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Bildungspolitik in der Volksrepublik China. Von rot" zu . fachkundig'? | APuZ 39/1985 | bpb.de

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APuZ 39/1985 Artikel 1 Wirtschaftsreformen in der Volksrepublik China Demographische Entwicklung und Bevölkerungspolitik in der Volksrepublik China Bildungspolitik in der Volksrepublik China. Von rot" zu . fachkundig'?

Bildungspolitik in der Volksrepublik China. Von rot" zu . fachkundig'?

Gerald A. Straka

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I. Ziele chinesischer Bildungspolitik

Verfassung von 1978 - Verfassung von 1982

Nach dem Tode Mao Zedongs in der Nacht vom 8. zum 9. September 1976 und nach dem Sturz der . Viererbande'am 5. und 6. Oktober 1976 wurde mit dem XI. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas vom 12. bis; 18. August 1977 eine politische Neuorientierung eingeleitet Deren Ziel ist es, China bis: zum Ende dieses Jahrhunderts zu einem großen, starken sozialistischen Land zu machen w.. mit moderner Landwirtschaft moderner Industrie, moderner Wissenschaft und Technik ... Für diese . Vier Modernisierungen'’ — so Deng Xiaopin und Oktober 1976 wurde mit dem XI. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas vom 12. bis; 18. August 1977 eine politische Neuorientierung eingeleitet Deren Ziel ist es, China bis: zum Ende dieses Jahrhunderts zu einem großen, starken sozialistischen Land zu machen w.. mit moderner Landwirtschaft moderner Industrie, moderner Wissenschaft und Technik ... 1). Für diese . Vier Modernisierungen'’ — so Deng Xiaoping in seiner Rede vom 18. März 1978 auf der ersten Nationalen Wissenschaftskonferenz — liegt der Schlüssel in der Modernisierung von Wissenschaft und Technik 2).

Tabelle 4: Inhalte Grundschule, 1. Schuljahr

Zu jener Zeit war noch offen, wie die Vier Modernisierungen realisiert werden sollten. Eine Gruppe in der Partei-und Staatsführung vertrat den Kurs der Massenbildung, eine andere den der Elitebildung. Zur ersten Gruppe gehörte Hua Guofeng, der sich als Hüter des Erbes Mao Zedongs verstand. Er betrachtete die Massen des Volkes mit ihren hunderten von Millionen als die mächtigste und unerschöpfliche Quelle für die Modernisierung von Wissenschaft und Technik 3). In der Eröffnungsrede der Nationalen Konferenz über Erziehungsarbeit am 22. April 1978 griff Deng Xiaoping mit namentlicher Nennung Mao Zedongs und Hua Guofengs deren Vorstellungen über Erziehung und Bildung anfänglich auf. Im Verlauf seiner Rede jedoch trat immer deutlicher ein Konzept der Elitebildung hervor. Hinweise dafür sind Formulierungen wie „Hauptaufgabe der Schüler und Studenten ist es zu studieren, sich Buchwissen anzueignen", „wir müssen den Unterricht mit wissenschaftlichen Lehrstoff füllen“, „Prüfungen sind eine wichtige Methode zur Überprüfung der Lernund Unterrichtsergebnisse“, „wir müssen die Unterschiede in der Begabung und in den Charaktereigenschaften anerkennen .. „ wir müssen ... die einzelnen Menschen demgemäß unterschiedlich behandeln“, „Erziehung muß den Anforderungen der Entwicklung der Volkswirtschaft entsprechen", „die rasche Entwicklung der Wirtschaft und Technologie erfordert eine rasche Erhöhung der Erziehungsqualität und-effektivität“ 4).

Gebote für Grundschüler (1979)

Quelle: China aktuell, 1979, S. 969.

Nachdem Hua Guofeng 1980 als Premierminister zurückgetreten war und 1981 den Vorsitz der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) niedergelegt hatte, setzte sich auf dem XII. Parteitag der KPCh vom 1. bis 11. September 1982 Dengs Linie durch. Spätere Konferenzen wie die Erziehungswissenschaftliche Konferenz der Pädagogischen Gesellschaft Chinas vom 27. Juli bis 1. August 1984 machten sich dessen Vorstellungen von den „Drei Richtungen" (sänge mianxiang) zu eigen. Ihnen zufolge muß Erziehung erstens auf die Modernisierung, zweitens auf die Welt und drittens auf die Zukunft gerichtet sein 5). Auf der zweiten Nationalen Wissenschaftskonferenz vom 2. bis 7. März 1985 verwies Deng ausdrücklich auf zwei Kerngedanken seiner Rede auf der ersten Wissenschaftskonferenz vor sieben Jahren (1978): Wissenschaft und Technik sind Produktivkräfte und die Intellektuellen gehören zur Arbeiterklasse (im Gegensatz zu ihrer Beurteilung als . stinkende Neunte Kategorie'während der Kulturrevolution) 6).

Regeln für Berufsschüler der Sekundarschulebene (1982)

China aktuell, 1982, S. 117.

Der neue Kurs wurde in der Verfassung von 1978 — vor allem aber in der Verfassung von 1982 — festgeschrieben, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß trotz des dort festgelegten Stellenwerts von Erziehung und Wissenschaft auch in China Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit voneinander abweichen können. Allein schon vom Umfang her mißt die Verfassung von 1982 Bildung, Erziehung und Wissenschaft mehr Bedeutung bei als die Verfassung von 1978 Der Unterschied wird noch offensichtlicher, wenn die entsprechenden Passagen mit der Verfassung von 1975 — also zum Ausklang der Kulturrevolution — verglichen werden:

— „... Kultur und Bildungswesen, Literatur und Kunst, Körperkultur und Sport, Gesundheitswesen sowie wissenschaftliche Forschung müssen der proletarischen Politik dienen, müssen den Arbeitern, Bauern und Soldaten dienen und sind mit der produktiven Arbeit zu verbinden....“ (Artikel 12).

— „Die Bürger haben das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung.. (Artikel 27) 1975 hatten das Bildungswesen und die Wissenschaft der . proletarischen Politik zu dienen', ein Gebot, das sich auch in Artikel 13 der Verfassung von 1978 wiederfindet. In der Verfassung von 1982 dagegen haben die . Fachkräfte dem Sozialismus zu dienen'(Artikel 23). Während mit der . Verbindung der Fachleute mit den breiten Volksmassen'(Artikel 12) 1978 noch die Massenlinie betont wird, kommt in Artikel 20 der Verfassung von 1982 eine stärkere Leistungsorientierung zum Ausdruck. Dort ist von , der Auszeichnung und Prämierung von Errungenschaften der wissenschaftlichen Forschung, technischen Entdeckungen und Erfindungen die Rede.

Die zentrale Weisung Mao Zedongs von 1957 „Unser Erziehungskurs muß gewährleisten, daß jeder, der eine Ausbildung erhält, sich moralisch, geistig und körperlich entwickelt und zu einem gebildeten Werktätigen mit sozialistischem Bewußtsein wird" wurde 1978 (Artikel 13) weitgehend übernommen. Auch in der Verfassung von 1982 wird in Artikel 46 von der . allseitigen Entwicklung — moralisch, intellektuell und körperlich — der Jugendlichen und Kinder’ gesprochen. Hervorzuheben ist, daß 1982 der ausdrückliche Verweis auf die . Verbindung des Bildungswesens mit der Produktionsarbeit'fehlt, ein Ziel, das pädagogische Theorie und Praxis während der Kulturrevolution kennzeichnete.

Auf das Recht und die Pflicht, eine Erziehung zu erhalten bzw. anzunehmen, weist Artikel 46 der Verfassung von 1982 hin. Damit wurde seit der Übernahme der Macht durch die Kommunistische Partei Chinas im Jahre 1949 erstmals die Schulpflicht in die Verfassung aufgenommen. Mit Artikel 19, demzufolge der Staat Lehranstalten einrichtet, um die allgemeine Grundschulpflicht zu verwirklichen, wird der Erfüllung dieses Verfassungsauftrags Nachdruck verliehen. Im Vergleich dazu war 1978 nur von der . schrittweisen Erhöhung der Zahl der Lehranstalten und der Sorge für die allgemeine Verbreitung von Bildung'(Artikel 51) die Rede.

Im Hinblick auf die Freiheit und Förderung der Wissenschaft zeigen sich zwischen beiden Verfassungen keine Unterschiede. Wird 1978 von der Förderung und Unterstützung schöpferischer Tätigkeiten gesprochen, so erfolgt 1982 eine Eingrenzung auf solche Tätigkeiten, die für die Interessen des Volkes nützlich sind. Bei der Aufzählung der zu fördernden Tätigkeitsbereiche wird 1982 die Technik aufgenommen, weggelassen werden Presse-, Verlags-, Gesundheitswesen und Sport

II. Der Aufbau des chinesischen Erziehungswesens

Tabelle 1: Schülerstatistik 1982

Quelle: Beijing-Rundschau, 20 (1983) 40, S. 27, und Education in China (Anm. 13).

Das Erziehungswesen der Volksrepublik China gliedert sich in Vorschule, Grundschule, Mittelschule und Hochschule. Die Vorschule nimmt Kinder vom dritten Lebensjahr an auf. Mit dem siebten Lebensjahr (teilweise auch früher) beginnt die fünfjährige Grundschule (eine Ausweitung auf sechs Jahre ist eingeleitet). Ihr schließt sich die fünfjährige* Mittelschule an, die sich aus einer dreijährigen unteren und einer überwiegend zweijährigen oberen Mittelschule zusammensetzt. Die Hochschulausbildung umfaßt zwei bis fünf Jahre. Ihr kann sich ein Magister-und darauf aufbauend ein Doktorandenstudium an einer begrenzten Zahl von Hochschulen anschließen Um sich ein Bild darüber machen zu können, welche Schüler-und Studentenmassen das Bildungswesen der Volksrepublik China zu bewältigen hat, werden nachfolgend die Bildungsstatistiken für 1982 wiedergegeben. Grundsätzlich ist dabei allerdings zu berücksichtigen, daß es bei diesen und den noch folgenden Statistiken weniger auf die exakten und absoluten Werte ankommt, denn hinter diesen verbergen sich, wie noch zu zeigen sein wird, nicht selten qualitative Unterschiede. Aufschlußreich ist vielmehr, wenn die Entwicklung der Statistiken dargestellt und mit bildungspolitischen Entscheidungen in Beziehung gesetzt wird; denn hier zeichnen sich Entwicklungen oft markanter ab als aus offiziellen Beschlüssen und Verlautbarungen zu entnehmen ist.

Im Erziehungswesen der Volksrepublik China befanden sich der Statistik zufolge 1982 knapp 200 Millionen Schüler. Damit besaß China 1982 dreimal so viele Schüler wie die Bundesrepublik Deutschland Einwohner (61 Millionen) hat. Allein die genannte Zahl von 11, 1 Millionen Kindern in der Vorschule, die von Kindern im dritten bis sechsten Lebensjahr besucht werden kann, offenbart indessen bei genauer Betrachtung, daß damit nur 15% dieser Altersstufe einen Platz in dieser Bildungseinrichtung erhalten Denn trotz des inzwischen eingetretenen Geburtenrückgangs leben in China etwa 80 Millionen Kinder dieser Altersstufe. Zwischen den bildungspolitischen Verlautbarungen, wonach der vorschulischen Erziehung größere Bedeutung beigemessen werden soll, und deren tatsächlicher Realisierung wird damit eine große Abweichung offenbar. Diese wird noch deutlicher, wenn man die Kinderzahlen der Vorschule im Zeitablauf verfolgt: Sie nahmen seit 1980 sogar geringfügig ab (1980: 11, 5 Millionen, 1981: 10, 5 Millionen).

Auch bei den Schülerzahlen der Grundschulen werden Abweichungen ersichtlich. Bei fünf Jahren Grundschule, Jahrgangsstärken von 20 bis 25 Millionen und der Einschulung von 93% der Kinder im Grundschulalter sollte die Zahl der Grundschüler etwa 100 bis 125 Millionen betragen und damit eigentlich kleiner ausfallen als in der aufgeführten Statistik. Die Abweichung hat indessen folgende Gründe:

— das noch im Aufbau befindliche flächendeckende Schulwesen (bis 1990 soll das Recht auf eine Grundschulbildung eingelöst sein

— die Fortsetzung der Alphabetisierung der gesamten Bevölkerung;

— die Nichtversetzung von Schülern, die damit länger im System verweilen

Diese Faktoren tragen dazu bei, daß auch Personen erstmalig (primär) eine Primär-bzw. Grundschulbildung erhalten, die dem normalen Grundschulalter schon entwachsen sind. Daraus erklärt sich die weitaus höhere Zahl an Grundschülern als dies die Jahrgangsstärken vermuten lassen.

III. Schwerpunkte der Bildungsreform

Tabelle 2: Schüler der unterschiedlichen Arten der Sekundarstufe

Quelle: S. Rosen (Anm. 3), S. 320.

1. Grundschulbildung für alle Neben dem beschleunigten Ausbau des Hochschulwesens sowie der Reform der Sekundarschule gehört die landesweite Einlösung des Rechts auf Grundschulbildung zu den drei Prioritäten chinesischer Bildungspolitik Wie bereits dargelegt, bilden aus chinesischer Sicht Wissenschaft und Technik den Schlüssel für die Vier Modernisierungen. Bildung ist dabei die Grundlage und die Grundschulausbildung die Grundlage der Grundlage

Welche enormen Aufgaben bei der Realisierung der Grundschulbildung bisher bewältigt wurden, kann folgenden Zahlen entnommen werden: Seit 1952 hat sich die Zahl der Kinder im Grundschulalter fast verdoppelt, die der eingeschulten Kinder gut verdreifacht. Die Einschulungsquote stieg von 49, 2% im Jahr 1954 auf 94% im Jahr 1978. Im darauf folgenden Jahr fiel sie zwar geringfügig auf 93% ab, blieb aber in den sich anschließenden drei Jahren auf dieser Höhe (auf mögliche Ursachen wird noch eingegangen). Die chinesische Bildungspolitik erzielte hier einen Doppelerfolg. Denn es gelang ihr nicht nur die Einschulungsquote wesentlich zu erhöhen, sondern auch den Zuwachs der Jahrgangsstärken im Grundschulalter zu bewältigen.

Die chinesische Primär-und Sekundarstufe hat zwei bildungspolitische Zielvorgaben zu erfüllen: die sich jeweils anschließenden Bildungseinrichtungen mit qualifizierten Schülern bzw. Studenten zu versorgen und qualifizierte, d. h.des Lesens und Schreibens kundige Arbeitskräfte heranzubilden

Obwohl diese Ziele für alle chinesischen Schulen gelten, erfolgt in China faktisch eine Zweiteilung der Schulen in jene, die von der Ausstattung, den finanziellen und personellen Ressourcen her in der Lage sind, ihre Schüler für die anschließenden Bildungseinrichtungen zu qualifizieren, und in jene, die . lediglich'qualifizierte Arbeitskräfte heranbilden. Diese Arbeitsteilung'wird dadurch unterstützt, daß die allgemeinbildenden Standards der ländlichen städtischen Schulen erheblich voneinander abweichen können, finanziell und personell gut ausgestattete Schulen begabte Kinder anderer Bezirke im allgemeinen nicht aufnehmen, da sie für einen Bezirk errichtet und von ihm auch finanziert werden und Eltern nicht ohne weiteres in einen anderen Schulbezirk umziehen können, um ihr Kind auf eine . bessere Grundschule zu schikken Wirtschaftliche und geographische Unterschiede im Flächenstaat China (Industrialisierungsgrad, Art der landwirtschaftlichen Produktion, Besiedelungsdichte etc.), das Prinzip, wonach die Grundschulen vom Volk getragen und vom Staat unterstützt werden sowie die Empfehlung, die Schulausbildung auf die örtlichen Bedingungen und Erfordernisse abzustimmen, können dazu führen, daß sich die Schulen erheblich unterscheiden. Entsprechend gibt es Ganztagsschulen, Halbtags-schulen, , Halb-Studium-Halb-Arbeit-Schulen', Freizeitschulen, Schulen mit Zwei-Schicht-Betrieb, Grundschulen mit weniger als fünf Jahrgangsstufen, mobile Schulen, Winter-schulen, Schulen mit einem Lehrer für mehrere Jahrgangsstufen (Zwergschulen) usw. Die Schulgebäude können sehr einfach, die Ausstattung bisweilen so bescheiden sein, daß nicht einmal für alle Schüler Bänke und Tische vorhanden sind. Überwiegend herrscht ein Mangel an qualifizierten Lehrern, denn der Beruf des Lehrers und besonders der des Lehrers auf dem Land besitzt in China keine hohe Wertschätzung

In letzter Zeit ist beim Grundschulbesuch eine Entwicklung festzustellen, welche die Realisierung des Zieles der Grundschulbildung für alle bis 1990 fraglich werden läßt. Vor allem auf dem Lande hat chinesischen Quellen zufolge der Schulbesuch abgenommen und der vorzeitige Schulabgang zugenommen Für diese Entwicklung werden als Hauptgründe genannt:

1. Die Bauern können oder wollen das Schulgeld nicht bezahlen. Schulgeld mußte schon immer bezahlt werden, woran auch die Machtübernahme durch die KPCh nichts geändert hat. Auch Schulbücher, Lernmittel und in der Schule eingenommene Mahlzeiten (soweit nicht von den . Arbeitseinheiten'übernommen oder bezuschußt) sind von den Eltern zu tragen. Die mit dem Schulbesuch verbundenen Kosten (bis zu 20% eines Facharbeiterlohnes) können damit das Familienbudget nicht unerheblich belasten.

2. Bauern nehmen ihre Kinder oft schon nach drei Jahren aus der Schule, weil ihrer Ansicht nach die Vermittlung von landwirtschaftlichem und technischem Wissen mangelhaft ist 3. Aufgrund des neu eingeführten . Verantwortlichkeitssystems'in der Landwirtschaft ist es für Bauern sehr verlockend, ihre Kinder auf den privat bewirtschafteten Feldern einzusetzen, statt sie zur Schule zu schicken. 4. Die Meinung, Mädchen benötigten keine Schulbildung, ist auf dem Land nicht ungewöhnlich. Diese gehen daher häufiger von der Schule ab als Jungen.

5. Die Bauern sind oft unsicher, ob die Schulbildung ein Mittel für den sozialen Aufstieg ihrer Kinder darstellt 2. Das Verhältnis von allgemeiner und beruflicher Bildung In seiner programmatischen Rede auf der Nationalen Konferenz für Erziehungsarbeit (1978) hatte Deng eine „ausgewogene Entwicklung der verschiedenen Schultypen aller Ebenen und insbesondere den Zuwachs an landwirtschaftlichen Mittelschulen, verschiedenen Fachschulen und technischen Schulen gefordert.

Diese Forderung ist im Zusammenhang mit der Sekundarschulpolitik vor und während der Kulturrevolution zu sehen. Vor der Kulturrevolution (1966) verfügte China über ein differenziertes Sekundarschulwesen. Die untere Mittelschule war allgemeinbildend, danach hatten die Schüler mehrere Wahlmöglichkeiten: — die allgemeinbildende Mittelschule, die für den Hochschuleingang vorbereitete;

— Fachmittelschulen, die Techniker, Buchhalter, Verwalter, Krankenschwestern, Hebammen (= Technische Mittelschulen), Erzieherinnen, Grundschullehrer und teilweise auch Lehrer für die untere Mittelschule (= Pädagogische Mittelschule) ausbildeten; — Technische Facharbeiterschulen für gewerblich-industrielle und handwerkliche -Berufe;

— Berufliche (Mittel) -Schulen für begrenztere Qualifikationen im Dienstleistungsbereich, Textil-und Kunsthandwerk usw.; — Landwirtschaftliche Mittelschulen für technisch-administrative Tätigkeiten in der landwirtschaftlichen Produktion

Diese verschiedenen berufsbildenden Schulen konnten Vollzeit-Schulen aber auch , Halb-Studium-Halb-Arbeit-Schulen'sein. Aufnahmekriterien waren damals Schulleistung, Klassenherkunft und politische Überzeugung.

Ein Jahr vor dem Ausbruch der Kulturrevolution besuchten 9, 1 % der Sekundarschüler die allgemeinbildende obere Mittelschule, 3, 8% eine Fachmittelschule und 31 % eine berufliche oder landwirtschaftliche Mittelschule. In der Geschichte der Volksrepublik China war damit der kleinste Schüleranteil in der allgemeinbildenden oberen Mittelschule und der höchste in beruflichen Schulen erreicht. Mit dem Ausbruch der Kulturrevolution schlossen die meisten Schulen, als die Schüler sich widersprechenden (antagonistischen) Fraktionen der Roten Garden anschlossen. Nach der Wiedereröffnung der Schulen im Jahre 1968 wurden die Aufnahmeprüfungen für die Mittelschule und ihre Zweige sowie die Hochschule abgeschafft. Die Sekundarbzw. Mittelschulausbildung wurde auf vier Jahre verkürzt. Im Anschluß daran schloß sich eine mindestens zweijährige praktische Tätigkeit in Landwirtschaft oder Industrie an (. Hinunter in die Dörfer, hinauf auf die Berge-Kampagne, Landverschickung von Mittelschulabsolventen aus städtischen Siedlungsgebieten). Das bis dahin differenzierte Sekundarschulwesen wurde in ein . allgemeinbildendes'umgewandelt, um somit die Gleichheit in der Schulausbildung zu gewährleisten. Eine Folge dieser Maßnahmen war, daß die Zahl der Sekundarschüler von 14, 3 Millionen (1965) auf 68, 4 Millionen (1977) anschwoll. Von ihnen besuchten 99% den allgemeinbildenden Zweig (Tabelle 2). Die Erhöhung des Drucks auf das Hochschulwesen war die Folge. Andererseits fehlten Arbeitskräfte mit mittleren technisch-administrativen Qualifikationen. Diese Faktoren dürften zum Kurswechsel in der Sekundarschulpolitik nach 1976 beigetragen haben, der durch die Verringerung der Schülerzahlen auf dieser Schulstufe und den schrittweisen Ausbau der berufsbildenden Zweige gekennzeichnet ist Er kommt in den Bildungsstatistiken deutlich zum Ausdruck. Wie Tabelle 2 zeigt, verringerte sich die Zahl der Sekundarschüler von 68 Millionen (1977) auf 46 Millionen (1983), also um 22 Millionen, obwohl sich hier der Geburtenrückgang noch nicht auswirken konnte. Noch einschneidender war der Abbau der Schülerzahlen in der allgemeinbildenden oberen Mittelschule um etwa 12 Millionen (d. h. von 18 auf 6, 28 Millionen!) in sechs Jahren. Die Zahl der Schüler an Fachmittelschulen und anderen beruflichen Schulen erhöhte sich in dieser Zeit von 689 000 auf 2 368 Millionen. Das entsprach 1983 5, 1 % der Schüler auf der Sekundarstufe. Einer weiterhin rasch zunehmenden Zahl die-ser Schüler dürften jedoch Grenzen gesetzt sein. Zum einen sind die Ressourcen begrenzt, auch fehlen qualifizierte Lehrer. Zum anderen wird die berufliche Bildung von der Bevölkerung nicht allzu hoch eingeschätzt, da sie den Besuch der Hochschule faktisch ausschließt 3. Die Einführung von Prüfungen Die Wiedereinführung von Aufnahmeprüfungen für die Sekundarstufe und ihre Zweige sowie die Hochschulen ist ein weiteres Kennzeichen des neuen bildungspolitischen Kurses. Auf diese Weise verloren die während der Kulturrevolution bedeutsamen Kriterien wie Klassenherkunft (. Arbeiter — Bauern — Soldaten — Studenten'), politisches Bewt-ßtsein, Produktionsarbeit an Bedeutung. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren dabei die ab 1977 wieder eingeführten nationalen Hochschulaufnahmeprüfungen, auf die Deng Xiaoping auf der ersten Nationalen Wissenschaftskonferenz (1978) wie folgt verwies: „Vor kurzem haben wir dank der Reform der Hochschulaufnahmeprüfung viele fleißige und begabte Jugendliche entdeckt. Ihre ausgezeichneten Leistungen machen uns wirklich Freude.“

Zu diesen landeseinheitlichen Aufnahmeprüfungen konnten sich 1977 „alle jungen Arbeiter, Bauern (einschließlich Jugendlicher mit Mittelschulbildung, die sich auf dem Land niedergelassen haben), demobilisierte Soldaten, Partei-und Regierungskader und die diesjährigen Absolventen der oberen Mittel-schule" melden. Sie mußten ein „relativ hohes politisches Bewußtsein haben“, „bereit sein, für die Revolution zu studieren", „körperlich gesund", nicht älter als 25 Jahre (Sprach-studenten 23 Jahre) sein und „ein Bildungsniveau der oberen Mittelschule besitzen"

Im ersten Jahr bewarben sich 5, 7 Millionen Kandidaten um einen Studienplatz, von denen 278 000 oder knapp 5% einen solchen erhalten konnten. 1978 stieg die Zahl der Bewerber gar auf 6 Millionen. In den darauf folgenden Jahren nahm die Zahl der Bewerber hingegen kontinuierlich ab. Dies läßt zum einen auf die Befriedigung eines gewissen Nachholbedarfs schließen. Der starke Rückgang ist zum anderen jedoch auch auf erneute Änderungen im Zulassungsverfahren zurückzuführen. So werden seit 1980 auf Provinz-ebene Vorauswahlen durchgeführt. Auf diese Weise wurden 1980 etwa 1, 2 Millionen und 1981 etwa 2, 35 Millionen Bewerber im Voraus abgewiesen. Rechnet man diese zu der Zahl der Bewerber in Tabelle 3 hinzu, so beträgt die Erfolgsquote etwa 6%. In den letzten Jahren dürfte das Ansteigen der Erfolgsquote ferner auf den erwähnten drastischen Abbau der Schüler auf der oberen Mittelstufe zurückzuführen sein.

Bei den landeseinheitlichen Hochschulaufnahmeprüfungen wird nach Natur-und Geisteswissenschaften unterschieden. Beiden Prüfungsarten gemeinsam ist je eine Klausur in Politik, in chinesischer Sprache, in Mathematik und einer Fremdsprache abzulegen. In den Gesellschaftswissenschaften wird zusätzlich je eine Klausur in Geschichte und Geographie verlangt, in den Naturwissenschaften je eine Klausur in Physik, Chemie und Biologie. 1982 verteilten sich die zugelassenen Studenten zu 70% auf Natur-und zu 30% auf Gesellschaftswissenschaften.

Die Modalitäten der Aufnahmeprüfung wurden wiederholt geändert War usprünglich eine nur mündliche Fremdsprachenprüfung allein für Sprachstudenten notwendig, so mußten später alle eine schriftliche Fremdsprachenprüfung ablegen. Deren Ergebnis wurde bis 1980 mit 50%, von da an erstmals voll berücksichtigt. Seit dem Studienjahr 1983/84 kann auch die Beurteilung der Mittelschule bei der Zulassungsentscheidung einbezogen werden. Lehrer dieser Schulen wurden daher aufgefordert, eine umfassende Beurteilung der Bewerber, die auch über die politisch-moralische Haltung Aufschluß gibt zu erstellen. 4. Einrichtung von Schwerpunktschulen Schwerpunktschulen und -hochschulen haben in China eine Tradition, die bis in die Zeit vor der Kulturrevolution reicht. Diese Bildungseinrichtungen erhielten überdurchschnittliche finanzielle, personelle und räumliche Zuweisungen. Auch nahmen sie nur die qualifiziertesten Schüler auf. Folglich hatten die Grund-, Mittel-und Hochschulen des Schwerpunktsystems das höchste Ansehen. Kinder von Intellektuellen und Kadern waren auf ihnen überrepräsentiert und die renommiertesten Hochschulen nahmen überwiegend Absolventen dieser Schulen auf.

Im Zuge der Egalisierungspolitik während der Kulturrevolution wurde das Schwerpunktsystem 1966 abgeschafft Mit dem auf die Kulturrevolution folgenden Kurswechsel wurde es jedoch ab 1978 wieder eingeführt Zu jener Zeit waren der Ruf der Schule, ihre Einrichtung und Raumausstattung sowie die Qualität der Lehrer die Kriterien, nach denen . normale’ Bildungseinrichtungen zu Schwerpunkt-schulen wurden. Es überrascht nicht, daß die ersten 20 dem Erziehungsministerium direkt unterstehenden Schwerpunktschulen auch schon vor 1966 Schwerpunktschulen waren. Mit ihrer Wiedereinführung brach zwischen den Schulen ein heftiger Wettbewerb aus, denn nur . erfolgreiche’ Schulen konnten den Status einer Schwerpunktschule erhalten, . nicht erfolgreichen’ konnte er aberkannt werden. Erfolgskriterium war dabei das Abschneiden der Absolventen bei den Aufnahmeprüfungen. Zugleich bewirkte dieses Kriterium, daß innerhalb der Schulen Leistungskurse eingerichtet wurden, in denen die für . begabt'gehaltenen Schüler zusätzlich gefördert wurden. Ende 1979 gab es 5 200 Schwerpunktmittelschulen mit 5, 2 Millionen Schülern sowie 96 Schwerpunkthochschulen von insgesamt 675 Hochschulen Neuerdings wird innerhalb des Schwerpunkt-systems eine weitere Differenzierung vorgenommen. So wurden mit dem Hinweis, die knappen finanziellen Mittel ließen keine gleichmäßige Förderung aller Schwerpunkt-hochschulen zu, zehn Hochschulen ausgewählt. Ihnen wurden insgesamt 100 Millionen Yuan an zusätzlichen Mitteln bereitgestellt, um Forschung und Ausbildung zu verbessern

Nach der Bekanntgabe dieser zehn Hochschulen kam es nach Informationen der Hongkonger Zeitung Ende Mai 1984 an der renommierten Nanjing Schwerpunktuniversität zu Studentenunruhen, da diese nicht zum Kreis der zehn ausgewählten Schwerpunkt-hochschulen gehörte. Die Unruhen dauerten drei Tage. Wandzeitungen — obwohl inzwischen verboten — wurden auf dem Universitätsgelände angebracht. Etwa 1 500 Studenten beteiligten sich an einem Protestmarsch zum Sitz der Provinzregierung. In China wurde darüber offiziell nichts verlautbart, vermut- lieh um ein übergreifen auf andere Hochschulen zu vermeiden; doch konnte einer Pressemitteilung, daß im September ein neuer Universitätspräsident ernannt worden sei, ein indirekter Hinweis auf die Unruhen entnommen werden. Der Protest soll von Studenten im höheren Semester ausgegangen sein, die durch diese Entscheidung negative Auswirkungen für ihre weitere berufliche Zukunft befürchteten

In jüngster Zeit hat sich der Leistungswettbewerb auch innerhalb der Schwerpunkthochschulen ausgeweitet. So sollen nach einem Erlaß des Erziehungsministeriums für Studenten, die ab 1982 das Studium aufnahmen, während der Winter-und Sommerferien keine Stipendien mehr gezahlt werden. Die Lehrer-universität Beijing, eine der beiden Schwerpunktuniversitäten in der Lehrerbildung, verwandte die so eingesparten Mittel für die Auszeichnung der besten Studenten — Proteste mit Wandzeitungen waren die Folge. An der Quinghua-Universität kann jede Fakultät 50 herausragende Studenten auswählen. Diese erhalten längere Ausleihfristen für Bücher und jährlich 30 Yuan Büchergeld.

Weitere Hinweise für den Wettbewerb zwischen den Schwerpunkthochschulen sind jüngst berichtete Versuche, sich — teilweise unter Umgehung von Zulassungsbestimmungen — die qualifiziertesten Mittelschulabsolventen abzuwerben. So hat die renommierte Fudan-Universität in Shanghai mit Schwerpunktmittelschulen dieser Stadt direkt Verbindung aufgenommen und auf diese Weise 200 von 216 ausgezeichneten Mittelschulabgängern für sich gewinnen können. Als Zulassungskriterium diente dabei eine Kombination aus dem Ergebnis bei der landeseinheitlichen Hochschulaufnahmeprüfung und der Schulempfehlung. Eine Schwerpunktuniversität in Ostchina lud aus mehreren Provinzen 100 Mittelschulabsolventen, die Schulempfehlungen für Elitehochschulen wie die Quinghua-, die Fudan-oder die Beijing-Universität hatten, vor den landeseinheitlichen Aufnahmeprüfungen ein und ließ etwa 30 Studenten ohne Aufnahmeprüfung zum Studium zu

In der Bevölkerung ist das Schwerpunktsystem nach wie vor höchst umstritten. Als Beispiel hierfür sowie zur Darstellung der einzelnen Kritikpunkte seien die kritischen Anmerkungen in der Guangming-Zeitung vom 6. September 1984 wiedergegeben, die berichtet, daß:

— gute Lehrer an die Schwerpunktschulen versetzt werden, was zu Lehrermangel an den . normalen'Schulen führt;

— der Graben zwischen Schwerpunktschulen und . normalen Schulen sich vertiefe; die einseitige Ausrichtung auf die Hochschulaufnahmeprüfungen gehe zu Lasten der Schüler auf der Unterstufe der Schwerpunktmittelschulen; — die moralische und körperliche Seite der Bildung zugunsten der Wissensvermittlung vernachlässigt werde;

— der Abzug der besten Schüler von den . normalen'Schulen sich negativ auf die Einsatzbereitschaft der Lehrer an diesen Schulen auswirke;

— die Lernbereitschaft der . Normalschüler nicht gefördert werde, da sie hinsichtlich ihres beruflichen Fortkommens keine großen Hoffnungen mehr hätten; — Spätentwicklern auf Schwerpunktschulen keine Chance eingeräumt werde;

— in Schwerpunktschulen Drill herrsche. Die Förderung der Problemlösungsfähigkeit dadurch zu kurz komme

IV. Zum Verhältnis von Erziehungswesen und Gesellschaft

Tabelle 3: Nationale Hochschulaufnahmeprüfungen

Quelle: S. Rosen (Anm. 3), S. 312.

1. Die Beziehung des Erziehungswesens zum Produktions-und Beschäftigungssystem

Aus seiner Beziehung zum Produktions-und Beschäftigungssystem ergibt sich für das Erziehungswesen die Aufgabe der Qualifizierung. Da von den ökonomischen Indikatoren her gesehen, so z. B.dem Pro-Kopf-Einkommen, China noch immer ein Entwicklungsland ist, bildet auch hier die Alphabetisierung der gesamten Bevölkerung eine zentrale Dimension der Qualifikationsfunktion. In dieser Hinsicht kann China durchaus Erfolge vorweisen. So sank auf dem Land die Analphabetenquote von 80% (1949) auf 30% (1979). Nach den Ergebnissen der neuesten Volkszählung — Stichtag 1. September 1982 — betrug die Rate der Analphabeten und Halbalphabeten (Menschen im Alter von zwölf Jahren und darüber, die nur wenig oder gar nicht lesen und schreiben können) „lediglich" noch 23, 5% (= 235, 5 Millionen)

Ein Problem stellen die Beschäftigten dar, die während der Zeit der Kulturrevolution die Schule durchlaufen haben. Sie machen etwa 50% der zur Zeit Beschäftigten aus. So sind beispielsweise zwei Millionen der vier Millionen Arbeiter Shanghais während der Kultur-revolution in das Berufsleben eingetreten. 10% davon sind Analphabeten, 50% besuchten die Grundschule, 40% die untere Mittel-schule und 10% die obere Mittelschule. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Bildungsstand der während der Kulturrevolution Ausgebildeten niedriger ist, als vom Schulabschluß her zu erwarten steht 41) -Nach anderen Quellen setzt sich der Bildungsstand der über 90 Millionen während der Kulturrevolution ausgebildeten Arbeiter und Angestellten wie folgt zusammen: bei 70 bis 80% entspricht das Bildungsniveau nicht dem Niveau der unteren Mittelschule; von den 30 Millionen Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben 20 Millionen das Niveau eines Grundschulabschlusses; die große Mehrzahl der Arbeiter und Angeste -Nach anderen Quellen setzt sich der Bildungsstand der über 90 Millionen während der Kulturrevolution ausgebildeten Arbeiter und Angestellten wie folgt zusammen: bei 70 bis 80% entspricht das Bildungsniveau nicht dem Niveau der unteren Mittelschule; von den 30 Millionen Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben 20 Millionen das Niveau eines Grundschulabschlusses; die große Mehrzahl der Arbeiter und Angestellten hat keine berufliche Ausbildung durchlaufen 38).

Um diese Qualifikationsdefizite nachträglich abzubauen und in Zukunft nicht wieder eintreten zu lassen, wurden Maßnahmen eingeleitet wie Schließungen ungenügend ausgestatteter Schulen und die Entlassung nicht ausreichend qualifizierter Lehrer (in der Provinz Hebei sollen 50 000 Lehrer davon betroffen sein); die Einführung neuer nationaler Schulbücher für die Gund-und Mittelschule ab 1978; die Fort-und Weiterbildung von Lehrern; der Ausbau der Erwachsenenbildung (1983: 17, 88 Millionen Teilnehmer) mit Abendschulen, Fernsehschulen und Fernsehuniversitäten, Korrespondenzstudium usw. 39).

Bei der qualitativen und quantitativen Abstimmung des Erziehungswesens mit dem Beschäftigungssystem treten Schwierigkeiten auf. Aufgrund der noch agrarisch ausgerichte-ten Struktur Chinas wird der größte Teil der Heranwachsenden von der Landwirtschaft absorbiert. Offen bleibt, ob damit Arbeitslosigkeit nur versteckt wird.

Von Arbeitslosigkeit stark betroffen sind vor allem die Schulabgänger in den Städten. Zum einen ist der Ersatzbedarf für die aus dem Erwerbsleben Ausscheidenden geringer als die Zahl der Schulabgänger. Zum anderen reicht die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze nicht aus. Experten schätzen für 1979 etwa 20 Millionen arbeitslose Jugendliche bzw. nach chinesischer Lesart , auf Beschäftigung Wartende'(daiye qingnian) 40). So sollen in Shanghai — einem industriellen Zentrum Chinas — 85% der Sekundarschulabänger des Jahres 1977 , auf Beschäftigung gewartet'haben, 1978 seien es 72%, 1979 immerhin noch 61% gewesen. Die Wartezeit habe etwa zwei Jahre betragen 41). Einer neueren chinesischen Meldung zufolge warteten Ende 1982 in China 3, 02 Millionen Menschen auf Arbeit

Erfolgte bislang die Arbeitsplatzzuteilung zentral von staatlicher Seite, so wird davon in den letzten Jahren mehr und mehr abgerückt Betriebe bzw. Arbeitseinheiten können sich direkt an Schulen und Hochschulen wenden und ihnen als geeignet erscheinende Absolventen einstellen. Ebenso können sich Schüler bei den Arbeitseinheiten bewerben. Auf diese Weise sollen die in der Vergangenheit aufgetretenen Fehlbesetzungen verringert werden. Ein weiterer Grund für diese Regelung dürfte darin zu sehen sein, daß der Staat schrittweise von der bisherigen Arbeitsplatz-garantie (. Eiserne Reisschüssel) für Hochschulabsolventen abrücken will

Ein weiteres Problem besteht in dem Mißverhältnis zwischen Hochschul-und Fachmittelschulabsolventen. Von 1949 bis 1984 hat China 4, 11 Millionen Hochschulabsolventen und 7, 22 Millionen Fachmittelschulabsolventen ausgebildet, was einem Verhältnis 1 : 1, 76 entspricht. Einem Bericht zufolge kommt in manchen industriellen Betrieben ein Techniker auf sieben bis neun Diplomingenieure. Teure und hochqualifizierte Kräfte verrichten damit Arbeiten, für die sie überqualifiziert sind Insofern ist die zuvor beschriebene Änderung der Sekundarschulpolitik (Verstärkung der beruflichen Bildung zu Lasten der allgemeinen) nur konsequent. Allerdings dürfte sich das Mißverhältnis auf mittlere Frist kaum zugunsten der Fachmittelschüler ändern, da sich im Zuge des forcierten Ausbaus des Hochschulwesens, der zu Lasten der anderen Schulstufen ging, das Verhältnis der Zulassungen zu Hochschulen bzw. Fachmittelschulen seit 1980 kontinuierlich verschlechtert hat.

Um das Ungleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt abzubauen, scheut sich die Führung neuerdings auch nicht, systemfremde Wege einzuschlagen. So werden seit 1979 Schulabsolventen ermuntert, in Städten kleine, eigene Unternehmungen zu gründen. Waren 1978 in städtischen Gebieten 150 000 Personen in Einzelbetrieben tätig, so erhöhte sich diese Zahl 1982 auf 1, 47 Millionen Personen. Von ihnen waren 90% im Dienstleistungssektor (Kleinhandel, Garküchen, Kleider-und Schuhreparatur) tätig, 10% gingen einer industriellen Tätigkeit nach. In dieselbe Richtung verweist die Meldung über die Gründung kollektiver Unternehmungen mit eigenen Ersparnissen, deren Anteilseigner damit unabhängig und für Gewinn und Verlust verantwortlich sind 2. Die Beziehung des Erziehungswesens zur Sozialstruktur Offizielle Statistiken zu dem bildungspolitisch brisanten Problem, ob und in welchem Ausmaß die Schüler beim Durchlaufen des Erziehungswesens ausgelesen und ob dabei bestimmte Bevölkerungsgruppen benachteiligt werden, sind leider nicht zugänglich. Allerdings erlaubt das vorliegende Zahlenmaterial gewisse Rückschlüsse auf den Grad der Auslese im chinesischen Erziehungswesen. 1983 waren 135, 78 Millionen Schüler in der Grundschule 37, 68 Millionen auf der unteren und 8, 65 Millionen auf der oberen Mittelschule. Werden für die Grundschule fünf Jahre angesetzt, für die untere Mittelschule drei, die obere Mittelschule zwei und wird eine — in der Wirklichkeit sicher nicht gegebene — gleichmäßige Verteilung der Schüler auf die Jahrgangsstufen angenommen, so ergeben sich folgende Jahrgangsstärken: Grundschule 27 Millionen, untere Mittel-schule 12, 5 Millionen, obere Mittelschule 4, 3 Millionen. Ferner erhalten jährlich etwa 350 000 Jugendliche einen Studienplatz.

Daraus folgt, daß mehr als 50% der Absolventen der Grundschule keinen Platz in der unteren Mittelstufe erhalten und damit allenfalls fünf Jahre Grundschulausbildung erfahren. Etwa ein Drittel kann von der unteren in die obere Mittelschule übertreten. Etwa 9% der Absolventen der oberen Mittelschule (frühere Absolventen nicht mitgerechnet und ohne Differenzierung nach allgemein-und berufsbildendem Zweig) haben eine Chance zu studieren. Bezogen auf die Jahrgangsstärke von etwa 20 Millionen verringert sich diese Quote jedoch auf etwa 2%.

Diese Schätzungen, die auf eine starke Auslese im chinesischen Erziehungswesen hinweisen, werden durch chinesische Meldungen bestätigt und teilweise übertroffen. Ihnen zufolge soll die Auslese schon auf der Primarstufe einsetzen. So besagt eine neuere Mitteilung (21. Oktober 1983), daß etwa 90% der Kinder im grundschulpflichtigen Alter die Grundschule besuchen. Jedoch bleiben nur 60% von ihnen mehrere Jahre auf der Grundschule und nur 30% schließen sie auch ab Interessant ist in diesem Zusammenhang die recht unterschiedliche Ausstattung der einzelnen Schulstufen mit finanziellen Mitteln. Eine Analyse der Weltbank kommt auf der Grundlage des Zahlenmaterials von 1979 zu dem Ergebnis, daß China im Vergleich zu den am wenigstens entwickelten Ländern dem Grundschulwesen''weit unter dem Durchschnitt Mittel zukommen ließ, beim Hochschulwesen dagegen weit über dem Durchschnitt lag Eigene Analysen zeigen, daß sich das Zahlenverhältnis Lehrer : Schüler mit höherer Schulstufe verbessert. So kamen 1980 in der Primarstufe 27 Schüler auf einen Lehrer, auf der Hochschule acht Studenten auf einen Hochschullehrer

Zu dieser durch die Verteilung finanzieller Mittel bedingten Ungleichheit treten andere Ungleichheiten, die mit dem Schwerpunktsystem Zusammenhängen, das mit der Vorschule beginnt. Bei gleicher Prüfungshürde ist die Chance, sie erfolgreich zu meistern, für einen Schüler des Schwerpunktsystems in der Regel höher als für einen aus dem »normalen Schulwesen. Auf diese Weise werden ungleiche Chancen für den schulischen und den späteren beruflichen Werdegang eines Heranwachsenden systembedingt erzeugt. Eine weitere Quelle von Ungleichheit ergibt sich durch das Stadt-Land-Gefälle. Dies wird von chinesischer Seite auch nicht bestritten, unklar ist hingegen, welches Ausmaß dieses Gefälle in quantitativer und qualitativer Hinsicht erreicht Ebenfalls beim Hochschulzugang benachteiligt sind die nationalen Minderheiten (z. B. Mongolen, Uighuren, Tibeter), die einen Anteil von 6, 7% an der Gesamtbevölkerung haben. Obwohl Bewerber aus diesem Bevölkerungsteil weniger Prüfungspunkte benötigen als die übrigen Chinesen (Han-Bewerber), ging ihr Anteil an den Studienplätzen von 1977 bis 1979 von 5, 1% auf 4, 2% zurück. Erst als 1980 die erforderliche Punktzahl erneut gesenkt wurde, erhöhte sich ihre Erfolgsquote bei den Hochschulaufnahmeprüfungen auf 5, 2% (1980) bzw. 5, 4% (1981)

Gemäß den Verfassungen von 1978 (Artikel 53) und 1982 (Artikel 48) sind Mann und Frau gleic und 1982 (Artikel 48) sind Mann und Frau gleichgestellt Nach chinesischen Statistiken betrug 1980 der Anteil der Mädchen in den Grundschulen 44, 6%, an den technischen Mittelschulen 35%, den pädagogischen Mittelschulen 26%, den allgemeinbildenden Mittelschulen fast 40 % und auf den Hochschulen 23, 5%. Ähnliche Tendenzen sind bei den Lehrern für die verschiedenen Schulstufen festzustellen 52). Wie in vielen anderen Ländern klaffen in dieser Beziehung auch in China Verfassungsauftrag und Verfassungswirklichkeit auseinander.

Am schwierigsten läßt sich die Frage nach einer schichtspezifischen Benachteiligung beantworten, da offizielle Daten hierzu nicht zugänglich sind. Ausgehend von einer Datenbasis, der Angaben des Büros für Hochschulbildung in Guangzhou und der pädagogischen Universität Shaanxi zugrunde liegen, spricht Julia Kwong 1983 von einer nicht proportionalen Zahl von Studenten aus Intellektuellen-und Kaderfamilien. Das dabei verwendete Schichtungsmodell ist jedoch unscharf, und die Daten sind nicht repräsentativ 53). Ohne Angabe von Quellen berichtet der in Peking niedergelassene Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in einem neueren Beitrag, daß etwa zwei Drittel der Kinder an Schwerpunktschulen von Funktionären, Beamten, Kleinunternehmern und früheren Repräsentanten des Bürgertums stammen, hingegen nur ein Drittel aus Arbeiterfamilien 3. Die Beziehung des Erziehungswesens zum politischen System Die Beziehung des Erziehungswesens zum politischen System ist wegen ihrer Vielschichtigkeit sowie einer noch wenig entwikkelten empirischen Sozialforschung schwer zu beschreiben. Diese Beziehung wurde bis heute vor allem unter den Begriffen , rof und . fachkundig diskutiert.

Nach offiziellen Bekundungen wird am obersten Erziehungsziel, dem . gebildeten Werktätigen mit sozialistischem Bewußtsein, dem . moralisch, intellektuell und physisch allseitig Entwickelten oder am . Wissenschaftler und Techniker, der politisch rot und fachkundig ist’, nach wie vor festgehalten. Andererseits wird Deng auch der Ausspruch „Ganz egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, wenn sie Mäuse fängt, ist sie eine gute Katze“ zugeschrieben. In dieselbe Richtung weisen auch die folgenden Passagen seiner Rede auf der ersten Nationalen Wissenschaftskonferenz 1978: „Vorausgesetzt, daß (die Wissenschaftler) nicht gegen Partei und Sozialismus auftreten, müssen wir... ihre Arbeit respektieren, uns um ihr Fortkommen kümmern und ihnen warmherzig helfen.“ Wissenschaftler und Techniker sollen „mindestens fünf Sechstel ihrer Zeit auf fachliche Arbeit verwenden“ -Derartige Aussagen auf höchster Ebene lassen vermuten, daß . röt’ und . fachkundig'im Vergleich zur Kulturrevolution heute zumindest eine andere Gewichtung erfahren. Nähere Aufschlüsse hierüber kann eine derzeit in Arbeit befindliche Inhaltsanalyse der neuen nationalen Schulbücher für chinesische Sprache der Grund-und Mittelschule geben, deren vorläufiges Zwischenergebnis nachfolgend wiedergegeben werden soll Die detaillierten Analyseergebnisse der Studie werden zu drei Kategorien zusammengefaßt: in Lesetexte oder Übungsteile, die vorrangig Informationen, politische Einstellungen und allgemeine Verhaltensnormen ansprechen. Da eine Analyse für die Bücher vor der Kulturrevolution schon vorliegt, welche dieselben Kategorien verwendete, sind vorläufige Tendenzaussagen möglich. Für die Grund-schulbücher des Faches Chinesisch, das mit knapp 40% der wöchentlichen Unterrichtszeit die Grundschule prägt, ergab sich, bezogen auf das erste Schuljahr, folgendes Bild:

Für die Lesetexte zeigt sich eine deutliche (signifikante) Verschiebung zur informativen Dimension, die ausschließlich auf Kosten der politischen erfolgte. Für die Übungsteile der Ausgaben ab 1976 (für die Bücher vor 1966 wurden die Übungsteile nicht analysiert) tritt die informative Dimension mit einem Anteil von 28% noch stärker hervor, dicht gefolgt von der politischen Dimension mit 27 %, die in den Lehrtexten mit 21 % einen kleineren Anteil hatte. Verlierer sind die Verhaltensinhalte mit 46%.

Wird berücksichtigt, daß aus lehrtheoretischer Sicht in den Übungen deutlich gemacht wird, was eigentlich gelernt werden soll, scheint die Vermittlung politischer Werte über die Aufgaben heute gezielter angegangen zu werden. So wird beispielsweise in einer Lektion das Fest einer nationalen Minderheit beschrieben. Der Text besteht aus fünf Abschnitten mit insgesamt 16 Zeilen. Alle Abschnitte liefern Informationen über Eigenheiten der Minorität. Ein Abschnitt, der größte mit sechs Zeilen, liefert zusätzlich die politische Information, daß die Regierung, vertreten durch Regierungschef Zhou, und diese Minderheit sich einander respektieren. Nur diesen Abschnitt auswendig zu lernen, wird mit einer Übungsaufgabe gefordert. Auf eine nicht ganz problemlose Beziehung des Erziehungswesens zum politischen System deuten andere Quellen und Analysen hin Ihnen zufolge wird von einer Orientierungslosigkeit der chinesischen Jugend gesprochen, von einer Vertrauenskrise unter den Jugendlichen, der geringen Bereitschaft, sich im kommunistischen Jugendverband zu engagieren, vom Zweifel der Jugendlichen am Erfolg der Vier Modernisierungen. Folgt man diesen Analysen, so erhalten die Forderungen nach Verstärkung der ideologischen Erziehung, wie sie auf derKonferenz über ideologische Erziehung 1981 erhoben wurden, so z. B. die Einführung bzw. Erhöhung des Stunden-anteils des Fachs Moralunterricht an allen Grundschulen, einen völlig anderen Stellenwert. In eine ähnliche Richtung dürften wohl die 1979 erlassenen vorläufigen Gebote für die Grundschule weisen, denen 1982 die für die Hoch-und Berufsschüler folgten (siehe Seite 44). Mit ihnen wird wieder auf Normen, die vor der Kulturrevolution Gültigkeit hatten, zurückgegriffen. Grundlage dieser . Gebote'bilden die . Fünf Lieben'(Vaterland, Volk, körperliche Arbeit, Wissenschaft, öffentliches Eigentum) und die . Drei Gut'(Gute Gesundheit, gutes Lernen, gutes Arbeiten). Im Gebot, , den Zuweisungen von Stellen Folge zu leisten', dürften sich die gegenwärtigen Probleme beim Übergang von der Schule ins Beschäftigungssystem niedergeschlagen haben.

Auf die Frage, ob die chinesische Bildungspolitik nun , rot'oder . fachkundig'orientiert ist, muß differenzierter geantwortet werden. Für die überwiegende Zahl der Schüler außerhalb des Schwerpunktsystems — also für die Massenbildung — dürfte die Komponente . rot'nach wie vor Gewicht haben und an Bedeutung gewinnen. Für die erfolgreiche und hauchdünne Minderheit des Schwerpunktsystems — die Elitebildung — wird auch künftig das . Fachliche'vorherrschen. Denn von diesen Jugendlichen scheint für das politische System weniger Gefahr auszugehen. So ergab eine Untersuchung in zehn Provinzen, daß Schüler von Schwerpunktschulen moti-vierter sind, dem Staat zu dienen, eher bereit sind, für die Vier Modernisierungen zu arbeiten und deutlich weniger . unklare Motivationen'haben als die Schüler des . normalen'Erziehungswesens

Offen bleibt jedoch, ob bei der starken Auslese im chinesischen Erziehungswesen, der damit verbundenen Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen sowie der qualitativen und quantitativen Abstimmungsprobleme zwischen Erziehungs-und Beschäf-tigungssystem, allein bildungspolitische Maßnahmen ausreichen, um die Doppelstrategie . fachkundige'Elitebildung — verbunden mit einem außerordentlich starken Wettbewerb, der bis in das Schwerpunktsystem hineingetragen wird (siehe Nanjing) — und , rote‘ Massenbildung auf Dauer durchzuhalten. Denn: Einiges spricht für die These, daß die Kultur-revolution gerade von den Schülern und Studenten getragen und vorangetrieben wurde, die sich beim damaligen Ausleseprozeß keine allzu großen Hoffnungen auf ihre weitere schulische und berufliche Zukunft machen konnten. Auf dem 3. Plenum des XII. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas wurde am 20. Oktober 1984 einstimmig der Beschluß über die „Reform des Wirtschaftssystems" gefaßt Er bezieht sich hauptsächlich auf die globalen Aspekte der Wirtschaftspolitik sowie auf die Industriewirtschaft Für diese Bereiche sind damit nach einer Phase vielgestaltigen Experimentierens die ordnungspolitischen Weichen für die weitere, absehbare Wirtschafts-und Sozialentwicklung gestellt worden. In der Landwirtschaft wurden bereits ab Dezember 1978 im Anschluß an das 3. Plenum des XI. Zentralkomitees tiefgreifende Reformen eingeleitet und in den nachfolgenden Jahren auch in weitem Umfang verwirklicht Versucht man, das umfangreiche Dokument vom 20. Oktober 1984 auf einen kurzen Nenner zu bringen, so sind wohl folgende Sachverhalte beachtenswert:

1. Es wird prinzipiell eine Funktionstrennung zwischen staatlicher Verwaltung und betrieblicher Leitung angestrebt 2. Dem Betriebsleiter wird eine starke Stellung eingeräumt Betriebe sollen nicht mehr wie Marionetten an den Steuerungsfäden der zentralen Planung hängen.

3. Im chinesischen Planungssystem nimmt neben der Befehlsplanung die indikative Planung einen wichtigen Platz ein. Die Befehlsplanung soll schrittweise angemessen verringert die Indikativplanung entsprechend erweitert werden.

4. Möglichst viel soll dem Marktmechanismus überlassen werden.

5. Privatbetriebe werden ausdrücklich neben den Staats-und Kollektivbetrieben anerkannt. 6. Die gesamte Preisstruktur soll unter Berücksichtigung der Angebots-und Nachfrage-verhältnisse entzerrt und bereinigt werden.

7. Wissenschaft und moderne Technologie sollen eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung der chinesischen Wirtschaft spielen.

Chinas Reformprogramm ist zu einem Ereignis von historischer Dimension geworden. Greifbare Erfolge haben denn auch nicht lange auf sich warten lassen.

Die chinesische Volkszählung von 1982 und zahlreiche demographische Veröffentlichungen aus jüngster Zeit haben neue Erkenntnisse über Chinas Bevölkerungsentwicklung seit Anfang der fünfziger Jahre geliefert. An bemerkenswerten Befunden sind zu nennen: die frühere Unterschätzung der Bevölkerungszahl um rund 100 Mio, das andauernde Regionalgefälle innerhalb des Landes, die 20 Jahre lang gebremste und jetzt wieder zunehmende Urbanisierung, hohe Bevölkerungsverluste im Großen Sprung von 1958 bis 1961, niedrige Zuwachsraten seit den siebziger Jahren, Umsetzungsprobleme bei der Geburtenkontrolle seit 1979.

Die bisherigen bevölkerungspolitischen Erfolge genügen nicht, um Bevölkerungszahlen auszuschließen, die die chinesische Zielprojektion im Jahre 2020 um rund 250 Mio. Menschen übertreffen. Diese Unsicherheit ist ursächlich auf die schwankende Bevölkerungspolitik der vergangenen Jahrzehnte sowie auf die Auswirkungen kultureller, historischer und ideologischer Störfaktoren zurückzuführen. Die verschiedenen Methoden der Geburtenverhütung wurden erst in den siebziger Jahren konsequent angewandt und seit 1979 um ökonomische Hebel erweitert. An künftigen Fragen der Bevölkerungspolitik zeichnen sich andauernde demographische Strukturprobleme, zunehmende Akzeptanzschwierigkeiten, ordnungspolitische Zielkonflikte sowie die sozialpolitischen und kulturellen Konsequenzen der seit 1979 durchgesetzten Ein-Kind-Ehe ab. Nach dem Tode Maos und dem Sturz der . Viererbande'1976 wurde in der Volksrepublik China ein politischer Kurswechsel eingeleitet. Bis Ende dieses Jahrhunderts sollen Landwirtschaft, Industrie, Landesverteidigung sowie Wissenschaft und Technik modernisiert werden (= Vier Modernisierungen). Bildung und Erziehung werden dabei als eine wichtige Grundlage für die Realisierung dieses Vorhabens angesehen.

Ein Vergleich der Bildung, Erziehung und Wissenschaft betreffenden Artikel der Verfassungen von 1975, 1978 und 1982 zeigt, daß diesen gesellschaftlichen Bereichen heute größere Bedeutung eingeräumt wird. Es schließt sich eine kurze Beschreibung des chinesischen Erziehungswesens an sowie eine Wiedergabe und Analyse chinesischer Bildungsstatistiken. Hier offenbaren sich Abweichungen zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Wirklichkeit Schwerpunkte der chinesischen Bildungspolitik ab 1946 werden herausgearbeitet und kritisch analysiert. Diese sind: Grundschulbildung für alle bis 1990, deren Realisierung allerdings bis zu diesem Zeitpunkt fraglich erscheint Die Neuorientierung der Sekundarschul-Politik, die zu einer einschneidenden Verringerung der Schülerzahlen und zu einer stärkeren Berücksichtigung der berufsbildenden Schulzweige führte. Die Wiedereinführung von Prüfungen sowie von Schwerpunktschulen und -hochschulen.

Die abschließende Analyse von Beziehungen des chinesischen Erziehungswesens zu gesellschaftlichen Teilbereichen verweist auf qualitative und quantitative Abstimmungsprobleme mit dem Produktions-und Beschäftigungssystem, auf eine hohe Auslese, durch die bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie Frauen und Landbewohner benachteiligt sind, und auf eine nicht ganz problemlose Beziehung zum politischen System.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Hua Guofeng, Politischer Bericht auf demi XI. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas, in: Der XI. Parteitag der Kommunistischen Partei'Chinas. Dokumente, Peking 1977, S. 129f.

  2. China aktuell, 1984, S. 434.

  3. China aktuell, 1985, S. 146.

  4. Beijing Rundschau, 15(1978) 11.

  5. Beijing Rundschau, 19 (1978) 52; China aktuell, 1982, S. 711 ff.

  6. China aktuell. 1975, S. 37ff.

  7. H. Martin (Hrsg.), Mao Zedong Texte, Bd. 2., München 1979, S. 418.

  8. Um ein vertiefendes Nachlesen zu erleichtern, wird nach Möglichkeit auf deutsche und englisch-sprachige Zusammenfassungen verwiesen. In ihnen können die oft sehr umfangreichen Quellenverweise gefunden werden. Siehe diesbezüglich vor allem: Gerald A Straka, Schule und Hochschule in der Volksrepublik China, Bremen 1983; J. Henze, Bildung und Wissenschaft in der Volksrepublik China zu Beginn der achtziger Jahre, Hamburg

  9. Beijing Rundschau, 20 (1983) 4, S. 23— 31.

  10. Education in China: the past five years. Background materials prepared by the Information and document unit of Ministry of Education, Peopls Republic of China for the Regional Office for Education in Asia and the Pacific of UNESCO, August 31, 1983 (updated).

  11. China aktuell, 1984, S. 313, und 1985, S. 103.

  12. Education in China (Anm. 13).

  13. Ebd.

  14. B. L. C. Lo, Primary education in China: a twotrack System for dual tasks, in: R. Hayhoe (Ed.), Contemporary Chinese education, London-Sydney 1984, S. 47— 64 und S. 234— 237.

  15. Education in China (Anm. 13).

  16. Lo (Anm. 17), S. 50, und J. Henze (Anm. 11), S. 33.

  17. Lo (Anm. 17), S. 51.

  18. G. A Straka (Anm. 11), J. Henze (Anm. 11).

  19. Lo (Anm. 17), S. 59f.; China aktuell (1982), S. 631; Beijing Rundschau, 19 (1982) 26, S. 6.

  20. Ebd.

  21. Deng Xiaoping (Anm. 4), S. 11.

  22. S. Rosen, New directions in secondary education, in: R. Hayhoe (Anm. 17), S. 65— 92 und 237— 241.

  23. S. Rosen (Anm. 3 und Anm. 25).

  24. Deng Xiaoping (Anm. 4), S. 16.

  25. Beijing Rundschau, 14(1977) 46, S. 11f.

  26. Ebd., S. 12.

  27. J. Henze (Anm. 11), S. 55.

  28. China aktuell, 1983, S. 100.

  29. S. Rosen (Anm. 3).

  30. Ebd. S. 316.

  31. China aktuell, 1984, S. 490f.

  32. S. Rosen (Anm. 3). S. 314.

  33. China Aktuell, 1984, S. 493.

  34. China Aktuell, 1981, S. 785.

  35. S. Rosen (Anm. 25), S. 72.

  36. Beijing Rundschau, 20 (1983) 23, S. 7.

  37. China aktuell, 1985, S. 219.

  38. B. Staiger, Schwächen der beruflichen Bildung in China, in: China aktuell, 1984, S. 679— 681.

  39. Statistical Yearbook of China, 1983, S. 120 f.

  40. Beijing Rundschau, 20 (1983) 23, S. 7.

  41. Education in China (Anm. 13).

  42. China aktuell, 1983, S. 593, und G. A. Straka (Anm. 11).

  43. The World Bank (Ed.), China, socialist economic development, Vol. III, Washington 1983, S. 183 f.

  44. G. A. Straka (Anm. 11), S. 36. Die Stundendeputate der chinesische Grundschullehrer sind niedriger als die der deutschen.

  45. T. Heberer, Aspekte im Bildungswesen der nationalen Minderheiten, in: Das neue China, 10 (1983), S. 12— 13.

  46. J. Kwong, Is everyone equal before the System of grades: social background and opportunities in China, in: The British Journal of Sociology, 34 (1983), S. 93— 108.

  47. K. Kränzle, In der Bildung ein Sprung nach vorne, in: Süddeutsche Zeitung vom 31. Mai 1985, S. 4.

  48. Deng Xiaoping (Anm. 2).

  49. G. A Straka/W. Bos, Das Verhältnis von Erziehungswesen und Gesellschaft in der Volksrepublik China im Spiegel der neuen nationalen Sprachbücher, in: Pädagogik und Schule in Ost und West, erscheint demnächst.

  50. S. Rosen, Education and the political socialization of Chinese youths, in: J. N. Hawkins (Ed.), Education and social change in the People’s Republic of China, New York 1983, S. 97— 133; J. Henze (Anm. 11).

  51. S. Rosen (Anm. 55), S. 113.

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