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Sozial-und arbeitsmarktpolitische Auswirkungen neuer sozialer Bewegungen | APuZ 44/1986 | bpb.de

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APuZ 44/1986 Soziale Selbsthilfe — Privatisierung oder Vergesellschaftung des Sozialstaats? Ergebnisse einer Studie über die Sozialen Selbsthilfegruppen in der Bundesrepublik Deutschland Sozial-und arbeitsmarktpolitische Auswirkungen neuer sozialer Bewegungen Neue soziale Bewegungen und politische Parteien

Sozial-und arbeitsmarktpolitische Auswirkungen neuer sozialer Bewegungen

Klaus Schaper

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Sowohl die zu erwartende sozialökonomische Entwicklung als auch Prozesse des Wertwandels befördern den Trend zur individuellen und kollektiven Eigenhilfe. Die „Kostenkrankheit“ sozialer Dienstleistungen läßt eine weitere staatlich-professionelle Expansion trotz drängender Versorgungsengpässe kaum zu. Selbsthilfegruppen sind auch insofern eine wertvolle Ergänzung, weil sie ein Gegengewicht zur Dominanz der Experten sichern und präventive Orientierungen anstreben. Eine weitere Verbreitung dieser Gruppen setzt allerdings eine Strukturreform des kommunalen gesundheitlichen und sozialen Versorgungsnetzes etwa nach Art der Auerbachschen Sozialgemeinde voraus, in der Partizipationschancen eröffnet und professionelle Zusammenarbeit angeboten werden. Während Selbsthilfegruppen als Hoffnungsträger einer zukünftigen Sozialordnung gelten können, treten die alternativen ökonomischen Betriebe allenfalls „Trampelpfade“ durch das Dickicht der Arbeitslosigkeit. Zudem wirken die von Oppenheimer beschriebenen Transformationsgesetzlichkeiten des marktwirtschaftlich-kapitalistischen Systems auch heute fort, so daß die erfolgreichen Betriebe unter dem allgemeinen Wettbewerbsdruck ihre gemeinwirtschaftliche Orientierung gefährden, während die übrigen vielfach unter Selbst-und Fremdausbeutung und mangelnder sozialer Sicherung zu leiden haben.

Für unsere Fragestellung sind aus dem breiten Spektrum der neuen sozialen Bewegungen zwei Richtungen interessant:

— Die Selbsthilfegruppen im sozialen und gesundheitlichen Bereich und die — alternativen ökonomischen Betriebe.

Auch aus anderen Richtungen wie z. B.der Ökologiebewegung und der Frauenbewegung sind sicher Veränderungen im sozial-und arbeitsmarkt-politischen Feld zu erwarten. Es handelt sich hier jedoch um indirekte Wirkungen, während Selbsthilfebewegung und alternative ökonomische Betriebe faktisch oder von ihrem Anspruch her eine direkte Neugestaltung dieses Feldes bewirken oder bewirken wollen.

Ohne Selbsthilfegruppen sei, so Wortführer der Bewegung die Art und Weise gesundheitlicher und psychosozialer Versorgung an den Bedürfnissen der Betroffenen vorbei entwickelt und zukünftig weder finanzierbar noch gesellschaftspolitisch weiterhin akzeptabel. Ähnlich argumentieren Vertreter eines alternativ-ökonomischen Konzepts, die einen sogenannten dual-wirtschaftlichen dritten Weg als Königsweg zwischen Markt-und Staatsversagen propagieren Selbsthilfe-gruppen und alternative ökonomische Projekte sind aus dieser Sicht Vorläufer und Wegbereiter einer selbstbestimmten besseren Wirtschafts-und Sozialordnung

Diese Einschätzungen sind im Lichte vorhandener geschichtlicher Erfahrungen, sozialwissen-

Vorabdruck aus dem im Frühjahr 1987 erscheinenden Sammelband der Schriftenreihe der Bundeszentralefürpolitische Bildung: „Neue soziale Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland". schaftlicher Theorien und Prognosen über zu erwartende sozialökonomische Entwicklungen kritisch zu beleuchten. Angesichts der Vielschichtigkeit des Themas und der Flut der Veröffentlichungen dazu können hier nur zentrale Aspekte thesenhaft pointiert werden.

These 1: Die zukünftige sozialökonomische Entwicklung befördert die neuen sozialen Bewegungen eher, als daß sie sie hemmt.

Optimismus ist wieder angesagt! Zu diesem Schluß muß man wohl gelangen, wenn man den Stimmungsumschwung sozialökonomischer Zukunftsszenarien Mitte der achtziger Jahre von liberalkonservativ bis gemäßigt links — die „notorischen“ Krisenprognosen der (Neo-) Marxisten als unvermeidlich einmal beiseite gelassen — betrachtet

Ähnlich wie die düsteren Voraussagungen der frühen achtziger Jahre handelt es sich um bedingte Prognosen, die immer unter dem Vorbehalt stehen, daß die politökonomische Weichenstellung den jeweiligen Vorstellungen des richtigen Weges folgt — sei es ein marktwirtschaftlicher, keynesianisch-sozialistischer oder auch dritter und alternativer. Damit ist die Wende zur positiven Weitsicht nicht so sehr auf neue Einsichten zurückzuführen, sondern auf Wahrnehmungsverschiebungen. Man arbeitet als „Sozialprophet“ jedoch meist mit Netz und. doppeltem Boden, was heißen soll, daß als Menetekel eine zweite negative Zukunft inszeniert wird, die eintritt, wenn den Empfehlungen und Warnungen nicht gefolgt werden sollte. Gemeinsam ist allen der Glaube an die Gestaltbarkeit der Zukunft zumindest in bestimmten nicht unerheblichen Bandbreiten Diese Vorgehensweise ist offensichtlich unbefriedigend. Auch die wahrscheinlichen politischen Antworten und Reaktio-nen auf sozialökonomische Entwicklungen sind in einer politökonomischen Prognose vorauszuschätzen, wie das hier skizzenhaft geschehen soll. 1. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden die Wachstumsraten des Bruttosozialprodukts weiter zurückgehen, eventuell wird exponentielles Wachstum der Nachkriegszeit sich als temporärer, besonderen Umständen der Nachkriegszeit (Wiederaufbau, Keynesianismus) geschuldeter, Wachstumssprint herausstellen, der nunmehr vorbei ist. In jedem Fall ist selbst bei der optimistischen Annahme ungesättigten Bedarfs im Bereich der Umwelt und einer forcierten staatlichen Politik qualitativen Wachstums eine weitere Öffnung der Schere zwischen Wachstumsraten der Arbeitsproduktivität und des industriellen Güteroutputs zu erwarten. Auch diejenigen, die den Aufschwung einer neuen langen Kondratieff-Welle, angetrieben durch die revolutionären Basisinnovationen (Mikroelektronik, Laser, Biotechnik u. a. m.), in den neunziger Jahren prognostizieren, erkennen zumeist, daß die Prozeß-die Produktinnovationen überkompensieren. Die Folge werden weitere Freisetzungseffekte auf dem industriellen Arbeitsmarkt sein.

2. Der Dienstleistungssektor wird nach aller Wahrscheinlichkeit nicht die „große Hoffnung des 20. Jahrhunderts“ von Jean Fourastie erfüllen können, nämlich Auffangbecken für die im industriellen Sektor freigesetzten Arbeitskräfte zu sein F. W. Scharpf hat die Gründe dafür in einem sehr lesenswerten Aufsatz zusammengetragen Die Ursachen können hier nur summarisch benannt werden: Kostenkrankheit vieler sozialer Dienste, Grenzen der Absorptionsfähigkeit des Informations-und Kommunikationssektors und nicht zuletzt offensichtliche Grenzen der Steuer-und Abgabenbelastung. Die Prognose einer Do-ityourself-Freizeitgesellschaft gewinnt damit immer mehr an Wahrscheinlichkeit

3. Für die Bundesrepublik bringt die Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahre 2000 nur eine begrenzte Entlastung des Arbeitsmarkts

Ließe man den Dingen freien Lauf, so wäre die Konsequenz fatal. Die seit Galbraith vielfach befürchtete neue Dualisierung der Gesellschaft in einen primären Kernbereich, der durch hohe

Konzentration, modernste Technologie und sichere, qualifizierte und hoch bezahlte Arbeitsplätze gekennzeichnet ist, sowie in einen sekundären oder Randbereich unsicherer Jobs, schlechter Bezahlung und Ausgrenzung in die Arbeitslosigkeit dürfte dann wie in den USA schon bald bei uns traurige Realität werden.

Was ist zu tun, um das zu vermeiden? Die marktwirtschaftliche Strategie sieht die Chance in mehr Flexibilität der Individuen und Institutionen. Die sozialdemokratisch-gewerkschaftliche Alternative ist die Arbeitszeitverkürzung. Wortführer der grünen und alternativen Szene der neuen sozialen Bewegungen sehen in den Selbsthilfegruppen und den alternativen ökonomischen Betrieben Vorläufer und Wegbereiter eines autonomen Sektors, der zunächst kompensatorisch Ausfälle des Industrie-systems absorbiert und es später ablösen soll.

Was wird davon wahrscheinlich politisch realisiert? Mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz von 1985 sind staatliche Bemühungen um eine erhöhte Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung in Gang gesetzt worden. Gleichzeitig gelang den Gewerkschaften der Einstieg in die 35-Stunden-Woche. Der Ausblick auf die neunziger Jahre orientiert sich an diesen aktuellen politökonomischen Erfahrungen. Ein Nebeneinander verschiedener Rezepturen wird aufgrund der Gestaltungsspielräume der Gruppen wahrscheinlicher sein als die Dominanz einer wirtschaftspolitischen Strategie. Zu erwarten ist, daß die Arbeitszeit über Tarifverträge kontinuierlich herabgesetzt werden kann. Demgegenüber werden sich Arbeitgeberinteressen eher bei der Flexibilisierung von Arbeitszeit-regelungen (Stichwort: Kapazitätsorientierte Arbeitszeit) durchsetzen. Steigende Freizeit bei Einschränkung der freien Verfügbarkeit dieser Zeit für die Arbeitnehmer wird das etwas paradoxe Resultat sein. Staatliche Wirtschaftspolitik wird allenfalls halbherzig auf keynesianisches demand-management zurückgreifen. Auch eine Technologie-und Strukturpolitik zur Förderung qualitativen Wachstums wird weniger massiv sein (können), als sich die Ausrufer eines „neuen Wohlstandes“ das denken

Es verbleibt somit ein hoher Sockel an Arbeitslosigkeit einschließlich der stillen Reserven, selbst wenn man den politischen Gegenmaßnahmen ei-nen gewissen Erfolg bei der Eindämmung der Freisetzungseffekte voraussagt.

Damit ändert sich relativ wenig an der arbeitsmarktpolitischen Ausgangslage. Der Trend zur wachsenden Freizeitgesellschaft (auch bei eingeschränkter Nutzungschance) dürfte mehr Selbsthilfeaktivitäten freisetzen, die unter Umständen auch im sozialen Bereich durch industrielle Vor-produkte oder Investitionsgüter immer produktiver werden könnten. Der Sanktionsdruck hoher Arbeitslosigkeit führt zwar einerseits zu Resignation und Apathie, wird andererseits jedoch bei vielen Betroffenen individuelle und kollektive Eigenhilfe erzwingen.

These 2: Die neuen sozialen Bewegungen erhalten ihren eigentlichen Antrieb aus einem sich selbst verstärkenden gesellschaftlichen Wertwandel.

Neben und im Zusammenhang mit den objektiven sozialökonomischen Bedingungen wird das menschliche Sozialverhalten von soziokulturellen Normen, die subjektive Werthaltungen, Einstellungs-und Motivationslagen und ihre Veränderung hervorbringen, geprägt.

Empirische Untersuchungen zeigen seit den sechziger Jahren einen deutlichen Wertwandel, der inzwischen weit über die jüngere Generation hinausgreiftl Traditionelle Lebensgrundsätze wie Pflichterfüllung oder Leistungsbereitschaft werden zunehmend abgelöst von sogenannten post-materiellen Werten wie Autonomie und Selbstverwirklichung, aber auch von durchaus materiellen Konsum-und Genußorientierungen. Man mag das, wie Noelle-Neumann, als Krise der Arbeitsund Leistungsgesellschaft werten, die dabei ist, ihre eigenen motivationalen Grundlagen zu zerstören oder, wie Strümpei, positiv als Chance für ökonomische und soziale Erneuerung -eine begrei fen in jedem Fall sind die neuen sozialen Bewegungen in diesem veränderten sozialkulturellen Klima entstanden, sie sind wesentlicher Ausdruck desselben.

Wie angedeutet, liegt in diesem Wertwandel eine gewisse Ambivalenz: Einerseits nimmt die post-materielle ideelle Wertorientierung zu Eigenverantwortung, Partizipation und Solidarität in kleinen Bezugsgruppen zu. Das ist sicher ein wesentlicher Antrieb der neuen sozialen Bewegungen. Andererseits wird eine zunehmende Betonung individueller hedonistischer Ziele konstatiert was angesichts der monströsen kommerziellen Anstrengungen, den eigennützigen homo oeconomicus und Wegwerf-Verbraucher heranzusozialisieren, kaum überraschen kann.

Die Ansichten über die zukünftige Entwicklung gehen auseinander. Klages, der einen gewissen Stillstand des Umorientierungsprozesses Ende der siebziger Jahre festzustellen glaubte, hält sowohl eine krisenhafte Zuspitzung als auch eine Wertsynthese, ein Miteinander von Pflicht-und Selbstentfaltungswerten, für möglich. Während etwa Noelle-Neumann und v. Reccum die individuelle Genuß-und Konsumorientierung zum Ansatzpunkt ihrer Vorwärtsverteidigung traditioneller Werte erwählen, ist das für Strümpei eher ein Oberflächenphänomen, dessen Bedeutung überschätzt wird.

Für die Absatzerfordernisse einer hochproduktiven, auf maximale Intensivierung der Arbeit ausgelegten Industrie ist die zunehmende Konsum-orientierung funktional. Sinnentleerung der Arbeit und massive Werbung können die Freizeit-und Konsumorientierung als eine den Systemrationalitäten entsprechende Reaktion erklären. Exzessiver Konsum und übersteigertes Anspruchs-denken — individuell wie kollektiv — stellen, so läßt sich nicht ohne Grund hoffen, nur ein Übergangsphänomen dar. Der eigentliche Wertwandlungsprozeß dringt viel tiefer, ist nur als Wert-umsturz zu begreifen, der die soziokulturellen und sozialökonomischen Grundlagen berührt. Die neuen sozialen Bewegungen sind daher unserer Einschätzung nach keine Welle, auf die wieder ein Tal folgt sondern Ausdruck eines sich ausbreitenden veränderten Bewußtseins These 3: Die Selbsthilfe als neue soziale Bewegung ist von den verschiedenen Formen der Laienhilfe und der traditionellen Selbsthilfe der Primärgruppen (Familie, Nachbarschaft) zu unterscheiden. „Selbsthilfegruppen können als spontane Zusammenschlüsse von Personen verstanden werden, die in aller Regel gleichermaßen von einem bestimmten, punktuellen sozialen Problem oder einer Bedarfslage betroffen sind und sich gegenseitig unentgeltlich und ohne besondere Qualifikationen helfen. Gründung und personelle Besetzung erfolgen im Unterschied zu den traditionellen Netzwerken durch freien Entschluß. Das Engagement richtet sich nach innen, auf einen spezifischen Personenkreis und auf eine spezifische Hilfeleistung, die zeitliche Beanspruchung ist abzusehen und kann mit der Erwerbstätigkeit im Prinzip vereinbart werden; ein Verlassen der Gruppe ist jederzeit möglich.“

In diesem freiheitlich-demokratischen Element sehen Wortführer der Bewegung den entscheidenden Fortschritt gegenüber den autoritären, auf informellen (ansozialisiertes Pflichtgefühl) und formalen Zwängen (gesetzliche Unterhaltspflichten nach BGB und Sozialhilfegesetz) beruhenden Selbsthilfeabkommen der Primärgruppe Familie. Diese Kritik überzeichnet stark. Die in den letzten Jahrzehnten ständig gewachsene Betreuungs-und Pflegeleistung in den Familien ist ohne die innere Bereitschaft und bewußte Entscheidung der Mehrzahl der besonders betroffenen Frauen der mittleren Generation nicht zu erklären. Dieses Potential bleibt auch in. Zukunft unersetzlich. Die Familie wird — wenn Überlastungen vermieden werden — gerade wegen der starken emotionalen und sozialen Bindung der Kernbereich der solidarischen Selbsthilfe unserer Gesellschaft bleiben.

Überlastungserscheinungen zeigen sich schon seit längerer Zeit und werden sich bei einer wahrscheinlich — zunehmenden Verschlechterung der Alters-struktur, — abnehmenden Haushaltsgröße, — zunehmenden Erwerbsorientierung der Frauen und — sinkenden Ehehäufigkeit weiter verschärfen, selbst wenn erhebliche Arbeitszeitverkürzungen und eine steigende Mithilfe der „neuen“ Männer vorausgesetzt werden könnten Ob eine Ausweitung des öffentlich finanzierten sozialen Dienstleistungsangebots (u. a. ambulante Pflegedienste) ein gangbarer Weg ist, oder eher die neue Selbsthilfebewegung Lücken schließen könnte, ist im folgenden zu diskutieren. Auch die organisierte Laienhilfe steht hier zur Diskussion. Soziale Problemlagen bildeten schon immer eine Herausforderung für ehrenamtliche Hilfe von Laien, die insbesondere in den großen Wohlfahrtsverbänden, aber auch in kleinen nachbarschaftlichen Netzwerken praktiziert wird. Ob sich hier wirklich eine „neue Solidarität“ herausbildet, die das bisherige in den Schatten stellt, ist angesichts der kaum zu überschätzenden Bedeutung der freiwilligen Laienhilfe schon in der Vergangenheit umstritten Daneben existiert ein Bereich mehr oder minder erzwungener Fremd-hilfe durch Laien, wie der Ersatzdienst wehrdienstverweigernder junger Männer oder die unentgeltliche Hilfe von Mädchen in Krankenhäusern und anderswo, die sich so Anwartschaften auf Lehrstellen sichern.

Nicht nur diese gesellschaftspolitisch bedenklichen Formen erzwungener Laienhilfe und die konservativen und alternativen Modelle einer gemeinnützigen Sozialverpflichtung von Arbeitslosen, Mädchen und Sozialhilfeempfängern sondern auch die Versuche, positive Anreize für Laienhilfe zu setzen verweisen offensichtlich auf Probleme bei der Bereitstellung professioneller sozialer Dienste.

These 4: Die Selbsthilfebewegung ist zum Zank-apfel der unterschiedlichen sozial-und gesellschaftspolitischen Interessen geworden.

Mit der Zunahme der Selbsthilfegruppen im sozialen und gesundheitlichen Bereich wuchs auch die kritische Aufmerksamkeit weltanschaulicher und politischer Gruppen ihnen gegenüber. Für die Alternativen der ersten Stunde und Fundamental-kritiker des industriellen Megasystems „tendiert auch das wohlfahrtsstaatliche Leistungssystem dazu, die Menschen passiver und in immer größerem Umfang von Fremdleistungen abhängig zu machen und somit ihre Fähigkeit zu selbstorganisierter Problemlösung zurückzudrängen“ Aus dieser Sicht ist Selbsthilfe und eigenorganisierte Arbeit die Alternative und keineswegs nur eine Ergänzung zum Sozialstaat. Das Unbehagen über zunehmende Verrechtlichungs-, Bürokratisierungs-und Ökonomisierungstendenzen einer etatistischen Sozialpolitik hat sehr weite Kreise gezogen. Liberale, Neokonservative, Vertreter der christlichen Soziallehre und einige Stimmen des freiheitlichen Sozialismus machten sich diese Argumentationsfiguren zu eigen, um dann allerdings zu recht unterschiedlichen Reformvorstellungen zu gelangen. Die Renaissance des Subsidiaritätsprinzips in seinen verschiedenen Interpretationen kennzeichnet die Diskussion in den neokonservativen und christlich-sozialen Gruppierungen. Die Senkung der Abgabenlast der Bürger, der Abbau des Pflichtprinzips in der Sozialversicherung und die Privatisierung sozialer Dienste wird von liberaler Seite mit dem Vertrauen in die individuelle Selbsthilfefähigkeit der Bürger verfochten. Diesen unterschiedlichen sozialpolitischen Zielvorstellungen und Leitbildern soll die Selbsthilfe-bewegung möglichst funktional eingepaßt und entsprechend zurechtgestutzt werden. Subventionen und Steuererleichterungen bilden den „goldenen Zügel“ einer staatlichen Neuregulation sozialer Leistungen. Kostensenkung ist dabei in der Praxis die alle anderen Ziele dominierende Devise. Selbsthilfe und organisierte Laienhilfe gelten dann als förderungswürdig, wenn damit Personal-und Sachkosten an anderer Stelle eingespart werden können. Die hehre Leitbilddiskussion hat dann nur noch Alibifunktion.

Hier setzt natürlich fundamental gewerkschaftliche Kritik ein, die auch die pauschale Diffamierung des sozialen Sicherungssystems durch die Selbsthilfefundamentalisten entschieden zurückweist: Der Sozialstaat heutiger Prägung wird als gesellschaftliche Errungenschaft begriffen, die nicht zuletzt von den Arbeitnehmern in harten Auseinandersetzungen erkämpft werden mußte und nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen ist Verrechtlichung des Systems bedeutet aus dieser Sicht vornehmlich eine Garantie und die individuelle Einklagbarkeit sozialer Ansprüche; Ökonomisierung heißt ein wirtschaftlicher Umgang mit knappen Mitteln; Professionalisierung bedeutet die Verfügbarkeit von Expertenwissen und bedarfsorientierte Betreuung durch soziale Dienste.

Die ursprünglich harsche Kritik der Gewerkschaftsbewegung an der Selbsthilfebewegung als einer bürgerlich-akademischen Mittelschichtveranstaltung legte deren Schwachstellen offen. Die viel gepriesenen Vorzüge der Spontaneität, der Freiwilligkeit und des informellen Charakters der Gruppen seien zugleich auch deren sozialpolitische „Achillesferse“: Unverbindlichkeit der Mitarbeit, geringe Verläßlichkeit, unbestimmte Dauerhaftigkeit und wechselnde Qualität. Der Schluß ist fürjeden, der die unverzichtbaren Anforderungen an ein soziales Versorgungsnetz mit den Möglichkeiten der Selbsthilfebewegung nüchtern vergleicht, zwingend. Eine Alternative zum Sozialstaat ist das für niemanden, auch nicht für die Alternativen selbst in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse. Die Möglichkeit, Selbsthilfeaktivitäten in Krisenzeiten staatlicherseits zu fördern, um massiven Abbau sozialer Leistungen zu kaschieren, hat die Bewegung in den Augen vieler Gewerkschafter vollends diskreditiert.

Die Überreaktion ist zwar verständlich, sie kann aber nicht das letzte Wort sein, will man nicht eine substantielle Chance zur Reform des sozialpolitischen Systems leichtfertig ausschlagen. In dieser Einschätzung berühren sich heute die Ansichten gemäßigter Vertreter der Selbsthilfebewegung, des freiheitlichen Sozialismus und im wissenschaftlichen Bereich von Protagonisten eines sozialwissenschaftlichen Paradigmas der Sozialpolitik

These 5: Selbsthilfegruppen sind eine notwendige und unverzichtbare Ergänzung zu den sozialen und gesundheitlichen Diensten des Systems sozialer Sicherheit, die zunehmend auf Finanzierungsschwierigkeiten stoßen.

Schon heute kann auf die Leistungen der Selbsthilfegruppen kaum verzichtet werden. In Zukunft dürfte sich diese Abhängigkeit des Systems von Vor-und begleitenden Leistungen durch die Betroffenen selbst verstärken. Dafür sprechen folgende Überlegungen: Soziale Dienstleistungen von professionellen Fachkräften unterliegen der Dynamik tertiären Kostendrucks. Das von William Baumöl herausgearbeitete Theorem der Kostenkrankheit personaler Dienste ist in seiner Bedeutung noch zu wenig erkannt Unterproportionales Produktivitätswachstum bei den perso-nengebundenen Dienstleistungen (Ärzte, Sozialarbeiter, Pflegepersonal) führt in die Kosten-klemme, wenn die Honorare oder Gehälter in diesem Bereich dem hohen Produktivitäts-und Lohnwachstum im industriellen Sektor folgen. Selbst wenn man die These eines wachsenden sozialpolitischen Kompensationsbedarfs für den zunehmenden Verschleiß menschlicher Arbeitskraft durch eine fortschreitende Intensivierung des Produktionsprozesses nur bedingt akzeptieren will, wird ein Mehrbedarf an sozialen Diensten schon allein aufgrund der steigenden Altersquote und abnehmender Pflegekapazität der Familien unabweisbar. Doch wie soll das finanziert werden? Der Mehrbedarf und die überproportional steigenden Kosten lassen bei der heute üblichen Finanzierung über Pflichtbeiträge die Sozialleistungsquote immer stärker steigen und zu einer Soziallast werden, deren politische Durchsetzbarkeit immer kritischer wird. Selbst Schweden, dessen Beispiel hier oft als vorbildlich hingestellt wird, dürfte inzwischen — wenn auch auf höherem Niveau — an der Grenze der Zumutbarkeit der Abgabenlast angekommen sein. Schweden gelang es in den siebziger Jahren, durch eine massive Ausweitung der öffentlich finanzierten und öffentlich erbrachten sozialen Dienstleistungen den drohenden Beschäftigungseinbruch in Folge der ersten Erdölpreiskrise zu überwinden. Ein zweites Mal steht diese Strategie nicht mehr zur Verfügung, wie der Verlauf der zweiten Erdölkrise zeigte, der Schweden vor allem durch eine klassische „beggar my neighbour-Strategie“ der massiven Kronenabwertung begegnete

Nun sind die für den Staat bzw. das System sozialer Sicherheit bald immer unerschwinglicher werdenden sozialen Dienste mangels Profitabilität nur zum geringen Teil (re-) privatisierbar. Das Dilemma eines gleichzeitigen Staatsversagens und Marktversagens ist perfekt. Oder beweist das „Alternativmodell“ zu Schweden — die USA mit einer massiven Ausweitung des privat finanzierten Dienstleistungssektors —, daß es doch über den Markt geht? Wie Scharpf nachweist, war das nur möglich durch Niedrigstlöhne im Dienstleistungssektor und auf der Basis hoher Einkommensunterschiede zwischen Profit-und Lohnempfängern, aber auch zwischen den Arbeitnehmern selbst

Der uns interessierende Teil des Dienstleistungssektors war zudem kaum tangiert, da es sich hier um qualifizierte Tätigkeiten handelt, die auch in den USA zu Billigsttarifen nicht zu haben sind.

Will man zudem den Zugriff auf notwendige soziale und gesundheitliche Dienste, wie es der sozialstaatlichen Tradition der Bundesrepublik entspricht, vom Bedarf und nicht von der Höhe des Einkommens abhängig machen, so stellt das „Modell USA“ sicher keine akzeptable Lösung dar.

These 6: Selbsthilfegruppen sind eine sinnvolle Ergänzung zu den professionellen sozialen Diensten, die ohne Mitwirkung der Betreuten drohen, kontraproduktiv zu werden.

Die Selbsthilfebewegung ist zum einen eine Antwort der Betroffenen auf Defizite im sozialen und gesundheitlichen Versorgungsbereich und zum anderen der Versuch, Gegenmacht zu autoritären Herrschafts-und Kontrollansprüchen professioneller Experten auszuüben

Defizite sind im gesundheitlichen Bereich vor allem die mangelnde Kompetenz der naturwissenschaftlich orientierten Medizin in arbeits-und sozialmedizinischen Fragen und die fehlende präventive Konzeption gegenüber den heute im Krankheitsspektrum dominierenden chronischen Krankheitsbildern

Als ein Kernproblem der Prävention und Therapie gesellschaftlich bedingter Krankheiten und gesundheitlichen Risikoverhaltens erweist sich die Notwendigkeit aktiver Mitarbeit der Betroffenen. Wie anders als durch Hilfe zur Selbsthilfe von Seiten der Experten und solidarische Gruppen-selbsthilfe der Kranken untereinander lassen sich die Selbstheilungskräfte und der Wille zur Verhaltensveränderung animieren? Selbsthilfegruppen sind aber auch potentielle Gegenmacht im Sinne der Galbraithschen countervailing-power-These. In ihnen artikulieren sich erstmals soziale Bedürfnisse der Betroffenen, die auf das System einwirken, Problemverdrängung und Fehlleistungen des traditionellen Medizinbetriebs offenlegen und auf Veränderungen drängen können.

Die praktizierte Form der Kontrolle der Experten und professionellen Anbieter etwa durch die Selbstverwaltung der Krankenkassen, die Wohlfahrtsverbände und die kommunale Sozialpolitik bleibt weitgehend formal, ebenfalls bürokratischen Regeln unterworfen und ist wenig effizient. Sie genügt nicht, wie leidvolle Erfahrungen mit der bürokratisch-herrschaftlichen „Entartung“ von unkontrolliertem Fachverstand zeigen, der zur Bevormundung oder Disziplinierung der Klienten oder auch zur „Selbstbedienung“ genutzt werden kann. Ein wirksames Kontrollsystem, das nicht nur umgekehrte Abhängigkeiten schafft, muß wiederum die Betroffenen miteinbeziehen. Die Organisierung der Betroffenen zu Selbsthilfegruppen reicht allein allerdings nicht aus, wenn Durchsetzungskraft und Konfliktfähigkeit gegenüber Experten und Anbietern fehlt.

These 7: Die partielle Integration der Selbsthilfe-bewegung bietet eine Chance für die längst überfällige Strukturreform des kommunalen sozialen und gesundheitlichen Versorgungssystems.

Auch wenn die kollektive Selbsthilfe in Zukunft eine unverzichtbare und sinnvolle Ergänzung zum professionellen kommunalen Versorgungsangebot sein mag, so ist eine erfolgreiche Implementation keineswegs sicher. Selbst wenn die objektiven (vermehrte arbeitsfreie Zeit) und subjektiven (Wertwandel hin zu Selbstverantwortung und solidarischem Verhalten) Bedingungen für die weitere Entwicklung der Bewegung sich in einem günstigen kultur-und beschäftigungspolitischen Rahmen entfalten könnten, sind sozialpolitische Reformen notwendig. Die zentralen Ziele einer bürgernahen regionalen Strukturreform der gesundheitlichen und sozialen Dienste sind:

1.der Auf-und Ausbau eines integrierten Versorgungsnetzes mit Priorität ambulanter Versorgung, 2. die Partizipation der Bürger und Betroffenen, 3. die Kooperation zwischen Experten und Klienten und 4. Hilfe zur Selbsthilfe.

Demgegenüber ist die typische kommunale Versorgungssituation heute von Trägervielfalt, einem Nebeneinander statt Kooperation, Versorgungslücken im ambulanten Bereich (u. a. psychosoziale Dienste) und mangelhafter Vernetzung gekennzeichnet. Diese Defizite werden teuer bezahlt. Mangelnde Prävention und Früherkennung sowie zu langes Verweilen der Patienten in kostenintensiven stationären Einrichtungen treiben die Ausgaben in die Höhe. Reformkonzeptionen wie der Ausbau integrierter Sozialstationen oder gesundheitlich-sozialer Gemeindezentren, die ambulante und teilstationäre Dienste, Beratung, Rehabilitation, Aufklärung und psycho-soziale Therapieangebote bereithalten, setzen hier an. Der Ausbau und die Vernetzung des regionalen Versorgungsangebots schafft einerseits zwar neue personal-und damit kostenintensive Dienste, verringert jedoch die Folgekosten erheblich, so daß Einsparungen bei den stationären Diensten und anderen Trägern zu Buche schlagen. Allerdings gilt das nur dann, wenn die Betroffenen zur aktiven Teilnahme bewegt werden können. Die kommunalen Dienste und Einrichtungen selbst müssen daher zu Kristallisationspunkten für Selbsthilfegruppen werden.

So entstand die Selbsthilfebewegung zum einen zwar als autonome soziale Kraft, zum anderen jedoch schon früh aufgrund der Hilfestellung durch Fachleute (Sozialarbeiter, Ärzte, Psychotherapeuten). Diese positiven Erfahrungen gilt es auszuweiten und den Prozeß der Diffusion der Erkenntnisse zu beschleunigen. Schon in der Ausbildung zum Arzt oder Sozialarbeiter gilt es, Ängste und Vorbehalte abzubauen und die Notwendigkeit der Initiierung von und der Kooperation mit kollektiver Selbsthilfe zu vermitteln

Selbsthilfe kann zudem über Vorleistungen der Kostenträger (Krankenkassen, Arbeitsamt, Sozialamt), die Sachmittel und Grundausstattung (vor-) finanzieren, unterstützt werden, wie immer mehr Beispiele aus der Praxis zeigen. Eine wesentliche Weiterentwicklung über den bisherigen Umfang und die schichtenspezifische Begrenzung hinaus ist jedoch nur dann zu erwarten, wenn die Selbsthilfebewegung im kommunalen Bereich in die sozialpolitische Verantwortung und Entscheidungsfindung miteinbezogen wird. Dazu sind Vorschläge zur Diskussion gestellt worden, die zumeist auf dem Auerbachschen Sozialgemeinde-Modell aufbauen

Die Sozialgemeinde besteht aus Delegierten der Selbstverwaltungsorgane aller Sozialversicherungsträger auf örtlicher Ebene und bietet damit eine korporatistische Lösung der regionalen Kooperations-und Koordinationsprobleme. Bezieht man Vertreter aus dem aktiven Kreis der regionalen Selbsthilfe-und Risikogruppen in die Selbstverwaltung mit ein, so knüpft man an die verschüttete genossenschaftliche und damit Selbsthilfetradition der frühen Krankenkassen an. Die verbandlich dominierte, zum Teil rituell erstarrte Selbstverwaltung erhielte neue basisdemokratische Impulse. Für die Selbsthilfegruppen wiederum eröffnen sich Initiativ-und Partizipationsrechte an der kommunalen Planung im sozialen und gesundheitlichen Bereich. Die Kritik der Alternativen an einer derartigen Vereinnahmungsstrategie verweist auf das Ziel einer engagierten Selbsthilfe gegen das System, neue Formen und Qualitäten gegenseitiger Hilfe zu proben. Die Funktionalisierung zu einer systemkonformen Lückenbüßerrolle sei vorgezeichnet Dieses Risiko ist auch durch die Mitbestimmung in der Sozialgemeinde nicht gänzlich aufgehoben, sollte jedoch durch die Chance, eigene Reformvorstellungen durchzusetzen, in Kauf zu nehmen sein

Aus dieser Position lassen sich zudem Kontrollund Sanktionsmöglichkeiten den professionellen Anbietern und Experten gegenüber entwickeln, deren Kooperationsbereitschaft sich deutlich heben ließe. Damit wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung einer bedarfsgerechten Versorgung getan. Verbesserte Transparenz, Rückkoppelung und gemeinsame Diskussion der Ergebnisse medizinischer und sozialer Therapien ließen auch die sattsam bekannten, aber reformresistenten Auswüchse des heutigen Medizinbetriebs wie Übermedikation, Medikamenteninßation oder Drehtürpsychiatrie, um nur einige Schlagworte zu nennen, nicht verschont. Das ersetzt zwar keine Strukturreform, wie Bäcker und andere gewerkschaftlich orientierte Sozialpolitiker sie fordern ist vielmehr ein wesentlicher erster Schritt dazu, der andere erleichtert. Die vielen gescheiterten Versuche einer Reform von oben zeigen die Notwendigkeit einer Gegenmachtbildung vor Ort. Erst mit diesem Rückhalt an der Basis der Versicherten lassen sich strukturelle Veränderungen des Honorierungssystems oder die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung gegen die Interessen der organisierten Anbieterverbände durchsetzen.

Wie läßt sich die im Prinzip berechtigte Skepsis der Gewerkschaftsbewegung gegenüber der geringen Verbreitung, Verläßlichkeit, Dauerhaftigkeit und Verbindlichkeit kollektiver Selbsthilfe begegnen? Eine Garantie der weiteren Ausbreitung und der Überlebenskraft dieser sozialen Bewegung läßt sich heute nicht abgeben. Mit einer geschätzten Zahl von 10000 bis 20000 Gruppen ist die derzeitige Bedeutung noch gering anzusetzen. Von daher ist die sozialstaatliche Letztverantwortung und das durch sie garantierte professionelle Leistungsangebot unverzichtbar. Das Potential der Selbsthilfe, zu einer breiten Bewegung zu werden, ist vorhanden. Eine stärker in die sozialpolitische Mitverantwortung gestellte Selbsthilfe könnte die „kritische Masse“ erreichen helfen, nach der die Bewegung zu einem Selbstläufer wird, überall örtlich präsent sein kann, schichten-spezifische Selektion abstreift und auch genügend personelle Regenerationskraft besitzt, um die zu Recht eingeforderte Permanenz und Verläßlichkeit zu garantieren.

These 8: Nicht die Selbsthilfebewegung ist verantwortlich für die relativ geringe Arbeitsplatz-zunahme im Bereich sozialer und gesundheitlicher Dienste.

Mit der Einführung und dem Ausbau des Systems sozialer Sicherheit in den letzten hundert Jahren ging immer auch ein begrenzter Anstieg an sozialen Diensten einher. Die Zuwachsraten bei den monetären (Einkommens-) Transferleistungen lagen jedoch durchweg höher. Erst in den späten sechziger Jahren ließ sich eine eigentlich expansive Entwicklung beobachten. Dies war zum einen auf einen sozialpolitischen Paradigmawechsel zurückzuführen, durch den die ökonomistische Verengung der wissenschaftlichen Sozialpolitik aufgebrochen und ein auch an immateriellen Werten orientiertes Lebenslage-(Lebensqualitäts-) konzept in der Tradition Gerhard Weissers fortentwickelt wurde. Zum anderen, jedoch eng damit verbunden, hatten sich neue „Helfer“ -Berufsgruppen (Sozialarbeiter, Psychologen, Sozialwissenschaftler) konstituiert, die auf eine Erschließung von Berufsfeldern drängten. Die praktische (Sozial-) Politik nahm diese Anregungen auf. Soziale Problemfelder sollten über ein umfangreiches Sozialindikatorensystem (SPES-Projekt) erkannt, immaterielle Lebenslagedefizite über adäquate Handlungsansätze beseitigt werden. Dazu zählten das Programm zur Humanisierung der Arbeit, aber auch der Ausbau sozialer Dienste, die Lebenslageschwächen von Problemgruppen kompensieren oder mildem sollten.

Die weitere kostenträchtige Entwicklung und ihre strukturellen Ursachen sind unter der These 5 skizziert worden. Dabei dürfte deutlich geworden sein, daß eine unbegrenzte weitere Expansion der sozialen und gesundheitlichen Dienste weder finanzierbar ist, noch den Bedürfnissen der Betroffenen entspricht. Die bisherige arbeitsmarkt-und sozialpolitische Position der Gewerkschaften in dieser Frage muß daher von ihnen überprüft werden, will man zu einer realistischen und zukunftsweisenden Konzeption gelangen.

Nicht die Selbsthilfebewegung ist für die rückläufigen Beschäftigungschancen — genauer: für das nur noch relativ geringe mögliche Arbeitsplatz-wachstum — im sozialen Dienstleistungsbereich, geschweige denn für den Sozialabbau verantwortlich. Die versteckte Schuldzuweisung, daß der staatliche Rückgriff auf ihre Fach-und Laienhilfekapazitäten die Reprivatisierung und Leistungseinschränkung erst ermöglicht, verwischt die Verantwortlichkeiten und verkennt, daß hier zum Teil ökonomische Notlagen der Selbsthilfegruppen, vor allem aber derjenigen alternativen ökonomischen Betriebe, deren Aktivitäten im sozialen Dienstleistungsbereich liegen, ausgenutzt werden.

Wie die bisherigen Überlegungen gezeigt haben, gibt es gute Gründe, anzunehmen, daß gerade die Selbsthilfebewegung im gesundheitlichen und sozialen Bereich Produktivitätsreserven erschließt, wenn ihre Einbindung in ein kommunales Selbstverwaltungs-und Versorgungssystem nach Art der Sozialgemeinde gelingt. Die so eintretende Entlastung muß zum Ausbau professioneller Dienste vor allem im ambulanten Bereich genutzt werden, die ihrerseits solidarische Selbsthilfe initiieren und fachlich begleiten. Dieser positive arbeitsmarktpolitische Effekt kann sicher nicht als wesentlicher Beitrag zur Lösung der drängenden Beschäftigungsprobleme verstanden werden, zumal damit Freisetzungseffekte im industriellen Komplex des Gesundheitswesens einhergehen werden Die Massenarbeitslosigkeit ist mit anderen Mitteln zu bekämpfen. Der Trend zur Selbsthilfe-und Do-it-yourself-Freizeitgesellschaft, wie ihn Gershuny prognostiziert, mit einer begleitenden Infrastruktur an (offiziellen und schattenwirtschaftlichen) professionellen Diensten, bietet da wenig hoffnungsvolle Ansätze.

Alternative ökonomische Betriebe

Auch bei der Diskussion der arbeitsmarkt-und sozialpolitischen Problematik der alternativen ökonomischen Betriebe müssen wir uns mit wenigen Thesen zu den wichtigsten Aspekten begnügen. These 9: Die alternativen ökonomischen Betriebe treten — beschäftigungspolitisch gesehen — nur „Trampelpfade durch das Dickicht der Arbeitslosigkeit“.

Die Überwindung der Resignation in der Krise, die Stärkung unternehmerischer Innovations-und Risikobereitschaft, schafft nach der Theorie langer Wellen die Voraussetzung für einen säkularen Aufschwung. Die erfolgreichen „neuen Selbständigen“ seien sie gewinnorientiert oder alternativ, werden mit dem politökonomischen System versöhnt. Was ist mit den weniger Erfolgreichen?

Entgegen allen optimistischen Beschwörungen gibt es nicht genügend neue Nischen, die von den Großunternehmen gelassen werden und ein auskömmliches Einkommen für alternative ökonomische Betriebe sichern Die vorhandenen Plätze sind vom traditionellen Mittelstand besetzt; ob eine Wettbewerbsintensivierung hier die Innovationsbereitschaft fördert, sei dahingestellt. Die Innovationschancen für kleine und mittlere Betriebe werden davon nicht vermehrt und auch heute schon gut genutzt, Niederkonkurrierung durch erzwungene Selbstausbeutung ist kein neues Phänomen, führt nicht zu zusätzlichen selbständigen Existenzen und eher zu einer Abnahme von Arbeitsplätzen.

Die Mehrzahl der alternativen ökonomischen Betriebe ist heute im sozialen Dienstleistungsbereich angesiedelt Das ist zwar ein Ausdruck der mangelhaften Versorgungslage, aber nach der bisherigen Analyse offensichtlich kein Feld kosten-deckender oder gar gewinnbringender Betätigung. Tatsächlich findet man ein sehr breites Spektrum an Finanzierungsformen. Dabei dominieren direkte Subventionen durch kommunale Haushalte (bekanntester Vorreiter war der Sozial-senat Berlin) und indirekte Subvention über das System sozialer Sicherung (Projektmitarbeiter er-halten z. B. Sozialhilfe, ABM oder Arbeitslosenunterstützung), während Spenden oder Mitgliedsbeiträge (Beispiel: Netzwerk Selbsthilfe) sowie Verkaufserlöse — da die Leistungen oft unentgeltlich oder gegen geringe Gebühren abgegeben werden (müssen) — nur von zweitrangiger Bedeutung sind.

Im Gegensatz zu den relativ optimistischen Einschätzungen der EG, der OECD sowie von Bund und Länderregierungen, die allesamt Mitte der achtziger Jahre die regionalen Beschäftigungsinitiativen „entdeckt“ haben und Beratungen und finanzielle Mittel als Starthilfe anbieten, werden die Initiativen im sozialen Dienstleistungsbereich immer auf öffentliche Subventionen angewiesen bleiben Es sei denn, daß die Privatisierung sozialer Dienstleistungen mit ihren fatalen verteilungspolitischen Konsequenzen wirklich vorangetrieben werden sollte. Aber auch dann wird es per Saldo einen negativen Beschäftigungseffekt geben, da größere Einsparungen bei anderen Einrichtungen das eigentliche Ziel dieser allokativen Neudisponierung sein dürften. Daß zudem Selbst-ausbeutung in Form dürftiger Ausstattung oder untertariflicher Bezahlung ein vom öffentlichen Geldgeber eingeplanter Regelfall werden kann, um so Kosten einzusparen, ist ebenfalls eine von den Gewerkschaften befürchtete Tendenz

Treten die lokalen Beschäftigungsinitiativen als subventionierte Konkurrenz gegen Klein-und Mittelbetriebe an, so sind Verdrängungsprozesse, Arbeitsplatzabbau und Arbeitsintensivierung wahrscheinlich. Der Weg in die unbesetzten Nischen, die innovativ erschlossen werden sollen, ist also beschäftigungspolitisch nur als „Trampelpfad“ einzuschätzen, wie Meißner und Zinn zu Recht befinden

These 10: Alternative ökonomische Betriebe sind nach allen Erfahrungen in einer Marktwirtschaft Transformationsgesetzlichkeiten hin zu erwerbswirtschaftlich-gewinnorientiertem Handeln ausgesetzt.

Unabhängig von der Rechtsform der alternativen Betriebe — seien es private Vereine, eingetragene Genossenschaften, GmbHs oder Gesellschaften in kommunaler Trägerschaft — sind die Gründer und Mitglieder in der ersten Phase eher bedarfs-wirtschaftlich und zum Teil auch gemeinwirt-schaftlich orientiert Dies auf den gesamtgesellschaftlichen Wertwandel zurückzuführen, ist sicher nicht ganz korrekt. Die Gründung von bedarfswirtschaftlich orientierten Betrieben — Genossenschaften im sozialökonomischen Sinne — hat faktisch immer stattgefunden, nur fehlte es an der öffentlichen Aufmerksamkeit. Allerdings läßt sich im Zuge der verschärften Probleme auf dem Arbeitsmarkt eine neue „Welle“ von Neugründungen und eine entsprechende Reaktion der Medien darauf registrieren. Untersuchungen der OECD, die zu dem Vorschlag eines Aktionsprogramms für lokale Beschäftigungsinitiativen geführt haben zeigen, daß eine zunehmende Zahl der Neugründungen in der Krise schon von vornherein primär erwerbswirtschaftlich motiviert ist. Damit zählt so mancher der „neuen“ Selbständigen eigentlich zum „alten“ Mittelstand.

Wie Oppenheimer schon 1896 für die Produktivgenossenschaften diagnostizierte, waren die meisten von ihnen zum Scheitern verurteilt, und die wenigen Ausnahmen überlebten nur durch massive Anpassung an die erwerbswirtschaftlich disponierende Konkurrenz. Diese leidvolle Erfahrung des Wertwandels — der Konvergenz zu marktwirtschaftlich-gewinnorientiertem Handeln — durchzieht die Geschichte der Gemeinwirtschaft bis heute. Das gemeinwirtschaftliche Paradox — je erfolgreicher ein Unternehmer auf dem Markt agiert, um so eher droht der Verlust gemeinwirtschaftlicher Orientierung — werden trotz des gesellschaftlichen Wertwandels auch viele der neuen alternativen ökonomischen Betriebe erfahren

These 11: Mangelhafte ökonomische und soziale Sicherung kennzeichnet die Lebenslage vieler Mitarbeiter alternativer Betriebe und Projekte.

Was längst anhand von Einzelfallstudien vermutet wurde, ist durch eine empirische Untersuchung nunmehr bestätigt worden In alternativen Pro-jekten kumulieren sich sozialökonomische und -politische Probleme. Niedriger Lohnsatz, geringe wöchentliche Arbeitszeit und unstetige Beschäftigung führen aufgrund der Konstruktionsmerkmale des Systems sozialer Sicherheit zu erheblichen Deckungslücken und geringen Anwartschaften bei der Alters-und Invalidenversicherung (Gesetzliche Rentenversicherung). In der stärker bedarfsorientierten Gesetzlichen Krankenversicherung, die einen breiteren Personenkreis pflichtversichert, treten demgegenüber nur partiell Versorgungslücken auf Will man der Gefahr begegnen, daß es unter dem Druck der Massenarbeitslosigkeit zu einer Ausbreitung solcher Lebenslagen kommt, sind sozial-und arbeitsmarktpolitische Innovationen notwendig. Zu denken wäre dabei an eine Staatsbürgermindest-oder Grundrente, Erweiterung der Pflichtmitgliedschaft und die Einbeziehung der ebenfalls ungenügend abgesicherten alternativen Selbständigen analog den Landwirten und Handwerkern. Auf arbeitsmarktpolitischem Gebiet wären Erweiterungen arbeits-und sozialrechtlicher Mindeststandards und ihre Kontrolle denkbar.

Für diejenigen, die die Mitarbeit in alternativen Projekten nur als Übergangs-, Such-oder Exper imentierphase junger Menschen ansehen oder garhier ihre Bestätigung finden, daß das Lohn-und soziale Sicherungsniveau zu hoch sei und bei entsprechender Sanktionierung durchaus Anspruchsreduktionen durchzusetzen seien, sieht der sozialpolitische Handlungsbedarf natürlich ganz anders aus. Eine weitere Flexibilisierung und Herabsetzung tarif-und arbeitsrechtlicher Standards ist dann angezeigt. Der Trend geht vorerst in diese Richtung.

Fazit Eine harmonische Dualisierung der Wirtschaft in traditionelle und alternative Ökonomie wird die zukünftige Entwicklung sicherlich nicht ergeben. Dualisierung wird es geben, aber in einer anderen Form etwa als weitere Ausgrenzung einer neuen postindustriellen Reservearmee. Vorzuziehen wäre wohl ein Nebeneinander von offizieller Ökonomie, in der die knappe Arbeit auf alle verteilt wird, die Arbeit suchen, und dem Bereich der Eigenarbeit und Selbsthilfe, die vor allem auch den kostenintensiven Bereich sozialer Dienste entlastet. Neben totaler Gesellschaftskritik und utopischen Entwürfen ist hier eine gesellschaftliche Zukunftsvision aus der neuen sozialen Bewegung hervorgegangen, die inzwischen weit über sie hinauswirkt und Hoffnungen weckt — auch wenn es gerade in den arbeitsmarktpolitischen Verbänden verständlicherweise tiefsitzende Ängste und Vorbehalte gibt

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. J. Kickbusch/A. Trojan (Hrsg.), Gemeinsam sind wir stärker. Selbsthilfegruppen und Gesundheit. Selbstdarstellungen, Analysen, Forschungsergebnisse, Frankfurt 1981.

  2. Vgl. J. Huber (Hrsg.), Anders arbeiten — anders wirtschaften. DualWirtschaft: Nicht jede Arbeit muß ein Job sein, Frankfurt/M. 1979; R. Heinze/T. Olk, Selbsthilfe, Eigenarbeit, Schattenwirtschaft. Entwicklungstendenzen des informellen Sektors, in: Die Zukunft des Sozial-staats, Bd. 1: Sozialstaatskrise und Umbaupläne, Stuttgart 19833, S. 203 ff.

  3. Historische Parallelen zeigt T. Thiemeyer, Gemein-wirtschaft in Lehre und Forschung, Schriftenreihe Gemeinwirtschaft, Nr. 13, Frankfurt/M. 1974.

  4. Vgl. u. a. M. Jänicke (Hrsg.), Vor uns die goldenen Neunziger Jahre? Langzeitprognosen auf dem Prüfstand, München 1985.

  5. Zu den Szenarien der Theoretiker der Alternatiybewegung vgl. J. Huber, Die verlorene Unschuld der Ökologie, Frankfurt/M. 1982; A. Gorz, Wege ins Paradies, Berlin 1983; A. Evers/M. Opielka, Was heißt hier eigentlich sozial? Kleiner Leitfaden zur Orientierung in einer verwirrenden Auseinandersetzung, in: M. Opielka (Hrsg.), Die ökosoziale Frage, Entwürfe zum Sozialstaat, Frankfurt/M. 1985.

  6. J. Fourastie, Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts, Köln 1954.

  7. F. W. Scharpf, Strukturen der postindustriellen Gesellschaft oder: Verschwindet die Massenarbeitslosigkeit in der Dienstleistungs-und Informations-Ökonomie?, in: Soziale Welt, 37 (1986) 1, S. 3 ff.

  8. J. Gershuny, Die Ökonomie der nachindustriellen Gesellschaft. Produktion und Verbrauch von Dienstleistungen, Frankfurt-New York 1981.

  9. Vgl. W. Klauder, Arbeitsmarktperspektiven bis 2000, in: Sozialer Fortschritt, 35 (1986) 3, S. 49 ff.

  10. Vgl. C. Schäfer, Auch bei Wachstum bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bis zum Jahre 2000 eine politische Aufgabe. Szenarien zur Entwicklung des Arbeitsmarktes bis 2000, in: WSI-Mitteilungen, Schwerpunktheft: Zukunft der Arbeit, 39 (1986) 3, S. 145 ff.

  11. W. Meißner/K. Zinn, Der neue Wohlstand, Qualitatives Wachstum und Vollbeschäftigung, München 1984.

  12. Vgl. H. Klages, Wertorientierungen im Wandel. Rückblick, Gegenwartsanalyse, Prognosen, Frankfurt/M. 1984.

  13. E. Noelle-Neumann/B. Strümpei, Macht Arbeit krank? Macht Arbeit glücklich? Eine aktuelle Kontroverse, München 1984.

  14. H. v. Reccum, Dimensionen des Wertwandels, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25/84, S. 3 ff.

  15. Anders beurteilt das R. Breuer, Welle oder Bewegung? Zur Frage der Gesellschaftsveränderung durch „Selbsthilfe“, in: Neue Praxis, Sonderheft 6: Sozialarbeit als soziale Kommunalpolitik, 11 (1981), S. 208 ff.

  16. Diese Ansicht verstärken die Arbeiten der „neuen Optimisten“ unter den sozialwissenschaftlich und gesellschaftspolitisch engagierten Naturwissenschaftlern, die ihre Modelle und neuen Paradigmata auch auf soziale Phänomene anwenden. Danach ist die „kritische (Bewußseins-) Masse“ in der Bevölkerung bald erreicht, die einen sich selbst verstärkenden gesellschaftlichen Wertwandel initiieren wird, der die Voraussetzung für die Lösung der drängenden globalen Zukunftsprobleme darstellt. Vgl. F. Capra, Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild, 11. überarbeitete Auflage, Bern 1986. Das ist sicher umstritten. Empirische Befunde zeigen, daß die Industriearbeiterschaft im Kem von diesen Veränderungen (noch) nicht berührt ist. Vgl. J. Jessen u. a., Mythos informelle Ökonomie, in: Leviathan, 13 (1985) 3, S. 398 ff. Der aktive Teil der Alternativbewegung kann auch als Sub-oder Gegenkultur begriffen werden, deren Werte und Lebensformen nur schwerlich von der Gesellschaft assimilierbar sind. So D. Schäfer/J. Plaschke, Sozialpolitik und Sozialarbeit zwischen solidarischer Selbsthilfe und etatistischer Staatsfürsorge, in: Sozialpolitik und Zukunft sozialer Arbeit, Frankfurt/M. 1984, S. 46ff.

  17. G. Bäcker, Sozialpolitik durch soziale Dienstleistungen -— Zukunftsperspektiven des Sozialstaats, in: WSI-Mitteilungen, 39 (1986) 3, S. 212.

  18. Vgl. G. Naegele, Voran mit der familiären Pflege — Ein Weg zurück! in: WSI-Mitteilungen, 38 (1985) 7, S. 394 ff.; zur feministischen Kritik dazu vgl. etwa A. Durst/I. Ostner, Der private Haushalt — eine Ressource alternativer Sozialpolitik? in: M. Opielka (Hrsg.), Die ökosoziale Frage. Entwürfe zum Sozialstaat, Frankfurt/M. 1985, S. 183 ff.

  19. Vgl. o. V., Unbezahlte soziale Dienstleistungen, in: Sozialer Fortschritt, 32 (1983) 1, S. 1 ff.

  20. So etwa J. Huber, Die Regenbogengesellschaft, Frankfurt/M. 1985, S. 170 f., und P. Gross, Der Wohlfahrtsstaat und die Bedeutung der Selbsthilfebewegung, in: Soziale Welt, 33 (1982) 1, S. 42 f.

  21. Kritisch dazu G. Backes, Ehrenamtliche Dienste in der Sozialpolitik, Folgen für Frauen, in: WSI-Mitteilungen, 38 (1985) 7, S. 386 ff.

  22. J. Strasser/K. Traube, Die Zukunft des Fortschritts. Der Sozialismus und die Krise des Industrialismus, Bonn, 19822, S. 215.

  23. Vgl. die Beiträge in: A. Murswieck (Hrsg.), Staatliche Sozialpolitik im Sozialsektor, München 1976.

  24. Vgl. E. U. Huster, Subsidiarität — Historische und systematische Aspekte zu einem Leitprinzip in der Sozialpolitik, in: WSI-Mitteilungen, 38 (1985) 7, S. 370 ff.

  25. Vgl. E. Standfest, Die Gewerkschaften — Gralshüter des Status quo? Ökonomische Krise und die Zukunft der Sozialpolitik, in: M. Opielka (Anm. 5), S. 255 ff.

  26. Vgl. F. Schulz, Zur ordnungspolitischen Charakterisierung aktueller Selbsthilfekonzeptionen, in: Zeitschrift für Sozialreform, (1985) 11, S. 656 ff., der auch die unterschiedlichen historischen Wurzeln offenlegt.

  27. Einen guten Problemeinblick vermittelt E. Matzner, Der Wohlfahrtsstaat von morgen. Entwurf eines zeitgemäßen Musters staatlicher Intervention, Frankfurt/M. 1982.

  28. Vgl. F. W. Scharpf, Beschäftigungspolitische Strategien in der Krise, in: Leviathan, 13 (1985) 1, S. 1 ff.

  29. F. W. Scharpf (Anm. 28).

  30. Vgl. B. Badura u. a., Einleitung: Sozialpolitische Perspektiven, in: derselbe/Ch. v. Ferber (Hrsg.), Selbsthilfe und Selbstorganisation im Gesundheitswesen, München 1981, S. 5 ff.

  31. Ch. v. Ferber hat hier durch seine Beiträge ein Problembewußtsein geschaffen; vgl. u. a. Ch. v. Ferber/L. v. Ferber, Der kranke Mensch in der Gesellschaft, Reinbek 1978.

  32. So auch E. Reidegeld, Selbsthilfe — von den Gefahren, dem Mißbrauch und der reformpolitischen Bedeutung eines sozialpolitischen Ansatzes, in: WSI-Mitteilungen, 38 (1985) 7, S. 378 ff.; zur Problematik der Zusammenarbeit von professionellen Helfern und Betroffenengruppen vgl. L. M. Moeller, Anders helfen — Selbsthilfegruppen und Fachleute arbeiten zusammen, Stuttgart 1981.

  33. Vgl.den Überblick bei M. Novak/K. Schaper, Reform der Selbstverwaltung in der Gesetzlichen Krankenversicherung, in: WSI-Mitteilungen, 34 (1981) 5, S. 307 ff.

  34. E. v. Kardorff/E. Koenen, Zur neuen Wissenschaft von der Selbsthilfe, in: Leviathan, 11 (1983), S. 439 ff.; vgl. auch J. U. Behrendt u. a., Zur Verflechtung von Selbsthilfegruppen mit staatlichen und professionellen Sozialsystemen, Kapitel B 3, Selbsthilfegruppen vor der Vereinnahmung?, in: B. Badura/Ch. v. Ferber (Anm. 30), S. 91 ff.

  35. Ähnlich argumentiert A. Trojan, Zwischen Mut zur Realität und Mut zur Utopie, Zu Grenzen und Möglichkeiten von Selbsthilfe-Initiativen, in: M. Opielka (Anm. 5), S. 212 ff.

  36. G. Bäcker (Anm. 17), S. 214 f.

  37. Vgl. dazu K. Deimer u. a., Selbsthilfe in der Sozialpolitik — Ein Lösungsansatz?, in: Aus Politik und Zeit-geschichte, B 34/83, S. 14 ff.

  38. Bei der kapitalintensiven Produktionsweise im industriellen Komplex dürfte ein positiver Nettobeschäftigungseffekt wahrscheinlich sein.

  39. Vgl. G. Vonderach, „Die neuen Selbständigen“, 10 Thesen zur Soziologie eines unvermittelten Phänomens, in: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, 1980(2), S. 153 ff.

  40. Trotz optimistischer Überschrift wird dies durch die Analyse von P. Gottian/M. Kück, Modell Berlin: 10 000 neue Arbeitsplätze im Selbsthilfe-und Alternativ-bereich, in: M. Bolle/P. Grottian (Hrsg.), Arbeit schaffen — jetzt! Reinbek 1983, S. 128, im Kern bestätigt.

  41. Vgl. R. Heinze, Beschäftigungspolitische Möglichkeiten des „informellen“ Sektors, in: M. Bolle/P. Grottian (Anm. 40), S. 116 ff.

  42. Vgl. P. Grottian/M. Kück (Anm. 40).

  43. Vgl. E. Reidegeld (Anm. 32), S. 381 f.

  44. W. Meißner/K. G. Zinn, Der neue Wohlstand, Qualitatives Wachstum und Vollbeschäftigung, München 1984, S. 72 ff. Vgl. auch J. Jessen u. a., Mythos informelle Ökonomie, in: Leviathan, 13 (1985) 3, S. 398 ff.

  45. Das Ziel, den eigenen Bedarf durch die gemeinsame Tätigkeit zu decken und sinnvolle Arbeit für die Gemeinschaft zu leisten, genügt nach vorherrschender Praxis in der wissenschaftlichen Verarbeitung des Phänomens, um die Bezeichnung oder das Prädikat „alternativ“ zu vergeben.

  46. Vgl. Th. Zuleger, OECD-Aktionsprogramm — Beschäftigung fördern, in: Bundesarbeitsblatt, 1984(11), S. 18 ff.

  47. Vgl. Th. Thiemeyer, Selbsthilfe und Selbsthilfebetriebe aus ökonomischer Sicht, in: B. Badura/Ch. v. Ferber (Anm. 34), S. 203 ff.

  48. Ch. Helberger u. a., Nichtkonventionelle Formen der Erwerbstätigkeit als Problem des sozialen Sicherungssystems. Eine theoretische und empirische Untersuchung für die Alterssicherung am Beispiel der alternativen Wirtschaft, in: Finanzarchiv NF 2, (1985) 45, S. 271 ff.

  49. Vgl. R. Thiede, Alternativprojekte und Krankenversicherung, in: Sozialer Fortschritt, 35 (1986) 3, S. 57 ff.

  50. Auf weitere kreative Denkmodelle zur Lösung der postindustriellen Arbeitslosigkeit, die ebenfalls auf eine bestimmte Form der Dualisierung hinauslaufen, sei kurz verwiesen: B. Fritsch, Das Prinzip Offenheit, München 1985; L. C. Thurow, Die Null-Summen-Gesellschaft. Einkommensverteilung und Möglichkeiten wirtschaftlichen Wandels, München 1981.

  51. Vgl. S. Bleicher, Ausstieg? Gewerkschaftliche Reformpolitik in der Industriegesellschaft, Hamburg 1985.

Weitere Inhalte

Klaus Schaper, Dr. rer. soc., geb. 1947; Studium der Sozial-und Wirtschaftswissenschaften in Bochum und Innsbruck; Studienrat im Hochschuldienst an der Ruhr-Universität Bochum, Fachbereich Sozialwissenschaft, Sektion Sozialpolitik; Forschungsschwerpunkte: Soziale Sicherung, Gesundheitsökonomik/-politik, Arbeitsmarkt. Veröffentlichungen u. a.: Kollektivgutprobleme einer bedarfsgerechten Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, Frankfurt 1978; Die Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 176, Bonn 1985 4.