I.
Die Frage nach dem Verhalten des deutschen Volkes zur nationalsozialistischen Judengesetzgebung ist natürlich auch die Frage nach dem Verhältnis zwischen christlichen und jüdischen Deutschen oder der Einstellungen einer Mehrheit zu einer formal religiös bestimmten Minderheit Dies ist im 20. Jahrhundert und unter dem Eindruck des politischen Antisemitismus keine Anfrage an die Theologen, wiewohl diese eine durchaus eigenständige und wenig glückliche Rolle abgegeben haben.
Jenseits aller möglichen Erklärungsbemühungen steht die unbezweifelbare Tatsache, daß die Judengesetzgebung von 1933 bis zum Kriegsausbruch kaum je auf ernsthafte, in der Bevölkerung vorhandene oder aus ihr erwachsende Hindernisse stieß. Dies gilt selbst für Gruppen, Institutionen und Einzelpersonen, die dem Regime bewußt kritisch, ja in überzeugter Ablehnung gegenüberstanden. Bedeutete das Schweigen, das den massiven legislatorischen Entrechtungsprozessen in den Jahren 1933, 1935 und 1939 folgte stillschweigende Zustimmung oder mißbilligende Ablehnung?
Man darf mit einiger Berechtigung annehmen, daß eine latent vorhandene Zustimmung und Billigung jener Maßnahmen in allen Bevölkerungsschichten bei weitem überwog. Zumindest kann man sagen, daß die Berufsverbotsgesetze vom April 1933 und die Bestimmungen der „Nürnberger Gesetze" auf einen breiten Konsens selbst unter den Anhängern jener Parteien stießen, die gemeinhin in der Weimarer Republik als „staatstragend" oder „demokratisch" qualifiziert werden.
Dies gilt in ganz besonders hohem Maße für den Ausschluß der Juden von den Rechten, die ganz allgemein als „Staatsbürgerrecht" bezeichnet werden und die Rechte und Pflichten des Staatsbürgers konstituieren. Schon die Genesis jener Rechte zeigt auf, daß nahezu alle politischen Gruppierungen bereits in ihrer Frühphase und aus den verschiedenartigsten Gründen und Überlegungen gegen eine Erweiterung oder Übertragung der Bürger-bzw. Staatsbürgerrechte auch an die jüdischen Deutschen eingestellt waren. Wenn das „Reichsbürgergesetz“ auch bei überzeugten Liberalen oder konservativ geprägten Demokraten auf keine ernsthafte Kritik stieß, so läßt sich diese Tatsache zum nicht geringen Teil aus der parteipolitisch geprägten Entwicklung jener Rechte selbst erklären.
Sieht man die Geschichte der rechtlichen Emanzipation der deutschen Juden zugleich unter dem Blickwinkel der Geschichte des liberalen Rechtsdenkens im 19. Jahrhundert, so wird man nicht durchgängig von einer Interessenidentität zwischen den Verfechtern einer allgemeinen Gleichstellung der Juden und den Interessen des politischen Liberalismus sprechen können. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stellte sich das Bild vielmehr so dar, daß der Liberalismus zwar engagiert für die staatsbürgerliche Gleichstellung der Juden eintrat, indessen auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts — und hier insbesondere im Handels-und Gewerberecht — der Emanzipation zahlreiche Widerstände entgegensetzte. Dies wird unmittelbar verständlich, wenn man sich das Staatsverständnis des Liberalismus vergegenwärtigt. Der Staat war ihm eine beliebige Organisation, eine „Art von Gesellschaft" zum Zweck der Sicherung des Staates nach außen und zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung nach innen. An dieser Organisation, ihren Organen und Gremien, sollten und mußten alle im Bereich dieses Staates lebenden Individuen gleichmäßigen Anteil nehmen, gleichmäßige Rechte und Pflichten haben. Dies betraf also das allgemeine Wahlrecht zu den parlamentarischen Körperschaften im aktiven und passiB ven Sinn, die allgemeine Wehrpflicht und die Rechte und Pflichten, die sich unmittelbar aus dem Gewaltverhältnis zwischen dem einzelnen und dem Staat ergaben
Im direkten Umgang miteinander, d. h. unter denjenigen Lebensbedingungen und Lebensverhältnissen, die sich tunlichst ohne Einwirkung des Staates vollziehen sollten, vertrat der Liberalismus nur sehr zurückhaltend das Prinzip der freien, ungehinderten Konkurrenz. Da die wirtschaftlichen Schichten, die den Liberalismus politisch stützten und trugen, in den allmählich in den gleichen Gebieten tätigen und erfolgreichen Juden eine ernsthafte Konkurrenz erhielten, erklärt sich hieraus die z. T. hemmende und verzögernde Haltung des Liberalismus gegenüber einer allgemeinen, auf keinem Gebiet behinderten Gleichstellung der Juden
Grob vereinfacht läßt sich sagen, daß auf konservativer Seite die Interessenlage entgegengesetzt war. Da die Repräsentanten dieser Richtung am prosperierenden Ergebnis der aufkommenden Industrialisierungsepoche mit ihrem Konkurrenzdruck nicht unmittelbar partizipierten, befürworteten sie zwar die Gleichheit der Individuen im Rechts-und Geschäftsverkehr untereinander, verweigerten sich jedoch beharrlich einer Anerkennung dieser Grundsätze durch eine Übertragung auf den Bereich der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung
In diesem Zusammenhang gilt es also zu beachten, daß die großen politischen Gruppierungen des 19. Jahrhunderts je nach Interessenlage zwischen der staatsrechtlichen und bürgerlichen Gleichberechtigung deutlich unterschieden. Das heißt, daß die Rechte und Pflichten eines Staatsangehörigen in seiner Beziehung zu diesem Staat und die Rechte und Pflichten des einzelnen in seinen Lebens-gemeinschaften innerhalb der Gesellschaft noch nicht unmittelbar aufeinander bezogen wurden. Die rechtstheoretische Überlegung, daß sich aus der allgemeinen Zugehörigkeit zu einem Staatsverband automatisch alle anderen Rechte ergeben, ist erst in der jüngsten deutschen Verfassungsgeschichte zur herrschenden Lehre geworden
Nimmt man einmal die seit der Revolutionsepoche unter französischer Herrschaft stehenden Gebiete des Deutschen Reiches aus, so zeigt sich diese Trennung von Staatsangehörigkeitsrecht und Bürgerrecht bereits im ersten deutschen Emanzipationsgesetz, dem Preußischen Judenedikt vom 15. März 1812. Es hob das Schutzverhältnis der Juden auf und machte sie zu Staatsbürgern mit der Gewährung der freien Niederlassung und der Gewerbefreiheit. Allerdings enthielt das Edikt, das den Juden zudem erstmals die staatsbürgerliche Gleichheit sicherte, bedeutsame Einschränkungen. Es verwehrte ihnen den Zugang zum Offizierscorps, zur Verwaltung und zur Justiz.
Preußen war mit diesem Gesetz das mit Abstand fortschrittlichste deutsche Land, während die liberalen süddeutschen Staaten im Zuge der Restaurationsepoche zwar die Juden als Staatsbürger akzeptierten, ihnen aber ansonsten die Gewerbe-und Niederlassungsrechte entweder verweigerten oder diese suspendierten. Allgemein war in allen deutschen Ländern in den zutreffenden Edikten die Bestimmung verankert, daß Juden, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, keine Ämter mit richterlichen, polizeilichen oder sonstigen exekutiven Funktionen übernehmen durften
Das preußische Judengesetz von 1847 öffnete ihnen dann wenigstens den Zugang zu denHochschulen, allerdings nur bis zur Privatdozentur und zur außerordentlichen Professur in den medizinischen Fakultäten und in den mathematischen, naturwissenschaftlichen Fächern der philosophischen Fakultäten. Der § 146 der Frankfurter Verfassung, in dem der Grundsatz geltend gemacht wurde, daß das religiöse Bekenntnis den Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte weder bedingte noch beschränkte, blieb für die meisten deutschen Länder nur eine kurze Periode. In Preußen dagegen war dieser Grundsatz bedeutungslos, da bereits drei Wochen nach dem Ausbruch der Revolution in Berlin der König durch eine Verordnung vom 6. April 1848 die Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte von dem religiösen Bekenntnis unabhängig gemacht hatte. In der oktroyierten preußischen Verfassung vom 5. Dezember 1848 erklärte Art. 4, daß alle Preußen vor dem Gesetze gleich und die öffentlichen Ämter allen dazu Befähigten gleich zugänglich seien. Im Art. 11 wurde festgestellt, daß der Genuß der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte unabhängig von dem religiösen Bekenntnis sei
Eine Inanspruchnahme dieser Garantien durch Juden wurde durch die Rechts-und Verwaltungspraxis des preußischen Staates allerdings weitgehend verhindert. Tatsächlich blieb den Juden die Ausübung richterlicher und polizeilicher Tätigkeiten auch weiterhin verschlossen, ebenso der Schuldienst und der Offiziersberuf. Nachdem die süddeutschen Staaten zwischen 1861 und 1867 die bestehenden rechtlichen Beschränkungen gegen die Juden endgültig fallen gelassen hatten, trat für den Bereich des Norddeutschen Bundes am 3. Juli 1869 mit dem „Gesetz, betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen" die allgemeine Gleichstellung der Juden in staatsrechtlicher und bürgerlicher Hinsicht in Kraft. In Form eines Reichsgesetzes und durch Bündnisverträge wurde das norddeutsche Gesetz bis 1871 auch in den süddeutschen Staaten eingeführt.
Damit waren die letzten Hindernisse gegen die Einschränkungen und Beschränkungen einer völligen Emanzipation des Judentums in Deutschland beseitigt. Der jüdische Deutsche war in allen Rechten und allen Pflichten einem christlichen Deutschen gleichgestellt, zumindest im Hinblick auf die formale Gleichheit vor dem Gesetz In diesem Sinne regelte das „Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetz" vom 22, Juli 1913 den Begriff des „Deutschen“ sowie den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. „Deutscher" war automatisch, wer die Staatsangehörigkeit eines der Bundesstaaten besaß. Erst durch den Status der „Staatsangehörigkeit" in einem der Bundesstaaten — seit der Weimarer Verfassung in den deutschen Ländern — wurde dem Staatsangehörigen zugleich die „Reichsangehörigkeit" vermittelt Mit der „Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit" vom 5. Februar 1934 wurden die formalen Unterschiede zwischen der Staats-und Reichsangehörigkeit von der nationalsozialistischen Regierung beseitigt. An die Stelle der Staatsangehörigkeit in den deutschen Ländern trat die „Deutsche Staatsangehörigkeit", womit auch der Begriff der „Reichsangehörigkeit" entfiel.
II.
Gerade die Reichs-bzw. Staatsangehörigkeit der deutschen Juden bildete seit der Reichs-gründung einen Gegenstand beständiger Angriffe aller sogenannten nationalen oder „vaterländischen" Gruppierungen, die bis weit in die nationalliberalen und konservativen Parteien hinein reichten und den Entzug oder wenigstens die Einschränkung dieses Rechts in den Mittelpunkt ihres antisemitischen Forderungskatalogs rückten.
Die NSDAP hatte diese Forderungen in ihrem Parteiprogramm vom 25. Februar 1920 wieder aufgenommen und sehr deutlich betont, daß sie Juden nicht als „Deutsche“ betrachtete. In der Gesamtheit seiner antisemitischen Forderungen fiel dieses Programm noch weit hinter das Preußische Judenedikt von 1812 zurück Die im Mai 1924 in den Reichstag eingezogene „Völkische Fraktion" legte denn auch sofort einen Gesetzesantrag vor, wonach alle Angehörigen der jüdischen Rasse unter Fremdenrecht gestellt werden sollten. Im August 1924 schob sie die Forderung nach, Juden aus allen öffentlichen Ämtern zu entlassen
Im zunehmend lauter werdenden Chor der nationalsozialistischen Gefolgschaft seit 1929 wurden diese Forderungen nahezu stereotyp wiederholt. Seit 1931 hatte man in der „Reichsleitung der NSDAP" eine Sammlung von Vorschlägen und Gesetzentwürfen zusammengestellt, die im Fall einer nationalsozialistischen Machtergreifung vordringlich behandelt werden sollten. So Vorarbeiten über die „Ausscheidung von Juden und sonstigen Fremdstämmigen aus dem deutschen Volk" sowie weitere Denkschriften und Entwürfe zum Staatsangehörigkeits-und Staatsbürgerrecht. Weiterhin gab es einen Änderungsentwurf zum „Reichs-und Staatsangehörigkeitsgesetz", einen Gesetzentwurf über die „Einbürgerung deutscher Schutzgenossen" sowie ein „Reichsjudengesetz"
Am detailliertesten waren die umfassenden Vorschläge, die eine Arbeitsgemeinschaft im März und April 1933 entworfen hatte. Ihr gehörten der Leiter der politischen Polizei Preußens, Rudolf Diels, der Oberregierungsrat Wilhelm Ziegler im Reichspropagandaministerium, der Staatskommissar für Berlin, Julius Lippert, sowie weitere, späterhin bekannte Nationalsozialisten an. Diese Arbeitsgemeinschaft, die am 6. April 1933 ihren Gesetzentwurf vorlegte, schuf hiermit ein Fremdenrecht, das nahezu alle später gegen die Juden getroffenen Maßnahmen im Dritten Reich vorwegnahm. Reduzierte man diesen Entwurf auf seine wesentlichen Intentionen, so verblieb für die deutschen Juden eine Art „Schutzangehörigkeit", ein Rechtsstatus, der in der nationalsozialistischen Diktion der Kriegsjahre für die Juden wieder auftauchte
Erstaunlich war nun immerhin, daß die für die nationalsozialistische Weltanschauung und das NS-Staatsverständnis von der „Volksgemeinschaft" so eminent wichtige Frage einer Regelung der staatsbürgerlichen Stellung der deutschen Juden bis in den Herbst 1935 hinein nahezu unangetastet blieb.
Daß diese erstaunliche Tatsache kaum den ursprünglichen Absichten der neuen Machthaber entsprach, zeigt eine Ankündigung des Staatssekretärs im Reichsinnenministerium, Hans Pfundtner, mit der er am 4. Juli 1933 an die Öffentlichkeit trat. Nach seinen eigenen Worten wollte er sie mit „in Vorbereitung befindlichen Gesetzen" vertraut machen, die, wenn sie auch große Härten mit sich brächten, unbedingt durchgeführt werden müßten. Der Staatssekretär verwies auf ein neues Reichsangehörigkeitsgesetz, das an die Stelle der mannigfaltigen deutschen Staatsangehörigkeiten treten und eine einheitliche „Reichsangehörigkeit" bringen sollte, überdies sollte dieses Gesetz Unterscheidungen innerhalb der Reichsangehörigkeit treffen, „je nach dem der Reichsangehörige deutschen oder fremden Blutes war". Das „Reichsvolk“ des neuen Staates sollten nur die Reichsangehörigen „deutschen Blutes" bilden. Nur der „deutschgeborene“ Reichsbürger sollte das Reichsbürgerrecht erhalten, das er sich durch besonderen Dienst am deutschen Volk zu er-dienen hatte.
Am 18. Juli 1933 berief sich Reichsinnenminister Frick in einer Anweisung an die Landes-regierungen auf die geplanten Gesetze über die Reichsangehörigkeit und ersuchte die zuständigen Verwaltungsbehörden, alle Personenstandsurkunden beschleunigt zu sichern und auszuwerten
Die Ankündigung Pfundtners fiel in eine Periode heftiger antisemitischer Aktionen, die sich schwerpunktmäßig gegen die jüdischen Gewerbebetriebe richteten. Der „NS-Wirtschaftsbund" versuchte im Mai/Juni 1933 mit harten Zugriffen die Kennzeichnung aller jüdischen Geschäfte zu erzwingen, während der „NS-Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand", unterstützt von Rollkommandos der SA und Schlägertrupps der „Nationalsozialistischen Betriebszellen/Organisation", in wilden Zerstörungsaktionen seine Vorstellungen von einer „arischen“ Wirtschaft durchzusetzen trachtete.
In diesen Sommermonaten des Jahres 1933 wurde aber auch zugleich erkennbar, daß die forttreibenden, unkontrollierbaren Bewegungen der Machtergreifungsphase auch in der „Judenfrage" eine Entscheidung über die Richtung der neuen Politik und ihrer Prioritäten verlangte. Die völlig ungeklärte Lage der deutschen Wirtschaft und das konservative Beharrungsvermögen einiger Minister machten Hitler offenbar bewußt, daß sein ehrgeizig vorangetriebenes Programm der Arbeitsbeschaffung, wirtschaftlichen Konsolidierung und Aufrüstung nach einer Gewichtung seiner ideologischen Prämissen verlangte. Auch ihm war deutlich geworden, daß die revolutionären Eingriffe auf allen Ebenen und in allen Bereichen und die völlig zügellos und direktionslos durchgeführten Ausscheidungsmaßnahmen gegen das Judentum seine Ziele ernsthaft bedrohten
In zwei Reden, am 2. Juli 1933 in Bad Reichen-hall und am 6. Juli vor den Gauleitern/Reichsstatthaltern, erklärte er deshalb die Beendigung der „nationalen Revolution" und betonte die Dringlichkeit eines ungestörten Wirtschaftslebens Ganz offensichtlich war die Priorität der wirtschaftlichen Konsolidierung ausschlaggebend für die Zurückstellung der von Pfundtner angekündigten staatsbürgerlichen Ausscheidungsgesetze. Von den angekündigten Gesetzen wurde allein das „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staats-angehörigkeit" vom 14. Juli 1933 von Hitler ausgefertigt Hitler mochte sehr wohl erkannt haben, daß der Widerstand einiger Minister und eines Teils der Ministerialbürokratie gegen eine allzu ungehemmte Judengesetzgebung im schnellen Anlauf nicht zu überwinden war. Es beweist sein psychologisches Einfühlungsvermögen in die Haltung der konservativen Kabinettsmitglieder, daß er bei Vorlage des Gesetzentwurfs erklärte, „daß man zu dem mit dem Gesetz beabsichtigten Schritt kommen müsse. Ihm werde stets gesagt, daß nicht für ein Vorgehen gegen die Juden schlechthin, wohl aber für ein Vorgehen gegen die Ostjuden Verständnis allgemein vorhanden sei"
Das Gesetz hatte einen unmittelbaren Einfluß auf die Staatsangehörigkeit von deutschen Juden insofern, als es die Möglichkeit bot, Einbürgerungen aus der Zeit zwischen dem 9. November 1918 und dem 30. Januar 1933 zu widerrufen. Zusätzlich verschaffte es eine ebenso leichte wie bequeme Handhabe, geflüchtete jüdischgläubige Deutsche auszubürgern und ihr Vermögen zugunsten des Reiches einzuziehen.
Wenn allerdings Reichsinnenminister Frick nach Erlaß dieses Gesetzes euphemistisch darauf hinwies, daß es den „eigentlichen Beginn und Ausgangspunkt der deutschen Rassengesetzgebung" darstelle, so ist dies eher als eine propagandistische Übertreibung zur Beruhigung der drängenden Rassenfanatiker zu bewerten. Von den Ankündigungen Pfundtners wurde nur die bereits genannte „Verordnung über die deutsche Staatsangehörigkeit" vom Februar 1934 verwirklicht. Sie enthielt jedoch keine der von Pfundtner als dringlich genannten Bestimmungen über eine besondere Staatsangehörigkeit der Juden. Eine weitere gesetzgeberische Aktivität des Reichsinnenministeriums in diesen Fragen ist hinfort nicht mehr nachzuweisen.
Die Tatsache, daß die für die Ideologie des Nationalsozialismus herausragende Frage einer besonderen antijüdischen Gesetzgebung im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts nicht mehr voranzuschreiten schien, mußte die überzeugten Antisemiten im Gefolge Adolf Hitlers irritieren. Unter den gefürchteten „Radau-Antisemiten" ist besonders Julius Streicher zu nennen, Gauleiter von Franken und Herausgeber des an Primitivität kaum zu unterbietenden „Stürmer", der seine Hetzartikel überwiegend aus dem Umfeld pornographischer und kriminell-abartiger Meldungen bezog. Seit Mitte des Jahres 1934 versuchte Streicher, in seinem Gaubereich eine Pogromstimmung zu erzeugen. Jeder „Stürmer" -Leser konnte eine sich von Woche zu Woche steigernde hysterische Greuelhetze gegen das Judentum verfolgen. Der „Stürmer" konzentrierte seine Bemühungen auf die -gen geschlechtlicher Tatbestände, die in monotoner Beharrlichkeit die angebliche sexuelle Gier des Juden nach der deutschen Frau thematisierten
Anfang Februar 1935 fiel in diesen Hetzfeldzug der neugegründete , Judenkenner''ein, eine Gründung des „Weltbundes der Völkischen", den Alfred Rosenberg, selbsternannter Chefideologe des Nationalsozialismus, zum Konglomerat seiner Propagandaunternehmungen zählte Im April 1935 wurde der zweistimmige Chor noch durch das erst wenige Wochen zuvor gegründete Organ der SS, „Das schwarze Korps", komplettiert. Es forderte umgehend ein Gesetz, das „rassenschänderische" Beziehungen zwischen Deutschen und Juden unter Strafe stellte, und betonte, „ein solches Gesetz werde einmal eine Groß-tat der nationalsozialistischen Regierung genannt werden"
Nachdem die auf breiter Front vorangetriebenen Greuelberichte erste antisemitische Ausschreitungen provoziert hatten, wollte auch „Der Angriff" von Josef Goebbels nicht mehr nur beobachtend abseits stehen. Ende April wies er warnend und zugleich provozierend auf eine kommende antisemitische Welle hin
Erst im Februar 1935 hatte der „Stellvertreter des Führers“ (StdF Rudolf Heß) darauf hingewiesen, daß Juden nach den Gesetzen deutsche Staatsbürger und als solche zu behan-dein seien. Von der Gewalt der judenfeindlichen Ausbrüche nun offensichtlich überrascht, warnte er am 11. April „dringlich" davor, sich gegen „jüdische Zersetzungsaktionen ... durch Ausschreitungen gegenüber einzelnen Juden Luft zu machen“
Auch Reichsinnenminister Frick bemühte sich, die aufgeregte Atmosphäre zu dämpfen. Er kündigte zwei Wochen später die Neufassung des Staatsbürgerrechts an, an dessen Verleihung man . rassische Bedingungen'knüpfen werde
Damit waren im Frühjahr 1935 zwei Rechtsbereiche miteinander verzahnt worden. Einmal die Beziehungen zwischen Deutschen und Juden, zum anderen das Staatsangehörigkeitsrecht. Beide wurden unabhängig, jedoch parallel voneinander vorbereitet, wobei die Aktionen des März/April 1935 sich in erster Linie gegen die sogenannten „rassenschänderischen Beziehungen" wandten.
Nach den Aufrufen und Ankündigungen des StdF und des Reichsinnenministers klang die Greuelpropaganda plötzlich ab, nahm jedoch im Juni/Juli 1935 an Intensität und Heftigkeit zu, nachdem die staatlichen Behörden keinerlei Reaktionen erkennen ließen. Im Juni 1935 unterstrich die offiziöse „NS-Parteikorrespondenz", Juden könnten nicht mehr als Staatsbürger angesehen werden. Im Juli dehnte sie ihre Forderung auf die Todesstrafe für „Rassenschänder" aus, wobei ihr der „Judenkenner“ und der „Stürmer“ mit gleichlautenden Forderungen zur Seite traten Wie zu erwarten war, kam es zu erneuten Ausschreitungen, die Mitte Juli 1935 auf dem Berliner Kurfürstendamm zu Übergriffen führten, die den Vorgängen in der „Reichskristallnacht" schon sehr nahe kamen. Sofort versuchte wiederum der Reichsinnenminister zu beruhigen und kündigte erneut die Vorbereitung eines Gesetzes gegen „Mischehen“ an, was er wenige Tage später auf einem Gautag in Essen in allgemeiner Form in der Wendung wiederholte, die Judenfrage werde „langsam aber sicher auf vollkommen legalem Wege gelöst"
Daß Frick offensichtlich wiederum den Intentionen seines Ministeriums vorgegriffen hat-te, zeigte sich auf einer „Chefbesprechung", zu der der kommissarische Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsident Hjlmar Schacht am 20. August 1935 alle Ministerien geladen hatte. Außer der verbalen Versicherung, das Ministerium werde einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen, wußte Frick keine konkreten Angaben zu machen. Auch die übrigen Ministerien hatten sich weder Überlegungen gemacht, noch wußten sie zu dem von Schacht angesprochenen Punkt einer künftigen Judengesetzgebung etwas vorzutragen
III.
Dies war der Stand der Dinge, als am 10. September 1935 in Nürnberg der „Parteitag der Freiheit" begann. Hitler hatte für Sonntag, den 15. September 1935, an ein weiteres Signal gedacht, um nach der erfolgreichen Saarland-Abstimmung, der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und dem deutsch-britischen Flottenabkommen eine der weiteren Fesseln von Versailles abzuwerfen. Er beabsichtigte, den Reichsparteitag zur Tribüne einer außenpolitischen Erklärung zu machen und den von Mussolini hochgespielten Abessinien-Konflikt zur Artikulierung eigener deutscher Revisionsforderungen zu benutzen. Um diesen Forderungen den notwendigen Rahmen zu geben, hatte er den Reichstag und zugleich das gesamte Diplomatische Corps nach Nürnberg laden lassen. Zur Unterstreichung dieser Forderung und zur symbolhaften Dokumentation des neuen, von ihm geprägten Reichs war die Verabschiedung „Reichsflaggengesetzes“ vorgesehen, das die der Weimarer Republik beseitigte und Farben das Hakenkreuz in die Reichsflagge aufnahm
In der Parteitagsproklamation, die am 11. September 1935 verlesen wurde, hatte Hitler die anstehenden, von seiner Partei hochgeputschten Fragen nur in allgemeiner Form berührt. In ihrer generellen Zielrichtung ließ die Proklamation eher den Schluß zu, daß der von Hitler aufgeführten Erfolgsbilanz seiner Politik eine Erklärung über die politischen Absichten des Reiches folgen mußten Reichsaußenminister von Neurath, der gegen Hitlers außenpolitische Erklärung Einwendungen und Bedenken vorbrachte, war es zwischen dem 11. und dem 13. September offensichtlich gelungen, Hitler von neuen deutschen Revisionsforderungen abzuhalten. Am Abend des 13. September nahm er von dem geplanten Spektakel Abstand. Um wenigstens die Einberufung des Reichstags zu rechtfertigen, befahl er Frick, er möge ihm einen Gesetzentwurf über ein Verbot von Ehen zwischen Juden und . Ariern“, des außerehelichen Geschlechtsverkehrs zwischen ihnen sowie die Beschäftigung „arischer" Dienstmädchen bei Juden vorlegen.
Am gleichen Tag wurde der . Judenreferent" des Reichsinnenministeriums, Dr. Werner Lösener, telefonisch benachrichtigt, sich am folgenden Tag nach Nürnberg zu begeben. Löse-ner traf am Samstag, dem 14. September, um 9. 00 Uhr in Nürnberg ein, wo er auf die Staatssekretäre Dr. Stuckart und Pfundtner undei-nige andere Beamte des Reichsinnenministeriums stieß, die ihm mitteilten, daß ein . Judengesetz" entworfen werden sollte.
Die turbulenten Umstände, unter denen die Beamten zuerst im Nürnberger Polizeipräsidi- um, dann, ab Samstagnachmittag, in der Villa des Lebkuchenfabrikanten Häberlein die Gesetzentwürfe des „Blutschutzgesetzes" fertigten, sind von Lösener selbst ausführlich beschrieben worden Als die Beamten endlich um Mitternacht die geforderten vier Fassungen des Gesetzes gefertigt hatten, erfuhren sie von Frick, Hitler wünsche „zur Abrundung der Gesetzgebung" noch ein Grundgesetz, eine Art Reichsbürgergesetz, das sofort zu entwerfen sei. Es war 0. 30 Uhr, als sich die völlig erschöpften Beamten an die Arbeit machten, ein Grundgesetz für ein „Tausendjähriges Reich" zu schaffen. Ministerialrat Lösener schildert den Entstehungsprozeß dieses Gesetzes:
„Es formten sich dann langsam Vorstellungen zunächst negativer Art: Das Gesetz müßte so inhaltsleer wie nur möglich gefaßt werden und so zunächst ohne irgendwelche praktischen Konsequenzen bleiben. Das Weitere müßte man der Zukunft überlassen. Ferner müßte unter allen Umständen das gegenwärtige Staatsahgehörigkeitsrecht ausdrücklich sichergestellt werden; vor allem müßte die Staatsangehörigkeit der Juden unangetastet bleiben. Die weitere Erörterung, die sich immer langsamer und mühseliger dahinschleppte, förderte dann den Begriff eines noch nebelhaft bleibenden Reichsbürgerrechts zutage, einer Art gehobener Staatsangehörigkeit ... Es wurde dann endlich, da die Zeit drängte, ein Entwurf mit einer Phrase als Kern zusammengestoppelt, und Frick begab sich gegen 1. 30 Uhr zu Hitler. Wir hatten nur etwas über 1 Stunde Zeit gehabt, um dieses Phantom eines Grundgesetzes zu entwerfen, und in welcher Verfassung? Nach etwa einer Stunde kam Frick zurück: Der Führer habe den Entwurf gebilligt'."
Es war 2. 30 Uhr geworden, Sonntag, der 15. September 1935. Um 21. 00 Uhr des gleichen Tages trat der in Nürnberg zusammengerufene Reichstag zusammen. Ihm lagen das „Reichsflaggengesetz“, das „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" und das „Reichsbürgergesetz" vor. Der Gesetzesantrag der Abgeordneten Hitler, Göring, Frick und Genossen wurde — wie nicht anders zu erwarten war — einstimmig angenommen.
Das „Reichsbürgergesetz" und das „Blutschutzgesetz” — als solche gingen sie als „Nürnberger Gesetze“ in die Geschichte ein — waren in ihrer Fassung völlig inhaltsleer. Entscheidend war die Frage, wer nach den Intentionen des Reichsbürgergesetzes überhaupt . Jude" sein sollte. In dieser Frage mußten sich die Absichten und Vorstellungen Hitlers artikulieren. Die zeitliche Abfolge in der Entstehungsgeschichte scheint darauf hinzudeuten, daß Hitler der Frage der Staatsangehörigkeit der Juden seine Aufmerksamkeit erst nachrangig widmete In erster Linie schien er überzeugt, die Hauptstoßrichtung der NSDAP gegen den Gesamtbereich der sogenannten „rassenschänderischen Beziehungen“ regeln lassen zu müssen. Für diese Entscheidung ist sicherlich der Reichsärzteführer Dr. med. Gerhard Wagner von erheblichem Einfluß gewesen, da er als Leiter des „Rassenpolitischen Amtes der NSDAP" diesem Gegenstand schon immer seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und auch auf dem Reichsparteitag selbst in seinem Vortrag eine entsprechende Regelung gefordert hatte
Die Forderung nach einem „Staatsgrundgesetz", wie es das Reichsbürgergesetz sein sollte, ergab sich für Hitler möglicherweise erst aus den Entwurfsarbeiten zum „Blutschutzgesetz", das eine Ergänzung in Richtung einer genaueren Definition zwingend notwendig machte.
Das Schwergewicht des Rechtsstoffes lag dabei eindeutig auf den Bestimmungen des „Reichsbürgergesetzes", das den Rechtsrahmen für das „Blutschutzgesetz“ erst absteckte. Erst an der Ausfüllung des Begriffs Jude“ mußte sich zudem die Stoßrichtung der nationalsozialistischen Rassenpolitik erweisen.
Zur Klärung dieser Frage kam es in den folgenden Monaten zu zahlreichen Sitzungen der Staats-und Parteibehörden. Während das Reichsinnenministerium dafür plädierte, die Regelungen und ihre Folgen allein auf „Volljuden“ anzuwenden, d. h. auf Juden, die vier jüdische Großeltern hatten, forderten die Parteibehörden rigoros die Ausdehnung des Be-griffs auf alle Personen, die noch ein jüdisches Großelternteil hatten. In den langwierigen Diskussionen über die überaus komplizierte Gesetzesmaterie versuchte das Reichsihnenministerium immer wieder, durch den Nachweis entsprechender Beispiele die Forderungen der NSDAP zu konterkarieren
Zwei Besprechungen, einmal am 24. September, dann am 5. November 1935, in denen Hitler seine Entscheidung über die Definition des . Juden" bekanntgeben wollte, brachten kein Ergebnis.
In einer Rede vor den Reichs-und Gauleitern am 24. September vermied er jede klare Stellungnahme und begnügte sich mit der unverbindlichen Feststellung, daß es zur Festlegung dieser Fragen noch der Klärung einiger Punkte bedürfe Als die Frage am 5. November nicht mehr aufgeschoben werden konnte und eine „Chefbesprechung“ anstand, die eine Konfrontation zwischen den Staats-und Parteibehörden erwarten ließ, sagte Hitler die Sitzung kurzfristig ab. Staat und Partei einigten sich mühsam auf einen Kompromiß, wobei allerdings anzufügen ist, daß die „Ersten Verordnungen“ einen ganz außerordentlichen Erfolg der Ministerialbürokratie darstellten. Nicht nur war es den Beamten gelungen, die Parteiforderungen nach Scheidung der „Mischehen" und einer Zwangssterilisierung von Halbjuden abzuwenden; es war ihnen auch zu danken, daß der Judenbegriff noch relativ eng gefaßt blieb und damit zehntausende von „Halbjuden" von den bedrückenden Maßnahmen gegen die Juden verschont blieben, ja letztlich das physische überleben eines Großteils dieser Gruppe sicherte
Die Partei war sich dieser Niederlage sehr wohl bewußt. Goebbels ließ die Rundfunkübertragung von der Verlesung der Vorlagen in Nürnberg abbrechen und untersagte jede weitere Kommentierung in der Parteipresse Walter Gross, der Leiter des „Rassenpolitischen Amtes“, bekannte später: „Wir hätten die Halbjuden gern allgemein zu Juden gemacht." Dies deutet auch bereits die generelle Stoßrichtung aller künftigen Bemühungen der Partei an
Am 21. Dezember 1935 bestimmte die „Zweite Verordnung zum Reichsbürgergesetz" den Personenkreis, der aus den öffentlichen Ämtern zu scheiden hatte. Die Verordnung stellte fest, daß nur derjenige ein öffentliches Amt bekleiden konnte, der „deutschen oder artverwandten Blutes" war. Alle jüdischen Beamten des Reichs, der Länder und Gemeinden sowie aller öffentlich-rechtlichen Körperschaften waren zum 31. Dezember 1935 zu entlassen. Dies galt auch für Lehrer im öffentlichen Schuldienst und an wissenschaftlichen Hochschulen. Träger eines öffentlichen Amtes waren auch Notare und leitende jüdische Ärzte an öffentlichen Krankenanstalten. Der weitere Fortgang des Reichsbürgergesetzes wurde zunächst von der Parteibehörde des StdF und dem Reichsinnenministerium bestimmt. Im Sommer 1936 begannen sie, das im Reichsbürgergesetz begründete Erfordernis eines „Reichsbürgerbriefes" gesetzesförmig zu fixieren.
Was sich äußerlich als reine Formalität darstellte, geriet hier auf Drängen des StdF zum Versuch, auf Umwegen die im November 1935 erlittene Niederlage zu korrigieren. Entgegen der deutlichen Aussage des Gesetzes sollte der Reichsbürgerbrief an „Mischlinge ersten Grades“ nur auf Antrag verliehen werden, sofern der Reichsinnenminister im Einverständnis mit dem StdF nach Prüfung jedes Einzelfalls entsprechend entschieden hatte. Die praktischen Folgen wären ohne Zweifel gewesen, daß die „Mischlinge ersten Grades" auf dem Umweg über den Reichsbürgerbrief letztlich den Status von Juden erhalten hätten. Die beteiligten Ministerien äußerten zahlreiche Einwände. Das Reichskriegsministerium verwandte sich für die jüdischen Mischlinge mit der Argumentation, daß, „wer dem Staat in der Wehrmacht dienen darf... Anspruch auf das Reichsbürgerrecht haben muß“ Reichsfinanzminister von Krosigk verwies auf die Mehrarbeit der Verwaltungsbehörden und die Höhe der Kosten durch den Druck der erforderlichen Urkunden. Im Februar 1937 kritisierte der preußische Finanzminister Popitz den Widerspruch, „genaue Richtlinien und gesetzliche Vorschriften über den Erwerb und Verlust eines Rechtes schon dann zu erlassen, wenn dessen Umfang und Inhalt noch gar nicht feststeht" -
Damit war das letzte Wort über das Gesetz gesprochen. Ende Mai 1937 teilte das Reichs-innenministerium den beteiligten Stellen mit, Hitler habe entschieden, den Gesetzentwurf vorläufig zurückzustellen
Nicht viel anders erging es der geplanten „Dritten Verordnung zum Reichsbürgergesetz", die, wie Frick im Februar 1937 Göring mitteilte, aufgrund „einer besonderen Anordnung des Führers und Reichskanzlers" erlassen und in allernächster Zeit zur Vollziehung vorgelegt werden sollte. Die hier von Hitler beabsichtigte Regelung nahm den des öfteren unternommenen, aber immer wieder unterbundenen Versuch auf, die deutschen Geschäfte in Abgrenzung zu den jüdischen Gewerbebetrieben gesondert zu kennzeichnen.
Der an Göring übersandte Entwurf dieser dritten Verordnung sah ein Gewerbezeichen vor, das alle nichtjüdischen Gewerbetreibenden zu führen hatten.
Im Juni 1937 stoppte das Reichsinnenministerium plötzlich die Entwurfsarbeiten mit der Begründung, die vorgelegten Entwürfe eines Gewerbezeichens hätten nicht die Zustimmung des Führers gefunden
Ein Jahr später, im April 1938, als die Verschärfung des antisemitischen Kurses in der Wirtschaft allgemein geworden war, wurden die 1937 unterbrochenen Arbeiten zur Dritten Verordnung wieder aufgenommen. Ihre Verabschiedung erfolgte bereits am 14. Juni 1938 und regelte die Voraussetzungen, unter denen ein Betrieb als jüdisch anzusehen war und dessen Eintragung in ein von den Behörden auszulegendes Verzeichnis anordnete. Zugleich sollten die jüdischen Gewerbebetriebe gesondert gekennzeichnet werden. Eine derartige Kennzeichnung ist trotz aller Ankündigungen niemals erfolgt
IV.
Im Jahr 1938 zeigte sich, daß der inhaltliche Rahmen, den das Reichsbürgergesetz vorgegeben hatte, mehr und mehr in den Hintergrund geriet, wogegen die formell-rechtlichen Delegationsregelungen des Gesetzes an Gewicht gewannen. Ein letzter Versuch, das Gesetz materiell-rechtlich zu füllen, scheiterte im April 1938. Wie weit in der Zwischenzeit der Kreis um die Betroffenen enger gezogen worden war, erwies sich an einem Verordnungsentwurf zum Reichsbürgergesetz, den das Reichsinnenministerium vorlegte und in dem alle „Mischlinge ersten und zweiten Grades" vom vorläufigen Reichsbürgerrecht ausgeschlossen werden sollten, sofern sie nicht am 30. September 1935 wahlberechtigt gewesen waren Hitler, der diesem Entwurf Ende Mai 1938 seine Zustimmung gab, zögerte jedoch seine Unterschrift hinaus. Im Juli 1938 wurde bekannt, der StdF habe gebeten, die Verordnung zurückzustellen, „bis über die Neuregelung des Staatsangehörigkeitswesens Klarheit herrsche"
Die „Vierte Verordnung" vom 25. Juli 1938 diente dann nur noch als Rechtsgrundlage eines generellen Berufsverbotes der jüdischen Ärzte Im Anschluß an die Eliminierung dieser Berufsgruppe begann das Reichsjustizministerium mit der Vorlage zu einer „Fünften Verordnung", die das Ausscheiden der jüdischen Rechtsanwälte regelte und auf dein vom 5. bis 12. September abgehaltenen Parteitag „Großdeutschland" erlassen werden sollte.
Da sich allerdings während dieses Parteitages die „Sudetenfrage" krisenhaft zuspitzte, wurde die Veröffentlichung dieser Verordnung ver-schoben. Das Reichsjustizministerium änderte die Ausscheidungsfristen für die jüdischen Anwälte und setzte sie nunmehr auf den. 30. November 1938 fest.
Am 27. September unterzeichnete Hitler die „Fünfte Verordnung“, wünschte jedoch, daß deren Veröffentlichung „während des Andauerns der jetzigen außenpolitischen Spannung unterbleibt".
Am 29. September 1938 begann die Münchener Konferenz. Das Sudetenland fiel an Deutschland. Wie nach dem Abkommen vereinbart, besetzten die deutschen Truppen die letzte Zone am 10. Oktober 1938. Am 13. Oktober wurde der Justizminister ermächtigt, die Verordnung zu veröffentlichen; sie wurde am folgenden Tag verkündet Die „Sechste Verordnung“ vom 31. Oktober 1938 brachte das Berufsverbot für jüdische Patentanwälte Die „Siebte Verordnung" vom 5. Dezember 1938 kürzte ehemaligen jüdischen Beamten die Pensionen Die . Achte Verordnung" vom 17. Januar 1939 brachte das Berufsverbot für jüdische Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker Durch die „Neunte Verordnung" vom 5. Mai 1939 wurden die Rassengesetze in Österreich eingeführt Seit dem Jahr 1938 war die Judenpolitik zunehmend in den Einwirkungsbereich der SS, genauer der des „Chefs der Sicherheitspolizei und des SD" geraten. Am 24. Januar 1939 erhielt Heydrich von Göring eine Blankettvollmacht, alle Fragen der jüdischen Auswanderung anzugehen und einer Lösung zuzuführen
Am 11. Februar 1939 setzte Heydrich die Obersten Reichsbehörden von der Bildung einer „Zentralstelle für jüdische Auswanderung" in Kenntnis. Diese Reichszentralstelle hatte alle Maßnahmen zur Vorbereitung einer verstärkten, einheitlichen Auswanderung zu treffen und hierfür geeignete Organisationen zu errichten. Sie hatte ferner alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Bereitstellung und zweckentsprechende Verwertung in-und ausländischer Geldmittel zu erwirken und Zielländer für die Auswanderung festzustellen. Sie sollte die Auswanderung lenken und insbesondere für eine bevorzugte Auswanderung der ärmeren Juden sorgen und die Durchführung beschleunigen.
Bei der Lösung dieser Fragen stützte sich der „Chef der Sicherheitspolizei" auf die „Kultusvereinigung der Juden in Deutschland". Diese hatte sicherzustellen, daß wohlhabende Juden im Fall ihrer Abwanderung einen bestimmten Prozentsatz ihres Vermögens als Auswanderer-Abgabe entrichteten und ihren sonstigen Verpflichtungen nachkamen. Während derart die jüdischen Kultusvereinigungen zu Hilfsorganen der Sicherheitspolizei wurden, betrieb Heydrich das Vorhaben, sämtliche jüdischen Institutionen und Organisationen gleichzuschalten, um sie damit direkter und . erfolgreicher'in den Dienst der Auswanderung stellen zu können.
Die entsprechenden Vorschriften ergingen am 4. Juli 1939 durch die „Zehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz" Sie ordnete den Zusammenschluß aller Juden in einen rechts-fähigen Verein an, der den Namen „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" zu führen hatte und dessen Sitz Berlin war. Zweck dieser Reichsvereinigung war die „Förderung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland"; sie war Träger des jüdischen Schulwesens und der jüdischen freien Wohlfahrtspflege und bediente sich in diesen Aufgabenbereichen der bestehenden Kultusvereinigungen. Der Reichsinnenminister — d. h.der Chef der Sicherheitspolizei — wurde ermächtigt, alle jüdischen Vereine, Organisationen und Stiftungen aufzulösen und ihre Eingliederung in die Reichsvereinigung zu veranlassen. Alle Vorschriften des Reichs-und Landesrechts über den Schulbesuch von Juden traten mit Ablauf des 30. Juli 1939 außer Kraft; die Reichsvereinigung hatte eigene Schulen zu errichten. Aufsichtsbehörde der Reichsvereinigung war das Reichsinnenministerium in der Ministeri-alinstanz „Der Chef der Sicherheitspolizei“, der noch im August 1939 alle Kultusvereini-gungen gleichschaltete. Dies ermöglichte es Heydrich, die personelle und organisatorische Besetzung und Lenkung aller jüdischen Organisationen in Deutschland selbst in die Hand zu nehmen, die Juden schärfer zu beaufsichtigen und damit nicht zuletzt auch eine . Vereinfachung'in der Verwaltung und Verwertung der jüdischen Vermögensmassen herbeizuführen
Mit der „Zehnten Verordnung" wurde ein sechsjähriges Ringen um Prioritäts-und Kompetenzenfragen in der Leitung der nationalsozialistischen Judenpolitik abgeschlossen. Noch vor Beginn des Krieges waren alle Voraussetzungen geschaffen, die eine einheitliche Ausrichtung und Zusammenfassung aller die Juden betreffenden Fragen garantierten. Die Eingriffsmöglichkeiten des Reichsführers -SS und seiner Organe waren ab Sommer 1939 weitgehend frei von gesetzlichen Ermächtigungen. Alle Staatsbehörden waren in wesentlichen Fragen der Judengesetzgebung auf die Mitsprache der SS angewiesen.
V.
Die letzten drei Verordnungen zum Reichsbürgergesetz spiegeln den Fortgang der nationalsozialistischen Judenpolitik in ihrer völligen Entrechtungs-und Vernichtungsphase wider:
Im Dezember 1940 übersandte Staatssekretär Stuckart vom Reichsinnenministerium den beteiligten Behörden zwei unterschiedlich scharf gefaßte Entwürfe einer „Zehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz". (Dem Reichsinnenministerium war es völlig entgangen, daß die „Zehnte Verordnung" bereits am 4. Juli 1939 erlassen worden war.) Die im Inland lebenden Juden sollten nach diesen Entwürfen ihr Staatsangehörigkeitsrecht verlieren und den Status von „Schutzangehörigen“ erhalten.
Während die erste Fassung den jüdischen Ehemann einer „Mischehe“ nur schützte, wenn Kinder vorhanden waren, die nicht als Juden galten, entfiel dieser Passus in der zweiten Fassung.
Da Hitler sich am 20. Dezember 1940 „ganz entschieden" dagegen aussprach, die Juden in einem Gesetz oder einer Verordnung als „Schutzangehörige" zu bezeichnen, brach dieser Vorschlag schnell zusammen
In einer Besprechung am 15. Januar 1941 zur Klärung dieser Fragen machten die Vertreter des StdF und des Reichssicherheitshauptamtes sofort darauf aufmerksam, daß für sie als angestrebte Lösung nur die Staatenlosigkeit der Juden in Frage komme.
Da sich nunmehr im Getriebe der Instanzen mehrere Entwürfe und Vorschläge kreuzten, legte der Reichsinnenminister im März 1941 der Reichskanzlei eine Verordnung mit einer Durchführungsverordnung zum Reichsbürgergesetz vor und bat, „eine Entscheidung des Führers in grundsätzlicher Hinsicht herbeizuführen“
Nach den hauptsächlichen Bestimmungen dieses nunmehr als „Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz" gekennzeichneten Entwurfs sollten alle Staatsangehörigen Juden im In-und Ausland ihre Staatsangehörigkeit verlieren und staatenlos werden; dies galt auch für Juden in „privilegierter Mischehe". Nach dem Verlust der Staatsangehörigkeit sollte der generelle Vermögensverfall eintreten und Pensionsbezüge nicht mehr gewährt werden. Am 29. Mai 1941 erstattete der Chef der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, Hitler Bericht und notierte: „Der Führer hält die vom Reichsinnenminister und vom Reichsjustizminister beabsichtigten Verordnungen nicht für erforderlich."
Zur Begründung fügte Lammers bei, daß Hitler eine Regelung der Staatsangehörigkeit nach verschiedenen abgestuften Gruppen für zu kompliziert halte.
Dies war allerdings nur die halbe Wahrheit. Die eigentlichen Beweggründe Hitlers erfuhr allein Bormann. Lammers teilte ihm mit, der Führer habe der vorgeschlagenen Regelung „vor allem deshalb nicht zugestimmt, weil er der Meinung ist, daß es nach dem Krieg in Deutschland ohnehin keine Juden mehr geben werde und daß es deshalb nicht erforderlich sei, jetzt eine Regelung zu treffen, die schwer zu handhaben sei, Arbeitskräfte binde und eine grundsätzliche Lösung doch nicht bringe"
Das Reichsinnenministerium übernahm die Bedenken Hitlers, ohne auf eigene Vorschläge zu verzichten. Es fertigte einen Neu-entwurf, wonach ein Jude, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, nicht deutscher Staatsangehöriger sein konnte. Das Generalgouvernement galt als Ausland im Sinn der Bestimmungen. Das Vermögen dieser Juden sollte dem Reich anheimfallen. Diese Folgen sollten nicht eintreten, wenn ein Jude in Mischehe lebte und Kinder aus dieser Ehe nicht als Juden galten.
Nach weiteren Einreden anderer Ministerien, die insbesondere eine stärkere Berücksichtigung der nichtjüdischen Angehörigen von Juden hinsichtlich der Verfügungsgewalt über das Vermögen wünschten, wurde die „Elfte Verordnung" am 25. November 1941 ausgefertigt
Am 3. Dezember 1941 schob der Reichsinnenminister einen nicht zu veröffentlichenden Runderlaß nach, welcher die Vorschriften der Verordnung auch für die Juden anordnete, die „ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den von deutschen Truppen besetzten oder in deutsche Verwaltung genommene Gebiete haben oder in Zukunft nehmen werden, insbesondere auch im Generalgouvernement und in den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine" -
Hierzu muß angefügt werden, daß die ersten Deportationen deutscher Juden aus dem Reich durch zwei Befehle vom 14. und 24. Oktober 1941 ausgelöst wurden. Am 23. Oktober 1941 stoppte Heinrich Müller, der Chef der Geheimen Staatspolizei, die Auswanderung von Juden generell Seit Beginn des Rußlandkrieges hatten zu diesem Zeitpunkt die „Einsatzgruppen des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD" bereits mehr als 100 000 Menschen, in der überwiegenden Zahl Juden, ermordet.
Auch der Unrechtsgehalt der „Elften Verordnung" ist ohne weiteres erkennbar: Aberkennung der Staatsangehörigkeit nach erfolgter Deportation, Verlust des Vermögens, das Ruhen der Pensionen. Dennoch schaffte diese Verordnung kein neues „Recht". Sie war allein ein Mittel zur Verwaltungsvereinfachung, da sie nur die faktisch bestehende Lage formal rechtlich sanktionierte. Dies galt insbesondere für den Griff nach dem jüdischen Vermögen, das bislang durch die Gestapo und die beteiligten Reichsbehörden in einem undurchsichtigen Verfahren eingezogen wurde. Nach der „Elften Verordnung" hingegen genügte die bloße Feststellung, daß der Jude seinen „gewöhnlichen Aufenthalt" im Ausland hatte — die Voraussetzungen dieser Auflage mußte der Chef der Sicherheitspolizei treffen — und das Vermögen konnte vom Staat konfisziert werden.
VI.
Einen letzten Schlußstrich und zugleich einen Höhepunkt der gesetzesförmigen Rassenpolitik brachte die „Dreizehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz".
Ihr ursprünglicher Entwurf ging auf eine Anregung Himmlers zurück, der in der Polen-Strafrechtsverordnung vom Dezember 1941 eine weitgehende Polizeigerichtsbarkeit in Polen hatte errichten können. Auf einer Besprechung am 18. Dezember 1942 zwischen dem neuen Reichsjustizminister Thierack und Himmler einigte man sich auf die „Korrektur nicht genügender Justizurteile durch politische Sonderbehandlung": Juden, Zigeuner, Russen und Ukrainer sollten aus dem Strafvollzug entlassen und dem Reichsführer-SS ausgeliefert werden Zur gleichen Zeit hatte das Reichsinnenministerium für die Regelung der Staatsangehörigkeit einen neuen Gesetzentwurf in der Form einer „Dreizehnten Verordnung zum Reichsbürgergesetz" vorgelegt. Nach ihm sollten Juden die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr erlangen können, auch nicht durch Geburt oder Heirat
Die Behörde/des Reichsführers-SS und das Reichsjustizministerium hatten sich ebenfalls darauf geeinigt, daß die Strafverfolgung von Polen und Juden ausschließlich durch die Polizei erfolgen sollte. Im März 1943 hielt jedoch Kaltenbrunner, der neue Chef der Sicherheitspolizei und des SD, die Verordnung an, da er „sie im Hinblick auf die Entwicklung der mehr Judenfrage nicht für notwendig hielt“.
Im April 1943 lagen nunmehr vier Entwürfe vor, die entweder den Staatsangehörigkeitsverlust der Juden, ihren Vermögensverfall, ihre Verfolgung durch die Polizei oder ihren Status als „Schutzangehörige 1'behandelten. Nach einer Besprechung der beteiligten Staatssekretäre am 21. April 1943 wurde der schwer durchschaubare Komplex entwirrt. Am 25. April 1943 wurde ein Teil der Rechts-materie in der „Zwölften Verordnung zum Reichsbürgergesetz" zusammengefaßt Sie erklärte, normativ wie faktisch vollkommen überflüssig, daß Juden, „Mischlinge ersten Grades" und Zigeuner nicht deutsche Staatsangehörige werden konnten.
Der Rechtsstoff der verbleibenden Verordnungsentwürfe wurde zusammengestrichen und als „Dreizehnte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ bekannt gemacht Sie bestimmte in lapidarer Kürze:
Strafbare Handlungen von Juden werden von der Polizei geahndet (§ 1). Beim Tode eines Juden verfällt sein Vermögen dem Reich (§ 2).
Der Reichsführer-SS führte die Verordnung aus: So waren alle anfallenden Strafanzeigen sowie alle von Amts wegen eingeleiteten Straf-und Ermittlungsverfahren der für den Wohnsitz oder den Aufenthaltsort des Juden zuständigen Staatspolizeistelle „zur weiteren Veranlassung" zuzuleiten. Die Vollzugsanstalten hatten alle in Untersuchungs-, Strafhaft oder Verwahrung befindlichen Juden zwecks baldiger „Überstellung" an den Reichsführer-SS zu melden. Die noch bestehenden strafund zivilprozessualen Rechte der Juden wurden stillschweigend beseitigt. Damit hatte in diesem Stadium die „Endlösung" auch ihre „rechtliche" Gestalt gefunden.