Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges etablierten sich an der europäischen Peripherie der Sowjetunion bürokratische Herrschaftssysteme. In diesen von der Sowjetarmee besetzten Ländern bildeten sich nach revolutionsartigen Umwälzungen Regime, die bis heute durch die „Herrschaft der vereinigten Exekutiven von Partei, Staat und einigen Massenorganisationen“ gekennzeichnet sind. Sie haben alle wichtigen politischen Beratungs-und Entscheidungsprozesse, Konfliktaustragungen und den gesellschaftlichen Interessenausgleich an sich gezogen. Damit sind einer Öffentlichkeit, in der Bürger ihre Interessen autonom und kontrovers artikulieren, die Herrschenden kontrollieren oder gar abwählen, die entscheidenden Voraussetzungen genommen.
Solcherart bürokratische Herrschaft beruht vor allem auf Massenloyalität. Sie zu sichern, ist eine vorrangige — wenn nicht die entscheidende — Aufgabe der oberen Nomenklaturkader. Diese Aufgabe gleicht einem Tausch ohne Alternative, bei welchem bürokratischen Steuerungs-und Sicherungsleistungen in der Innen-und Außenpolitik auf der einen Seite Arbeitsleistungen und systemkonforme Partizipation von Bürgern auf der anderen Seite gegenüberstehen.
Ein seit der Oktoberrevolution bis heute von der UdSSR und ihren Verbündeten begangener Weg der Loyalitätsbeschaffung führt über die Ideologie. Dabei zeigt die gegenwärtige Staatsideologie deutliche Abnutzungserscheinungen. Symptomatisch dafür ist das Verblassen der marxistischen Utopie, d. h.der Momente, die die Wirklichkeit Anregungen und Vorarbeiten verdanken die Verfasser Dr.
Werner Rossade, Birgit Sauer und Dipl. Pol. Ulrike Treziak, die sich in einem Arbeitskreis am Institutfür Innenpolitik und Komparatistik der Freien Universität Berlin mit der Untersuchung von Kulturmustern in sozialistischen Gesellschaften befassen. Dr. Rossade gewährte uns freundlicherweise Einblick in sein noch nicht veröffentlichtes Manuskript zur kulturellen und kulturpolitischen Entwicklung in der DDR. Ihnen sei hiermit stellvertretendfür manche anderen gedankt.
Der Beitrag erscheint demnächst in dem von Hannelore Horn und Michael Reimann herausgegebenen Sammelband „Der unvollkommene Block“ im Wissenschaftlichen Autoren-Verlag (WAV) Berlin. zu sprengen geeignet, nicht jedoch auf Versöhnung oder gar Verdeckung angelegt sind. Zwar verläuft der ideologische Betrieb in gewohnten Bahnen, doch die Kraft des Marxismus-Leninismus zu gesamtgesellschaftlicher Zielsetzung ist verbraucht.
Im entscheidenden geschichtsphilosophischen Punkt der absoluten Wegegewißheit haben die Marxisten-Leninisten wohl nicht die Lehre, aber ihren Absolutheitsanspruch auf den einzigen „Weg zum Heil“ faktisch aufgegeben. Damit ist auch die Gewißheit ins Wanken geraten, den Wettstreit der Ökonomien zwischen Ost und West gewinnen zu können. Die wirtschaftliche Entwicklung hat die alte Programmatik des „Einholens“ und „Überholens“ desavouiert mit der Folge, daß sie in der offiziellen gesamtgesellschaftlichen Zielsetzung weitgehend in den Hintergrund tritt.
Paradoxerweise verhilft gerade ihre Abnutzung der Ideologie zu gewissen Erfolgen. In der DDR war es beispielsweise das unter der Formel „Einheit von Wirtschafts-und Sozialpolitik“ laufende Programm, das das Bedürfnis der Bevölkerung nach Wohlstandsmehrung aufgriff. Zumindest seit Gorbatschow erkennt dies auch die Sowjetunion an und bezeichnet Sozialpolitik als „wichtigen Faktor der politischen Stabilität“ Darüber hinaus weisen beide Staaten dem „kulturellen Fortschritt“, der „sozialistischen Lebensweise“ bzw.der Anhebung des „kulturellen Lebens-niveaus“ vorrangig die Aufgabe zu, die Bevölkerung in das Herrschaftssystem zu integrieren. Das bedeutet einen neuen Abschnitt bürokratischer Gesellschaftssteuerung. Ein solcherart weites Kulturverständnis dokumentiert zum einen die nunmehr positive Auffassung von sozial-struktureller Immobilität. Die heutige Realität wird anerkannt. Soziale Umwälzungen als klassen-bzw. schichtsprengende Mobilität ist — anders als wirtschaftsstrukturell bedingte — längst verebbt. Die gegebenen klassen-bzw. schichtinternen Differenzierungen gelten zunehmend als „Triebkräfte“. An Egalisierung gemäß marxistischem Postulat besteht kaum noch Interesse Wenn zum anderen die politische Stabilität nicht mehr ausschließlich auf der wirtschaftlichen gründet, scheint ein klassisches marxistisches Theorem außer Kraft gesetzt. Für das Verhältnis von Ökonomie und Kultur galt in der Vergangenheit, daß Menschen auf der Basis materieller Güter ihre „soziale Psychologie“ (Plechanow) errichten. Derart direkte Kausalbeziehungen erscheinen der heutigen DDR-Philosophie als zu eng Kultur beansprucht eine gewisse Autonomie
Das unübersehbare Defizit offizieller Ideologie zwingt die Politik zum Beschreiten neuer Wege: Bürokratische Herrschaft erprobt sich als kulturelle Gesellschaftspolitik. Formen eines Krisen-managements rücken in den Vordergrund, die als Integrationsideologien begrenzte Zufriedenheit, diffuse Identifikation und Konflikthemmung der Bevölkerung bewirken sollen. Bekannt ist die typische Argumentationsfigur der Bürokratie, nach der gesellschaftliche Widersprüche und Krisen-potentiale geleugnet oder umgedeutet werden. Ritualisierung von Politik ist eine dieser Formen. Sie ist als gesteuerte Sozialisation und Ideologisierung des Bewußtseins gleichermaßen zu verstehen. Eindeutiger in der UdSSR als in der DDR läßt sie sich als Bestandteil einer umfassenden kulturellen Gesellschaftspolitik begreifen. Ohne Zweifel trifft eine solche Politik auf einen Kulturzusammenhang, der sich in vielfältiger Weise als steuerbar, aber ebenso auch als dagegen resistent erweisen kann. Den gesellschaftlichen Wirkungen, die in diesem Kontext politische Rituale ausüben, versuchen wir im folgenden nachzugehen.
Der Ritualbegriff ist zunächst religiös geprägt. Nach kirchlichem Verständnis transportiert das Ritual bestimmte Vorstellungsgehalte und entfaltet um diese herum psychische und soziale Integrationskraft. Der Übergang zum Begriff des Kultes ist fließend. Orthodoxes, katholisches und protestantisches Christentum unterscheiden sich nicht nur nach Inhalt und Form wichtiger Rituale, sondern auch nach den kognitiven und emotionalen Prozessen selbst.
Ein Vergleich der beiden Gesellschaften hat deshalb von Beginn an zu bedenken, wie wenig die russisch-orthodoxe Tradition aus einer Perspektive erschlossen werden kann, die Symbole als konstitutiv für erfolgreiche Ritualisierungen setzt, wie es für die „westliche“ Auffassung typisch ist. Auf den orthodoxen Traditionshintergrund bezieht sich offenbar Christel Lane, wenn sie Rituale wegen ihrer Eigenschaft, direkt sinnlich wahrnehmbar zu sein, in der sowjetischen Gesellschaft für geeignet hält, soziales Verhalten zu beeinflussen. Mit Ritualen lassen sich Symbole außerhalb der unmittelbaren subjektiven Erfahrung bilden und fixieren, denen die Autorität einer von vielen geteilten Bedeutung zukommt
Eine entsprechend säkularisierte Auffassung stützt sich insbesondere in jüngster Zeit auf eine zweite, ethnologisch geprägte Ritualdefinition.
Sie setzt bei einem generellen, anthropologischen bzw. metaphysischen Bedürfnis des Menschen nach integrierender Sinngebung an — ein Wissen, das der Kirche sicherlich seit Jahrhunderten zur Verfügung stand.
Schließlich wird ein herrschaftsbezogenes Ritual-verständnis von denjenigen eingenommen, die Rituale als von oben gesteuerte Modelle sozialen Verhaltens ansehen. Eliten verhalten sich in solchen Fällen gegenüber Ritualen eher im Medium instrumenteller Vernunft — und d. h. auch sozial distanziert.
In jeder dieser Deutungen stellen Rituale stilisierte, sich wiederholende soziale Aktivitäten dar, die soziale Beziehungen ausdrücken und eingrenzen. Dies geschieht im westlichen Kulturkreis in der Regel unter Verwendung von Symbolen, die im Handlungsablauf dazu beitragen, eine Situation mit Verweis auf etwas anderes zu verarbeiten. Rituale verknüpfen den einzelnen mit der Gruppe und die Gruppe mit der weiteren sozialen politischen Umwelt. In der Praxis kommen sie sowohl den metaphysischen Bedürfnissen der Bevölkerung nach integrierender Sinngebung wie den Bedürfnissen der Herrschenden nach Stabilität und Loyalität entgegen.
Rituale werden in der Regel „von oben“ eingesetzt. Sie verbinden in der UdSSR wie der DDR die Nomenklaturkader mit Bevölkerungsgruppen in der Form von institutionalisierten Handlungen und haben als solche zu einer spezifischen politischen Kultur dieser Staaten beigetragen. Zwar liegt die Kompetenz zur Ritualgestaltung bei den Nomenklaturkadern, doch darf daraus nicht ge-schlossen werden, daß Rituale beliebig entworfen und gesellschaftlich installiert werden können. Dies lehren Ritualangebote der politischen Führungen wie etwa die Namensweihe'und das „sozialistische Begräbnis“ in der DDR, die von vielen Bevölkerungsgruppen und unteren Apparaten nicht angenommen wurden. Auffällig ist die vorherrschende Sicht der politischen Eliten, Rituale als Mittel der politisch-historischen Sozialisation zu begreifen. Diese sollen Ideologien und historische Erfahrung in menschliches Verhalten transformieren.
Mit dem Verlust konkreter Utopie schwindet ganz offenkundig die Kraft des Marxismus-Leninismus, die Bevölkerung für einen in marxistischen Begriffen vorgestellten Weg zu einer kommunistischen Gesellschaftsordnung anhaltend zu mobilisieren. In dieser Situation gewinnen Rituale an Bedeutung. Sie können entscheidend dazu beitragen, kohärente Ausdruckssysteme für bereits organisierte Gesellschaften zu entwickeln, deren chaotische Anfangsstadien überwunden sind. Mit Hilfe dieser Systeme kann eine Art sozialer Kommunikation aufrechterhalten werden. Rituale gehen auf Sprach-und Verhaltensformen jeweils beteiligter Gruppierungen ein. Sie verbinden Altes und Neues, wobei im ursprünglichen marxistisch-leninistischen Verständnis die Überwindung des Alten ein grundlegender Topos der sozialen Kommunikation darstellte.
Zur Geschichte des Ritualthemas
Die intensive Beschäftigung mit dem Thema Rituale ist spätestens mit dem Aufbau eines regelrechten Ritualsystems seit Beginn der sechziger Jahre — zunächst in einigen Teilen der UdSSR — nicht zu übersehen. Auch der umfassendere Begriff des Ritus (obrjad), der in der Regel die Gesamtheit einer vorwiegend religiösen Handlung bezeichnet und daher in der sowjetischen Vergangenheit der Ächtung unterlag, kommt neben dem des Rituals (obrjadnost’, ritual) erneut zur Geltung. Die KPdSU zieht es allerdings ebenso wie die SED vor, in ihren Verlautbarungen im allgemeinen von „sozialistischen Traditionen und Bräuchen“ zu sprechen
Eine Diskussion um Bräuche, insbesondere um die Neugestaltung der Riten des Lebenszyklus’, hatte es schon in den zwanziger Jahren gegeben. Trotzki plädierte für die „Schaffung neuer Lebensformen und einer neuen Lebenstheatralik“ und stellte sie im selben Leitartikel der Prawda bewußt den Kirchenritualen gegenüber: „Ein revolutionäres Lebenszeremoniell" [bytovaja obrjadnost’] (nehmen wir dieses Wort in Ermangelung eines besseren) zu schaffen und es dem kirchlichen Zeremoniell [oder Ritual, cerkovnaja obrjadnost’] entgegenzusetzen, ist nicht nur bei Ereignissen im öffentlich-staatlichen, sondern auch im Familienbereich durchsetzbar.“
Trotzki ist damit als der maßgebliche Initiator einer Politik anzusehen, die Rituale in ihren Dienst zu stellen bestrebt ist. Zu den eifrigsten Befürwortern der Schaffung von Ritualen zählte in dieser Zeit der Schriftsteller Veresaew. Ähnlich wie Trotzki warnte er jedoch vor einer Bürokratisierung der Feierlichkeiten, einer Tendenz, die er scharf kritisierte An der Bürokratisierung scheiterten neu entstandene sowjetische Rituale wie z. B. die Roten Hochzeiten und die Namensgebung (oktjabriny). Geprägt war die nachrevolutionäre Periode von der pragmatisch-positiven Haltung Lenins gegenüber der Bewahrung und Erneuerung von Traditionenl
Während das offizielle Zeremoniell in der Ära des liturgisch versierten Stalin eine bedeutende Rolle spielte und in den umfassenden Führerkult um ihn eingebettet wurde, gerieten die Riten des Lebenszyklus’ in Vergessenheit. Eine Diskussion und Auseinandersetzung über die Thematik fand bis zum Ende der fünfziger Jahre nicht mehr statt. Im Laufe der Entstalinisierung wurden — mit regional unterschiedlichen Schwerpunkten — Experimente mit Ritualen besonders durch den Jugendverband Komsomol unternommen. Anlaß gab das Freizeitverhalten sowjetischer Jugendlicher, unter denen die wachsende Kriminalität eine verhängnisvolle Rolle zu spielen begann. In diesem Zusammenhang wurde an geglückte Experimente Makarenkos in den zwanziger Jahren erinnert. Aber auch von den Aktivisten der athei-stischen Propaganda gingen Impulse zur Stärkung der Rolle von Ritualen aus
Erst mit dem sich nunmehr entwickelnden Aufbau eines umfassenden Ritualsystems lebte unter Wissenschaftlern und Praktikern die Diskussion über Rituale erneut auf. Sie führte bisher nicht zu einer einhelligen Auffassung über deren Funktion und Nutzen. Der sowjetische Soziologe Ugrinovitsch gibt in Dialogform eine Art Resümee der Debatte. Demnach beharren die Kritiker und Skeptiker auf der Unvereinbarkeit von Riten mit dem Geist des Marxismus-Leninismus und betonen ihren strikten Übergangscharakter. Traditionelle Formen und heimliche Zeremonien gelten danach als Ausweis eines unvollkommenen Erkenntnisprozesses, in dem Gefühle die Oberhand über den Verstand gewinnen. Rituale bedeuteten zudem die Orientierung an der Vergangenheit, denn sie erinnerten an primitive Epochen der Menschheitsgeschichte und seien eines freien Menschen unwürdig. Ihre planmäßige, bewußte Einführung widerspräche ihrer natürlichen, spontanen Entstehungsweise. In einer dynamischen Gesellschaft wie der sowjetischen hätten sie immer weniger Platz und Daseinsberechtigung, während sie nach Aussage der Kritiker in den kapitalistischen Gesellschaften dazu herhalten müßten, Herrschafts-und Klasseninteresse zu mystifizieren.
Diejenigen, die die Gestaltung und Anwendung von Ritualen befürworten, führen dagegen ins Feld, daß ein soziales Bedürfnis bestehe, welches Wiederholungen und bestimmte Stereotypisierungen im Leben der Gesellschaft erfordere. Die Gemeinsamkeit von Zielen, Interessen und Ideen trete durch kollektive symbolische Handlungen stark hervor. Wichtig sei zudem die historische Etappe, in die der Mensch als Personifikation sozialer Beziehungen gestellt sei. Sie bestimme den Inhalt der zeitgenössischen atheistischen Rituale. Auch bei der Übernahme von Traditionen gelte es zu differenzieren, wie überhaupt die marxistische Analyse den Platz des Rituals in der Geschichte und seine sozialen Funktionen noch näher klären müsse. Ein besonders wichtiger Untersuchungsgegenstand sei die gegenwärtige Ritualpraxis
Insgesamt schätzen die Befürworter am Ritual besonders, daß damit das marxistisch-leninistische Wertsystem wirkungsvoll übertragen werden könne, da es soziales Wissen, Traditionen und Verhaltensmodelle übermittele. Die ideologisehen, regulatorischen und normativen Funktionen der Rituale, d. h. ihre sozialen Kontrollfunktionen, finden die größte Aufmerksamkeit. In diesem Kontext wird die Effizienz von Ritualen darin gesehen, daß sie als rituell dargestellte Normen klarer und weniger zwiespältig seien als Begriffe und, indem sie als kollektive Werte erscheinen, erhöhte Autorität beanspruchen können. Sie seien eine Form politischer Sozialisation und ein Mittel zur Gruppensolidarität. Zwar teilten sozialistisch und religiös bestimmte Rituale bestimmte Grundfunktionen, doch konzentriere sich die Erörterung und Analyse ganz auf den Aspekt marxistisch-leninistischer Normen.
Sozialistische Rituale gelten per definitionem als progressiv, da sie sich aus dem übergreifenden ideologischen System ableiten lassen und somit die Ritualisierung sanktionieren. Sie werden zum einen als Ausdruck der bereits existierenden Wertintegration angesehen, zum anderen aber — besonders in der Sicht der Ritualpraktiker — als ein Mittel, Emotionen in neue Richtungen zu lenken. Möglicherweise lassen sich von derartigen Erkenntnissen auch die höchsten Gremien der KPdSU leiten, wenn sie von der „Schaffung und weiten Verbreitung neuer sowjetischer Riten (obrjady)“ im auf dem 27. Parteitag 1986 verabschiedeten Parteiprogramm sprechen
Auch die westliche Forschung stimmt mit der sowjetischen Literatur darin überein, daß die Internalisierung marxistisch-leninistischer Werte leichter auf dem Wege über das Ritual als allein auf der Verstandesebene erfolgen kann, da im Ritual emotionale und ästhetische Bedürfnisse gleichermaßen befriedigt werden
Demgegenüber bestehen in der DDR nach wie vor allergrößte Vorbehalte gegenüber einer Verwendung des Begriffs Ritual. Während sowjetische Autoren in Ritualen geeignete Formen für die gesteuerte gesellschaftliche Entwicklung erkennen, schwächen Autoren aus der DDR deren Bedeutung für den sozialistischen Transformationsprozeß erheblich ab. Der Philosoph Wollgast betrachtet den von Ugrinovitsch zur Klassifikation von Sitten und Bräuchen genutzten Ritualbegriff als „für die deutsche Sprache völlig unangemessen“, da er „stark religiös bzw. emotional negativ belastet“ sei Diese Begründung entspricht einer in kontinentaleuropäischen bzw. christlich-protestantisch-aufklärerisch geprägten Gesellschaften verbreiteten antiritualistischen Einstellung, welche die Sozialanthropologin Douglas auf die Geschichte der religiösen Erweckungsbewegungen zurückführt. Sie erinnert damit an die historische Herkunft und die Quellen der Rituale, die einmal in der Religion und zum anderen in einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis nach Ästhetik und Gemeinschaft zu finden seien
Dementsprechend wird auch in den westlichen Sozialwissenschaften häufig nur ein religionshistorisch bestimmter Ritenbegriff akzeptiert. Der Ausdruck Ritualismus bezieht sich dann — im Anschluß an Merton — pejorativ auf das Verhalten von Personen oder Gruppen, die routinemäßig bestimmte Gesten, die die Bindung an ein Wertsystem ausdrücken sollen, nur äußerlich vollziehen. Die Distanz, die sich darin ausdrükken kann, daß sich Teilnehmer eines Rituals auf die eine oder andere Weise der Gemeinschaftlichkeit entziehen, ohne sich körperlich zu entfernen, wird in der sowjetischen Sicht durch Pädagogisierung des Rituals positiv gedeutet. Unter den möglichen Funktionen des Rituals rangiert hier die ideologisch-erzieherische an erster Stelle.
Im Anschluß an die 'sozialanthropologischen und ethnologischen Studien von Douglas, Bocock und Greverus sollte terminologisch und in der Sache daran festgehalten werden, daß immer dann, wenn eine derartige Indifferenz und soziale Distanz zur herrschenden Idee kennzeichnend für die Teilnahme am Ritual wird, auf die Existenz eines Kultes geschlossen werden kann. Die Befolgung eines Kultes setzt das routinisierte körperliche Verhalten der einzelnen oder der Gruppen gegenüber dem Kultobjekt voraus, das sich meistens als mystische Erhöhung einer Person bzw. von Gegenständen darstellt (Führerkult, Starkult, Marienkult, Konsumkult) Handelt es sich beim Kult um die Verehrung einer höheren Instanz, eines Idols, etwa nach dem hierarchisch gestuften Schema von Star und Masse, so stellt das Ritual die soziale Form des (symbolischen) Ausdrucks von gemeinsamen Überzeugungen dar, wobei die Gemeinsamkeit durchaus divergente Akzente analog den unterschiedlichen sozialen Positionen der Beteiligten umfassen kann.
Der Abwehr des Ritualbegriffs — vom Kultbegriff ganz zu schweigen — korrespondiert in der DDR eine gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber den Begriffen Tradition, Sitte und Brauchtum sowie den damit bezeichneten konkreten alltags-weltlichen Sozialformen. Bis zu den siebziger Jahren assoziierte man mit dem Wort Tradition bevorzugt Marx 1 Diktum, wonach die Tradition aller toten Geschlechter wie ein Alp auf den Gehirnen der Lebenden laste. Der Begriff selbst blieb unbestimmt und vage. Ab Mitte der siebziger Jahre vollzog sich jedoch eine weitgezogene Wende, in deren Verlauf grundlegende Positionen der praktischen Politik wie der politisch-ideologischen Programmatik modifiziert wurden:
— Ein weitgefaßtes, alltagskundlich inspiriertes Kulturverständnis wurde Bestandteil der offiziellen Politik.
— Darin eingeschlossen waren die Revitalisierung bzw. die gezielte Förderung zum einen von Traditionen, Sitten und Bräuchen, zum anderen von Massenkultur, etwa der Mode, der Rockmusik und der Laienkunst.
— Die offizielle Geschichtsbetrachtung begann auch die Perspektiven der Regional-und Ortsgeschichte — neben der der Betriebsgeschichte — in die historiographische Arbeit zu integrieren.
Die kulturelle Gesellschaftspolitik der DDR bemüht sich seitdem auf verschiedenen Wegen, die „Beheimatung“ der Bevölkerung zu intensivieren. In den Bezirken der DDR wurden längerfristige Konzeptionen „zur Pflege, Verbreitung und sozialistischen Aneignung des kulturellen Erbes und der revolutionären Traditionen“ verabschiedet. In deren Rahmen wurden zahlreiche örtliche Volksfeste, die sich auf alte Traditionen berufen können, erstmals wieder gefeiert. Ebenso wurden lokal-und berufsspezifische Feste und Bräuche wie die Austreibung des Winters, Faschingsbräuche, Bauernmärkte und das Mähen der letzten Garbe reaktiviert. Daneben traten neue Veranstaltungen wie Liederfeste, Literaturtage, Museumstage der Jugend sowie orts-und betriebsgeschichtliche Exkursionen.
Nicht bei allen Veranstaltungen kann man von Ritualen sprechen. Dies gilt vielmehr nur für solche, deren erkennbar auf Wiederholung angelegte, in ihrem Ablauf vorgeschriebene Handlung in gemeinsamen Traditionen, Symbolen und Mythen der Beteiligten begründet ist. Der gesellschaftspolitisch steuernde Zugriff „von oben“ wird keinesfalls geleugnet: „Traditionen entstammen zwar der Vergangenheit, werden aber mit dem Blick auf das Heute, besser gesagt auf das Morgen als solche bewußt oder unbewußt konstituiert. In der sozialistischen Gesellschaft ist jetzt erstmalig die gesamtgesellschaftliche Spontaneität der Bewußtheit gewichen.“
Unverkennbar ist diese Politik primär um die Identifikation der Bevölkerung mit der näheren Heimat und eine systemadäquat vermittelte Geschichte und Kultur der Region bemüht Wie ähnlich in der Sowjetunion ist auch in der DDR der starke pädagogische Impetus kennzeichnend, der von der „bewußten Erziehung“ der Bevölkerung die entscheidenden Schritte zur Institutionalisierung neuer Traditionen bzw. zur Modifikation überkommener Traditionen erwartet.
Es ist offensichtlich, daß das breite Spektrum aller Arten von Ritualen einen besonders geeigneten Bereich gesellschaftlicher Beeinflussung darstellt. Eine keineswegs vollständige Aufzählung am Beispiel der Sowjetunion macht deutlich, in welch dichtes Netz von Riten der sowjetische Bürger eingebunden ist. Dabei mischen sich Traditionen mit neuem sozialistischen Brauchtum — gleichermaßen auf öffentlich-staatlicher Ebene wie im privaten Bereich.
So können inhaltlich grob unterschieden werden: — allgemein-staatliche Veranstaltungen: Massen-feiertage wie der 1. Mai, der 9. Mai (Tag des Sieges), Lenins Geburtstag April) und Leninscher Subbotnik (freiwilliger Arbeitstag), der 7. Oktober als Tag der Verfassung, der 18. März als Tag der Pariser Kommune, der 8. März als Weltfrauentag und als wichtigster: der 7. November als Revolutionsfeiertag; — der Arbeit gewidmete Veranstaltungen: Feiertage von Berufsgruppen, Feiern von Arbeiterdynastien, Tag der Betriebsgründung, Aufnahme in die Arbeiterklasse, Tag des ersten Lohns, Tag des jungen Arbeiters, Jubiläum des werktätigen Menschen, Feier des Pensionsantritts, Festtag von Hammer und Sichel; — militärische Veranstaltungen: Tage der Truppengattungen, Heldengedenktage, Einberufung und Entlassung aus der Armee; — der Jugend gewidmete Veranstaltungen: Aufnahme in die Jugendorganisationen Pioniere und Komsomol, Tage der Gründung der Pionierorganisation und des Komsomols, Internationaler Jugendtag; — Lebens-und Naturzyklusrituale: Geburt, Namensgebung, Aushändigung des ersten Passes, Hochzeit, Silberne und Goldene Hochzeit, Beerdigung, Neujahrsfest, Verabschiedung des Winters, Fest der russischen Birke, regionale und bäuerliche Feste 22).
Wenn im folgenden exemplarisch die Feiern anläßlich des 1. Mai und der Jugendweihe näher dargestellt werden sollen, dann sind mehrere Aspekte zu berücksichtigen, die Aufschlüsse über die politische und gesellschaftliche Lage der beiden Länder geben. Zunächst gilt es im Auge zu behalten, daß offenbar in der modernen Herrschafts-und Geseilschaftspraxis sozialistischer Länder ein starkes Bedürfnis nach Ritualisierungen fortbesteht. Weiterhin ist zu fragen, inwieweit vorhandene Ritualisierungen die gegebene politische Hegemonie der UdSSR reflektieren und zu einer Durchdringung der politischen Kulturen beider Länder nach sowjetischem Muster geführt haben. Eine solche Frage ergibt sich insbesondere aus der Nähe, in der Gesellschaftssteuerung und Ritualbildung zueinander stehen.
Schließlich ist das Verhältnis von religiöser und atheistischer Ritualstiftung zu beachten. Handelt es sich vorzugsweise um Rituale, die ihren letzten Grund im Marxismus-Leninismus finden, oder behaupten sich noch christliche oder naturphilosophisch begründete Bräuche und Mentalitäten? Haben wir es eventuell mit langwierigen sozialen Prozessen zu tun, in denen „alte“ und „neue“ Ritualelemente koexistieren?
Die Feier zum 1. Mai in der Sowjetunion
Anders als bei den Feiern zum Geburtstag Lenins, beim Tag des Sieges oder dem Tag der Konstitution greift die Sowjetunion mit diesem Feiertag auf Traditionen der internationalen Arbeiterbewegung zurück. Im Jahre 1890 wurde der 1. Mai auf Beschluß des Gründungskongresses der II. Internationale erstmals gefeiert. Die Ter-minierung erinnert an das Massaker von Chicago vom Mai 1886, in dessen Folge die Arbeiterbewegung acht zu Unrecht zum Tode Verurteilte als ihre ersten Märtyrer beklagte. So symbolisiert das Datum zunächst internationale Solidarität. Aber wichtiger wird die Gleichsetzung des Tages mit der konkreten Einforderung von Arbeiterrechten, insbesondere des Acht-Stunden-Arbeitstages. Mit „illegalen“ Streiks, Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen zur Durchsetzung dieser Ziele gewann der 1. Mai Kampfcharakter und avancierte international zum Tag der Forderungen gegenüber der öffentlichen Gewalt und den Unternehmern, auch wenn die Teilnahme der Arbeiterschaft im Laufe der Jahre stark schwankte Besonders ausgeprägt trat dieser kämpferische Charakter im zaristischen Rußland hervor. Die Maidemonstrationen wie -losungen waren nicht nur sozialpolitischer, sondern auch dezidiert politischer Natur. Sie zielten auf den Sturz des Zarismus
In oft blutigen Auseinandersetzungen spiegelten sich die sozialen Mißstände Rußlands. Vor diesem Hintergrund ist die Radikalität Lenins zu sehen, der insbesondere die deutsche Sozialdemokratie „antisozialistischer und trade-unionistischer“ Tendenzen bezichtigte. Seiner Kritik schlossen sich Rosa Luxemburg und die spätere KPD an.
Schon dieser historische Rückblick erklärt, warum sich der 1. Mai mit seiner Übernahme als offizieller Staatsfeiertag in der neuentstandenen Sowjetrepublik in Form und Inhalt wandeln mußte. Wesentliche vorrevolutionäre Forderungen waren erfüllt, sein Kampfcharakter konnte nur noch auf internationaler Ebene zum Ausdruck kommen. Welche Rolle fiel damit dem Feiertag zu?
Heute sprechen ihm Ritualexperten eine „tiefe und langwährende ideelle Erziehungswirkung“ zu. Sie sehen dadurch vornehmlich sozialintegrative Eigenschaften wie die Bereitschaft zu gesellschaftlichen Aktivitäten, kollektivistische Persönlichkeitsmerkmale und das Gefühl für ein kollektives Gedächtnis gefördert. Die Sicht des Volksbildungskommissars Lunatscharskij aus den zwanziger Jahren wird 1977 erneut zitiert: „Unser Festtag ist nicht dekorativ, strebt nicht danach, einen Stimmungsaufschwung mittels offizieller, aufgebauschter Phrasen zu schaffen, sondern tatsächlich jedem einzelnen Menschen zu ermöglichen, aus kollektiver Energie mannhafte Einsatzbereitschaft zu schöpfen und die Fähigkeit, der Wahrheit ins Auge zu sehen, weil wir Wahrheit nicht fürchten. Wir wissen, daß im großen und ganzen die Sache, der wir dienen, siegreich ist.“
In dieser Perspektive sind Maifeiern Quellen gemeinsamer Inspiration und Animation. Von ihr leitet sich die programmatische Beschreibung des 1. Mai als eines Festes der Arbeit, des Frühlings und des Schöpfertums ab. So überwölbte bereits in der Frühphase des Sowjetsystems eine geradezu prometheische Metaphorik die Geschichte vom 1. Mai.
Inwiefern entsprachen und entsprechen die Mai-feiern diesen Erwartungen? Das Bild vom unerschöpflichen Kraftquell kommunistischer Wegegewißheit läßt sich am ehesten noch für die unmittelbar nachrevolutionäre Phase zeichnen. Mit der Aufnahme in den „Roten Kalender wurde der l. Mai ein legaler, regelmäßig begangener und offiziell organisierter Festtag. Trotz oder gerade wegen der großen Entbehrungen im Bürgerkrieg bestimmte die Freude über den Sieg der Revolution die ersten Maifeiern. Bei der Suche nach neuen Ausdrucksformen entfaltete sich ungeachtet der straffen Organisation eine beachtliche Kreativität. Die Chance eines Neubeginns inspirierte. Weitere Revolutionen wurden erwartet.
Bis zum Tode Lenins beherrschte die Frühlings-symbolik die Maifeiern. Im Aufruf 1922 hieß es:
„Jedes Jahr am 1. Mai des Frühlingsmonates feiern die Arbeiter aller Länder den künftigen Frühling der Menschheit... Alle Versuche, den revolutionären Strom erneut in Frost erstarren zu lassen, sind abgeschlagen“ und die Transparente der marschierenden Arbeiterkolonnen variierten das Thema des „schöpferischen Frühlingsfestes“
Deutlichsten Ausdruck erfuhr das Thema Arbeit am „Tag der Arbeit“ 1920. Unter ‘ Teilnahme Lenins fand ein kommunistischer „Subbotnik“ statt — die 1919 geschaffene Institution eines freiwilligen, unbezahlten Arbeitstages Dies kündet — neben wirtschaftlichen Schwierigkeiten — von dem programmatischen Versuch, Arbeit in ein Lebensbedürfnis umzudeuten.
Ein Jahr darauf, als das orthodoxe Ostern auf den 1. Mai fiel, wurde dieser symbolisch zum eigentlichen Osterfest, dessen Friedens-botschaft nunmehr auf die Internationale ausstrahlen sollte
In diesen Jahren verliefen die Feiern nach folgendem Muster Um 11. 00 Uhr trat die Mos-kauer Garnison auf den Roten Platz. Es spielte ein Militärorchester. Der Kriegskommissar — zu dieser Zeit Trotzki — schritt die Front ab und begann um 11. 20 die Maiansprache. Dann kam es zum Eid auf die Rote Fahne, der Treue bis zum letzten Tropfen Blut geschworen wurde. Der Kommissar grüßte Arbeiter und Rote Armee, die mit Hurra-Rufen und dem Singen der Internationalen antworteten. Es schloß sich eine feierliche Parade an, die von Absolventen der Roten Akademie angeführt wurde. Der nun folgende Vorbeimarsch der Arbeiter dauerte bis sechs Uhr abends. Die Atmosphäre und die Aktivitäten auf den Straßen kennzeichnete die Prawda 1923 beispielhaft mit folgenden Worten: „Ganz Moskau ist ein riesiges Theater mit Zehntausenden Statisten. Es gibt kollektive Schauspiele ohne vorher gelernte Rollen und ohne Berufsartisten. In freiem schöpferischem Pathos spielen die Massen — ohne dies selbst gewahr zu werden — das revolutionäre Mysterium.“
Dieses typische und mit zahllosen weiteren Beispielen belegbare Bild der Maifeiern dieser Periode zeigt in Ablauf und Programmatik, daß und wie die Hoffnung auf Fortschritt, die Dimension der Zukunft, durch Natursymbolik anschaulich vermittelt wurde. Es ist zu fragen, ob der dieser Symbolik innewohnende zyklische Charakter der Jahreszeiten übersehen wurde.
Wurde je ein „Herbst“ der Revolution gefeiert?
Darüber hinaus sind es unverkennbar orthodoxe Traditionen und christliche Symbolik — die Prozession, der Eid —, die unter neuem Vorzeichen aufgegriffen wurden. Dies wird auch offen zu erkennen gegeben, wenn von revolutionärer Mission, vom 1. Mai als Osterfest und von revolutionärem Mysterium die Rede ist.
Verstärkt wurde diese Symbolik nach dem Tode Lenins, als dieser selbst zum Symbol wurde:
„Gib Dich selbst der Revolution, wie es Lenin tat... Wir erfüllen Dein Vermächtnis ... Das Banner — Lenin, die Waffe — Leninismus, die Aufgabe— Revolution.“ In einem Meer von Roten Fahnen bekundeten Kolonnen aus verschiedenen Stadtteilen Moskaus: „Das Herz Lenins ist unsere flammende Fahne.“ Berufsgruppen dokumentierten ebenfalls ihre Verehrung: „Die Hausfrau zum Tag des Ersten Mais — auf Leninschem Wege.“ In die Lobpreisungen der Revolutionsführer, die teilweise namentlich genannt wurden, floß auch das Selbstlob der neuen Klasse ein: „Es lebe das Moskauer Proletariat“ Zudem traten Produktionsparolen stärker in Erscheinung. So galten im Mai 1925 42% der Losungen der Produktion, knapp ein Viertel dem Kampf gegen den Imperialismus und 17% dem neuen Staatswesen Insgesamt boten die zwanziger Jahre ein Bild großer Aktivität und Vitalität. Von den revolutionären Ereignissen gingen noch Ausstrahlungen aus.
Hatten sich in der nachrevolutionären Zeit marxistische Inhalte auch noch traditioneller symbolischer Formen bedient — wobei zu fragen ist, ob und welche Implikationen sich für die marxistische Perspektive hieraus ergaben —, so gerieten Rituale und Symbole in der folgenden Stalinära mehr und mehr in einen offensichtlichen Gegensatz zur marxistisch-leninistischen Lehre. Die Herausstellung eines einzelnen Individuums gegenüber dem Kollektiv, die Verehrung des „großen und teuren Stalins“, des „Führers des sowjetischen Volkes“ hatte — bis zur Abstrusität vor allem in der Nachkriegszeit — eine Verstärkung kultischer Momente in den militärisch geprägten Maifeiern zur Folge.
Ebenso deutlich spiegeln die Maifeiern das Schwinden der internationalistischen Perspektive. Schon 1928 hieß es gemäß der Stalinschen Formel vom „Sozialismus in einem Lande“: „Der Sozialismus wird in der UdSSR siegen.“ Auch die von der Industrialisierung geprägten Formeln variierten lediglich das Thema der Konzentration aller Kräfte auf das eigene Land. Der 1. Mai wurde zum „Fest der Mobilisierung der Kräfte für neue Siege“ erklärt und die Parolen forderten auf: „Siegen wir im Kampf um die ökonomische Unabhängigkeit..., beherrschen wir die Technik.“ An die Stelle internationaler Solidarität trat nun die Solidarität mit der Sowjetunion, die zum „Vaterland aller Proletarier der ganzen Welt“ wurde. Patriotische Traditionen, Symbole der Heimat und des Vaterlandes traten zunehmend in den Vordergrund. Die russische vor-revolutionäre Geschichte und ihre Helden — ein Ergebnis der Geschichtsrevision, die am 8. August 1934 durch Stalin, Kirow und Schdanow eingeleitet wurde — kamen erneut zu Ehren. Traditionell-patriotische Rituale und Symbole erreichten ihren Höhepunkt zur Zeit des Krieges. Symbole der Flamme, ausgeprägte Heldenverehrung und der Rückgriff auf die Symbolkraft der orthodoxen Kirche waren allgegenwärtig Der äußerliche Ablauf der Maifeiern folgte dem Muster aus den zwanziger Jahren. Die Demonstration begann bereits um 9. 00 Uhr. Anstelle von Dekorationen wurden nunmehr Porträts und Bilder mitgeführt — meist von angesehenen Persönlichkeiten wie den „Helden der Arbeit“ Zur Schau gestellte Diagramme und Daten zeigten direkte politische Verpflichtungen zur Produktionserhöhung. Großprojekte wie der Moskau-Wolga-Kanal und politische Ereignisse wie die Sowjet-verfassung von 1936 wurden gefeiert. Aufrufe zum Kampf gegen kapitalistische Elemente, zur revolutionären Wachsamkeit und aggressive antireligiöse Parolen beherrschten das Bild Die Bevölkerung vergnügte sich nach Abschluß des offiziellen Teils in den Kulturparks; Orchestermusik ersetzte weitgehend die vormals beliebten Schauspiele. Die Führung der Kommunistischen Partei und die Regierung gaben am folgenden Tag einen Empfang für die Teilnehmer der Parade
Offensichtlich war sich die neue politische Führung unter Chruschtschow ab 1953 der verkürzten Perspektive Stalinscher Rituale und Symbolik bewußt, denn es ging ihr darum, revolutionäre Motivationen zu reaktivieren und die Vision des Kommunismus wiederzubeleben. Zwar beschwor die Formel von der „mächtigen Einheit des sowjetischen Volkes“ anfangs noch das Stalinsche Erbe, aber die Transparente sprachen neben der Lenin-Verehrung vor allem von den Produktionserfolgen und den programmatisch formulierten glänzenden Aussichten des Landes Stolz auf die erreichten Leistungen und das Bewußtsein von Macht und Größe der UdSSR läßt sich in der Verkündung des neuen großen Ziels, des Übergangs zur kommunistischen Gesellschaft, ablesen: „Der Kommunismus siegt... Es lebe der Kommunismus — die leuchtende Zukunft der ganzen Menschheit... Vorwärts in neuen und zu neuen Siegen im Aufbau des Kommunismus ... Der Partei unseres Ruhms!“
Schon 1954 begeisterten sich die Demonstranten an dem von Akademiemitgliedern gewiesenen neuen Horizont des naturwissenschaftlich-technischen Fortschritts und dem Versprechen: „Der Mensch wird im Kosmos sein.“ Die Vision des Kommunismus wurde konkretisiert, terminiert und damit als unmittelbar erreichbar vor Augen gestellt. Die zunehmende Professionalisierung der Festtagsgestaltung kam auch der Wiederanknüpfung an die Revolutionstradition zugute — wie etwa 1957, als die Maifeier von 1917 in Uniformen und mit allen Details historisch rekonstruiert wurde.
In Abkehr von bombastischen Zukunftserwartungen trug der Maifeiertag in der BreschnewÄra den traditionelleren Charakter als „Fest des Frühlings, der Arbeit und des Friedens“. Neben der nie fehlenden Verehrung des „großen Lenin“
stand pragmatisch das Thema der „friedlichen Arbeit“ im Mittelpunkt und schlug sich beispielsweise in Parolen zum sozialistischen Wettbewerb nieder. Militärparaden entfielen, so daß nur noch organisierte und nichtorganisierte Werktätige das Bild prägten. Die Maiansprache hielt der Generalsekretär der KPdSU Die Zukunftsmetaphorik war verblaßt, lediglich die Porträts der Klassiker des Marxismus-Leninismus erinnerten an die Vergangenheit.
„Über das Land weht der Frühlingswind“ lautete das Motto der Reportage zu den Maifeierlichkeiten in den Unionsrepubliken des Jahres 1986, dem 100. Jahrestag der Ereignisse von Chicago als dem Ursprung des I. Mai. In der Tat sprach die Frühlingssymbolik aus allen Maiartikeln der Presse. Frieden und sozialen Fortschritt propagierte die neue Führung unter Gorbatschow. Die Parole vom „Bund von Wissenschaft und Arbeit“ unterstrich die herausgehobene Rolle von Studentenschaft und Angehörigen der technischen Intelligenz ebenso wie die gleichzeitige Erdumrundung zweier Kosmonauten — offensichtlich eine Anknüpfung an die Chruschtschow-Ära. Die Ziele der Partei für die Gesellschaft wurden deutlich und vor allem konkret benannt: „Wohlstandssteigerung aller Schichten und sozialen Gruppen auf eine neue qualitative Stufe in Übereinstimmung mit den ökonomischen Möglichkeiten des Landes.“ „Sichern wir die scharfe Wende zur Ökonomie höchster Organisation und Effektivität!“ lautete die Parole, und „eine dynamische Entwicklung der sowjetischen Gesellschaft“ wurde verheißen
Die Gestaltung des 1. Mai 1986 war frei von Spontaneität und in allen Einzelheiten organisiert. Kurz vor zehn Uhr betraten die Politbüro-mitglieder die zentrale Tribüne des Lenin-Mausoleums und wurden mit einem Hurra der auf dem Roten Platz Versammelten begrüßt. Mit dem Zehn-Uhr-Schlag ertönten Fanfaren und Glückwünsche auf den 1. Mai und zu Ehren der KPdSU; Pioniere eilten auf die Tribüne und überreichten der obersten Sowjetführung rote Sträuße. Bei Marschmusik zogen Vertreter aller Bezirke über den Roten Platz — ihnen voran ein riesiges Leninporträt. Sie, deren Teilnahme vorher — meist in den Arbeitskollektiven — genauestens festgelegt wurde, repräsentierten das Volk. Bezirke, Institutionen und Betriebe stellten sich, ihre Leistungen und Leistungszusagen auf Spruchbändern vor. Wenn es auch darum ging, Partei und Volk als geschlossene Einheit zu zeigen, so irritierte doch die herrschaftliche Distanz zwischen den Nomenklaturkadern auf der Höhe der Balustrade des Mausoleums und dem in der Ferne vorbeigeführten Volk. Mehrere Soldaten-reihen sicherten als „lebende Korridore“ die von der Tribüne herabwinkenden Sowjetführer ab. Während sich beim eiligen — teilweise im Laufschritt — Überqueren des Roten Platzes die individuelle Begeisterung in Grenzen hielt ließen erst die abendlichen Spaziergänge durch das vielfarbig dekorierte Stadtzentrum den Charakter des Frühlingsfestes hervortreten.
Die Feier zum 1. Mai in der DDR
Noch vor der bedingungslosen Kapitulation des Oberkommandos der Deutschen Wehrmacht fanden in den am I. Mai 1945 schon sowjetisch besetzten Gebieten bereits wieder kleinere Maifeiern statt, die sich häufig „jedoch von einander in ihrer Form“ unterschieden. Zu groß angelegten einheitlichen Mai-Demonstrationen wurde in der SBZ erstmals 1946 aufgerufen. Das Zentrale Maikomitee, das sich aus Vertretern politischer und gewerkschaftlicher Organisationen, der Betriebe und der wissenschaftlichen und künstlerischen Institutionen zusammensetzte, richtete sich „an das schaffende deutsche Volk in Stadt und Land“. In Berlin nahmen 500 000 Menschen an der zentralen Maikundgebung im Lustgarten teil. Der Aufruf von Otto Grotewohl und Wilhelm Pieck, den beiden Vorsitzenden der am 21. /22. April 1946 unter massivem politischen Druck der sowjetischen Besatzungsmacht zur SED vereinigten SPD und KPD machte deutlich, daß die Demonstration sich nicht mehr auf die Forderungen gegenüber der öffentlichen Gewalt und den Arbeitgebern konzentrierte. In der bisher einzigen historischen Darstellung zum 1. Mai aus der DDR heißt es: „Aus den historischen Aufgaben, die die Arbeiterklasse in der sowjetischen Besatzungszone unter der Führung der SED bei der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung und im Kampf um den Sozialismus zu bewältigen hatte, ergab sich ein neuer Inhalt des Ersten Mai. Die deutschen Arbeiter konnten nun dem weltgeschichtlichen Beispiel folgen, das ihnen ihre sowjetischen Klassengenossen mit dem ersten gesamtrussischen Subbotnik und den ihm folgen-den Maifeiern im ersten Arbeiter-und BauernStaat gegeben hatten.“
Das zentrale politische Ereignis im Frühjahr 1946 war die Gründung der SED, womit ein „ 30jähriger Bruderkrieg“ beendet wurde. Die Maifeiern des Jahres 1946 schickten sich an, dies in einem „Frühlingsfest“ zu würdigen. Entsprechend hieß es im Maiaufruf: „Wie das Blühen und Wachsen im Frühling des Menschen Herz höherschlagen läßt und mit Hoffnung erfüllt, so erfüllt die Wiedergeburt der einigen und geschlossenen Arbeiterpartei, ihr Wachstum und Werden die Arbeiterherzen mit Freude und Zuversicht.“
Dem sowjetischen Vorbild folgend, wurden aktuelle politische Ereignisse unter Einbeziehung der Massen so thematisiert, daß daraus zugleich Zukunftsoptimismus und eine bestimmte Art der gegenseitigen weltanschaulichen Vergewisserung über den geschichtlichen Weg des Landes entstehen konnten.
Die Zahl der Teilnehmer stieg in Berlin (Ost) bis 1953 auf nahezu eine Million an In den drei folgenden Jahren wurden keine Teilnehmerzahlen veröffentlicht Ausgehend von 200 000 Teilnehmern 1957 stieg deren Zahl langsam bis auf 320 000 im Jahr 1967 an, um 1971 auf 250 000 zu sinken. Zwischen 1972 und 1978 lag sie gleich-bleibend bei 350 000 und bewegt sich seit 1981 bei einer halben Million
Die thematische Ausrichtung folgt weitgehend dem Moskauer Ritual und weist doch interessante Abweichungen auf. Birgit Sauer und Ulrike Treziak fassen in ihrer Untersuchung des Feierrituals eine Abfolge der Schwerpunkte zusammen, die inhaltlichen und formalen Anordnungen der Moskauer Feiern ähneln. Die politischen Bezüge schwankten im ersten Jahrzehnt aufgrund der Führungswechsel in der UdSSR und in einigen Blockländern. Wurden bis 1953 als politisch-weltanschauliche Symbole Transparente mit den Porträts von Marx, Engels, Lenin und Stalin getragen, so trug man 1956 nur Porträts von Marx und Lenin und 1957 auch wieder von Engels. Von Beginn an bis 1955 war die Volkspolizei an den Feiern beteiligt, anschließend die Nationale Volksarmee. Unabhängig von diesen Schwankungen wurden regelmäßig jedoch dargestellt: — der Stand und die Entwicklung der Leistungen der verschiedenen Berufsgruppen;
— das Verhältnis von politischer Führung und Bevölkerung (Verbundenheit von Partei, Staat und Volk);
— das Bündnis mit der UdSSR;
— die internationale Solidarität und der proletarische Internationalismus;
— die Verteidigungsfähigkeit
Der formale Ablauf stellte und stellt sich wie folgt dar: Zeitlich weit vorausliegende Vorbereitungen, von denen zu vermuten ist, daß sie einen Großteil der Teilnehmer in der einen oder anderen Form in die Inszenierung schon in diesem Stadium einbeziehen, resultieren in 40 bis 50 vom Mai-Komitee publizierten Losungen, den veröffentlichten Demonstrationswegen sowie einem detaillierten Durchführungsplan. Während die Einheiten der Volkspolizei in den Demonstrationszug integriert sind, hielten Truppen der neu-gegründeten Nationalen Volksarmee erstmals 1956 eine Parade ab.
Die Parade begann nach der Eröffnung durch den Glockenschlag vom Roten Rathaus mit einer Fanfare, dem Kommando „Stillgestanden“ und der von Marschmusik begleiteten Meldung des Kommandeurs der Parade an den Minister für Verteidigung, der die Meldung zur Ehrentribüne überbrachte und die dort versammelten politischen Führungskader begrüßte. Die Bereitschaft zur Landesverteidigung symbolisierten seit 1955 ferner Betriebskampfgruppen und die den Zug meistens abschließenden Gruppen der Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Das dadurch entstehende militärische Gepräge wurde später zugunsten der anderen Komponenten abgeschwächt. Seit 1978 entfiel die Parade, wie Jahre zuvor bereits in Moskau. Auch verzichten heute die Gruppen der GST auf das Vorzeigen von Waffen. Nach der Eröffnung und Begrüßung hält der Vorsitzende des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes eine Rede. Danach folgt der Vorbeimarsch der Abordnungen der Betriebe und Verwaltungen, der Bezirke, einzelner wissenschaftlicher Institutionen sowie des Blocks der Jugend, der Sportler und der Kampfgruppen.
Wie in der UdSSR spielen die am Vorabend prämierten Aktivisten eine besondere Rolle. Zwischen 1949 und 1967 führten sie die Demonstrationen an; seitdem wechseln sich die einzelnen Gruppen darin ab. Wenn der letzte Block an der Tribüne vorbeizieht, wird die Internationale angestimmt und wenig später das umfangreiche symbolhaltige Zubehör wie Transparente, Fahnen, Schaumuster und Dekorationen abgelegt. Das sich anschließende Volksfest endet erst in der Nacht. Am Alexanderplatz und in den verschiedenen Stadtbezirken werden Musik, Volks-kunst und Filme geboten, Sport, Kinderprogramme, Kaffeetafeln und Kunstbasare veranstaltet. Es wird gesungen und getanzt, Anfang der fünfziger Jahre noch im Freien, später auf Tanz-veranstaltungen in Klubhäusern und in Diskotheken. Dazu kommen Fackelzüge und Feuerwerke.
Nach Sauer und Treziak läßt sich die Gesamtentwicklung je nach der generellen Anschauung und Wahrnehmung der politisch-sozialen Situation durch die Teilnehmer in Phasen einteilen. Bis 1953 herrschte das Gefühl vor, das Schlimmste — der Krieg und das nationalsozialistische Regime — sei überwunden und die Zeit sei reif zum erneuten Aufbau, was in der ideologischen Sicht als „Befreiung vom Faschismus“ und „Sieg der Arbeiterbewegung“ benannt wird.
Dem folgte bis Ende der sechziger Jahre eine Phase, in der sich Stolz auf Erreichtes und Hoffnung auch auf persönliches Vorwärtskommen mischten. Bis Mitte der siebziger Jahre erhielt das Gefühl, auch international ernst genommen zu werden, starke Impulse. Ideologisch wurde die Anerkennung der DDR als internationale Solidarität und Beleg für die Stärke des eigenen Blocks ausgegeben. Diese Wahrnehmung wurde in der Folge von einem sich differenzierenden Gefühl für die DDR als Heimat überlagert.
Mit Blick auf die verschiedenen Führungen der SED lassen sich seit dem Wechsel von Ulbricht zu Honecker markante Abweichungen feststellen. Vor allem weiteten sich die Traditionsbezüge. Während die Verbundenheit mit marxistisch-lenistischen Klassikern und Parteiführern wie Liebknecht, Luxemburg, Zetkin, Thälmann und Pieck sowie den Mitgliedern und Kandidaten des jeweiligen Politbüros der SED konstant in akusti-scher, textlicher und bildlicher Weise ausgedrückt wird, finden sich seit 1978 auch Porträts von solchen historischen Persönlichkeiten, die eine „lange humanistische Tradition“ symbolisieren. So stehen Leibniz, Koch, Virchow, von Helmholtz, Einstein u. a. für die Wissenschaften, von Knobelsdorff und Schinkel für die Baukunst, Brecht, Eisler, Kollwitz, Weinert für die übrigen Künste sowie Gneisenau und Scharnhorst für ein reformiertes Heereswesen. Neben dem Thema der Blockintegration sind es besonders alltags-kulturelle Phänomene wie der Sport und das Kleingärtnertum, die ebenfalls eine größere Rolle spielen. Dies geht einher mit einem generellen Perspektivenwechsel vom traditionellen Kampftag zum sozialistischen Festtag, der sich u. a. in einer stärkeren Emotionalisierung der Maifeiern zeigt.
Größere Farbigkeit, eigengefertigte Transparente, aktive Musik-, Kleinkunst-und Sportgruppen erzielen emotionssteigernde Effekte. Auch das veränderte Verhalten der Führungsgruppe trägt dazu bei. Im Unterschied zur Moskauer Maifeier wurde die Ehrentribüne gesenkt, so daß Kinder leicht auf das Podium gelangen können und der Generalsekretär die Hände Vorbeiziehender schütteln kann. So tritt dieser weniger mit der Attitüde des unnahbaren Ersten Mannes des Herrschaftsapparates auf, sondern vielmehr als „Genosse Erich“ oder als Landesvater.
Jugendweihe in der DDR
Völlig verschieden zwischen Sowjetunion und DDR ist das Übergangsritual der Jugendweihe.
Beim Mairitual lag und liegt der Gestaltungsprimat unabhängig von der landestypischen Geschichte der Maifeiern bei der Sowjetunion. Im Falle der Jugendweihe hingegen handelt es sich um ein nur in der DDR in nahezu allen Bevölkerungsgruppen anzutreffendes Ritual. Nicht ohne Genugtuung resümierte der Generalsekretär der SED 1984 die 30jährige Geschichte der Jugend-weihe in der DDR dahin gehend, daß mehr als sechs Millionen Schülerinnen und Schüler in den der Weihe vorausgehenden „Jugendstunden“ mit ideologischen Kenntnissen, gesellschaftlichen Werten und kulturellen Leistungen vertraut gemacht worden seien
Vermutlich ist aber gerade diese Lernphase bei den Jugendlichen am wenigsten beliebt. Dazu tragen der monologische Unterricht sowie der bürokratisch organisierte Ablauf entscheidend bei. Nach einem wechselvollen Beginn — die Jugendweihe war offenbar aus gesamtdeutschem Kalkül 1950 für einige Zeit verboten — gilt sie ab 1954 als offizieller „Übergang der Jugendlichen in das Leben der Erwachsenen“ Die kommunistisch-proletarische Kulturtradition wurde damit vor allem der Konfirmation der evangelischen Kirche gegenübergestellt.
Allerdings feierten seit dem vergangenen Jahrhundert auch Sozialdemokraten, Freireligiöse, Freidenker, Deutschgläubige und Nationalsozialisten die Jugendweihe. Wie in der Sowjetunion bei der Maifeier hob die Aneignung dieses Rituals 1954 die traditionelle Kampfintention auf und formulierte die Jugendweihe als Integrationsregel. Billerbecks unterstellte Zielsetzung, nach der die Jugendweihe „alle Jugendlichen auf die Aufgaben zur Vollendung des Sieges des Sozialismus“ vorbereiten soll, greift insofern zu weit, als es in diesem Übergangsritual nahezu ausschließlich darum geht, einen neuen Schuljahrgang mit möglichst geringen Konflikten zwischen den Generationen in die Erwachsenenwelt zu übernehmen. Solche Riten, die individuelle und gemeinschaftliche Übergänge zwischen verschiedenen Lebensabschnitten in komplexen und differenzierten Industriegesellschaften regeln und erleichtern sollen, werden als so grundlegend für das Generationenverhältnis und die innergesellschaftliche Kohäsion angesehen, daß nur ihre Bewältigung durch die Gruppe gesamtgesellschaftliche Störungen vermeiden kann. Wenn sich die Jugendweihe in der DDR gegenüber der Konfirmation durchsetzen konnte, dann verdankt sie dies zum Teil der entsprechenden Agitation und Pression der Massenorganisationen und der Schulleitungen. Das Christentum und alle anderen „unwissenschaftlichen Anschauungen“ wurden als zeitgenössischer Aberglaube ideologisch attackiert. Nahmen 1954/55 etwa 18% des Altersjahrgangs an der Jugend-weihe teil, so sind es seit 1960 etwa 90%. Der Erfolg gründet sich aber auch auf das gesellschaftliche Bedürfnis nach kontinuitätsstiftender Handlungsanleitung und Sinngebung in der kritischen Phase der jugendlichen Pubertät. Gewöhnlich erfolgt in diesem Alter die Loslösung von kindlichen Bindungen und die Herausbildung einer Identität, die mit neuen sozialen Rollen und gelegentlich auch mit einer Lösung von der Familie zugunsten weiterfassender gesellschaftlicher Bezüge verbunden ist. Beteiligt sind an der Jugendweihe neben den Schülern und Funktionären, Pädagogen und Arbeiterveteranen der in allen Orten anzutreffenden Ausschüsse für Jugend-weihe auch die Eltern.
Gegenwärtig wird die Jugendweihe als eine der neuen „sozialistischen Feiern“, als „gesellschaftliche Einrichtung in der DDR zur Unterstützung der kommunistischen Erziehung der Jugendlichen im 8. Schuljahr“ verstanden. Sie teilt sich in ein Vorbereitungsjahr mit zehn Jugendstunden und einer Exkursion — häufig zu Gedenkstätten wie Sachsenhausen oder Buchenwald —, die staatliche Gelöbnisfeier und die private Familienfeier. Die Schwierigkeiten des Übergangs aus der Kindheit und der Schulzeit in die Arbeitsund Konsumwelt wird in einem Tausch dargestellt. Die möglichst protestfreie Zustimmung zur gegebenen Lebensweise der Erwachsenen und der darin angelegte Verzicht auf andere Lebens-optionen soll mit Sach-und Geldgeschenken, die seit den siebziger Jahren deutlich aufwendiger wurden, belohnt und die Eingewöhnung zugleich bestätigt werden. Die Geschenke stellen zugleich eine Art Grundausstattung in alltäglichen Konsumartikeln dar und drücken geschlechtstypische Rollen aus. Bezieht sich dieser Aspekt mehr auf die Familienseite, so steht das durch wiederholtes Ja-Sagen unter Zeugen vollzogene Gelöbnis für die erklärte Bereitschaft, sich als „junger Bürger“ den soziopolitischen Grundzielen, d. h.der „edlen Sache des Sozialismus“, dem „Arbeiter-und Bauern-Staat", der „sozialistischen Gemeinschaft“ und dem „Bruderbund mit den sozialistischen Ländern“ tendenziell ein-und unterzuordnen. Als Erinnerungszeichen erhalten die jungen Bürger einen in der Abteilung Volksbildung beim SED-Zentralkomitee zusammengestellten Geschenkband „Vom Sinn des Lebens“.
Von den drei Bestandteilen der Jugendweihe ist die Familienfeier am beliebtesten. Nach den Resultaten einer ethnographischen Untersuchung der Jugendweihe in Ost-Berlin kann sie „zumindest seit den siebziger Jahren als eines der größten Familienfeste, wenn nicht als bedeutendstes überhaupt, eingeschätzt werden“ Damit verträgt sich ein anderes Resultat, wonach die Motivationen zur Jugendweihe „z. T. allerdings formalen Charakter tragen, wonach sich einige Jugendliche an Äußerlichkeiten orientieren“. Zusammenfassend werten die Autoren das entfaltete Ritual der Jugendweihe inzwischen „als nationale Tradition der DDR-Bevölkerung“
Jugendweihe in der Sowjetunion
Trotz einiger Bemühungen um Popularisierung ist die Jugendweihe im größten Teil der Sowjetunion unbekannt. Schon die Schwierigkeiten, den Begriff zu übersetzen, deuten darauf hin. Einmal handelt es sich um das Lehnwort „Jugendvaje“, dessen Übersetzung von der DDR mit „Posvjascenie v Junosestvo“ (Jugendweihung) versucht wird -Zum anderen wird auf die kurzlebige Tradition der bürgerlichen Konfirmation (Grazdanskaja Konfirmacija) im Estland der zwanziger Jahre zurückgegriffen und damit die Säkularisierung des religiösen Festes schon im Wort offenkundig.
In der Tat ist die Jugendweihe nach wie vor auf die baltischen Unionsrepubliken beschränkt. In den protestantisch geprägten Ländern Lettland und Estland wird sie seit den fünfziger Jahren praktiziert. Sie wird in Estland als „Sommertage der Jugend“ (letnie dni molodezi) und in Lettland als „Fest der Reife“ (Prazdnik soverennoletija) bezeichnet. Die einander ähnlichen Rituale finden in der Bevölkerung große Resonanz Sie sollen Jugendliche — hier jedoch erst im Alter von 18 Jahren — symbolisch mit der Arbeitswelt vertraut machen und werden bewußt als Gegengewicht zur kirchlichen Konfirmation angeboten. Die Teilnahme daran ist im Gegensatz zur religiösen Feier kostenlos. Die festlichen Veran-staltungen finden zeitgleich mit den Gottesdiensten statt.
Alle Formen der neugestalteten Feier konterkarieren deutlich kirchliche Traditionen. Zur Vorbereitung finden Seminare mit Experten und lokalen politischen Funktionären statt, die die Jugendlichen auf ihre Rolle in Staat und Gesellschaft vorzubereiten suchen. Häufig werden eine Woche vor der Feier Sporttage veranstaltet, auf denen neben Sport auch Lagerfeuer, Gespräche und Konzerte stattfinden. Ferner kommt es zu Treffen mit prämierten Werktätigen, Kriegsveteranen, Schriftstellern und Künstlern. Der Festtag beginnt mit einem Umzug der Mädchen in hellen Festkleidern und der Jungen in schwarzen Anzügen durch die festlich geschmückte Stadt. Er wird von jungen Pionieren angeführt, die eine Fahne und Blumensträuße tragen. Vor dem Klubhaus oder dem Park, in dem der Festakt stattfindet, steht eine Ehrenwache der Pioniere in National-kostümen. Nach Eröffnung der Feier durch den Sekretär des Bezirkskomitees des Komsomol werden die National-und Landeshymne gesungen. Der lokale Parteisekretär dankt Schulen und Eltern in einer Ansprache für ihre erzieherischen Leistungen. Lehrer, Eltern und Vertreter der Betriebe kommen zu Wort. Darauf erhalten die Jugendlichen ein Album mit einem Grußbrief des zuständigen Zentralkomitees des Konsomol, weitere Geschenke und Blumen von Freunden, Eltern und Arbeitskollegen.
Nach anderen Quellen werden auch Volljährigkeitsausweise in Buchform überreicht Abschließend wird ein großes Festkonzert veranstaltet. Die Jugendlichen ehren Lenin und die Kriegshelden, indem sie Blumen an Denkmälern und Grabstätten niederlegen.
Die Jugendweihe im Baltikum gilt offenbar in der Sowjetunion als eine gut und erfolgreich organisierte Feier, denn gelegentlich wird in der Literatur bedauert, daß Sommertage der Jugend nicht in der ganzen Sowjetunion Anklang finden Eine vergleichbare Bedeutung für die gesamte Sowjetunion kann lediglich die Feier beim Eintritt des Jugendlichen in den Komsomol beanspruchen. Das 1976 für alle Staatsbürger der UdSSR eingeführte Ritual der Aushändigung des Passes, das Jugendliche im Alter von 16 Jahren als vollwertige Staatsbürger integrieren soll weist noch nicht den sorgfältig ausgefeilten Aufbau der Gegenkonfirmation in den baltischen Ländern auf.
Schlußbetrachtung
Beide Rituale sind weit davon entfernt, als Ausdruckssystem eindeutig zu sein. Die Ambivalenz der Maifeiern ergibt sich aus der Vermischung von proletarisch-emanzipatorischen Akzenten mit Siegessymbolen, Kampfaufrufen und dem Naturzyklus. Einen ähnlich mehrdimensionalen Charakter trägt die Jugendweihe. Sie demonstriert die Fürsorge der Erwachsenen beim Über-gang der Jugendlichen in das Erwachsenenalter und versucht, im verdichteten Ritus künftige Aggressionsminderungen, soziale Kontrolle und staatsbürgerliche Selbstverpflichtung gleichermaßen zu erzielen. Materielle Zuwendungen fehlen nicht. Sie sollen symbolisch die bei der Anpassung von den Jugendlichen geforderten Verzicht-leistungen kompensieren. Detaillierten Untersuchungen bleibt es vorbehalten, hier vorliegende Divergenzen eingehender zu erforschen. Dabei wird es im Falle der Maifeier darum gehen, offensichtliche Auffassungsunterschiede zu überbrücken, etwa wenn dieses Ritual einmal als Ausdruck sozialistischen Selbstbewußtseins und gestiegenen geistig-kulturellen und politischen Niveaus der Arbeiterschaft, zum andern aber als Ausdruck der Unterhaltungs-und Massenkultur gesehen wird.
In funktionaler Hinsicht lassen sich in der Geschichte beider Rituale bestimmte Wirkungen verfolgen, die eine kulturelle Gesellschaftspolitik kennzeichnen, deren überragendes Ziel darin besteht, Loyalität zu sichern: — An die Stelle gesellschaftlicher, bürgerlicher Öffentlichkeit tritt eine Art Gemeinschaft, auf deren Erleben — einem klassischen philosophischen Topos zufolge — auch und gerade der kulturell und geistig aufgeschlossene Mensch angewiesen ist. — Da alle soziale Spontaneität generell und kanonisch abgewiesen wird, läßt sich Gemeinschaft nur regelmäßig inszeniert im Ritual, d. h. in bürokratisierter Form, herbeiführen. Dies wiederum hat entsprechende, schon früh kritisierte negative Auswirkungen auf pädagogisch-ideologischem Felde zur Folge. — Trotz des von ideologischer Warte aus einheitlich gelenkten Prozesses der Ritualbildung wirken sich nationalkulturelle, ethnische oder religionshistorische Bedingungen aus, wie beispielsweise die geographische Verbreitung der Jugend-weihe demonstriert. — Rituale dienen der politisch-ideologischen Sozialisation einer Schicht oder Klasse der Bevölkerung durch eine andere. Das hierbei zutage tretende Kompetenzgefälle drückt sich darin aus, daß als Adressat das unkritische Massenpublikum — Handarbeiter, Kollektivbauern, kleine Angestellte, Kinder, Jugendliche und nicht berufstätige Frauen — fungiert. Intelligenz und Nomenklaturkader zählen nicht dazu. — Inhaltlich verdeutlichen Rituale einen oktroyierten Wertkonsens, der wiederum innergesellschaftliche Bündnisse und Erwartungshaltungen widerspiegelt.
Ritualbildung in diesem Kontext ist sicher ein Vorgang, der genauer Planung seitens seiner Initiatoren unterliegt. Es ist anzunehmen, daß dabei vorhandene transzendente Vorstellungen, religiöse Artikulationsformen und Alltagsgewohnheiten bewußt einbezogen werden, um die jeweilige Überlieferung in die auf Vereinheitlichung angelegte eschatologische Ideologie zu integrieren. Dabei sind inhaltliche wie prozedurale Gemeinsamkeiten beider hier miteinander verglichenen Staaten unverkennbar und prägen das nach außen zur Schau gestellte einheitliche Bild der sozialistischen Staatengemeinschaften. Doch einer eingehenderen Prüfung erschließen sich Unterschiede, die auf weit zurückliegende historisch-kulturelle Entwicklungen zurückzuführen sind und sich in der heutigen Auffassung von Ritualen und ihrer Handhabung niederschlagen.
Rituale als Anknüpfung an orthodoxe Traditionen Offenbar ist die Einsetzung von Ritualen in der Sowjetunion als eine Anknüpfung an orthodoxe Traditionen zu werten. Vorschismatische Denkmuster scheinen bis heute wirksam, nach denen Symbole (i. e. Rituale) immer von der Wirklichkeit erfüllt sind, die sie bezeugen. Demnach ist das „Mysterium der Revolution“ als Einheit zu begreifen. Die westliche Trennung von Wesen und äußerer Erscheinung ist dem Osten traditionell fremd. Der rechte Vollzug — die reiche Liturgie der Ostkirche weist darauf hin — steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der orthodoxen Kirche, die dieses Denken übernahm. Theoriebildung wird abgelehnt
Aus einer solchen Sicht folgt zum einen, daß der individuellen Übereinstimmung mit dem Ritual in der Sowjetunion keine sonderliche Bedeutung beigemessen wird. Die Tatsache allein, daß eine gewaltige Maifeier Zehntausende auf die Beine bringen kann, ist Beweis genug für die Richtigkeit des eingeschlagenen Weges. Darüber hinaus wird die besondere Betonung der Schulung von Kadern zur pedantisch genauen professionellen Gestaltung von Ritualen erklärbar. Die überwiegende Zustimmung, der sich die Ritualbildung seitens der damit befaßten Wissenschaftler und Funktionäre erfreut, ist neben dem klar herausgehobenen pädagogisch-ideologischen Nutzen sicher auch auf die traditionelle Vertrautheit mit Ritualen zurückzuführen. Indiz für diesen Zusammenhang ist die Argumentationsweise, in der Ritual und ideologischer Inhalt als Einheit gesehen werden. Dagegen ziehen die Kritiker mit marxistischen — d. h. westlich-aufklärerischen — Kategorien zu Felde.
Rituale als Mittel zur Entpluralisierung In einer ganz anderen Tradition steht die DDR.
Dies wird deutlich an der Ablehnung, auf die allein schon der Begriff Ritual bei Wissenschaftlern stößt. Mit dieser Haltung dokumentieren sie offenkundig ein protestantisch-aufklärerisches Erbe. Dies hindert die politische Führung indes nicht, Rituale — auch unter anderem Namen — in vielfältiger Weise ihren Zwecken dienstbar zu machen. Wenn es ihr Ziel ist, „solche ökonomischen, politischen und geistigen Bedingungen (zu schaffen), unter denen die Werktätigen nicht mehr Spielball spontan wirkender Kräfte sind“ so können Rituale ihrer innewohnenden stetigen Wiederholung wegen als geeignetes Mittel zur Beendigung von Spontaneität erscheinen. Das hieße mit anderen Worten, einer sich differenzierenden Gesellschaft eine Fülle von Traditionen und eben Ritualen als Ersatz für politischen Pluralismus und Partizipation anzubieten — Rituale als Mittel zur Entpluralisierung.
Ritualisierung der Zukunft Ohne einen immanenten Bezug auf die Zeithorizonte von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gibt es keine Rituale. Die Rituale des Ersten Mai und der Jugendweihe stellen eine Einheit zwischen den Zeiten her, jeder Teilhorizont ist unverzichtbar. Mit der Einsetzung und Nut-zung von Ritualen scheinen sich die politischen Führungen der UdSSR und der DDR das Verblassen realer kommunistischer Zukunftsperspektiven einzugestehen. Andererseits sind sie sich dessen bewußt, daß ein Zukunftshorizont bei Strafe politischer Instabilisierung niemals aufgegeben werden darf. Die existierende sozialistische Gesellschaft verlöre ihren Impetus und ihre Antriebskraft. Aus aktuellen herrschaftssoziologischen Gründen aber darf der Kommunismus als Endstadium einer Gesellschaft nicht erreicht werden. Die Lösung dieses Dilemmas besteht in der Ritualisierung der Zukunft. Die in Ritualen dargestellte Kontinuität wie Zukunftsperspektive sind damit wesentlich für das Überleben einer Gesellschaft, die eine wissenschaftlich’ bewiesene Zukunftsvorstellung zu haben behauptet. Da diese Zukunft nicht in greifbarer Nähe ist, sich vielmehr zu entfernen scheint, wird neben dem formelhaften Theoriegebäude die Institutionalisierung von Ritualen immer notwendiger. Nur im Ritual ist die Utopie aufgehoben und als realisierbar emotional darzustellen.