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Vierzig Jahre Landwirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland 1945/49— 1985. Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Agrarintervention | APuZ 42/1986 | bpb.de

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APuZ 42/1986 Vierzig Jahre Landwirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland 1945/49— 1985. Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Agrarintervention Die permanente Krise als agrarpolitische Realität Mutmaßungen über ungelöste Probleme Aufgaben der Landwirtschaft in einer modernen Industriegesellschaft Die Landwirtschaft im Spannungsfeld: Überschüsse — Einkommen — Umweltgefährdung. Zur Diskussion um die Neuorientierung der Agrarpolitik

Vierzig Jahre Landwirtschaftspolitik der Bundesrepublik Deutschland 1945/49— 1985. Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Agrarintervention

Ulrich Kluge

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Zusammenfassung

Das Agrargefüge der Bundesrepublik Deutschland gehört zur Zeit zu den am meisten umstrittenen Politikbereichen. Unter welchen Voraussetzungen begann der Wiederaufbau der westdeutschen Landwirtschaft? Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen staatlicher Intervention? Der Beitrag analysiert die Hauptschwerpunkte staatlicher Agrarpolitik und stellt den jeweiligen Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Wilhelm Niklas 1949— 1953; Heinrich Lübke 1953— 1959; Werner Schwarz 1959— 1965; Hermann Höcherl 1965— 1969; Josef Ertl 1969— 1983 und Ignaz Kiechle seit 1983) in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die zeithistorische Agraranalyse unterscheidet insgesamt vier verschiedene Entwicklungsstadien der bundesdeutschen Landwirtschaft: 1. die Phase des Wiederaufbaus in den frühen fünfziger Jahren; 2. die Phase der Strukturreform und Produktionsexpansion in den späten fünfziger Jahren; 3. die Phase der komplizierten Angleichung an die europäische Agrargemeinschaft in den sechziger und siebziger Jahren; 4. die Phase der Überschußbewältigung und der Harmonisierung des Spannungsverhältnisses von moderner Agrartechnik und Umwelt in den achtziger Jahren. Das Agrarwirtschaftsgefüge im Übergang in die zweite Hälfte der achtziger Jahre trägt bereits erste Züge der Landwirtschaft des Jahres 2000. Es bleibt zu erwarten, daß die Überschußproduktion in Grenzen gehalten, die bäuerliche Grundstruktur der deutschen (und europäischen) Landwirtschaft bewahrt und die Harmonisierung unterschiedlicher Interessen in Agrar-Europa erreicht wird.

Die vorliegende Analyse entstand im Zusammenhang mit einem von der Stiftung Volkswagenwerk finanzierten Forschungsprojekt über die westdeutsche Agrarwirtschaft und -gesellschaft in der Früh-phase der Ära Adenauer. Ich bin der Stiftung Volkswagenwerk und zahlreichen Mitarbeitern der unten genannten Archive für das Zustandekommen meiner Untersuchungsergebnisse zu großem Dank verpflichtet. Für persönliche Hinweise danke ich Hans von der Groeben, Bundesminister a. D. Hermann Höcherl und Prof. Dr. Hermann Priebe.

Die beiden Teile Deutschlands erlebten zwischen 1945 und 1947/48 die schwerste Ernährungskrise in ihrer modernen Geschichte; sie wurde durch einen fortlaufenden Produktionsschwund bereits während der Kriegsjahre ausgelöst und durch den Zustrom von Flüchtlingen aus den Ostgebieten sowie durch die Abtrennung traditioneller Überschußgebiete in den östlichen Reichsteilen verschärft Mehr als drei Viertel der Bevölkerung des alten Reichsgebiets mußten auf 14 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche — das waren im Vergleich zu 1937 50% weniger — aus einheimischer Erzeugung ernährt werden Erst im Frühjahr 1951 galt nach Ansicht der Regierung Adenauer die allgemeine Ernährungslage als nahezu gesichert; jedoch blieben nach wie vor die öffentliche Versorgung West-Berlins und die unkontrollierbaren Angsteinkäufe weiter Bevölkerungsteile als Reaktion auf weltpolitische Erschütterungen, wie auf die Korea-Krise im Sommer 1950, Gefahrenpunkte der künftigen Entwicklung

Die Agrarpolitik der Bundesrepublik seit der Ära Adenauer und ihre langfristigen, bis in die Gegenwart hineinreichenden strukturellen, ökonomischen und sozialen Konsequenzen lassen sich nur dann ausgewogen beurteilen, wenn man die historisch-politischen Ausgangsbedingungen des Ost-West-Konfliktes und den damit verbundenen Zwang zur Stabilisierung der agrargesellschaftlichen Komponente des sozialen Gesamtgefüges der Bundesrepublik Deutschland in die Überlegungen einbezieht. Moderne Agrarpolitik bedingt eine von der Außen-bis zur Sozialpolitik reichende Kombination mehrerer Politikfelder des Staates. Da auf Grund unterschiedlicher Existenz-bedingungen ein internes „Interessenclearing“ in der organisierten Landwirtschaft sehr kompliziert ist dürfte eine von der zentralen Entscheidungsebene ausgehende historische Betrachtungsweise der Agrarpolitik dem Bedürfnis nach Einbettung des Agrarsystems in größere Zusammenhänge eher entsprechen, als das aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht bislang geschehen ist. Im Mittelpunkt der folgenden Analyse stehen die Ernährungs-und Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland ab 1949 unter der Fragestellung nach Möglichkeiten und Grenzen, die landwirtschaftliche Entwicklung den allgemeinen außen-, innen-, wirtschafts-und sozialpolitischen Rahmenbedingungen anzupassen.

I. Wilhelm Niklas (1949— 1953): Belastete Anfänge westdeutscher Agrarpolitik

Mit Wilhelm Niklas (1887— 1957) übernahm im ersten Kabinett Adenauer ein bayerischer Agrarexperte das Amt des Bundesministers für Landwirtschaft und Ernährung. Niklas, der 1948/49 als stellvertretender Direktor die Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes geleitet und als CSU-Mitglied von 1951 bis 1953 dem Deutschen Bundestag angehört hat, galt als Favorit des Deutschen Bauernverbandes, während der Bundeskanzler ursprünglich noch andere Kandidaten in Erwägung gezogen hatte. Dem Süddeutschen Niklas wurde der Norddeutsche Theodor Sonne-mann, der von 1947 bis 1949 den Posten des Hauptgeschäftsführers des Verbandes des Niedersächsischen Landvolks bekleidet hatte, als Staatssekretär an die Seite gestellt, und zwar auf Vorschlag der Deutschen Partei und mit offensichtlicher Unterstützung des Deutschen Bauernverbandes

Der Beginn der Agrarpolitik 1949 stand noch ganz im Zeichen der Besatzungspolitik. Erhebliche Finanzmittel, Grundnahrungsgüter und landwirtschaftliche Produktionsmittel (Dünger, Saatgut usw.) waren bis zum Sommer 1948 aus den Ressourcen der GARIOA (Gouvernment Appropriation and Relief in Occupied Areas) und der United-Kingdom-Contribution geflossen. Auf dem Tiefpunkt der Ernährungskrise, im Frühjahr 1948, setzte die amerikanische Unterstützung nach dem Marshall-Plan ein

Nachdem im Dezember 1949 die Verantwortung für die Kontrolle der öffentlichen Lebensmittel-versorgung ganz in die Hände der Bundesregierung gelegt wurde setzte der Korea-Krieg der deutschen Agrarpolitik neue Prämissen. Die Landwirtschaft der Bundesrepublik erhielt eine quasi politische Order zu erhöhter Produktion aus militärisch-strategischen Erwägungen heraus; Industrie-und agrarwirtschaftliche Reserven Westdeutschlands waren gleichermaßen zu mobilisieren: Der Außenhandel war zu liberalisieren und eine Grundnahrungsreserve für sechs Monate in West-Berlin einzurichten Niklas, der sich zwischen amerikanischen und deutschen Interessen auf einem schmalen Grat bewegte, stellten sich neue Aufgaben, die wesentlich von der Hauptaufgabe der Zonenverwaltung — das Sammeln und Verteilen von Lebensmitteln — abwichen

Alte und neue Leitbilder der Agrarpolitik Der Kanzler und sein Minister scheinen sich in wesentlichen Punkten auf Dauer einig gewesen zu sein; Abweichungen im Detail, beispielsweise in der Haltung gegenüber dem Deutschen Bauernverband, störten die in der politischen Öffentlichkeit zur Schau getragene Übereinstimmung nicht. Ab 1949/50 ging es in der Agrarpolitik um „Marktwirtschaft und Märkte“, um „berechtigte soziale Ansprüche und langfristige Versorgungssicherheit auf der Grundlage eigener Ressourcen“

Ganz in diesem Sinne nannte Adenauer in seiner Regierungserklärung vom 20. September 1949 die vier Schwerpunkte künftiger Agrarpolitik: Produktionssteigerung, Ausbau der Veredlungswirtschaft, Drosselung des Agrarimports und Abbau der Zwangswirtschaft Diese Zielsetzung bedingte keine grundlegende Umstrukturierung des westdeutschen Agrarwirtschafts-und -sozialgefüges im Sinne der Forderung der sozialdemokratischen Opposition; allerdings schlossen diese Ziele einen langfristigen Strukturwandel nicht aus. Was immer Adenauer unter der vielzitierten „Erhaltung eines gesunden Bauernstandes“ verstandl er ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Landwirtschaft vom Prinzip der sozialen Marktwirtschaft ausgenommen bleiben sollte, um nicht eine große Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe den Gefahren eines unkontrollierbaren Wettbewerbes auszusetzen

Niklas, der zögernde Reformer Die agrarpolitischen Vorstellungen des Ministers auf einen einfachen Nenner zu bringen, bereitet Schwierigkeiten, obwohl seine Agrarpolitik nicht im Zick-Zack-Kurs verlief. Niklas bediente sich traditioneller Methoden und entwickelte neue Vorgehensweisen. Gegenüber der bäuerlichen Interessenvertretung betrachtete er sich als „amtlicher Betreuer“ womit er wohl am deutlichsten an das Amtsverständnis seiner Vorgänger in der Weimarer Republik anknüpfte. Jedoch deutlicher als diese betonte Niklas die Absicht, das Verhältnis zwischen Staat, landwirtschaftlicher Interessenvertretung und Konsumenten zu harmonisie-ren und die Landwirtschaftsbetriebe aus Wettbewerbsgründen in gewissen Grenzen zu rationalisieren

Niklas zeigte sich als zögernder Reformer, als er bereits 1950 erstmals öffentlich dem traditionellen Fortschrittsglauben durch unbegrenzte Mechanisierung der Landwirtschaft widersprach. Das unterschied ihn sehr deutlich von vielen seiner agrarpolitischen Zeitgenossen. Von der vermeintlich zunehmenden Bedeutung der Agrarwirtschaft im Gesamtwirtschaftssystem der Bundesrepublik war Niklas ebenfalls im Gegensatz zur agrarpolitischen Öffentlichkeit nicht überzeugt; er wollte deshalb nicht Agrarschutz um jeden Preis, sondern als Erziehungsmaßnahme und „Lohn“ für wirtschaftliche Tüchtigkeit. Sein Hauptaugenmerk war in erster Linie auf die Marktordnung und Außenwirtschaft, weniger auf die europäische Integration, die Preis-, Struktur-und Sozialpolitik gerichtet; hierin unterschied er sich wohl am deutlichsten von seinem Nachfolger Heinrich Lübke. Agrar-Europa schien Niklas noch in weiter Ferne zu liegen; er verstand sich nicht als Verfechter eines europäischen Agrarmarktes, sondern favorisierte eher alle Pläne für eine größtmögliche Nationalisierung des westdeutschen Agrarmarktes.

Niklas verstand sich als außenwirtschaftlicher Protektionist, jedoch nicht aus Tradition, sondern aus aktueller Notwendigkeit infolge des Fehlens eines „völligen internationalen Liberalismus“ Sein Ziel, den einheimischen Markt zu schützen, setzte eine umfassende staatlich kontrollierte Vorratsbildung voraus. Dabei kam ihm die Versorgung West-Berlins zu Hilfe, deren Sicherstellung nach erfolgreicher Beendigung der sowjetischen Blockade mit alliierter Hilfe höchste politische Bedeutung erlangte. Die Binnenmarktpolitik des ersten Kabinetts Adenauer hängt in der Tat mit dem Trauma der militärisch-politischen „Belagerung“ der ehemaligen Reichshauptstadt unlösbar zusammen

Agrarmarktordnung und Außenwirtschaftspolitik Von der Blockade über die Vorratspolitik zu den ersten Marktordnungsgesetzen der Bundesrepublik führt ein kurzer und gerader Weg. Um vier Warengesetze des Jahres 1950 für Grundnahrungsmittel (Getreide, Zucker, Milch/Milcherzeugnisse und Fleisch) entstand ein heftiger politischer Streit Im Für und Wider für eine neue Marktordnung standen drei Argumente im Mittelpunkt: die Kostspieligkeit der Vorratsbildung, die drastische Einschränkung der Chancen für den Industrieexport und die Kontinuität neuer und alter Ordnung, das heißt die ideelle und wirtschaftliche Verbindung zwischen der Marktordnung der demokratischen Bundesrepublik und dem Reichsnährstand des Dritten Reiches. Durch den staatlichen Anspruch, die Einfuhr, das Inlandsangebot und das Preisniveau obrigkeitlichem Reglement zu unterwerfen, ergaben sich in der Tat einige Parallelen, jedoch die Unterschiede besaßen größeres Gewicht. Das agrarwirtschaftliche Beratergremium der Bundesregierung zerfiel darüber in zwei Gruppen mit kraß unterschiedlichen Meinungen. Niklas gab den „Interventionisten“ um Fritz Baade den Vorzug. Im Plenum des Bundestages fand sich keine qualifizierte Mehrheit gegen das in sich geschlossene Verordnungssystem, das der westdeutschen Landwirtschaft die Voraussetzungen bot, die Bundesrepublik mit Nahrungsgütern eigener Produktion möglichst lückenlos zu versorgen. Die Kritiker der neuen Marktordnung übersahen ihre liberalen Grundzüge, ignorierten die demokratischen Kontrollmöglichkeiten und rückten sie fälschlich mit dem Marktdirigismus der Nationalsozialisten in eine Perspektive.

Mit der endgültigen Aufhebung der Lebensmittelrationierung ab 1. März 1950 hatte Niklas die Leistungsfähigkeit der einheimischen Landwirtschaft und die Prioritäten seiner Agrarpolitik erfolgreich unter Beweis gestellt. Wie immer man heute zur Marktordnungspolitik der Ära Adenauer stehen mag, Tatsache bleibt, daß das Ende der Rationierungsperiode, die mit Hitlers Krieg begonnen hatte, in weiten Teilen der westdeutschen Bevölkerung die Einsicht in das Ende der Nachkriegszeit, in die Stabilität des politisch-ökonomischen Systems sowie in seine Überlegenheit gegenüber dem Ernährungs-und Agrarsystem des anderen Teils Deutschlands erheblich gefördert hat.

Gegenüber der Zusammenarbeit der westeuropäischen Agrarerzeugerstaaten blieb Niklas eher skeptisch als enthusiastisch. Seine Außenhandels-praxis weist ihn nicht als Europäer aus Überzeugung aus, obwohl er in der politischen Öffentlichkeit für Agrar-Europa, „diesen einzigen Weg aus der Katastrophe unserer Tage“, warb Niklas versuchte, den Außenwirtschaftskurs der Bundesrepublik dem mitunter sehr widersprüchlichen Kurs der europäischen Handelspartner anzupassen und reagierte sehr genau auf die schwankenden Liberalisierungstendenzen. Die ersten Außenwirtschaftsbeziehungen wurden auf den Trümmern des Handelsverkehrs der Vorkriegszeit geknüpft. Die Bundesrepublik besaß infolge der Kriegsverluste einen hohen Importbedarf, denn die westdeutsche Landwirtschaft brachte 1949 nur knapp 50 % der benötigten Nahrungsgüter aus eigener Produktion auf.

Zunächst profitierte die Bundesrepublik im Zeichen des Marshall-Plans von der verordneten Liberalisierung der Außenhandelspraxis. Eine Revision des Außenhandelskurses wurde nötig, nachdem die traditionellen Handelspartner Deutschlands das Wertzollsystem einführten und die Bundesrepublik auf der Konferenz von Torquay dem Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommen (GATT) am 1. September 1951 beitrat. Die Kursänderung kam im Zolltarifgesetz vom 1. Oktober 1951, mit dem der Bülow-Tarif von 1902 offiziell abgelöst wurde, zum Ausdruck Niklas stand unter dem Zwang zur Anpassung an die veränderte Gesamtlage, nachdem die Siegerstaaten und die neutralen Länder nach Kriegsende „prompt zur alten Konzeption »nationaler* Außenhandelspolitik zurückgekehrt waren, so daß die Bundesrepublik ein Jahrfünft später ein bereits vollkom-men verfestigtes System vorfand“ Das neue Tarifgesetz als Ergebnis der Torquay-Konferenz spiegelte jene Mischung von Protektionismus und Freihandel wider, die in allen Partnerstaaten der Bundesrepublik verfolgt wurde. Niklas versuchte sich gegen eine fortschreitende Liberalisierung des Agraraußenhandels zu wehren, indem er auf die ungünstigen Wettbewerbsbedingungen für die bundesdeutsche Landwirtschaft hinweis. Er befürchtete, daß die Bundesrepublik in eine zu große Konkurrenzsituation manövriert würde. Niklas behielt mit seiner Skepsis hinsichtlich einer für die Bundesrepublik günstigen Außenwirtschaftsentwicklung recht. Fast alle Handelspartner'der Bundesrepublik behielten den traditionellen Außenhandelsprotektionismus bei, insbesondere die USA und Frankreich

Die Bundesregierung fühlte sich 1952 von unterschiedlichen Seiten gleichermaßen an Initiativen für ein „Grünes Europa“ erinnert. Aber die einzelnen Pläne für ein künftiges Agrar-Europa waren ebenso zahlreich und widersprüchlich wie die westeuropäischen Agrarlandschaften selbst Niklas blieb in diesem Punkt bis zuletzt skeptisch. Er stellte sich aus gesundheitlichen Gründen für eine zweite Amtsperiode/Adenauers nicht mehr zur Verfügung und hinterließ seinem Nachfolger kein „europäisches Erbe“, das es zu verwalten galt.

II. Heinrich Lübke (1953— 1959): Der problematische Weg in die agrarwirtschaftliche Modernisierung und nach „Agrar-Europa“

Heinrich Lübke, von 1947 bis 1952 nordrhein-westfälischer Landwirtschaftsminister und Landtagsabgeordneter der CDU, nach 1952 Generalanwalt des Deutschen Raiffeisenverbandes, wurde Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im zweiten Kabinett Adenauer“, „das insgesamt personell wesentlich überzeugender zusammengesetzt war, als die erste Regierung Adenauer“ (Hans-Peter Schwarz). Lübke war eher der Kandidat des Deutschen Bauernverbandes als der des Kanzlers. Staatssekretär Sonnemann blieb auf Wunsch Adenauers und seines neuen Landwirtschaftsministers weiterhin im Amt, zumal ihm die Sympathien des Deutschen Bauernverbandes auch weiterhin gehörten Die Agrarpolitik der Lübke-Zeit prägten drei Probleme besonders stark: die mit dem Begriff der „Parität“ verbundene wirtschaftliche und soziale Aufwertung der Bauern in der Industriegesellschaft der Bundesrepublik, der forcierte Struktur-wandel im Sinne der agrarwirtschaftlichen Modernisierung sowie der Einbau der westdeutschen Landwirtschaft in das Gesamtagrargefüge der sechs Montanunion-Staaten.

Das „Paritäts“ -Problem Seit 1950 zeichneten sich die Unterschiede in der Wohlstandsentwicklung zwischen gewerblicher Wirtschaft und Agrarwirtschaft immer deutlicher ab. Forderungen nach wirtschaftlicher und sozialer Parität von Industrie-und Agrargesellschaft wurden laut, bis Adenauer — nachdem der Bau-ernverband immer wieder vorstellig geworden war — in seiner Regierungserklärung vom 20. Oktober 1953 anerkannte, daß die Landwirtschaft in der „Preisschere“ zwischen Produktionsmitteln und Agrarerzeugnissen „nicht mehr voll an dem allgemeinen Aufstieg teilnehmen konnte“ Die Paritätsforderung des Deutschen Bauernverbandes hielt sich im Rahmen der Paritätsgesetze in den USA (1933), Schweden (1940), Großbritannien (1947) und der Schweiz (1954) Es ging um ein gesetzliches Mittel, das den „rationell wirtschaftenden Betrieben die Deckung der Kosten durch die Erträge ermöglicht, ohne den Verbraucher wesentlich zu belasten und eine weitere günstige Entwicklung der Gesamtwirtschaft zu stören“

Lübke ergänzte Adenauers agrarpolitische Absichtserklärungen am 19. November 1953 mit einem Agrarprogramm, das im wesentlichen folgende Schwerpunkte enthielt: Hebung des Bildungsniveaus ländlicher Sozialschichten, Rationalisierung und Technisierung der Betriebe, Verbesserung der Absatztechnik, Verhinderung der Feldzersplitterung und Beginn einer Flurbereinigung, Aufstockung der nichtlebensfähigen Zwerg-betriebe und schließlich Maßnahmen, „um der Einengung der Hoflage und der Überalterung der Gebäude zu begegnen“ Innerhalb der Bundesregierung, insbesondere zwischen Wirtschaftsminister Erhard und Lübke, war der Paritätsbegriff jedoch umstritten, bis es schließlich zu der Einigung kam, daß die Landwirtschaft künftig keinen gesetzlich fixierten Rechtsanspruch auf Kosten-deckung erheben darf Von keiner Seite im Plenum auch nur im geringsten beanstandet, passierte das Landwirtschaftsgesetz in zweiter Lesung am 8. Juli 1955 den Bundestag. Auch der Deutsche Bauernverband bekannte sich zu diesem Gesetz, obwohl es in manchen Punkten nicht ganz seinen Vorstellungen entsprach

Das Landwirtschaftsgesetz formulierte „keine allgemein verbindlichen Rechtssätze im materiellen Sinne“, sondern kleidete „agrar-und wirtschaftspolitische Forderungen“ in Gesetzesform. Es bestand inhaltlich aus zwei Teilen: Der erste Teil bestimmte, daß der Landwirtschaft „die Teilnahme an der fortschreitenden Entwickfung" zu sichern sei, während der zweite Teil bestimmte, daß „auf Grund einer jährlichen Bestandsaufnahme das Notwendige zu veranlassen (sei)“. Die Landwirtschaft der Bundesrepublik erhielt hierdurch ausdrücklich Verfassungsrang, und die Durchsetzung agrarpolitischer Forderungen bekam Periodizität, demokratische Legitimation durch das Parlament sowie Kontinuität durch den alljährlichen „Grünen Plan“.

Der erhoffte Erfolg des neuen Gesetzes blieb jedoch zunächst aus, denn der erste „Grüne Bericht“ von 1956 bestätigte, daß sich Betriebserlöse und Aufwandskosten tatsächlich in dem vom Deutschen Bauernverband herausgestellten Mißverhältnis befanden. Die bis dahin geleisteten Subventionen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schienen, ohne breiteren Effekt erzielt zu haben, im Agrarwirtschaftsgefüge versickert zu sein. Sie beliefen sich auf 706 Mio. DM, dazu kamen 190 Mio. DM an zinslosen Krediten und nochmals 50 Mio. DM aus dem Etat des Bundeswohnungsbauministeriums für das ländliche Siedlungswesen

Die unter den westdeutschen Bauern gehegte Hoffnung auf eine Sonderstellung im Volkswirtschaftsgefüge auf der Basis des Landwirtschaftsgesetzes wurde enttäuscht. Zum Teil waren es unrealistische Hoffnungen gewesen, denn die Landwirtschaft war nicht aus dem Marktgeschehen herauszulösen und blieb nach wie vor den Einflüssen des Industrie-und Außenhandelssektors ebenso unmittelbar ausgesetzt wie vor dem Gesetz Lübke und Adenauer sagten für 1957 weitere Mittel zu Eine grundlegende Verbesserung der prekären Einkommenslage versprach sich Lübke von einer großzügigen Strukturpolitik, denn nach den Rentabilitätsberechnungen zerfiel das bundesdeutsche Agrarwirtschaftsgefüge in drei unterschiedlich ertragreiche Betriebsgrößen: in die mit 66 % vorherrschende Größenklasse unter 20 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche (LN) mit geringem Ertrag, in die Größenklasse von 20— 50 Hektar LN, die ca. ein Viertel der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche der Bundesrepublik ausmachte, mit verbesserter Arbeitsproduktivität sowie in die nur kleine Gruppe der Betriebe über 50 Hektar (mit 10%igem Anteil an der Gesamtnutzfläche) mit überdurchschnittlicher Rentabilität

Die Schwerpunkte der Strukturpolitik Die traditionelle Besitzzersplitterung und die propagierte Absicht, den aus dem Osten Deutschlands vertriebenen oder geflüchteten Bauern auf dem Lande eine neue Existenzbasis zu schaffen, zwangen der Regierung Adenauer von Anfang an eine kostspielige Strukturpolitik auf. Bis zum Ende der Amtsperiode Lübkes stiegen die finanziellen Zuwendungen für Strukturverbesserungen kontinuierlich, nachdem der Agraretat von 540 Mio. DM (1953) auf 2, 4 Mrd. DM (1959) angewachsen war Regionale Schwerpunkte der Umstrukturierung bildeten das Emsland, der Nordteil von Schleswig-Holstein („Nordprogramm“) und die Zonenrandgebiete Dazu kamen erhebliche Mittel zur Festigung des sozialen Status vor allem der älteren Bauern nach dem von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachten Entwurf eines Gesetzes für die Altershilfe der Landwirte (GAL) im Juni 1957, hinter dem schließlich alle Parteien des Bundestages standen

Lübke hatte in seinen strukturpolitischen Absichten mit manchen Hindernissen zu rechnen; da war zunächst der Hauptgrund, daß die Landwirtschaft der Bundesrepublik historisch zu den Nachzüglern im westeuropäischen Modernisierungsprozeß zählte. Der westdeutschen Landwirtschaft fehlte eine Zeitspanne des harmonischen und systematischen Wachstums, wie sie andere Agrarsysteme des Kontinents erlebt hatten. Pessimisten befürchteten, das der Konkurrenzkampf gegen die „Fabrik“ und die „Stadt“ um die Arbeitskräfte von vornherein als verloren galt

Viel Zeit beanspruchte die in Angriff genommene Flurbereinigung und überforderte sowohl die finanzielle als auch die bürokratische Kapazität der Agrarbehörden auf Bundes-und Länderebene.

Denn von etwa 800 000 hauptberuflich bewirtschafteten Betrieben (1958) benötigten annähernd 600 000 eine umfassende Modernisierung der Produktionsflächen durch Umlegung, Aufstockung, Aussiedlung und Verkehrserschließung, ferner eine Modernisierung der Bearbeitungsmethoden und der Gebäude. Experten-Schätzungen gingen davon aus, daß allein für die Bewältigung der vordringlichsten Aufgaben 15 bis 20 Jahre benötigt würden

Die massive Kritik des Deutschen Bauernverbandes, dessen Präsidium an Lübkes Stelle gern einen bequemeren Minister gesehen hätte, belastete die öffentliche Diskussion um die Agrarpolitik mitunter schwerer, als in einer pluralistischen Demokratie nötig. Lübke fühlte sich darüber hinaus zuweilen durch die zwiespältige Haltung führender Agrarwissenschaftler zum Strukturprogramm allein gelassen, denn nicht immer erhielt er aus dem universitären Bereich eindeutige Entscheidungshilfen. Schließlich erfuhren Lübkes Bemühungen allzu häufig Verzögerung durch die schleppenden Agrarmaßnahmen der Länder, so daß die strukturelle Modernisierung nicht von spektakulären Erfolgen begleitet war: Die Abwanderung aus der Landwirtschaft setzte sich trotz aller gegenläufigen Bemühungen unvermindert fort. Die Bilanz sah düster aus: Im Laufe von sieben Wirtschaftsjahren (von 1951/52 bis 1958/59) verlor die Landwirtschaft 1 Mio. Vollerwerbskräfte an die gewerbliche Wirtschaft, und der Schuldenzuwachs betrug in dieser Zeitspanne 6, 7 Mrd. DM (bei 11 Mrd. DM insgesamt)

Die schwierige Genesis von Agrar-Europa Die Vielzahl der Pläne zur Gründung eines einheitlichen europäischen Agrarmarktes seit der Konferenz von Westminister (1949) ließ erkennen, wie gering bis 1953 die Chancen waren, die vielfältigen agrarpolitischen Interessen in Europa auf einen Nenner zu bringen. Zahlreiche Initiativen und Pläne tauchten auf und hinterließen kaum Spuren. Die Verwaltungsexperten in den internationalen Gremien, z. B. in der OEEC, übersahen, daß die einzelnen Agrarerzeugerstaaten starke Unterschiede in den Bereichen der nationalen Marktordnung, der Produktionseigentümlichkeiten und im Verhältnis zwischen der jeweiligen Staatsverwaltung und der Landwirtschaft aufwiesen. Das waren historische Differenzen, die nicht mit administrativen Mitteln ausgelöscht werden konnten.

Für die Vorbereitung einer europäischen Agrar-Union fanden drei Konferenzen statt, die alle erfolglos blieben, obwohl innerhalb der berufsständischen Organisationen der westeuropäischen Landwirtschaft sich spätestens seit 1953 genug Initiativen gezeigt hatten, aktiv an der Gestaltung des Agrarmarktes mit den europäischen Regierungen zusammenzuwirken. Aber zwischen den Vorstellungen von einem „Grünen Europa“ der Bauern und einem Agrar-Europa der Regierungsexperten schienen Welten zu liegen Lübke, der die Agrar-Union im Zusammenhang mit den notwendigen Strukturveränderungen der deutschen Landwirtschaft in der politischen Öffentlichkeit systematisch popularisierte, erwies sich jedoch als Gegner einer berufsständisch fundierten Agrargemeinschaft

Trotzdem liefen die Vorbereitungen für Agrar-Europa auf staatlicher und berufsständischer Ebene zweigleisig weiter Ein erster Fortschritt zeigte sich in der Gründung der „Chambre Agricole Franco-Allemande“, die in engstem Zusammenhang mit dem Abschluß des deutsch-französischen Handelsvertrages vom August 1955 zu sehen ist. Der Deutsche Bauernverband schien in der Frage der europäischen Einigung zunächst die Führung an sich genommen zu haben, doch Adenauer widersetzte sich weitgehend den Plänen der berufsständischen Europaenthusiasten. Der Bundeskanzler tanzte zumindest in der Europa-Frage nicht nach der „Pfeife des Bauernverbandes“, wie das mitunter in der Adenauer-Literatur behauptet wird

Die Gründung einer europäischen Agrargemeinschaft nahm die Widersprüchlichkeit ihrer späteren Entwicklung vorweg. Die Ziele des Agrarministerkomitees der OEEC wichen von denen der internationalen Berufsstandsvertretung der internationalen Landwirtschaft — der CEA (Verband der Europäischen Landwirtschaft) und der IFAP (Internationaler Verband Landwirtschaftlicher Erzeuger) — zum Teil erheblich ab. Innerhalb dieser beiden Gremien entwickelte der Deutsch-Französische Landwirtschaftsausschuß besonders starke Abwehrkräfte gegen die OEEC mit ihrem als „Selbstzweck“ kritisierten Plan eines internationalen Warenverkehrs Seit der Konferenz von Messina (1. /2. Juni 1955) die eine wichtige Etappe auf dem Wege zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft darstellte, wuchs unter den deutschen Bauern Besorgnis darüber, daß ihnen die Verklammerung der geplanten Zollunion der sechs Montanunion-Staaten mit der Freihandelszone der OEEC-Staaten keine Absatzchancen garantieren würde. Diese Prognose ließ in der bundesdeutschen und westeuropäischen Landwirtschaft keine Gemeinschafts-Euphorie aufkommen

Das Agrar-Europa der offenen Probleme Der Vertragsabschluß zwischen den sechs Montanunion-Ländern für einen Gemeinsamen Markt im Frühjahr 1955 stellte die Umkehrung dessen dar, was die Agrarverbände dieser Staaten, allen voran der Deutsche Bauernverband, befürworteten: Nicht mit politischen Mitteln sollte eine wirtschaftliche Gemeinschaftsaufgabe gelöst werden, sondern mit wirtschaftlichen Mitteln galt es, eine politische Lösung zu finden Für die westeuropäische Landwirtschaft bedeutete die Wirtschaftsgemeinschaft keine Weichenstellung in eine Phase der ökonomischen Harmonisierung, sondern in eine Phase der stärkeren Differenzierung des kontinentalen Agrarmarktgefüges. In der Beurteilung der westeuropäischen Agrarverbände waren die Brüsseler Verträge lediglich ein Maximalprogramm mit dem Ziel, die unterschiedlichen nationalen Landwirtschaftssysteme einer bürokratisch erarbeiteten Einheitsnorm anzupassen, über deren Dimensionen sich die beteiligten Regierungen noch nicht im Detail verständigt hatten.

Lübke ließ mehr oder weniger offen erkennen, daß ihm die politische Fusion der Agrarstaaten zu überhastet gekommen und er den umgekehrten Weg — erst wirtschaftliche Annäherung, dann politischer Zusammenschluß — bevorzugt hätte. Staatssekretär Sonnemann ging im Sinne Lübkes mit dem Deutschen Bauernverband konform, als er pessimistisch zum Ausdruck brachte, daß die Gestaltung des Gemeinsamen Marktes immer noch mehr Fragen als Antworten enthalte Alle Probleme, um die sich 1957 die Diskussion drehte, beispielsweise die Sonderrolle Frankreichs, behielten langfristige Bedeutung und haben in der Tat Agrar-Europa auf eine harte Belastungsprobe gestellt. Völlig ungeklärt war, wie sich Bevölkerungswachstum, kontinentaler Massenkonsum, europäische Gesamtwirtschaftslage und Einkommensniveau weiterentwickeln würden. Ob eine zwölfjährige subventionierte Übergangszeit ab 1958 zur Stabilisierung der Produktions-, Verar-beitungs-und Absatzstrukturen ausreichen würde, blieb auch eine weithin offene Frage.

Unter diesen Umständen lag der Protest des Deutschen Bauernverbandes gegen den Europäischen Agrarmarkt nahe. Der Zentralausschuß der Deutschen Landwirtchaft protestierte gegen einen der eifrigsten Verfechter Agrar-Europas, gegen den Niederländer Sicco Mansholt, der unter den neuen europäischen Rahmenbedingungen den Landwirtschaftsbetrieben in einer Größenordnung von 25— 30 Hektar LN das Existenzrecht glattweg bestritt und die Abwanderung von 8 Millionen Menschen aus dem ländlichen Wirtschaftsmilieu Westeuropas prophezeite Daß auf der Landwirtschaftskonferenz der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Stresa (Juni 1958) ein „feierliches Bekenntnis zum bäuerlichen Familienbetrieb und seine organische Weiterentwicklung seiner historisch gewordenen Agrarstruktur“ abgelegt wurde kam einer Beschwichtigung gleich, an die zu glauben sich der Deutsche Bauernverband schwertat. Eine tendenzielle Abkehr vom Agrar-Europa der Regierungsexperten mit deutlich antikapitalistischen Unter-tönen drückte — für die agrarpolitische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik keineswegs überra-schend — das „Wiener Manifest“ der CEA vom 20. September 1958 aus

Tatsache bleibt, daß die Europäische Agrargemeinschaft von vornherein unter den Bauern eine stärkere gesellschaftliche Basis bekommen hätte, wenn die einzelnen Berufsverbände der sechs Staaten systematisch in das politische Gesamtgefüge Agrar-Europas einbezogen worden wären. Die Gründung des COPA (Comite Profesionel d’Agriculture) als berufsständische Vertretung der Landwirtschaft in der EWG auf der Stresa-Konferenz wurde als bloßes Zugeständnis empfunden und konnte den Mangel berufsständischen Einflusses auf die regelmäßige Konferenz der sechs Agrarminister nicht ausgleichen. Der Deutsche Bauernverband fühlte sich ins Abseits gedrängt, was seine publizistischen Attacken auf Lübke und Adenauer erklärte, solange die propagierte Harmonisierung der europäischen Agrarländer als politische Absichtserklärung noch zu viele Unwägbarkeiten enthielt. Alles in allem betrachtet stellte die agrarpolitische Ära Lübke eine entscheidende Entwicklungsphase der westdeutschen Landwirtschaft dar, deren Vorzüge, aber auch deren Nachteile noch heute zu kontroverser Interpretation Anlaß geben.

III. Werner Schwarz (1959— 1965): Staatliche Agrarpolitik zwischen Strukturwandel und europäischer Integration

Wollte man die Agrarminister der Bundesrepublik mit einem Schlagwort profilieren, so könnte man Wilhelm Niklas den „Pessimisten“, Heinrich Lübke den „Optimisten“ und Werner Schwarz den „Zweifler“ nennen. Schwarz war keineswegs ein Verlegenheitskandidat Adenauers, obwohl er nicht der einzige Kandidat für die Lübke-Nachfolge gewesen ist Staatssekretär Sonnemann stand offensichtlich nicht auf der Ministerliste, dafür betonte er viel zu deutlich seinen Beamten-status

Schwarz, der am 1. Oktober 1959 das Ministeramt übernahm, war „gelernter“ Landwirt und bewirtschäftete einen Gutshof in Norddeutschland. Seine agrarpolitische Karriere begann nach 1945 im Bauernverband Schleswig-Holstein. Nach Schwarz’ dreijähriger Amtszeit schied Sonne-mann aus seiner ministerialen Tätigkeit, offensichtlich nicht zuletzt wegen der inzwischen angewachsenen Spannungen zwischen Bonn und Brüssel um den europäischen Agrarmarkt. Seit März 1962 fungierte als neuer Staatssekretär Diplomlandwirt Rudolf Hüttebräuker, der aus der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsverwaltung und damit aus dem engen Mitarbeiterkreis Lübkes kam

Schwarz übernahm sein Amt in einer besonders heiklen Situation und sah sich an einer Stelle, „an der politische Forderungen von der einen Seite und wirtschaftliche Notwendigkeiten von der anderen zusammenstießen“ Der neue Minister schien sich offenbar einen agrarpolitischen Standpunkt zu eigen gemacht zu haben, der nicht in jedem Falle der Standpunkt des Deutschen Bauernverbandes war, denn Edmund Rehwinkel, seinerzeit Präsident des Deutschen Bauernverbandes, bezeichnete schon sehr bald nach seinem Amtsantritt Schwarz’ Politik als „größte Enttäuschung“ und bedauerte, nicht dem CDU-Bundestagsabgeordneten Lücker „in den Sattel geholfen zu haben, er hätte nicht halb soviel Unheil angerichtet“

Agrarpolitik im Selbstverständnis des neuen Ministers Für Schwarz stellte die Agrarpolitik einen Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik dar; dabei hielt er sich streng an die Doppelaufgabe seines Amtes, nicht nur Minister für die Landwirtschaft zu sein, sondern als Ernährungsminister die mitunter krass unterschiedlichen Interessen von Produzenten und Konsumenten in Einklang zu bringen Staatsinterventionismus bedeutete für ihn — ganz im Sinne des Deutschen Bauernverbandes — kein „Geschenk“ der öffentlichen Hand, sondern wurde als „politische und soziale Verpflichtung“ verstanden. Der Staat sollte nicht der wirtschaftlichen Bequemlichkeit Vorschub leisten, sondern müßte die Landwirtschaftsbetriebe in einen Zustand zeitgemäßer, d. h. konkurrenzwürdiger Wirtschaftsweise bringen. Hierfür war der Ausgleich zwischen den traditionell konfligierenden Wirtschaftsgruppen die Hauptvoraussetzung.

Schwarz’ Appelle zur bäuerlichen Kooperation waren ebenso zahlreich wie unmißverständlich. Subventionen, insbesondere bei Milch und Kunstdünger, befürwortete er (allerdings nur bis 1961), zumal die westeuropäischen Staaten ihre Landwirtschaft mit wesentlich höheren Mitteln als die Bundesrepublik unterstützten. Unter diesem Aspekt kam den Subventionen die Funktion zu, die Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen. Im internationalen Vergleich lagen in der Tat die deutschen Frachtraten (Bundesbahn) wesentlich höher als in den Konkurrenzländern. Nach 1961 schien sich Schwarz in der Subventionsfrage gewandelt zu haben, denn statt der öffentlichen Finanzierung betonte er nun als Leitgedanken die „Anpassung der Erzeugung an den Markt“ wesentlich deutlicher als zuvor. Seit 1962 sprach er sich direkt gegen die traditionelle Subventionierung der Milchwirtschaft aus und baute — gegen den Protest des Deutschen Bauernverbandes — die Finanzhilfe für Düngemittel ab Mit Erhard wußte sich Schwarz grundsätzlich darin einig, daß die Landwirtschaft inzwischen zu einem starken „Kostgänger“ der öffentlichen Hand geworden war

Schwarz machte sich, wofür es zahlreiche Beispiele gibt, in prekären Entscheidungssituationen die Ratschläge der unterschiedlichen Interessengruppen zu eigen und tendierte generell zum Kompromiß, nicht zur „einsamen Lösung“. Agrarpolitik besaß für ihn auch eine wichtige Bedeutung im deutsch-deutschen Verhältnis: Gegenüber der kollektivistischen Agrarpraxis der DDR-Führung galt es in der Bundesrepublik, systematisch die Agrarpolitik auf die „Festigung der Familienwirtschaft“ hin auszurichten; das setzte allerdings voraus, Agrarpolitik nicht allein mit dem „ökonomischen Verstand“ zu betreiben, sondern mit eindeutiger gesellschafts-und staatspolitischer Zwecksetzung. So gesehen lag die neue Bedeutung der Agrarpolitik in ihrer Funktion als „ideologischer Schutzwall" gegen den Kommunismus

Der europäische Getreidepreis als casus belli Schwarz übernahm eine Marktordnungs-, Preis-und Strukturpolitik, die dem Anpassungsdruck an die Verhältnisse des europäischen Agrarmarktes nicht gewachsen war. Der landwirtschaftliche Produktionssektor litt beträchtlich unter dem strukturellen Nahrungswandel, insbesondere bei Milch, Getreide/Mahlprodukten und Kartoffeln sowie unter der Kostenexplosion auf dem Verarbeitungs-und Handelssektor; dazu kam, daß sich das schrumpfende Arbeitseinkommen in der Landwirtschaft gegenüber dem Industrielohn immer mehr als „Sprengkörper der ländlichen Sozial-und Wirtschaftsverfassung“ entwickelte Ferner kamen dazu die Probleme mit dem Preisgefüge auf dem europäischen Agrarmarkt. Im Ringen um ein einheitliches Preisniveau mußte Schwarz eine schwere politische Niederlage hinnehmen, die bis tief in den persönlichen Bereich ging. Erstaunlicherweise erregt das Getreidepreis-problem der frühen sechziger Jahre die Gemüter noch immer sehr stark. Befürworter der europäischen Agrarintegration um jeden Preis wie Hermann Priebe und Hans von der Groeben sowie Skeptiker wie Werner Schwarz und Edmund Reh-winkel führten einen wortreichen „Stellungs-krieg“, der nur die strenge Parteinahme für die eine oder für die andere Seite, jedoch keine Vermittlerposition erlaubte (und wohl noch immer nicht erlaubt).

Ob mit dem deutschen Widerstand gegen die europäische Getreidepreisregelung von Brüssel im Dezember 1964 der Versuch der bundesdeutschen „Agrarlobby“ verbunden war, in den Protektionismus des Deutschen Kaiserreichs zurückzufallen, bedarf noch immer zu seiner Bestätigung einer differenzierten und unvoreingenommenen Analyse, die sich nicht nur auf die Agrarpreispolitik der deutschen Seite, sondern auf die aller europäischen Partnerstaaten zu konzentrieren hat. Die sachliche Analyse des Getreidepreisproblemsjenseits aller politischen Emotionen beweist keineswegs die These von der zeitüberdauernden Existenz einer gruppenegoistischen „Grünen Front“ in der Bundesrepublik

Über das Zustandekommen gemeinsamer europäischer Preise für Weizen, Roggen, Gerste und Mais, die gegenüber dem alten Preis der fünfziger Jahre zwischen 47, — und 55, — DM niedriger lagen ist viel in der agrarpolitischen Tagespublizistik und gegen Schwarz geschrieben worden.

Nahm er sich der Argumente des Deutschen Bauernverbandes wirklich zu unkritisch an und erwies er sich tatsächlich als „schlechter Europäer“? Sicher ist, daß die Zustimmung der deutschen Delegation in der Preisdebatte Schwarz vor vollendete Tatsachen stellte und der Minister sich zwangsläufig in eine Reihe mit jenen politischen Kräften gestellt sah, die Kritik an der Wirtschaftspolitik von Bundeskanzler Erhard übten Tatsache ist aber auch, daß Schwarz die wirtschaftspolitische Linie Erhards gegenüber dem Deutschen Bauernverband vertrat, als sich die Bundesregierung zur Zahlung einer Investitionsbeihilfe in Höhe von 380 Mio. DM bei gleichzeitiger Kürzung der Mittel für den Grünen Plan 1965 um 7% und bei 20%iger Finanzsperre für Baumaßnahmen aussprach

In der Getreidepreisfrage steckte Schwarz zwischen nationaler Neigung und europäischer Pflicht in einem tiefen Dilemma. Auf dem Höhepunkt der Krise schien er sich hilflos demgegenüber ausgesetzt zu fühlen, was in den Jahren zuvor der EWG-Ministerrat im Sinne der Gemeinsamkeit und teilweise damit zwangsläufig gegen die spezifischen Produktionsbedingungen der deutschen Landwirtschaft beschlossen hatte, und das war von grundsätzlicher Bedeutung: u. a. die Beschleunigung des Zollabbaus (3. Mai 1960), die schnelle Realisierung gemeinsamer Agrarpolitik durch die Verkürzung der Übergangszeit (14. Januar 1962), schließlich durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, wonach Gemeinschaftsrecht vor nationalem Recht rangiert (15. Juli 1964).

All das löste die bundesdeutsche Agrarpolitik mehr oder weniger stark aus ihrer traditionell nationalen Orientierung heraus, schob manches dringende Problem auf die lange Bank und führte zwangsläufig in der agrarpolitischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik zu der Frage, welche Position der deutschen Landwirtschaft im europäischen Gesamtrahmen überhaupt zukommen würde. Schwarz hatte nie einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Rahmenbedingungen für eine reibungslose Agrar-Integration ungünstig waren; er sprach sich nicht generell gegen Agrar-Europa aus, sondern lediglich gegen seine übereilte, überwiegend außenpolitisch motivierte und primär bürokratische Realisierung.

Das Ministeramt wurde Schwarz mehr und mehr zur Bürde, denn überall sah er sich einer massiven Kritik ausgesetzt: in der Regierung Erhard, in Brüssel, gegenüber prominenten Agrarwissenschaftlern (im Zusammenhang mit dem umstrittenen „Professorengutachten“ 1962) und der organisierten Bauernschaft. Der „Fall von Brüssel“ 1964 hing ihm noch lange an. Manche Kritik, wie die an seiner vermeintlich bedingungslosen Parteigängerschaft zugunsten des Deutschen Bauern-verbandes, klingt heute überspitzt. Nach sechsjähriger Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag und nach sechs problemreichen Amtsjahren hatte Schwarz „seine Pflicht für das Vaterland“, wie er sich einmal ausdrückte, getan. Er schied in Resignation, wohl hauptsächlich wegen der agrarpolitischen Zukunft Europas. Schwarz, der hochsensible Politiker, hatte ein schweres „Erbe“ zu verwalten gehabt; daß er hierbei nicht immer im Sinne eines generellen Kompromisses erfolgreich war, lag an den ungünstigen Ausgangsbedingungen seiner Ministertätigkeit, die auch einem anderen Politiker an seiner Stelle Komplikationen bereitet hätten.

IV. Hermann Höcherl (1965— 1969): Auf dem Weg zu einer neuen Agrarkonzeption

Bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Werner Schwarz sind „viele Namen“ genannt worden. Daß schließlich Hermann Höcherl zum Hauptkandidaten wurde, beruhte in erster Linie auf der Initiative seines Vorgängers, der sich über die Aussichten seines Vorschlags zuvor bei führenden Verbandspolitikern versichert zu haben schien. Der neue Ernährungs-und Landwirtschaftsminister sollte vor allem aus Gründen des regional-konfessionellen Proporzes wieder einmal aus Süddeutschland kommen. Höcherl gehörte als CSU-Mitglied dem Bundestag seit 1953 an und fungierte seit November 1961 als Bundesinnenminister. Den Wechsel in das fremde Ressort quittierte die politische Öffentlichkeit mit Überraschung. Der Deutsche Bauernverband erwartete von ihm „eine harte und gradlinige Politik“ in Brüssel sowie eine stärkere Position gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister, der für EWG-Fragen zuständig war

Die Einsetzung eines neuen Landwirtschaftsministers bedeutete zunächst keinen Bruch mit der Politik des Vorgängers. Für die programmatische Kontinuität sorgte die Ministerialbürokratie, die sich zum Teil aus hervorragenden Experten für die verschiedensten Sachgebiete zusammensetzte. Höcherl besaß bei seiner Amtsübernahme erwartungsgemäß kein fertiges Programm; erst 1969 faßte er seine Vorstellungen in einem pointierten Bericht zur agrarwirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik und darüber hinaus zusammen

Gleich am Anfang seiner Amtstätigkeit sah sich Höcherl in die Lage versetzt, die Regierung Erhard vor den Angriffen des Deutschen Bauernverbandes wegen der nicht eingehaltenen Versprechungen zur Stabilisierung des Agrargefüges in Schutz zu nehmen. Bald legte er das Image des „agrarpolitischen Neulings“ ab. Er ging in seinen agrarpolitischen Überlegungen von der festen Annahme aus, daß man in den eigenen europäischen Bereichen eher eine „Gefahr des Mangels als des Überflusses“ haben würde wogegen der beste Schutz nur in der Landwirtschaft selbst liege: Die Bauern — selbst die Kleinbauern — sollten nicht in andere Berufsgruppen abwandern, sondern es müßten Voraussetzungen für ihr Verbleiben im Agrarsozial-und Wirtschaftsgefüge geschaffen werden; dementsprechend sah Höcherl in der Agrarpolitik primär den staatlichen Einsatz zur Lösung nicht nur eines ökonomischen, sondern ebensosehr eines sozialen, siedlungspolitischen und Raumordnungsproblems.

Hierin vertraute er weniger den traditionellen Konzepten seiner Vorgänger, als vielmehr den abstrakten „Modellen“ der Agrarwissenschaftler Im Gegensatz zu seinen Vorgängern verdient Höcherl das Prädikat: der „Theoretiker“. Anders als bei Schwarz schien sich sein Verhältnis zu den Vertretern der universitären Agrarwirtschaftslehre entspannt zu haben, denn er hielt es für nützlich, „auf die von der Wissenschaft seit langem analysierten Zusammenhänge zwischen volkswirtschaftlichem und agrarwirtschaftlichem Wachstum zurückzugreifen“. Vor allem schien er Heinrich Niehaus, Arthur Hanau, Roderich Plate und Emil Woermann zu vertrauen

Ob Landwirtschaftspolitik effektvoll durchzusetzen war, daran zweifelte Höcherl wegen des relativen Zurückbleibens des Agrarsektors gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen offensichtlich. Agrarpolitik schien sich für ihn aus der Synthese von Interessen der Produzenten, der Verbraucher und des internationalen Warenaustauschs zu ergeben. Die Rolle des Staates sollte dabei eher zurückhaltend sein, „denn es kann kein befriedigendes Ziel eines Wirtschaftsbereiches sein, auf Dauer unter staatlicher Bevormundung zu leben und dabei allmählich in die Situation eines wirtschaftspolitischen Reservats zu gelangen“

Das Agrarprogramm 1968

Höcherls Name verbindet sich vor allem mit dem Agrarprogramm vom Juli 1968, das seit Frühjahr desselben Jahres vor einer Gruppe jüngerer Mitarbeiter des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Kooperation mit Agrarwirtschaftstheoretikern („Völkenroder Kreis“) erarbeitet, im Juni 1968 im Bundeskabinett in seinen Grundzügen diskutiert, gebilligt und dann veröffentlicht wurde. Parallel dazu veröffentlichte das Bundeswirtschaftsministerium ein regionales Wirtschaftsprogramm. Beide Programme dienten einem Kabinettsbeschluß als Grundlage weiterer strukturpolitischer Maßnahmen

Das Gesamtkonzept stand in engem Zusammenhang mit einer dreifachen Herausforderung des Landwirtschaftsministeriums: Da waren zunächst die strukturpolitischen Vorschläge des Vizepräsidenten der EWG-Kommission, Sicco Mansholt, dazu kam das Agrarprogramm des Deutschen Bauernverbandes vom Februar 1968 und schließlich der sich unter den Bauern ausbreitende kollektive Unmut, in den sich auf eigentümliche Weise die Studentenunruhen in den Städten mischten. Wenige Tage bevor Höcherl im Plenum des Bundestages sein Agrarprogramm vorlegte (25. Juni), hatte der Deutsche Bauernverband am 15. Juni 1968 seine „Leitsätze zur Strukturpolitik“ veröffentlicht. Das entsprach einem absichtsvollen politischen Timing

Mit welchen Mitteln sollte die propagierte Infrastrukturpolitik realisiert werden? Höcherl stellte Preisanhebungen vage in Aussicht, befürwortete eine „aggressive Absatzpolitik“ auf neuer institutioneller Basis, prophezeite den „vollständigen oder teilweisen Übergang von Landwirten mit unzureichender Existenzgrundlage in einen außer-landwirtschaftlichen Beruf. In diesem Punkt revidierte er seine eigenen ursprünglichen Aussagen über ein größtmögliches Verbleiben der Bauern im traditionellen Gesellschafts-und Wirtschaftsmilieu und näherte sich den spektakulären Reformabsichten Mansholts. Mansholt betrieb zur Bekämpfung des allgemeinen Produktionszuwachses eine Agrarpolitik des Schrumpfens, wonach bis 1980 etwa 4— 5 Millionen Hektar, das waren 5— 7% der landwirtschaftlichen Nutzfläche der europäischen Agrargemeinschaft, „aus der Bewirtschaftung genommen“ und anderen Verwendungszwecken zugeführt werden sollten.

Schließlich ergänzte Höcherl sein Programm mit einem regionalen Entwicklungsplan, u. a. durch die Förderung von Fremdenverkehrseinrichtungen und den Bau von Atomkraftwerken. In betriebsstruktureller Hinsicht bewegten sich Höcherls Pläne ganz im Rahmen dessen, was Heinrich Lübke und Werner Schwarz intendiert und teilrealisiert hatten: Flurbereinigung, Aufstokkung, Hofsanierung und ländliche Sozialpolitik.

Er propagierte sein Programm jedoch ohne Illusionen: Es würde der Landwirtschaft keine kurzfristigen Einkommensverbesserungen bringen, ihr dagegen aber „schwerwiegende Umstellungen“ zumuten

Der Deutsche Bauernverband lobte zwar das Gesamtkonzept und seine positiven Ansatzpunkte, zumal es dazu angetan zu sein schien, das innenpolitische Klima in der Bundesrepublik zu verbessern, aber er warnte auch vor den Lücken des Programms und vor der um sich greifenden Staatsverdrossenheit unter den Bauern. Höcherl und seinen neuen Staatssekretär, Fritz Neef bedachten die Verbandspolitiker mit massiver Kritik an Details des Programms, vor allem in preispolitischen Fragen. Die schärfsten Reaktionen riefjedoch der Plan des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller hervor, der sich unter regionalpolitischen Aspekten in mehr oder weniger deutlicher Anlehnung an Mansholts Vorstellungen für das Ausscheiden von ca. 1 Million Vollarbeitskräften aus der bundesdeutschen Landwirtschaft aussprach

Höcherls Zukunftsperspektive Vom Programm her betrachtet sollte die deutsche Agrarwirtschaft der siebziger Jahre einen Wandel im Sinne verstärkter „Industrialisierung“ erfahren und künftig folgende Merkmale tragen:

— Erstens sollten ihre Produkte mit gesetzlichen Mitteln und hohem Finanzaufwand optimaler als je zuvor vermarktet werden;

— zweitens sollten für abwanderungswillige Bauern nach Schillers Regionalprogramm, das bis 1980 die Schaffung von ca. 20 000 neuen gewerblichen Arbeitsplätzen pro Jahr vorsah, neue Erwerbsmöglichkeiten in außerlandwirtschaftlichen Bereichen geboten werden;

— drittens sollten gehobene Betriebsgrößen mit vermehrtem Kapitaleinsatz (pro landwirtschaftlicher Arbeitskraft bis zu 300 000 DM) entstehen; — viertens setzte die staatliche Agrarpolitik vermehrt auf die Entwicklung der Vollerwerbsbetriebe zu Lasten der Nebenerwerbslandwirtschaft; — fünftens wurde die „Eingangsschwelle“ für die Förderung der Betriebe höher gesetzt, was sich zweifellos zum Nutzen der ohnehin prosperierenden Großbetriebe ausgewirkt hätte;

— sechstens setzte Höcherl auf die vermehrte Bereitschaft der Bauern zu überbetrieblicher Kooperation. Höcherls Agrarpolitik hinterläßt — wie die zweite Hälfte der sechziger Jahre allgemein — den Eindruck eines Bruchs mit dem Bisherigen. Einerseits bemühte sich Höcherl um die Harmonisierung nationaler und europäischer Interessen und suchte konstruktiv nach Mitteln zur Lösung des struktu-rellen Agrarproblems wie seine Amtsvorgänger auch. Andererseits stellte erjedoch die Weichen in eine Agrarentwicklung, die das Vorzeichen des belastenden Überflusses bis heute trägt. Die in Höcherls scharfsinniger Analyse „Die Welt zwischen Hunger und Überfluß“ (1969) entworfene Zukunftsperspektive der deutschen Landwirtschaft löst beim heutigen Betrachter wegen ihrer optimistischen Grundstimmung zwangsläufig Erstaunen aus. Es wäre aber verfehlt, dem Autor das Krisenbewußtsein der Zeitgenossen von heute zu unterstellen. Die Warnzeichen seit Mitte der sechziger Jahre waren in der Tat noch nicht groß genug, um die Grenzen des Staatsinterventionismus, der Finanzierung und des Wirtschaftswachstums realistischer einzuschätzen.

V. Josef Ertl (1969— 1983): Agrarpolitik im Spannungsfeld deutscher und europäischer Interessen

Der Nachfolger Höcherls fand ein problemreiches Arbeitsfeld vor; es reichte „von der Politik des , Leeren Stuhles* in der EWG durch Frankreich 1965 über Haushaltsschwierigkeiten bis zur Getreidepreissenkung 1967 und der Rezession mit ihren Folgen“ Bahnte sich mit der sozial-liberalen Koalition eine agrarpolitische Wende in der Bundesrepublik an? Obwohl Höcherl eindrucksvoll unter Beweis gestellt hatte, daß das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht unbedingt von einem „gelernten“ Landwirt verwaltet werden muß, wenn der engere Mitarbeiterstab aus erstklassigen Spezialisten besteht, ging das Amt im Falle des aus Bayern stammenden Diplomlandwirts Ertl wieder an einen Fachmann. Das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes erhoffte sich von ihm einen „guten Anwalt“ der Landwirtschaft in der SPD-FDP-Koalition, der überzeugt das Ziel verfolgt, „daß es auch in der Industriegesellschaft einen bäuerlichen selbständigen Betrieb geben muß“.

Ertl und seine Staatssekretäre (Hans-Dieter Griesau, Hans-Jürgen Rohr ab 1973 und Georg Gallus ab 1977) signalisierten von Anfang an eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit, insbesondere mit Bauernverbands-Präsident Constantin Frhr. von Heereman, der gleich zu Beginn seines Amtsantritts der neuen Bundesregierung eine loyale Haltung des Verbandes angekündigt hatte Trotz manchen verbalen Schlagabtauschs zwischen dem Minister und dem Deutschen Bauernverband blieb das anfängliche Vertrauensverhältnis die gesamte Amtsperiode Ertls hindurch nahezu ungetrübt. Der neue Minister ließ in seinen Verlautbarungen erkennen, daß er sich zur Agrar-und Europa-Politik seines Vorgängers bekannte und auf dessen Vorarbeiten in Bonn und Brüssel aufbauen würde. Dabei ergaben sich zwangsläufig zwei Hauptschwerpunkte: die Fortführung des Anpassungsprozesses des Agrarwirtschaftsgefüges an das nationale Industriewirtschaftsgefüge durch eine spezifische „Gesellschaftspolitik“ für den ländlichen Raum sowie die Forcierung des europäischen Integrationsprozesses über die sechs Gründerstaaten hinaus in einer Weise, daß die Agrarpolitik nicht zum „Sprengstoff des Einigungswerkes“ wird

Die Alternative „Wachsen oder Weichen“ in den siebziger und achtziger Jahren In den siebziger Jahren wurde der langfristige Strukturwandel des landwirtschaftlichen Produktionsbereichs Gegenstand einer sehr heftigen Kontroverse zwischen Agrarpolitikern, -Wissenschaftlern und -praktikern. Ertl hatte sich von vornherein auf den strukturellen Wandel der Landwirtschaft einzustellen, den seit 1974/75 nicht mehr ein rapider Verlauf wie ehedem kennzeichnete, zumal die prekäre Arbeitsmarktlage die Bereitschaft zum Wechsel der beruflichen Tätigkeit unter den Bauern merklich dämpfte. Tendenziell verlief zwischen 1970 und 1983 die Entwicklung der Betriebsgrößen-Klassen zugunsten der Betriebe über 20 Hektar sowie der Voll-und Nebenerwerbsbetriebe zu Lasten der Zuerwerbsbetriebe bei stark schrumpfendem Anteil der vollbeschäftigten familieneigenen und ständig beschäftigten familienfremden Arbeitskräften

Ertl gilt bei seinen eifrigsten Kritikern als Verfechter einer widersinnigen Strukturpolitik, bei der — wie z. B. Hermann Priebe betont — „die alte Großbauernideologie“ durchgekommen sei Tatsache ist jedoch, und dafür gibt es eine Fülle von Belegen, daß Ertl nie versucht hat, der mittelständischen Landwirtschaft auf der Basis der Familienarbeitsverfassung vorsätzlich und mit einer ideologischen Zwecksetzung die Existenzberechtigung zu nehmen. Er teilte vielmehr mit Staatssekretär Gallus die Befürchtung, daß auf die bäuerliche Landwirtschaft Gefahren zukommen würden, die infolge der engen Verzahnung von Struktur-und Preispolitik unter nationalwirtschaftlichem Aspekt, also von Bonn aus nur marginal zu beeinflussen sei. „Monostrukturen“ auf dem Lande lehnte Ertl nachdrücklich ab, befürwortete statt dessen eine „möglichst große Vielfalt von Existenzformen im Voll-, Zu-und Nebenerwerb“ und favorisierte die „Entwicklungsfähigkeit“ anstelle der „Bedürftigkeit“ der Betriebe.

Ertl setzte mit seiner Strukturpolitik primär ökonomische, erst danach soziale Akzente. Hierin unterschied er sich wohl am deutlichsten von seinem Nachfolger. Der Sinn seiner Politik lag darin, die fortschreitende Konzentration in der Produktion aufzuhalten und die „Entwicklung zu immer größeren Einheiten ohne Bindung an die Fläche auf ein Minimum zu reduzieren“.

Ein schneller Erfolg war nicht zu erwarten, nachdem Ertl mit seiner Politik des Eindämmens großer Produktionspotentiale erst in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre mit Nachdruck begann. Spätestens seit den Strukturrichtlinien der EG-Kommission vom 29. April 1970 traf Ertl struktur-politische Entscheidungen nicht mehr allein. Das dichte Neben-und Ineinander von deutschen und europäischen Kompetenzen macht eine ausgewogene Beurteilung unter nationalwirtschaftlichem Aspekt nahezu unmöglich. Die agrarpolitischen Grenzen zwischen Bonn und Brüssel begannen immer mehr zu verschwimmen und gestatten unter zeithistorischem Aspekt strenggenommen keine kritische Bestandsaufnahme der strukturpolitischen Perspektiven Ertls.

Seit den frühen siebziger Jahren wurde die bundesdeutsche Strukturpolitik um die europäische Dimension erweitert; sie lag fortab nicht mehr auf einer nationalen und einer internationalen Ebene getrennt, sondern auf einer gemeinsamen Ebene.

Damit rückte die Wechselwirkung deutscher und europäischer Agrarstrukturpolitik noch stärker als zuvor in den Mittelpunkt wissenschaftlichen Interesses, und es stellt sich die Frage, ob nicht gerade die klein-und mittelbäuerliche Landwirtschaft der Bundesrepublik von den Hilfsmaßnahmen der kleinstrukturierten Gebiete West-und Südeuropas mitprofitierte. Zweifellos beeinflußte die EG-Kommission deutsche Strukturverhältnisse mit: Allein zwischen 1973 und 1976 entfielen von den ca. 55 000 Betriebsentwicklungsplänen immerhin 41% auf die Bundesrepublik, und zwar weitgehend in der Größenklasse von 20— 50 Hektar.

Die staatliche Strukturpolitik befand sich auf Dauer in einem Zielkonflikt nicht nur zwischen Bonn und Brüssel, sondern auch in der Bundesrepublik zwischen Regierung, Deutschem Bauernverband und Agrarwissenschaft. Ertl fühlte sich zuweilen zwischen den Stühlen sitzend und mußte immer wieder energisch seine Politik verteidigen. Der Streit drehte sich vor allem um vier Fragen: 1. Dient die Strukturpolitik als Ersatz für Preispolitik? 2. Sollte gezielt oder global gefördert werden?

3. Sollte die Strukturpolitik auf bestimmte Betriebsgrößen gerichtet sein?

4. Liegt die Priorität bei der sozialen oder bei der wirtschaftlichen Ausrichtung der Strukturpolitik

Ertl versuchte zwar, die strukturpolitischen Konsequenzen der Preispolitik in engen Grenzen zu halten, er kam jedoch gegen einen generellen Trend nicht an. Im Gegensatz zum Deutschen Bauernverband und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beharrte Ertl auf gezielter Förderung und lehnte damit den „bayerischen Weg“ des „Gießkannen“ -Prinzips ab. Der Nebenerwerb spielte in seiner Zukunftsperspektive nur eine Randrolle, womit er unter seinen Kritiken die Vorstellung der großbetrieblichen Landwirtschaft „ 2000“ in Gestalt von „Agrarfabriken“ heraufbeschwor Ertls Ziel stellte jedoch bei näherem Hinsehen nicht die „Agrarfabrik“ dar. Der sogenannte „holländische Weg“, der 1981/82 etwa 64% der Milchvieh haltenden und 83% der Schweine erzeugenden Betriebe die Existenz gekostet hatte, schien ihm in eine Sackgasse zu führen, die schon aus innenpolitischen Gründen zu vermeiden war. An Vorschlägen zur Abänderung der Politik Ertls hat es zu keiner Zeit gefehlt; sie kamen, wie im Mai 1982, aus der damaligen Bundesregierung selbst, aber auch aus der Wissenschaft und den Bundesländern. Daß sie sich innerhalb kurzer Frist nur begrenzt als durchführbar erwiesen, unterstreicht die zunehmende Erstarrung eines noch in den fünfziger und sechziger Jahren flexiblen agrarpolitischen Instrumentariums. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern wird man Ertl wohl am besten gerecht, wenn man ihm das Prädikat des „Pragmatikers“ gibt.

VI. Ignaz Kiechle (ab Frühjahr 1983): Auf der Suche nach agrarpolitischen Alternativen

Nach den Neuwahlen auf Bundesebene 1983 ging das Agrarressort von der FDP an die CSU über. Ignaz Kiechle gehört dem Deutschen Bundestag seit 1969 an und ist seit 1976 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der CDU/CSU-Fraktion. Er gehörte zu den hartnäckigsten und zugleich konstruktivsten Kritikern Ertls, mit dem ihn die berufliche Herkunft aus der praktischen Landwirtschaft verbindet. Der Freidemokrat Georg Gallus verblieb weiterhin im Amt des Staatssekretärs, während mit Wolfgang von Geldern der zweite Staatssekretär aus der CDU Niedersachsens kommt

Stärker als sein Vorgänger setzt Kiechle den agrarpolitischen Akzent auf vier Bereiche: auf die Erhaltung einer bäuerlichen, auch kleinbäuerlichen Landwirtschaft, auf den Abbau der kostspieligen Überproduktion, auf die Stabilisierung des Marktordnungssystems der Agrargemeinschaft und auf die Harmonisierung des Widerspruchs zwischen Landtechnik und Umwelt. Wie er die gegenwärtige Lage der Landwirtschaft sieht und welche agrarpolitischen Alternativen er für möglich hält, brachte er in seinem 1985 veröffentlichten Buch „... und grün bleibt unsere Zukunft“ pointiert zum Ausdruck. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern denkt Kiechle viel stärker in agrarhistorischen Kategorien, was zu der Hoffnung berechtigt, daß er den langfristigen Vorbelastungen der deutschen Agrarwirtschaft und -gesellschaft in seinen Planungen mehr Rechnung zu tragen beabsichtigt.

Gegenüber Agrar-Europa zeigt sich Kiechle eher zurückhaltend als optimistisch, ohne dabei die Renationalisierung der Agrarpolitik zu favorisieren. Drei Grundmängel der Europäischen Agrargemeinschaft hält er mehr oder weniger deutlich für irreparabel:

1. Den Mangel ihrer unzureichenden institutionellen Bindung durch das Europäische Parlament; 2. die Belastung der Agrarpolitik durch Integrationsdefizite in anderen Politikbereichen (z. B. Haushalts-und Steuerpolitik);

3. die Kostspieligkeit der Agrarmarktorganisation bis hin zur finanziellen Erschöpfung der Eigenmittel der Gemeinschaft.

Kiechle macht kein Hehl daraus, daß Europa heute mehr ernüchtert als Sympathisanten mobilisiert, denn die Brüsseler Agrarszene sei für Außenstehende völlig verwirrend. Selbst für einen sachkundigen Beobachter sei das Zustandekommen mancher Entscheidungen nur schwer nachvollziehbar Brüssel erscheint für Kiechle als Hort fortwährender Enttäuschung über ein Gemeinschaftswerk, das einst hoffnungsvoll begann und heute wegen konkurrierender Ziele und Interessen nicht mehr zu rationalen Entscheidungsprozessen gelangen kann. Demzufolge dürfte dem amtierenden Ernährungs-und Landwirtschaftsminister die Gemeinschaftspolitik eher Pflicht als Neigung bedeuten.

In der bäuerlichen Massenbasis der Bundesrepublik sieht sich Kiechle mitunter heftigen Angriffen ausgesetzt, weil er sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger die „Bürde des Überschusses“ zu verteilen gezwungen sieht. Stärker noch als Ertl fühlt sich Kiechle vor die Aufgabe gestellt, „den wachsenden Ansprüchen der Gesellschaft an eine gesunde und qualitativ hochwertige Ernährung, dem zunehmenden Ökologiebewußtsein und dem Tierschutz (einen) höheren Stellenwert einzuräumen“

Eine endgültige Beurteilung der Erfolgsaussichten seiner neuen agrarpolitischen Konzeption erscheint heute noch nicht möglich. Kiechle wird sich, wenn ausreichend Zeit vergangen ist, an seinen selbstgewählten Zielvorstellungen messen lassen müssen: an der Erhaltung leistungsfähiger Familienbetriebe, an der Funktionsfähigkeit des Gemeinsamen Agrarmarktes, am Abbau der Konzentrationstendenzen im Produktionsbereich, an der Sicherung des sozialen Status der Bauern sowie am Abbau der Umweltbelastungen durch die hochtechnisierte Landwirtschaft. Kiechle hat zweifellos ein schweres agrarpolitisches „Erbe“ übernommen; viel weniger als bei seinen Vorgängern stehen ihm zu seiner Bewältigung erprobte Krisenkonzepte der Vergangenheit zur Verfügung. Er verwaltet ein Ressort, das von Problemen überhäuft ist, zu deren Lösung zum Teil ganz neue Wege erst noch gefunden werden müssen.

VII. Ausblick: Die Zwänge moderner Agrarpolitik und die Landwirtschaft im Jahr 2000

Um einen Ausblick zu wagen, verleugnet der Historiker für einen Moment sein traditionelles Metier, das der rückwärtsgewandten Prophetie, und nähert sich der risikoreichen Spekulation, zu der die Auseinandersetzung mit der Lage der deutschen und europäischen Landwirtschaft über vier Jahrzehnte seit Kriegsende verlockt.

In welche Richtung hin wird sich das heutige Agrarwirtschaftssystem unter dem langfristigen Einfluß bereits erkennbarer Wandlungstendenzen entwickeln? Die Agrarpolitik der kommenden Jahre richtet sich auf ein traditionsbeladenes Wirtschaftsgefüge, dessen gesellschaftliche Trägergruppen folgende fünf Erfahrungen von tiefer Prägekraft gemacht haben: Da war, erstens, das Trauma des Massenhungers 1944 bis 1948, zweitens die zunächst ideologisch und finanziell forcierte, im Zweiten Weltkrieg jedoch steckengebliebene Modernisierung des „Bauerntums“, drittens die rigorose Beseitigung des bäuerlichen Mittelstandes in der DDR nach 1949, viertens der seit der Weltwirtschaftskrise 1929/30 vollentwickelte Staatsinterventionismus und fünftens die Westintegration seit der Ära Adenauer. Jede Änderung des solchermaßen geformten Kurses der Agrarpolitik — die Unterproduktion, der Abbau der Modernisierung, die Beseitigung des bäuerlichen Familienbetriebes, mehr „Staat“ und eine Renationalisierung — würde die grundlegenden historischen Erfahrungen in Frage stellen und die bäuerliche Gesellschaft höchstwahrscheinlich in eine politische Irritation stürzen.

Unbestritten bleibt die historische Leistung der westdeutschen Bauern, die spätestens seit 1955 den Massenbedarf überwiegend aus eigener Produktion befriedigten — und das in einer hierzulande nie gekannten Warenvielfalt und -qualität. Aber seit einigen Jahren leidet die deutsche Landwirtschaft (wie die der meisten EG-Staaten auch) an einem bislang unbekannten Defekt: am Überfluß der Erzeugnisse aller Art. Vom Idealziel landwirtschaftlicher Tätigkeit, der rentablen Erzeugung preisgünstiger und qualitativ hochwertiger Nahrungsgüter bei schonendem Umgang mit belebter und unbelebter Natur, scheinen die Bauern heute mehr denn je entfernt zu sein. Der Überfluß gerät immer mehr zur finanziell-politischen Bürde, weil beispielsweise die Lagerkosten nicht-abgesetzter Agrarprodukte inzwischen Summen verschlingen, die sich unserer Vorstellungskraft nahezu entziehen. Die gefüllten Silos täuschen zudem über die prekäre Einkommenssituation der Bauern insgesamt hinweg: Ein Drittel der 360 000 Vollerwerbsbetriebe in der Bundesrepublik wirtschaftet mangels Betriebsgewinnen auf Eigenkapitalbasis, ferner herrscht in der Landwirtschaft verdeckte Arbeitslosigkeit, die Landwirtschaft ist überdies in ihrer Betriebsführung personell überaltert und zunehmend nachwuchslos. Das langjährige Produktionsoptimum zieht mehr und mehr die Umwelt in Mitleidenschaft. Die bäuerliche Verbandsbasis ist zum Teil desillusioniert, weil sie den vermeintlichen oder tatsächlichen Zick-Zack-Kurs in Bonn und Brüssel nicht mehr überschauen kann, weil darüber hinaus Massen-aktionen die traditionelle Verbandsdiziplin tangieren, jedoch in ihrer beabsichtigten Wirkung auf die öffentliche Meinungsbildung schwach bleiben. Die Bauern spüren sehr deutlich, daß sie politisch, gesellschaftlich und materiell in der fortschreitenden Industriegesellschaft ein Rand-dasein führen werden.

Die Europäische Gemeinschaft befindet sich an einem krisenhaften Wendepunkt ihrer Geschichte; die gewaltigen Summen zur Verwaltung der Über-schüsse empfindet beispielsweise EG-Kommissar Franciscus Andriessen als Anomalie. Das seit einiger Zeit vorliegende „Grünbuch“ der EG soll in den Partnerstaaten eine Diskussion mit dem Ziel einer agrarpolitischen Reform großen Stils voranbringen, aber noch ist das Echo schwach. Neben dem prekären Verhältnis von Markt und Finanzhaushalt der Gemeinschaft steht ihre Strukturpolitik zur Debatte.

In diesem Punkt befinden sich die Gemeinschaftsaufgaben besonders im Widerspruch, weil die zentralistische Strukturpolitik auf regionale Besonderheiten nur in sehr beschränktem Maße Rücksicht nimmt. Aber die regionalen Unterschiede in der europäischen Landwirtschaft sind zu groß, um von einer Zentralbehörde nach einheitlichen Richtlinien verwaltet zu werden. Die Erkenntnis, daß beispielsweise niedersächsische Großbauemhöfe und sizilianischer Kleingrundbesitz mit ihren stark unterschiedlichen Bedürfnissen nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen sind, scheint sich in Brüssel immer mehr durchzusetzen, so daß eine tendenzielle Rationalisierung der gemeinschaftlichen Strukturpolitik im Bereich der Möglichkeit liegt, während die Preis-und Marktpolitik weiterhin nach einheitlichen Kriterien verwaltet werden soll. Ein über diese Bereiche hinausgehender „Rückzug aus Brüssel“ dürfte seit der Süderweiterung der EG mehr denn je unwahrscheinlich sein. Ebenso dürften sich nicht die Hoffnungen erfüllen, daß eine Entflechtung Agrar-Europas automatisch weniger Bürokratie und Protektionismus bedeuten würde. Heftige Diskussionen drehen sich auch um die Ziele und Konsequenzen der Strukturpolitik. Die Vision Mansholts einer großbetrieblichen und hochtechnisierten Agrarwirtschaft mit gewerblichem Charakter scheint zumindest in der Absicht der Verantwortlichen wohl für immer der Vergan-B genheit anzugehören. Wie die strukturpolitische Praxis in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft aussieht, steht hingegen auf einem anderen Blatt. Die Pläne zur Erhaltung der bäuerlichen Landwirtschaft tragen ihrem Übergewicht in Europa Rechnung, denn immerhin arbeiten in den 6, 7 Millionen europäischen Betrieben 14 Millionen Menschen, von denen 94% Familienarbeitskräfte sind. Eine auf die Erhaltung des „bäuerlichen Familienbetriebes“ gerichtete Strukturpolitik stößt jedoch infolge der historischen Unterschiede immer wieder auf Definitionsprobleme und bereitet der mit abstrakten Modellen arbeitenden Agrarverwaltung und -Wissenschaft erhebliche Schwierigkeiten.

Während die Alternative „Bauernhof oder , Agrarfabrik“ ‘ an Brisanz verloren hat, hält vor allem in der Bundesrepublik die Kontroverse weiter an, welchem Betriebstyp die Zukunft gehören sollte: der Vollerwerbs-oder der Nebenerwerbslandwirtschaft? Mehr und mehr legen staatliche Agrarpolitiker und -Wissenschaftler jedoch den Akzent auf die Förderung des landwirtschaftlichen Nebenerwerbs; insbesondere Hermann Priebe sieht in der „Einkommenskombination oder Mehrfachbeschäftigung eine Zukunftsform der Landwirtschaft in der hochentwickelten Wirtschaft“. Das letzte Wort darüber dürfte noch nicht gesprochen sein, solange die berufsständische Agrarpolitik immer noch von einer Mischung von Betriebsgrößen und -typen ausgeht, wie sie die deutsche Agrarentwicklung seit mehreren Jahrhunderten nun einmal hervorgebracht hat. Überdies erscheint es fraglich, ob agrarpolitische Intention und agrarwissenschaftliche Reflexion allein ausreichen, um dem primär von ökonomischen Bedingungen abhängenden Strukturwandel einen stärkeren Impuls in Richtung auf die Nebenerwerbslandwirtschaft zu geben.

Wie die europäische Landwirtschaft im Jahr 2000 aussehen wird, hängt nicht zuletzt von der Preis-und Subventionspolitik der Gemeinschaft ab, und die fördert stärker den Groß-als den Kleinbetrieb, solange die Einkommensbildung primär über den Preis verläuft. Die Preispolitik enthüllt am deutlichsten das Dilemma der europäischen Landwirtschaft, für dessen Überwindung keine eindeutigen und langfristig kalkulierbaren Alternativen in Sicht sind. Denn einerseits ist der Marktdirigismus kostspielig, so daß sich Subventionen und Wertschöpfung der Landwirtschaft fast die Waage halten, andererseits aber hätte die rigorose Umstellung auf das marktwirtschaftliche Prinzip hohe soziale Folgekosten, weil eine Preissenkung ein „Bauernsterben“ (Gerhardt Preusehen) größten Ausmaßes bedeuten würde. Die Preisanhebungen in der Vergangenheit gelten in aktuellen Diskussionen als Wurzel allen Übels: Sie provozierten die Überproduktion und regten zu überdimensionalisiertem Einsatz biologischer, chemischer und technischer Mittel an, die den Naturhaushalt bedrohen. Notwendigerweise drehen sich alle Reformvorschläge hauptsächlich um das Preisproblem.

Seit der 1973 verstärkt einsetzenden Agrarkrise fühlen sich die für die staatliche Agrarpolitik Verantwortlichen einer immer härteren Kritik ausgesetzt. Kurzfristig wirkende Problemlösungen, die vor allem die berufsständisch organisierte Landwirtschaft von ihnen verlangt, können aber nicht gegeben werden, solange sich die Agrarwirtschaft in einem Spannungsfeld befindet, das von folgenden Dualismen beherrscht wird: Marktwirtschaft — Staatsinterventionismus, Großlandwirtschaft — Kleingrundbesitz, Gemeinschaftspolitik — nationale Agrarpolitik, Produktivitätspolitik — Umweltschutz. Über die Ansatzstellen einer Reformpolitik, Preis und Menge, gibt es unterschiedliche Ansichten: Ob ein Preisrückgang automatisch produktionsdämpfend wirken würde, ist mindestens ebenso unsicher wie die Rolle kompensatorischer Ausgleichzahlungen des Staates an freiwillige Nicht-Produzenten. Darüber hinaus bedeutet die Quotenregelung, insbesondere in der Milchwirtschaft, automatisch mehr „Staat“. Als Ausweg diskutiert man die Flächenstillegung, den Alterantivpflanzenbau (Leguminosen, Faserpflanzen), höheren Qualitätsstandard der erzeugten Nahrungsgüter und den Einkommenstransfer für landschaftspflegende Bauern. Aber noch bevor diese Vorschläge in ihrer praktischen Auswirkung überprüft wurden, zeigen sich ihre Grenzen schon jetzt mehr oder weniger deutlich: Ob sich das Gros der deutschen und europäischen Bauern zu landschaftspflegenden „Staatsrentnern“ machen läßt, bezweifelt nicht nur der Deutsche Bauernverband; ob mehr Qualität automatisch die Wettbewerbschancen erhöht, ob der Alternativpflanzenbau auf lange Sicht profitabel bleibt und ob eine großdimensionierte Bodenstillegung auf Dauer finanzierbar sein wird, sind in der Tat ungelöste Fragen.

Radikale Alternativen sind nicht in Sicht, es sei denn, man stellt das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Gesamtgefüge der Bundesrepublik auf den Kopf. Ob sich ein Gleichgewicht am Markt und ein Gleichgewicht im Naturhaushalt nach den jüngsten — überzogen wirkenden — Forderungen einiger Reformer realisieren lassen, steht dahin. Der zeithistorischen Agrarpolitik stellt sich jedoch die Frage nach der Zukunft der Landwirtschaft anders: Gefordert wird eine Agrarpolitik, die nicht nur den Rückfall in die Zeit vor 1945 ausschließt, sondern die auch die Spannungen zwischen den nationalen Agrarsystemen in Europa beseitigt, die die Marktgegensätze in ihren'Extremen mildert und die der Agrargesellschaft in ihrer modernen Konfiguration eine dauerhafte Existenz im industriellen Sozial-und Wirtschaftsgefüge garantiert.

Fussnoten

Fußnoten

  1. H. Liebe, Agrarstruktur und Ernährungspotential der Zonen, in: Wirtschaftsprobleme der Besatzungszonen, Berlin 1948, passim.

  2. Ders., Die Bodenreform in der sowjetischen Besatzungszone und ihre Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft, in: Gegenwartsprobleme der Agrarökonomie. Festschrift für Fritz Baade, Hamburg 1958, S. 238— 240.

  3. W. Niklas, Sorgen um das tägliche Brot, Bonn 1951, S. 18.

  4. H. Kötter, Die Landwirtschaft, in: W. Conze/R. M. Lepsius (Hrsg.), Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1983, S. 137.

  5. U. Wengst, Staatsaufbau und Regierungspraxis 1948— 1953, Düsseldorf 1984, S. 132; ders. (Bearb.), Auftakt zur Ära Adenauer. Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung 1949, Düsseldorf 1985 (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 3. Reihe, Bd. 3), S. LII, 16, 30— 32, 71, 438— 439, 452 und 454

  6. W. Niklas (Anm. 3), S. 18.

  7. Bundesarchiv Koblenz (fortab zitiert: BA Koblenz), B 116, 1840, hierin: Bericht an die ECA Nr. 15 vom 29. 12. 1949, Bl. 35.

  8. In diesem Sinne für die industriewirtschaftliche Seite auch W. Abeishauser, Ansätze „korporativer Marktwirtschaft“ in der Korea-Krise der frühen fünfziger Jahre, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 30 (1982), S. 722; Deutsche Bauem-Korrespondenz (fortab zitiert: DBK), 4 (1951) 17/18, vom 21. 9., S. 4; BA Koblenz B 116, 880, hierin: Schreiben von Dr. Heinrich Krone an den Bundeskanzler vom 30. 10. 1952, Bl. 133.

  9. BA Koblenz, B 116, 1840, hierin: Bericht an die ECA Nr. 15 vom 29. 12. 1949, S. 45; W. Tornow, Die Agrarund Ernährungspolitik in Westdeutschland von 1945 bis 1949, in: Berichte über Landwirtschaft, 54 (1976), S. 601— 645.

  10. C. Frhr. Heereman, Dreißig Jahre Agrarpolitik aus der Sicht des Berufsstandes — Entwicklung und Ausblick, in: Dreißig Jahre Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, Hamburg 1979 (= Berichte über Landwirtschaft, 196. Sonderheft), S. 78— 84, hier S. 78.

  11. Verhandlungen des Deutscheh Bundestages, 1. Wahlperiode, Stenographische Berichte, Bd. 1, Bonn 1950, S. 39— 40.

  12. W. Niklas (Anm. 3), S. 140.

  13. Ebda., S. 147.

  14. Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover (fortab zitiert: NHStA Hannover), Nachlaß (zit. Nl.) Rehwinkel, Nr. 127, hierin Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Zentralausschusses der deutschen Landwirtschaft am 15. 12. 1949, S. 4.

  15. Parlamentsarchiv Bonn (fortab zitiert: PA Bonn), 1. Deutscher Bundestag, (14.) Ausschuß für Außen-handelsfragen, Kurzprotokolle der 1. — 68. Sitzung 1949— 1953, hierin: 2. Sitzung am 28. 10. 1949; W. Niklas, Liberalisierung — Tod der deutschen Landwirtschaft, in: DBK, 3 (1950) 11, S. 1.

  16. W. Niklas (Anm. 3), S. 151— 152.

  17. Ebda., S. 12— 13, 18, 110.

  18. W. Magura, Chronik der Agrarpolitik und der Agrarwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland von 1945 bis 1967, Hamburg 1970, S. 48— 63.

  19. H. Priebe, Die subventionierte Unvernunft, Berlin 1985 S 53

  20. Prof. Dr. Fritz Baade (1893— 1973), Mitglied des Deutschen Bundestages (SPD) von 1949 bis 1965 und in dieser Zeit auch Leiter des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel.

  21. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 127, hierin: Niederschrift über die konstituierende Sitzung des Zentralausschusses der deutschen Landwirtschaft am 15. 12. 1949, S. 6.

  22. W. Magura (Anm. 18), S. 132— 133 u. 143; DBK, 4 (1951) 4, vom 13. 1., S. 3— 4, und vom 14. 4., S. 2— 3.

  23. H. Haushofer, Mein Leben als Agrarier, München 1982, S. 169.

  24. B. Mehrens, Umstrittene Zollpolitik der Vereinigten Staaten, in: DBK, 6 (1953) 9, vom 20. 5., und EZU und Liberalisierung, in: DBK, 6 (1953) 12, vom 27. 6., S. 3.

  25. H. Marmulla/P. Brault, Europäische Integration und Agrarwirtschaft, München 1958, S. 32— 38.

  26. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 316, hierin: Brief Rehwinkels an Staatssekretär Sonnemann vom 16. 9. 1953.

  27. BA Koblenz, B 116, 881, Bl. 226— 234: Material zur Erörterung des Landwirtschaftsgesetzes auf der Sitzung des Bundesausschusses für Landwirtschaft der CDU am 24. 5. 1955 incl. Anlage.

  28. Über die deutschen Verhältnisse ausführlich: C. Puvogel, Der Weg zum Landwirtschaftsgesetz, Bonn 1957.

  29. BA Koblenz, B 116, 880, Bl. 262— 264: Einführung in die Paritätsgesetzentwürfe (ohne Datum).

  30. BA Koblenz, B 116, 879, hierin: Programm der Bundesregierung (4. 5. 1954), S. 1— 2.

  31. BA Koblenz, B 116, 1865, Bl. 7 und 7a: Betr. Gesetz-entwurf der Fraktion der FDP (Pressekonferenz am 5. 4. 1954); ebda., Bl. 93— 100: Wichtige Literatur über landwirtschaftliche Paritätspreise (15. 5. 1954); O. Heinrich, Parität und Marktwirtschaft, in: DBK, 7 (1954) 17/18, vom 27. 9., S. 7— 12; PA Bonn, 2. Deutscher Bundestag, (26.) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1. Unterausschuß „Paritätsgesetze“, hierin: Beschlußgesetz der 3. Sitzung am 8. 10. 1954; BA Koblenz, B 116, 881, Bl. 360— 369: Material für eine Erklärung des Bundesministers (Lübke) bei der zweiten Lesung des Entwurfs eines Landwirtschaftsgesetzes im Bundestag (6. 6. 1955).

  32. BA Koblenz, B 116, 881, Bl. 228.

  33. DBK, 9 (1956) 11, vom 15. 6., S. 7, und Nr. 4 vom 29. 2. 1956, S. 5.

  34. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 3, hierin: DBV-Rundschreiben Nr. 44/56 vom 24. 3., S. 11.

  35. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 401, hierin: Protokoll der Besprechung des DBV-Präsidiums mit Adenauer am 8. 10. 1956; Nr. 91, hierin: Niederschrift über die 77. Sitzung des DBV-Gesamtpräsidiums vom 2. 2. 1957, S. 7.

  36. A. Peters, Zur Entwicklung der Ertragslage in der Landwirtschaft, in: DBK, 11 (1958) 9, vom 16. 5., S 158_ 159

  37. DBK, 12 (1959), vom 31. 3., S. 24.

  38. G. Schreiner, Fazit einer dreißigjährigen Agrarstrukturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Berichte über Landwirtschaft, 53 (1975), S. 455— 489.

  39. J. Ertl, Der Agrarpolitiker Martin Schmidt, in: Dreißig Jahre Agrarpolitik, S. 14; W. Wangier, Landwirtschaftliche Sozialpolitik und soziale Sicherheit in der Landwirtschaft, Göttingen 1969 (= Materialsammlung der Agrarsozialen Gesellschaft, Göttingen, Bd. 77), S. 283— 327.

  40. In diesem Sinne äußerte sich Lübke, in: DBK, 9 (1956)'4, vom 29. 2., S. 4.

  41. H. Priebe, Möglichkeiten der Strukturentwicklung, in: DBK, 11 (1958) 2, vom 31. 1., S. 18.

  42. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 302, hierin: Kritik an der Methodik zu der in den Grünen Berichten durchgeführten Ertrag-Aufwand-Rechnung.

  43. CEA und Agrarunion, in: DBK, 7 (1954) 3, vom 15. 2.; Lage und Probleme der europäischen Landwirtschaft, ebda., Nr. 5 vom 15. 3.

  44. BA Koblenz, B 116, 1876, hierin: 2. Erklärung Lübkes vom 8. 7. 1954 sowie Auszug aus der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 5. 11. 1954 („Lübke lehnt Agrar-Union ab“).

  45. H. Marmulla/P. Brault (Anm. 25), S. 38— 39.

  46. BA Koblenz, B 116, 1571, hierin: Schreiben an das Pressereferat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMELF) vom 21. 1. 1955; ebda., Kabinettsvorlage für den Staatssekretär des Bundeskanzleramtes vom 11. 2. 1955; NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 130, hierin: Gründungsprotokoll des Deutsch-Französischen Landwirtschaftsausschusses vom 2. 6. 1955.

  47. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 127, hierin: Protokoll zur 3. Vollsitzung des Deutsch-Französischen Landwirtschaftsausschusses in Paris am 12. /13. 4. 1956.

  48. H. Marmulla/P. Brault (Anm. 25), S. 47— 48.

  49. W. Kalkoff, Gemeinsamer Markt und Landwirtschaft, in: DBK, 9 (1956) 23/24, vom 22. 12.

  50. Th. Sonnemann, Die Partnerschaft im Gemeinsamen Markt, in: DBK, 10 (1957) 17, vom 14. 9.

  51. Ebd.

  52. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 129, hierin: Niederschrift über die 29. Sitzung des Zentralausschusses der Deutschen Landwirtschaft am 19. 6. 1959, Bl. 4 (Frhr. v. Feury).

  53. H. Haushofer (Anm. 23), S. 196.

  54. Wiener Manifest 1958, in: DBK, 11 (1958) 18, vom 30. 9.

  55. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 302, hierin: Brief Rehwinkels an Adenauer vom 3. 8. 1959; DBK, 12, (1959) 17, vom 15. 9., S. 198; Nr. 18 vom 30. 9., Nr. 19 vom 15. 10., S. 239; DBK, 13 (1960) 16, vom 31. 8., S. 183; DBK, 18 (1965) 1, vom 15. 1., S. 1 u. Nr. 16 vom 31 8 S 187

  56. DBK, 15 (1962) 5, vom 15. 3., S. 59; DBK, 18 (1965) 16, vom 31. 8., S. 187; H. Priebe (Anm. 19), S. 68 (Kritik an Sonnemann).

  57. DBK, 15 (1962) 5, vom 15. 3., S. 59.

  58. DBK, 12 (1959) 19, vom 15. 10., S. 239, u. DBK, 13 (1960) 1, vom 15. 1., S. 1.

  59. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 29, hierin: Brief Rehwinkels an Frhr. von Oer vom 29. 3. 1960.

  60. DBK, 12 (1959) 19, vom 15. 10., S. 239; DBK, 17 (1964) 2, vom 31. 1., S. 22; DBK, 18 (1965) 19, vom 15. 10., S. 222.

  61. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 302, hierin: Rehwinkels Notiz über die Besprechung beim Bundeskanzler vom 2. 8. 1960; DBK, 13 (1960) 19, vom 15. 10., S. 223— 224; DBK, 15 (1962) 4, vom 28. 2., S. 42.

  62. DBK, 14 (1961) 14, vom 31. 7., S. 176; DBK, 16 (1963) 2, vom 31. 1., S. 23, und DBK, 17 (1964) 19, vom 15. 10., S. 226— 227.

  63. DBK, 13 (1960) 17, vom 15. 9., S. 194, und DBK, 14 (1961) 3, vom 15. 2., S. 39.

  64. NHStA Hannover, Nl. Rehwinkel, Nr. 302, hierin: Aus den Notizen Rehwinkels für die Pressekonferenz in Berlin am 1. 2. 1960; H. Niehaus, Sorgenkind Landwirtschaft: Verwandlung oder Ende der Bauern?, in: R. Löwenthal/H. -P. Schwarz (Hrsg.), Die zweite Republik, Stuttgart 1974, S. 736; W. Schwarz, Die Agrarpolitik der Bundesregierung, in: DBK, 13 (1960) 19, vom 15. 10., S. 223— 224.

  65. NHStA Hannover; Nl. Rehwinkel, Nr. 29, hierin: Vortragsmanuskript Rehwinkels auf der Tagung des Verbandes Deutscher Wirtschaftsgeflügelzüchter am 25. 6. 1959; Nr. 302, hierin: Gedächtnisprotokoll einer Besprechung mit Minister Schwarz (12. 7. 1960); ebda., Unterlagen für die Besprechung des DBV-Präsidiums mit dem Bundeskanzler (2. 8. 1960); Th. Sonnemann, Optimale Standorte, in: DBK, 13 (1960) 17, vom 15. 9., S. 193; W. Schwarz, Selbsthilfe oder Staatshilfe, in: DBK, 14 (1961) 14, vom 31. 7., S. 175— 177. Die Thesen von P. Ackermann, Der Deutsche Bauernverband im politischen Kräftespiel der Bundesrepublik, Tübingen 1970, finden in den inzwischen zugänglichen Quellen keine Bestätigung.

  66. Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 164 vom 23. 12. 1964, S. 1749— 1750.

  67. Agrar-Europe, 5 (1964) 51, S. 11— 13.

  68. DBK, 18(1965) 1, vom 15. 1., S. 3— 5, und Nr. 4 vom 28. 2., S. 39— 42.

  69. H. Höcherl, in: DBK, 18 (1965) 20, vom 31. 10., S. 233; weitere Einzelheiten verdanke ich einer Mitteilung des Bundesministers a. D. Hermann Höcherl vom 15. 3. 1986.

  70. H. Höcherl, Die Welt zwischen Hunger und Überfluß, Stuttgart 1969.

  71. Aussprache mit H. Höcherl, in: DBK, 18 (1985) 22, vom 30. 11., S. 261.

  72. BMELF-Informationen, Nr. 3, vom 15. 1. 1968, S. 7.

  73. H. Höcherl (Anm. 70), S. 57; H. Niehaus, Leitbilder der Wirtschafts-und Agrarpolitik in der modernen Gesellschaft, Stuttgart 1957; A. Hanau, Die Stellung der Landwirtschaft in der Sozialen Marktwirtschaft, in: Agrarwirtschaft, 7 (1958), S. 1— 15; R. Plate/E. Wörmann, Landwirtschaft im Strukturwandel der Volkswirtschaft, in: Agrarwirtschaft, Sonderheft 14, um nur auf einige wichtige Beiträge hinzuweisen.

  74. H. Höcherl (Anm. 70), S. 55.

  75. Ebd., S. 99.

  76. DBK, 21 (1968) 11, S. 125— 131; BMELF-Informationen, Nr. 26a, vom 26. 6. 1968, S. 1— 15.

  77. BMELF-Informationen, Nr. 26 a, vom 26. 6. 1968, S. 1— 15, und H. Höcherl (Anm. 70), S. 102— 148.

  78. Dr. Fritz Neef, geb. 1913, seit 1949 im Bundeswirtschaftsministerium, dort ab 1962 Leiter der Montanabteilung, seit 1963 dort Staatssekretär, u. a. mit Aufgaben der europäischen Wirtschaftskooperation vertraut. Neef löste Hütebräuker am 1. 2. 1968 ab.

  79. Aus der Fülle der kritischen Stellungnahmen hierzu: E. Rehwinkel, Die Durchsetzung des Agrarprogramms, in: DBK, 21 (1968) 14, vom 31. 7„ S. 161— 162.

  80. BMELF-Informationen Nr. 43 vom 27. 10. 1969, S. 1.

  81. DBK, 22 (1969) 20, vom 31. 10., S. 233; BMELF-Informationen, Nr. 43, vom 27. 10., S. 9, Nr. 7 vom 16. 2. 1970, Nr. 4 vom 22. 1. 1973, S. 1 u. 7.

  82. BMELF-Informationen, Nr. 43, vom 27. 10. 1969, S. 8, und Nr. 42 vom 15. 10. 1969, S. 1; siehe auch: J. Ertl, Agrarpolitik ohne Illusionen, Bonn 1985, passim.

  83. BMELF-Informationen, Nr. 6, vom 7. 2. 1983, S. 14— 19, und I. Kiechle, ... und grün bleibt unsere Zukunft, Stuttgart 1985, S. 46— 48, 50.

  84. H. Priebe (Anm. 19), S. 85.

  85. R. Schnieders, Strukturpolitik an der Wende, in: DBK, 30 (1977) 10, S. 318.

  86. G. Thiede, Europas grüne Zukunft, Düsseldorf 1975.

  87. BMELF-Informationen, Nr. 14, vom 5. 4. 1983, S. 9- 10, und DBK, 30 (1981) 4, S. 26.

  88. I. Kiechle (Anm. 83), S. 106.

  89. Ebd., S. 116.

Weitere Inhalte

Ulrich Kluge, Dr. phil., geb. 1945; Studium der Mittelalterlichen, Neueren und Neuesten Geschichte, Politikwissenschaft und Publizistik an der Freien Universität Berlin; Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte; Lehrtätigkeit am Historischen Seminar der Universität Freiburg i. B. und z. Z. am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. Veröffentlichungen u. a.: Soldatenräte und Revolution, Göttingen 1975; Der österreichische Stände-staat 1934— 1938, Wien-München 1984; Die deutsche Revolution 1918/1919, Frankfurt/Main 1985; Bauern, Agrarkrise und Volksernährung in der europäischen Zwischenkriegszeit (erscheint demnächst); ferner Aufsätze zur Innen-, Sozial-und Wirtschafts-, insbesondere zur Agrarpolitik der Weimarer Republik, der Ersten Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland.