ hingewiesen habe, meinte er, „die , deutsche Frage* im 19. Jahrhundert, das Problem der europäischen Mittellage Deutschlands und der heerkaiserlichen Entstehung des deutschen Nationalstaats“, lasse sich nicht „von dem cäsaristischen Element der Bismarckverfassung“ trennen. So erkläre es sich, daß „die Technik sekundärer Integration 4“ Bismarck schon vor 1871 „als wichtigstes Mittel der Konfliktbewältigung“ gedient habe: Das habe bis zur Reichsgründung bedeutet, „daß die inneren Gegensätze auf das Feld der Großmachtpolitik und der nationalen Frage verlagert“ worden seien.

Nach 1871 habe sich zwar „nur noch mit Vorsicht ... an der auswärtigen Politik das Instrumentarium zur Bewältigung innerer Konflikte schärfen“ lassen. Dennoch seien immer wieder „die inneren Probleme auf die auswärtige Politik durchgeschlagen, deutlich und sichtbar in den Reichstagswahlen von 1884 und 1887“. Damals habe Bismarck versucht, mit kolonialer und nationalistischer Agitation Stimmen zu fangen, während er zugleich „Beschwichtigungsnoten nach Ost und West“ sandte, „daß alles nicht so schlimm gemeint sei“ und „daß er darauf angewiesen“ sei, „Wahlen zu gewinnen“.

Mit dieser Stürmerschen Analyse des Bismarck-sehen Cäsarismus und der Dialektik von nationaler Frage und Klassenfrage haben wir nunmehr den Punkt erreicht, wo wir den Sprung in die frühen achtziger Jahre tun können, um Kontinuität und Weiterentwicklung seiner historisch-politischen Interpretation und Konzeption der deutschen Geschichte zu verfolgen. Einen guten Einstieg bietet ein Aufsatz, der 1981 im Merkur erschien „Das Verhältnis von Nationalstaat und Klassengesellschaft“, so schrieb Stürmer, sei deshalb „die entscheidende innenpolitische Dimension“, weil sie „auf Sinnstiftung und Konsens ... wie auf Konflikt und übernationale Ordnung“ ziele. „Identität des Gemeinwesens“ — das sei „seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, mithin seit der Umgründung des alteuropäischen Nationbegriffs auf Naturrecht und Glücksverheißung und der Erfahrung neuer Klassenspaltung, die Frage nach Sinn und Form des Gemeinwesens, aus der die innere Legitimation staatlicher Macht“ erwachse. „Nationalstaat und Klassen-staat“ seien „im Zeitalter des Bürgers in wechselnde Verbindungen getreten, die allein der Begriff der Dialektik angemessen zu beschreiben“

vermöge.

Unter Rückgriff auf die Französische Revolution und die aus ihr entstehende „Nationalisierung der Massen“ leitete Stürmer im weiteren ab, die Massen hätten bei der Nation, aber parallel dazu zunehmend auch beim Klassenbegriff „Weltorientierung“ gesucht: „Beide Begriffe gewannen in dialektischer Bewegung seit der Sattelzeit um 1800 ihre neuzeitliche Bedeutung. Die neue Dialektik von Nation und Klasse, von Konsens und Konflikt wurde seitdem mehr mit Blut geschrieben als mit Tinte. Die Nationale Frage und die Soziale Frage lösten die großen Verfassungsprobleme des 19. und 20. Jahrhunderts aus.“ Dann aber trat eine Verschiebung ein. Denn „seit der russischen Oktoberrevolution 1917 und der damit verbundenen Erwartung auf Weltrevolution auf der Achse Moskau-Berlin ... wurde das Mächte-system des 19. Jahrhunderts überlagert durch Idee und Realität des Weltbürgerkrieges. Die Nation büßte ihr 1789 erobertes Monopol auf Sinngebung und Identitätsstiftung ein. Die Klassen-utopie hob sie auf und erwies darin noch einmal die Affinität des Nationalen zur bürgerlichen Lebensform und Kultur des 19. Jahrhunderts.“

Mit anderen Worten: Stürmer zufolge stand seit 1917 „die Nation als sinnstiftende Kraft ... in offener, tödlicher Konkurrenz zur kommunistischen Verheißung des Reichs der Freiheit und Gerechtigkeit für die vielen, wenn nur die wenigen den Preis der blutigen Diktatur des Über-gangs zahlen würden“. Und als dann „die einheitsverbürgende Gestalt der Nation durch die revolutionäre Linke verneint wurde, war dies auch die Negation von 150 Jahren Geschichte des bürgerlichen Verfassungsstaats in Europa. Die Antwort auf diese radikalste aller Herausforderungen aber kam für Italien, für Deutschland nicht mehr aus dem Wertgefüge der Republik. Sie entstand aus den nationalistischen und vor allem den faschistischen Strömungen und Bewegungen der zwanziger Jahre, die auf Jugend, Technik, Ganzheit, korporative Formation, Füh-B rertum und nicht zuletzt noch einmal auf die verbindende Kraft der nationalen Identität setzten, die durch Vorkrieg und Krieg schon verzerrt war und nun — für Deutschland — den Klassenkrieg zum Rassenkrieg steigerte.“

Mit dieser Entwicklung sei die Nation „hinter der rassenbiologischen Utopie“ verschwunden. Denn, so fuhr Stürmer fort, es hieße Hitler verkennen, „wollte man in seiner Strategie nur die Steigerung sehen von Strömungen, die alle vor 1914 existierten“. Zwar habe er diese Strömungen ausgenutzt, „aber Hitlers Ort in der Geschichte war letztlich davon bestimmt, daß er die bolschewistische Revolution auslöschen wollte (E. Nolte)“. Dies habe er nicht anvisiert „zum Zwecke tauber Restauration jener älteren Staats-und Kultureliten, die er haßte“. Sein Ziel habe „jenseits des klassischen europäischen Nationbegriffs und überhaupt jenseits der bekannten Geschichte“ gelegen: „Endkampf um die rassenbiologisch begründete, durch Vernichtung der Juden, der Schwachen und der Zweifelnden gestählte und durch Unterwerfung aller anderen abgesicherte Herrschaft“. Kurzum, Hitlers Utopie war ein „tödlicher Traum vom Stillstand der geschichtlichen Bewegung — nichts anderes bedeutete die alte, lockende Formel des Milleniums, des Reiches der tausend Jahre (K. Hildebrand)“.

Nachdem Stürmer auf diese Weise seine Interpretation der deutschen Geschichte unter Rückgriff auf Nolte und Hildebrand welthistorisch erweitert hatte, vollzog er eine signifikante Wende in die Nachkriegszeit und Gegenwart. Es sei falsch, so schrieb er weiter, „mit dem Blick auf Mitteleuropa zu dem Schluß [zu] kommen, daß im Ersten Weltkrieg die identitätsstiftende Kraft der Nation Höhepunkt und Krise erreicht“ habe und dann „selbstzerstörerisch in sich selbst“ ausgebrannt sei. Nicht nur der Blick auf Deutschlands heutige Nachbarn erweise die weiterbestehende identitätsstiftende Kraft der Nation; vielmehr erhalte sich auch „unter den getrennten Deutschen in Ost und West ein zähes Bewußtsein besonderer kultureller und geschichtlicher Zusammengehörigkeit“, weshalb auch seine Betrachtungen nicht 1945 enden könnten. Es komme lediglich darauf an, „jedes Denken über die Zukunft an der einen übermächtigen Verknüpfung der deutschen mit der gesamteuropäischen Vergangenheit zu orientieren: daß nämlich der Rechts-und Friedensverband des Alten Reiches, unfähig zum Angriff und machtvoll in der Verteidigung, über fast 200 Jahre durch Teilung, Gegengewicht und Gleichgewicht der Macht der Mitte dauerhafte Bedingungen des europäischen Friedens“ geschaffen habe. Selbst wenn „die deutsche Frage [weltpolitisch] seit mehr als 30 Jahren storniert“ sei, die nationale Frage sei „eine geistige Realität, deren Sprengkraft zur Zeit nicht meßbar“, deren „Dialektik [aber] auch in der Teilung gegenwärtig“ sei.

Möge die nationale Frage im Moment auch ruhen — befördert nicht zuletzt durch die „Tatsache, daß vorerst keine wesentliche Sozialgruppe, wie im Vormärz das Bürgertum von Bildung und Besitz oder nach 1848 die alten preußischen Eliten und die junge Arbeiterbewegung, mit der Einheit vitale materielle Interessen“ verbänden—, denjenigen, die die deutsche Frage am liebsten vergessen wollten, könne er aber auch die Gegenrechnung aufmachen: „Die deutsche Nation als Norm und Vorstellung ist, da sie vor Hitler da war und ihn auch überdauert hat, ein Stück permanente Identität über mehr als 200 Jahre. Der Vergleich mit anderen historischen Kulturen in Ost und West zeigt die Überlebenskraft des Nationbegriffs. Er erweist auch die Integrations-und Versöhnungskraft, die ihm innewohnt.“ Von diesem Postulat her kommt Stürmer am Ende seines Aufsatzes schließlich zu folgender Überlegung: „Solange Magie und Religion nicht neue Kraft gewinnen und solange die Verheißung der klassenlosen Gesellschaft das Neue Jerusalem so offenbar verweigert und statt Glück Zynismus sät, solange auch die europäische Einigung nicht in die sinnstiftende Nachfolge der Vaterländer eintritt, solange bleibt es schwer vorstellbar, daß die Nation nur noch als Erinnerungswert in die Bilanz unserer politischen Kultur einzubringen wäre. Es sei denn, die Menschen verzichten zum erstenmal in der bekannten Geschichte auf die Sinnfrage und die Transzendenz. Das aber steht nicht zu vermuten. Denn wie die Bibel sagt und wie die Geschichte seit der Französischen Revolution erweist, es lebt der Mensch nicht vom Brot allein.“

Es lohnt sich, auch diese Sätze Stürmers sehr sorgfältig zu lesen, um sie sodann mit seinen früheren Schriften rückzukoppeln. Denn seine historisch-politische Konzeption wird nur verständlich, wenn man sich seiner Analyse der Bismarckschen Innen-und Außenpolitik erinnert und diese jetzt mit dem verbindet, was seiner und seiner Kollegen Auffassung nach in den siebziger Jahren in der Geschichtswissenschaft, in den westdeutschen Universitäten und in der bundes-republikanischen Gesellschaft passiert ist. Auf diesen Zusammenhang weist er gleich zu Beginn seines Aufsatzes im Merkur hin, als er auf einen „seit mehr als einem Jahrzehnt in der deutschen Fachhistorie“ bestehenden „Disput ... über den Vorrang von Staatengeschichte und Gesellschaftsgeschichte als Gegenstand und Methode der historischen Zunft“ aufmerksam macht, der zugleich eine „Spiegelung einer weit über die Zunft hinausreichenden Unsicherheit“ sei. Zwei Jahre später faßte Stürmer das Problem sogar noch schärfer, als er von einem „Glaubenskampf... in der deutschen Fachhistorie“ sprach „Gesellschaftsgeschichte als Gegenstand und Methode geschichtlicher Gegenwartsdeutung wird gegen Staatengeschichte und Machtpolitik gestellt, so als ob es um sich ausschließende, nicht um komplementäre Denksysteme ginge.“ Komplementär waren die beiden Denksysteme freilich nur im Sinne der Stürmer-sehen Dialektik, die ihm ein methodologisches und politisch-ideologisches Umkippen nach rechts offen gehalten hatte. Vor allem war er in dieser Hinsicht kein Einzelfall.

Für ein Verständnis dieser Entwicklung ist zunächst relevant, daß Hillgruber, bei aller Zustimmung zu der Forderung, die Politik der preußisch-deutschen Großmacht von 1871 bis 1945 neu zu durchdenken, die Erklärung dieser Politik aus der inneren Entwicklung der Gesellschaft nie behagt hatte. Schon 1973 hatte er sich daher in einem programmatischen Aufsatz um eine Neuformulierung der „Politischen Geschichte in moderner Sicht“ bemüht Bald darauf und aus Gründen, die eine getrennte Analyse wert wären, entwickelte Hildebrand ein Mißtrauen gegen die „Bielefelder“ Art, die Außenpolitik eines Landes als Teil seiner innergesellschaftlichen Gesamtentwicklung zu sehen. Er vermutete hinter der Gesellschaftsgeschichte einen totalitären Anspruch und begann, die „Staatengeschichte“ als eigenständige Disziplin dagegenzusetzen

Der Methodenstreit, der sich daraus mit Wehler und anderen entwickelte, war bitter genug Was aber die Fronten weiter polarisierte und den Methodenstreit zum „Glaubenskampf steigerte, war die immer tiefere Überzeugung, daß der Revisionismus der sechziger Jahre mit seiner kritischen Perspektive der deutschen Geschichte die jüngere Generation und die zukünftigen Eliten des Landes an den Universitäten eingefangen habe. Schlimmer noch: Die „Bielefelder“ hatten angeblich „marxistischen Geschichtsutopien“ Vorschub geleistet, deren praktische Folgen sich in den Hörsälen und Seminarräumen spürbar gemacht hätten.

In der Tat hatte vor allem Hillgruber in Köln, wie übrigens auch Nolte in Marburg, einige böse Erfahrungen mit linksradikalen Studenten machen müssen. Stürmers persönliche Erlebnisse blieben in dieser Beziehung sehr begrenzt. Doch sein Kontaktnetz war umfassend genug, um Informationen über mancherlei skandalöse Zwischenfälle zur Verfügung zu haben. Man brauchte damals einen westdeutschen Ordinarius in einem Gespräch ja nicht einmal zu fragen, wenn man etwas über die unruhigen Hochschulen erfahren wollte. Zwar begann „seit 1973, als der Ölpreis hochschoß und , Tendenzwende* der Name eines neuen Bewußtseins wurde“ auch an den Universitäten der Umschwung.

Denn, so fügte Stürmer an massenwirksamer Stelle hinzu, „der Lack fiel ab von der Schönen Neuen Welt, in deren Namen seit 1968 Vergangenheit, Zeit und Geschichte wegreformiert wurden, soweit die Mehrheiten immer reichten. Die Utopien sind notgelandet, Beton läßt die Gemüter kalt, Computer sind auf die Frage nach dem Sinn nicht programmierbar.“

Aber das Trauma, verfolgt worden zu sein, blieb, obwohl sich im Zeichen eben jener „Tendenzwende“ die Macht-und Einflußgewichte inzwischen verschoben hatten. Wie tief das Trauma verwurzelt ist, zeigte sich noch kürzlich wieder, als Hillgruber sich bitter darüber beklagte, DIE ZEIT habe Habermas „die , Chance“ geboten, seinen (Hillgrubers) Band über Zweierlei Untergang „polit-agitatorisch“ als Beleg für apologetische Tendenzen in der Geschichtsschreibung „, auseinanderzunehmen “ Mehr noch: „Karl Heinz Janßen hat mit dem Artikel von Habermas durch einen sofort ins Auge fallenden Hinweis auf der ersten Seite dieser Ausgabe der ZEIT’ unter der Devise , Kampfansage besonderen Nachdruck zu geben gesucht. Er verlieh darin der Habermas’schen »Abrechnung(Janßen), die — in der Sache — nichts anderes ist als die Entfesselung einer politisch motivierten Rufmordkampagne gegen Michael Stürmer, Ernst Nolte, Klaus Hildebrand und mich im Stile der noch allzu vertrauten APO-Pamphlete der endsechziger Jahre, das Prädikat , in bester aufklärerischer Tradition 4.“

Zweifellos ist die Heftigkeit solcher Reaktionen auf den Habermas-Artikel nicht zuletzt damit zu erklären, daß die APO noch in sehr lebhafter Erinnerung ist. Unter denen, die sich in dem „Glaubenskampf" nun erneut auf der „Proskriptionsliste“ stehend fühlen, wird gerade auch Habermas dafür mitverantwortlich gemacht, daß vor der „Tendenzwende nicht nur die Universitäten, sondern angeblich auch andere Institutionen fast aus dem Ruder gelaufen wären. Nicht allein unter den akademischen Eliten der Bundesrepublik ist dieser Eindruck und diese historische Erinnerung fest verwurzelt. Auch in konservativen Parteien bzw. bei manchen Politikern findet man diese Perzeptionen.

Nun mögen sich die immer noch Verfolgtfühlenden im großen einig sein, was sie nicht noch einmal erleben möchten, nämlich ein erneutes Infragestellen der Universitätsstrukturen und Lehrpläne und eine neue Welle des Reformismus in Staat und Gesellschaft. Als viel schwieriger erweist es sich indessen, darüber Einigkeit zu erzielen, wie man auf die Wahrscheinlichkeit weiterer sozialer und politischer Veränderungen in der gegenwärtigen Lage reagieren soll. Jedenfalls scheint bei vielen Unsicherheit und eine gewisse Hilflosigkeit zu herrschen, die sich dann häufig in einem für die deutschen Geisteswissenschaften durchaus nicht neuen Kulturpessimismus artikulieren. Einige andere Historiker versuchen, einer weiteren Polarisierung in diesem „Glaubenskampf entgegenzuwirken, indem sie daran erinnern, daß alle Beteiligten einer community of scholars angehören und daher auf die Grundsätze rationalen wissenschaftlichen Diskurses verpflichtet sein sollten Wieder andere haben sich entschlossen, im stillen zu wirken — als Gutachter für Forschungsprojekte, bei Stellenbesetzungen oder als Mitglieder von Kommissionen mit dem Ziel, „Schlimmeres zu verhüten“.

Zu denen, die sich ohne Zaudern öffentlich exponiert haben und dabei eine historisch-politische Konzeption verfolgen, gehört auch Stürmer. Die Elemente dieser Konzeption finden sich in seinen früheren Bismarck-Studien, die weiter oben vorgestellt worden sind Was an ihr frappiert, ist als erstes die Kühle, mit der er heute eine Polarisierung innerhalb der Geschichtswissenschaft verfolgt

Kaum weniger kühl kalkulierend hat er die wenig haltbare Hypothese aufgestellt, die Bundesrepublik sei ein geschichtsloses Land Da in einem solchen Land aber „die Zukunft gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet“, ist dies für Stürmer nicht eine Zeit, in der man sich aufs Gelehrtenstübchen zurückziehen kann. Geht es „in Wahrheit“ doch um die Frage, „aus welchen Werten Konsens kommen soll und innerer Friede. Pluralismus der Werte und Interessen, wenn er keinen gemeinsamen Boden mehr findet, durch Wachstum nicht mehr entschärft, durch Schuldenaufnahme nicht mehr gedämpft wird, treibt früher oder später zum sozialen Bürgerkrieg, wie am Ende der Weimarer Republik“ Doch, so fügt er hinzu, „was stiftet Sinn und Zusammenhang? Nation und Staat, oder Klasse und Gesellschaft?“

Die Antwort, die Stürmer auf diese Fragen geben würde, liegt in der Politik Bismarcks, der ein Jahrhundert zuvor vor demselben „dialektischen Gegensatz“ stand. In den frühen siebziger Jahren hatte der Erlanger Historiker gezeigt, wie und aus welchen Alpträumen heraus der erste Reichs-kanzler „Nation und Staat“ für die Erhaltung des innenpolitischen Status quo instrumentalisierte Wohlgemerkt: Wie Bismarck und sein Berater Hermann Wagener, dessen Denkschriften er einst ausgewertet hatte, ist auch Stürmer kein Nationalist. Für ihn wie für seine Kollegen ist die Westintegration der Bundesrepublik eine Conditio zwar nicht nur militärischsine qua non, und wirtschaftlich. Noch kürzlich hob er in einem Leitartikel in der Frankfurter Allgemeine Zeitung Leistung Konrad Adenauers“ hervor,

„der alles tat, um den deutschen Sonderweg der moralischen und politischen Trennung vom Westen zu überwinden“

Auf der anderen Seite haben wir auch gesehen, daß Stürmer in der deutschen Frage sowohl ein erhebliches emotionales Potential als auch eine große Sprengkraft eingeschlossen sieht. Dieses Potential gilt es anzuzapfen, um die angebliche Sprengkraft der nationalen Frage zu entschärfen. Allerdings geht es ihm nicht nur um sprachliche Führung gegen neutralistische und deutschnationale Tendenzen in der Bundesrepublik, sondern auch gegen jene, die die Vergangenheit anders deuten und die Zukunft der westdeutschen Innenpolitik durch andere Begriffe prägen wollen als Stürmer und seine politischen Freunde. Weniger klar ist, ob sie auch erkannt haben, wie riskant ihre Strategie gerade in historischer Sicht ist. Immerhin hatte Stürmer vor 15 Jahren gegen Bismarcks Herrschaftstechnik der sekundären Integration, mit deren Hilfe „die bestehende Ordnung gegen den Bazillus des industriewirtschaftlichen Wandels“ immunisiert werden sollte, erhebliche Kritik vorgebracht. Diese Kritik gilt vermutlich auch für die heutige Strategie bundesdeutscher Bismarckianer, die nationale Frage als Mittel innenpolitischer Status-quo-Bewahrung einzusetzen. Habermas hat in seinem Aufsatz resümierend den Blick auf die im Kaiserreich entstandene Trennung der deutschen politischen Kultur von der des Westens gerichtet, die erst nach 1945 überwunden worden sei „Die vorbehaltlose Öffnung der Bundesrepublik gegenüber der politischen Kultur des Westens ist die große intellektuelle Leistung unserer Nachkriegszeit, auf die gerade meine Generation stolz sein könnte ... Der einzige Patriotismus, der uns dem Westen nicht entfremdet, ist ein Verfassungspatriotismus. Eine in Überzeugungen verankerte Bindung an universalistische Verfassungsprinzipien hat sich leider in der Kulturnation der Deutschen erst nach — und durch — Auschwitz bilden können. Wer uns mit einer Floskel wie , Schuldbesessenheit (Stürmer und Oppenheimer) die Schamröte über dieses Faktum austreiben will, wer die Deutschen zu einer konventionellen Form ihrer nationalen Identität zurückrufen will, zerstört die einzige verläßliche Basis unserer Bindung an den Westen.“

Dem sind zwei ergänzende Gesichtspunkte hinzuzufügen. Zum einen sollte nicht vergessen werden, daß Reformismus und die Bereitschaft zur schöpferischen Adaption an gesellschaftlichen Wandel integrale Bestandteile eben dieser westlichen politischen Kultur sind. Beides inspirierte seit langem auch westliche Einstellungen zu dem, was dem 19. Jahrhundert als Soziale Frage im Bewußtsein stand und um deren Lösung man sich damals bemühte. So hat Hildebrand Anfang der siebziger Jahre anhand des britischen Beispiels im 19. Jahrhundert einmal untersucht, wel-ehe Ideen und praktischen Entscheidungen eine liberale Reformgesellschaft antrieben

Eine fortgesetzte Verpflichtung auf eine derartige Gesellschaft scheint nicht zuletzt deshalb ratsam, weil bei allem Fortschritt, den die westlichen Industriegesellschaften erzielt haben mögen, am Ende des 20. Jahrhunderts kaum behauptet werden kann, daß eben jene Soziale Frage als erfolgreich gelöst zu betrachten sei. Eher sieht es doch so aus, daß die Probleme, die sich während der Ersten und Zweiten Industriellen Revolution in nationalstaatlichem Rahmen stellten, heute, da wir uns inmitten der Dritten Industriellen Revolution befinden, unübersehbar globale Dimensionen angenommen haben. Die reformistischen Aufgaben, die den westlichen Industriegesellschaften daraus erwachsen, erfordern mehr denn je die fortgesetzte Erinnerung an die rationalistischen und humanistischen Traditionen des Okzidents. Wer nun glaubt, diesen Aufgaben mit bismarckschen Ablenkungsstrategien Herr werden zu können, mag in dieser Illusion durch Gespräche bestärkt worden sein, die man heute auch außerhalb der Bundesrepublik mit neokonservativen „Realpolitikern“ führen kann. Weitsichtiger und politisch weiser dürfte es indessen sein, dafür zu sorgen, daß die Bundesrepublik zusammen mit anderen westlichen Ländern nicht von einer liberalen Reformgesellschaft, wie sie dereinst von Hildebrand definiert wurde, in einen sterilen Konservatismus verfällt, der die großen gesellschaftlichen Fragen der Zeit mit Hilfe nationaler Sinnstiftung allenfalls aufstaut und dringende Lösungen nur erschwert. Soweit die Lehren aus der deutschen Geschichte seit 1848 für die Große Politik.

Welche Folgerungen ergeben sich zweitens und über das Erfordernis einer klaren Westorientierung der bundesdeutschen politischen und akademischen Kultur hinaus für die Geschichtswissenschaft im engeren Sinne? Wie weiter oben ausgeführt, wäre es irrig, den „Historikerstreit“ des letzten Jahres als spontane Reaktion auf Noltes provokante Thesen zu betrachten. Vielmehr ist auf der einen Seite festzuhalten, daß sich diese Thesen durchaus in die Evolution seines Forschungsansatzes einordnen lassen. Schon in seiner ersten großen Faschismus-Studie ist eine spezielle dialektische Interpretation der modernen europäischen Geschichte zu erkennen. Daß diese Interpretation schließlich, ebenso wie die Stürmersche, sozusagen umkippte, liegt nicht an neuen Quellenerkenntnissen zur NS-Ausrottungspolitik, sondern an Wandlungen, die sein Verständnis der politischen Entwicklungen seit den sechziger Jahren durchgemacht hat.

Bei Hillgruber stellt sich die Lage etwas anders dar. Zur „Endlösungs“ -Problematik hat er von jeher in Aufsätzen eine Stellung bezogen, gegen die niemand grundsätzliche Einwände erheben wollen wird. Er dürfte heute aber bedauern, daß er es zuließ, zwei an sich unzusammenhängende Vorträge zwischen zwei Buchdeckel fügen und mit dem publizitätsträchtigen, aber höchst mißverständlichen Titel Zweierlei Untergang auf den Markt werfen zu lassen. Dennoch ist es wohl auch bei ihm kein Zufall gewesen, daß dies jetzt und nicht viel früher geschah, ebenso wie es auf der anderen Seite nicht erstaunen sollte, daß die Reaktion darauf jetzt so prompt und vehement erfolgte.

Wie soll es weitergehen? Es wäre naiv anzunehmen, daß die langjährigen Animositäten, die der „Historikerstreit“ nun an die breitere Öffentlichkeit gebracht hat, sich auf persönlicher Ebene über Nacht ausräumen ließen. Es ist aber zu hoffen, daß wenigstens in der sachlichen Erkenntnis und methodischen Entwicklung des Faches keine Versteinerung eintritt. Im Hinblick auf die westdeutsche Sozialgeschichte ist diese Hoffnung vollauf berechtigt. Sie hat auch in den letzten zehn Jahren eindrucksvolle Fortschritte gemacht und in enger Verbindung mit der Forschung in anderen Ländern zahlreiche Themen aufgearbeitet, für die echte Wissenslücken bestanden. Sie hat sich auch dann gescheut, die Gültigkeit eigener Paradigmen in Frage zu stellen, wenn man etwa an das gegenwärtig in Bielefeld laufende, interdisziplinär angelegte Projekt Jürgen Kockas über Bürgertum und Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert denkt. Unser Verständnis nicht nur des „Dritten Reiches“, sondern der deutschen Geschichte allgemein hat aus der sozialgeschichtlichen Perspektive eindeutig eine Differenzierung und Vertiefung erfahren, wie sie in den sechziger Jahren kaum denkbar war.

Demgegenüber — so muß ganz nüchtern festgestellt werden — fallen die Perspektiven, die die „Staatengeschichte“ in den letzten zehn Jahren neu eröffnet hat, deutlich ab. Zudem hatte sich schon vor Noltes Veröffentlichung im Ausland die Sorge verstärkt, daß sich Teile der westdeutschen Historikerschaft erneut in das Getto nationaler Apologetik zurückziehen könnten, aus dem Droz ihre Vorgänger drei Jahrzehnte zuvor herauslocken wollte. Freilich verbirgt sich hinter dieser Sorge zugleich die Hoffnung, daß die sachliche Verbindung zur internationalen Forschung auch auf dem Felde der „Staatengeschichte“ erhalten bleiben möge. Und soweit es ihre methodische Entwicklung betrifft, wäre ein erneuter Rückgriff auf die Ansätze der sechziger Jahre erwünscht. Man denkt hier etwa an die bahnbrechende Arbeit von Werner Link über Die amerikanische Stabilisierungspolitik in Deutschland, 1921— 1932 (Düsseldorf 1970), die verdeutlichte, daß die Politikgeschichte eines modernen Industriestaats und die Geschichte seiner Außenbeziehungen einfach nicht geschrieben werden kann ohne die gleichzeitige Analyse der globalen Verflechtungen seines Wirtschaftssystems und der dahinterstehenden Interessen.

Angesichts des massiven Quellenmaterials, das heute gerade auch zu diesen Aspekten zur Verfügung steht, erfordert die „Staatengeschichte“, deren Legitimität nicht angezweifelt wird, heute eine kaum weniger große Forschungsanstrengung als die Sozialgeschichte. Diese Anstrengung wird von ihren Protagonisten aber nur erbracht werden können, wenn sie weniger Große Politik und „Sinnstiftung“ und wieder mehr empirische statt essayistische Geschichtswissenschaft treiben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Zur westdeutschen Geschichtswissenschaft siehe allgemein: G. G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft, München 19722, S. 338ff.; vgl. dort auch zu W. Conzes Ansatz die strukturanalytischen Arbeiten K. D. Brachers, die von der Politikwissenschaft beeinflußt waren.

  2. G. Eley, From Unification to Nazism, London-Boston 1986, S. 7f.

  3. Die einschlägigen Studien dieser Autoren waren: E. Kehr, Schlachtflottenbau und Parteipolitik, 1894—• 1901, Berlin 1930; F. Fischer, Griff nach der Welt-macht, Düsseldorf 1964; H. Rosenberg, Große Depression und Bismarckzeit, Berlin 1967; H. Böhme, Deutschlands Weg zur Großmacht, Köln 1966; H. -J. Puhle, Agrarische Interessenpolitik und preußischer Konservatismus im wilhelminischen Reich, Hannover 1967; D. Stegmann, Die Erben Bismarcks, Köln 1970; P. -Chr. Witt, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1903 bis 1913, Lübeck 1970; M. Stürmer (Hrsg.), Das kaiserliche Deutschland, Düsseldorf 1970.

  4. Siehe z. B. H. Mommsen, Beamtentum im Dritten Reich, Stuttgart 1966; M. Broszat, Der Staat Hitlers, München 1969; A. Hillgruber, Hitlers Strategie, Frankfurt 1965; K. Hildebrand, Deutsche Außenpolitik 1933— 1945, Stuttgart 1970. Als guten Einstieg in die daraus später entstandene Kontroverse über Struktur und Grundcharakter des Dritten Reichs zwischen Mommsen u. a. einerseits und Hildebrand u. a. andererseits siehe G. Hirschfeld/L. Kettenacker (Hrsg.), Der , Führerstaat‘, Stuttgart 1981.

  5. T. Mason, Arbeiterklasse und Volksgemeinschaft, Opladen 1975; D. Schoenbaum, Die braune Revolution, Köln 1968 (engl. 1966).

  6. Siehe z. B. J. Veit-Brause, Zur Kritik an der Kritischen Geschichtswissenschaft, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, (1984) 1, S. 1- 24; R. G. Moeller, The Kaiserreich Recast?, in: Journal of Social History, (1984) Sommer, S. 655-583, sowie die beiden Aufsätze von J. N. Retallak und R. Fletcher, in: German Studies Review, (1984) 3, S. 423 ff.

  7. Siehe z. B. P. Ayoberry, La Question nazie, Paris 1979; K. Hildebrand, Das Dritte Reich, München 1979; I. Kershaw, The Nazi Dictatorship, London 1985.

  8. H. Medick, , Missionare im Ruderboot? 1, in: Geschichte und Gesellschaft, (1984) 3, S. 295— 319.

  9. P. Steinbach, Geschichte des Alltags — Alltagsgeschichte, in: Neue Politische Literatur, (1986) 2, S. 249— 273.

  10. E. P. Thompson, The Making of the English Working dass, London 1963. Guter Forschungsüberblick: B. -J. Wendt, Tendenzen und Ergebnisse der englischen Sozialgeschichtsschreibung zum 19. und 20. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte, 1984, S. 495— 554.

  11. Siehe z. B. D. Crew, Town in the Ruhr, New York 1979; D. Blackbourn, Class, Religion and Local Politics in Wilhelmine Germany, New Haven 1980; G. Eley, Reshaping the German Right, New Haven 1980.

  12. Siehe oben Anm. 5.

  13. Siehe z. B. I. Kershaw, Populär Opinion and Political Dissent in the Third Reich, Oxford 1983. Einflußreich auf amerikanischer Seite war auch die frühe Studie von W. S. Allen, The Nazi Seizure of Power, Chicago 1965. Inzwischen ist die Liste westdeutscher und angelsächsischer Studien zu diesen Themen außerordentlich lang geworden.

  14. R. J. Evans (Ed.), Society and Politics in Wilhelmine Germany, London 1978, S. 23.

  15. Siehe z. B. H. -U. Wehler, »Deutscher Sonderweg* oder allgemeine Probleme des westlichen Kapitalismus, in: Merkur, (1981) 5, S. 478— 487; H. -J. Puhle, Deutscher Sonderweg, in: Journal für Geschichte, (1981) 4, S. 44— 45.

  16. Siehe z. B. H. -U. Wehler, Geschichte — von unten gesehen, in: DIE ZEIT vom 3. 5. 1985, S. 64, auch für die folgenden Zitate.

  17. Nicht zuletzt der Aspekt der Materialaufbereitung scheint mir auch für die künftige Forschung wichtig, da viele Historiker der älteren Generation nicht mehr allzu häufig in die Archive gehen. Im übrigen kam im Anschluß an internationale Entwicklungen schließlich auch in der Bundesrepublik die oral history sowie die Frauengeschichte in Gang.

  18. Siehe z. B. F. -J. Brüggemeier, Leben vor Ort. Ruhrbergleute und Ruhrbergbau, 1889— 1919, München 1983; D. Peukert/J. Reulecke (Hrsg.), Die Reihen fast geschlossen. Beiträge zur Geschichte des Alltags unterm Nationalsozialismus, Wuppertal 1981. In England kam die Kritik an dem wachsenden Pointillismus der Thompson-Schule z. T. bezeichnenderweise wieder von britischen Deutschland-Historikern. Siehe G. Eley/K. Nield, Why does Social History ignore Politics?, in: Social History, (1980) Mai, S. 249— 271. Daß es nicht bei einer unfruchtbaren Polemik blieb, läßt sich auch am Verlauf der Sonderwegsdebatte feststellen. Siehe die überarbeitete englische Fassung von Mythen deutscher Geschichtsschreibung: G. Eley/D. Blackbourn, The Peculiarities of German History, Oxford 1984. Siehe jetzt auch: H. Grebing, Der , deutsche Sonderweg 1 in Europa (1806— 1945). Eine Kritik, Stuttgart 1987.

  19. So H. -U. Wehler, Königsweg zu neuen Ufern oder Irrgarten der Illusionen? Die westdeutsche Alltagsgeschichte: Geschichte , von innen* und , von unten*, in: F. J. Brüggemeier/J. Kocka (Hrsg.), Geschichte von unten — Geschichte von innen. Kontroversen um die Alltagsgeschichte, Fernuniversität Hagen 1985, S. 39. Siehe auch J. Kocka, Sozialgeschichte, Göttingen 19862, insbes. Kap. IV; H. Süssmuth (Hrsg.), Historische Anthropologie, Göttingen 1984.

  20. Insgesamt konnten vorstehend nur einige Literaturhinweise gegeben werden. Die Vielfalt und Lebendigkeit der Forschungen auf diesem Feld ist bemerkenswert.

  21. M. Stürmer, Kein Eigentum der Deutschen: die deutsche Frage, in: W. Weidenfeld (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, München 1983, S. 83.

  22. M. Stürmer, Dissonanzen des Fortschritts, München 1986. Siehe auch ders., Begriffsgeschichte oder der Abschied von der Schönen Neuen Welt, in: Der Staat, (1978) 2, S. 278: „Was den Fortschrittsgedanken von Marx und Engels auszeichnete, waren die konsequent ökonomische Begründung, der vom Klassenkampf bestimmte Bewegungsrhythmus und die Verheißung des herstellbaren Endzustands. Seitdem steht der Fortschrittsbegriff des 19. Jahrhunderts wie versteinert im Credo der kommunistischen Welthälfte, während die politischen Kulturen der anderen Welthälfte mit dem Bewußtsein zu leben haben, daß Fortschritt und Fortschrittsglaube abhanden kamen. Denn unübersehbar besteht das Dilemma des Fortschritts darin, daß er das Ziel bedroht, das ihn doch erst rechtfertigt - die Idee des Menschen.“

  23. M. Stürmer, Koalition und Opposition in der Weimarer Republik, 1924— 1928, Düsseldorf 1967.

  24. M. Stürmer, Staatsstreichgedanken im Bismarck-reich, in: Historische Zeitschrift, (1969) 209, S. 611 f.

  25. M. Stürmer, Revolutionsfurcht und überseeische Expansion im Zeitalter Bismarcks, in: Neue Politische Literatur, (1970) 2, S. 188— 198. Zitate S. 191 f., 197 f.

  26. Wie in Anm. 3.

  27. Aus Politik und Zeitgeschichte, B 3/71, vom 16. 1. 1971, S. 3— 30. Zitate passim.

  28. Interessant für Stürmers damalige Position auch seine Rezension in dem von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Archiv für Sozialgeschichte, (1970) X, S. 461— 464.

  29. M. Stürmer (Hrsg.), Herbst des Handwerks, München 1979; ders., Luxusgüter in der Knappheitsgesellschäft. Handwerkskultur und höfisches Leben im 18. Jahrhundert, in: Francia, (1978) 6, S. 319— 365.

  30. M. Stürmer, Bismarckstaat und Cäsarismus, in: Der Staat, (1973) 4, S. 467— 498. Zitate passim.

  31. M. Stürmer, Nationalstaat und Klassengesellschaft im Zeitalter des Bürgers — Ein Versuch, in: Merkur, (1981) 5, S. 465— 477. Zitate passim.

  32. M. Stürmer (Anm. 21), S. 83.

  33. A. Hillgruber, Politische Geschichte in moderner Sicht, in: Historische Zeitschrift, (1973) 216, S. 529ff.

  34. K. Hildebrand, Geschichte oder , Gesellschaftsgeschichte 4?, in: Historische Zeitschrift, (1976) 223, S. 328 ff.

  35. Siehe H. -U. Wehler, Kritik und kritische Antikritik, in: Historische Zeitschrift, (1977) 225, S. 347ff. Siehe auch T. Nipperdey, Wehlers . Kaiserreich 4. Eine kritische Auseinandersetzung, in: Geschichte und Gesellschaft, (1975) 1, S. 539 ff.

  36. M. Stürmer, Geschichte in geschichtslosem Land, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. 4. 1986.

  37. M. Stürmer, Wem gehört die deutsche Geschichte?, in: Die Bunte vom 19. 12. 1984, S. 146.

  38. A. Hillgruber, Jürgen Habermas, Karl Heinz Janßen und die Aufklärung Anno 1986, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Dezember 1986, S. 725 f.

  39. So M. Stürmer in einem Leserbrief in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 16. 8. 1986. Dort auch die Sätze: „Identitätsstiftung? Was immer Identität sein mag, es befindet sich offenbar jedermann auf der Suche nach derselben. Inwieweit die Historie als Wissenschaft dazu beizutragen hat, ist umstritten. Identitätsstiftung sollte sie anderen überlassen. Jürgen Habermas hat dies lange genug, und glücklicherweise vergeblich, unternommen.“ Die Verbitterung ist so groß, daß Habermas’ eigene Zusammenstöße mit dem damaligen studentischen Radikalismus nach dem Selbstverschuldungsprinzip behandelt werden.

  40. So der Tenor des Beitrages von Thomas Nipperdey zur Nolte-Debatte in: DIE ZEIT vom 17. 10. 1986, S. 12.

  41. Siehe vor allem S. 29.

  42. M. Stürmer, Deutscher Flottenbau und europäische Weltpolitik vor dem Ersten Weltkrieg, in: Deutsches Marine-Institut und Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.), Die deutsche Flotte im Spannungsfeld der Politik, 1848— 1985, Herford 1985, S. 57 f., wiederabgedruckt in: M. Stürmer, Dissonanzen des Fortschritts (Anm. 22), mit einer wissentlich falschen Abqualifizierung einer ihm gut vertrauten Studie über die Antriebe hinter der wilhelminischen Weltpolitik.

  43. M. Stürmer (Anm. 36), auch für das folgende Zitat.

  44. M. Stürmer (Anm. 21), S. 84.

  45. Siehe oben S. 31.

  46. M. Stürmer (Anm. 36).

  47. J. Habermas, Eine Art Schadensabwicklung, in: DIE ZEIT vom 11. 7. 1986, S. 40.

  48. Besonders konzis in: K. Hildebrand, , British Interests* als Staatsräson. Grundlagen britischer Außenpolitik im 19. Jahrhundert, in: Mitteilungen der Gesellschaft der Freunde der Universität Mannheim, (1973) 2, S. 2— 8, insbes. S. 8: „Innenpolitische Reformbereitschaft für eine leistungsfähige Außenpolitik und Absage an die Rolle des . Weltpolizisten* als Voraussetzung für die Verwirklichung innerer Reformen — dieses Wechselspiel von Innen-und Außenpolitik, das die englische Nation und ihr Parlament im 19. Jahrhundert mit Erfolg betrieben, trug entscheidend dazu bei, die internationale Position der britischen Weltmacht zu garantieren.“ Leider hat Hildebrand seine Mannheimer Habilitationsschrift zu diesem Thema nie veröffentlicht.

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Volker R. Berghahn, Dr. phil., geb. 1938; o. Professor für Neuere Geschichte am Department of History, University of Warwick, Coventry, England. Veröffentlichungen u. a.: Der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, 1918— 1935, Düsseldorf 1966; Der Tirpitz-Plan. Genesis und Verfall einer innenpolitischen Krisenstrategie und Wilhelm II., Düsseldorf 1971; Rüstung und Machtpolitik. Zur Anatomie des , Kalten Krieges 4 vor 1914, Düsseldorf 1973; Germany and the Approach of War in 1914, London 1973; (Hrsg.) Militarismus, Köln 1975; (Hrsg. zus. mit M. Kitchen) Germany in the Age of Total War, London 1981; Modern Germany. Society, Economy and Politics in the Twentieth Century, Cambridge 19865; Militarism. The History of an International Debate, 1861— 1979, New York 1982; Unternehmer und Politik in der Bundesrepublik, Frankfurt 1985; The Americanisation of West German Industry, 1945— 1973, New York 1986.