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Frauen an die Macht!? Politische Strategien zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau | APuZ 9-10/1987 | bpb.de

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APuZ 9-10/1987 Politik: Noch immer kein Beruf für Frauen? Frauen an die Macht!? Politische Strategien zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau Können Frauen die Politik verändern?

Frauen an die Macht!? Politische Strategien zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau

Birgit Meyer

/ 35 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Frauen sind in den Machtzentren dieser Welt kaum vertreten. Diese schlichte Tatsache wirft zunehmend Fragen auf. In der Neuen Frauenbewegung seit Anfang der siebziger Jahre lassen sich drei Phasen der Machtdiskussion ausmachen. Die erste Phase war bestimmt von einem impulsiven Selbstfindungsprozeß und konzentrierte sich auf die Beweisführung, daß Männer die Mächtigen, die Täter, die Agierenden seien, Frauen dagegen die Ohnmächtigen, die Opfer. Statt die Macht des Patriarchats zerstören zu wollen, wurde in der zweiten Phase der Machtdiskussion das Zerstörerische an der Macht selbst in den Vordergrund gerückt. Macht wurde mit Gewalt gleichgesetzt, als „männliches Prinzip“ erklärt und im Zuge der Gewaltablehnung ebenfalls dämonisiert und tabuisiert. Heute hat die dritte Phase der Machtdiskussion eine Veränderung sowohl des klassischen Politik-als auch des Machtbegriffs eingeleitet. „Frauen an die Macht!“ heißt demnach ein Doppeltes: Zum einen wird der Anspruch auf Teilhabe an öffentlich sichtbarer und honorierter Präsenz radikaler formuliert als noch vor 15 Jahren und zum anderen wird der Machtbegriff selbst positiv umformuliert. Ein entscheidendes Kriterium für ein verändertes Machtverständnis muß die Frage sein, wie mit den Ohnmächtigen in der Gesellschaft umgegangen wird. Zwei politische Strategien zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau werden zur Zeit am häufigsten diskutiert: das Antidiskriminierungsgesetz — bereits 1978 von der Humanistischen Union und der FDP eingebracht und 1985 von den GRÜNEN weitergehend formuliert — und die Forderung nach Frauenquoten im Arbeitsleben und in der Politik. Mit der positiven Diskriminierung aufgrund des Geschlechts sind in den Vereinigten Staaten bereits positive, aber auch negative Erfahrungen gesammelt worden. Es ist anzunehmen, daß über Quoten hinausgehende Maßnahmen nötig sein werden, wenn ein gesellschaftlicher Zustand und ein psychologisches Klima geschaffen werden sollen, in denen sich die Definitionen von „Frau“, „Politik“ und „Macht“ nicht mehr gegenseitig ausschließen. Diese Maßnahmen schließen einen Bewußtseinswandel aller Beteiligten ein.

„Alle Politik ist Kampf um die Macht." C. Wright Mills 1956 „Warum hat sich die Politik den Frauen verweigert, warum verweigern sich heute die Frauen der Politik? Steckt in dieser doppelten Verweigerung nicht womöglich der Keim sowohl einer Krise der traditionellen Politik als auch einer Kritik, die eine andere Politik einleiten könnte?“ Rossanna Rossanda 1980

Schon das Thema „Frauen an die Macht!?“ impliziert offenbar etwas Provozierendes. Eine kleine private Umfrage im weiblichen Bekanntenkreis ergab denn auch Aufschlußreiches: „Macht? Um Gottes Willen! Dann werden die Frauen ja wie die Männer!“ sagten die einen, — „Macht für Frauen? Ja, das wäre vielleicht ganz schön — ich hätte gerne, wenn andere Frauen mehr Macht besäßen. Aber ich selbst — Nie! Ich habe schon genug zu tun, und in die Politik gehen? Unmöglich!“ So und ähnlich äußerten sich die Konzilianteren. Manche überbelasteten Kolleginnen freuten sich sogar: „Ja, Macht haben, das wäre gut, das hieße, endlich nicht alles selber machen, planen, organisieren und tun zu müssen, endlich delegieren zu können. Macht heißt Geld, heißt Mittel zur Verfügung zu haben, die etwas in Bewegung setzen. Ja, das wär’s!“ Eine nicht typische, aber ehrliche Antwort lautete: „Wenn wir Frauen mit dem von Männern gelenkten und in den Wahnsinn gesteuerten Erdenschiff sowieso irgendwann untergehen müssen, dann will ich auf der Fahrt wenigstens vorne sitzen! Vielleicht kann ich den Kurs noch ändern.“

Diese Antworten repräsentieren zwar nicht das gesamte Spektrum der möglichen Beziehung von Frauen zur Macht, aber der Rahmen ist gesteckt. Er reicht von der totalen Ablehnung über die partielle Bejahung bis hin zum instrumentellen Akzeptieren von Macht für Frauen. Eigentümlicherweise waren die Antworten aber nie etwa gelassen und ruhig. Wie immer sie ausfielen, sie spiegelten eine tiefgreifende Irritation. Diese Irritation ist keineswegs nur privater Natur, sondern scheint exemplarisch für das Verhältnis von Frauen zur Macht, wie im folgenden darzulegen versucht wird.

Zunächst ist es eine schlichte und völlig unstrittige Tatsache, daß Frauen von politischen Machtpositionen in unserer Gesellschaft ausgeschlossen sind. Aber ist Macht überhaupt ein positives Ziel? Sollen Frauen überhaupt Macht erstreben in dieser Welt? Und ist die Sphäre der Macht so, wie sie ist, weil Angehörige des weiblichen Geschlechts von ihr üblicherweise ausgeschlossen sind? Ist die Annahme plausibel, daß Frauen Macht anders gestalten und ausüben würden als Männer?

Zunächst aber soll hier von der Ohn-Macht die Rede sein. Ihre Tatsache war und blieb Motor für die neue Frauenbewegung. Deren erstarkendes Selbstbewußtsein, ihre aus tiefsitzenden Kränkungen gespeisten Energien und intellektuelle Neugierde konzentrierten sich vor allem auf die Beweisführung, daß Männer die Mächtigen, die Täter, die Agierenden seien. Frauen seien dagegen die Ohnmächtigen, die Opfer, die Erleidenden. Paradoxerweise gab diese Erkenntnis zahllosen Frauen den Elan, ihre Situation zu hinterfragen mit dem Ziel und der Praxis der aktiven Veränderung gegebener Machtverhältnisse. Was 1971 mit der Kampagne einiger, als radikal angesehener Frauen gegen den § 218 StGB begann, ist inzwischen zu einer unübersehbaren, von allen politischen Lagern respektierten Einflußgröße geworden. Die Legitimationen für die traditionelle Geschlechtsrollenverteilung von Männern und Frauen werden heute zunehmend schwächer. Brüchig geworden sind die daran geknüpften Assoziationen von „männlich“ und „weiblich“ und die Zuweisungen auf getrennte und gesellschaftlich unterschiedlich bewertete Arbeits-bzw. Lebensbereiche. Die beiden großen Volksparteien CDU und SPD verabschieden sich — zumindest rhetorisch — von „der Männergesellschaft“ und signalisieren den Frauen ihre Bereitschaft, sie verstärkt an der Macht und am politischen Geschäft zu beteiligen Sind nun die sich mehrenden Symptome einer größeren Offenheit bei den Repräsentanten der „alten Politik“ Zeichen vom Ende des Frauen-Ausschlusses oder lediglich ein geschickt inszenierter Akt der Beruhigung?

Antworten auf diese Fragen sind nicht einfach, denn die Sphäre der Macht ist kein neutraler Raum, und Macht ist kein unschuldiges Phänomen. Die Sphäre der Macht gilt — dies kann als grundsätzlicher Konsens in der feministischen und sozialwissenschaftlichen Diskussion festgehalten werden — solange noch als fragwürdig, auch wenn sie mit mehr Frauen besetzt sein sollte, wie sie gesellschaftliche Ungleichheiten schafft, legitimiert und fortschreibt. Das heißt, solange gesellschaftliche Macht vor allem hierarchisch organisiert, bürokratisch von oben gegen unten eingesetzt und qualitativ unverändert bleibt, hat das Fragezeichen im Titel dieses Beitrags seine Berechtigung.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sowohl der traditionelle Politik-als auch der Machtbegriff Erweiterungen und Veränderungen erfahren, die nicht zuletzt von der Frauenbewegung mit initiiert wurden und heute radikalisiert fortgesetzt werden. Auch die sozialwissenschaftliche Diskussion, die lange Zeit in der Tradition Max Webers gestanden hat, verfolgt heute eine differenzierte und über Weber hinausgehende theoretische Verortung und Konzeptionalisierung von Macht, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann

Für den vorliegenden Zusammenhang von besonderem Interesse dürfte hingegen der Macht-begriff von Hannah Arendt sein, der bislang offensichtlich zu wenig Beachtung gefunden hat. Er birgt die Vision eines anderen, nämlich positiven Verständnisses von Macht in sich, das den von Teilen der Frauenbewegung vorgelegten Entwürfen einer weiblichen Zukunft entgegenkommen würde. Interessanterweise läßt sich nämlich bei den Äußerungen von Frauen über ihr Verständnis von Macht und bei empirischen Untersuchungen über den geschlechtsspezifischen Umgang mit Macht feststellen, daß von Frauen — sofern sie sich überhaupt zu einem Machtwillen bekennen — überwiegend eine klare Trennungslinie zwischen Macht und Herrschaft gezogen wird, die entgegen der sonst üblichen Gleichsetzung der beiden Phänomene im Alltagssprachgebrauch steht. Wie ist nun das herkömmliche Verständnis von Macht und Herrschaft?

Macht und Herrschaft

Etymologisch kommt Macht von können und vermögen, also von einer Eigenschaft, einer Potenz, im Gegensatz zu Herrschaft, die von einer herausragenden Stellung innerhalb einer Hierarchie hergeleitet wird. Die Herrschaft kann sich dieser Stellung qua Setzung (Alter, Obrigkeit, Herrlichkeit, Geschlecht) sicher sein, währenddessen Macht der Legitimation derer bedarf, auf die sie sich bezieht oder über die sie ausgeübt wird. Herrschaft dagegen wird als klassisches Über-und Unterordnungsverhältnis definiert, dem der Einsatz instrumenteller Hilfsmittel zur Aufrechterhaltung von Dominanz-und Abhängigkeitsstrukturen dienlich ist

Waren es in feudalen Zeiten persönliche Herrschaftstrukturen, in denen die Beherrschten jederzeit der subjektiven Willkür von Seiten ihres Herrschers ausgesetzt waren, so setzte mit dem Liberalismus des vergangenen Jahrhunderts die versachlichte Herrschaft des Rechts oder des Staatsvertrages ein, denen der Idee nach jeder als Bürger oder Bürgerin gleich unterworfen sein sollte. Rechtssicherheit (Vorhersagbarkeit, Kalkulierbarkeit, Berechenbarkeit) bildete das Konstituens bürgerlicher Freiheit. Sie war geschaffen für die am freien Markt konkurrierenden und tauschenden Warenproduzenten und für die rechtlich gleichgestellten autonomen Individuen in ihrer Privatsphäre, die auf einen staatsfreien Raum vertrauten.

Daß diese Form bürgerlicher Freiheit oder bürgerlicher Herrschaft eben nicht Gleichheit und Freiheit aller Beteiligten in sich birgt, darauf hat zuerst Karl Marx hingewiesen, der die ökonomische Herrschaft der Warenbesitzer, der Privateigentümer anprangerte. Und daß Freiheit und Gleichheit für mindestens die Hälfte der Bevölkerung, nämlich für das weibliche Geschlecht, noch nicht einmal rechtlich verbürgt war, diesen Vorwurf hat im 19. Jahrhundert die erste Frauen-bewegung vehement formuliert War für Marx die Abschaffung der Herrschaft des Menschen über den Menschen das revolutionäre Ziel, so forderte die Frauenbewegung die Abschaffung der Herrschaft des männlichen Menschen über den weiblichen.

Die Machtdiskussion in der Neuen Frauenbewegung

Die Machtdiskussion in der Frauenbewegung ist so alt wie die Frauenbewegung selbst. Bereits vor 100 Jahren ging es in der ersten Deutschen Frauenbewegung um Machtfragen, die allerdings unter anderen Formeln rubriziert wurden Forderungen nach der Anerkennung der intellektuellen Fähigkeiten des weiblichen Geschlechts, die Öffnung von Bildungs-und Berufswegen für Mädchen und Frauen und das Augenfälligste, nämlich die Gewährung des aktiven und passiven Wahlrechts, hatten bereits Ende des vergangenen Jahrhunderts die politische und gesellschaftliche Partizipation und die rechtliche Gleichstellung von Frauen zum Ziel.

Den einen, den Radikalen innerhalb des bürgerlichen Flügels der Frauenbewegung, ging es um das, was man später als „Chancengleichheit“ bezeichnete, um die Durchsetzung von formaler Gleichberechtigung, um Bürgerrechte, vor allem um Rechtsgleichheit. Den anderen, den Gemäßigten, ging es um die Einbeziehung von weiblichen Werten in die Politik und um die Anerkennung des weiblichen Kulturbeitrages.

Der Erste Weltkrieg aber bedeutete eine Zäsur für alle Flügel der ersten Frauenbewegung und eine Zurückstellung der damals noch recht elitär und vereinzelt geführten Machtdiskussion.

Starke staatliche und wirtschaftliche Mobilisierungsversuche zielten darauf ab, auch Frauen in den „Vaterländischen Hilfsdienst“ mit einzubeziehen. Hierin kamen sie Teilen der Frauenbewegung entgegen, die eine wirtschaftliche und politische Integration . und Soziale Aufwertung der Frauen begrüßten und während des Krieges Frauenfragen und -forderungen zurückstellten im Namen eines Burgfriedens zwischen den Geschlechtern.

Dennoch brachte der Erste Weltkrieg und die Novemberrevolution mit der Einführung des Frauenwahlrechts einen bedeutsamen Politisierungsschub: Von ihrem neuen Wahlrecht machten rd. 90% der weiblichen Wahlberechtigten Gebrauch. In der Weimarer Nationalversammlung waren von 423 Abgeordneten 41 Frauen. (Erst zwei Generationen später, im Jahre 1983, war der Anteil weiblicher Parlamentarier auf Bundesebene wieder ähnlich hoch; er kletterte sogar 1987 im 11. Deutschen Bundestag erstmals auf ca. 15%).

Politisch war das Mobilisierungspotential der Frauenbewegung in der Weimarer Republik nahezu erschöpft, nachdem die Weimarer Verfassung Männern und Frauen „grundsätzlich“ die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten zuerkannt hatte.

Mit der Verstärkung der Erwerbsbeteiligung und dem Wandel der Beschäftigungsstruktur von Frauen in der von wirtschaftlichen (und politischen) Krisen betroffenen Weimarer Republik verschoben sich die Aktivitäten engagierter Frauen vor allem auf die Sozialpolitische Linderung bedrückender Lebenslagen.

Spätestens mit dem Nationalsozialismus hatte die Etablierung gesellschaftlicher Gewaltverhältnisse in Deutschland die Diskussion um politische Macht für Frauen beendet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg legte die Bundesrepublik in der Formulierung ihres Grundgesetzes durch die Einführung von Art. 3 GG die juristischen Grundlagen für eine tatsächliche Gleichstellung in der geschlechtsspezifischen Machtverteilung, aber deren empirische Einlösung stand für die Mehrheit der Bevölkerung immer noch aus.

Erst wieder in den siebziger Jahren, seit den Anfängen der Neuen Frauenbewegung in den USA und in Westeuropa, wird die instrumentelle Verselbständigung von politischer Macht und die geschlechtsspezifische Verteilung von gesellschaftlichen Macht-und Ohn-Macht-Positionen kritisiert. Hier sind nun drei Phasen zu unterscheiden.

Zu Beginn der siebziger Jahre ging es zunächst um die Thematisierung des eigenen Körpers als Ort der verloren gegangenen Selbstbestimmung und um die enteignete Sexualität als Angelpunkt und „Fundament männlicher Macht und weiblicher Ohnmacht“ Gewalt gegen Frauen — ob als körperliche Züchtigung, sexuelle Vergewaltigung oder im übertragenen Sinne als frauen-feindliche Werbeklischees — war eines der ersten Themen der Neuen Frauenbewegung. Ihr gelang es, gegen massiven Widerstand und verbreitete Ignoranz das Problem Gewalt gegen Frauen als alltägliche Realität bewußt zu machen Die Abwehr aller Betroffenen — ob Männer oder Frauen — war gewaltig, galt doch jahrhundertelang unangefochten Gewalt gegen Frauen als legitim, als selbstverständlich, bzw. als Nicht-Gewalt. Daß selbst die Opfer dieses Denken internalisiert hatten, macht die spezifische Qualität der Unterdrückung besonders deutlich. Das eheliche Züchtigungsrecht des Mannes im 18. /19. Jahrhundert war zwar abgeschafft worden, gleichwohl verblieb die Ehe im Hinblick auf Mißhandlung und Vergewaltigung als rechts-freier Raum. Mittlerweile aber haben Frauenhäuser, Notruf-und Selbsthilfegruppen ein kollektives Unrechtsbewußtsein in der Bevölkerung und ein verändertes Rechtsbewußtsein bei den Beteiligten selbst, aber auch bei staatlichen Stellen geschaffen

Die Kritik an der Enteignung des weiblichen Körpers die Aufdeckung alltäglicher Gewalt-und Unterdrückungsstrukturen und die sozialistisch inspirierte Kritik an den herrschenden Macht-und Eigentumsverhältnissen des Patriarchats waren das Bestimmende der ersten Phase. Mit dem Slogan „Das Private ist politisch!“ erweiterte die Frauenbewegung den gesellschaftlichen Diskurs um Themen wie Liebe, Sexualität, Hausarbeit, Beziehungsmuster u. ä., die bislang als naturhaft-fixiert oder privat-unberechenbar erschienen

Das liberale Verständnis einer Trennung der beiden Bereiche Privatsphäre und Öffentlichkeit wurde nun auch auf der ideologischen Ebene in Frage gestellt. Damit formulierte die Frauenbewegung den objektiven Tatbestand eines Sozialstaates, der zunehmend in den Privatbereich seiner Bürger und Bürgerinnen interveniert und immer detaillierter das Private regelt, durch Arbeitszeitregelungen, Bildungspolitik oder Ehe-und Familiengesetzgebung. Zugleich wurden Probleme des Intimbereichs (wie Abtreibung, Ehebruch, Haushaltsführung, Kindesmißhandlung)

immer mehr zum Gegenstand des öffentlichen Diskurses. Die Frauenbewegung artikulierte damit gerade jene spezifischen Macht-und Gewaltverhältnisse, die sich durch die neuartige Verschränkung von Öffentlichkeit und Privatheit im Wohlfahrtsstaat herausgebildet hatten.

In dieser ersten Phase forderten die Frauen — analog dem traditionellen Machtverständnis — leidenschaftlich und oftmals unbekümmert die gesellschaftliche Macht als Instrument zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele, vor allem damals die Abschaffung des § 218 StGB: „Wir wollen die Macht über Nacht, daß es nur so kracht!“, war ein vielgerufener Slogan auf Frauenfesten

Indessen hieß es im Frauenjahrbuch 1976: „Wir wollen die Macht, wir wollen nicht das Patriarchat partnerschaftlich tragen, wir wollen das Patriarchat zerstören, bevor es den Planeten zerstört.“ In dieser Begründung taucht erstmals eine moralische Überlegung auf, die die zweite Phase in der Machtdiskussion einleitete. Statt die Macht des Patriarchats zerstören zu wollen, wurde das Zerstörerische an der Macht selbst in den Vordergrund gerückt. Statt Macht zu fordern oder zu erringen, wurde für viele Frauen die Macht als solche suspekt. Es tauchten Fragen auf wie: Ist Macht für Frauen ein wünschenswertes Ziel? Ist Macht moralisch gut? In zahlreichen Diskussionen geschah nun eine Gleichsetzung von Macht mit Gewalt. Macht wurde als „männliches Prinzip“ erklärt und im Zuge der Gewalt-ablehnung ebenfalls dämonisiert und tabuisiert. Eine weit verbreitete Reaktion auf diese Diskussion in der Frauenbewegung bestand darin, mit der Gewalt auch die Macht als solche abzulehnen und mit der Forderung nach Gewaltlosigkeit zugleich (ungewollt?) den Machtverzicht zu erklären. „Es gilt nicht, die Macht zu ergreifen, ob als Minderheit oder nicht, ob bewaffnet oder „gewaltlos", es gilt, die Macht zu zerstören, damit wir lachen, leben, lieben können.“

Feministinnen und Frauen aus der Friedensbewegung prangerten die Macht des Staates, der Rüstungskonzerne, des Patriarchats an und stellten der bloßen Teilhabe an der Macht durch einzelne Frauen die Macht der Verweigerung gegenüber.

Sie wollten Räume schaffen, in denen das „männliche Prinzip“ nicht gelte. Dahinter stand die Hoffnung, daß solche Frauen-Räume herrschaftsfrei sein würden. „Keine Männer“ schien gleichbedeutend mit „keine Hierarchie“, „keine Konkurrenz“, „keine Machtkämpfe“ — es sollte die Solidarität und Gleichheit der gesellschaftlich Machtlosen herrschen. Natürlich blieben dies utopische Hoffnungen. Auch in Frauengruppen gab und gibt es Macht, gab und gibt es Hierarchien. Es gibt „starke“ und „schwache“ Frauen, „männlich dominante“ und „weiblich anpassungsbereite“, es gibt die „informierten“ und die „nicht-informierten“ Frauen. 'Eine Kluft tat sich auf zwischen „Lesben“ und „Nicht-Lesben“, zwischen „Müttern“ und „Nicht-Müttern“, und oft genug wurden einzelne Frauen, die sich in der Frauenbewegung einen Namen gemacht, die sich exponiert hatten, besonders von ihren Mitstreiterinnen kritisiert. Ein Ausbruch aus dem Diskurs der Machtlosigkeit wurde schärfstens sanktioniert Auf sonderbare Weise hielten Verhaltensmuster auch in Frauengruppen Einzug, die als Macht-und Herrschaftsform der Männer kritisiert worden waren. So erfuhr interessanterweise die Machtdiskussion in der Frauenbewegung Ende der siebziger Jahre eine Verschiebung der Schwerpunkte; sie steuerte von der Frage nach dem Verhältnis der Frauen zur gesellschaftlichen Macht zu der Frage nach den Machtbeziehungen von Frauen untereinander

Erst durch den Impuls der Friedensbewegung in den achtziger Jahren und durch Aktionen des zivilen Ungehorsams, bei denen Frauen zahlreich repräsentiert sind, sowie durch die auch parlamentarisch und parteiintern sichtbarer gewordene Präsenz und Kompetenz von Frauen ist die Suche nach Veränderungsstrategien gesellschaftlicher Machtverhältnisse mittels Einmischung in die Sphäre der Macht wieder in den Vordergrund gerückt

Wenngleich gegenwärtig, in der dritten Phase der Machtdiskussion, alle bisher genannten Positionen nebeneinander vorzufinden sind, fällt dennoch eine qualitative Veränderung ins Auge. Diese wird einerseits durch die Tatsache bewirkt, daß in zahlreichen kulturellen und ökonomischen Bereichen Projekte und Ideen der Frauen-bewegung bereits fest etabliert sind. Auch sind soziale Breitenwirkung und Akzeptanz von Gleichstellungsforderungen gegenüber vergangenen Jahrzehnten erstaunlich gestiegen.

Andererseits scheint die neue Qualität in der Machtdiskussion in dem Versuch zu bestehen, den klassischen Widerspruch zwischen Macht und Moral dergestalt aufheben zu wollen, daß die politische Sphäre selbst nach moralischen Ansprüchen gestaltet werden soll. Wo die klassische Arbeitsteilung zwischen Politik und Privatheit aufgehoben ist und die Folgewirkungen einer alles erfassenden Politik die Privatsphäre in einem nicht gekannten Ausmaß bedrohen, scheint die Suche nach risikomindernden Moralvorsteilungen in der Politik rational.

Macht und Gewalt

Die erstaunliche These, daß Macht auch eine menschliche Fähigkeit sein mag — und zwar eine dem Menschen würdige —, diese These durchzieht das Werk der Philosophin Hannah Arendt. Sie hat wohl als erste einen positiven Machtbegriff formuliert, der für die Kennzeichnung dessen, was die Frauenbewegung in der politischen Sphäre erreichen will, am ehesten geeignet zu sein scheint.

In Arendts politischer Philosophie ist Macht der absolute Gegenbegriff zu dem der Gewalt

Macht bedeutet für sie die spezifisch menschliche Fähigkeit, im Einvernehmen mit anderen zu handeln. „Über Macht verfügt niemals ein einzelner.“ Macht ist für Hannah Arendt die symbolische Verkörperung der Solidarität einer Gruppe. Macht beginnt und zerfällt mit der Existenz dieser Gruppe. „Macht entsteht, wann immer Menschen sich zusammentun und gemeinsam handeln, ihre Legitimität beruht nicht auf den Zielen und Zwecken, die eine Gruppe sich jeweils setzt, sie stammt aus dem Machtursprung, der mit der Gründung der Gruppe zusammenfällt.“ Macht ist bei Arendt der Fundus, aus dem sich die Legitimation kollektiver politischer Entscheidungen speist; wo immer sie verfehlt wird, herrscht Gewalt. Während bei Max Weber die soziale Gruppe in der Mehrheit zum Objekt von Macht gerät, agieren bei Hannah Arendt die Gesamtheit der Gruppenmitglieder als das Subjekt der Macht.

Das Grundphänomen einer so verstandenen Macht ist „die Formierung eines gemeinsamen Willens in einer auf Verständigung gerichteten Kommunikation“ die dann etwas gemeinsam hervorbringen könnte, was die Vision einer anderen Welt in sich trüge. Denn: „Macht muß ja nicht notwendig Unterdrückung bedeuten, sie könnte auch Macht sein, etwas hervorzubringen:

eine andere Lebensweise, eine andere Welt, einen inspirierenden Sinn.“

Im Zentrum einer so definierten Macht steht ebenfalls die Verantwortlichkeit gegenüber jeder Form der menschlichen Existenz und vor allem auch gegenüber denjenigen, die sich außerhalb dieser Machtsphäre befinden. Ein entscheidendes Kriterium für ein verändertes Machtverständnis muß daher die Frage sein, wie mit den Ohnmächtigen in der Gesellschaft umgegangen wird.

Durch die Kritik am traditionellen Verständnis von „Politik als Geschäft“ und „Macht als Besitz“ und „Herrschaftsinstrument“ hat die Frauenbewegung eine Diskussion um neue Inhalte und Maßstäbe in diesen Bereichen angeregt.

Komprimierungen und Popularisierungen aber, wie sie beispielsweise in der Parole „Die Zukunft ist weiblich oder gar nicht“ zum Ausdruck kommen, geben eine Eindeutigkeit und Selbstgewißheit in historischer Analyse und politischer Therapie nur vor. Sie verdecken vor allem die großen Unterschiede in den Zukunftsentwürfen, die heftigen inhaltlichen Kontroversen über eine genuin weibliche Perspektive, sie verdecken die widersprüchlichsten Vorstellungen über die tatsächliche Veränderbarkeit unserer Welt und verhüllen die inhaltlichen Leer-und Schwachstellen in einer „weiblichen Theorie der Macht“, die im übrigen noch aussteht

Und doch hat die Diskussion in der Frauenbewegung zu Fragen der Legitimation gesellschaftlicher Macht die männliche Hegemonie und Selbstgewißheit erschüttert. Der Wille, „sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“, zieht weite Bahnen und geht weit über den Kreis der sogenannten Feministinnen hinaus. Vielleicht hat aus diesem Grunde die — so will ich sie nennen — qualitative Macht der Frauenbewegung trotz ihrer geringen numerischen Quantität die Legitimationssphäre mit ihren Themen so erfolgreich besetzen können Denn der instrumentell verfügbaren und überall sichtbaren Macht, die in Hannah Arendts Begriffen Gewalt wäre, steht heute die von Geltungsansprüchen und historischen Erfahrungen und Einsichten gegenüber. So sind Frauen in der Legitimationssphäre zum Macht-faktor geworden. Aus diesem Grunde wenden sich die Parteien heute so massiv den Frauen zu, und nicht nur, weil sie als potentielle Wählerinnen interessant sind, denn das waren sie immer seit der Einführung des Frauenwahlrechts.

Die Geschichte der Frauenunterdrückung und Männerdominanz läßt sich zwar in konkreten Zahlen ausdrücken, z. B.der Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik und in anderen gesellschaftlich wichtigen Führungspositionen, sie ist aber nicht mit ihnen identisch. Dennoch zielen die zur Zeit diskutierten politischen Strategien zunächst und mit Recht auf die numerische Gleichstellung und Gleichberücksichtigung von Frauen in den bislang männlich dominierten Bereichen

Gleichwohl sollte deutlich geworden sein, daß durch die im folgenden zu beschreibenden Strategien einer numerischen Gleichstellung auch eine qualitative Veränderung der politischen Sphäre der Macht folgen soll. Nur vor dem Hintergrund eines positiv umformulierten Machtbegriffs könnte man politische Strategien neu diskutieren, sonst bleiben sie Anpassung an gegebene Strukturen. Die quantitative Erhöhung des Frauenanteils in der Politik wird gedacht als der Einzug einer bisher aus der traditionellen Politik verdrängten Kultur. Darum verfehlt die gängige Kritik an einer „bloß mechanischen“ Gleichstellung den Kern.

Strategien zur numerischen Gleichstellung

Betrachtet man die vergangenen 15 Jahre, so ist nicht zu übersehen, daß Frauen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, aus dem Umfeld der Frauenbewegung, aus Frauen-gruppen und -Zentren und aus den neuen sozialen Bewegungen damit begonnen haben, die Situation ihrer Benachteiligung in der Öffentlichkeit auf die vielfältigste Art selbst darzustellen, um sie zu verändern. Darüber hinaus wuchs der Druck auf den gesetzgeberischen Bereich.

Das große Vorbild für Gesetzesmaßnahmen zum Schutz von Minderheiten und für Frauenförderpläne waren die USA, wo seit Mitte der sechziger Jahre sogenannte Bürgerrechtsgesetze gegen die Diskriminierung von Minderheiten —vor allem im Arbeitsleben — wirksam sind. Geschützt werden sollen „minorities“ aufgrund ihrer Hautfarbe, Nationalität, Rasse, Religion oder Geschlechtszugehörigkeit

Das Antidiskriminierungsgesetz Obgleich in der Bundesrepublik die Gleichberechtigung von Mann und Frau durch Art. 3 GG Verfassungsrang besitzt, forderte die Humanistische Union bereits 1978 ein Antidiskriminierungsgesetz

Darin sollten direkte und indirekte Diskriminierungen von Frauen und Männern aufgrund ihres Geschlechtes für die Bereiche Arbeit, Erziehung, Justiz und Werbung verboten werden. Außer der FDP standen alle Parteien und die Mehrheit der Frauenorganisationen und -gruppen dem Antidiskriminierungsgesetz skeptisch gegenüber, hatte doch das seit 1980 wirkende EG-Anpassungsgesetz, das Diskriminierungen im Arbeitsleben beseitigen sollte, gezeigt, daß legislative Maßnahmen ungenügende Instrumente politischer Gleichstellung sein können. Dies galt vor allem für Gesetze, die keine Überwachungsinstanzen schaffen oder keine wirkungsvollen Sanktionen androhen können oder die Beweisnot der zu schützenden Person übertragen.

Anfang der achtziger Jahre kristallisierte sich allerdings eine breitere Unterstützung des Antidiskriminierungsgesetzes durch die Frauenorganisationen unter der Bedingung heraus, daß dieses Gesetz mit „Zähnen und Klauen“, also mit Sanktionsmöglichkeiten, ausgestattet sei: „Im September 1982 befaßte sich die Bundesregierung mit dem Bericht der beiden Ministerien. Darin wird gefordert: Eine Generalklausel mit dem Verbot der Diskriminierung von Frauen in allen Bereichen, ergänzt durch öffentlich-rechtliche Diskriminierungsverbote (Bußgelder); verbesserte Rechtsfolgen bei Verstößen gegen das arbeitsrechtliche Benachteiligungsverbot bei Einstellungen und beim beruflichen Aufstieg; Zulassung einer Bevorzugung von Frauen zum Ausgleich bestehender Benachteiligungen; Stärkung der rechtlichen Stellung des Betriebsrates zu Frauen-fragen; Regelungen im öffentlichen Dienst zur verstärkten Förderung von weiblichen Beschäftigten; verstärkte Abwehr diskriminierender Werbung; eine Empfehlung an die Parteien bezüglich der Berücksichtigung von Frauen in den Landeslisten.“

Nach der Ablösung der sozialliberalen Regierung wurde die Diskussion hierüber zunächst abgebrochen. 1985 legten die GRÜNEN den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes vor, der noch um einige Forderungen darüber hinausgeht

Neu an diesem Entwurf ist die sogenannte Generalklausel, mit der jede Diskriminierung in jedem Bereich des Lebens geahndet werden kann. Neu ist auch der Schutz vor Diskriminierung nur für Frauen sowie die Einrichtung von Frauenbeauftragten, die die Durchführung des Gesetzes bei Bund, Ländern und Gemeinden überwachen sollen. Neu ist ebenfalls die Einführung eines Verbandsklagerechts und die Verpflichtung zur paritätischen Verteilung aller Ausbildungs-und Arbeitsplätze sowie aller Ämter auf Frauen und Männer, die mittels Quotierungsgesetz abgesichert werden soll. Während einer im April 1986 stattgefundenen Expertenanhörung wurden folgende Mängel am Gesetzesentwurf herausgestellt und kritisiert:

— In der Generalklausel sei keine hinreichende Definition von Diskriminierung erfolgt und es würden keine konkreten Rechtsfolgen für Verstöße gegen das Antidiskriminierungsgesetz angedroht; — die intendierte Abschaffung des Arbeitsschutzes sei höchst problematisch und schaffe keinen neuen Arbeitsplatz;

— die Kompetenzen der Frauenbeauftragten seien unzureichend bestimmt;

— starre Quoten als Zielvorgabe seien für kleine und mittlere Betriebe nicht realisierbar. Andere Länder haben bereits Erfahrungen mit Antidiskriminierungsgesetzen gesammelt, auf die man in der Diskussion zurückgreifen könnte. So gibt es Antidiskriminierungsgesetze in Australien, Großbritannien, Italien, Irland, Schweden, Dänemark und Norwegen Am häufigsten allerdings werden Erfahrungen aus den USA zum Vergleich herangezogen, die sich auf den empfindlichsten Punkt des Gesetzentwurfs beziehen, nämlich auf die Forderung nach Frauenquoten, die in den Vereinigten Staaten seit Einführung des „affirmative action“ -Programms Ende der sechziger Jahre gesetzlich geregelt sind

Quotenforderung Die weitreichendsten Konsequenzen beinhaltet die Forderung nach einem Quotierungsgesetz. Sie ist daher die zur Zeit am heftigsten umstrittene, da ihre Verwirklichung nämlich in absehbarer Zeit ganz sichtbare und konkrete Machtverluste auf Seiten der Männer und eine spürbare Machtverschiebung zugunsten der Frauen nach sich ziehen würde. Die Quotierungsforderung zielt auf eine geschlechtsparitätische Besetzung aller Positionen bei gleicher oder ausreichender Qualifikation, das heißt, bei allen Neubesetzungen müßten

Frauen vorrangig berücksichtigt werden, bis eine bestimmte Frauenquote erreicht ist.

Dies wird auch als positive Diskriminierung bezeichnet. Unterschiede werden gemacht zwischen starren Quoten und Quoten als Zielvorgabe in einem zu bestimmenden zeitlichen Rahmen. Gefordert wird ebenfalls, daß bei Nichteinstellung einer Frau die dafür ausschlaggebenden Gründe offengelegt werden und die Beweislast der Nicht-diskriminierung beim Arbeitgeber liegen soll.

Befürworter der Quotenregelung machen geltend, daß der Staat für die Verwirklichung der Grundrechte, die ja auch Teilhaberechte am gesellschaftlichen und staatlichen Leben gewährleisten sollten, Sorge zu tragen habe: „Bei unterschiedlichen faktischen Ausgangspositionen innerhalb der Bevölkerung bedeutet dies eine Verpflichtung des Staates, über positive Förderungsmaßnahmen bisher benachteiligter Gruppen diesen erst einmal faktisch gleiche Partizipationschancen einzuräumen, die es dann erlauben würden, ohne Ansehen der Person bzw.des Geschlechts alle Staatsbürger , gleich zu behandeln.“ Es sollen keine Privilegien geschaffen, sondern ein bisher vorenthaltenes Recht gewährt werden. Die Argumente konzentrieren sich darauf, daß es um die Verwirklichung des Verfassungsgebots gehe.

Gegen die Quotenforderung werden vor allem juristische und verfassungsrechtliche Bedenken angeführt. Unter Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 2 und Art. 12 GG wird auf die daraus resultierende Benachteiligung anderer —männlicher— Arbeitnehmer hingewiesen, außerdem seien Grundrechte Individualrechte, keine Gruppenrechte. Darüber hinaus wird auf Art. 2 und 14 GG verwiesen, das heißt auf die nicht zulässige Einengung des Aktionsradius der Arbeitgeber sowie die staatliche Verpflichtung aus Art. 33 Abs. 2 GG, beim Zugang zum öffentlichen Dienst nur Eignung und Leistung als Auswahlkriterien anwenden zu dürfen.

Vor allem für den Hochschulbereich gilt das Leistungskriterium als bestes Abwehrinstrument der Quotenforderung und impliziert tatsächlich eine Fülle von Problemen. Der Einwand aber, der die breiteste (und die einflußreichste) Unterstüt-zungsfront gefunden hat, wird in den USA unter der Formel „reverse discrimination" zusammengefaßt

1. Der junge weiße amerikanische Mann aus der Mittelschicht müsse nun schuldlos für jahrhundertelange Diskriminierungen bezahlen, aber nicht die, die aufgrund von Diskriminierungen in ihre Positionen gekommen sind.

2. Man bekämpfe Diskriminierungen mit demselben Mittel: mit Diskriminierungen — nur diesmal des weißen Mannes.

Die vielen als skandalös anmutende Parteinahme für mehr Frauen in Ausbildungs-und Arbeits-plätzen und die Folge, daß bei gleicher Befähigung Männer auch mal unberücksichtigt bleiben, wird nicht etwa als längst überfälliger Versuch einer „Wiedergutmachung“ oder als Abbau von zugefügten Diskriminierungen oder Defiziten gesehen. Im Gegenteil: Des Amerikaners liebgewonnenes Selbstbild spiegelt sich weiter gern die Vision einer Gesellschaft vor, in der alle, also auch Frauen, wenn sie nur wollen und tüchtig genug sind, den gelobten Weg „vom Tellerwäscher zum Millionär“ gehen können.

Für jene, die davon ausgehen, daß in einer liberalen Gesellschaft alle Menschen bereits gleiche Chancen hätten, die also die psychologischen und strukturellen Barrieren leugnen, die Frauen blockieren, scheinen Förderungsmaßnahmen denn auch nicht notwendig zu sein, sie scheinen — im Gegenteil — erst Ungleichheit herzustellen. „Alle reden von Quoten, keiner will Quoten, aber überall gibt es Quoten — für Männer.“ Dieser Satz der Hamburger Arbeitsrechtlerin und Vize-präsidentin der Universität Hamburg, Heide Pfarr, beleuchtet die bisher eher verdeckt gehandhabte Bevorzugung von Männern in speziellen Bereichen des Arbeitslebens. Anschauliche Beispiele vermittelt in diesem Zusammenhang die Begründung des von den GRÜNEN vorgelegten Entwurfs eines Antidiskriminierungsgesetzes: „In Niedersachsen bestand bei einer Bundesbahndirektion bis 1981 die Verfügung, daß im kaufmännischen Bereich nicht mehr als 10% Frauen als Bundesbahn-Assistentenanwärterinnen eingestellt werden durften. In der Hamburger Polizei werden für den Polizeivollzugsdienst sowohl Frauen wie Männer zur Ausbildüng eingestellt. Dabei wird eine Quote für Frauen festgelegt, die auch bei mehr qualifizierteren Bewerberinnen nicht überschritten werden darf. Eine Bewerberin für den Ausbildungsgang Sozialversicherungsangestellte erhielt die Absage mit der Begründung, daß von der Hauptverwaltung die Auflage erteilt worden sei, in diesem Jahr nur männliche Auszubildende einzustellen. In allen Fällen handelte es sich um Quoten zugunsten von Männern.“ Nicht nur diese Beispiele stärken die These, die faktisch bestehende Situation, die Frauen systematisch benachteiligt, stelle nicht nur eine Untätigkeit des Staates dar, sondern sei Verfassungsbruch

Eine vor allem aus dem Hochschulbereich kommende Kritik sieht die „Autonomie der Wissenschaft“ und das „Prinzip der Besten“ gefährdet.

Dieser Einwand hätte aber wohl stets gelten müssen — und nicht erst jetzt, wo das „old-boysystem“ Kritik erfährt Und daß in der Politik die „Auswahl der Besten“ bisher immer vorrangig Männer getroffen hat, kann angesichts der Ergebnisse der Politik dieser Besten nicht gerade überzeugen.

Was man bei Frauenquoten im Hochschulbereich befürchtet, nämlich daß außerwissenschaftliche Maßstäbe bei der Einstellung und Beförderung von Wissenschaftlern berücksichtigt werden könnten, ist in der Tat ein Problem. Doch war und ist es bei uns nicht stets ungute Sitte gewesen, hat es bislang nicht einseitig zum strukturellen Ausschluß von Frauen bei den Lehrenden geführt? 80 Jahre nach Zulassung der Frauen zum Studium und 70 Jahre nach Einführung des Habilitationsrechts in Deutschland sind immer noch 95% der Professoren männlichen Ge-schlechts. Das Problem der außerwissenschaftlichen Maßstäbe ließe sich wohl weitestgehend durch qualifikationsbezogene und flexible Quoten ausschalten.

Auf besonders positive — nicht nur quantitative— Veränderungen, die durch eine Quotenregelung bewirkt würden, haben in jüngster Zeit Frauen aus Politik und Wissenschaft hingewiesen: — Quoten würden die Konkurrenz unter Frauen um die bislang wenigen Führungspositionen entscheidend verringern — Durch Quoten wären Frauen nicht immer nur die „quantite negliable", die sich männlichen Standards anpassen müßte.

— Die einzelne Frau wäre befreit von ständigem Legitimationsdruck, was ihre besondere Qualifikation anbelangt

— Mehr Frauen in öffentlichen Gremien würden andere Wertmaßstäbe (der Effizienz, der Personalrekrutierung u. ä.) durchsetzen können.

Es ist anzunehmen, daß über Quoten hinausgehende Maßnahmen nötig sein werden, wenn ein gesellschaftlicher Zustand und ein psychologisches Klima geschaffen werden sollen, in denen sich die Definitionen von „Frau“, „Politik“ und „Macht“ nicht mehr gegenseitig ausschließen.

Perspektiven und offene Fragen

Die angesprochenen Strategien bieten einiges Realisierungspotential für die Forderung nach Teilhabe an der politischen Macht für Frauen. Dennoch hat das Fragezeichen im Titel dieses Beitrags weiterhin mehrfach Gültigkeit, denn den Dualismus von Macht/Ohnmacht-Verhältnissen und die gegenseitigen Schuldvermutungen kann man nur bedingt „strategisch“ lösen. Und so sollen abschließend noch einige Punkte angesprochen werden, die Perspektiven andeuten, aber auch offene Fragen gestellt werden, die einer Beantwortung harren.

Quoten als ein erster Schritt In Zeiten des definitiven Endes der Illusionen über die reformerischen Auswirkungen des technischen Fortschritts, in Zeiten von Rationalisierung und Verknappung von bezahlter Arbeit (unbezahlte Arbeit haben Frauen stets und im Über-maß geleistet) sollte man sich über die Chancen der Forderungen nach paritätischer Präsenz von Frauen in sogenannten traditionellen Machtbereichen keine Illusionen machen. Wenn Frauen in einer Zeit des Mangels einflußreiche und gut dotierte Posten fordern bzw. besetzen, wächst erwartungsgemäß der Widerstand. Defätistische Blindheit gegenüber realisierbaren Verbesserungen wäre aber ebenso fatal.

Die Durchsetzung der Quotenforderung würde als ein erster Schritt sicher große Wirkung erzielen. Dennoch scheinen qualitative Veränderungen allein durch legislative Mittel nicht möglich. Ein gesamtkultureller Lernprozeß, der die Durchsetzung von wirklicher Gleichberechtigung ermöglichen und begleiten würde, wäre notwendig. Er paßt allerdings nicht in den Planungsrahmen einer ministeriellen Bürokratie oder in den engen Zyklus von Wahlperioden. Außerdem bleibt die Frage offen, ob die anvisierte Gleichberechtigung in der Hierarchie die Hierarchie als solche in Frage stellen kann.

Die Macht des Privaten Es ist anzunehmen, daß erst die Aufrechterhaltung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung eine so starke instrumentelle Verselbständigung von Macht in der öffentlichen Sphäre ermöglicht hat. Politische Strukturen, Institutionen und Menschen werden sich vermutlich erst dann verändern, wenn Frauen die ihnen zugewiesene Reproduktionsarbeit in der Familie nicht mehr selbstverständlich übernehmen, um damit ihren Männern bzw.dem männlichen Geschlecht den Rücken freizuhalten für den gesellschaftlich viel höher bewerteten öffentlichen Bereich. Solange die Karriere in dem einen Bereich das einzig Denkbare ist, muß sie auch um den Preis von Verlusten von Menschlichkeit durchgezogen werden. Und solange die bestehenden Institutionen demjenigen die besten Chancen versprechen, der auf seine Familie und auf sein eigenes Glück am wenigsten Rücksicht nimmt, werden sich keine akzeptablen Alternativen durchsetzen.

Es genügt nicht, wenn für Männer und Frauen beide Bereiche bloß gleichberechtigt zugänglich sind, denn gesellschaftliche Anerkennung und Honorierung werden zur Zeit fast ganz dem öffentlichen Bereich zuteil. Daran haben auch die wenigen Männer, die sich hauptberuflich ihren Familienaufgaben widmen und im subkulturellen Getto neue Normen schaffen, noch nichts geändert. Und der öffentliche Bereich ist für Frauen ja immer noch nicht wirklich geöffnet. Das Wegfallen eindimensionaler Lebenswegvorhaben und die Möglichkeit zu Alternativen müssen Frauen solange als problematisch empfinden, wie sie dadurch doppelt und dreifach belastet werden

Das Ende männlicher Rationalität?

Die Atomreaktorkatastrophe von Tschernobyl hat die Lebensbedrohlichkeit modernster Technologien offenbart, die im Namen des Fortschritts, des Wettbewerbs und des höheren Lebensstandards von Wissenschaftlern und Politikern verantwortet werden. Zahlreiche Kritiker und besonders Frauen sehen in diesen Technologien den symbolischen Bankrott von männlicher Dominanz in Wissenschaft und Politik

Die fortschrittliche Aufgabe von (Natur-) Wissenschaft und Technik im 19. Jahrhundert, nämlich die Abhängigkeit des Menschen von der äußeren Natur zu vermindern und materiellen Wohlstand und Lebensqualität für immer breitere Bevölkerungskreise zu gewährleisten, ist im 20. Jahrhundert ihrem Ende nahegekommen. In dem Maße, wie es durch die Entwicklung modernster Technologien ermöglicht wird, das menschliche Leben selbst auszulöschen, hat sich das vormalig emanzipatorische Potential von Wissenschaft und Technik erschöpft und in ihr Gegenteil verkehrt.

Die sogenannte Risikogesellschaft in der wir heute leben, erfordert neuartige Frühwarnsysteme, verstärktes Bewußtsein der Risiken und weitaus differenziertere Mechanismen der Risikoabwehr oder -Vermeidung. Eine eindimensionale Schuldzuweisung auf „den Mann als Kulturträger“ hilft hier sicher nicht viel weiter. Aber eine Rückbesinnung auf die Versprechen und universalistischen Ansprüche unserer eigenen Gesellschaft, die die Menschenwürde an Prinzipien wie Selbstbestimmung, Gleichheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Vernunft gekoppelt hat, könnte eine drastische Richtungsveränderung bedeuten. Gleichzeitig hat Tschernobyl aber auch gezeigt, in welchem Ausmaß die in den Köpfen noch teilweise bestehende Trennung der Bereiche Öffentlichkeit und Privatheit weggefallen ist. Heute sind tendenziell alle Menschen, aber Frauen insbesondere als klassisch dem Privatbereich zugeordnetes Geschlecht, bis in die persönliche Zusammensetzung ihres Speiseplanes oder bis in intime Träume hinein Opfer oder bloß Betroffene von politischen Entscheidungen geworden, die — wie in diesem Falle— noch nicht einmal von den eigenen Politikern gefällt worden sind. Dies heißt nun umgekehrt, daß die im Privaten getroffenen Frauen sich einmischen müssen in den Bereich der Politik, nicht nur um die nächste Katastrophe zu verhindern, sondern um eine andere Qualität von Politik durchzusetzen.

Frauen als Subjekt der Veränderung Frauen könnten heute als soziale Gruppe das historische Subjekt sein, eine neue Qualität des Lebens zu fordern und umzusetzen. Die relative Distanz zur Sphäre der Macht kann auch Chance und Herausforderung bedeuten. Nicht etwa aus einer stärkeren Naturbezogenheit der Frauen oder aus einer biologischen und wesensbezogenen Andersartigkeit heraus, sondern aus der Erfahrung jahrhundertelanger Reduzierung auf das „zweite Geschlecht“ haben Frauen an politischer Sensibilisierung und Kritikvermögen gewonnen, mit denen sie heute parlamentarische Rituale und politisches Routineverhalten entlarven. Aus der geschlechtsspezifischen Zuweisung auf die Arbeit der gesellschaftlichen Reproduktion konnten Frauen soziale und humane Fähigkeiten gewinnen und bewahren, die heute dringender denn je benötigt werden.

Natürlich ist es eine offene Frage, ob Frauen diese in der Ohnmacht und Abhängigkeit entwikkelten Qualitäten beibehalten werden oder können, wenn sie Macht haben. Sicherlich besteht die Gefahr, daß auch Frauen auf dem Weg zur Macht die moralische Kraft, die ihnen aus einer größeren Lebensweltnähe und ihrem beziehungsund menschenorientierten Denken erwächst, verlieren und sich anpassen. Auch sind die unserer kulturellen Wertung nach weiblichen Qualitäten veränderungs-und erweiterungsbedürftig. So haben Frauen bis heute zu wenig gelernt, ihre Position selbstbewußt vor einem größeren Publikum auch gegenüber Kritik zu vertreten, sie haben zu wenig gelernt, in der Öffentlichkeit Verantwortung zu tragen, und ihnen fehlen großenteils Kompetenzen der „Einmischung“, wie Rossanna Rossanda es genannt hat.

Aber dennoch läßt die überproportionale Repräsentanz von Frauen in den neuen sozialen Bewegungen etwas ahnen von den dahinterstehenden Motiven und der Kraft der Veränderung. Frauen wollen neue Formen der Partizipation, der Öffentlichkeit und der Entscheidungsfindung in der Politik durchsetzen. Sie wollen die Häufung von Macht in den Händen einzelner aufheben, in dem sicheren Gespür dafür, daß „politische Macht etwas ist, was kein einzelner Mensch, der seine Grenzen kennt, tragen kann“ (Barbara Sichtermann).

Der andere Blick auf die Macht Gerade weil Frauen ein anderes Verständnis von Macht entwickelt haben, ist es selbstverständlich, daß es nicht darum geht, die Männer in Machtpositionen einfach abzulösen. Mit der anderen Sichtweise von Macht haben Frauen den Traum einer qualitativen Veränderung der Gesellschaft wieder aufgenommen, den im vorigen Jahrhundert Teile der Arbeiter-und der Frauenbewegung geträumt hatten. Ihre Vision ist heute eine Gesellschaft, in der Macht keine Fähigkeit ist, seinen Willen gegen Widerstreben durchzusetzen, sondern Macht sollte ein soziales Netz sein, durch Geben und Nehmen bestimmt.

Positiv verstanden wäre eine Macht Vorbild, die sich herstellt, sich rechtfertigt und beenden läßt, durch diejenigen, die von ihr gleichzeitig betroffen sind. Die Vorstellung von Macht als Netz impliziert Nähe, die sie stärkt, und nicht Distanz zum Gegenüber, die sie schwächen würde. Sie enthält die Verantwortung von allen gegenüber allem Sozialen.

Macht bedeutet Risiko Frauen an die Macht! heißt individuell für Frauen ein subjektives Sich-Einlassen auf Macht.

Dies bedeutet den teilweisen Abschied von traditionellen weiblichen Sozialisationsmustern, von den geschützten „Frauen-Räumen“ in den Nischen der Ohnmacht. Macht heißt für Frauen, Risiken auf sich nehmen, z. B. das Risiko, nicht mehr geliebt zu werden, Kritik und Ablehnung ertragen zu müssen oder gar zu scheitern, aber auch das Risiko, die „Unschuld der Ohnmacht“ zu verlieren. Frauen müssen heute Abschied nehmen von der „katastrophalen Bescheidenheit der deutschen Frau“, wie es Marielouise Janssen-Jurreit gefordert hat. Das Risiko, im öffentlichen Raum zu scheitern, vermindere sich allerdings nach Meinung vieler proportional zu der Anzahl von Frauen an der Macht.

Die neue Qualität von Politik An der gesellschaftlichen Situation von Frauen hat sich vieles zum Positiven hin verändert — in den vergangenen 150 oder auch nur 15 Jahren.

Wer das abstreitet, denkt entweder unhistorisch oder leugnet gesellschaftliche Fortentwicklung.

Vor allem ist ein neues Selbstbewußtsein festzustellen:

Im Gegensatz zur ersten deutschen Frauenbewegung hat die zweite Frauenbewegung ein klassisches Ziel für eine breite weibliche Bevölkerung erreicht, das der Bildung und Berufsqualifikation.

Heute gibt es keine winzige qualifizierte Frauenelite, die verdrängbar wäre. Herausragende und kompetente Frauen sind unübersehbar geworden; sie befördern im Verein mit der Frauenbewegung und anderen neuen sozialen Bewegungen ein anderes Bild von Politik und ihres Verhältnisses zur Macht, das Hannah Arendt als wichtigste menschliche Fähigkeit beschrieben hat, „sich mit anderen zusammenschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln“.

Das wäre tatsächlich eine neue Qualität der Macht!

Fussnoten

Fußnoten

  1. So stand die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen im Oktober 1986 unter dem Motto: „Ende der Männergesellschaft — Anfang der Frauengesellschaft?“. Kurz vorher war das von Heiner Geißler herausgegebene Buch erschienen: Abschied von der Männergesellschaft. Mit dem dokumentarischen Anhang der „Leitsätze der CDU für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau“.

  2. Max Weber noch hat mit seiner klassischen Definition (Macht sei „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstand durchzusetzen“) primär die Möglichkeit zur Einsetzung von Zwang betont, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Dies ist ein vorwiegend instrumentelles Verständnis von Macht, das von einem teleologischen Handlungsmodell ausgeht. Die Webersche Definition bestimmte lange Zeit die sozialwissenschaftliche Konzeptualisierung und Operationalisierung von Macht für empirische Untersuchungen. Hier forschte man vorwiegend nach der sozialen Verortung von Machtträgern, -Zentren und -Objekten, man suchte nach den Durchsetzungschancen und Einflußmechanismen sowie nach den Machtpotentialen und -ressourcen. Man ging implizit von Macht als einer Eigenschaft aus, oder als einem Gut, das sozial lokalisierbar und/oder durch ein Mehr oder Weniger an Machtfülle quantifizierbar sei. Als Mittel der Machtausübung sind neben traditionellen Formen wie Zwang und Gewalt mittlerweile andere Formen in den Blick genommen worden wie Manipulation, Ignorierung von Entscheidungen oder Blockierung von Entscheidungsprozessen. Blockierungsmacht sei — z. B. nach Peter Graf Kielmansegg — die Fähigkeit zur Verhinderung, daß Entscheidungen überhaupt getroffen werden. Peter Graf Kielmansegg, Organisierte Interessen als „Gegenregierungen“?, in: Regierbarkeit. Studien zu ihrer Problematisierung, hrsgg. von Peter Graf Kielmansegg/Wilhelm Hennis/Ulrich Matz, Stuttgart 1979, S. 139— 176. Siehe auch Hella Mandt, Politische Herrschaft und Macht, in: Wolfgang Mickel (Hrsg.), Handlexikon zur Politikwissenschaft, Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 237, Bonn 1986, S. 373— 380. Macht kann aber ebenso in Formen der Verweigerung bestehen. Dieses Phänomen wurde jüngst als spezifische Form „weiblicher Macht“ historisch untersucht; siehe: Listen der Ohnmacht. Zur Sozialgeschichte weiblicher Widerstandsformen, hrsgg. von Claudia Honegger/Bettina Heintz, Frankfurt 1981.

  3. Vgl. das Forschungsprojekt von Carol Hagemann-White u. a. über den unterschiedlichen Umgang mit Macht von männlichen und weiblichen Politikern und deren Beitrag im vorliegenden Heft.

  4. Überwiegend wird von Frauen, die in Machtpositionen gekommen sind, der pure Zufall dafür verantwortlich gemacht. Über diese typisch weibliche Abwehr vgl. Anke Martiny, Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Frauen und der Mut zur Macht, Reinbek 1986.

  5. Sind beim Verständnis von Herrschaft im allgemeinen Befehl und Gehorsam und ein „Obödienzverhältnis“ (Max Weber) konstitutiv sowie ein Monopol auf „Normensetzung“ und „Normentfaltung“ (Ralf Dahrendorf) und ein in der Neuzeit institutionalisiertes Gewaltmonopol des Staates, das auch die Vorherrschaft des Mannes über die Frau abzusichern half, so hat die Diskussion um den Machtbegriff eine vieldeutigere Richtung eingeschlagen.

  6. S. hierzu vor allem: Ute Gerhardt, Verhältnisse und Verhinderungen. Frauenarbeit, Familie und Rechte der Frauen im 19. Jahrhundert, Frankfurt 1978, sowie: Die Frau ist frei geboren. Texte zur Frauenemanzipation, hrsgg. und kommentiert von Hannelore Schröder, 2 Bde., München 1979 und 1981, sowie die beiden grundsätzlichen Untersuchungen von Herrad Schenk, Die feministische Herausforderung. 150 Jahre Frauen-bewegung in Deutschland, München 1980, und: Frauen kommen ohne Waffen. Feminismus und Pazifismus, München 1983.

  7. Wenn hier eine Stilisierung von drei Diskussionsphasen versucht wird, so im Bewußtsein der Problematik von Phasen-und Themenabgrenzungen, aber auch in der Überzeugung, eine dialektische Entwicklung in der Auseinandersetzung mit der Machtfrage innerhalb der Frauenbewegung feststellen zu können.

  8. Z. B.: „Unsere doppelte Moral ist der Ausfluß einer politischen Machtfrage, unsere heutigen Sittlichkeitsanschauungen — weder Natur gewollt, noch Gott gewollt, sondern Mann gewollt, weil der Mann bisher allein das Recht besaß, Gesetze zu verfassen, Sitten zu diktieren.“ Hedwig Dohm zit. nach Elisabeth Plessen/Hedwig Dohm, Kein Stimmrecht — kein Recht zu lieben, in: Hans Jürgen Schultz (Hrsg.), Frauen. Portraits aus zwei Jahrhunderten, Stuttgart 1981, S. 137.

  9. Alice Schwarzer, Der „kleine Unterschied“ und seine großen Folgen, Frankfurt 1975, S. 7.

  10. Aus der Fülle der Literatur sei herausgegriffen: Carol Hagemann-White, „Gewalt“, in: Johanna Beyer/Franziska Lamott/Birgit Meyer (Hrsg.), Frauenhandlexikon. Stichworte zur Selbstbestimmung, München 1983, S. 114 ff.

  11. S. z. B.den CDU-Kongreß „Gewalt gegen Frauen“ am 12. /13. Januar 1984 in Bonn.

  12. „Die Geschichte weiblicher Körper wurde bislang als Enteignung, als männliche Projektion und als weibliche An-und Einpassungen geschrieben“. Christine Woesler-de Panafieu, Körper, in: Johanna Beyer/Franziska Lamott/Birgit Meyer (Hrsg.) (Anm. 10), S. 153.

  13. Gisela Bock/Barbara Duden, Arbeit aus Liebe — Liebe als Arbeit, in: Beiträge zur 1. Sommeruniversität für Frauen, Berlin 1977; Betty Friedan, Der Weiblichkeitswahn, Reinbek 1970; Silvia Kontos/Karin Walser,... weil nur zählt, was Geld einbringt — Probleme der Hausfrauenarbeit, Frankfurt 1971.

  14. Zit. nach Herrad Schenk, Frauen (Anm. 6), S. 126.

  15. Ebd., S. 127.

  16. Dokumentation Seminar „Frauen und Militarismus“, Saarbrücken 1981, S. 90, zitiert in: Herrad Schenk, Frauen (Anm. 6), S. 126.

  17. Vgl. Sibylle Plogstedt, Die Revolution entläßt ihre Mütter, in: Vorwärts vom 7. Juni 1986, S. 16, aber auch Hannah Arendt, Macht und Gewalt, München 1970, S. 46.

  18. In der amerikanischen Frauenbewegung hat die qualvolle Variante in den Machtbeziehungen zwischen Frauen den Ausdruck „trashing“ erhalten (von „trash“ = Abfall, Müll, im übertragenen Sinn: jemanden fertigmachen). Das „trashing“ ist wie die selbstquälerischen Machtdiskussionen innerhalb von Kleingruppen Ausdruck der grundsätzlichen Kritik an Macht und Hierarchie. Vgl. Herrad Schenk, Frauen (Anm. 6), S. 128f.

  19. In den achtziger Jahren hat sich ein bedeutsamer Wandel im politischen Verhalten von Frauen vollzogen.

  20. „Zu den entscheidenden Unterschieden zwischen Macht und Gewalt gehört, daß Macht immer von Zahlen abhängt, während die Gewalt bis zu einem gewissen Grade von Zahlen unabhängig ist, weil sie sich auf Werkzeuge verläßt... Der Extremfall der Macht ist gegeben in der Konstellation: Alle gegen Einen, der Extremfall der Gewalt in der Konstellation: Einer gegen Alle. Und das letztere ist ohne Werkzeuge, d. h. ohne Gewaltmittel niemals möglich.“ Hannah Arendt (Anm. 17), S. 43.

  21. Ebd., S. 45.

  22. Ebd., S. 53.

  23. Jürgen Habermas, Philosophisch-politische Profile, Frankfurt 19842, S. 230.

  24. Rossanna Rossanda, Einmischung, Frankfurt 1980, S. 178.

  25. Einige Autorinnen geben zu bedenken, daß man sich in der Geschichte schon öfter in Krisenzeiten auf den weiblichen Kulturbeitrag besonnen habe, und zwar dann, wenn es bereits zur Umkehr zu spät und die eigene Perspektivlosigkeit nicht mehr zu verbergen war. „Die Ausgrenzung von Frauen aus dem herrschenden Diskurs und aus dem , Subjekt* der Geschichte ist geradezu die Vorbedingung dafür, daß man sich in einer Situation der Krise ihrer besinnt, da sie quasi historisch unschuldig und deshalb einzig zukunftsfähig in einer ansonsten auswegslosen Situation erscheinen.“ Sigrid Weigel, Mit Siebenmeilenstiefeln zur weiblichen AllMacht oder die kleinen Schritte aus der männlichen Ordnung, in: Feministische Studien, (1985) Mai, S. 139. Hoffnungen von Frauen auf eine humanere gesellschaftliche Praxis stünden stets in der Gefahr, sich instrumentalisieren zu lassen als Projektionsfläche kultureller Wünsche aus männlicher Perspektive. Während Weigel sich auf die Suche nach einer weiblichen Imagination macht, „in der die Frau aus dem Bild heraustritt, weil jedes Bild von ihr... durch andere irritiert wird — damit sie aufhört, Bild zu sein“ (S. 151), konfrontiert Christina Thürmer-Rohr, stellvertretend für einen anderen Pol in der aktuellen Diskussion, die Frauen mit einer existentiellen Leere. Diese zeige, „wie wenig Denk-und Lebensräume zur Verfügung stehen, die unabhängig von dem Bezug auf Männer geblieben sind ..., daß Frauen nicht ein freies Feld vor sich und um sich haben, auf dem sie frisch bestellen und neu experimentieren können, sondern eine vorgefertigte verseuchte Erde“. Dies., Feminismus und Moral, Vortrag im Rahmen des Symposiums „Feministische Politik und Utopie“, Ende Juni 1986 in Bielefeld, abgedruckt in: die tageszeitung vom 24. Juli 1986, S. 12.

  26. Heiner Geißler spricht dies als einer der scharfsichtigsten Christdemokraten deutlich aus in seinem Aufsatz „Für eine neue Partnerschaft zwischen Mann und Frau“, in: ders. (Hrsg.), (Anm. 1), S. 4: „Im übrigen sind die Herausforderungen, die an eine moderne und humane Industrienation gestellt werden, ohne den Sachverstand und die Kreativität von Frauen nur schlecht zu bewältigen.“

  27. Ursprünglich schloß sich hier eine zusammenfassende Analyse der Repräsentanz von Frauen in der Politik an; diese hat für das vorliegende Heft Beate Hoecker vorgenommen.

  28. Das Geschlecht wurde erst nachträglich 1968 als gegenüber Diskriminierungen zu schützende Kategorie in die Verordnung (Executive Order No. 11375) aufgenommen. Es wird vermutet, daß einige Gruppen im Kongreß das Geschlecht nur deshalb mit aufgenommen haben wollten, um das ganze Gesetz als lächerlich hinzustellen und zu Fall zu bringen.

  29. Vgl. Renate Augstein, Antidiskriminierungsgesetz, in: Johanna Beyer/Franziska Lamott/Birgit Meyer (Hrsg.) (Anm. 10), S. 26ff., und: Dokumentation der Fachtagung: „Brauchen wir ein Antidiskriminierungsgesetz?“, hrsgg. von der Friedrich-Naumann-Stiftung, Bonn 1980.

  30. Renate Augstein (Anm. 29), S. 27.

  31. S. vorläufiger Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes der GRÜNEN, hrsgg. von der Bundes-AG Frauen der GRÜNEN, Bonn 1985.

  32. Leider gibt es bislang wenig vergleichende Literatur; eine Ausnahme bildet: Alexander Dix, Gleichberechtigung durch Gesetz. Die britische Gesetzgebung gegen die Diskriminierung der Frau im Arbeitsleben — ein Modell für die Bundesrepublik Deutschland?, Baden-Baden 1984.

  33. S. hier vor allem Marielouise Janssen-Jurreit, USA — Gemeinsamer Kampf von Frauen und Minderheiten. Haben die Bürgerrechtsgesetze Amerika verändert?, in: dies. (Hrsg.), Frauenprogramm. Gegen Diskriminierung, Reinbek 1979.

  34. Christine Hohmann-Dennhardt, Ungleichheit und Gleichberechtigung. Zur kompensatorischen Funktion von Frauenquoten in Rechts-und Sozialpolitik, Heidelberg 1982.

  35. Vgl. Nathan Glazer, Affirmative Discrimination: Ethnie Inequality and Public Policy, New York 1975, und Barry R. Gross (Ed.), Reverse Discrimination, New York 1977.

  36. Entwurf zu einem Antidiskriminierungsgesetz der GRÜNEN (Anm. 31), S. 26. In diesem Zusammenhang wäre ebenfalls der Vorstoß des ansonsten als liberal geltenden Oberlandesgerichtspräsidenten Rudolf Wassermann zu nennen, der vorschlug, den Nachweis für den Richterberuf nicht mehr nach den besten Examens-noten auszuwählen, denn das „würde dazu führen, daß in Bälde überwiegend Frauen in der Justiz tätig“ seien. Vgl. Der Spiegel vom 10. Februar 1986, S.. 50.

  37. Vgl. Vera Slupik, Verrechtlichung der Frauenfrage — Befriedungspolitik oder Emanzipationschance? Die aktuelle Diskussion eines Anti-Diskriminierungsgesetzes, in: Kritische Justiz, 15 (1982) 4, S. 348ff.

  38. Zu den strukturellen Barrieren, denen Frauen im Wissenschafts-und Hochschulbereich ausgesetzt sind, und zu deren subjektiven Verarbeitungsformen vgl.den Aufsatz der Verfasserin: Als wäre es auch unser Ort — Zur Situation von Frauen an der Hochschule, in: Anne Schlüter/Annette Kuhn (Hrsg.), Lila Schwarzbuch. Zur Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft, Düsseldorf 1986, S. 91— 112.

  39. Antje Vollmer, Und wehret Euch täglich!, Gütersloh 1984, S. 67.

  40. „Mir würde es gar nichts ausmachen, als Quoten-frau in der Politik zu wirken“, sagt Inge Wettig-Danielmeier (ASF-Vorsitzende). „Erstens wäre ich dann nicht immer die einzige Frau in der Runde, zweitens brauchte ich nicht jedesmal den Nachweis zu führen, daß ich qualifiziert genug bin. Männer müssen das schließlich auch nicht“. Der Spiegel vom 25. August 1986.

  41. Darauf verweist auch Gisela Erler in ihrem Buch Frauenzimmer. Für eine Politik des Unterschieds, Berlin 1985. Ihr Vorschlag, die getrennten Territorien von Männern und Frauen realistischerweise zu akzeptieren, erscheint mir allerdings keinen Raum für eine möglichst vielfältige Förderung von Individuen beiderlei Geschlechts zu geben.

  42. Hierzu ganz deutlich: Marina Gambaroff u. a., Tschernobyl hat unser Leben verändert. Vom Ausstieg der Frauen, Reinbek 1986; vgl. ebenfalls das neue Themenheft „Politik" der Zeitschrift Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, (1986) 18.

  43. Ulrich Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt 1986.

  44. Z. B. Christina Thürmer-Rohr (Anm. 25).

Weitere Inhalte

Birgit Meyer, Dr. phil., M. A., geb. 1949; Studium der Politischen Wissenschaften, Erziehungswissenschaften, Kommunikationswissenschaft und Osteuropäischen Geschichte in Hamburg, München und Bonn; Mitglied (und ehemalige Sektionsrätin) in der Sektion Frauenforschung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie; seit 1983 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Politische Wissenschaft der Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Die sowjetische Dissidenten-Bewegung in der bundesdeutschen Presse, Frankfurt-New York 1981; Gutachten „Diskriminierungen von Frauen“ und „Frauen im Nationalsozialismus“, in: Gleichberechtigung. Arbeitshilfen für die politische Bildung, Heft 4 u. 5, hrsgg. von der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 1985; Mitherausgeberin und Mitautorin des Frauenhandlexikons. Stichworte zur Selbstbestimmung, München 1983; Als wäre es auch unser Ort — Zur Situation von Frauen an der Hochschule, in: Anne Schlüter/Annette Kuhn (Hrsg.), Lila Schwarz-buch. Zur Diskriminierung von Frauen in der Wissenschaft, Bd. 35 der Reihe Geschichtsdidaktik, Düsseldorf 1986.