Es wird viel an den Menschenrechten kritisiert, wie sie von den Vereinten Nationen entwickelt und behandelt werden. Eine solche Kritik ist nur dann nicht einseitig, wenn sie auch den Fortschritt bedenkt, der gerade durch die Vereinten Nationen auf menschenrechtlichem Gebiet erreicht wurde. Diesen Zusammenhang von menschen-rechtlichem Fortschritt, menschenrechtlichem Versagen und menschenrechtlichen Kompromissen aufzuzeigen, soll Gegenstand dieses Beitrags sein.
Vergleicht man die Charta der Vereinten Nationen mit der Satzung des Völkerbundes, so wird der große Unterschied deutlich, den es in menschenrechtlicher Hinsicht zwischen diesen beiden welthistorischen Dokumenten gibt. In der Völkerbundsatzung fand sich kein auf die Menschenrechte allein abgestellter Bezug. Die Charta der Vereinten Nationen hingegen spricht von der Förderung und Festigung der Achtung der Menschenrechte als eines ihrer Hauptziele (Artikel Ziffer 3).
I. Historische Erinnerungen
Im Jahre 1929 hatte das hochgeachtete Institut de Droit International nach langen Beratungen eine Menschenrechtsdeklaration beschlossen. Der einzige wirklich substantielle Artikel sah vor, den Staaten zu empfehlen, die Freiheit des Menschen als höchstes Gut zu achten. Doch nicht einmal diese einzige grundsätzliche Aussage hätte in der Zwischenkriegszeit Aussicht gehabt, angenommen zu werden 1).
Demgegenüber haben die Vereinten Nationen — ungeachtet der Arbeit ihrer Spezialorganisationen wie der ILO (International Labour Organization), der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) und der WHO (World Health Organization) u. a. — bis heute 25 rechtsverbindliche Texte menschenrechtlichen Inhaltes beschlossen so vor allem die Menschenrechtspakte und die wegweisend gewordene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die allerdings zum Zeitpunkt ihrer Beschlußfassung nicht als ein rechtsverbindlicher Text angesehen worden ist. Allein schon diese kodifikatorische Arbeit muß als Ausdruck des Fortschrittes im Sinne der Freiheit angesehen werden. Wer dieses menschenrechtliche Werk, das ausschließlich ein Verdienst der Vereinten Nationen ist, nicht beachtet, wird daher mit dem Vorwurf einseitiger Kritik rechnen müssen. Dennoch muß die gerechtfertigte Kritik der menschenrechtlichen Arbeit der Vereinten Nationen erörtert und einbezogen werden, daß nämlich den Vereinten Nationen der Schutz der Menschenrechte, d. h. die Einhaltung der Menschenrechte, die sie selbst statuierten und statuieren, in den Augen jener, die in sie Hoffnungen setzen, noch nicht gelungen ist.
Bereits Philosophen des Altertums hatten erkannt, daß die Leiden, die Kriege erzeugen, zugleich zum Fortschritt beitragen. Das konnte, so paradox dies auf den ersten Blick klingen mag, auch im Zuge des Zweiten Weltkrieges nicht ausbleiben. Bei dem sich im Zweiten Weltkrieg anbahnenden Fortschritt standen sich — zumindest auf dem Papiere — zwei Konzeptionen gegenüber: Eine Konzeption war die des nationalsozialistischen Deutschland, eine andere die der USA, auf die die UdSSR — zumindest pro forma — eingeschwenkt ist. Einer nationalstaatlich-volksgemeinschaftlichen Theorie, die da lautete: subjektive Rechte und soziale Rechte werden durch die Volksge3 meinschaften gesichert stand somit eine liberalistisch orientierte Theorie gegenüber, nach der die traditionellen Abwehrrechte des Menschen gegen den Staat durch soziale und wirtschaftliche Menschenrechte sowie die Selbstbestimmung des einzelnen ergänzt werden sollten. Die Atlantik-charta, die Moskauer Deklaration, der Pakt der „Vereinten Nationen des Krieges“ sowie die sozialrechtlich orientierte Charta von Philadelphia waren die Vorboten dieser Konzeption sie gingen in die Entwürfe der Charta der Vereinten Nationen ein.
Die Erfahrungen mit der durch das NS-Regime bewirkten systematischen Rassendiskriminierung und die Aufdeckung von Handlungen, die zur späteren Ausformulierung des international strafrechtlichen Delikts des Völkermordes führten, setzten Emotionen und Impulse frei, die auf menschenrechtlichem Gebiete die Verantwortlichen beflügelten, eine neue Weltordnung als menschenrechtliche Wertordnung zu konzipieren. Erstmals war dieser Gedanke auch von einer universellen Gesinnung getragen — jeder Staat, ob Sieger oder Besiegter, ob groß oder klein, sollte durch die menschenrechtliche Ordnung verpflichtet sein. Für die Besiegten allerdings galten faktisch besondere strafrechtliche und auch diskriminierende Regeln
In diesem Konzept eingebaut war ein schon in der Atlantikcharta enthaltener Selbstbestimmungsgedanke, der in der Charta der Vereinten Nationen allerdings auf die Beseitigung kolonialer Herrschaftsverhältnisse gerichtet war. Dieser Gedanke in der Charta ist vor allem sowjetisch-amerikanischen Ursprungs.
So fanden sich dann in der Charta der Vereinten Nationen im Abschnitt über deren Ziele, über die Aufgaben des Wirtschafts-und Sozialrates, im Abschnitt über die Erklärung über Hoheitsgebiete ohne Selbstregierung und im Abschnitt über das internationale Treuhandsystem bedeutende Aussagen über Menschenrechte und Grundfreiheiten. Sie können wie folgt zusammengefaßt werden: Artikel 1 — Ziel der Vereinten Nationen: die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechtes, der Sprache oder der Religion zu fördern und zu festigen;
Artikel 62, Absatz 3 — Aufgabe des Wirtschaftsund Sozialrates(Economic and Social Council — ECOSOC): Empfehlungen, um die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle zu fördern;
Artikel 73, lit. b) — Entwicklung der Selbstregierung; Artikel 76 — Zweck des Treuhandsystems: Förderung der Entwicklung der Selbstregierung oder Unabhängigkeit; Förderung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion.
Mit diesen Zielsetzungen entließ die Verfassung der Vereinten Nationen die Weltgemeinschaft in ihre „Unabhängigkeit“. Zugleich begann die Arbeit der Vereinten Nationen, die die menschen-rechtlichen Zielsetzungen in die Wirklichkeit des Völkerrechtes und der internationalen Beziehungen der Gegenwart miteinbezogen und sie zu ihrem wichtigen politischen und juristischen Bestandteil machten.
II. Strukturen der UN-Menschenrechtsarbeit
Um diese Umsetzung der Ideen der Charta richtig zu verstehen, ist es unerläßlich, sich einige Strukturelemente der Vereinten Nationen bewußt zu machen.
Die Vereinten Nationen sind ein Bund von Staaten, der — der Charta entsprechend — trotz deren tatsächlichen Unterschiede auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller seiner Mitglieder beruhen muß (Artikel 2, Ziffer 1 der Charta). Die Natur der Mitgliedstaaten gibt dem Bund eine pluralistische Gestalt, d. h., Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen, mit unter-/schiedlichem Zivilisationsstand, mit unterschiedlichen Wirtschaftssystemen, unterschiedlichen Menschenrassen und Religionen, als „Einzelgänger“, als immerwährend Neutrale oder als Mitglieder ideologischer oder religiöser und regionaler Blöcke charakterisieren diese Weltgemeinschaft. In allen Organen der Vereinten Nationen spiegelt sich dieser Pluralismus wider. Eines der Hauptorgane ist das Sekretariat mit seinem Generalsekretär und den sonstigen von der Organisation benötigten Bediensteten Durch die Strukturen bedingt, übt die internationale Bürokratie der Vereinten Nationen zumindest in allen technischen und fachmännischen Belangen der Arbeit einen erheblichen Einfluß aus. Und schließlich ist zu beachten, daß die menschenrechtliche Arbeit und Politik der Vereinten Nationen in einer Reihe ihrer Organe geleistet bzw. betrieben wird: Wenn menschenrechtliche Fragen den Weltfrieden und die Sicherheit bedrohen, so ist der UN-Sicherheitsrat das maßgebende Organ; wenn allgemeine Fragen der internationalen Zusammenarbeit zur Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion anstehen, so gibt die Generalversammlung Empfehlungen ab und nimmt entsprechende Untersuchungen vor (Artikel 14 der Charta). Sie bereitet ihre Arbeiten im Plenum durch Ausschüsse (wie in einem Parlament) vor.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich zur Basis der Organisation der Vereinten Nationen hin eine Art „Organhierarchie“ herausgebildet, die sich auf die Menschenrechtsarbeit bezieht. Dabei ist die Menschenrechtskommission immer mehr — zwar in Unterordnung unter dem Wirtschafts-und Sozial-rat (ECOSOC = Economic and Social Council) und damit auch zur Generalversammlung — zur Drehscheibe der gesamten Menschenrechtspolitik der Organisation geworden. Neben und unter ihr stehen Organe, die in menschenrechtlichen Belangen Spezialaufgaben erfüllen. Je mehr die Hierarchie einer Organisation in die Basis reicht, desto differenzierter, spezialisierter und dezentralisierter wird diese Basis. Das gilt auch für die Menschenrechtspolitik in den Vereinten Nationen. Gerade dieser Pluralismus führt für den Außen-stehenden zu einer sich ständig erweiternden Unübersichtlichkeit und zur Gefahr, daß die Vereinten Nationen zu menschenrechtlichen Fragen mit einer Ausdrucksvielfalt sprechen, die es oft schwer macht, ihre politische Dominante zu erkennen.
Die Selbständigkeit des Organhandelns, die Vielzahl und Verschiedenartigkeit der Menschen, die die Staaten in den Organen vertreten, die oft mangelnde Koordination zwischen Zentrale und Delegationen und zwischen den Organen haben seit 1945 einen menschenrechtlichen und einen menschenrechtspolitischen Prozeß in Gang gesetzt, der dem eigentlichen — eher begrenzten — Anliegen der Charta längst entwachsen ist und eigene Wege zu gehen scheint.
Hat sich die Charta weitgehend darauf beschränkt, die Förderung des Respekts vor Menschenrechten zu entwickeln, so zeigt sich in der unwidersprochen gebliebenen Feststellung des seinerzeitigen libanesischen Präsidenten der Menschenrechtskommission der eigentliche Wende-und Abkehrpunkt von den Zielsetzungen der Charta der Vereinten Nationen. Diese Erklärung, die anläßlich der Beratungen über die Allgemeine Erklärung für Menschenrechte (10. Dezember 1948) abgegeben wurde, lautet: “ From the very beginning it became clear that our task was threefold.
First, we must elaborate a general Declaration of Human Rights defining in succinct terms the fundamental rights and freedoms of man which, according to Article 55 of the Charter, the United Nations must promote. This responsible setting forth of the fundamental rights will exert a potent doctrinal and moral and educational influence on the minds and ways of men. It will serve, in the words of the present Declaration, ‘as a common Standard of achievement for all peoples’.
Second, there was the insistent need of something more legally binding than a mere Declaration. Such a document can only be a Convention, an international treaty-setting forth in precise legal terms the maximum area of agreement to which governments are willing to be legally bound in this domain. What the convention loses by reason of its more restricted subject matter, it makes up for by the fact that those who sign it are willing to covenant themselves into the strict observance of its terms. Hence we have called it the ‘Covenant on Human Rights’. Finally, it was obvious we needed adequate machinery for making sure that human rights are observed and for dealing with cases of their infraction. We called this machinery ‘Measures of Implementation’.
Thus Declaration, Covenant, Implementation: these are the three basic themes around which our concern in the Commission has turned and which constitute together the ‘International Bill of Human Rights’. ”
III. Maßnahmen für Menschenrechtsschutz
Sie war die Richtschnur dafür, daß sich die Vereinten Nationen in zunehmendem Maße mit dem Schutz der Menschenrechte befaßten. Der Ausdruck Menschenrechtsschutz ist dabei heute — fast 41 Jahre nach der Beschlußfassung über die Charta — so eingebürgert und von der Wissenschaft eingehend erörtert, daß man darunter nach Analyse einer vierzigjährigen menschenrechtspolitischen Arbeit der Vereinten Nationen eine ganze Reihe von direkten und indirekten Maßnahmen versteht und unter diesem Sammelbegriff zusammenfaßt. Unterschieden werden die direkten Mittel des Menschenrechtsschutzes von indirekten Mitteln Die direkten Mittel des Menschenrechtsschutzes konzentrieren sich im internationalen Bereich nicht auf den richterlichen oder quasirichterlichen Menschenrechtsschutz wie in den Verfassungen westlicher Demokratien, solches zählt zu den Ausnahmen. Zu den direkten Mitteln des Menschenrechtsschutzes werden vielmehr gezählt:
— Maßnahmen zur Verhinderung von Menschenrechtsverletzungen ;
— die materielle Unterstützung von Flüchtlingen und Hungernden; — Tatsachenuntersuchungen (fact finding);
— die Vermittlung in menschenrechtlichen Konflikten durch spezielle, von den Vereinten Nationen entsandte Emissäre;
— die Prüfung von Petitionen und Beschwerden in prozeßhaften Behandlungen derselben;
— die Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen sowie — die Geltendmachung von Verantwortlichkeiten im Rahmen des allerdings eher bescheidenen internationalen Strafrechtes.
Zu den indirekten Mitteln des Menschenrechts-schutzes gehören:
— Maßnahmen des „Standard setting“ wie die Erlassung von Rechtsvorschriften und ähnlichen Instrumenten;
— Studien und Berichte über menschenrechtliche Fragen;
— die Lehre und Erziehung zur menschenrechtlichen Haltung;
— Staatenberichte und Beratungen über diese. Wenn man all diese Mittel eines direkten und indirekten internationalen Menschenrechtsschutzes überblickt, so summieren sie sich zu einer solchen Fülle von Handlungen und Maßnahmen, die nur dann Orientierung ergeben können, wenn man sie in ihrem Stellenwert im Rahmen der Weltgemeinschaft tatsächlich einzuordnen vermag. Dies soll im folgenden skizziert werden
Um den Menschenrechtsgedanken zu fördern, werden formell-organisatorische und materiell bezogene Maßnahmen ergriffen. Zu den formell-organisatorischenMaßnahmen zählen vor allem: die Einrichtung von Unterkommissionen, hier im besonderen die Unterkommission zur Verhinderung der Diskriminierung und zum Schutze der Minderheiten (Sub Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities), sodann die Frauenrechtskommission (Commission on the Status of Women), ferner die Einrichtung von Arbeitsgruppen und Ausschüssen sowie die Herausbildung des Sicherungssystems, das sich im Zuge der UN-Treuhandschaft mit dem Schutze der Menschenrechte befaßt. Zu den materiellen Maßnahmen der ersten Arbeitsjahre zählen vor allem jene, die dem Aufgabenbereich der Menschenrechtskommission übertragen worden waren, nämlich: die Informationsfreiheit zu sichern, den Minderheitenschutz zu erweitern, das Diskriminierungsverbot auszubauen. Dazu kamen der Flüchtlingsschutz, die Erarbeitung einer Konvention gegen den Völkermord, der Schutz vor Staatenlosigkeit, die Rechte des Kindes, das Assoziationsrecht sowie die Bemühungen, die Unterdrükkung der Sklaverei weiter voranzutreiben.
Es gelang den Vereinten Nationen aber bis heute trotz größten Arbeitsaufwandes nicht, die Informationsfreiheit wahrlich zu schützen. Auch die Entwicklung des Minderheitenschutzes stellt ein besonderes Kapitel in der Arbeit der Vereinten Nationen dar Die Konvention gegen den Völkermord wurde von der Generalversammlung am 9. Dezember 1948 angenommen. Das kann als ein bedeutsames Ereignis angesehen werden, denn sie stellt die Weiterbildung völkerrechtlichen Strafrechtes dar. Das Recht der Vereinigungsfreiheit wurde durch eine ILO-Konvention in Fassung gebracht. Zum Kampf gegen die Sklaverei wurde ein Spezialkomitee eingesetzt, das nominell noch heute existiert. Gemäß Kapitel XII der Charta wurde darüber hinaus eine Art Fortsetzung des Mandatssystems der Völkerbundzeit ins Auge gefaßt.
Die entscheidendste Tat der ersten Jahre, die in ihrer weit-und geistesgeschichtlichen Bedeutung nur mit jener der menschenrechtlichen Kodifikationen des 18. Jahrhunderts verglichen werden kann, war jedoch die Beschlußfassung der Generalversammlung über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Universal Declaration of Human Rights) vom 10. Dezember 1948.
Diese Allgemeine Erklärung, auf die weiter unten noch eingegangen wird, ist das typische Beispiel eines indirekten Mittels des Menschenrechts-schutzes, das oben mit dem Ausdruck „Standard setting“ bezeichnet worden ist. Die Allgemeine Erklärung war und ist die Basis für alle späteren normsetzenden Tätigkeiten der Vereinten Nationen auf dem Gebiete der Menschenrechte. Bis es hingegen zu der wohl bedeutendsten Normensetzung, nämlich der Beschlußfassung über die UN-Pakte für Menschenrechte im Jahre 1966, kam, existierte ein Vakuum, das die verschiedensten staatlichen Initiativen auszufüllen bestrebt waren. Diese Initiativen befaßten sich mit der Erarbeitung von Detailproblemen inhaltlicher und organisatorischer Natur.
Es versteht sich von selbst, daß die Staatenwelt im Hinblick auf die Anwendung der Menschenrechte geteilt war. Im Rückblick kann man aber die Initiativen deutlich erkennen, die in dieses Vakuum hineinstießen — von der einen Staatengruppe mit Interesse, von den anderen mit größter Zurückhaltung beobachtet. Die letztgenannte Gruppe umfaßte jene Staaten und Delegationen, die besonders auf die Erhaltung der staatlichen Souveränität bedacht waren und daher jede Form einer modernen „humanitären Intervention“ ablehnten. Artikel 64 der Charta wurde von anderen benutzt, um auf dem Gebiete der Menschenrechte ein — in seiner Wirkung allerdings unverbindliches — Berichtsystem zu schaffen. Artikel 64 lautet u. a.: “ The ECOSOC ... may make arrangements with the Members of the United Nations ... to obtain reports on the steps taken to give effect to its own recommendations and to recommendations on matters falling within its competence made by the General Assembly. It may communicate its observations on these reports to the General Assembly.“
Im Jahre 1950 ergriff Frankreich eine Initiative und unterbreitete der Menschenrechtskommis7 sion einen Resolutionsentwurf, der schließlich auch angenommen wurde, wonach die Mitglieds-staaten dem Generalsekretär jährlich einen Bericht zu unterbreiten hätten, „on the männer in which respect for, and observance of, human rights have been assured by their domestic law during the year“. Daraus entwickelte sich das sogenannte „Reportsystem“, das später zum „Treannualreportsystem“ verändert worden ist. Der zweite Schritt in dieses Vakuum hinein wurde auf Initiative der Vereinigten Staaten getan. Diese Initiative stand in engem Zusammenhang mit einer politischen Diskussion in den USA, dem soge-nannten Bricker-Amendment und der entsprechenden Erklärung des US-Außenministers im Jahre 1953, wonach die USA nicht ohne weiteres bereit schienen, internationale Verpflichtungen hinsichtlich der Menschenrechte zu übernehmen (sie haben tatsächlich keine der Konventionen bis auf die Völkermordkonvention unterzeichnet). Auch die USA schlugen ein Berichtsystem vor; sodann schlugen sie die Erarbeitung von Studien auf dem Gebiete der Menschenrechte vor und schließlich das System der „advisory Services“ als ein Element der „technical assistence“.
Das System der „advisory Services“ wurde mit der Resolution Nr. 926 der Generalversammlung gutgeheißen und umfaßte die Zurverfügungstellung von Experten, die Ausschüttung von Stipendien, die Organisation von Seminaren und dergleichen. Auch die Einführung von Studienarbeiten wurde genehmigt und seither praktiziert. Das ganze so geschaffene Instrumentarium ist eine Art technische Hilfe, um den Menschenrechtsgedanken weiterzutragen. Darüber hinaus versuchte man dem Vakuum auch durch ein sogenanntes Petitionssystem zu begegnen. Dieses wurde mit den ECOSOC Resolutionen 75 (V) von 1947 und 275 eingeführt. Es besteht heute darin, daß auch der einzelne die Möglichkeit hat, sich an den Generalsekretär zu wenden, um über eine Menschenrechtsverletzung Beschwerde zu führen. Die Beschwerde wird nach dem gegenwärtigen System den betreffenden Staaten zugewiesen und sodann der Menschenrechtskommission zur Kenntnis gebracht, die aber keine weitere Handlung setzt.
Jahrelang wurde also nach Gründung der Vereinten Nationen um ein System gerungen, das die von diesen erarbeiteten Menschenrechtsinstrumente effektiv machen sollte. Der Widerstand, vor allem der UdSSR, war dabei beträchtlich. Er wurde mit dem Argument geführt, daß nur eine Konvention die Basis dafür bieten könne, Beschwerden von einzelnen, die gegen einen Staat gerichtet sind, substantiell zu prüfen. Die Organe des ECOSOC bauten die Widerstände zwar nicht endgültig ab, jedoch entwickelten sie mit den Resolutionen 728 F (1959), 1235 (1967) und 1503 (1970) ein System, das engmaschig genug ist, Angriffe gegen die staatliche Souveränität abzufangen. Die Resolution 1503 (1970) ermächtigt die Unterkommission zum Schutze der Minderheiten und zur Verhinderung der Diskriminierung, Beschwerden näher zu prüfen, die als “ a consistent pattem of gross and reliable violations of human rights” erscheinen. Die Resolution der Unterkommission 1 (1971) legte für eine Arbeitsgruppe eine Verfahrensordnung fest, nach der entsprechende Beschwerden behandelt werden dürfen.
Aus den dargestellten direkten und indirekten Mitteln des internationalen Menschenrechts-schutzes durch die Vereinten Nationen seien im folgenden einige wesentliche besonders hervorgehoben und in ihren Grundzügen skizziert: die Standards festlegenden Mittel, die allmähliche Hinwendung zur Behandlung von menschen-rechtlichen Situationen (behauptete Verletzung von Menschenrechten gegenüber Gruppen oder Völkern), die bescheidenen Ansätze eines judiziellen oder quasi judiziellen Menschenrechtsschutzes und der Blick auf Handlungen humanitären Charakters. Hervorzuheben ist, daß alle diese Handlungen und Maßnahmen der Vereinten Nationen in einer von ihrem Generalsekretariat herausgegebenen gründlichen Untersuchung mit dem Titel „Aktionen der UN auf dem Gebiete der Menschenrechte“ eingehend, zumeist jedoch unkritisch beschrieben sind
IV. Aktionen
1. Standard Setting Aus dem ausgedehnten Arbeitsfeld des sich seit 1948 entfaltenden internationalen Menschen-rechtsschutzes seien besonders die „Standard setting“ -Handlungen, also z. B. die Kodifizierung von Deklarationen und Konventionen hervorgehoben Der Beschäftigung mit konkreten menschenrechtlichen Situationen steht dabei seitens der Vereinten Nationen eine ganz andere Art von Handlungen gegenüber, die nicht als menschen-rechtliche Handlungen angesprochen werden können sondern als humanitäre Maßnahmen: wichtig ist also, zwischen menschenrechtlichen und humanitären Handlungen zu unterscheiden. Die menschenrechtlichen Handlungen betreffen das Setzen von Rechtsnormen, die Frage der Verfolgung von menschenrechtlichen Verletzungen sowie die Frage nach der Verantwortlichkeit für solche Verletzungen. Bei den humanitären Handlungen wird grundsätzlich nicht nach besonderen Regeln gefragt, obwohl es auch diese gibt, wird nicht nach den Verursachern humanitärer Probleme bzw. nicht nach den Verantwortlichen für die Verursachung humanitärer Probleme gefragt, seien diese nun dem Handeln oder dem Unterlassen von Staaten-bzw.den Naturgewalten (Dürre, Hungersnot, Erdbeben) zuzuschreiben. Die humanitären Handlungen der Vereinten Nationen leisten faktische Hilfe, die, das muß den Kritikern gesagt werden, oft nicht gering ist. Humanitäre Hilfeleistungen werden allerdings allzuoft von Souveränitätsüberlegungen und inneren Verhältnissen einzelner Staaten beeinträchtigt.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die beiden UN-Pakte, die Internationale Konvention über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung sowie die Deklaration über die Grundsätze des Völkerrechtes betreffend die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Staaten und Völkern sind nur einige der Maßnahmen, die weltweite Standards gesetzt haben. Dazu kommen noch einige andere, die hier nicht weiter ausgeführt werden können. a) Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948
Die Allgemeine Erklärung ist nicht das Werk der Straße, sie ist auch nicht von sonderlichem Enthusiasmus der Völker getragen gewesen; wer die öffentlichen Verhandlungen in der General-versammlung der Vereinten Nationen im Pariser Palais Chaillot miterlebt hat, mußte den Eindruck gewinnen, daß das Werk unter dem Ausschluß des Interesses der Öffentlichkeit entstanden ist: Die Allgemeine Erklärung ist das Werk von Diplomaten, Professoren und Politikern, denen es gelungen ist, innerhalb kurzer Zeit mehr mit dem „esprit de la geometrie“ und dem „esprit du compromis“ als mit dem „esprit de la Finesse“ das Werk zu erarbeiten. Die Kodifikation spiegelt die Heterogenität der Staaten wider, wie sie in den Jahren 1947/48 das Weltforum kennzeichnete. Die Staatengemeinschaft umfaßte zur Zeit der Erarbeitung der Deklaration 58 Staaten. Amerika stellte 21 Staaten (36%), Europa 16 (27%), Asien 14 (24%), Afrika 4 (6%) und Ozeanien 3 (5%) Staaten. 37 Staaten kamen aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis, vier aus dem buddhistischen, sechs Staaten waren als kommunistische Staaten anerkannt. Die Idee, eine allgemeine internationale Erklärung über die Menschenrechte durch die Staatenwelt beschließen zu lassen, reicht, wie schon ausgeführt und dokumentiert, in die Zwischenkriegszeit zurück. Sie wurde im Laufe des Zweiten Weltkrieges von Amerika wieder aufgenommen: Persönlichkeiten und Organisation aus dem katholischen Lager haben im April 1941 an der 15. Conference of the Catholic Association of International Peace (AIP) eine menschenrechtliche Deklaration ausgearbeitet. Neben die Bemühungen katholischer Kräfte traten Gelehrte vom Range eines Q. Wright, G. Gurvitch, H. Lauterpacht und jüdische Organisationen. Das Inter-American Juridical Committee erarbeitete einen Deklarationsentwurf in Übereinstimmung mit Entschließungen, die von der Inter-American Conference on Problems of War and Peace (Februar/März 1945) gefaßt worden sind. Dieser Deklarationstext wurde auf der I. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen durch die Delegation von Chile der Generalversammlung vorgelegt. Auch südamerikanische Initiativen wurden ergriffen (Kuba und Panama).
All diese Bemühungen um eine allgemeine Erklärung der Menschenrechte fanden nach der Konstituierung der Menschenrechtskommission in Form einer Reihe von Entwürfen ihren Niederschlag, die den Beratungen der UN-Menschen-B rechtskommission zugrunde lagen. Nach langen Debatten kanalisierte man die auseinanderstrebenden Bemühungen in einem einzigen Arbeitspapier, das die Leitlinie für die Erarbeitung der Deklaration bot.
Der Inhalt der Deklaration entspricht weitgehend den klassischen menschenrechtlichen Vorstellungen, wie sie in den Staaten des westlichen Kulturkreises vorherrschen. Es sind das die auf internationale Verhältnisse abgestellten Deklarationen des Jahres 1789. Oder anders ausgedrückt: Die Allgemeine Erklärung überträgt auf die Staaten-welt das, was die Deklaration von 1789 für Frankreich und das übrige christliche Abendland bedeutet hatte. Die Präambel hebt Grundsätze hervor, die für das geistesgeschichtliche Verständnis der Deklaration von Bedeutung sind: die Betonung der Menschenwürde, die Betonung, daß die Menschenrechte die Basis für jede Demokratie seien, denn die Gewährung der Menschenrechte sollte den Widerstand gegen die Staatsgewalt ausschließen. Die Zielsetzungen der Menschenrechte beziehen sich auch auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten, die Menschenrechte trügen zum sozialen Fortschritt und zu besseren Lebensbedingungen bei, Universalität und Effektivität der Menschenrechte seien Ziele der Vereinten Nationen, obwohl behauptet wird, daß die Deklaration den westlichen, marxistischen und chinesischen Humanismus widerspiegle
Die Deklaration enthält einen Kompromiß zwischen dem liberalen, sozialen und christlichen Gedankengut, das hinsichtlich der Menschenrechte in den drei klassischen Grundrechten kulminierte: Leben, Freiheit, Eigentum. Darüber hinaus finden sich sozialrechtliche Erklärungen und die Betonung bestimmter Pflichten. Neu ist die Aufnahme einer an das angiosächsische Rechtsdenken gemahnenden prozessualen Garantie, die Betonung des „fair trial“ (Artikel 10, 11), sodann wird das Asylrecht unterstrichen (Artikel 14), Artikel 22 enthält eine deutliche Aussage zugunsten der sozialen Sicherheit, es wird das Recht auf Erziehung begründet (Artikel 26), ein Toleranzgebot enthält Artikel 29, die Glaubens-und Gewissensfreiheit wird im Stile des 19. Jahrhunderts bestätigt, Artikel 11 setzt die Existenz von Völkerstrafrecht voraus. Die Deklaration ist ihrer ganzen Anlage nach generell und abstrakt, d. h. — und das ist der allgemeine Trend der Arbeit der Vereinten Nationen auf dem Gebiete der Menschenrechte —, sie wendet sich an jeden Staat und spricht für jedermann. Man kann sagen, daß die Deklaration das verwirklichte, was in der Zwischenkriegszeit nur von Gelehrten und wissenschaftlichen Vereinigungen gefordert worden ist.
Die Entstehungsgeschichte der Deklaration macht zum ersten Male die Heterogenität der Staatengemeinschaft, wie sie sie zu diesem Zeitpunkt hinsichtlich der Weltanschauungen aufwies, voll bewußt. Sie macht bewußt, wie ideologisch zerklüftet diese Staatengemeinschaft bereits damals war. Das erkennt man an den Materialien über die Erarbeitung der einzelnen Artikel. Aber auch das Fehlen bestimmter Rechte weist auf besondere ideologische Streitpunkte hin. Im Artikel 2, der von dem Gleichheitssatz handelt, verlangte die UdSSR die Aufnahme des Ausdruckes „dass“; man konnte sich nicht durchringen, diesen Ausdruck in die Erklärung aufzunehmen und verwendete statt dessen den sicher nicht äquivalenten Ausdruck „birth“. Zu Artikel 3, wo von dem Recht auf Leben die Rede ist, versuchte die Sowjetunion, dieses Recht mit dem Hinweis auf die mangelnde Garantie und Substantialität weiter auszugestalten. Zu Artikel 11, der vom „fair trial“ handelt, verlangte die UdSSR, daß dieses aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch geheim durchgeführt werden könne. Zu Artikel 13, der von der Freizügigkeit handelt, verlangte die UdSSR ebenso einen Gesetzesvorbehalt wie zu Artikel 14 (Asylrecht). Zum Eigentumsschutz, der im Artikel 17 ausgesprochen ist, gab die UdSSR eine Erklärung ab, in der sie die verschiedenen Eigentumsbegriffe darlegte und diese berücksichtigt wissen wollte. Zu Artikel 18, der sich auf die Glaubens-und Gewissensfreiheit bezieht, verlangte die UdSSR, „that everyone be guaranteed freedom of thought and freedom of religious Services in accordance with the laws of the country concerned and the requirements of public morality". Zu Artikel 20, der sich auf die Vereins-und Versammlungsfreiheit bezieht, trachtete die UdSSR nach einer Einengung, soweit sie faschistische Organisationen betrifft. Zu Artikel 29 (Pflichten-und Toleranzbestimmung) erklärte der Vertreter der Sowjetunion u. a. „that the most important task concerning human progress was to find the proper balance between the interests of the individual and the interest of society“. Der sowjetische Vertreter schlug vor, zu sagen: „and also to the corresponding requirements of the democratic state“.
Diese sowjetischen Auffassungen, die den angeführten Materialien zur Allgemeinen Erklärung zu entnehmen sind, werden hier deshalb hervorgehoben, weil sie einerseits deutlich machen, wie konsequent die UdSSR daranging, ihre Rechts-und Gesellschaftsdoktrin in die internationalen Instrumente zu übersetzen und weil sie andererseits den Beginn einer Entwicklung darstellen, mit der die Vereinten Nationen im Zuge ihrer gesamten menschenrechtlichen Arbeit konfrontiert'sind.
Die Allgemeine Erklärung weist allerdings auch Lücken auf; sie läßt zwei „Rechte“ außer acht, obschon gerade über sie am lebhaftesten beraten worden ist (allerdings muß hier dahingestellt bleiben, ob dies tatsächlich „Rechte“ sind oder politische Prinzipien mit Rechtsreflexen). Das ist zum einen der Hinweis auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker, den Jugoslawien vor allem im Zusammenhang mit den unter der Treuhandschaft stehenden Gebieten und den „non-self-governing-territories“ in die Deklaration aufgenommen haben wollte, und zum anderen eine Aussage über den Schutz der Minderheiten, die vor allem von Dänemark und der Sowjetunion betrieben worden ist.
Jedenfalls war es vor allem das Fehlen dieser Aussagen, das die UdSSR veranlaßt hatte, der Deklaration keine Zustimmung zu geben. Es wird aber auch die Auffassung vertreten, daß die Deklaration in die inneren Angelegenheiten der Staaten eingreift, und daß Verpflichtungen der einzelnen gegenüber dem Staat zu wenig bedeutend seien. Die Sowjetunion enthielt sich der Stimme bei der Gesamtabstimmung, was gleichbedeutend damit ist, daß sie sich wohl auch nicht moralisch durch die Deklaration verpflichtet fühlte.
Die Deklaration ist kein völkerrechtliches Rechts-geschäft im klassischen Sinne des Wortes; sie ist kein Rechte und Pflichten begründendes Dokument. Sie hat nur feststellenden oder bestätigenden Charakter. Ihrer ganzen Anlage gemäß ist sie nicht dazu bestimmt, verpflichtend zu wirken. Es fehlen ihr alle Merkmale eines Vertrages. Das wurde schon in der Abschlußdebatte der General-versammlung deutlich genug hervorgehoben. Ohne Zweifel ist aber die Allgemeine Erklärung als eine Resolution des „rechtssetzenden Organs der Vereinten Nationen“ — nämlich der General-versammlung — Recht im Rahmen der Organisation der Vereinten Nationen und hat für sie eine bindende Wirkung. Damit teilt sie das Schicksal und die Natur aller anderen Resolutionen. Ob damit die Allgemeine Erklärung als völkerrechtliches Gewohnheitsrecht angesehen werden kann, hängt von der weiteren Entwicklung der Beachtung dieses Instruments ab. Jedenfalls interpretiert die Allgemeine Erklärung den Begriff der Menschenrechte, so wie er in der Charta unbestimmt gelassen wurde, meist von grundlegender Bedeutung. Theoretisch gesehen gilt die Allgemeine Erklärung als internationaler Standard. Sicher ist, daß sich zahllose Maßnahmen der Vereinten Nationen bis in die Gegenwart auf sie berufen.
Die Allgemeine Erklärung wird in manchem internationalen Dokument angesprochen (so z. B. in der Präambel der Europäischen Konvention für Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 in der interamerikanischen Deklaration vom 7. April 1951, in der Präambel des Friedensvertrages mit Japan vom 8. September 1951). In manchen Verfassungen ist auf die Allgemeine Erklärung entweder ausdrücklich Bezug genommen oder es wurden die Formulierungen der Erklärung wörtlich übernommen. So sind z. B. zu nennen: die indonesische Verfassung vom 15. August 1950, die Verfassung von Costa Rica vom 7. September 1949, die Verfassung von Syrien von 1953, von Haiti vom 25. November 1950, die Verfassung von Jordanien vom 8. Januar 1952; eine ganze Reihe von afrikanischen Staaten übernahm nach Erlangung der Unabhängigkeit in ihre Verfassungen den Text oder den Bezug auf die Allgemeine Erklärung. Gerichte, auch Staatsgerichte Amerikas, befassen sich mit der Deklaration. Österreich z. B. hat sich in einer interpretativen Erklärung zur Rassendiskriminierungskonvention ausdrücklich auf die Allgemeine Erklärung berufen. Diese kann daher als internationaler Standard angesehen werden, an dem die Entwicklung zu messen ist.
Die oben angeführte Bemerkung, daß die Allgemeine Erklärung als internationaler Standard für die Beurteilung der Menschenrechte angesehen werden kann, scheint heute allgemeine Erkenntnis zu sein. Ein bedeutender Experte innerhalb der Vereinten Nationen, der Uruguayer H. Gros-Espiell, hat darüber hinausgehend in einem UN-Bericht, den er als Spezialberichterstatter der Unterkommission der Menschenrechtskommission über die Menschenrechtslage in Bolivien abgege11 ben hat, zur Allgemeinen Erklärung festgestellt, daß sie im Laufe der Zeit zu einem Bestandteil des allgemeinen Völkerrechtes geworden ist, das die Staaten zu menschenrechtlichen Unterlassungen oder Handlungen verpflichtet In drei Afghanistan-Berichten habe ich diese These übernommen, sie blieb sowohl in der UN-Menschenrechtskommission als auch in der Generalversammlung unwidersprochen, was für den menschenrechtlichen Maßstab in der Welt, für internationale Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten grundlegende Bedeutung haben dürfte. b) Die UN-Pakte über die zivilen und politischen Rechte und über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte vom 16. Dezember 1966
Die Geschichte der Entstehung der beiden Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen unterscheidet sich von Anfang an von der der Allgemeinen Erklärung. Einmal, weil man schon bald die zivilen und politischen Rechte von den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen trennte; zum zweiten, weil sich in den Pakten eine Art „Implementierungsregel“ findet und sie — die Pakte — somit zur verbindlichen Norm macht; zum dritten, weil sich im Zuge der Entwicklung der Erarbeitung der Pakte — etwa von 1960 an — die Zusammensetzung der Generalversammlung, die die Pakte beriet, so grundlegend geändert hat, daß kraft der neuen, erweiterten Mitgliedschaft — es kamen nämlich die aus dem Kolonialstatus entlassenen Staaten dazu — die Beratungen dem Inhalt der Pakte eine neue Note verliehen. Erst durch diese neue erweiterte Mitgliedschaft konnte die UdSSR, die bis dahin bei allen menschen-rechtlichen Beratungen in beachtenswerter Minderheit stand, ihre Auffassungen durchsetzen, die betont „Dritte-Welt-freundlich“ waren. Dadurch gelang es neuen Mehrheiten, auch besondere Wünsche kommunistischer Staaten in den Text der Pakte aufzunehmen.
Die Wandlung des Inhaltes vor allem des Paktes über die zivilen und politischen Rechte können am besten an der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte gemessen werden. Die Pakte enthalten keinen Verweis auf einen Eigentumsschutz, sie enthalten auch keinen Hinweis auf die Staatsangehörigkeit als ein Menschenrecht, sie enthalten aber demgegenüber die Betonung besonderer kollektiver Rechte, nämlich des Selbstbestimmungsrechtes und des Minderheitenschutzes, wenngleich letzterer nur verklausuliert zum Ausdruck kam. Die Pakte unterscheiden sich gegenüber der Allgemeinen Erklärung auch wesentlich durch einen Generationenschnitt. Während in der Allgemeinen Erklärung die politischen und zivilen Rechte an der Spitze stehen, sind die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, nachdem sie von den zivilen und politischen getrennt wurden, vor den anderen eingereiht worden. Dieses Faktum hat in den nachfolgenden Jahren in den Gremien der Vereinten Nationen immer wieder zu einem Rangordnungsstreit geführt, der zugleich ein menschenrechtlicher und politischer Ideologienstreit wurde. Heute läßt man den Streit auf sich beruhen; es scheint sich das Prinzip» der Gleichwertigkeit der beiden Gruppen von Rechten durchgesetzt zu haben, wenngleich sie, historisch gesehen, zwei unterschiedlichen Generationen zugehören. Der Generationenschnitt in den beiden Pakten hat noch ein weiteres zur Folge: Es gelang nämlich den kommunistischen Staaten gemeinsam mit den Staaten der Dritten Welt, das ursprünglich in den Rechten über die zivilen und politischen Fragen angesiedelte Beschwerdesystem aus dem Pakt über die zivilen und politischen Rechte herauszudrängen. Die allgemeine Verpflichtung ist nur ein Berichts-system die Ausnahme ist das Beschwerde-system, das aber in eine Art Fakultativprotokoll verwiesen worden ist
Die Bestimmungen der Pakte sind allesamt so abgefaßt, daß sie durch bestimmte Formulierungen oder durch die Möglichkeit von Rechtsvorbehalten zugunsten von Staaten einen genügenden Spielraum enthalten, um sich — so gewollt — jeder wahren internationalen Rechtsverpflichtung zu entziehen und auf die Legalität innerstaatlicher Praktiken auszuweichen. Nur so ist es verständlich, daß Staaten, die in den Vereinten Nationen eine Diskussion über deren Menschenrechtssituation weit von sich gewiesen haben, diesen Konventionen beitreten. Auf den Ratifikationsstand der beiden Pakte wird unten verwiesen An ihm fällt auf, daß alle kommunistischen Staaten den Pakten beigetreten sind. Die im Pakt über die zivilen und politischen Rechte vorgesehene soge-nannte Staatenbeschwerde (Artikel 41) ist von ihnen allerdings nicht anerkannt. Auch die Beschwerdemöglichkeiten von Individuen gegen sie selbst werden nicht eingeräumt, womit sehr klar gemacht wird, daß sie nicht bereit sind, dem Individuum eine begrenzte internationale Rechts-persönlichkeit zuzuerkennen. In den entsprechenden Gremien entscheiden die Experten der kommunistischen Staaten allerdings sehr wohl über individuelle Beschwerden, die sich gegen westeuropäische und amerikanische Staaten richten, mit.
Die beiden Menschenrechtspakte haben ein obligatorisches Staaten-Berichtssystem eingeführt Die Mitgliedstaaten haben in gewissen Zeitabständen über die Beachtung der konventionellen Rechte den eigens dazu eingerichteten Gremien schriftlich zu berichten. Die berichtenden Staaten werden in mündlichen Verhandlungen über den Inhalt ihrer Berichte befragt. Das ist der einzige Fall, wo sich kommunistische Staaten eine Diskussion über ihre Menschenrechtssituation gefallen lassen müssen und auch gefallen lassen. Hier sind sie eine diesbezügliche internationale Verpflichtung eingegangen, die sie wahrnehmen. Daher weisen sie eine Diskussion über ihre Menschenrechtssituation im KSZE-Prozeß zurück, weil dieser, ihrer Auffassung nach, keine diesbezüglichen Verpflichtungen enthält. Da der „Widersacher“ — die USA — aus anderen Gründen nicht den Pakten beigetreten ist, hat er keine Möglichkeit, die kommunistischen Staaten — nach deren Auffassung — legal zu befragen.
Beide Pakte haben heute ein je eigenes Organ eingerichtet, das im jeweiligen Berichtsystem die Beachtung der Pakte prüft. Der Menschenrechtsausschuß aufgrund der Konvention über die zivilen und politischen Rechte war dabei von Beginn an geplant, ein Ausschuß für die Prüfung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte ist erst für 1986 vorgesehen. Beide Ausschüsse sind aus unabhängigen Experten zusammengesetzt, die jeweils von den Mitgliedstaaten bzw.dem Wirtschafts-und Sozialrat gewählt werden. Der Menschenrechtsausschuß hat aufgrund des Paktes über die zivilen und politischen Rechte seine Tätigkeit bereits seit 1976 entfaltet.
Dieser Ausschuß hat vor allem die Staatenberichte zu prüfen. Jeder Mitgliedstaat hat einen Bericht darüber vorzulegen, in welcher Weise er seine Paktverpflichtungen erfüllt und ob er dabei auf Schwierigkeiten stößt. In der Regel sind die Berichte Lobeshymnen, die Experten tun jedoch ihre Pflicht und befragen die staatlichen Delegierten sehr eingehend und umfassend. Die privaten internationalen Vereinigungen (NGO’s) leisten bei diesem Befragungsprozeß eine große Hilfe. Der Menschenrechtsausschuß unterrichtet in seinen alljährlichen Berichten die Generalversammlung der Vereinten Nationen über seine Tätigkeit. Bedauerlicherweise konnte der Ausschuß bis heute keine Ausschußmeinung festhalten, er mußte statt dessen auf Individualmeinungen über die Berichte zurückgreifen. Die Berichte des Ausschusses stellen daher eine Aneinanderreihung von Einzelmeinungen dar. Der Ausschuß als solcher hat jedoch zu einzelnen Artikeln sogenannte „General Comments“ verfaßt, die für die spätere Interpretation des Paktes eine erhebliche Bedeutung haben können. Der Menschenrechtsausschuß ist auch berufen, das Optional Protocol anzuwenden (vgl. dazu im folgenden unter 2.) Ähnliches gilt für die Tätigkeit des Ausschusses über die Rassendiskriminierung An dieser Stelle soll darauf verzichtet werden, die Internationale Konvention gegen die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung näher zu erörtern. Sie ist ähnlich aufgebaut wie der Pakt über die zivilen und politischen Rechte. Dasselbe gilt für die UN-Konvention gegen die Diskriminierung der Frau, die auch mit einem eigenen Ausschuß ausgestattet ist. Schon an diesen Beispielen zeigt sich die oben gemachte Behauptung, daß die Arbeit der Vereinten Nationen auf dem Gebiet der Menschenrechte weit aufgefächert, wenn nicht gar zersplittert ist. 2. Der quasi-judizielle Menschenrechtsschutz im Rahmen der Vereinten Nationen Unter quasi-judiziellem Menschenrechtsschutz versteht man eine Sicherung der Menschenrechte durch Organe, die im gewissen Maße Unabhängigkeit und Unversetzbarkeit genießen und die in Form eines Urteiles oder doch in einer Autorität abverlangenden Entscheidung über die Verletzung von Menschenrechten befinden. Jeder einzelne kann sich an solche Organe wenden, doch gilt im Völkerrecht als eine grundlegende Voraussetzung, daß der Staat diese Beschwerdemöglichkeit ausdrücklich anerkannt haben muß. Dasselbe gilt für die Möglichkeit sogenannter Staatenbeschwerden, das sind Beschwerden eines Staates gegen einen anderen Staat, mit denen eine Menschenrechtsverletzung behauptet wird. Die Konvention über die zivilen und politischen Rechte und die Konvention gegen die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung sieht zwar die Möglichkeit einer Staatenbeschwerde vor, doch ist auch sie nicht automatisch mit dem Beitritt zu diesen Instrumenten verbunden. Auch sie muß vom Staat ausdrücklich anerkannt werden. Kommunistische Staaten haben sich dieser Beschwerdemöglichkeit nicht unterworfen.
Im UN-System kommen die Organe der Vereinten Nationen nur in die Nähe eines quasi-judiziellen Charakters. Sie können dem Vergleich mit dem europäischen Menschenrechtsschutzsystem oder dem amerikanischen System nicht standhalten.
Der Menschenrechtsausschuß aufgrund des Paktes über die zivilen und politischen Rechte hat vor allem die Prüfung von Individualbeschwerden vorzunehmen Hinsichtlich der Wahrnehmung von sogenannten Prozeßvoraussetzungen ist er nicht allzu penibel. Andererseits ist er ängstlich darauf bedacht, die prozeßrechtlichen Schritte um Sachverhalte zu erhellen und möglichst gering zu halten. Das Verfahren vor diesen Organen ist nicht kontradiktorisch, es ist schriftlich und bis heute gibt es keine Faktenermittlung an Ort und Stelle. Darüber hinaus wird weder dem Staat noch dem Beschwerdeführer — der im System des Paktes über die zivilen und politischen Rechte merkwürdigerweise nicht Beschwerdeführer (applicant), sondern „author“ (Autor der Beschwerde) heißt — ein gesprochenes Wort abverlangt. Staaten, die ihre Mitarbeit verweigern, obwohl sie zur Mitarbeit verpflichtet sind, können praktisch nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Das Ergebnis der Verfahren in Beschwerdefällen ist eine Meinung in juristisch erscheinender Form, aber nur mit feststellender Wirkung. Die in solchen Meinungen niedergelegten Empfehlungen gehen in der Regel über den Wert von unverbindlichen Anregungen nicht hinaus.
Weist die Tätigkeit dieser Ausschüsse durch Verfahren, Regelmäßigkeit und Kontinuität der Sitzungen noch einige Elemente auf, die sie in den Bereich eines judiziellen Menschenrechtsschutzes rückt, so haben andere Petitionsverfahren, vor allem die gemäß der Resolution 728 F (1959), mit einem quasi-judiziellen Menschenrechtsschutz nichts zu tun. Zwar werden die Zehntausende Petitionen, die im Generalsekretariat eintreffen, getreulich registriert und den angesprochenen Staaten zur Stellungnahme übermittelt, aber sie werden nicht eigentlich behandelt. Kein Staat ist verpflichtet, solche Petitionen zu beantworten — die einen tun dies, die anderen unterlassen es: Alle Beschwerden, die nicht den oben genannten Ausschüssen zugeleitet oder einem anderen Verfahren zugeführt werden, werden praktisch nicht weiter behandelt. Man überantwortet sie einem nichtöffentlichen Verfahren der UN-Menschenrechts-kommission, in dem die Akten innerhalb weniger Minuten — obwohl es sich oft um Hunderttausende von Eingaben handelt — ad acta gelegt werden. Die Eingaben haben bestenfalls einen Informationswert für die staatlichen Delegationen. 3. Die Behandlung menschenrechtlicher Situationen Während die Behandlung von Individualbeschwerden und von Petitionen von Individuen oder zugunsten von Individuen oder kleinen Gruppen in und durch die Vereinten Nationen die Ausnahme sind, nimmt die Behandlung menschenrechtlicher Situationen immer mehr zu. Unter einer menschenrechtlichen Situation ist ein Konflikt über die behauptete Verletzung von Menschenrechten gegenüber ganzen Gruppen oder eines Volkes schlechthin zu verstehen, gegen die es auf legalem Wege keine Abhilfe gibt und gegenüber denen vor allem im innerstaatlichen Bereich alle legalen Mittel versagen. In der Regel hängen solche Situationen eng mit politischen Konflikten zusammen, Staateninteressen werden besonders berührt oder Konfliktsituationen berühren Menschenrechte. Das Verhältnis von Menschenrechten und Frieden steht hier besonders zur Diskussion.
Die über vierzigjährige Tätigkeit der Vereinten Nationen hat keineswegs den Frieden auf Erden geschaffen, aber die Achtung der Menschenrechte in die Konfliktdiskussion eingeführt. Gemeinhin gibt es menschenrechtliche Konflikte, die öffentlich behandelt werden und Konflikte, die zwar öffentlich bekannt sind, aber hinter verschlossenen Türen behandelt werden. Zu den öffentlich behandelten menschenrechtlichen Konflikten zählen vor allem das Apartheidsystem in der Republik Südafrika, die Auseinandersetzungen um die Militärdiktatur und ihre menschenrechtlichen Auswirkungen in Chile, die menschenrechtliche Situation in den von Israel besetzten arabischen Gebieten, der Zypernkonflikt sowie der Konflikt in und um Afghanistan. Diese Konflikte sind von den Vereinten Nationen anerkannte Konflikte. An anderen Konflikten, die menschenrechtlich ebenso gravierend waren und sind — so z. B. Vietnam und Libanon —, haben die Vereinten Nationen vorbeigesehen oder sehen an ihnen vorbei.
Für öffentlich behandelte Konflikte haben sich vor allem aufgrund von Initiativen der USA und anderer westlicher Staaten besondere Verfahren in der UN-Menschenrechtskommission und in der Unterkommission über die Verhinderung der Diskriminierung und den Schutz der Minderheiten herausgebildet. Dieses Verfahren wird in der Fachsprache als 1503-Verfahren bezeichnet. Darunter versteht man ein Verfahren, das aufgrund der ECOSOC-Resolution 1503 eingerichtet ist In diesem Verfahren spielen die NGO’s eine große Rolle. Sie treten wie Ankläger auf, legen Beschwerden vor, unterbreiten den UN-Organen Unterlagen und fördern die einmal initiierten Ver26) fahren. Die tatsächliche Handhabung liegt jedoch letztlich bei den Staaten selbst.
Hier kann nicht der Ort sein, jede menschenrechtliche Situation im einzelnen zu behandeln. Darüber gibt es genug einschlägige Dokumentationen, die aber nicht immer die Öffentlichkeit erreichen. Vor allem erreichen sie nicht die deutschsprachige Öffentlichkeit, da die gesamte UN-Dokumentation nicht in deutscher Sprache abgefaßt ist. Deutsch ist nirgendwo in den Vereinten Nationen Amtssprache. Einige Beispiele mögen hier genügen: — Die Vereinten Nationen kämpfen bereits seit 1947 gegen die Apartheidpolitik Ihr Kampf hat viele Phasen durchlaufen. Vor allem die Auseinandersetzung mit der Apartheidpolitik führte zur Resolution 1514, die das Recht auf Selbstbestimmung im Entkolonisierungsprozeß besonders betont und die Apartheid als Ausdruck des Neokolonialismus kennzeichnet. Apartheid wird als die bedeutendste systematische Form der Rassendiskriminierung der Gegenwart angesehen. Mit ihr ist das Namibiaproblem engstens verbunden. Den Vereinten Nationen ist es in vierzigjähriger Arbeit — trotz des Aufwandes an Worten, Untersuchungen, Gerichtsentscheidungen, öffentlicher Verurteilung, Embargobeschlüssen, völkerstrafrechtlichen Versuchen — allerdings nicht gelungen, das Rassensystem zu verändern, doch haben sie die Weltöffentlichkeit alarmiert.
— Die Vereinten Nationen waren bis heute nicht imstande, die völkerrechtswidrige Politik Israels hinsichtlich der besetzten Gebiete zu revidieren. — Die Vereinten Nationen sind der Militärdiktatur Chiles und ihren menschenrechtswidrigen Praktiken gleichfalls mit Worten, Untersuchungen und öffentlichen Verurteilungen entgegengetreten aber sie konnten sie nicht dazu bewegen, ihr politisches System zu verändern.
— Die Vereinten Nationen haben der menschen-rechtswidrigen und inhumanen Politik der Demo-kratischen Republik Afghanistan und der UdSSR in Afghanistan Worte, Untersuchungen und öffentliche Verurteilungen entgegengesetzt aber sie konnten auch hier keine Änderung der Politik erzwingen.
Im 1503-Verfahren sieht es nicht anders aus. Dieses Verfahren wird seit 1974 praktiziert. Manche Staaten sahen sich ihm konfrontiert und zu Rede und Antwort gezwungen: wie z. B. Indonesien, Pakistan, die Philippinen, Uganda, Malawi, die Türkei, Großbritannien, Uruguay und Brasilien, um einige zu nennen. Nur in wenigen Fällen indessen kann man sich vom Menschenrechtstandpunkt aus mit Verfahren und Resultat zufrieden geben. Weniger haben diese Zufriedenheit Handlungen der Vereinten Nationen als innerstaatliche revolutionäre Akte bewirkt. Übrigens sind die Verhandlungen über menschenrechtliche Situationen bisher über Vorfragen nicht hinausgekommen — kein Wunder, sie finden nur einmal im Jahr statt
Die Vereinten Nationen stellen zwar ihr Instrumentarium zur Behandlung dieser Menschenrechtssituationen zur Verfügung, Initiativen zur Arbeit aber werden von Staaten, Staatengruppen, anerkannten Vertretungen von Befreiungsbewegungen, allenfalls von NGO’s ergriffen. Aus diesen Gründen erfolgt die Problembehandlung in den Gremien der Vereinten Nationen oft mit mühsamem Aufwand und unterschiedlichem Erfolg. Nur in den seltensten Fällen zeigen sich betroffene Staaten auch kooperationsbereit. Dazu zählen jedenfalls nicht die Republik Südafrika, Israel, Afghanistan, die UdSSR, die Türkei und der Iran, eher schon Chile. Nur wenn Staaten und Staatengruppen kontinuierlich bereit sind, menschenrechtliche Situationen zur Debatte zu stellen, über sie Resolutionen einzubringen und zur Abstimmung zu stellen, könnte jedoch am Ende eines solchen Prozesses ein zufriedenstellendes menschenrechtliches Ergebnis vorliegen. Die Vereinten Nationen können hier nur Hilfestellung leisten — es sind die Staaten, die gewillt sein müssen, einer Lösung zuzustimmen. Der interessierte Deutsche wird sich fragen, warum die SelbstbeStimmung durch Wiedervereinigung, warum nicht Schutz der Deutschen in Polen und Ostdeutschland oder warum nicht die Wiedervereinigung der sowjetisch besetzten japanischen Inseln mit Japan in den Vereinten Nationen behandelt werden. Die Antwort ist einfach: Weil sich die unmittelbar betroffenen Staaten — die Gründe seien hier dahingestellt , — außerstande sehen, um ihre vermeintlichen Rechte zu kämpfen und lieber schweigen! Man sieht: In den menschenrechtlichen Situationen geht es um die Konfrontation von politischer Gewalt und Recht, 4. Humanitäre Hilfe
Ging es bei den vorangegangenen Problemkreisen um Rechte, Rechtsverletzungen und völkerrechtliche Verantwortlichkeit, so stehen die humanitären Leistungen der Vereinten Nationen weit über diesen politischen Fragen, obwohl auch sie von der Staatenpolitik beherrscht werden. Wenn nämlich Staaten kein Geld für eine Unternehmung geben, wenn sie Hilfe erst gar nicht zulassen, wenn Staaten angebotene Hilfe ablehnen oder angebotene Hilfsmittel nicht ergreifen, dann hat auch die humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen ihre Möglichkeiten erschöpft und muß warten.
Die Berichte der humanitären und wirtschaftlichen Organisationen der Vereinten Nationen und ihrer Spezialorganisationen — z. B.der Hoch-kommissar für das Flüchtlingswesen, die Weltgesundheitsorganisation, die UNESCO, das Kinderhilfswerk, die Entwicklungshilfeorganisation, die Welternährungsorganisation u. a. — sind voll des Leistungsnachweises. So gibt es spezielle Fonds für Gefolterte, für Opfer der Apartheid-politik, für Hinterbliebene von Verschwundenen, für Erdbeben-und Naturkatastrophenopfer. Die Tätigkeit der UN-Organisationen zeigt, daß viele Staaten, die im menschenrechtlichen Bereich politische Barrieren gegen manchen Fortschritt errichten, bereit sind, außerhalb politischer Konflikte ihre Mittel in den großen Topf der internationalen Solidarität zu werfen. Auf diesem Gebietehaben die organisierten Kräfte der Vereinten Nationen bedeutendes geleistet: Sie planen, organisieren, verteilen die Hilfe ohne wenn und aber, vorausgesetzt, die Staaten, in deren Jurisdiktion sich der Anlaßfall ereignet, sind zur Mitarbeit be-reit und zweigen die internationale Hilfe nicht für unvorhergesehene Zwecke ab.
Die NGO's einschließlich des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz arbeiten mit den Vereinten Nationen zusammen. Je umfassender ein humanitärer Konflikt, desto größer die Sorge. Allen voran steht das Internationale Komitee vom Roten Kreuz: uneigennützig, nicht selbstgefällig, nicht aufdringlich, im gewissen Sinne gegenüber den politischen Elementen eines Konfliktes eine Art „pouvoir neutre“. Aber auch hier muß der betreffende Staat für die Arbeit des Roten Kreuzes sein Placet geben. Wo dieser die Genehmigung zu humanitärer Hilfe verweigert, entsteht ein humanitäres Niemandsland. In solchen Fällen können allein private Organisationen Hilfe bringen: im Falle Afghanistan etwa das German Relief Committee, das Austrian Relief Committee, les Medecins sans frontieres, das Swedish Relief Committee u. a. Sie erstatten laufend öffentlich Bericht über ihre humanitäre Arbeit.
Gemeinsam mit den Berichten der humanitären Organisationen der Vereinten Nationen ergibt sich ein imponierendes Bild der internationalen Solidarität, vor dem die politischen und rechtlichen Querelen der Staaten manchmal als recht klein erscheinen mögen. 5. Lücken und Grauzonen Im Jahre 1945 — bei der Gründung der Vereinten Nationen — ist man davon ausgegangen, daß die neue Nachkriegsweltordnung eine wirkliche Friedensordnung werde; man wollte aus den Erfahrungen der Völkerbundära lernen. Heute — fast 41 Jahre danach — weiß man, daß diese Ordnung lückenhaft oder gar brüchig geworden ist. Wenn man davon ausgehen darf, daß die Achtung, die Förderung und der Schutz der Menschenrechte ein Grundpfeiler dieser neuen Weitordnung sind, dann müßte diesem Problemkreis besondere Achtung zugewendet werden. Die Vereinten Nationen haben viel getan, wie in der vorangegangenen Darstellung sichtbar geworden ist. Sie haben vor allem der Entwicklung der Dritten Welt als gleichberechtigtem Partner des klassischen Europa unschätzbare Verdienste geleistet. Sie konnten aber Konflikte, die sich aus diesem Nebeneinander von Kulturen, Staatssystemen und Interessen ergeben würden, nicht vorhersehen. Hier versagten sie, planend zu wirken. Ihre Bemühungen, mit der Entwicklung Schritt zu halten, hinken aber hinter der Entwicklung her.
Im Menschenrechtsbereich sind die Entwicklungen durch neue Bedrohungen des Menschen gekennzeichnet. Diese Bedrohungen ergeben sich aus der Bevölkerungsexplosion, aus Umweltgefährdungen, aus der nicht ausreichenden Balance von Bewahrung und Entwicklung, aus latenten Revolutionen, die -aus ungerechten und labilen Gesellschaftsordnungen resultieren und sich zu Akten des Weltterrorismus ausweiten. In jedem Falle berühren sie unmittelbar Menschenrechte, ihre Bekämpfung ist kaum in Angriff genommen worden. Darüber hinaus gibt es unter Berufung auf das Recht auf Selbstbestimmung Bewegungen, die neue politische Strukturen errichten wollen. Auf all diesen Gebieten gibt es auch von Seiten der Vereinten Nationen Lösungsansätze. Sie machen deutlich, daß die Menschenrechte — sollen sie tatsächlich friedensbildend sein — integral, mehrdimensional, mehrinstrumental und überregional verstanden werden müssen, um den modernen Bedrohungen der Menschen, ja der Menschheit zu begegnen. Beispielsweise gibt es die berühmte Umweltdeklaration „Nur eine Erde“ es gibt Konferenzpapiere über die Bekämpfung der Bevölkerungsexplosion es gibt Deklarationen über eine neue Weltwirtschaftsordnung eine Deklaration über die Grundsätze des Völkerrechtes hinsichtlich der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern die dazu beitragen, ein Recht auf Umwelt zu schaffen, ein Recht auf Entwicklung ein wirksames Recht auf Selbstbestimmung zu statuieren; es gibt Dokumente, um den Terrorismus zu bekämpfen, es gibt UN-Dokumente, die die Gefahren rücksichtslosen Technologiegebrauches für die Menschenrechte sichtbar machen und es gibt ein Dokument über eine neue humanitäre Ordnung All das aber sind nur Ansätze und im Ergebnis keine vollkommen durchgebildeten Konzepte. Vor allem gelingt es den Vereinten Nationen nicht, die Gründe für die neuen Bedrohungen — die in Staat, Technik, Wirtschaft und Wissenschaft liegen — magistral zu erkennen und dann zu bekämpfen. Einzig auf dem Gebiete der Rassendiskriminierung und des Kampfes gegen sie hat die UNESCO erkannt, daß die Gründe der Diskriminierung vor allem im Vorurteil liegen Eine wirksame Erziehung gegen dieses aber ist den Staaten überlassen und weitgehend ausgeblieben.
V. Hindernisse gegen den Fortschritt
Mit dem Terminus „Hindernisse gegen den Fortschritt“ soll angedeutet werden, daß es den Vereinten Nationen im Menschenrechtsbereich wohl gelungen ist, die klassisch gewordenen Bedrohungen von Menschen und Menschenrechten zu erkennen und zu bekämpfen. Der Anschluß an die rapide Weiterentwicklung von Bedrohungssachverhalten muß indessen erst mühsam gefunden werden (das wäre eine konzeptionelle „Standard setting“ -Tätigkeit). Da diese Bedrohungen im wesentlichen in gesellschaftspolitischen Vorgängen in einzelnen Staaten selbst begründet sind, können die Vereinten Nationen ohne die Bereitschaft dieser Staaten, hier auch zu den Gründen vorzustoßen, keine Fortschritte erzielen. Daher versagt das bisher mühsam aufgebaute menschenrechtliche Instrumentarium. Hinzu kommt, daß die eigentliche Sicherung und Durchsetzung der Menschenrechte gegenüber diesen Staaten von Seiten der Vereinten Nationen nicht zu greifen scheint. Lücken und Grauzonen des menschenrechtlichen Systems der Vereinten Nationen sind also wesentlich von der Natur der Hindernisse bestimmt, die nur zum Teil den Vereinten Nationen zurechenbar sind. Diese Hindernisse aber sind struktureller Natur und bestehen in dem daraus folgenden Abblocken fortschrittlicher Ansätze, was im einzelnen genau nachweisbar wäre.
Das Haupthindernis, um über das bisher im Menschenrechtsschutz Erreichte hinauszugehen, ist die Souveränität der Staaten; auf ihr aber ist die Weltorganisation aufgebaut Diese Souveränität des Staates, d. h. alle Einmischungen in staatliche Angelegenheiten abzuwehren, ist Grundprinzip der Vereinten Nationen, auf ihr ist das Ziel einer Kooperation der Staaten, die nicht erzwungen werden kann, aufgebaut. Das Souveränitätsprinzip ist ein klassischer Grundsatz allgemeinen Völkerrechtes. Allerdings hat es keinen versteinerten, sondern einen dynamischen Inhalt.
Für die Menschenrechte gilt hinsichtlich des vor allem in Artikel 2, Ziffer 7 verankerten Souveränitätsprinzips Der eigentliche Menschen-rechtsschutz — bis auf die Verbindlichkeit richterlichen oder quasirichterlichen Schutzes, die Durchführung von Untersuchungen an Ort und Stelle — kann heute nicht mehr wesentlich zur eigenen Zuständigkeit eines Staates gerechnet werden. Auch wenn betroffene Staaten sich auf diese Klausel immer wieder zurückziehen (die Republik Südafrika, Afghanistan, Chile u. a.), so ist dies — menschenrechtspolitisch betrachtet — ein Rückzugsgefecht gegen den Fortschritt. Allerdings ist gerade der verbindliche Menschenrechts-schutz für die Einhaltung des festgelegten Standards wesentlich. Solange es nicht gelingt, dem Artikel 2, Ziffer 7 der Charta eine neue, allgemein anerkannte Interpretation zugunsten des Fort-schrittes in menschenrechtlichen Entwicklungen zu geben, wird eine progressive Menschenrechts-arbeit der Vereinten Nationen ohne Zustimmung der Staaten (und nicht nur der staatlichen Delegationen in den Vereinten Nationen) über den derzeit erreichten Standard der Menschenrechte nicht hinausreichen können, ein Fortschritt nur in kleinen und kleinsten Schritten erzielt werden können. Nicht minder wichtig für den Fortschritt der internationalen Menschenrechte im Geiste der Freiheit ist die tatsächliche Mitarbeit des Generalsekretariats, also eines Hauptorgans der Vereinten Nationen. Dieses ist so wenig menschenrechts-sachlich orientiert, daß von dort seit Jahren — außer der technischen Hilfe — keine eigenständigen Initiativen mehr kommen. Man wartet statt dessen auf die Aufträge, die aus politischen Gremien der Vereinten Nationen kommen sollen; bleiben diese aus, dann tut sich, von wenigen Ausnahmefällen, wie der menschenrechtlichen Information und Dokumentationsleistung abgesehen, in der Regel wenig.
Dazu kommt in allerjüngster Zeit die Finanzkrise der Vereinten Nationen. Sie berührt sicher nicht die Arbeit der großen Organe wie der Generalversammlung oder des Sicherheitsrates, aber sie berührt die auf Forschung, Gespräch, weltweiten Augenschein, auf Reise und Reisediplomatie beruhende vorbereitende Menschenrechtsarbeit. Darüber hinaus fehlt es an gutem, akademisch vorgebildeten Personal; die Stellenausstattung ist, gemessen an der Flut der Arbeit, spärlich, neue Stellen werden kaum geschaffen, wobei gerade hinsichtlich jener Stellen, bei denen es nicht um eine herausragende politische Tätigkeit, sondern um menschenrechtliche Feinarbeit geht, eine sehr national betonte Personalpolitik betrieben wird. Spricht man in nationalen Bürokratien davon, daß das Parteibuch einen Befähigungsnachweis ersetzen kann, so gilt für die internationale Bürokratie in erster Linie die nationale oder regionale Zugehörigkeit eines Bewerbers.
Da die staatliche Souveränität im Mittelpunkt der Menschenrechtsarbeit der Vereinten Nationen steht, gelingt es auch nicht, „überstaatliche“ Organe zu schaffen, die die Situation der Menschenrechte in der Welt laufend beobachten und entsprechende Empfehlungen abgeben könnten. Der vor allem von westlicher Seite immer wieder propagierte „Hochkommissar für Menschenrechte“ ist zu einem Symbol für eine über den staatlichen Interessen stehende UN-Menschenrechtspolitik geworden. An diesem seinerzeit erstmals von Uruguay propagierten Organ und den verschlungenen Wegen dieses Projektes bis in die Gegenwart hinein erkennt man sehr wohl den Stand im Verhältnis Menschenrechte und staatliche Souveränität. An die Stelle dieses überstaatlichen Hochkommissars für Menschenrechte haben sich die NGO’s gesetzt, die auf ihre Weise eine Informations-, Anmahnungs-und gar Anklagefunktion wahrnehmen. Ihr System ist im Bereiche des Wirtschaftsund Sozialrats sichert, ihre Wirkung hängt von der Qualität ihrer Arbeit und ihrer Koordinationsfreudigkeit ab. Zur Entwicklung des außer-konventionellen 1503-Verfahrens haben sie entscheidend beigetragen.
Die Hindernisse für den weiteren Fortschritt auf dem Gebiete der Menschenrechte in und durch die Vereinten Nationen über das bisher Erreichte hinaus sind ganz entscheidend durch zwei Begriffe gekennzeichnet, die im deutschen Sprachraum besonders gebräuchlich geworden sind: „Verpolitisierung" und auch „Verbürokratisierung der Menschenrechte“. Gewiß sind die Menschenrechte mit einer ganz erheblichen politischen Funktion ausgestattet, sie sind vom Politischen nicht trennbar. Unter „Verpolitisierung der Menschenrechte“ aber ist jener Vorgang zu verstehen, der darin besteht, daß Menschenrechtsfragen geradezu ausschließlich in den Dienst eines nationalen oder regionalen politischen Zieles gestellt werden. Die wahre Aufgabe der Menschenrechte, dem Menschen und den Gruppen zu dienen, wird hintangestellt, der Einsatz menschenrechtlicher Argumente und menschenrechtlicher Regeln für politische Zwecke rückt in den Vordergrund. Damit werden die Menschenrechte ihrem wahren Zwecke entfremdet. Erscheinungsformen dieser Verpolitisierung sind Maßnahmen, die in der Gesamtschau eine Doppelmoral offenbaren: „Chile ja“, „Afghanistan nein“; „Selbstbestimmung für die Palästinenser ja“, „Selbstbestimmung für die Flüchtlinge nein“. Hier zeigt sich eine universelle Blindheit gegenüber Menschenrechtsverletzungen. Wird in der politisch genehmen Situation eine Menschenrechtsverletzung öffentlich angeklagt, so steht dem gegenüber das bewußte Verschweigen von Menschenrechtsverletzungen, wenn ihre Erwähnung nicht in ein politisches Konzept paßt.
Unter der „Verbürokratisierung der Menschenrechte“ ist die Handhabung menschenrechtlicher Normen bzw. ihre Weiterbildung ausschließlich durch „Experten“ zu verstehen, ohne daß dieser Vorgang von den politisch Verantwortlichen irgendwie kontrolliert würde. Daraus entwickeln sich Interpretationsgebäude und eine Selbständigkeit menschenrechtlicher Norminhalte, die mit dem Ziel und Zweck der Menschenrechte oft schwerlich übereinstimmen. Ein besonderes Bei-19 spiel ist das 7. Zusatzprotokoll zur Menschenrechtskonvention des. Europarates. Es sollte anläßlich der 30. Wiederkehr der Beschlußfassung über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Generalversammlung der Vereinten Nationen erarbeitet werden und inhaltlich an die UN-Pakte anschließen. Was dabei herauskam — trotz fast lOjähriger Arbeit — ist ein Dokument, so verklausuliert und so begrenzt in der Angleichung an die Pakte, daß von der politischen Zielsetzung der Jahre 1972/78 praktisch nichts übrig geblieben ist. Die Experten haben die Texte zerredet, die verantwortlichen Politiker haben sich darum nicht weiter gekümmert!