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Jugendarbeitslosigkeit. Zu den individuellen Auswirkungen eines verschleppten Arbeitsmarktproblems | APuZ 38/1985 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 38/1985 Jugend und Region. Sozialleben, Freizeit und Politik auf dem Lande und in großstädtischen Wohngebieten Jugendarbeitslosigkeit. Zu den individuellen Auswirkungen eines verschleppten Arbeitsmarktproblems Technikfeindlich und leistungsscheu? Zum Einstellungswandel der Jugend

Jugendarbeitslosigkeit. Zu den individuellen Auswirkungen eines verschleppten Arbeitsmarktproblems

Wolfgang Beywl

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Durch das Vorrücken der geburtenschwachen Jahrgänge bedingt, geht die Arbeitslosigkeit der unter 20jährigen zurück; bereits heute ist sie gegenüber den übrigen Altersgruppen unterdurchschnittlich. Ist es aber richtig, generell von einer Überwindung der Jugendarbeitslosigkeit zu sprechen? In diesem Beitrag wird der Verlauf der Jugendarbeitslosigkeit in den vergangenen zehn Jahren nachgezeichnet Die Gegenmaßnahmen vermochten die Arbeitslosigkeit in den jüngeren Altersgruppen zu begrenzen, sie blieben jedoch für die jungen Arbeitslosen über 20 Jahre wirkungslos, d. h, diese sind heute am stärksten von der Arbeitslosigkeit betroffen. Neben den Angaben zum quantitativen Verlauf der offenen und verdeckten Jugendarbeitslosigkeit wird auf konjunkturelle und demographische Verursachungskomplexe eingegangen. Hieraus wird der Schluß gezogen, daß bis in die neunziger Jahre hinein mit einer ein bis zwei Millionen Menschen umfassenden, sozialstrukturierten Sockelarbeitslosigkeit der 20-bis 30jährigen zu rechnen ist Die vorliegenden Forschungsergebnisse über die individuellen Folgen der Jugendarbeitslosigkeit sind oft schon zehn Jahre alt und unter günstigeren Arbeitsmarktbedingungen gewonnen worden. Dies schränkt ihre Übertragbarkeit auf die heutige Situation ein. Jugendliche Arbeitslose empfinden finanzielle Belastungen am stärksten; die bei Jüngeren häufig festgestellten Mißstimmungen und Aggressionen sowie Drogenabhängigkeit und andere Devianzformen dürften sich bei älteren Jugendarbeitslosen teilweise verschärfen. Andererseits sind auch interessante Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung als Reaktion feststellbar. Die Bedingungen, die dazu führen, daß die Jugendlichen Arbeitslosigkeit entweder als Herausforderung annehmen oder resignieren, sind bis auf schichten- und geschlechtsspezifische Benachteiligungen unbekannt. Auch zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Jugendarbeitslosigkeit fehlen gesicherte Erkenntnisse, doch sollte die These ernst genommen werden, daß jugendliche Arbeitslose im mittleren Alter häufig erkranken. Angesichts der drohenden sozialen und individuellen Folgen der verschleppten Jugendarbeitslosigkeit ist es notwendig, dieses Arbeitsmarktproblem öffentlich verstärkt zu thematisieren. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte die gesonderte Ausweisung von Arbeitslosenquoten in der monatlichen Arbeitsmarktberichterstattung für die 20-bis 25jährigen sowie für Berufsanfänger sein.

I. Einleitung

Schaubild : Altersspezifische Arbeitslosenquoten

„Schlimm ist, daß ich für eine Berufsausbildung zu alt bin, mich nimmt keiner mehr, und daß ich keine Chance erhalte, aufeigenen Füßen zu stehen. Und schlimm ist auch diese Langeweile... Viel Zeit haben und zu wenig Geld... Wenn ich durch die Stadt laufe und nichts kaufen kann. Und schlimm ist auch die viele Zeit zum Denken. Ich denke dauernd nach, und je mehr ich nachdenke, desto mehr Angst bekomme ich. Vor der Zukunft.

Ilse S. war 23 Jahre alt, als sie die Auswirkungen ihrer Arbeitslosigkeit mit diesen Worten beschrieb. Sie hatte nach der Volksschule mehrere „Warteschleifen“ durch Berufsfachschule, Aushilfstätigkeiten und Praktika absolviert, und plötzlich war sie arbeitslos und ohne Aussicht auf eine befriedigende Berufs-tätigkeit.

Auch die anderen in diesem Beitrag zitierten Aussagen stammen von Arbeitslosen, die ihr 20. Lebensjahr — meist schon länger — vollendet haben. Ist es gerechtfertigt, bei solchen vielleicht verheirateten „jungen Erwachsenen“, die zum Teil schon selbst Eltern sind, von . Jugendarbeitslosigkeit" zu sprechen? Die Arbeitslosigkeit der unter 20jährigen ist heute — als quantitatives Problem — weitgehend bewältigt und wird infolge schrumpfender Jahrgangsstärken weiter zurückgehen. Die erfolgreich eingesetzten bildungs-und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind jedoch so beschaffen, daß eine wachsende Zahl junger Menschen — gegenwärtig sind dies mehrere Hunderttausend — irgendwann nach dem 20. Geburtstag arbeitslos wird. Arbeitslosigkeit wird somit vom sozialpolitisch brisanten, allgemein als schützenswert angesehenen Jugendalter in die Altersstufen darüber verschleppt und als gesellschaftliche und für den einzelnen oft lebensbestimmende Schwierigkeit verdrängt. Man spricht von Amnesie, wenn ein Individuum an einer Gedächtnisstörung leidet und sich diese als Erinnerungslücke äußert. Gesellschaftlich droht die verschleppte Jugendarbeitslosigkeit einer Art gesellschaftlichen Erinnerungslücke anheimzufallen, mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen.

II. Zehn Jahre Jugendarbeitslosigkeit und kein Ende?

Unsere Wirtschaftsgesellschaft hat nun schon über ein Jahrzehnt das Problem der Jugend-arbeitslosigkeit. In der Wirtschaftsflaute 1974/75 wurde eine für damalige Maßstäbe erschreckende Zahl von 300 000 jugendlichen Arbeitslosen registriert. Seit 1982 müssen wir mit 600 000 Arbeitslosen unter 25 Jahren leben. Die Tatsache, daß die Arbeitslosenquote der Jugendlichen seit 1975 deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote liegt recht-fertigt es, vom besonderen Phänomen der Jugendarbeitslosigkeitzu sprechen. Die im Schaubild eingezeichneten . Fieberkurven'dienen in der nachfolgenden Darstellung als Bezugspunkte. 1. Vom „konjunkturellen Phänomen“ zur „Berufsanfängerarbeitslosigkeit“

Nach ersten Symptomen im Jahr 1973 kletterte die Quote für die unter 20jährigen Arbeitslosen September 1974 auf 6, 2%. im Für diese Altersgruppe blieb dies die Rekordabweichung nach oben von 2, 1 Prozentpunkten gegenüber der allgemeinen Arbeitslosenquote. Die Politiker reagierten überwiegend gelassen auf diese als . konjunkturell bedingt'

Entwicklung. So äußerte eingeschätzte die Bundesregierung „zur Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsstellensituation“ ihre Über-zeugung, daß nicht damit zu rechnen sei, „... daß sich auf mittlere oder längere Sicht in der Bundesrepublik Deutschland eine strukturelle Jugendarbeitslosigkeit einstellen wird"

Es gelang, durch eine Kombination verschiedener kurzfristig wirksamer Maßnahmen (u. a. Ausbau des Ausbildungsplatz-und des außerschulischen Bildungsangebotes sowie des schulischen Bildungswesehs) Arbeitslosenquote für die unter 20jährigen schon 1978 (Jahresdurchschnittswert) bzw. 1979 (Septemberwert) unter das allgemeine Niveau zu drücken. Kritiker wiesen bereits damals darauf hin, daß zwar eine aufschiebende und kurzfristig lindernde Wirkung erzielt, aber keine langfristige, Erfolg versprechende Therapie angewendet worden sei

Im Verlauf des zweiten Schubs verdreifachte sich die Jahresdurchschnittszahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren von ca. 200 000 (1980) auf den bisherigen Rekordwert von ca. 600 000 (Anfang 1985). In der Öffentlichkeit wurde diese Entwicklung vordringlich als A-Usbildungsstellenmangel' wahrgenommen.

Von 1981 auf 1982 fiel sowohl die Zahl der neu abgeschlossenen als auch die der insge-samt bestehenden Ausbildungsverträge Bundeskanzler Helmut Kohl stellte im Jahr seiner Regierungsübernahme „neue Ausbildungsplätze für junge Menschen“ als vorrangiges Ziel der christlich-liberalen Regierungspolitik heraus Die Jahre 1983 und 1984 wurden „durch eine solidarische Gemeinschaftsaktion aller an der Berufsbildung Beteiligten" zu „Rekordjahren der Berufsbildung im dualen System" mit knapp 680 000 bzw. über 700 000 neu abgeschlossenen Lehrverträgen. Die Erfolgsbilanz wird dadurch getrübt, daß die Zahl der zum Stichtag 30. September nicht vermittelten Bewerber um Ausbildungsstellen von 34 000 (1982) über 47 000 (1983) auf 58 000 (1984) gestiegen ist Auch mit einem zu erwartenden Jahresmittelwert von ca. 160 000 ist die Arbeitslosigkeit der unter 20jährigen keinesfalls auf ein sozial erträgliches Maß heruntergeschraubt worden; diese Altersgruppe ist jedoch nicht mehr überdurchschnittlich betroffen.

Seit 1981 hat sich — in der öffentlichen Diskussion immer noch verdeckt vom Thema „Ausbildungsstellenmangel" — die Arbeitslosigkeit der 20-bis 24jährigen dramatisch verschärft. Seit September 1982 liegt die Arbeitslosenquote für diese Altersgruppe um vier oder mehr Punkte über der allgemeinen — ebenfalls stark gestiegenen — Arbeitslosenquote. Heute stehen je 100 Beschäftigten in dieser Altersstufe ca. zwölf arbeitslos Gemeldete gegenüber. Fast jeder fünfte Arbeitslose ist heute zwischen 20 und 24 Jahre alt.

Da von den Arbeitslosen dieser Altersgruppe eine von Jahr zu Jahr zunehmende Zahl noch nie berufstätig war, beginnt sich im öffentlichen Bewußtsein zaghaft die Problemsicht einer „Berufsanfängerarbeitslosigkeit“ durchzusetzen. Von den gegenwärtig etwa 400 000 registrierten 20-bis 24jährigen Arbeitslosen war knapp ein Fünftel vorher nicht erwerbstätig oder wurde direkt nach einer (gegebenenfalls abgebrochenen) betrieblichen oder sonstigen Ausbildung arbeitslos. Das im bildungspolitischen Kontext häufig vorge-brachte Argument, irgendeine Ausbildung sei besser als gar keine, wird brüchig, da der überwiegende Teil der Berufsstart-Arbeitslosen eine betriebliche Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat Die schleichende Entwertung anerkannter Ausbildungsabschlüsse wird daraus ersichtlich, daß sich der Anteil der direkt nach Abschluß der betrieblichen Ausbildung arbeitslosen Absolventen des dualen Systems an allen Absolventen binnen zweier Jahre von 8, 7% (1982) auf 14— 15% (1984) erhöht hat Im kommenden Jahr muß somit etwa jeder sechste Auszubildende nach Bestehen seiner Prüfung mit Arbeitslosigkeit rechnen. Für viele Betroffene handelt es sich dabei keinesfalls um eine kurze Übergangsoder Anschlußarbeitslosigkeit, was die Zahl von 34 000 ausgebildeten jungen Fachkräften verdeutlicht, die Ende September 1984 bereits ein Jahr oder länger arbeitslos waren 2. Zur Anatomie eines verschleppten Leidens Die gegenwärtige Jugendarbeitslosigkeit ist zum Teil Resultat der Verschiebemaßnahmen vergangener Jahre. Bedingt durch die Verlängerung der Schulpflicht und die Einführung von „Warteschleifen" (z. B.des Berufsvorbereitungsjahres) sind heute 50% aller Jugendlichen bereits zu Beginn der Ausbildung 18 Jahre alt Wegen der gewaltigen Ausweitung des Schul-und Hochschulwesens ist der Anteil der Erwerbstätigen unter den 15-bis 24jährigen von 52, 6% (1972) auf heute unter 40% geschrumpft In zunehmendem Maße kommen die Jugendlichen erst nach Abschluß ihres zwanzigsten Lebensjahres (oder noch später) mit dem Arbeitsmarkt erstmals in Berührung. Entsprechend wird die Arbeitslosigkeit als individuelles Schicksal von einem auf das nächste Lebensjahr verschoben, als gesellschaftliches Problem in die neunziger Jahre mitgeschleppt.

Besorgniserregend ist, daß Langzeitarbeitslosigkeit bei Jugendlichen keine Ausnahme mehr darstellt. Konnte die Projektgruppe „Ar- beitslosigkeit Jugendlicher" in der Bundesanstalt für Arbeit noch 1980 feststellen, „... daß die Altersgruppen unter 25 Jahren stärker als der Durchschnitt der Erwerbsbevölkerung von Arbeitslosigkeit betroffen sind, dafür aber wesentlich kürzere Arbeitslosigkeitsperioden aufweisen“ so hat sich dies heute gründlich geändert: Während 1976 die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit Jugendlicher bis 24 Jahre nur 9, 8 Wochen betrug, ist sie heute auf knapp 30 Wochen angestiegen. Waren 1980 noch weniger als 20% der 20-bis 24jährigen länger als ein halbes Jahr arbeitslos, so stieg der Anteil der Langzeitarbeitslosen in dieser Altersstufe auf 37% (1983) bzw. 40% (1984)

Die Tatsache, daß eine zunehmende Zahl Ausgebildeter arbeitslos ist, Jugendarbeitslosigkeit somit häufig Bestandteil der „Normalbiographie" wird, soll nicht darüber hinwegtäuschen, daß die ohnehin benachteiligten sozialen Gruppen weiterhin besonders durch Arbeitslosigkeit betroffen sind. Deutsche, männliche Fachkräfte tragen weiterhin ein wesentlich geringeres Arbeitslosigkeitsrisiko als Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Mädchen, Ausländer, Jugendliche ohne Hauptschulabschluß oder Sonderschüler, Jugendliche aus kinderreichen oder unvollständigen Familien sowie mit Vätern in un-oder angelernten Tätigkeiten. Wenn diese Merkmale kumulieren, droht Arbeitslosigkeit zum nahezu unausweichlichen Schicksal zu werden Die „Verschleppung" der Jugendarbeitslosigkeit trägt zu dieser „sozialen Strukturiertheit“ bei, denn „je mehr die Arbeitslosenquote steigt, desto geringer werden die Wiedereingliederungschancen der konflikt-schwachen Problemgruppen" 3. Was die Statistiken verschweigen — das wahre Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit Bisher war von der „registrierten" Jugendarbeitslosigkeit die Rede, wie sie sich in den statistischen Erhebungen der Bundesanstalt für Arbeit widerspiegelt. Darin gelten nur solche Jugendliche als arbeitslos, die beim Arbeitsamt als arbeitslos registriert sind und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen (also nicht ausschließlich an einem Ausbildungsplatz interessiert sind) Wegen mangelnder statistischer Erfassung bleibt unklar, wieviel Jugendliche im Laufe eines Jahres arbeitslos werden. Schätzungen gehen von 1, 1 Millionen jährlich durch Arbeitslosigkeit betroffenen Jugendlichen aus Unter dem Begriff „verdeckte" Jugendarbeitslosigkeit werden diejenigen zusammengefaßt, die zwar Interesse an Erwerbsarbeit haben, sich jedoch nicht beim Arbeitsamt melden (z. B. arbeitslose Berufsschüler, ausländische Jugendliche ohne Arbeits-oder auch Aufenthaltserlaubnis, Teilnehmer staatlicher Auffangmaßnahmen mit . Aufbewahrungscharakter" schließlich wegen Chancenlosigkeit als mithelfende Familienangehörige „Untergeschlüpfte", jugendliche Trebegänger und Stadtstreicher). Das Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit (IAB) rechnet für 1982 mit einer „stillen Reserve“ von 300 000 unter 25 Jahren Bei Anlegung vorsichtiger Schätzkri-terien ist davon auszugehen, daß im Laufe eines Jahres gegenwärtig ca. 1, 5 Millionen Jugendliche unter 25 Jahren — das sind ca. 15% aller Jugendlichen im Alter zwischen 15 und unter 25 Jahren — von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Durch das Zusammenwirken von Verschleppung und Verdeckung droht nun ein Sockel jugendlicher Dauererwerbsloser zu entstehen. Die sozialen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen dieser Misere sind kaum abzuschätzen. Erinnert sei an Theodor Geigers Analyse der Jugendarbeitslosigkeit Mitte der zwanziger Jahre: Einem solchen Teil einer Generation fehle „überhaupt eine eigentliche Interessen-richtung und Interessenbindung. Sie ist wirtschaftlich und sozial ohne Standort" 4. Individuelle Selektionskriterien und gesellschaftliche Bedingungsfaktoren der Jugendarbeitslosigkeit Eine eindeutige Ursachenzuschreibung für das Entstehen der Jugendarbeitslosigkeit fällt schwer. Der niedrige theoretische und empirische Forschungsstand zum Thema sowie die Umstrittenheit der Ursachenerklärung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen führen insbesondere dazu, daß häufig nicht einmal der Versuch gemacht wird, Bedingungsfaktoren des gesellschaftlichen Problems Jugendarbeitslosigkeit und Selektionskriterien der individuellen Betroffenheit durch Jugendarbeitslosigkeit zu unterscheiden

Die Selektionskriterien sind teilweise identisch mit den Merkmalen der „strukturierten" Arbeitslosigkeit. Insbesondere sind dies mangelnde schulische und berufliche Qualifikation, nicht-deutsche Staatsangehörigkeit, weibliches Geschlecht sowie Behinderung Darüber hinaus führt die Ausbildung in einem Beruf mit überdurchschnittlichem „Verwertungsrisiko“ — insbesondere in Verbindung mit weiblicher Geschlechtszugehörigkeit sowie Nicht-Beherrschung „erwerbsrelevanten Verhaltens" (Pünktlichkeit, Höflichkeit usw.) — zur erhöhten Gefährdung durch Arbeitslosigkeit. Durch individuelles Leistungsstreben und Disziplin, rationale Berufswahl und engagiertes Bewerberverhalten läßt sich die Position des einzelnen in der Rangfolge der Arbeitsplatzbewerber verbessern (hiervon ausgeschlossen sind zugeschriebene Merkmale wie Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Alter und Behinderung). Keinesfalls läßt sich durch derartige Bemühungen jedoch das Ausmaß des gesellschaftlichen Problems Jugendarbeitslosigkeit beeinflussen.

Wichtigste Verursachungskomplexe der Jugendarbeitslosigkeit sind

— die Konjunkturentwicklung; , — der Altersaufbau der Bevölkerung;

— die Abstimmung zwischen Bildungs-und Beschäftigungssystem

— Strukturveränderungen der Wirtschaft Wegen ihrer unmittelbaren und zumindest grob abschätzbaren Bedeutung für die mittelfristige Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit einige Anmerkungen zu den beiden erstgenannten Faktoren:

Die beiden Sprünge in der Ausweitung der Jugendarbeitslosigkeit waren jeweils verbunden mit Einbrüchen im Bruttosozialprodukt-Wachstum Die neuerliche konjunkturelle Erholung vermochte den weiteren Anstieg der Arbeitslosenquote der 20-bis 24jährigen nicht zu bremsen. Hieraus sind zwei Thesen für die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit abzuleiten: Erstens ist davon auszugehen, daß selbst ein stärkerer konjunktureller Aufschwung die spezifische Problematik der Berufsanfänger-und der „strukturierten“ Jugendarbeitslosigkeit nicht zu lösen vermag Zweitens ist bei einem eventuellen Konjunktureinbruch Ende der achtziger Jahre mit einem sprunghaften Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit zu rechnen. Dies betrifft aber wegen der demographischen Einflüsse nur älteren, Ausbil die an der Schwelle zwischen -dung und Beruf stehenden Jugendlichen.

Wegen des ungleichgewichtigen Altersaufbaus der deutschen Bevölkerung drängen mehr Jugendliche ins Erwerbsleben, als ältere Arbeitnehmer ausscheiden. Deshalb hat sich in den vergangenen Jahren das Arbeitskräfte-potentialfortlaufend erhöht, trotz starker Rückwanderung ausländischer Arbeitnehmer. Dieter Mertens, Leiter des IAB, spricht von einem erheblichen Zusatzbedarf an Arbeitsplätzen bis zum Jahr 1990: „Wir brauchen bis Ende der achtziger Jahre noch einmal zusätzlich etwa 700 000 Arbeitsplätze, wenn wir die gesamte Welle einigermaßen bewältigen wollen. Ein Abbau der Arbeitslosigkeit ist damit noch nicht verbunden." Die Gesamtzahl der Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren wird jedoch zu diesem Zeitpunkt nur noch ca. 60% des heutigen Wertes betragen und wahrscheinlich problemlos im Ausbildungssystem untergebracht werden können.

Auf dem skizzierten Hintergrund wird deutlich, daß die verschleppte Jugendarbeitslosigkeit unsere Gesellschaft selbst bei günstiger Wirtschaftsentwicklung mindestens bis zum Beginn der neunziger Jahre begleiten wird. Dies könnte sich schon in wenigen Jahren rächen, wenn ein hoher und dauerhafter, sozial strukturierter . Sockel'von Arbeitslosen zwischen 20 und 30 Jahren als Wachstums-und Wohlfahrtspotential unserer Gesellschaft ausfällt — sei es, daß sich diese Menschen bewußt oder unbewußt distanzieren, sei es, daß sie hinsichtlich ihrer psychischen und physischen Integrität nachhaltig geschädigt sind.

III. Die individuellen Folgen der Jugendarbeitslosigkeit

Trotz der bereits zehn Jahre andauernden Jugendarbeitslosigkeit ohne Aussicht auf baldige Beseitigung gibt es erschreckend wenige wissenschaftliche Aussagen über die Folgen dieses gesellschaftlichen Problems. Dies gilt besonders für gesamtgesellschaftliche Wir-kungen (z. B. die Veränderung von Wertsystemen und von Mechanismen sozialer Integration) aber auch für individuelle Belastungen und Problemlagen Finanzielle,psycho-soziale u. a. Belastungen sind schwerwiegende Begleiterscheinungen der Jugend-arbeitslosigkeit und stehen in einem engen Wechselverhältnis. Psychische und somatische Gefährdungen müssen als Langzeitprobleme betrachtet werden, für deren spätere Ausprägung bereits heute — durch mißlingende Eingliederung der Jugendlichen in das Arbeitsleben und Vorenthaltung eines für ein selbständiges Leben ausreichenden Einkommens — die Weichen gestellt werden. 1. Finanzielle Belastungen stehen an erster Stelle Während von älteren Arbeitslosen die psycho-sozialen Belastungen am stärksten empfunden werden stehen für Jugendliche und Berufsanfänger finanzielle Probleme im Vordergrund. So nennen 62% der Befragten in einer Untersuchung von 1974 an erster Stelle finanzielle Belastungen. Mädchen empfinden diese stärker als Jungen; dies verweist auf die besonders prekäre Berufsfindung und -eingliederung weiblicher Jugendlicher „unter dem Diktat des Arbeitsmarktes" Je länger die Arbeitslosigkeit dauert und je mehr die Merkmale der „strukturierten“ Arbeitslosigkeit (niedrige Schulbildung, Vater un-oder angelernt, hohe Geschwisterzahl) zutreffen, desto stärker müssen die Jugendlichen persönliche Ausgaben einschränken Ein Teil von ihnen „mußte Schulden machen und kam mit Ratenzahlungen, mit Sparverträgen, mit Versicherungszahlungen und der Zahlung der Wohnungsmiete nicht mehr zurecht Die Angst zerstört viele jugendliche Partnerschaften und Jung-Ehen."

Die Diskrepanzen, die schon im Beschäftigungssystem zwischen den verschiedenen Gruppen von Lohnabhängigen bestehen, treten im Falle der Arbeitslosigkeit noch stärker auf. So trifft die seit 1969 fortlaufend verschlechterte soziale Absicherung, die . Ausgrenzung der Arbeitslosen aus der Arbeitslosenunterstützung die Jugendlichen besonders hart: Während im September 1983 30% aller arbeitslos Gemeldeten keinerlei Arbeitslosenunterstützung bekamen, waren dies bei den Jugendlichen unter 20 Jahren 48% (weibliche Jugendliche darunter: 52%; ausländische Jugendliche gar 78%) Diese Entwicklung geht zurück auf die jugendspezifisch wirksamen Kürzungen in verschiedenen sozialen Leistungssystemen: So wurde die Bemessungsgrundlage für die Arbeitslosenunterstützung von Berufsanfängern von 100% des nach der abgeschlossenen Ausbildung zu erwartenden Arbeitsentgelts auf 50% gesenkt, die Anwartszeiten verlängert, die Arbeitslosenunterstützung für Leistungsempfänger ohne Kinder gekürzt, ebenso die Ausbildungsförderung nach BAföG und die Berufsbildungsbeihilfe Waren 1975 bereits 64% der Befragten auf finanzielle Unterstützung ihrer Eltern angewiesen so dürfte der Anteil heute noch höher liegen.

Als Folge dieser finanziellen Abhängigkeit werden die Jugendlichen in einer unselbständigen Lebenssituation gehalten oder sogar in diese zurückgeworfen. Die Versagung eines ausreichenden eigenen Einkommens kann unmittelbar auf die psycho-soziale Befindlichkeit der Jugendlichen wirken, insofern „sich die . Wettbewerbsfähigkeit'im Freundeskreis verringert und die Möglichkeit der Teilnahme an Handlungssystemen" eingeschränkt wird. Die Abdrängung in die ökonomische Unmündigkeit wird jedoch keinesfalls immer apathisch hingenommen. Schon in der Lehre entwickeln die von Arbeitslosigkeit Bedrohten Strategien, wie sie sich weiterbilden oder durch berufsfremde Tätigkeiten Geld verdienen können. Sie glauben auch, daß ihr Erfolg stark von der eigenen Leistungsbereitschaft abhängt Diese hohe Motivation, sich durch Lohnarbeit den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, zeigt sich entgegen verbreiteten Klischees besonders bei den stark benachteiligten jungen Frauen aus Arbeiter-haushalten: Sowohl die Erhöhung der Er-werbsquote bei jungen Frauen wie auch empirische Untersuchungen belegen, daß diese Gruppe Erwerbsarbeit zunehmend als unverzichtbaren Bestandteil ihrer Lebensplanung betrachtet „Dies ist um so notwendiger, als die Lebenssituation arbeitsloser Mädchen aus der Arbeiterschicht gekennzeichnet ist durch starke Belastungen, die subjektiv, je länger die Arbeitslosigkeit •andauert, immer unerträglicher werden. Um der Langeweile, der Sinnlosigkeit, dem Geldmangel... und nicht zuletzt dem Druck der Eltern zu entrinnen, bleibt nur die Lohnarbeit." Je länger aber die Arbeitslosigkeit dauert, desto schwerer ist der Kampf gegen die drohende Vernichtung von Zukunft zu führen. Die auch bei jüngeren Arbeitslosen um sich greifende Langzeit-arbeitslosigkeit droht ihnen auf lange Zeit die finanzielle Grundlage für eigenverantwortliches Handeln zu entziehen. 2. Zwischen Depression und Selbstorganisation — Zur Ambivalenz der psycho-sozialen Folgeerscheinungen „Wissen sie, ich bin auch ein bißchen komisch geworden. Mißtrauisch und nervös. Es kommt auch zu Fehlhandlungen, wenn man nicht arbeitet Man ist dann nicht so durchtrainiert, weder im Kopf, noch körperlich. Man fühlt sich so minderwertig. Auch habe ich, seit ich arbeitslos bin, weniger Kontakte, fch kapsle mich etwas ab, und Freunde und Bekannte melden sich nicht mehr.. Susanne M., 20 Jahre, ledig, gelernte Floristin „Bald setzten die alten Angstzustände wieder ein. Diese Bürotätigkeit ist einfach nichts für mich, sie tötet alles in mir ab, was da noch an Kraft und Nerven vorhanden ist. So habe ich gekündigt und mich wieder beim Arbeitsamt gemeldet... Diese Arbeitslosenzeit nutze ich richtig. Ich bin ins Arbeitslosenzentrum gegangen und habe durch die Arbeitslosen-initiative regelrecht Aufschwung bekommen. Die Zeit der Arbeitslosigkeit belastet den Betroffenen materiell und psychisch extrem stark, doch diese Zeit ist eine Chance für das innere Wachstum, für Neuorientierung.“ Jürgen Z., 26 Jahre, verheiratet, vormals Industriekaufmann

Der biographische und gesellschaftliche Ort des Jugendalters als Phase der Persönlichkeitsbildung einerseits und der Eingliederung in ein differenziertes, sich wandelndes Bildungs-und Beschäftigungssystem andererseits wird unsicher. Die Verringerung des Arbeitsvolumens in der Produktion verläuft parallel mit einem Prozeß, in dem die bislang unangefochten im Mittelpunkt der Lebensführung stehende „Beruflichkeit der Arbeit“ aufgelöst wird In dieser ökonomischen und kulturellen Umbruchsituation werden an die Heranwachsenden erhöhte Anforderungen der Identitätsfindung gestellt, zumal verläßliche, auf die neuen gesellschaftlichen Bedingungen zugeschnittene Orientierungsmuster in der Erwachsenenwelt fehlen.

Die aktuelle Gültigkeit der in den siebziger Jahren gewonnenen Forschungsergebnisse über die psycho-sozialen Auswirkungen der Jugendarbeitslosigkeit ist fraglich, da sich mit der Vervielfachung der absoluten Zahlen und der kulturellen Umbewertung der Erwerbsarbeit („Postmaterialismusthese 11) die Randbedingungen für die individuelle Verarbeitung der Erwerbslosigkeit verändert haben. Auf der Ebene der Symptome dürfte weiterhin gelten, daß arbeitslose im Vergleich zu nicht-arbeitslosen Jugendlichen „stärker somatisch bzw. psychosomatisch gestört, mißgestimmter und unsicherer, stärker reaktiv, aggressiv, weniger kontaktfreudig und gesellig" sind Ein großer Teil der Jugendlichen klagt auch über Auseinandersetzungen in der Familie, die mit der Dauer der Arbeitslosigkeit schärfer werden. Soziale Isolation ist — im Unterschied zu älteren Arbeitslosen — für Jugendliche ein zweitrangiges Problem, obwohl das soziale Kontaktfeld häufig verkleinert wird und die Regelmäßigkeit des Zusammenseins mit Freunden abnimmt Es ist nicht erwiesen, daß abweichendes Verhalten von Jugendlichen durch Arbeitslosigkeit verursacht ist. Ein umstrittenes Einzelergebnis lautet: . Arbeitslosigkeit erhöht das Risiko der Alkohol-gefährdung .... so daß im Zuge anhaltender Massenarbeitslosigkeit mit einem weiteren Anwachsen der ohnehin schon alarmierenden Zahl Alkoholgefährdeter und Alkoholabhängiger mit zunehmend schweren Alkoholis-musformen zu rechnen ist." Jugendkriminalität scheint nicht durch Erwerbslosigkeit verursacht zu sein, sondern beide Probleme dürften in einer großen Zahl von Fällen gemeinsame Ursachen haben"

„Langeweile .., also die Abwechslungs-und Kontrastarmut im Tagesverlauf (steht) mit an der Spitze der Belastungen." Mit länger andauernder Arbeitslosigkeit verringert sich der zeitliche Erwartungshorizont, und es entsteht das Gefühl der Zukunftslosigkeit. Im Gefolge häufiger Enttäuschungen und des Er-lebens ökonomischer Abhängigkeit von den Eltern kommt es zu einem Prozeß der „EntStrukturierung,...des psychischen Hinabgleitens... in Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit und Apathie .... zu einer vitalen Verunsicherung der Persönlichkeit, einer Störung der Identitätsbalance und zu emotionaler Labilität“ Im Extremfall kommt es zu tiefen Depressionen, Selbsttötungen und Selbsttötungsversuchen

Die Entstehung von Depressionen kann durch das psychologische Modell der „erlernten Hilflosigkeit" erklärt werden. Hilflosigkeit kann sich bei jugendlichen Arbeitslosen aus der bewußten oder unbewußten Erwartung ergeben, daß ihre zukünftige Lebenssituation durch eigenes Handeln (z. B. Leistungsstreben, längere und intensivere Ausbildung) nicht beeinflußbar ist Eine auf die absehbare Arbeitsmarktstellung der betroffenen Altersjahrgänge bezogene Forschung muß sich mit der These auseinandersetzen w.. daß angesichts der normativen Verpflichtung auf Arbeit einerseits und der eingeschränkten Ausbildungs-und Arbeitsmöglichkeiten andererseits Arbeitslosigkeit für eine wachsende Zahl von Jugendlichen eine Lebenssituation herbeiführt, die sie die Sinnlosigkeit ihrer Versuche zur Bewältigung dieser Situation erfahren und angesichts der Einsicht in die Vergeblichkeit ihres Tuns in Passivität und Resignation verfallen läßt“ Nach einer für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung erstellten Studie erwiesen sich psychische Belastungen dort als beachtlich, wo ausgeprägte Arbeitsund Aktivitätsorientierungen gesellschaftlich nicht beantwortet werden" Arbeitslosigkeit wird im übrigen nicht durchgängig als belastend empfunden; die bisweilen vorfindbare Beschränkung auf Belastungsdimensionen übersieht die verschiedenen Selbstbehauptungsmöglichkeiten jugendlicher Arbeitsloser. Inwieweit die in einer 1975 durchgeführten Befragung geäußerten positiven Aspekte wie: „Es war mal ganz angenehm, nicht jeden Tag denselben Trott mitmachen zu müssen" oder: „Ich habe in dieser Zeit häufiger als sonst etwas mit Freunden unternommen" heute noch gehäuft vorkommen, steht dahin. Mitentscheidend für die Möglichkeit, positive Seiten der Arbeitslosigkeit zu genießen, ist sicher die Dauer der Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Selbsteinschätzung, wieder Arbeit zu finden Das Frankfurter „Institut für Jugendforschung und Jugendkultur“ hat 1983/84 ca. 100 Jugendliche intensiv befragt und festgestellt: „Nicht nur die Abhängigkeiten, sondern auch die Freiheiten werden verlängert: Arbeitslosigkeit (und auch schulische Schleifen) lassen viel Zeit für Identitätsarbeit, für Treffs mit anderen Arbeitslosen." Gerade junge Frauen aus der Mittelschicht begreifen Arbeitslosigkeit — trotz vieler Belastungen — auch als „Zeit für sich selbst... als Chance, ihre nicht-beruflichen Fähigkeiten zu entwickeln.. ."

Es entstehen jugendliche Subkulturen, die gegen die Normen der Leistungsgesellschaft eigene Werte und Spielregeln setzen: „Für denjenigen, der im subkulturellen Milieu integriert ist, geht die Bedeutung (des Arbeitssta-tus) gegen Null. So kann die subkulturelle Beteiligung vorübergehend zum vollwertigen Ersatz für eine Berufs-und Arbeitsperspektive werden." Ausgrenzung aus der Arbeitsgesellschaft ist somit nicht unbedingt identisch mit Passivität; „... vielmehr scheinen sich ghettoisierende Randexistenzen herauszubilden, die als Ausgegrenzte zum Teil eigene, nicht immer legale Subsistenzformen entwickeln und gleichsam eine Art Gegengesellschaft darstellen."

Unterschichten-und Mittelschichten-Jugendliche entwickeln verschiedene Einstellungsmuster: „Im Unterschied zum vermuteten Trend der Wertvorstellungen in Richtung auf Postmaterialismus’ können wir für die befragten, nicht-akademischen Jugendlichen eher eine Verstärkung von . materialistischen'und . instrumenteilen'Orientierungen gegenüber der Arbeit feststellen. Die von den Jugendlichen beim Übergang in den Arbeitsmarkt erfahrenen Konfrontationen mit den Selektionskriterien und Anforderungen der Arbeitswelt leiten einen Prozeß 'der Sozialisation für und durch den Arbeitsmarkt ein. Dies hat zur Folge, daß Handlungspläne und Zukunftsentwürfe eng mit konventionellen, das heißt aber auch illusionslosen Wertvorstellungen verknüpft werden."

Die Bedingungen, die dazu führen, daß Arbeitslosigkeit von Jugendlichen als Herausforderung angenommen wird — sei es, daß sie sich innerhalb der oder gegen die gegebenen Strukturen der Erwerbsarbeit durchsetzen — oder daß sie resignieren und in zerstörende Depressionen verfallen, sind bis auf schichten-und geschlechtsspezifische Benachteiligungen unbekannt. Für pädagogische, jugend-und arbeitsmarktpolitische Entscheidungen wäre es notwendig zu wissen, welche individuellen und sozialen „Verstärkerquellen" sich positiv auf Selbstbehauptungs-und Selbstorganisierungsprozesse arbeitsloser Jugendlicher auswirken 3. Als Jugendlicher arbeitslos — Krank im mittleren Alter?

Unter dem Eindruck steigender Arbeitslosen-zahlen gibt das Jahr der Jugend Anlaß, sich mit der Frage zu beschäftigen: . Jugend '85 — arbeitslos und krank?" Offentlichkeitswirksam ist dabei die These, daß Schulentlassene ohne Arbeit zu den stark gesundheitsgefährdeten Gruppen zählen dies wird u. a. auf einen erhöhten Kaffee-, Nikotin-, Alkohol-und sonstigen Drogenkonsum sowie Fehlernährung und sozio-psychosomatische Einflußfaktoren zurückgeführt Während zu den Auswirkungen der Erwerbslosigkeit auf die Gesundheit älterer Menschen vergleichsweise gesicherte Ergebnisse vorliegen gibt es für diesen Wirkungszusammenhang bei Jugendlichen kaum Anhaltspunkte.

Ebenso wie bei Älteren muß auch bei Jugendlichen davon ausgegangen werden, daß es keine direkte Ursachenbeziehung zwischen Arbeitslosigkeit und Erkrankung gibt, sondern daß dieses Wechselverhältnis von einer Reihe objektiver und subjektiver Zusatzbedingungen abhängt. Einem derart „differentiell" vorgehenden Ansatz folgend wäre u. a. zu fragen:

— Ob Krankheit bereits für Jugendliche ein Risikofaktor bzw. . individuelles Selektionskriterium'in bezug auf Arbeitslosigkeit ist?

— Ob die Bedrohung durch künftige Arbeitslosigkeit bei ausgeprägter subjektiver Hilflosigkeit bereits in der schulischen oder betrieblichen Ausbildung oder in ungesicherten Berufsanfänger-Arbeitsverhältnissen stärker krankmachend wirkt als tatsächlich eingetretene Arbeitslosigkeit

— Welchen Einfluß psychische, familiäre, schichten-oder geschlechtsspezifische Bedingungen auf das Krankheitsrisiko haben?

— ob die bei Teilgruppen besonders zu Beginn der Arbeitslosigkeit festgestellten gesundheitlichen Entlastungen auch für Ju-gendliche gelten, oder ob Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen aufgrund ihrer besonderen lebensbiographischen Situation wenn überhaupt, dann gesundheitsverschlechternd wirkt

Angesichts der Tatsache, daß Jugendarbeitslosigkeit'immer stärker in das frühe Erwachsenenalter verschleppt und dort zunehmend als Dauerarbeitslosigkeit verfestigt wird, und daß dies noch fünf bis zehn Jahre so bleibt, ist eine Untersuchung der mittel-und langfristigen Gesundheitsfolgen der Jugendarbeitslosigkeit geboten. Skandinavische Forschungsergebnisse unterstreichen die Dringlichkeit dieser Aufgabe: ^Jugendliche erkranken im mittleren Alter.“ Diese Schlußfolgerung aus einer finnischen Untersuchung über den Gesundheitsstand arbeitsloser Jugendlicher gibt einen Hinweis auf langfristige Konsequenzen von Jugendarbeitslosigkeit, die gegenwärtig noch nicht zu überblicken sind. Ein bei arbeitslosen Jugendlichen festgestelltes risikohafteres Verhalten bezüglich der Eßgewohnheiten, des Alkohol-und Tabakkonsums, der persönlichen Hygiene etc. wird seine vollen Auswirkungen erst in späteren Lebensphasen entfalten -

IV. öffentliche Bewußtseinsbildung über die verdrängte Jugendarbeitslosigkeit — eine gesellschaftspolitische Aufgabe

Die sichtbare und starke Arbeitslosigkeit der unter 20jährigen ist zwar abgesenkt worden, das Problem besteht aber mit der Erwerbslosigkeit der 20— 24jährigen und — bislang kaum wahrgenommen — der 25— 30jährigen fort Die ca. zehn Altersjahrgänge besonders hart treffende Arbeitslosigkeit wird aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängt. Nicht nur bei der Bewältigung des Mengenaspekts der Jugendarbeitslosigkeit, sondern auch in qualitativer Hinsicht versagt das politische System. Es wird zunehmend deutlich, daß die „erheblichen Anstrengungen der vergangenen Jahre“ zur Behebung des „AusbildungsStellenmangels“ nicht auf ein sich veränderndes Beschäftigungssystem abgestimmt sind. Zehntausende von Friseurinnen, von KFZ-Mechanikern und anderen Fachkräften werden gegenwärtig „auf Halde“ genommen. Ähnlich steht es um die wachsende Zahl arbeitsloser Hochschulabsolventen, die an großen Hochschulstandorten die Arbeitslosenzahl junger Fachkräfte manchmal übertrifft

Die häufig vorgebrachte Forderung, diesen Betroffenengruppen Gelegenheiten zur Auf-stockung und Erweiterung der erworbenen Qualifikationen zu geben, reicht nicht aus, solange unbeantwortet bleibt, in welche Erwerbsarbeitsverhältnisse diese mehrfach Qualifizierten „einsteigen" sollen und welchen Stellenwert die entlohnte Berufsausübung in der zu entwickelnden Lebensperspektive dieser Generation überhaupt einnehmen soll.

Schon heute ist festzustellen, daß , Altbewerber“ bei Neueinstellungen gegenüber frisch Ausgebildeten benachteiligt sind. Diese Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die die erste Schwelle zwischen Schule und Ausbildung genommen haben, denen das Überschreiten der zweiten Schwelle zwischen Ausbildung und Berufsausübung jedoch verwehrt bleibt, werden zu einer neuen Problem-gruppe des Arbeitsmarktes mit nicht ab-schätzbaren Folgen für ihre persönliche und politische Identität, ihre Lebenszufriedenheit und Gesundheit Ein erster Schritt, wenigstens ein öffentliches Bewußtsein über diesen stark verdrängten Verelendungsprozeß einer ganzen Generation zu schaffen, wäre etwa die gesonderte Ausweisung der Zahlen für die Altersgruppe der 20— 24jährigen in der monatlichen Arbeitsmarktberichterstattung. Darüber hinausgehend sollte die Arbeitslosenquote der (an Schwelle zwei stehenden) Berufsanfänger berechnet und veröffentlicht werden; sie könnte als wichtiger qualitativer Indikator der Arbeitsmarktlage dienen. Die Dringlichkeit konsequenten Umdenkens in der Struktur-, Konjunktur-und Arbeitszeitpolitik würde vielleicht schneller erkannt und auch eine Entkoppelung von Lohnarbeit und Einkommens-bezug mit Richtung auf ein das kulturelle Existenzminimum sicherndes Mindesteinkommen eingeleitetwerden. Individuelle und gesellschaftliche Schäden der Jugendarbeitslosigkeit könnten damit zwar nicht beseitigt, jedoch begrenzt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Die in diesem Beitrag abgedruckten Gesprächs-ausschnitte sind entnommen aus: Ch. Rumpeltes, Arbeitslos. Betroffene erzählen, Reinbek 1982.

  2. Die Arbeitslosenquote bezeichnet das ZahlenVerhältnis zwischen den als arbeitslos Registrierten und der Gesamtzahl der abhängig Beschäftigten. Die September-Werte für die unter 20jährigen Ar-

  3. Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsmarkt-analyse 1984 anhand ausgewählter Bestands-und Bewegungsdaten. Sonderdruck aus „Amtliche Nachrichten der Bundesanstalt für Arbeit" (1985) 3, S. 295 (bis 1984, jeweils Ende September). Die saisonbedingt verzerrten Arbeitslosenquoten für den März 1985 betragen für die unter 20jährigen 6, 4% und für die 20-bis 24jährigen 14%; vgl. dazu K. Schober, Aspekte der Arbeitslosigkeit Jugendlicher bei veränderten demographischen und bildungsmäßigen Konstellationen, erscheint in: Mitteilungen zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung 1985; zit. n. MS, S. 4 a.

  4. Stellungnahme der Bundesregierung zur Jugendarbeitslosigkeit und Ausbildungsstellensituation; in: Bulletin vom 28. 1. 1975.

  5. Vgl. H. -Chr. Harten, Strukturelle Jugendarbeitslosigkeit Bildungs-und Beschäftigungspolitische Konzeptionen und Maßnahmen, München 1977, S. 92 ff., und O. Ulrich, Abbau von Arbeitslosigkeit durch flexible Arbeitszeitregelung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/75, S. 19— 30.

  6. Von 650 000 auf 602 000 bzw. von 1, 78 Millionen auf 1, 76 Millionen; vgl. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Anm. 2), S. 26 und S. 41.

  7. Presse-und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bundeskanzler Helmut Kohl, Reden 1982— 1984, Bonn 1984, S. 9— 48.

  8. Der DGB spricht in seiner „Berufsbildungsbilanz 1984“, die auf vollständigeren statistischen Unterlagen beruht, von 288 700 Jugendlichen mit Anspruch auf berufliche Qualifizierung, die unversorgt geblieben sind; vgl. DGB zum Berufsbildungsbericht 1985. Untätigkeit der Bundesregierung verhindert die Verwirklichung des Rechts auf qualifizierte Ausbildung für alle Jugendlichen; in: Berufliche Bildung, (1985) 15, S. 4.

  9. K. Schober (Anm. 3), S. 26 a.

  10. Ebd., S. 30.

  11. DGB 1985 (Anm. 8), S. 2; K. Schober (Anm. 3), S. 6.: „Die Gruppe der unter 20jährigen wurde durch die erwähnten Bildungsmaßnahmen zunehmend ausgedünn und umfaßt derzeit nicht mehr 5, sondern 2 bis maximal 3 Jahrgänge.“

  12. Ergebnisse einer Studie von K. Klemm, Gesamt-hochschule Essen; dpa-Meldung; vgl. auch Erziehung und Wissenschaft, (1985) 12, S. 3.

  13. Die Arbeitslosenquote der 25-bis 29jährigen stieg von 4, 4% (September 1980) auf 11, 4% (September 1984); vgl. Bundesanstalt für Arbeit 1985 (Anm. 3), S. 295.

  14. Projektgruppe Arbeitslosigkeit Jugendlicher'in der Bundesanstalt für Arbeit, Jugendliche beim Obergang in Ausbildung und Beruf, Beiträge zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, Nürnberg 1980, S. 43.

  15. P. W. Kloas, Prüfung bestanden — Was dann? Arbeitslosigkeit bei jungen Fachkräften nimmt zu, in: Zeitschrift für Berufs-und Wirtschaftspädagogik, 80 (1984), S. 522— 528 (S. 524), und Bundesanstalt für Arbeit (Anm. 3), S. 297; ferner eigene Berechnungen.

  16. Vgl. dazu die älteren Untersuchungen von K. Schober, Arbeitslose Jugendliche. Belastungen und Reaktionen der Betroffenen, in: Mitteilungen zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, 11 (1978), S. 198— 215 (S. 202 ff.), und K. Heinemann, Arbeitslose Jugendliche. Ursachen und individuelle Bewältigung eines sozialen Problems. Eine empirische Untersuchung, Darmstadt 1978, S. 34 ff„ S. 100 ff., sowie die Studie von H. Bilden u. a„ Arbeitslose junge Mädchen. Berufseinstieg, Familiensituation und Beziehungen zu Gleichaltrigen, in: Zeitschrift für Pädagogik, 27 (1981), S. 677— 695.

  17. R. G. Heinze, Soziale Strukturierung der Arbeitslosigkeit: Auf dem Weg zu einer gespaltenen

  18. Vgl. D. Cassel, Jugendarbeitslosigkeit. Ausmaß, Ursachen, Gegenmaßnahmen, in: Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg (Hrsg.), Der Bürger im Staat, 34 (1984) 1, Arbeitslosigkeit, S. 43— 50 (S. 44); Projektgruppe Arbeitslosigkeit Jugendlicher“ (Anm. 14), S. 9 ff.; ausführlich A Gies-brecht, Jugend ohne Arbeit. Einführung in die Problematik und Hilfen für die Praxis, Frankfurt 1983, S. 10 ff., S. 24 ff.

  19. E. Stark-von der Haar/H. von der Haar, Existenzgefährdung Jugendlicher durch Arbeitslosigkeit — Zur Dunkelziffer der Arbeitslosigkeit und der Einkommenssicherung, in: WSI-Mitteilungen, (1984) 9, S. 533— 545.

  20. Die Warteschleifenfunktion wird daraus ersichtlich, daß ca. 80 Prozent der Absolventen von beruflichen Vollzeitschulen und außerschulischen Lehrgängen einen Ausbildungsplatz im dualen System suchen; vgl. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Anm. 2), S. 36.

  21. K. Schober (Anm. 3), S. 5.

  22. T. Geiger, Die soziale Schichtung des deutschen Volkes, Stuttgart 1967, S. 97, zit n. K. Heinemann (Anm. 16), S. 13.

  23. Zum Interessenkonflikt bei der Ursachenklärung und bezüglich der Gültigkeit wissenschaftlicher Aussagen zur Jugendarbeitslosigkeit vgl. die Protokolle der Fachtagung „Jugendprobleme im Unterricht", dort das Kap. zum . Arbeitsmarkt", in: Bundeszentrale für politische Bildung, Jugendprobleme im politischen Unterricht. Politische Identifikation — Friedensbewegung — Arbeitsmarkt, Bonn 1983, S. 299 ff.

  24. Exemplarisch dafür H. Nierhaus, Jugendarbeitslosigkeit: Ursachen und Lösungsmöglichkeiten aus der Sicht der Deutschen Angestelltengewerkschaft, in: W. Schlaffke (Hrsg.), Jugendarbeitslosigkeit, Köln 1976, S. 120— 144; Nierhaus nennt neben konjunkturellen Ursachen ausschließlich individuelle Bildungs-und Qualifikationsmängel. Auch die „Gemeinsame Erklärung zur Ausbildungsplatzsituation 1985" fordert vom einzelnen Jugendlichen mehrfach und nachdrücklich Mobilität bei der Ausbildungsstellensuche und rationale, auf künftige Verwertung erworbener Qualifikationen ausgerichtete Berufswahl. Diese Verantwortungsdelegation an den ausbildungswilligen Jugendlichen entbehrt nicht eines gewissen Grades an Zynismus, da weder die Ministerialbürokratie noch Fachwissenschaftler sichere Anhaltspunkte über die Zukunftschancen der Ausbildungsberufe haben noch für den überwiegenden Teil der Bewerber und Bewer

  25. Eine Übersicht über die besonders prekäre Berufseinmündung von Sonderschülern gibt H. Schröder, Sonderschüler auf dem Weg in die Arbeitswelt. Eine Analyse zur Berufseinmündung von Lernbehinderten, Köln 1984 (Arbeitspapiere zur Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftsdidaktik).

  26. Es ist damit zu rechnen, daß 1986 jede/r dritte KFZ-Mechaniker/in, Friseur/in, Tankwart/in, jede/r vierte/r Raumausstatter/in, Konditor/in Gärtner/in usw. unmittelbar nach der Ausbildung arbeitslos wird; vgL die Prognose bei P. W. Kloas (Anm. 15).

  27. Vgl. als schnellen Überblick H. Friedrich/U. Brauer, Arbeitslosigkeit. Dimensionen, Ursachen, Bewältigungsstrategie, Opladen 1985.

  28. Bei vielen der häufig ausgebildeten Berufe sinken die Beschäftigungschancen, weil hier — u. a. wegen der geringen Nettoausbildungskosten — weit über den Bedarf ausgebildet wird und weil diese Branchen schrumpfen. Es kommt zu einer „Polarisierung der Beschäftigungsentwicklung in den Ausbildungsberufen" mit zusätzlicher Benachteiligung von Berufsanfängern; vgl. H. J. Petzold, Berufsausbildung für alle — Arbeit für niemand? über die Notwendigkeit einer staatlichen Ausbildungs-und Beschäftigungsstrategie, in: Deutsche Jugend, 32 (1984), S. 255— 260 (S. 257).

  29. Aus diesem großen Ursachenkomplex hervorzuheben ist die Wirkung des technischen Fortschritts (Mikroprozessoren, Industrieroboter usw.) auf den Arbeitsplatzabbau; vgl. W. Bonß/R. G. Heinze, Ar-beit, Lohnarbeit, ohne Arbeit. Zur Soziologie der Arbeitslosigkeit, in: W. Bonß/R. G. Heinze (Anm. 17), 8. 7- 49 (S. 27 ff.). Da Jugendliche beim Berufseinstieg auf arbeitsintensive Arbeitsplätze angewiesen sind, sind sie bei steigender Kapitalintensität der Produktion gegenüber anderen Arbeitsplatzbewerbern benachteiligt; vgl. A Giesbrecht, Jugend ohne Arbeit. Einführung in die Problematik und Hilfen für die Praxis, Frankfurt 1983.

  30. 1974 fiel der Zuwachs des BSP auf 0, 5%, 1975 kam es zu einer Schrumpfung um 1, 6%. Die Rückgänge für die Jahre 1981 und 1982 betrugen 0, 2% bzw. 1, 2%; vergleiche die entsprechenden Ausschläge der Jugendarbeitslosigkeit in den jeweili-gen Jahren im Schaubild oben.

  31. Mit dem Verlauf der Jugendarbeitslosigkeitsquote der 20-bis 24jährigen zwischen 1976 und 1979 erweist sich die These als unhaltbar, „... daß Jugendliche im Wirtschaftsaufschwung schneller eingegliedert werden als die übrigen Arbeitslosen"; vgl. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Anm. 2), S. 60.

  32. „Eine möglichst qualifizierte Ausbildung"; vgl. das Interview mit D. Mertens in: Der Spiegel, (1984) 30, S. 27— 30.

  33. Offene Fragen hierzu finden sich in F. -X. Kaufmann/J. Quitmann, Welche sozialen Folgen hat die Arbeitslosigkeit? Jugendarbeitslosigkeit als Beispiel, in: Landeszentrale für politische Bildung (Anm. 18), S. 189— 207.

  34. Die zu den individuellen Auswirkungen vorliegenden Ergebnisse sind z. T. auf sehr schmalen Datenbasen gewonnen (z. B. Heinemann [Anm. 16); die Erhebungen sind bis zu zehn Jahre alt (z. B. Schober [Anm. 16]). Da sich die Jugendarbeitslosigkeit gegenüber dieser Situation relativer Prosperität verschärft hat und die Aussichten auf eine baldige Besserung gering sind, ist die Übertragung der damaligen Erkenntnisse und Interpretationen auf heute eingeschränkt. Die „neueren" Erhebungen des IAB zu den individuellen Folgen der Arbeitslosigkeit von unter 25jährigen liegen nun schon vier Jahre zurück. Die Veröffentlichung der Ergebnisse steht aus und soll dieses Jahr durch K. Schober vorgenommen werden. Diese für die Auswertung von Repräsentativstudien typische zeitliche Verzöge-rung erschwert gerade in Zeiten schneller und tief-gehender struktureller Veränderungen am Arbeitsmarkt eine problemadäquate öffentliche Diskussion.

  35. Ch. Brinkmann, Die individuellen Folgen langfristiger Arbeitslosigkeit Ergebnisse einer repräsentativen Untersuchung, in: Mitteilungen zur Arbeitsmarkt-und Berufsforschung, (1984) 4, S. 454 bis 473 (S. 461).

  36. W. R. Heinz/H. Krüger, Berufsfindung unter dem Diktat des Arbeitsmarktes. Zur Entstehung weiblicher Normalbiographien, in: Zeitschrift für Pädagogik, 27 (1981), S. 661— 676.

  37. Schober (Anm. 16), S. 205 ff.

  38. Stark-von der Haar/von der Haar (Anm. 19), S. 540.

  39. So der Untertitel des Buches von W. Balsen u. a., Die neue Armut, Köln 19832.

  40. Ebd., S. 120.

  41. Weitere Beispiele und genauere Angaben in: DGB (Hrsg.), Jugendarbeitslosigkeit Sozialabbau bei Jugendlichen, Düsseldorf 1985.

  42. Schober 1978 (Anm. 16), S. 205.

  43. Heinemann (Anm. 16), S. 140.

  44. G. Kärtner, Zur Entwicklung beruflicher Perspektiven während der dualen Berufsausbildung — Ergebnisse einer Längsschnittuntersuchung, in: IAB (Hrsg.), Publikation zum Workshop „Verbleibsanalysen beim Übergang in das Beschäftigungssystem an der 1. und 2. Schwelle", Nürnberg 1985 (im Erscheinen, zit nach MS), S. 20.

  45. Bilden u. a. (Anm. 16), S. 682; vgl. auch K. Heine-mann u. a., Arbeitslose Frauen. Zwischen Erwerbstätigkeit und Hausfrauenrolle. Eine empirische Untersuchung, Weinheim 1983, S. 84.

  46. Vgl. ausführlich dazu Kaufmann/Quitmann (Anm. 33), S. 191, und J. Berger, Die Zukunft der Arbeitsgesellschaft, in: R. G. Heinze u. a. (Hrsg.), Beschäftigungskrise und Neuverteilung der Arbeit, Bonn 1984, S. 50— 62.

  47. M. Wilhelm-Reiss, Psychische Veränderungen bei Jugendlichen ohne Arbeit. Eine empirische Studie zu den Folgewirkungen der Arbeitslosigkeit, Weinheim 1980, S. 226 f.; Heinemann (Anm. 16), S. 186.

  48. Schober 1978 (Anm. 16), S. 208 f.

  49. D. Henkel, Arbeitslosigkeit als psychosozialer Risikofaktor für Alkoholgefährdung und Alkoholismus, Bremen 1984, erscheint in: Th. Kieselbach/A. Wacker (Hrsg.), Arbeitslosigkeit Psychosoziale Theorie und Praxis, Beiträge des Symposiums v. 11. — 13. Oktober 1984 in Bremen, Bremen 1985.

  50. Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU, Drucksache 9/3753, Landtag Nordrhein-Westfalen, v. 22. 10. 1984.

  51. Heinemann (Anm. 16), S. 121, S. 127, S. 163; vgl. auch Heinemann u. a. (Anm. 45), S. 94.

  52. Bilden u. a. (Anm. 16), S. 685.

  53. Vgl. ausführlich Th. Kieselbach, Die gesellschaftliche Verarbeitung von Massenarbeitslosigkeit: Gesundheits-und sozialpolitische Konsequenzen aus der Arbeitslosenforschung, Überarbeitung eines Vortrages, gehalten auf dem SPD-Forum . Ausgrenzung in. die neue Armut" am 5. Dez. 1984 in Bonn, Bremen 1984, S. 6f.

  54. Ch. Lenz, Jugendarbeitslosigkeit — Ausmaß, Verlauf, Ursachen, Gegenmaßnahmen und Analyse ihrer psychischen Auswirkungen, Diss. Universität Köln 1985, S. 343.

  55. F. -J. Land/H. Viefhues, . Arbeitslosigkeit" als Gegenstand sozialmedizinischer und medizinsoziologischer Forschung, Bochumer Sozialmedizinische Forschung e. V„ Bochum 1985, S. 78 (zu beziehen über die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung).

  56. Z. b. bei Stark-von der Haar/von der Haar (Anm. 19), S. 542.

  57. Schober 1978 (Anm. 16), S. 210.

  58. R. Peukert, Vom „Schritt" von der Schule in den Beruf zum unkalkulierbaren Prozeß: Sozialisation in der Perspektivlosigkeit und Wandel der Werte, Referat auf der DGB-Tagung . Jugend und die Zukunft der Arbeit" vom 21. — 23. Nov. 1984, Wiesbaden 1984 (MS).

  59. Bilden u. a. (Anm. 16), S. 685.

  60. Peukert, S. 16.

  61. W. Bonß u. a.. Das Ende des Belastungsdiskurses? Zur subjektiven und gesellschaftlichen Bedeutung der Arbeitslosigkeit, in: Bonß/Heinze (Anm. 17), S. 143— 188.

  62. W. R. Heinz, Wertewandel oder Antizipation des Arbeitsmarktes bei Jugendlichen, Bremen 1984, erscheint in Kieselbach/Wacker (Anm. 49), zit n. MS.; gleiche Ergebnisse für Arbeitermädchen bei H. Bilden/A. Dietzinger, Individualisierte Jugend-biographie? Zur Diskrepanz von Anforderungen, Ansprüchen und Möglichkeiten, in: Zeitschrift für Pädagogik, 30 (1984), S. 191— 207.

  63. Anregungen dazu bei Lenz (Anm. 54).

  64. So der Titel eines vom Deutschen Grünen Kreuz am 11. 4. 1985 in Bonn veranstalteten Pressekolloquiums.

  65. Vgl. Arbeitsschutz-Enzyklopädie der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO), zit. n. Westdeutsche Allgemeine Zeitung v. 12. 2. 1985.

  66. So Paul Fisher, ILO, auf o. g. Kolloquium; vgl. auch das Interview mit Dr. Thomann in: Weltgesundheit, (März 1985) 3, S. 16— 19.

  67. Einen Überblick über den Forschungsstand bieten F. -J. Land und H. Viefhues (Anm. 55).

  68. Vgl. Bonß u. a. (Anm. 61), S. 156.

  69. Bei älteren Arbeitslosen sind sogenannte „Bereitstellungskrankheiten in der Antizipationsphase der Arbeitslosigkeit" beobachtet worden; vgl. L. Pelzmann u. a., Antizipation von Arbeitslosigkeit, Bremen 1984 (MS), erscheint in Th. Kieselbach/A Wacker (Anm. 49).

  70. Vgl. D. Schwefel, Arbeitslosigkeit, Gesundheit und Gesundheitsdienste, Ergebnisse deutscher Arbeitslosigkeitsforschung, Bericht für das Generalsekretariat des Europarates, München 1984 (MS).

  71. Vgl. Th. Kieselbach (Anm. 53), S. 8f., der auf eine Studie von S. Mannila und E. Lahelma, Das problematische Verhältnis zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheit, Bremen 1984, Bezug nimmt (ebd.).

Weitere Inhalte

Wolfgang Beywl, M. A., geb. 1954; Studium der Sozial-und Erziehungswissenschaften in Bonn; seit 1977 tätig im Bereich neuer sozialer Bewegungen; seit 1983 Lehrbeauftragter für Sozialpolitik an der Universität Münster; jetzt freie wissenschaftliche Tätigkeit zu Themen der Alternativ-Okonomie, der Jugendarbeitslosigkeit und der Evaluation von Berufswahlunterricht Veröffentlichungen u. a.: (mit Wilfried Nelles) Selbstorganisation, Frankfurt 1984; (mit Hartmut Brombach und Matthias Engelbert) Alternative Betriebe in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1984.