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Die Mandatsträger der GRÜNEN | APuZ 11/1986 | bpb.de

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APuZ 11/1986 Zwischen oder auf den Tankern? Die Mandatsträger der GRÜNEN Wahlkampf in den achtziger Jahren

Die Mandatsträger der GRÜNEN

Helmut Fogt

/ 36 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Analyse der Parlamentsabgeordneten und Vorstandsmitglieder, die DIE GRÜNEN seit 1979 aufgeboten haben, belegt die altersmäßige Dominanz der APO-und Nach-APO-Generation unter dem Führungspersonal der Partei. Die Parteielite besteht zum überwiegenden Teil aus Akademikern, mit einem besonders hohen Anteil von Lehrern und Sozialwissenschaftlern. Daneben sind bei den GRÜNEN — ein Novum — erstmals zahlreiche Personen in politische Spitzenpositionen gelangt, die als berufliche Problemfälle anzusehen sind, etwa „Jobber“ und Arbeitslose. S .. Uber die Hälfte der Mandatsträger der GRÜNEN war politisch bereits anderweitig organisiert, 35 % von ihnen waren Mitglieder in einer linksradikalen oder linksextremen Partei oder Organisation. Besonders den K-Gruppen gelang es, in erheblichem und oft unterschätztem Maße bei den GRÜNEN Fuß zu fassen und zwischenzeitlich ihren personellen Einfluß noch weiter auszubauen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, bedeutet die Mitarbeit früherer Linksradikaler bei den GRÜNEN keineswegs, daß diese Gruppe ihre bisherige Ideologie und politische Strategie entscheidend modifiziert hätte. Zwei Drittel der GRÜNEN sind in verschiedenen anderen politischen Bewegungen der jüngsten Zeit verankert, so u. a. in der Friedensbewegung, der Dritte-Welt-Bewegung, der Bürgerrechtsund Frauenbewegung. Dagegen wird die Einbindung der GRÜNEN in der Ökologiebewegung den selbstgesetzten Ansprüchen kaum gerecht. Insgesamt betrachtet fehlen der Parteielite der GRÜNEN die Voraussetzungen für eine wirkungsvolle politisch-parlamentarische Professionalisierung. Fachkompetenz, wie sie der parlamentarische Betrieb verlangt, ist häufig nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Statt dessen zeichnet sich eine weitere politisch-ideologische Radikalisierung unter den Abgeordneten und Vorstandsmitgliedern der GRÜNEN ab. Die Überlebenschancen der Partei werden durch diese Entwicklung voraussichtlich gemindert.

Von wenigen prominenten Vertretern abgesehen, sind die GRÜNEN noch heute, über sechs Jahre nach ihrer Gründung, personell eine weithin unbekannte Partei. Der häufige Amts-und Mandatswechsel, den sie aus prinzipiellen Gründen veranstalten, erschwert es selbst der politisch interessierten Öffentlichkeit, sich ein Bild von der Parteiführung zu machen. Auch die Wählerschaft der GRÜNEN ist in ihrer Mehrzahl über das personelle Angebot der Partei kaum informiert.

Fundamentaloppositionelle Ökosozialisten Traditionelle Sozialisten Sonstige Nicht-Ökologen Realpolitiker Ökoliberale Wertkonservative Nur-Ökologen n = 182 10 9 19 13 26 6 7 9 21 4 8 4 25 17 17 4 10 10 15 10 32 7 8 8 5 12 23 10 30 4 2 14 14 3 31 34 7 -— 7 3 Übersicht 9: Mandatsträger der GRÜNEN nach innerparteilichem Standort Alle Mandatsträger % Bundesvorstand

% Parlaments-mannschaft Parlaments-mannschaft

3 und 4 1 % 2 % %

Dabei hat das Führungspersonal der GRÜNEN seit Gründung der Partei eine Reihe bedeutsamer Veränderungen erfahren. Hierzu gehört die schrittweise Ausgrenzung konservativer und politisch moderater Vertreter der Gründergeneration der Partei. Auch sonst wurde mancher prominente GRÜNE der ersten Stunde durch Mandatsbeschränkungen und Rotationsregelungen in den Hintergrund gedrängt. Der rasche personelle Wechsel bei Parteiämtern und Parlamentsmandaten droht das Reservoir an politischen Führungsbegabungen bei den GRÜNEN insgesamt zu erschöpfen. Diese personellen Veränderungen legen es nahe, in Fortführung einer älteren Studie erneut eine Bestandsaufnahme der Parteielite der GRÜNEN und der mit ihr assoziierten „Alternativen Listen“ vorzunehmen

II. Die Mandatsträger der GRÜNEN

Übersicht 1: Zugehörigkeit zu den politischen Generationen und Durchschnittsalter bei Mandatsantritt „Alternativbewegungen“ APO-Ära Adenauer-Ära Kriegs-und Nachkriegszeit Weimarer Republik und NS-Zeit Durchschnittsalter 1954— 1946— 1953 1935— 1945 1922— 1934 — 1921 n = 15 39 29 12 5 39, 1 235 17 26 14 17 26 42, 2 35 10 34 39 17 — 39, 7 82 18 45 30 8 — 37, 6 78 20 48 20 5 8 37, 9 40 — 3 45 47 5 48, 5 492 Geburtsjahrgänge *) Ohne Abgeordnete der GRÜNEN Alle Mandatsträger % Bundesvorstand

% Parlaments-mann羚¸

Die GRÜNEN sind heute im Deutschen Bundestag, im Europäischen Parlament sowie in sechs von elf Länderparlamenten der Bundesrepublik vertreten. Überwiegend hat gegenwärtig bereits eine neu zusammengesetzte zweite (in Berlin gar schon eine dritte) Gruppe von Abgeordneten der GRÜNEN die Parlamentsmandate inne. In Baden-Württemberg, Bremen, Berlin und im Europa-Parlament steht dazu jeweils ein weiteres Team bereit, entsprechend der jeweiligen Rotationsregelung in den nächsten anderthalb Jahren für die derzeitigen Abgeordneten der GRÜNEN „nachzurücken“.

Im folgenden werden Angaben zur allgemeinen Biographie und zur politischen Vorgeschichte von 235 Amts-und Mandatsträgern der GRÜNEN untersucht. Es handelt sich um sämtliche Abgeordnete, die die GRÜNEN (einschließlich der Vertreter der „Bremer Grünen Liste“, der Berliner „Alternativen Liste“ und der Hamburger „Grün-Alternativen-Liste") von 1979 bis heute in die jeweiligen Parlamente entsandt haben; hinzu kommen die gegenwärtig vorgesehenen Nachrükker sowie zusätzlich die ehemaligen und gegenwärtigen Mitglieder des Bundesvorstandes, soweit diese nicht ebenfalls Abgeordnetenmandate inne hatten.

Als Materialbasis wurden zunächst sämtliche biographischen Angaben zu den genannten 200 Abgeordneten in den amtlichen Parlamentshandbüchern von Bundestag, Europa-Parlament und den entsprechenden Landtagen herangezogen. Diese Unterlagen konnten bei etwa 100 Mandats-trägern der GRÜNEN durch detaillierte Lebensläufe ergänzt werden, die diese (meist anläßlich von Kandidatenvorstellungen) selbst verfaßt haben. Hierunter befinden sich Antwortschreiben mit biographischen Angaben von 35 Vertretern der GRÜNEN auf eine vom Verfasser im Sommer 1985 durchgeführte, gezielte Befragung von insgesamt 84 Mandatsträgern der Partei, über die bis dahin nur spärliche Informationen vorlagen (Rücklaufquote: 42 %).

Dieses Material wurde weiter ergänzt durch eine Fülle von biographischen Einzelangaben zum genannten Personenkreis, die sich in der Tagespresse (u. a.der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, dem SPIEGEL, der ZEIT, Christ und Welt, der Welt, der Stuttgarter Zeitung, der Frankfurter Rundschau, dem Parlament sowie dem Stern), in verschiedenen Publikationen der GRÜNEN (besonders dem grünen basisdienst, den Grünen Blättern), in der sonstigen Alternativpresse (der taz, dem Pflasterstrand) oder in eigenen Publikationen der jeweiligen Mandatsträger (Zeitschriftenartikeln, Beiträgen zu Sammelbänden, Büchern) zumeist in der Zeit zwischen 1977 und 1985 fanden. Weitere biographische Angaben konnten den amtlichen Publikationen der Wahlvorschläge der GRÜNEN entnommen werden

Auf eine Umfrage mit Hilfe standardisierter Fragebögen wurde verzichtet, da nach aller Erfahrung nur mit einem geringen und zudem nicht-repräsentativen Rücklauf zu rechnen war. Dafür mußten Lücken in der Dateninformation (etwa bezüglich der Konfessionszugehörigkeit der Mandatsträger) in Kauf genommen werden.

III. Zusammensetzung nach Geschlecht und Alter

Volksschule ohne/mit Lehre Mittlere Reife/Fachschulabschluß Abitur, Abschluß höhere Fach-schule (ohne Studium) Studium ohne Abschluß Fachhochschulabschluß Staatsexamen Lehramt Staatsexamen Jura Staatsexamen Theologie Magister Artium Diplome, sozial-und geisteswissenschaftlich Diplome, naturwissenschaftlich Staatsexamen Medizin Promotion Studienabschluß ohne nähere Angaben Sonstiges (ohne Hochschulbildung) Keine Angaben *) Inklusive Mehrfachnennungen 4 7 6 11 3 26 6 2 4 18 7 3 10 2 3 4 116% Übersicht 2: Aus路=

Die GRÜNEN sind ohne Zweifel die frauen-freundlichste Partei in der Geschichte der Bundesrepublik. Unter allen Mandatsträgern, die die GRÜNEN bis heute im Parteivorstand und in den Parlamentsfraktionen aufgeboten haben, lag der Frauenanteil bei 33 %. Wie ungewöhnlich hoch diese Quote für den Bereich der Politik ausfällt, zeigt ein Blick auf die Zusammensetzung der übrigen Fraktionen des 10. Deutschen Bundestages, die auch im folgenden zum Vergleich der Parteieliten herangezogen werden. Wie schon in der 9. Wahlperiode, erreicht der Anteil weiblicher Parlamentarier bei den „etablierten“ Parteien gerade 8 %

Ursache für den vergleichsweise hohen Anteil weiblicher Mandatsträger bei den GRÜNEN ist zum einen der Umstand, daß bei den GRÜNEN bislang keine „Ochsentour“ notwendig war, um auf aussichtsreiche Plätze für Parlamentswahlen zu kommen, während bei den anderen Parteien die meisten weiblichen Bewerber auf diesem mühsamen Weg scheitern. Zum anderen hatten engagierte Frauen und Feministinnen bei den GRÜNEN von vornherein eine ganz andere innerparteiliche Machtposition inne, als dies bei anderen Parteien der Fall ist. Dies kommt nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß der Bundesvorstand, der GRÜNEN bisher fast zur Hälfte aus Frauen bestand. Innerhalb der Parlamentsfraktionen der GRÜNEN schwankt der Frauenanteil beträchtlich: Mit dem Ausscheiden der ersten Parlamentarier der Partei aus den Volksvertretungen fiel der Anteil weiblicher Abgeordneter bei den GRÜNEN von 34% auf 20%, er liegt beim dritten und vierten Parlamentarieraufgebot der GRÜNEN allerdings wieder bei 45 %.

Die GRÜNEN weichen auch in anderer Hinsicht bis heute beträchtlich von der Elite anderer Parteien ab: Sie verfügen über eine außerordentlich junge Führung. Bei Antritt ihres Parteiamtes bzw. ihres ersten Parlamentsmandats waren die hier untersuchten Funktionsträger im Durchschnitt gerade 39, 1 Jahre alt (Übersicht 1). Sie waren damit im Mittel über neun Jahre jünger als die Mitglieder der übrigen Parteien im 10. Deutschen Bundestag. Nur im Bundesvorstand der GRÜNEN lag das Durchschnittsalter etwas höher, was im wesentlichen darauf zurückzuführen ist, daß dem Gremium in der Gründungsphase einige ältere Mitglieder angehörten, die heute in der Partei keine Rolle mehr spielen. Bei den Parlamentariern der GRÜNEN ist das Durchschnittsalter seit dem Ausscheiden der ersten Repräsentanten der Partei dagegen weiter gesunken: von knapp 40 Jahre auf knapp 38 Jahre.

Dieses Durchschnittsalter ist durchaus von politischer Relevanz. Bis heute können die jeweils jüngsten Parlamentsfraktionen der Partei politisch und ideologisch auch zugleich als die jeweils radikalsten gelten. Unter den ersten GRÜNEN, die in die verschiedenen Volksvertretungen einzogen, hatten die Fraktionen in Hessen, Hamburg und im Europa-Parlament das niedrigste Durchschnittsalter aufzuweisen und vertraten zugleich die radikalsten Positionen; die beiden Fraktionen mit dem höchsten Durchschnittsalter (in Niedersachsen und im Bundestag) gaben sich dagegen vergleichsweise moderat. Die Verjüngung, die die Parlamentsfraktionen der GRÜ17 NEN in Baden-Württemberg, Berlin und Niedersachsen in der letzten Zeit erfahren haben, ging umgekehrt jeweils Hand in Hand mit einer Radikalisierung der Zielsetzungen und der Auftretens-weise. Die Mandatsträger der GRÜNEN sind nicht nur insgesamt jünger, sie entstammen auch anderen politischen Generationen als das Führungspersonal der übrigen Parteien. Unterteilt man die jüngere deutsche Geschichte in fünf große Epochen — in die Zeit der Weimarer Republik und des frühen NS-Regimes bis 1939, die Kriegs-und Nachkriegszeit bis etwa 1953, die Adenauer-Ära bis Mitte der sechziger Jahre, die Zeit der „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO) und Studentenbewegung bis in die frühen siebziger Jahre und schließlich die jüngste Epoche, in der eine Vielzahl politischer Bewegungen alternativ-oppositionellen Charakters der Innenpolitik ihr Gepräge gaben — und ordnet man diesen Epochen diejenigen Jahrgänge zu, die in dem entsprechenden Zeitraum heranwuchsen, mithin hier ihre prägenden politischen und sozialen Grunderfahrungen machten, so erhält man die in Übersicht 1 wiedergegebene Aufschlüsselung

Danach sind nicht weniger als 54 % der Mandats-träger der GRÜNEN der APO-Generation oder der Generation der neueren politischen Bewegungen zuzurechnen, haben Politik also nie anders als im Zeichen des außerparlamentarischen Aktivismus seit den Tagen der Studentenrevolte kennengelernt. Nur 29 % sind in der AdenauerÄra herangewachsen. Anders bei den zum Vergleich herangezogenen Abgeordneten der übrigen Parteien im 10. Deutschen Bundestag: Unter ihnen gehören 45 % zur Generation des Wiederaufbaus und des „Wirtschaftswunders“ in der Regierungszeit von Adenauer und Erhard. Für ebenso viele Bundestagsabgeordnete (47 %) zählen Not und Entbehrungen der Kriegs-und unmittelbaren Nachkriegszeit zu den persönlichen Grunderfahrungen. Dagegen sind die beiden jüngsten Generationen bei den anderen Parteien im gegenwärtigen Bundestag so gut wie nicht vertreten. Im Bundesvorstand der GRÜNEN zählten 26 % der Mitglieder zur APO-Generation, 17% zur Generation der „Alternativbewegungen“. Unter den Parlamentsmannschaften der GRÜNEN sind die Anteile der beiden jüngsten Generationen fortlaufend gestiegen; unter den vorgesehenen Nachrückern der Partei für das Berliner Abgeordnetenhaus liegt die Quote heute bei 80 %. Ohne Zweifel drängt über die GRÜNEN die APO-und Nach-APO-Generation in die „etablierte“ Politik — zwei Generationen, die Wohlstand und politische Stabilität als Selbstverständlichkeiten vorgefunden haben, die daher häufig nur noch deren negative Begleiterscheinungen zu sehen vermögen.

IV. Schichtzugehörigkeit und Ausbildung

Land-und Forstwirte, Fischer Arbeiter, Facharbeiter -Einfache technische und Dienstleistungsberufe Kaufmännische Angestellte, Selbständige Ingenieure, Naturwissenschaftler, Architekten Richter, Rechtsanwälte, Rechtsreferendare, Verwaltungsbedienstete Ärzte, Gesundheitsdienstberufe Sozialpflegerische Berufe Geistliche Lehrer, Hochschullehrer, Studienreferendare Sozial-und Wirtschaftswissenschaftler, sonstige Geisteswissenschaftler Journalisten, Publizisten Studenten Hausfrauen Rentner, Pensionäre Arbeitslose練¸

Die Parteielite der GRÜNEN stammt überwiegend aus mittelständischen Elternhäusern. Dieser Schluß scheint gerechtfertigt, auch wenn nur bei 40 Mandatsträgern detaillierte Angaben zum väterlichen Beruf vorliegen. Danach waren über ein Drittel der Väter als Selbständige, Angehörige freier Berufe oder als Landwirte tätig, während diese Gruppe insgesamt nur etwa 13% aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik stellt. Mit 15 % waren auch Beamte unter den Vätern überproportional häufig vertreten. Der Angestellten-anteil lag dagegen mit einem weiteren Drittel knapp, der der Arbeiter mit 18 % ganz erheblich unter dem Durchschnitt der Erwerbstätigen.

Die überwiegende Mehrzahl der Mandatsträger der GRÜNEN hat die für diese Schicht typische Ausbildung durchlaufen (siehe Übersicht?)

Nur wenige unter ihnen besitzen ausschließlich Volksschul-oder Mittelschulbildung; dies trifft beispielsweise auf über ein Viertel der Abgeordneten der übrigen Fraktionen des 10. Bundestages und auf über 80 % der Gesamtbevölkerung zu. 11 % der GRÜNEN haben ein Studium aufgenommen, ohne es bislang abzuschließen. Darunter sind 5 %, die ihr Studium definitiv abgebrochen haben. Von den akademisch gebildeten GRÜNEN haben insgesamt 42% Politikwissenschaften, Soziologie oder Kommunikationswissenschaft studiert. 17% zählen die Germanistik zu den von ihnen belegten Fächern, 23 % Pädagogik (überwiegend für das Lehramt), 15% Geschichte, je 11 % Fremdsprachen und Rechtswissenschaften, 10% Wirtschaftswissenschaften. Alle übrigen Fächer halten Anteile von unter 10% (im Schnitt wurden knapp zwei Studienfächer je Mandatsträger angegeben).

An dieser Verteilung wird deutlich, daß die akademischen Gruppen in sehr unterschiedlichem Maße der grün-alternativen Politik zuneigen. Der speziellen Wahl des Studienfaches kommt offenbar für entsprechende spätere Aktivitäten weichenstellende Bedeutung zu. Es sind vor allem die im Gefolge der Studentenbewegung „politisierten“, der akademischen Linken in besonderem Maße aufgeschlossenen Fächer, die vom Führungspersonal der GRÜNEN favorisiert wurden.

Bei den jüngeren Mandatsträgern ist daneben die politische Orientierung durch die besondere Wahl des Studienortes noch stärker in eine bestimmte Richtung gedrängt worden. Die ausgeprägteste Affinität verbindet die akademisch gebildeten GRÜNEN mit der Freien Universität Berlin: 28% haben hier studiert. Im Verhältnis zur Studentenzahl der jeweiligen Universitäten lag Bremen auf Platz zwei, dann kommen Freiburg, Heidelberg, Hamburg, Frankfurt, Marburg und Tübingen. Ohne Ausnahme sind dies die Hochschulen, an denen der studentischen Protestbewegung im Gefolge der APO die größten Mobilisierungserfolge gelangen.

Von den Studienabschlüssen her gesehen stellen die Absolventen eines Lehrerexamens unter den Akademikern der GRÜNEN mit 26% einen überragenden Anteil (siehe Übersicht 2). Unter den Bundestagsabgeordneten der übrigen Parteien hat insgesamt nur etwa jeder zehnte die Befähigung für den Schuldienst erworben. Im Vergleich zu 28 % der übrigen Bundestagsabgeordneten der „etablierten“ Parteien, die Rechts-oder Staatswissenschaften studiert haben, besitzen dagegen nur 6 % der Abgeordneten und Vorstandsmitglieder der GRÜNEN ein juristisches Examen.

Die Zusammensetzung der sozial-und geisteswissenschaftlichen Diplome bzw. Magisterexamen weicht bei den GRÜNEN im Vergleich mit den Parlamentseliten der anderen Parteien erheblich ab. Während in anderen Parlamentsfraktionen hier die Geisteswissenschaftler dominieren, finden sich bei den GRÜNEN in dieser Rubrik elf Politikwissenschaftler, acht Diplom-Soziologen, sechs sonstige Sozialwissenschaftler, fünf Diplom-Psychologen, ein Diplom-Pädagoge, acht Volks-und Betriebswirte und nur sechs sonstige Geisteswissenschaftler. 10% der GRÜNEN haben einen Doktorgrad erworben (27 % der Abgeordneten der übrigen Fraktionen im Deutschen Bundestag). Wenn man bedenkt, daß sich die

GRÜNEN um Sachkompetenz auf dem Gebiet der Ökologie und des Umweltschutzes bemühen, so muß erstaunen, daß nur 7 % ihrer Mandatsträger ein naturwissenschaftliches Diplom besitzen. Insgesamt bewegt sich der Akademikeranteil unter den Abgeordneten und Vorstandsmitgliedern der GRÜNEN durchaus im Rahmen des üblichen. 62 % der hier untersuchten Mandatsträger haben einen Universitätsabschluß — zählt man die % Studenten hinzu, so liegt dies knapp unter der entsprechenden Quote im übrigen Bundestag (70 %). Zusammen mit Studienabbrechern und Fachhochschul-Absolventen sind drei Viertel der GRÜNEN akademisch vorgebildet. Bei den Mitgliedern des Bundesvorstandes und den GRÜNEN der dritten und vierten Parlaments-mannschaft liegt diese Quote bereits nahe 90 %.

V. Berufsstatus und andere soziale Merkmale

Arbeiter Beamte, Richter Angestellte öffentlicher Dienst Angestellte Parteien Angestellte son-stige Verbände Angestellte Privatwirtschaft Angestellte sonstiges Selbständige Freie Berufe Landwirte Nicht Berufstätige keine Angaben • 5 40 42 22 11 22 6 11 18 2 36 20 235 % 2 17 18 9'1 5 9 3 5 8 1 15 9 14 100% 4 36 5 5 13 — 11 17 4 1 3 100% Übersicht 4: Mandatsträger der GRÜNEN nach ihrer Stellung im Beruf Mandatsträger der GRÜNEN N 10. Deutscher Bundestag ohne GRÜNE %

Die Parteielite der GRÜNEN kommt überwiegend aus Berufen, wie sie für den modernen Versorgungs-und Dienstleistungsstaat typisch geworden sind (siehe Übersicht 3) 6). Berufe aus den Bereichen Landwirtschaft und Industrie finden sich unter den Mandatsträgern der GRÜNEN kaum. Nur 2 % von ihnen haben land-, forst-oder fischereiwirtschaftliche Berufe ausgeübt (unter den Bundestagsabgeordneten der übrigen Fraktionen gegenwärtig 4 %, unter den Erwerbstätigen insgesamt 6 %), nur 2 % waren Arbeiter (Bundestagsabgeordnete anderer Parteien: 4 %, unter den Erwerbstätigen 40 %). Auch kaufmännische Angestellte und Selbständige sind bei den GRÜNEN im Vergleich zu den Bundestagsabgeordneten der übrigen Parteien um mehr als die Hälfte unterrepräsentiert.

Während der Anteil an Ingenieuren und Natur-wissenschaftlern, auch Juristen unter den Mandatsträgern der GRÜNEN nach wie vor vergleichsweise gering ist, steigt der Anteil von Ärzten und sonstigen Angehörigen von Gesundheitsdienstberufen über das in anderen Fraktionen übliche Maß hinaus an. Es ist zu vermuten, daß sich hierin die neuerdings zu beobachtende Tendenz widerspiegelt, die Probleme der Umweltbelastung immer stärker unter ihrem gesundheitlichen Aspekt zu diskutieren. Bemerkenswert ist daneben der steigende Anteil sozialpflegerischer Berufe — er liegt bei den Nachrücker-Mannschaften der GRÜNEN fast um das dreifache höher als unter den Abgeordneten der übrigen Fraktionen des gegenwärtigen Bundestages.

Der Deutsche Bundestag hat sich ähnlich wie die Ländervertretungen in neuerer Zeit immer stärker zu einem Lehrer-Parlament entwickelt. Bis zu 18% seiner Mitglieder können heute pädagogischen Berufen zugerechnet werden, obwohl deren Anteil an den Erwerbstätigen insgesamt unter 3% liegt. Von den GRÜNEN wird diese Quote noch deutlich übertroffen: 25 % aller Abgeordneten und Vorstandsmitglieder dieser Partei waren zuvor als Lehrer, Hochschullehrer oder Studienreferendare tätig. Zählt man die wissenschaftlichen Assistenten, Privatdozenten und Inhaber von Lehraufträgen unter den GRÜNEN hinzu, so kommt man auf einen Anteil von über einem Drittel, die Lehrtätigkeiten der verschiedensten Art ausführten. In den ersten Parlamentsfraktionen der GRÜNEN lag allein der Anteil hauptamtlicher Lehrer bei 39 %! Mittlerweile hat sich dieser Anteil allerdings der in den Fraktionen anderer Parteien üblichen Quote angeglichen. Offensichtlich sind den GRÜNEN die negativen Folgen eines solchen Überhangs an Lehrberufen (etwa hinsichtlich der in dieser Berufsgruppe meist fehlenden spezialisierten Fachkompetenz) mittlerweile bewußt geworden.

Als weitere wichtige Berufsgruppe ragen unter den Mandatsträgern der GRÜNEN die Sozial-und Wirtschaftswissenschaftler hervor, deren Anteil neuerdings insbesondere in den verschiedenen Parlamentsfraktionen der Partei erheblich angewachsen ist. Ebenso angewachsen ist der Anteil der Mandatsträger, die sich noch im Studium befinden.

Sehr bemerkenswert ist schließlich der hohe Anteil GRÜNER, die keine geregelte Berufstätigkeit gefunden haben. 10% der Mandatsträger waren arbeitslos, hatten nach dem Studium keine Anstellung erhalten oder verzichteten von vornherein auf eine regelmäßige Berufstätigkeit („Jobber“). Zählt man diejenigen hinzu, die bereits mehrfach den ausgeübten Beruf gewechselt haben, sowie diejenigen, die beruflich im Bereich der in den siebziger Jahren aufgeblühten „alternativen“ Wirtschaftssektoren tätig waren, so steigt die Quote der beruflichen Problemfälle auf 26 % Berücksichtigt man ferner, daß außerdem eine Reihe von Studienreferendaren und wissenschaftlichen Angestellten mit unsicheren Zukunftsaussichten rechnen müssen, so wird deutlich, in welch außergewöhnlichem Umfang Probleme des Berufs-und Sozialstatus für die Alternativ-Elite der GRÜNEN bestimmend sind.

Man wird natürlich nicht allein die pessimistischeren Berufs-und Lebensperspektiven von Tei-len der jungen Generation als treibendes Motiv des „alternativen“ politischen Engagements der GRÜNEN ansehen dürfen. Es verbietet sich jedoch ebenso, die GRÜNEN ausschließlich als Phänomen des politischen Aufbegehrens einer wirtschaftlich gesicherten neuen Dienstleistungsklasse zu interpretieren. Dies macht die Aufgliederung der Mandatsträger der GRÜNEN nach ihrer beruflichen Stellung in Übersicht 4 deutlich. Zwar kommen unter Berücksichtigung einiger Verbandsangestellter insgesamt 39 % der Abgeordneten und Vorstandsmitglieder der GRÜNEN aus dem öffentlichen Dienst, doch gilt dies im derzeitigen Bundestag sogar für 41 % der Abgeordneten der übrigen Parteien.

Nicht weniger als 9 % der Mandatsträger der GRÜNEN stehen heute in beruflicher Abhängigkeit von ihrer Partei. Die im Bundestag nach der Rotation vom Frühjahr verbliebenen „Vorrükker“ der GRÜNEN sind darin noch nicht einmal enthalten; die Quote dürfte mit jeder weiteren „Rotation“ ansteigen. Hierbei wird deutlich, in welchem Maße ausgerechnet die GRÜNEN ihre Repräsentanten zu Berufspolitikern machen.

Geht man von der vorparlamentarischen Berufs-qualifikation und Berufserfahrung der Mandats-träger aus, so wird man insgesamt dennoch nicht davon sprechen können, daß es den Fraktionen der GRÜNEN in den vergangenen Jahren gelungen ist, den Anteil sachlich kompetenter Mitglieder nennenswert zu steigern. 40% der hier untersuchten GRÜNEN waren oder sind Mitglieder in einer Gewerkschaft. Von ihnen hatte über ein Viertel gewerkschaftliche Funktionen inne, vom betrieblichen Vertrauensmann bis zum Gewerkschaftssekretär. 10% der Mandatsträger waren in einem Betriebsrat oder Personalrat tätig. Von den genannten 40 % der gewerkschaftlich organisierten GRÜNEN entfielen nicht weniger als 18% der Mitgliedschaften auf die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dies liegt zum einen an dem hohen Lehreranteil unter den Mandatsträgern, zum anderen wohl auch an der prononciert GRÜNEN-freundlichen Haltung dieser Organisation (die sich ähnlich nur noch bei der IG Druck beobachten läßt). Unter der ersten Parlamentariermannschaft der GRÜNEN kamen die ge-werkschaftlich organisierten Mitglieder mit knapp 50 % fast an den Durchschnitt im 10. Deutschen Bundestag heran (60% Gewerkschaftsmitglieder ohne die GRÜNEN) Auch unter den Nachfolgern in den Parlamentsfraktionen der GRÜNEN liegt die Quote kaum niedriger. Wenn man bedenkt, daß die Gewerkschaften dem industriellen Wachstum und den materiellen Zugewinnen der Arbeitnehmerschaft noch immer Vorrang vor den Imperativen des Umweltschutzes einräumen, ist dieser Grad der Gewerkschaftsverbundenheit bei den GRÜNEN doch erstaunlich.

Trotz der schmalen Datenbasis (nur 59 GRÜNE machten Angaben) sind auch die Ergebnisse zur konfessionellen Bindung der untersuchten GRÜNEN bemerkenswert. Die konfessionelle Verteilung, wie sie etwa im gegenwärtigen Bundestag herrscht, verschiebt sich bei den GRÜNEN erheblich: Während dort 52% der Abgeordneten, die Angaben zur Konfession machten, katholisch und 47 % evangelisch waren, liegt der Anteil der Protestanten unter den hier untersuchten Mandatsträgern der GRÜNEN bei 59 %, der der Katholiken nur bei 12%. Mit 27% ist auch der Anteil der Konfessionslosen bemerkenswert hoch, er dürfte in Wirklichkeit noch um einiges höher liegen.

VI. Die politische Herkunft der Mandatsträger

Bereits früher Mitglied einer Partei oder deren Vorfeldorganisation Davon zuzuordnen der *): SPD CDU/CSU FDP DKP AUD Nicht zuvor Mitglied einer anderen Partei, nicht zu ermitteln *) Inklusive Mehrfachnennungen 63 235 172 35 9 7 8 12 27 73 100% 15 4 3 3 5 25 8 4 3 2 8 7 Übersicht 5: Frühere Mitgliedschaft der GRÜNEN bei Parteien und deren Vorfeldorganisationen N In Prozent aller Mandatsträger % Davon in führender Position N

Über die Hälfte (54 %) der hier untersuchten Mandatsträger der GRÜNEN und Alternativen sind vor ihrer Zeit bei den GRÜNEN bereits in einer anderen politischen Organisation aktiv gewesen. 7 % konnten gar auf mehrere entsprechende Mitgliedschaften zurückblicken.

27 % der Mandatsträger hatten zuvor einer anderen politischen Partei angehört (Übersicht 5) Den Löwenanteil bestreiten hierbei ehemalige Mitglieder der SPD mit 15%. Diese hatten ihre Partei überwiegend in den Jahren zwischen 1977 und 1979 verlassen, vor allem aus Verärgerung über den Kurs der Partei während der Kanzlerschaft Helmut Schmidts. Acht GRÜNE waren Mitglied der DKP (bzw.der West-Berliner SEW oder der SED) oder Mitglied in einer der Vorfeld-Organisationen der DKP wie der „Deutschen Friedensgesellschaft — Vereinigte Kriegsdienstgegner“ und der SEW-gesteuerten „Aktionsgemeinschaft von Demokraten und Sozialisten“. Die „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ (AUD), eine rechtskonservativ-nationalistische Splitterpartei, die bei der Gründung der GRÜNEN eine bedeutsame Rolle spielte, stellte zw• ölf Mandatsträger der GRÜNEN.

Neben den genannten politischen Parteien haben die GRÜNEN ihre Führungselite zu einem sehr erheblichen Teil aus den verschiedenen Organisationen und Gruppierungen der radikalen und extremen Linken der Bundesrepublik bezogen 82 der hier untersuchten 235 Mandatsträger der GRÜNEN und der Alternativen Liste, das sind 35 %, waren in einer solchen linksradikalen oder linksextremen Vereinigung organisiert (Über-sicht 6). Die GRÜNEN stellen damit in Teilen eine Musterkarte der linksradikalen Protestbewegung der siebziger Jahre dar — ohne die Kenntnis dieser Bewegung wird man die Entwicklung und Struktur der GRÜNEN nicht zureichend verstehen

Den harten Kern der „Außerparlamentarischen Opposition“ der späten sechziger Jahre bildeten der „Sozialistische Deutsche Studentenbund“ (SDS) und der 1967 von Altgenossen des SDS gegründete „Republikanische Club“. Beiden Organisationen haben elf der Abgeordneten und Vorstandsmitglieder der GRÜNEN angehört.

Vier weitere engagierten sich in den siebziger Jahren in Hochschulgruppen der orthodoxen Linken: drei im „Sozialistischen Hochschulbund“ (SHB), der 1972 auf DKP-Linie einschwenkte, einer arbeitete damals im DKP-eigenen „Marxistischen Studentenbund Spartakus“ (MSB) mit. * •Zur „dogmatischen Neuen Linken“, den „KGruppen“, zählten in den siebziger Jahren nicht weniger als 36 der hier untersuchten Repräsentanten der GRÜNEN und Alternativen Listen.

Die K-Gruppen-Bewegung zerfiel in den späten siebziger Jahren und begann, ihr Aktionsfeld umzuorientieren — hin zu den neu aufgetretenen „Massenbewegungen“ wie der Anti-Atomkraft-Bewegung; schließlich entdeckte man die GRÜNEN. Von vornherein bestand die Absicht, die GRÜNEN als Vehikel für sich einzuspannen

Die Selbst-Liquidation der meisten K-Gruppen „erwies sich rasch als ziemlich zielstrebige Auflösung in die allenthalben entstehenden bunten und alternativen Wahlbündnisse hinein“

Insbesondere Mitgliedern der 1980 aufgelösten „Kommunistischen Partei Deutschlands“ (KPD)

gelang es, bei den GRÜNEN Fuß zu fassen. Die KPD beabsichtigte ausdrücklich, Mandate bei den GRÜNEN und Alternativen zur Fortsetzung ihrer bisherigen Politik zu nutzen und hat dieses Vorhaben etwa im Rahmen der Berliner Alternativen Liste auch eingelöst. An der Gründung der Alternativen Liste am 5. Oktober 1978 beteiligten sich (neben Bürgerinitiativen, Frauengruppen, sonstigen „Basisinitiativen“, Vertretern des „Sozialistischen Büros“, des „Sozialistischen Studentenbundes“ und anderer linker Hochschulgruppen) fast vollzählig die Kader der KPD, daneben des „Kommunistischen Bundes“ (KB) und des „Kommunistischen Bundes Westdeutschland“ (KBW). Die KPD galt bald als die „tragende organisatorische Kraft“ der Berliner Alternativen Liste Der KPD mit ihren Nebenorganisationen gehörten 14 Abgeordnete und Vorstandsmitglieder der GRÜNEN an. Ähnlich gelang es dem allgemein als relativ flexibel, weniger dogmatisch geltenden, überwiegend in Hamburg beheimateten „Kommunistischen Bund“, erheblichen Einfluß auf die GRÜNEN auszuüben. Dieser hatte bereits in der dortigen „Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe“ eine dominierende Rolle gespielt; die 1978 zu den Bürgerschaftswahlen angetretene „Bunte Liste/Wehrt Euch“ stand unter seiner politischen Führung. 1979 kam es zur Abspaltung einer „Zentrumsfraktion“ („Z-Fraktion“) vom „Kommunistischen Bund“, die geschlossen den GRÜNEN beitrat. Horst Bieber merkte damals in der ZEIT an, vieles spreche „dafür, daß die Spaltung (samt »Ausschluß 1 der Minderheit) nur Taktik war“ Im Juni 1984 legte schließlich auch der verbliebene Rest des KB seinen Mitgliedern nahe, „einzeln, aber möglichst geschlossen“ den GRÜNEN beizutreten Aus dem „Kommunistischen Bund“ stammen zwölf der hier untersuchten Mandatsträger der GRÜNEN.

Weitere vier hatten sich zeitweise beim KBW engagiert, der sich insbesondere bei gewalttätigen Auseinandersetzungen um Atomkraftwerke in den siebziger Jahren hervorgetan hatte und sich 1985 auflöste. Hinzu kommen zwei ehemalige Mitglieder der KPD/ML und ein Mitglied der Gruppe „Revolutionärer Kampf 4. Mindestens fünf Mandatsträger der GRÜNEN waren in den genannten K-Gruppen in führender Position tätig. Von drei weiteren Repräsentanten der Partei ist bekannt, daß sie mit kommunistischen oder trotzkistischen Gruppen zumindest eng zusammenarbeiteten oder bei ihnen Schulungskurse absolvierten. Nahezu gleichgewichtig neben den K-Gruppen stehen die Gruppierungen der „undogmatischen Neuen Linken“, also derjenigen, die den Leninismus als verpflichtendes Organisationsprogramm ablehnen. Hier ist in erster Linie das „Sozialistische Büro“ (SB) in Offenbach zu nennen, eine Organisation, die sich als Sammelbecken für Sozialisten verschiedener Schattierungen verstand. Das „Sozialistische Büro“ setzte sich die „revolutionäre Umwälzung“ der Gesellschaft im „hochentwickelten Kapitalismus“ zum Ziel Nach einer Empfehlung an seine Mitglieder von 1979, in den „basis-demokratischen und sozialistischen (!) Fraktionen“ der GRÜNEN und Alternativen mitzuarbeiten, steht es heute vor der Auflösung

Weiterhin zählen hierzu die Mitte der siebziger Jahre an den Universitäten unter maßgeblicher Beteiligung des „Sozialistischen Büros“ gegründeten „Basisgruppen“, Gruppen linkssozialistischer Couleur, die sich organisatorisch mit den sogenannten „Spontis“ überschneiden. Auch den Basisgruppen geht es um eine „radikale Umwälzung“ der „kapitalistischen Gesellschaft“ Insgesamt 32 Mandatsträger der GRÜNEN waren in diesen und anderen Gruppen der „undogmatischen Neuen Linken“ organisiert. 19 von ihnen gehörten einer Organisation an, die (wie das SB) als verfassungsfeindlich und mithin linksextrem eingestuft worden ist, 13 einer Organisation, die als linksradikal zu gelten hat (wie die Basisgruppen).

In der antiautoritären Tradition der APO stehen zahlreiche anarchistische Gruppen, die insbesondere im Zusammenhang mit der „Jugendzentrumsbewegung“ und den Hausbesetzungen der siebziger Jahre erheblichen Aufschwung genommen haben. Diese politisch weitgehend konzeptionslosen Gruppen unterscheiden sich letztlich nur in ihrer Radikalität. Während die „Spontis“ zum Teil Gewalt überhaupt ablehnen, zum Teil freilich nur körperliche Gewalttaten gegen Perso-nen ausschließen, sind die sogenannten „Autonomen“ in der Regel von erheblicher Militanz und verschiedentlich durch Gewalttätigkeiten, Haus-besetzungen u. ä. aufgefallen Zehn führende Repräsentanten der GRÜNEN und Alternativen waren Bestandteil dieser Szene.

Insgesamt haben über 60 führende Repräsentanten der GRÜNEN und Alternativen in den letzten fünfzehn Jahren einer Partei (DKP) oder Organisation angehört oder eine solche massiv unterstützt, die als linksextrem gilt. Weitere 25 GRÜNE und Alternative gehörten einer Organisation an, die nach der hier zugrunde gelegten Definition als linksradikal zu bewerten ist.

Ehemalige Mitglieder linksextremer und linksradikaler Gruppen waren bei der Gründung der Partei DIE GRÜNEN von Anfang an dabei: Jeder dritte Mandatsträger, der über eine einschlägige Vergangenheit verfügt, ist bereits vor 1979 den GRÜNEN oder den Alternativen Listen beigetreten, während dies nur für ein knappes Viertel der übrigen Abgeordneten und Vorstandsmitglieder gilt.

Die ehemaligen Mitglieder linksextremer und linksradikaler Organisationen konnten ihren personellen Einfluß seitdem weiter ausbauen. Während ihr Anteil unter der ersten Parlamentarier-mannschaft der GRÜNEN noch bei 30% lag, stieg er in der zweiten Mannschaft bereits auf 37 % und liegt heute, unter den Mitgliedern der dritten und vierten Abgeordnetenmannschaft, bei 40 %. Nur im Bundestag, in der Hamburger Bürgerschaft und im Europa-Parlament zählen zum zweiten Parlamentarierteam der GRÜNEN weniger ehemalige Mitglieder linksextremer und linksradikaler Gruppen als zum ersten. Dagegen nahm ihr Anteil in Berlin und in Hessen weiter zu.

VII. Verankerung in politischen Bewegungen

Mitglied in linksradikaler oder linksextremer Organisation Davon in linksextremer Organisation*):

Orthodoxer kommunistischer Hochschulverband Dogmatische „Neue Linke“ (K-Gruppen)

Undogmatische „Neue Linke“

(Sozialistisches Büro u. a.)

in linksradikaler Organisation:

SDS, Republikanischer Club u. a.

Undogmatische „Neue Linke“

(Basisgruppen u. a.)

Anarchistische Gruppen (Spontis, Autonome) Sonstige linksradikale Hochschulgruppen Kein Mitglied linksradikaler und linksextremer Oגּù

Die GRÜNEN verstehen sich als organisatorische Speerspitze der verschiedenen, seit den siebziger Jahren in der Bundesrepublik aufgetretenen „alternativen“ politischen und sozialen Bewegungen, in denen sie ihre eigentliche „Basis“, ihr politisches „Standbein“ sehen. In der Tat lassen sich für zwei Drittel der hier untersuchten Parlamentsabgeordneten und Vorstandsmitglieder der GRÜNEN Beziehungen zu einer oder mehreren dieser nur locker organisierten politischen Bewegungen nachweisen (Übersicht 7). 51 Mandatsträger der GRÜNEN rechneten sich der Studentenbewegung und Außerparlamentarischen Opposition der sechziger Jahre zu. Ähnlich zahlreich sind die Anhänger der Friedensbewegung unter den Repräsentanten der GRÜNEN vertreten, von denen einige wenige ebenfalls bereits in den sechziger Jahren, bei Ostermärschen und „Kampf-dem-Atomtod-Kampagnen“, dabei waren.

Der Bürger-und Menschenrechtsbewegung sind 31 Mandatsträger der GRÜNEN und Alternativen Listen zuzurechnen. Ein Teil von ihnen arbeitete bei „amnesty international“ mit, andere befaßten sich in verschiedenen Initiativen mit Menschenrechtsverletzungen in Südafrika, in der Türkei, im Iran und anderswo. Das Anliegen dieser Gruppe berührt sich mit dem jener 19 Mandatsträger, die sich zu der in den siebziger Jahren aufgekommenen „Dritte-Welt-Bewegung“ zählen. Der größte Teil der Bürgerrechts-Aktivisten engagiert sich jedoch auf innenpolitischem Gebiet, überwiegend zugunsten „politisch Verfolgter“ in der Bundesrepublik. Acht von ihnen beteiligten sich am Kampf gegen „Berufsverbote“, fünf sind im „Komitee für Grundrechte und Demokratie“ und anderen Initiativen für „demokratische Rechte“ tätig, fünf haben bei der Vorbereitung des sogenannten „III. Russell-Tribunals“ mitgewirkt, das Menschenrechtsverletzungen in der Bundesrepublik untersuchen sollte.

Neben dem nicht unbedeutenden Anteil engagierter Feministinnen innerhalb der Parlaments-und Parteielite der GRÜNEN finden sich 36 Mandatsträger, die sich den unterschiedlichsten Rand-und Problemgruppen der Gesellschaft widmeten. Hierbei wurde häufig die Mitarbeit in der Ausländer-Betreuung, in der Sozialhilfe, bei Drogenproblemen, zugunsten sozial geschädigter Jugendlicher oder Arbeitsloser genannt, gelegentlich auch die Unterstützung in der Betreuung Kranker und Behinderter. Sechs GRÜNE konzentrierten ihre Aktivitäten auf den Justizvollzug („Knastarbeit“).

Von den hier untersuchten Mandatsträgern der GRÜNEN wirkten 41 in einer oder mehreren Bürgerinitiativen außerhalb des Bereichs Umweltschutz mit. Unter den Tätigkeitsfeldern der entsprechenden Initiativen steht der Bereich der Mieterprobleme oben an (auch als „MieterpoliB tik“ und gelegentlich unverblümt als „Häuserkampf bezeichnet). An zweiter Stelle folgt das Engagement in der Stadtplanung und in Stadt-teilgruppen sowie in der Jugendarbeit bzw.der Jugendzentrumsbewegung.

Schließlich stammen 34 Repräsentanten der GRÜNEN aus der Alternativbewegung im engeren Sinn, d. h. waren beruflich in Alternativläden und Alternativfirmen tätig oder zählten zur „Aussteiger-Szene“. Elf von ihnen arbeiteten hauptberuflich für eine Alternativzeitung, ebenso viele waren in alternativen Gesundheitsläden, Buchläden, Kneipen oder diversen Firmen tätig, eine Abgeordnete unterrichtete an einer Alternativ-schule, vier GRÜNE praktizierten alternative Landwirtschaft. Drei GRÜNE besitzen Kommunen-oder Sekten-Erfahrung. Vier von ihnen waren Mitglied in einer Dachorganisation der Alternativbetriebe, dem „Netzwerk Selbsthilfe e. V.“.

Die GRÜNEN wären niemals in die Parlamente gelangt, wäre ihre Partei nicht von Anfang an in der Öffentlichkeit mit einer weiteren Bewegung identifiziert worden: der Ökologie-und Umweltschutzbewegung. Im Herbst 1984 trauten nach Umfragen 40% der Bevölkerung den GRÜNEN als einziger Partei zu, die Umweltverschmutzung einzudämmen (24% nannten die CDU/CSU, 20% die SPD) Ein ernsthafter Einsatz für die Lösung ökologischer Probleme ist den GRÜ21)

NEN auch nicht abzusprechen. Es wäre aber falsch anzunehmen, daß Ökologie und Umweltschutz für die GRÜNEN die alles beherrschenden Themen darstellen. Dies wird bereits an ihren parlamentarischen Aktivitäten sichtbar: Eine eingehende Studie kam zu dem Ergebnis, daß die GRÜNEN in den ersten knapp zwei Jahren ihrer Präsenz im Deutschen Bundestag gerade 23% ihrer Kleinen und Großen Anfragen sowie Gesetzesinitiativen dem Bereich des Umweltschutzes widmeten Die GRÜNEN liegen damit zwar deutlich vor den übrigen Bundestagsparteien, die nur 18% ihrer Anfragen und Gesetzesvorschläge auf den gesamten Bereich Umweltschutz-, Verkehrs-und Energiepolitik verwandten (GRÜNE: 43%); sie setzen ihre parlamentarischen Frage-und Initiativrechte daneben aber ähnlich pointiert für die Friedensbewegung und die Dritte-Welt-Bewegung ein (17% bzw. 12% der Anfragen und Gesetzesvorschläge; andere Bundestagsparteien: 3% bzw. 5%). Das ganze breite Feld der Innen-und Wirtschaftspolitik kommt bei den einschlägigen parlamentarischen Aktivitäten der GRÜNEN dagegen kaum vor (5% bzw. 6%; andere Parteien: 25% bzw. 22%).

Auch in anderer Hinsicht lassen sich die GRÜNEN nur mit Vorbehalten als Partei des Umweltschutzes kennzeichnen. Allenfalls 40% der Man-datsträger der GRÜNEN rechnen sich einer Organisation oder Initiative zu, die (bei großzügiger Auslegung) mit der Sicherung und Pflege der natürlichen Umwelt des Menschen zu tun hat (Übersicht 8). Hiervon bezeichnen sich 24% als engagierte Gegner von Atomkraftwerken, 23% gaben Aktivitäten in verschiedenen Umweltschutzorganisationen an oder rechneten sich pauschal der Ökologiebewegung zu, 18% waren Mitglied in einem der großen Umweltschutz-und Bürgerinitiativverbände (Mehrfachnennungen). Hinter dieser Gesamtzahl von 40% Anhängern der Umweltschutzbewegung unter der Parteielite der GRÜNEN verbirgt sich zudem eine beachtenswerte Entwicklung: Noch unter der ersten Abgeordnetenmannschaft, die die GRÜNEN in die Parlamente entsandte, lag der Anteil im Umweltschutz engagierter Parlamentarier bei über 50%. Er ist seitdem kontinuierlich abgesunken und liegt in der dritten und vierten Mannschaft bei nur mehr 18%. Ein immer geringerer Teil der Parteielite der GRÜNEN und Alternativen rekrutiert sich also aus der Ökologie-und Umweltschutzbewegung. Die Repräsentanten der GRÜNEN stehen gegenüber all diesen Bewegungen unter einem starken Erwartungs-und Rechtfertigungsdruck. Gruppen und Initiativen an der „Basis“ der Partei fordern von ihren Parlamentsvertretern insbesondere demonstrative „Aktionen“, wobei die Abgeordneten-Immunität im Zusammenhang mit sogenannten Regelverletzungen systematisch instrumentalisiert wird Mandatsträger der GRÜNEN haben bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele denn auch Rechtsbrüche durchaus in Kauf genommen. Von 25 führenden Repräsentanten ist eine Verurteilung wegen strafbarer Handlungen bekannt geworden. Die meisten davon sind als demonstrative, politisch motivierte Delikte zu bezeichnen. In zehn Fällen handelte es sich um die Blockade von Verkehrswegen, in acht Fällen um Verstöße gegen das Versammlungsrecht oder um Störung des Parlamentsfriedens, in vier Fällen um Hausbesetzungen und dergleichen. Sechs Delikte, für die sich fünf Repräsentanten der GRÜNEN vor Gericht verantworten mußten, betrafen Straftaten im Umfeld des Terrorismus. 58% der Delikte gehen auf das Konto früherer Mitglieder linksextremer und linksradikaler Organisationen, obwohl diese nur 35% aller Mandatsträger stellen.

VIII. Parteifraktionen und innerparteiliche Entwicklung

Mitglied in einer politischen Bewegung Davon *):

APO, Studentenbewegung sechziger Jahre Friedensbewegung seit sechziger Jahre Dritte-Welt-Bewegung Bürger-und Menschenrechtsbewegung Frauenbewegung Randgruppenarbeit Bürgerinitiativen (ohne Umweltschutz) Alternativbewegung Kein Mitglied einer politischen Bewegung, nicht zu ermitteln *) Inklusive Mehrfachnennungen 158 77 235 51 50 19 31 21 36 41 34 67% 33% 100% 22% 21 % 8% 13% 9% 15% 17% 14% Übersicht 7: Verankerung der Mandatsträger der GRÜNEN in den neue喙=

Es ist für den Außenstehenden außerordentlich schwierig, ein zutreffendes Bild von den Strömungen und Machtverhältnissen innerhalb der Partei der GRÜNEN und Alternativen zu erhalten. Die innerparteilichen Fronten bei den GRÜNEN verlaufen recht unübersichtlich und sind zudem laufend in Bewegung. Es werden im folgenden acht innerparteiliche Fraktionen und Gruppierungen bei den GRÜNEN und Alternativen unterschieden — eine Einteilung, die geeignet erscheint, das ideologisch-politische Profil der Partei in seinen entscheidenden Zügen wiederzugeben (siehe Übersicht 9). der GRÜNEN mit ausreichender Sicherheit einer dieser innerparteilichen Fraktionen zugeordnet werden; die Verteilung gibt damit die innerparteilichen Kräfteverhältnisse bei den GRÜNEN im wesentlichen korrekt wieder.

Da ist zunächst die Gruppe der Fundamentaloppositionellen („Fundis“), die als Propheten einer globalen ökologischen Krise auftreten und die moderne Industriegesellschaft schlechthin, in West und Ost, als Fehlentwicklung ansehen. Politische Kompromisse kommen für sie nicht in Frage; sie setzen allein auf Bewußtseinswandel Die Mandatsträger der GRÜNEN werden aufgrund der heute von ihnen eingenommenen Position, d. h. weitgehend unabhängig von ihrer individuellen politischen Vorgeschichte, in dieses Spektrum eingeordnet. Diese Einordnung wurde vollzogen an Hand von programmatischen Erklärungen, die die betreffenden Mandatsträger abgaben, aufgrund der von ihnen praktizierten innerparteilichen Politik (soweit dazu Berichte vorliegen), aufgrund von Selbstklassifikationen der Betreffenden oder aufgrund von kompetenten Fremdklassifikationen in der Presse. Daher verbleibt bei dem einen oder anderen Repräsentanten der Partei eine gewisse Unsicherheit der Zuordnung, die auch durch den Umstand gefördert wird, daß die Übergänge zwischen den einzelnen Flügeln fließend sind. Dennoch konnten knapp 80% der hier untersuchten Mandatsträger und die „ökologische“ Bekehrung des einzelnen. Dem Sozialismus stehen sie bei aller Radikalität der Ablehnung des bei uns „herrschenden Systems“ eher skeptisch gegenüber. Auf etwa 10% der hier untersuchten 182 Mandatsträger der Partei treffen diese Kriterien zu.

Eine zweite wichtige Gruppierung stellen die so-genannten Ökosozialisten dar. Für ihre Mitglieder ist ein insgesamt eher bescheidenes und vordergründiges ökologisches Engagement, meist in Initiativen und bei Aktionen gegen den Bau von Atomkraftwerken, charakteristisch. Im übrigen orientieren sie sich am überkommenen Sozialismus der „Neuen Linken“. Die Anhänger dieser Gruppierung können bis heute äls linksradikal oder linksextrem gelten. Ihnen geht es vorrangig darum, den Umweltschutzgedanken für die tradi29 tionelle Ideologie der radikalen Linken zu adaptieren 9% der hier untersuchten GRÜNEN sind nach diesen Merkmalen als „Ökosozialisten“ anzusprechen.

Das Festhalten am Linksradikalismus verbindet die Ökosozialisten mit der zahlenmäßig bedeutsamen Gruppe der traditionellen Sozialisten in der Partei. Ein individuelles ökologisches Engagement im Sinne der Mitgliedschaft in einer Organisation oder Initiative, die sich dem Schutz und der Pflege der natürlichen Umwelt des Menschen verschrieben hat, ist bei den Angehörigen dieser Gruppierung nicht zu beobachten. Statt dessen beteiligt man sich etwa in der Friedensbewegung, in der Dritte-Welt-Bewegung, der Frauenbewegung oder in Initiativen zugunsten „demokratischer Rechte“. Die Mitglieder dieses Parteiflügels der GRÜNEN sind als Linksradikale und Linksextremisten klassischer Provenienz zu bezeichnen, sei es, weil sie sich selbst als Sozialisten oder Marxisten definieren, sei es, weil sie bis in jüngste Zeit Mitglied linksradikaler oder linksextremer Gruppen geblieben sind oder in ungebrochener Kontinuität zu einer entsprechenden politischen Herkunft stehen (vgl. Anm. 24). 19% der hier untersuchten Mandatsträger der GRÜNEN sind in diesem Sinne als traditionelle Sozialisten zu bezeichnen.

Daneben besteht eine Gruppierung in der Partei der GRÜNEN und Alternativen, bei der weder ein ökologisches noch ein linksradikales Engagement festzustellen ist. Häufig handelt es sich hierbei um Repräsentanten verschiedener „Basisinitiativen“, die sich auf die Vertretung bestimmter Einzelinteressen spezialisiert haben (z. B. auf Ausländer-oder Sozialhilfefragen, im Gesundheitsbereich usw.). Hierzu zählen auch Außenseiter der Partei, die auf eher untypischem Wege zu den GRÜNEN und Alternativen gefunden haben. Der Anteil dieser sonstigen Nicht-Ökologen ist auf 13% zu veranschlagen.

Die größte Einzelfraktion stellt mit 26% der Mandatsträger der GRÜNEN die Gruppe der Realpolitiker („Realos“). Man wird die Angehörigen dieser Gruppe am besten als linke Radikalreformisten bezeichnen. Auch viele Repräsentanten dieses Flügels verstehen sich noch heute als radikale Linke Die Realpolitiker engagieren sich meist konsequent für Ökologie und Umweltschutz, sind an parlamentarischer Mitwirkung interessiert und verhalten sich unter den übrigen Parteien zumindest gegenüber der SPD relativ kooperationsbereit.

In ihrem ökologischen und parlamentarischen Einsatz wird diese Fraktion allenfalls von der Gruppe der Ökoliberalen übertroffen, die sich politisch sehr moderat und koalitionsbereit gegenüber allen Parteien geben, den Linksradikalen unter den GRÜNEN ablehnend und einer liberalen marktwirtschaftlichen Politik auch in Umweltfragen durchaus aufgeschlossen gegenüberstehen. Ihr Anteil liegt insgesamt bei 6%. Kaum umfangreicher ist die Gruppe der Wert-konservativen bei den GRÜNEN. Hierunter sind Parteimitglieder (insbesondere aus der Gründer-generation) zu verstehen, die in der Regel ein ausgeprägt bürgerlich-konservatives Weltbild aufweisen, über eine konservativ-ökologische Protesthaltung zu den GRÜNEN gefunden haben und dort den „rechten“ Parteiflügel bilden. Vergleicht man den heutigen innerparteilichen Standort der untersuchten Mandatsträger der GRÜNEN nach dieser Typologie mit ihrer politischen Herkunft, ihrer jeweiligen früheren Zugehörigkeit zu anderen Parteien und politischen Organisationen, so ergeben sich interessante Aufschlüsse über die Stabilität der individuellen politischen Orientierungen. Von den ehemaligen Mitgliedern der SPD sind die meisten heute zur Gruppe der Realpolitiker zu zählen, einige gehören dem Flügel der traditionellen Sozialisten an. Ehemalige Mitglieder von CDU/CSU und der „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ finden sich bei den GRÜNEN in der Regel in den Reihen der Wertkonservativen wieder.

Bedeutsam ist hier das Schicksal der ehemaligen Angehörigen linksextremer Organisationen: 61% von ihnen sind auch bei den GRÜNEN dem Lager der Traditionssozialisten und Ökosozialisten treu geblieben; 12% haben sich zu Fundamentaloppositionellen entwickelt, nur 14% zu Realpolitikern, nur 13% zählen heute zu den politisch moderaten oder unprofilierten Gruppierungen. Bei der Mehrzahl der ehemaligen Mitglieder linksradikaler und linksextremer Organisationen unter der Parteielite der GRÜNEN ist insofern kaum ein tiefgreifender Gesinnungswandel, eine erhebliche Modifikation bestehender Grundpositionen zu beobachten. Im Gegenteil: Zahlreiche Stellungnahmen von Insidern sprechen davon, daß zumal die „ökologischen“ Positionen der GRÜNEN unter zunehmenden Druck von Seiten konventioneller linksradikaler Kräfte in der Partei geraten

Schließlich existiert eine relativ kleine Gruppe von GRÜNEN (unter den hier erfaßten Mandatsträgern waren das 9%), die sich überwiegend dem Umweltschutz verschrieben haben, politisch ein kaum konturiertes, in der Regel sehr moderates Profil bieten („Nur-Ökologen“).

Die acht genannten innerparteilichen Flügel und Gruppierungen der GRÜNEN verteilen sich recht ungleichmäßig auf die verschiedenen Parlamentsfraktionen der Partei im Bundestag, im Europa-Parlament und in den einzelnen Landtagen. Nach Parlamentsfraktionen aufgeschlüsselt, haben die Fundamentaloppositionellen ihren Schwerpunkt in Hessen, die Ökosozialisten in Hamburg und Bremen, während die traditionellen Sozialisten und die sonstigen Nicht-Ökologen in den alternativen Fraktionen von Hamburg und Berlin dominieren. Realpolitiker finden sich vor allem in den Ländern Niedersachsen und Hessen, Ökoliberale hatten eine gewisse Bastion in der ersten Parlamentariermannschaft der GRÜNEN im Landtag von Baden-Württemberg, Wertkonservative in den ersten Abgeordneten-teams von Bremen und Niedersachsen, reine Ökologen sind neben Baden-Württemberg vor allem in der zweiten Bundestagsfraktion der Partei zu Hause.

Gemäßigte Gruppierungen bestimmen also bis heute eher in den Flächenstaaten das Bild, während radikale Strömungen eher in den Stadtstaaten vorherrschen. Diese Palette innerparteilicher Fraktionen macht insgesamt deutlich, welches enorme politisch-ideologische Konfliktpotential nach wie vor in der Partei angelegt ist.

Diese Konstellation der innerparteilichen Strömungen und Gruppierungen ist seit Gründung der Partei erheblichen Verschiebungen unterworfen. Die Traditionssozialisten, die sonstigen Nicht-Ökologen und auch die Fundamentaloppositionellen konnten ihre innerparteilichen Positionen bis heute weiter ausbauen. Während der Anteil traditioneller Sozialisten in der zweiten Parlamentariermannschaft der GRÜNEN noch bei 23% gelegen hatte, sind dieser Gruppe in der dritten und vierten Mannschaft bereits 31% der Abgeordneten und Nachrücker zuzurechnen. Nach einem Rückgang auf nur 5% in der zweiten Mannschaft stellen die Fundamentaloppositionellen im dritten und vierten Team der GRÜNEN immerhin wieder 14%. Auch im Bundes-vorstand der Partei sind die „Fundis“ überproportional vertreten. Die übrigen, gemäßigteren Fraktionen werden zumindest unter den Parlamentsvertretern der Partei in nächster Zeit deutlich an Boden verlieren. Innerhalb der dritten und vierten Abgeordnetenmannschaft der GRÜNEN haben sich die Realpolitiker von bisher etwa 30% auf ganze 7% verschlechtert. Ökoliberale und Ökologen sind fast verschwunden, der Anteil der Wertkonservativen stagniert. Insgesamt steht die innerparteiliche Entwicklung entgegen den „basisdemokratischen“ Absichten auch bei den GRÜNEN im Zeichen der Ämterverflechtung und Ämterhäufung. Ein Drittel der hier untersuchten Abgeordneten der GRÜNEN hatte vor oder nach ihrem Parlamentsmandat ein Parteiämt inne — vom Sitz im Bundes-oder Landesvorstand bis zum Angestelltenposten bei Parteigliederungen. Auch bei den GRÜNEN beginnen sich also Parteigremien und Parteifraktionen personell zu verzahnen. Das Phänomen der Ämterhäufung ist bei den GRÜNEN also keineswegs mehr selten. Immerhin 14% der Repräsentanten der Partei haben bislang bereits drei oder mehr Parteiämter oder parlamentarische Mandate (unter Einschluß der kommunalen Ebene) auf sich vereint. Aufgrund der einmal gewonnenen Organisations-und Kompetenzvorsprünge des Mandatsträgers gegenüber der Parteibasis kommt es auch bei den GRÜNEN zur Verfestigung einer Führungsgarnitur, für die Politik zum „Beruf 1 wird. Bemerkenswert ist, daß auch in diesem Zusammenhang die ehemaligen Mitglieder linksradikaler und linksextremer Gruppen in der Partei vorne liegen: Sie sind überproportional in einflußreiche Gremien wie die Bundes-und Landeshauptausschüsse oder die Landesvorstände gelangt, haben vergleichsweise mehr Ämter und Mandate inne als die übrigen Spitzenvertreter der Partei

IX. Parteielite im Abwind?

Mitglied in der Umweltschutzbewegung Davon *): Anti-AKW-Bewegung Sonstige Umweltschutzbewegung Mitglied in Umweltschutzverband (BBU, BUND u. a.) Nicht Mitglied der Umweltschutz-bewegung *) Inklusive Mehrfachnennungen 93 142 235 56 53 42 40 60 100% 24 23 18 44 43 19 Übersicht 8: Mitgliedschaft der Mandatsträger der GRÜNEN in der Umweltschutzbewegung N In Prozent aller Mandatsträger % Davon Aktivisten/in Führungsposition N

Faßt man ihr Führungspersonal ins Auge, so präsentieren sich die GRÜNEN als Partei der Links-intellektuellen, der mittelständischen Jungakademiker, aber auch von beruflichen Problemgruppen der jüngeren Generationen. Ihre führenden Repräsentanten sind vor allem in den Freiräumen privilegierter Tätigkeiten im akademischen Bereich, im Bereich der Dienstleistungsberufe, in den „aufgelockerten Randzonen der Arbeitswelt“ (Hermann Rudolph) zu Hause. Angesichts der bei den Mandatsträgern weit verbreiteten Unsicherheiten des sozialen und beruflichen Status kann allerdings keine Rede davon sein, daß sich die 'Parteielite der GRÜNEN ausschließlich aus Angehörigen der gut situierten neuen Mittel-schichten rekrutiert Das Führungspersonal der GRÜNEN spiegelt in seiner sozialen Zusammensetzung die Struktur der Wählerschaft der Partei insgesamt somit immerhin sehr viel besser wider, als dies allen übrigen Parteien heute gelingt.

Die politische Haltung der Parteielite der GRÜNEN kann dagegen nicht in gleicher Weise als getreulicher Reflex der Wählerhoffnungen gelten. Dem Image einer Partei der Ökologie und des Umweltschutzes, das sich die GRÜNEN erworben haben, werden sie personell, im Hinblick auf die Fachqualifikation ihrer Mandatsträger, nur in Ansätzen gerecht. Was das linksradikale Element im Erscheinungsbild der GRÜNEN anbelangt, haben die Gemeinsamkeiten von Partei-elite und Wählerschaft ebenfalls ihre Grenzen. Zwar kommen die Anhänger der GRÜNEN (anders als noch 1980) heute fast ausschließlich aus der linken Hälfte des Parteienspektrums, stehen zu einem erheblichen Teil an dessen linkem Rand, noch ein Stück links von der Anhängerschaft der SPD Diese Linksorientierung der Wählerschaft bleibt allerdings eher vage, diffus — sie ist keineswegs derart ausgeprägt ideologischer Natur, in der marxistischen, sozialistischen oder anarchistischen Tradition fußend, wie dies für erhebliche Teile der führenden Repräsentanten der GRÜNEN gilt.

Ohne Frage besteht auch die Parteielite der GRÜNEN zu einem beachtlichen Teil aus politisch moderaten, durchaus wohlmeinenden Politikern. Dies ändert jedoch nichts an dem Gesamteindruck, den die Untersuchung ihres Führungspersonals hinterläßt: daß man es nämlich bei den GRÜNEN mit einem Wahlverein ganz heterogener Strömungen zu tun hat, in dem eine Gruppe von Aktivisten, die früher linksextremen und linksradikalen Organisationen angehört haben, überproportional großen Einfluß ausübt. Soweit es um die faktische Beteiligung an der Politik geht, präsentiert sich die Neue Linke heute stärker als je zuvor: Erstmals seit den frühen fünfziger Jahren ist es der extremen Linken gelungen, in den Parlamenten der Bundesrepublik eine Rolle zu spielen. In einzelnen Bundesländern haben ehemalige Mitglieder linksextremer Vereinigungen und Organisatoren von Rechtsbrüchen und militanten Auseinandersetzungen darüber hinaus sogar Ministerämter erhalten oder sind anderweitig bis in leitende Positionen der Exekutive vorgedrungen

Die linksradikale und linksextreme Herkunft eines Teils der GRÜNEN ist zweifellos eine entscheidende Ursache für das ambivalente Verhältnis der Partei zur Gewaltfrage, zum staatlichen Gewaltmonopol, zum Rechtsstaat mit seinen Organen. Die GRÜNEN sind in Gefahr, einem Teil ihrer Klientel zuliebe hier den Weg der Radikalisierung fortzusetzen, der sie entscheidende Sympathien beim politisch moderaten, kompromißfähigen Teil ihrer Wählerschaft kosten kann. Über das Schicksal der GRÜNEN wird auf weitere Sicht das politische Erscheinungsbild ihrer führenden Vertreter ebenso entscheiden wie das Problem der versiegenden personellen Ressourcen, der rückläufigen Medienresonanz und des Kompetenzverlustes gegenüber anderen Parteien.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Helmut Fogt, Die GRÜNEN in den Parlamenten der Bundesrepublik. Ein Soziogramm, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1983) 4, S. 500— 517.

  2. Zu 33 Mandatsträgern der GRÜNEN kamen trotz persönlicher Anfrage nur wenige oder keine Angaben zusammen (Quote: 14%). Die Materialsammlung wurde am 30. September 1985 abgeschlossen. Für die hilfreiche Unterstützung bei der Auswertung der Materialien bin ich Herrn Franz Dormann zu Dank verpflichtet.

  3. Zur sozialen Zusammensetzung des 10. Deutschen Bundestages wird im folgenden zugrundegelegt: Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag. 10. Wahlperiode, Rheinbreitbach 1983, S. 243— 253; Woche im Bundestag, 13 (1983) 2, S. 4; Peter Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1982, Bonn 1983; Klemens Krämer, Der Weg ins Parlament. Kandidatur zum Bundestag, Heidelberg 1984, S. 104.

  4. Vgl. hierzu im einzelnen Helmut Fogt, Politische Generationen. Empirische Bedeutung und theoretisches Modell, Opladen 1982, bes. S. 126 ff.

  5. In diese Übersicht (wie in die Übersichten 5 bis 8) sind Mehrfachnennungen eingegangen, d. h. auf einige Mandatsträger trafen mehr als eine der aufgelisteten Kategorien zu.

  6. Fraktions-und Parteiangestellte der GRÜNEN sind in dieser Übersicht nach demjenigen Berufsstatus erfaßt, den sie vor Antritt ihres Parteiamtes innehatten (vgl. Übersicht 4).

  7. Die Selbstverwaltungsbetriebe des Alternativ-Sektors können als „Kinder der Not“ nicht nur in dem Sinne gelten, daß sie „häufig von Leuten gegründet und geführt (werden), die aufgrund von Arbeitsmarktproblemen keine Chance hatten, eine entsprechende Fachqualifikation bzw. Berufserfahrung vor dem Eintritt in den alternativen Sektor zu erwerben, oder die über

  8. Emil-Peter Müller, Gewerkschaften im 10. Deutschen Bundestag, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1983) 4, S. 493.

  9. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß diese Mitgliedschaften in einigen wenigen Fällen bis in die sechziger Jahre zurückliegen. Zu den Parteimitgliedern wurden auch Mitglieder der entsprechenden Nebenorganisationen gezählt, also z. B.der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“, der „Jungen Union“ und dergleichen (vgl. Anm. 5).

  10. Als „linksextrem“ werden im folgenden alle Organisationen der Linken und deren Mitglieder bezeichnet, soweit sie von den Verfassungsschutzämtern als verfassungsfeindlich beurteilt wurden und als solche Gegenstand regelmäßiger Beobachtung waren. Der Linksextremismus in der Bundesrepublik zerfällt in einen orthodoxen, pro-sowjetischen Flügel, der sich um die DKP gruppiert, und einen aus der Studentenbewegung der späten sechziger Jahre hervorgegangenen Flügel der „Neuen Linken“, der (ursprünglich maoistisch orientiert) den „real existierenden Sozialismus“ des Ostblocks ablehnt. Die Neue Linke ihrerseits umschließt eine dogmatische Fraktion, die auf den Marxismus-Leninismus als Organisations-und Ideologieprogramm eingeschworen ist (die sogenannten „K-Gruppen“), und eine diffuse undogmatische Fraktion, dje insbesondere die leninistische Form der Kaderorganisation ablehnt. Als „linksradikal“ werden im folgenden Organisationen und Personen bezeichnet, deren politischer Standort zwar am linken Rand des Parteienspektrums anzusiedeln ist, die aber nicht eindeutig verfassungsfeindliche Zielsetzungen verfolgen.

  11. Ohne maßgebliche Beteiligung einiger linksradikaler und alternativer Zeitungen und Zeitschriften wären insbesondere die Alternativen Listenverbindungen kaum zustande gekommen. Von den hier untersuchten Mandatsträgern der GRÜNEN waren nicht weniger als 19 zum Teil in verantwortlicher Position an solchen Periodika beteiligt. Sechs Mandatsträger waren bei der führenden Alternativzeitung der Bundesrepublik, der tageszeitung (taz) beschäftigt, vier arbeiteten bei der undogmatisch-sozialistischen Zeitung Moderne Zeiten mit, andere waren bei extremistischen Kampagnen-und Agitationsblättem wie agit 883 und Radikal tätig, in denen auch für terroristische Vereinigungen geworben wurde.

  12. Bereits 1979 sprach sich der spätere Fraktionssprecher der Hamburger „Grün-Alternativen-Liste", Thomas Ebermann, vor einer Fraktionskonferenz des „Kommunistischen Bundes“ für das „Konzept der Blockbildung“ aus, „um die Möglichkeit der , Erpres-sung* und Einflußnahme auf die GRÜNEN zu erhöhen“, und propagierte den „Entrismus“, also die Taktik des Eindringens in größere Organisationen, um dort als Minderheit mitzuarbeiten und nach Festigung der eigenen Position die Führung zu übernehmen. Siehe Gerd Langguth, Protestbewegung. Entwicklung — Niedergang — Renaissance, Köln 1983, S. 122.

  13. Der Spiegel, (1981) 19, S. 44.

  14. Ernst Hoplitschek, Partei, Avantgarde, Heimat — oder was? Die , Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz* in West-Berlin, in: Jörg R. Mettke (Hrsg.), DIE GRÜNEN. Regierungspartner von morgen?, Reinbek bei Hamburg 1982, S. 83. Das Bundesministerium des Innern schätzt den Anteil ehemaliger Mitglieder der KPD unter den Mitgliedern und Kandidaten der Alternativen Liste auf etwa ein Viertel; siehe Gerd Langguth (Anm. 12), S. 264.

  15. Die ZEIT vom 25. Januar 1980.

  16. Der Bundesminister des Innern (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 1984, Bonn 1985, S. 99.

  17. Informationsschrift „Wer wir sind — was wir wollen“, Herbst 1982; zitiert nach Verfassungsschutzbericht 1982, Bonn 1983, S. 92.

  18. Gerd Langguth (Anm. 12), S. 197.

  19. Stellungnahme der Basisgruppen zur 9. Mitgliederversammlung des Verbandes Deutscher Studentenschaften, März 1984; zitiert nach Verfassungsschutzbericht 1984 (Anm. 16), S. 105.

  20. Vgl. Gerd Langguth (Anm. 12), S. 234— 244. .

  21. Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, Archiv-Nr. 8405.

  22. Wolfgang Ismayr, Die GRÜNEN im Bundestag: Parlamentarisierung und Basisanbindung, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1985) 3, S. 316 ff.

  23. Die Anhängerschaft der GRÜNEN steht Gewalttätigkeiten in besonderem Maße aufgeschlossen gegenüber. Im Herbst 1984 äußerten 70% der Stammwähler der GRÜNEN Verständnis dafür, „daß Jugendliche manchmal zur Gewalt greifen, weil sie nur so beachtet werden“; 42 % fanden „angesichts alltäglicher Gewalt“ „Gewaltaktionen anderer Menschen“ überhaupt verständlich (Bevölkerungsdurchschnitt: 38% bzw. 20 %). Siehe Sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung, Archiv-Nr. 8405.

  24. Vgl. hierzu besonders die wichtigste programmatische Schrift dieser Gruppe: Thomas Ebermann/Rainer Trampert, Die Zukunft der Grünen. Ein realistisches Konzept für eine radikale Partei, Hamburg 1984. Dort heißt es auf S. 209: „Die gegenwärtige Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit hängt mit den inneren Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise zusammen“. Die Umweltzerstörung sei „nicht zu beseitigen ... unter Aufrechterhaltung der heute herrschenden Produktionsverhältnisse“ (S. 280). Für Ebermann und Trampert ist es daher eine „Tatsache, daß die kapitalistische Gesellschaftsformation überwunden werden muß“ (S. 209). Propagiert wird „der Versuch, aus den alten — als zerstörend erkannten — Produktionsverhältnissen in eine neue Form gesellschaftlichen Prozesses zu kommen“ (S. 280). Als Ziel gilt „eine egalitäre Gesellschaft, die den Reichtum der wenigen abschafft und gerecht verteilt, die die Produktion sinnloser Güter (Kriegsmaschinerie) ebenso abschafft/reduziert wie die zu diesem System gehörenden Dienstleistungen" (Versicherungswesen) und repressiven Funktionen (Staatsapparat) ...“ (S. 194). Zu erreichen sei dies „nur mit einer mutigen radikalen Politik gegen das hier herrschende System“, keinesfalls etwa mittels der Verfahrensweisen der parlamentarischen Demokratie (S. 245, 273).

  25. So erklärte etwa Joschka Fischer, er werde sich auch als hessischer Minister zu der „Tradition der Frankfurter Sponti-Szene“, aus der er komme, bekennen, und äußerte, nach seiner Auffassung bleibe „Rebellion“ trotz der Beteiligung der GRÜNEN am Parlamentarismus „weiterhin gerechtfertigt“. Siehe Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29. Oktober 1984, S. 3; Der Spiegel, (1984) 9, S. 87.

  26. Die ehemalige Landtagsabgeordnete Elsbeth Mordo gibt in einem „Abschiedsbrief an die GRÜNEN Baden-Württembergs vom 4. Juni 1984 ihren Eindruck wieder, daß „sich innerhalb der GRÜNEN eine kleine Gruppe von Aktivisten hervorgetan (hat), denen es weder um Umwelt, Frieden und die Würde des Menschen geht, sondern darum, irgendwo links von der SPD, Macht im Staate zu erlangen, oder noch schlimmer, den Staat zu zerstören“. Gerd Bastian sprach vor seinem Austritt aus der Bundestagsfraktion davon, daß bei den GRÜNEN „bundesweit immer ungenierter versucht wird, der vom Primat der Ökologie und der Gewaltfreiheit bestimmten grünen Politik einen an überholten Klassenkampfvorstellungen orientierten Akzent aufzuprägen .. taz vom 21. Januar 1984, S. 5. Die Gründungserklärung der „Ökolibertären“ konstatierte, daß die Partei zunehmend „in die Hände von sozialistischen Kadern mit anderen als grünen Zielen“ gerate, und der Bremer Nachrücker Ralf Fücks sprach davon, daß der „alt-linke Routinier zwischen 30 und 40“ immer mehr

  27. Gerd Bastian sprach in der zitierten Erklärung vom „überraschenden Erfolg der dem Kommunistischen Bund entstammenden ehemaligen , Z-Fraktion‘ bei der Besetzung von Schlüsselpositionen mit teils altbewährten, teils neugewonnenen Gesinnungsfreunden in den Parteigremien, sowie dem Überstimmen der unkoordinierten Mehrheit der Andersdenkenden in der Fraktion und in den regionalen Verbänden mittels einer geschickt und diszipliniert gehandhabten Kadertaktik“ (vgl. Anm. 27).

  28. In bezug auf die Wählerschaft der GRÜNEN vgl. hierzu neuerdings die interessanten Feststellungen von Horst W. Schmollinger, Die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus vom 10. März 1985. Zunehmende Mobilisierungs-und Integrationsschwäche des Parteiensystems, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1985) 3, S. 351.

  29. So treten neun von zehn Anhängern der GRÜNEN für eine Beteiligung ihrer Partei an einer Koalition mit der SPD und den Eintritt in die Regierungsverantwortung ein, während die Mehrzahl der Mandatsträger der GRÜNEN eine solche Möglichkeit mehr oder weniger klar ablehnt. Zum Wählerprofil der GRÜNEN siehe neuerdings Hans-Joachim Veen, Die GRÜNEN an den Grenzen ihres Wachstums, in: Politische Studien, (1985) 282, S. 356— 367; ders., Wer wählt grün?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 35— 36/84, S. 3— 17; Helmut Fogt/Pavel Uttitz, Die Wähler der GRÜNEN — Systemkritischer neuer Mittelstand?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1984) 2, S. 210— 226. Zur Koalitionspräferenz der Wählerschaft siehe auch Manfred Berger u. a., Starke Wählerbewegungen und stabile Strukturen, kein Test für Bonn — Landtagswahlen 1985, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1985) 3, S. 428.

  30. DIE ZEIT vom 13. Januar 1984; Der Spiegel, (1985) 45, S. 27.

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Helmut Fogt, Dr. rer. pol., M. A., geb. 1952; Studium der Politikwissenschaft, Soziologie, Philosophie und Geschichte an der Universität München; von 1981 bis 1984 Wiss. Assistent am Seminar für Wissenschaftliche Politik der Universität Freiburg; seit 1984 Wiss. Angestellter beim Sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin bei Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Politische Generationen. Empirische Bedeutung und theoretisches Modell, Opladen 1982; Basisdemokratie oder Herrschaft der Aktivisten?, in: Politische Vierteljahresschrift, (1984) 1; (zusammen mit Pavel Uttitz) Die Wähler der Grünen 1980— 1983. Systemkritischer neuer Mittelstand?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, (1984) 2; neben anderen Beiträgen zur Partei der GRÜNEN Veröffentlichungen zur Jugendforschung und zur Geschichte der Soziologie.