Umweltprobleme in der Dritten Welt. Was kann der Norden tun?
Volkmar J. Hartje
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Zusammenfassung
In einer Reihe von Aktionsprogrammen zum globalen Umweltschutz wurden die Regierungen der Industrieländer aufgefordert, für den Umweltschutz in den Entwicklungsländern stärker aktiv zu werden. Am Beispiel der Entwicklungshilfe, der Kontrolle des Exportes von Agrarchemikalien und des Schutzes der Ozonschicht vor Fluorchlorkohlenwasserstoffen werden die ökonomisch-institutionellen Bedingungen eines verstärkten Engagements der Industrieländer untersucht Die Rolle der Regierungen der Industrieländer bleibt auf das Angebot von Informationen, technischen und finanziellen Hilfeleistungen beschränkt Das faktische Tempo des Umweltschutzes bestimmen die Entwicklungsländer, wie die Beispiele Entwicklungshilfe und Kontrolle von Agrarchemikalien zeigen. Bei der Verringerung globaler Umweltbelastungen, wie bei der Gefährdung der Ozonschicht, ist der Handlungsspielraum der Industrieländer erheblich größer, weil sie die Hauptemittenten sind. Die ungleiche Lastenverteilung der Kosten des Umweltschutzes zwischen den Industrieländern hat hier bisher eine Umweltpolitik des Nordens zugunsten des Südens verhindert.
I. Zuständigkeiten beim Umweltschutz in der Dritten Welt
Seit der Veröffentlichung des Berichtes „Global 2000" im Jahre 1980 sind die Folgen der Umweltbelastung und die Bedrohungen der natürlichen Ressourcen in der Dritten Welt als dringliche und aktuelle Probleme weltweit diskutiert worden. Die seit 1980 eingetretenen Ökokatastrophen in der Sahel-Zone und in Bhopal haben die Einschätzung dieser und anderer Studien sicher bestätigt. Damit hat ein Meinungsumschwung in der Bewertung der Umweltprobleme eingesetzt, der nur als radikal zu bezeichnen ist, wenn man sich den Diskussionsstand von 1972 auf der ersteh UN-Umweltkonferenz in Stockholm vergegenwärtigt. Damals wurde die Diskussion von der Position der brasilianischen Regierung beherrscht, derzufolge in, der Dritten Welt noch Platz für weitere Industrieansiedlungen auch unter Umweltgesichtspunkten vorhanden wäre. Mit diesem Wechsel in der Bewertung geht eine differenzierte Einschätzung der Umweltprobleme einher. Danach sind Umweltbelastungen in der Dritten Welt nicht mehr allein die unvermeidliche Folge der Industrialisierung und beschränken sich nicht auf Luft-und Wasserverschmutzung. Gleichzeitig findet eine Umweltzerstörung durch Armut statt, die in Vielen Fällen noch wichtiger ist. Durch diese doppelte Belastung unterscheidet sich die Dritte Welt vom Norden dieses Planeten. Uber die einzelnen Aspekte dieser Belastungen und ihre in Teilregionen krisenhafte Zuspitzung ist seit „Global 2000“ häufiger denn zuvor berichtet worden, so daß jetzt die Frage nach den Gegenmaßnahmen stärker in den Vordergrund rücken muß. Hier sollen die Gegenmaßnahmen beschrieben und erörtert werden, bei deren Durchführung die Industrieländer eine wichtige Position einnehmen können. Zuerst sollen die internationalen Vorschläge für Aktionsprogramme zusammengestellt, verglichen und kritisch beleuchtet werden, ehe die Probleme konkreter Maßnahmen untersucht werden, die in der öffentlichen Diskussion einen herausragenden Rang einnehmen: Entwicklungshilfe, Agrarchemikalienexport und Schutz vor globalen Umweltbelastungen.
Das von Barbara Ward und Ren Dubos in dem Buch „Wir haben nur eine Erde“ (Only one Earth) entworfene Bild verführt häufig dazu, die globale Sicht der Probleme in einen Globalismus der Gegenmaßnahmen zu verwandeln, der dann zu einer Verschiebung der Verantwortung führen kann. So häufig und so vielfältig die ökologischen Verflechtungen auf dieser Erde auch sein mögen, zentraler Bezugspunkt einer Politik der Erhaltung der Erde kann nur der Nationalstaat sein; in vielen Fällen können es nur lokale Gruppen oder lokale und regionale politische Instanzen sein. Die internationalen Dimensionen der Umweltbelastungen und ihrer Ursachen-ketten machen eine internationale Koordination notwendig und zunehmend dringender, lösen aber die primäre nationale Zuständigkeit nicht auf. Dies gilt auch für die meisten Umweltprobleme, unter denen die Dritte Welt zu leiden hat
Ein solches Zuständigkeitsprinzip kann hohl bleiben, wenn den einzelnen Staaten die Voraussetzungen zur materiellen Ausfüllung dieser Zuständigkeiten fehlen, wie finanzielle Ressourcen und/oder technisches Know-how. Diese Voraussetzungen können erworben werden, auch durch den Import von Beratung und technischen Lösungsansätzen. Das Ausmaß der Unterstützung der Entwicklungsländer durch die Regierungen der Industrieländer kann sehr weit gehen, aber das Souveränitätsprinzip dürfte besonders für die Regierungen der Entwicklungsländer Priorität genießen. Deshalb ist für den Umweltschutz die politische Verantwortung jedes einzelnen Staates vorrangig. Die politische Willensbildung in einem Staat verläuft nicht in politischer Isolation; ökologische Kenntnisse, die Bewertung von Problemen und das Aufzeigen von Lösungsansätzen werden international „gehandelt". Die gegenwärtige Diskussion in der Bundesrepublik über Wege und Fortschritte der Luftreinhaltung lebt auch von entsprechenden Erfahrungen etwa in Japan und den Vereinigten Staaten. Ein grundsätzlicher Unterschied ergibt sich nur dann, wenn es sich um den Schutz vor globalen Belastungen handelt, die auch die Entwicklungsländer treffen; hier ist die Verantwortung der Industrieländer, besonders wenn sie der Hauptemittent der Belastungen sind, direkt und unmittelbar angesprochen.
II. Globale Umweltschutzprogramme: Maßnahmenkatalog für die Dritte Welt
Es gibt eine Reihe von Gremien, die zu Einzelfragen der Umwelt und Ressourcenproblemen der Entwicklungsländer Stellungnahmen abgegeben haben; aber es gibt bisher „nur“ vier Gremien, die versucht haben, umfassend zu einer Bewertung dieser Probleme zu gelangen und Hinweise für Handlungsansätze zu geben
— Das erste Gremium ist der Sachverständigenrat für Umweltfragen der USA, der 1981 auf eine entsprechende Anfrage des damaligen US-Präsidenten Carter aus dem Jahre 1977 reagierte. Der erste Teil der Antwort des Sachverständigenrates, eine Bestandsaufnahme und die Modellierung möglicher Entwicklungstrends, trägt den Titel „Global 2000“. Der zweite Teil der Antwort mit dem Titel „Globale Zukunft — Zeit zu handeln“ vom Januar 1981 ist wegen des Streites um die Zuverlässigkeit der Prognose des ersten Teils in der US-amerikanischen Öffentlichkeit zu Unrecht im Hintergrund geblieben Dieser zweite Teil enthält neben einer Kurzbeschreibung der globalen Umwelt-und Ressourcen-probleme eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die US-Regierung, die zum größten Teil einen Beitrag zur Verbesserung der Belastungen in der Dritten Welt liefern sollen.
— Der zweite Bericht ist die Weltstrategie zur Erhaltung der Natur, den die Internationale Union zur Erhaltung der Natur 1980 in Zusammenarbeit und mit finanzieller Unterstützung durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) ausgearbeitet hat. Diese Organsisation wendet sich mit ihren Vorschlägen ungefragt an Politiker in den Regierungen, an Naturschützer und Fachleute aus verwandten Gebieten sowie an Entwicklungshilfesachverständige. Der Bericht enthält gleichrangig eine Darstellung der Ziele, die bei der Erhaltung der Natur zu beachten sind, und eine Zusammenstellung nationalstaatlicher und internationaler Maßnahmen. — Der dritte Bericht mit dem Titel „Wirtschaft und Umwelt" ist das Ergebnis einer Arbeitsgruppe im Umweltschutzdirektorat der OECD der Vereinigung der westlichen Industrieländer. Dieser Bericht geht auf eine Anregung des früheren japanischen Außenministers M. Saburo Okita zurück, der bereits 1981 zu diesem Thema Stellung genommen hat Der OECD-Bericht bezieht sich, wie der Untertitel andeutet, auf die Verflechtung von Ökonomie und Ökologie zwischen den OECD-Ländern und Entwicklungsländern. Er beschreibt kurz die Fakten, erläutert Hindernisse und Aktionsmöglichkeiten, skizziert vorhandene Aktivitäten auf internationaler Ebene und macht sich Gedanken über weitere mögliche Aktionen der Industrieländer.
— Der vierte Bericht mit dem Titel „The Global Possible" ist das Ergebnis einer internationalen Konferenz im Jahre 1984 in den USA mit Teilnehmern aus 20 Ländern — auch aus der Dritten Welt —, aus Wissenschaft, Regierungen, Industrie und Umweltschutzverbänden. Veranstaltet wurde die Konferenz vom World Resources Institute in Washington, das sich, finanziell unabhängig, mit globalen Ressourcenfragen beschäftigt. Sein Direktor war der frühere Vorsitzende des Sachverständigenrates für Umweltfragen in den USA unter Präsident Carter und für „Global 2000" mitverantwortlich. Der Bericht enthält ein Handlungsprogramm, das sich zuerst an die Regierungen wendet, aber darüber hinaus explizit Manager, Wissenschaftler und Umweltschützer anspricht.
Die Berichte sprechen fast alle Umwelt-und Ressourcenprobleme an, die es in den Entwicklungsländern gibt, setzen jedoch unterschiedliche Schwerpunkte, die Eigeninteressen und Sichtweisen der jeweils tragenden Organisationen reflektieren (Schaubild 1). Die beiden US-Berichte „Globale Zukunft“ und „Globale Möglichkeiten" sind vollständig und sparen kein Problem aus, angefangen von der Bevölkerungsplanung über landwirtschaftliche Böden, Wasser, tropische Forsten bis hin zu globalen Umweltbelastungen. Die Welterhaltungsstrategie ist ebenfalls sehr breit, setzt aber deutliche Akzente bei der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen landwirtschaftlicher Böden und Wasser, bei der Erhaltung der genetischen Vielfalt und bei der dauerhaften Nutzung von Fischen, Wildbestand, Forsten und Weideland.
In allen Programmen taucht die verstärkte Förderung des Umwelt-und Ressourcen-schutzes als Forderung an die Industrieländer auf, die auf dem Weg über Entwicklungshilfe und die Unterstützung entsprechender internationaler Organisationen umzusetzen sei. Als zweiter wichtiger Punkt gehört die Umorientierung der vorhandenen Entwicklungshilfe durch eine entsprechende Evaluierung der Projekte zum Bestand aller globalen Umweltprogramme. Durch die angepaßtere Entwicklungshilfe sollen vorhandene oder geplante Projekte umweltverträglich gestaltet werden und die Entwicklungsländer finanziell und technisch bei ihren eigenen Bemühungen unterstützt werden. Die Vorschläge reichen von der Unterstützung einzelner Ausbildungs-und Trainingsprojekte bis hin zur regelmäßigen Förderung von internationalen Forschungsorganisationen.
Zusätzlich zur finanziellen und technischen Hilfe der Industrieländer bestimmen diese Aktionsprogramme noch weitere Aufgabenbereiche, die einer Lösung harren. Sie betreffen:
— die Kontrolle des internationalen Handels; — den Chemiekalien-Export;
— den Export gefährlicher Abfälle;
— den Import tropischer Hölzer;
— die Kontrolle der Direktinvestitionen der multinationalen Unternehmen;
— die Verringerung des Anteils der Industrieländer an globalen Umweltbelastungen.
Die Frage der Kontrolle des Exportes umweltgefährdender Substanzen (Agrarchemikalien, Abfälle) wird nur von der OECD und dem US-Sachverständigenrat behandelt. Beim Import tropischer Hölzer schlagen der Sachverständigenrat und die International Union for the Conservation of Nature (IUCN) die Ausfüllung und Befolgung von internationalen Verhaltensregeln für die westlichen Konzessionäre vor. Der Umweltschutz bei multinationalen Unternehmen aus den Industrie-ländern wird von der OECD und „Global Possible" gefordert, wobei die OECD auf ihren . Code of Conduct verweist, während „Global Possible" stärker auf das langfristige Eigeninteresse der Unternehmen setzt: Schlechtes Image und Schadensersatzansprüche beeinträchtigen, wie die Reaktion auf Bhopal zeigt, langfristige Unternehmensziele.
Die Forderungen der vier Aktionsprogramme sind bereits in vielen Industrieländern bei anderen Gelegenheiten aufgestellt worden und haben häufig schon eine eigene politische Geschichte, an der das Für und Wider der einzelnen Gegenmaßnahmen erläutert werden kann. Im folgenden sollen die Vorschläge zu drei Teilbereichen, soweit sie insbesondere in der Bundesrepublik konkretisiert wurden, dargestellt und ihre Vor-und Nachteile ausgeleuchtet werden. Diese Bereiche sind: — der Umweltschutz in der Entwicklungshilfe, — die Kontrolle des Exportes von Agrarchemikalien; — die Verbesserung des globalen Umweltschutzes durch die Kontrolle der Emissionen von Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen (FKW).
Aus Raumgründen muß hier auf die Diskussion der Kontrolle der multinationalen Unternehmen unter Umwelt-und Sicherheitsge-sichtspunkten verzichtet werden. Bisher gibt es in diesem Bereich nur einen Entwurf der OECD über einen Verhaltenskodex in bezug auf den Umweltschutz, der die Unternehmen auffordert, sich an die Vorschriften zu halten, die örtlichen Behörden zu informieren und für eine entsprechende Ausbildung des Per-B sonals in den Entwicklungsländern zu sorgen. Der Unfall in Bhopal hat für weitergehende Forderungen im US-Kongreß gesorgt, aber alle konkreten Vorschläge machen Halt vor der nationalen Souveränität der Entwicklungsländer. Weiterhin fehlt die Kontrolle des Exportes gefährlicher Abfälle. In den USA sind eine Reihe von Fällen bekannt geworden, in denen versucht worden war, gefährliche Abfälle in den Entwicklungsländern zu lagern, höchstwahrscheinlich unter Bedingungen, die der Problematik dieser Abfälle in keinster Weise gerecht werden. Bisher hat die öffentliche Diskussion in den USA dazu geführt, daß die Verträge nicht zum Abschluß gebracht worden sind In Europa scheint der Export von gefährlichen Abfällen vorerst nur ein Teil des intra-europäischen, darunter auch des Ost-West-Handels geworden zu sein, so daß es sich hier noch um ein Problem der Industrieländer handelt
III. Zur Politökonomie der Nord-Süd-Umweltpolitik
1. Voraussetzungen für die Umsetzung einer umweltverträglichen Entwicklungshilfe Bevor nachstehend auf die Möglichkeiten der Entwicklungshilfe zur Unterstützung einer umweltgerechten Entwicklung eingegangen wird, sollen einige Bemerkungen zur Rolle der Entwicklungshilfe selbst vorangestellt werden. Die Entwicklungshilfe besteht aus finanzieller Hilfe (verbilligte Kredite und Zuschüsse in Form von Devisen) und aus technischer Hilfe (Entsendung erfahrener Experten), die für abgegrenzte Einzelprojekte, häufig in Form von Investitionsvorhaben, gegeben wird.
Neben dieser Quelle der Investitionsfinanzierung und der Beschaffung von Know-how gibt es noch weitere Quellen wie kommerzielle Kredite und Direktinvestitionen der multinationalen Unternehmen sowie als interne Quelle die Kapitalbildung in den Entwicklungsländern, die im Durchschnitt aller Länder 90% der Investitionsbudgets selbst finanzieren. Für die Gruppe der Länder mit sehr geringem Einkommen, insbesondere in den ärmsten Staaten Afrikas, ist die Bedeutung der Entwicklungshilfe für die Investitionen erheblich höher. In der Regel dient Entwicklungshilfe der Finanzierung der Devisenkosten von Einzelprojekten, während deren laufende Kosten und Inlandskosten von den Entwicklungsländern getragen werden (sollen). Ein Entwicklungshilfeprojekt kann üblicherweise also dann nur erfolgreich sein, wenn der Projektnehmer im Entwicklungsland seinen Finanzierungsanteil und seine personelle Unterstützung der Projekte gewährleisten kann.
Im Idealfall stellen die Entwicklungsländer mehr tragfähige Anträge, als Entwicklungshilfemittel zur Verfügung stehen, so daß der Geber aus diesem Projekt auswählen kann. In der Praxis hingegen liegen die Knappheiten genau umgekehrt: Es gibt häufig mehr Entwicklungshilfemittel als tragfähige Projekte; es entsteht eine „Zusagepipeline". Diese Pipeline ist teilweise das Ergebnis geringer Absorptionsfähigkeit, d. h. Management und Verwaltung in vielen der besonders armen Entwicklungsländer können nicht für eine zeitgerechte Abwicklung und erfolgreiche Durchführung der Projekte sorgen. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen, wie unzureichende Ausbildung, geringe Erfahrung, nicht durchgeführte Verwaltungsreformen usw. aber auch Gründe, die im politischen System der jeweiligen Entwicklungsländer zu suchen sind, und/oder die Interessenlagen ausländischer Kapitalgeber. Diese Absorptionsfähigkeit ist in der Regel in den jüngeren, armen Staaten Afrikas geringer, so daß häufig die Geberinstitutionen versuchen, die Aufgaben der Verwaltung des jeweiligen Entwicklungslandes insoweit mitzuübernehmen, indem sie die Projekte und Investitionsprogramme mit entwickeln. Besonders ausgeprägt ist diese Situation in der Sahel-Zone, deren Staaten zu 80% bei den Devisen auf Entwicklungshilfe angewiesen sind. Mit Hilfe der Finanzhilfe, aber auch durch technische Hilfe werden mehrheitlich ausländische Investitionsgüter (z. B. Maschinen) erworben, für die bei den bilateralen Gebern Lieferbindung besteht. Deshalb ist die Entwicklungshilfe für exportierende Firmen der Geberländer von ökono-mischem Interesse, das sich bei der Projekt-auswahl in der Praxis bemerkbar macht Vor diesem Hintergrund sind die Möglichkeiten der Umorientierung der Entwicklungshilfe im Rahmen der Forderungen der internationalen Umweltprogramme zu beurteilen. Die Möglichkeiten bestehen im wesentlichen aus einer verstärkten Priorität umweltschutz-orientierter Projekte und einer Anpassung traditioneller Projekte unter Umweltgesichtspunkten. Das gegenwärtige Ausmaß der Berücksichtigung von Umweltschutz in der Entwicklungshilfe ist jenach Geberinstitution in qualitativer und quantitativer Hinsicht recht unterschiedlich, aber in allen Fällen noch verbesserungsfähig
Ein Weg zur Anpassung besteht darin, zusätzliche Mittel für umweltschutzorientierte Projekte zu bewilligen und/oder die Hilfestruktur entsprechend umzuschichten. Als zweite Maßnahme kommt die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für traditionelle Projekte in Frage. 1. Mehr Umweltschutzprojekte Geht man die Liste „Mehr Unterstützung für... in den globalen Umweltschutzprogrammen durch, dann ergibt sich eine Vielzahl von wünschenswerten Projekten, die von der Aufforstung, Einrichtung von Nationalparks, Aufbau von Forschungs-und Monitoring-Organisationen, Bevölkerungsplanung, Feuerholzplantagen, Biogasanlagen, Fischereimanagement, industrieller Umweltschutz, Wasserver-und Entsorgung, Müllbeseitigung, Integrierter Pflanzenschutz bis zum ÖkoLandbau reicht. Um die Struktur der Entwicklungshilfe nach diesen Listen umzuorientieren, ist es notwendig, daß die Entwicklungsländer ihre Budgets ebenfalls entsprechend umschichten. Hier sollten die Erwartungen an* die Entwicklungsländer ihre gegenwärtige wirtschaftliche Situation berücksichtigen: Zur Zeit versuchen die meisten Entwicklungsländer, ihre Budgets und Budgetdefizits an die veränderten internationalen ökonomischen Rahmenbedingungen anzupassen, so daß die Kürzung von Staatsausgaben im Vordergrund steht Auch wenn Umweltschutz in einigen Entwicklungsländern eine relativ hohe politische Priorität genießt, kann es häufig passieren, daß die Prioritäten innerhalb des Umweltschutzes nicht kongruent sind. Die Geberinstitutionen versuchen auf vielfältige Art, den Vorrang der Umweltschutzprojekte in den Entwicklungsländern mittlerweile zu erhöhen. In den Entwicklungsländern werden Wasserver-und -entsorgungsprojekte häufiger im Vordergrund stehen, vor allen Dingen in städischen Regionen, während z. B. in globalen Umweltprogrammen der Artenschutz sehr häufig gefordert wird. Dieser Unterschied zeigt sich, wenn etwa die indischen Umweltschützer in ihrem Bericht ein ganzes Kapitel dem Gesundheitsproblem und der sanitären Versorgung widmen während dieses Problem in den globalen Umweltprogrammen nur in einem Nebensatz angesprochen wird.
Selbst wenn sich die Ziele von Geber und Nehmer treffen, sind noch eine Reihe von Schwierigkeiten zu überwinden, wenn effektive Umweltschutzprojekte durchgeführt werden sollen, wie die Erfahrungen bei der Trinkwasserdekade zeigen. Hier haben sich die Industrieländer und Entwicklungsländer gemeinsam verpflichtet, der gesamten Bevölkerung bis Ende der achtziger Jahre in den Entwicklungsländern hygienisch sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen. Dieses Ziel wird nicht erreicht werden, weil die notwendigen Finanzmittel nicht zur Verfügung stehen werden. Für dieses überaus ehrgeizige Ziel hätten jährlich allein 30 Milliarden US-Dollar für Investitionen zur Verfügung gestellt werden müssen. Außerdem sind die eingesetzten Mittel nur begrenzt wirksam geworden, da die Wasserversorgungsprojekte aufgrund vielfältiger Schwierigkeiten ihre gesetzten Ziele nicht erreicht haben. Häufig ist die verbesserte Versorgung mit Trinkwasser nur von kurzer Dauer gewesen. Dies überrascht, wenn man erwartet, daß alle Beteiligten, die Bevölkerung, die Wasserbehörden in den Entwicklungsländern und die internationalen Entwicklungsbanken, ein gemeinsames Interesse an einer funktionierenden Wasserversorgung haben. Die zahlreichen Instandhaltungsprobleme zeigen aber, daß dieses gemeinsame Interesse sich schlecht umsetzen läßt -Den Wasserbehörden mangelt es an Betriebsmitteln und Personal, häufig auch an einer Leitung, die auf die Einhaltung der Instandsetzungstermine drängt; ferner reichen die Gebühren zur Finanzierung nicht aus. Bei der Bevölkerung herrscht aufgrund der Entwicklung des Projektes die Einstellung vor, daß für die Instandhaltung allein die Wasser-behörde verantwortlich ist. Entspringt ein Projektkonzept nicht oder nur in einem geringen Maß der politischen Willensbildung in den Entwicklungsländern, dann ist auch nicht gewährleistet, daß ein von der Entwicklungshilfe entworfenes oder mit ihr finanziertes Projekt nach Abzug der Entwicklungshelfer/beratenden Ingenieure mit voller Leistung weiterarbeitet Diese Annahme ist um so wahrscheinlicher, je größer der Anteil der externen Finanzierung und der Zuschußanteil ist, es sei denn, daß das Projekt aus eigenen Gebühren finanziert werden kann. Bei Umweltschutzprojekten ist dies, mit Ausnahme der Wasserversorgungsprojekte, nicht anzunehmen, so daß eine dauerhafte Forschung, Überwachung, Aufforstung etc. nur dann zu erwarten ist, wenn die laufenden Kosten über das Budget des Entwicklunglandes abgesichert werden. 2. Umweltverträglichkeitsprüfung Bei den traditionellen Projekten ist ein Eigeninteresse der Entwicklungsländer häufiger gegeben, obwohl man davon augehen kann, daß bei der Konzeptentwicklung der Projekte Exportinteressen des Geberlandes mit einfließen. Durch diese Projekttypen aus der Landwirtschaft, Industrie und Infrastruktur entstehen häufig Umweltbelastungen, die sich zu denen addieren, die durch die Armut in den Ländern bereits verursacht werden. Um diese Belastungen einzudämmen, wird häufig die Anwendung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Eine solche Prüfung ist geeignet, die Umweltbelastungen zu vermeiden, wenn sie als entsprechendes Planungs-und Entscheidungsinstrument eingesetzt wird. Ob dies der Fall ist, hängt von den institutioneilen Bedingungen der Durchführung einer solchen Prüfung im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit ab. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß die Prüfung allein nicht zu einer Verringerung der Umweltbelastungen führt: Die Entwicklung von Kontrollmaßnahmen muß für die Lebensdauer des Projektes durchgesetzt werden.
Bei einem Entwicklungshilfeprojekt arbeiten Projektnehmer — wie etwa Staatsunternehmen, Ministerien oder nachgeordnete Behörden —, eine internationale Entwicklungsbank und beratende Ingenieure zusammen. Zur Zeit sind die Geberinstitutionen die Motoren der Umweltverträglichkeitsprüfung: aufgrund eigener Erfahrungen mit ökologischen Fehlschlägen und aufgrund des politischen Drucks von Umweltschutzverbänden in den Industrieländern. Bis heute sind viele Studien zur Umweltverträglichkeit einzelner Projekte von den Geberinstitutionen initiiert worden, aber eine systematische Verbesserung konnte damit noch nicht erreicht werden. Vielfach ist die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht entscheidungsrelevant, da sie noch nicht begonnen wurde, wenn bereits die entscheidenden Schritte bei der Konzeption eines Projektes gemacht werden.
Problematisch ist die Bewertung der identifizierten Umweltbelastungen und der Konsequenzen, die sich daraus für die Projektbewilligung ergeben. Die politische Auseinandersetzung in den Industrieländern, die implizit zu einer politischen Bewertung der angestrebten Umweltqualität geführt hat, hat in vielen Entwicklungsländern noch nicht stattgefunden oder beginnt erst Deshalb weichen die Maßstäbe der Geberinstitutionen von denen der Projektträger ab, und es bleibt abzuwarten, wessen Maßstab sich durchsetzt. Die Weltbank hat für ihre Industrieprojekte Emissionsstandards festgesetzt, die sich an denen in den USA orientieren. Alle anderen Geber tun sich hier schwerer, weil sie vergleichbare Projekte, die ohne Entwicklungshilfe finanziert werden, miteinbeziehen. In der Praxis wird diese Frage durch den Pipelinedruck, die politische Bedeutung des Nehmerlandes und die Stellung des Projektnehmers in der Entwicklungsstrategie des Entwicklungslandes entschieden.
Sobald nach der ersten Betriebsphase von den Projektnehmern die vollständige Kontrolle über das Projekt übernommen wird, verringern sich die Möglichkeiten der Geberinstitu-tionen erheblich, die Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen durchzusetzen, wenn der Projektnehmer ein geringes Interesse am Umweltschutz hat. Während der Bauphase sind die Kontrollmöglichkeiten und Sanktionsmöglichkeiten besser: Die beratenden Ingenieure sind noch vor Ort und die Auszahlung der Kredite oder Zuschüsse erfolgt entsprechend dem Baufortschritt und den Auflagen des Darlehensvertrages. Die Möglichkeiten, durch die Umweltverträglichkeitsprüfung den Umweltschutz in der Entwicklungshilfe zu fördern, beschränken sich somit im wesentlichen darauf, mit Hilfe von projektspezifischen Studien Informationen über Umwelt-gefahren zu geben und Gegenmaßnahmen aufzuzeigen. Solange der Projektnehmer aus ökonomischen oder politischen Gründen diese Informationen nicht oder nur widerwillig zur Kenntnis nimmt, daraus keine Konsequenzen zieht oder die Risiken der Umwelt-belastungen geringer einschätzt, sind die Sanktionsmöglichkeiten der Geber gegenüber dem Projektträger im Rahmen eines Projekts gering, wenn einmal der Kredit ausgezahlt ist. Die Position der Geberinstitution ist durch die Neuanträge gegenüber dem Entwicklungsland stärker, allerdings sind die Sanktionsmöglichkeiten angesichts der Pipeline und des politischen Drucks, die Entwicklungshilfe zu steigern, auch hier gering. Zunehmend wichtiger werden bei der Umsetzung von Umweltverträglichkeitsstudien die nationalen Umweltschutzinstitutionen in den Entwicklungsländern selbst. Hier hat es als Folge von Anregungen und der technischen Unterstützung, die Geberinstitutionen ausgeübt haben (besonders die Weltbank), eine Zunahme der Institutionalisierung der Umweltverträglichkeitsprüfung in Entwicklungsländern gegeben; aber diese Veränderungen sind noch sehr unterschiedlich und haben erst zu begrenzten Verbesserungen geführt 3. Die Wirksamkeit der Kontrolle des Exportes von Agrarchemikalien Die politische Forderung nach einer weitergehenden Kontrolle des Exports von Agrarchemikalien, d. h. Unkraut-und Schädlingsvernichtungsstoffen, gründet sich auf die immer stärker sichtbar werdenden Folgen der Anwendung von Agrarchemikalien in der Dritten Welt. Diese negativen Folgen sind — eine zunehmende Resistenz der Schädlinge: Anstieg von 182 auf 364:
— die Gesundheitsgefährdung und hohe Sterberaten der die Mittel anwendenden Landarbeiter: Frühe Studien haben weltweit 500 000 Unfälle und 5 000 bis 10 000 Tote pro Jahr geschätzt; diese Zahlen scheinen allerdings einer genaueren Prüfung nicht standzuhalten;
— die Wasserverunreinigungen und Fischvergiftungen als Folge eines unangemessenen Einsatzes;
— die Anreicherungen in der Nahrungskette und der Reimport in die Industrieländer. Die Resistenz-und Rückstandsprobleme haben auch in den Industrieländern zu einer kritischen Einstellung gegenüber der chemischen Schädlingsbekämpfung geführt, so daß in beiden Ländergruppen der integrierte Pflanzenschutz zur Zielvorstellung geworden ist. In diesem Konzept wird auf chemische Schädlingsbekämpfung nicht vollständig verzichtet, aber ihre Bedeutung wird erheblich geringer. Ziel der Umweltpolitik gegenüber dem chemischen Pflanzenschutz ist die Verringerung der Einsatzmengen und Verzicht auf ökologisch besonders gefährliche Wirkstoffe. Die Agrarchemikalien, die in der Dritten Welt verwendet werden, bestehen zu einem großen Teil aus Importen aus den Industrieländern. Nur in den größeren Schwellen-ländern stehen Produktionsanlagen in nennenswerten Umfang zur Verfügung, so in Brasilien, Mexiko oder Indien. Für die Hersteller der Agrarchemikalien in den Industrieländern ist der Export von großer Bedeutung: Aus der Bundesrepublik wurden bei einer Produktion von 148 000 t Wirkstoff 1983 146 2001 exportiert. Den größten Teil des Ex-portes nehmen andere Industrieländer auf, während etwa 15— 20% auf Entwicklungsländer entfallen. Nur in den Entwicklungsländern wird nach der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO noch eine Steigerung des Verbrauches erwartet, während die Nachfrage in den Industrieländern stagniert.
Weil die Produktion und die Forschung in den Industrieländern konzentriert sind, sind die Informationen in den Entwicklungsländern über Wirkungsmechanismen, Ökologische Nebenwirkungen und Gesundheitsrisiken sehr beschränkt verfügbar. Weiterhin sind die Bedingungen zur Nutzung dieser Informationen ungünstig, da es nur in 35 Entwicklungsländern nominell Zulassungsverfahren für Importe gibt, deren personelle und finanzielle Ausstattung aber nicht mit den Institutionen in den Industrieländern vergleichbar ist Weil die Interessenlage der Anwender in den Entwicklungsländern die Verwendung von billigen Breitbandinsektiziden begünstigt und weil zumindest kurzfristig die. staatliche Kontrolle in den meisten Entwicklungsländern unzureichend bleiben wird, rückt zunehmend die Exportkontrolle als um-weltpolitisches Instrument in den Vordergrund. Einer der wichtigen Kristallisationspunkte dieser Entwicklung war die Neufassung des US-amerikanischen Pflanzenschutzgesetzes aus dem Jahre 1978, bei der die Exportvorschriften für Agrarchemikalien verschärft wurden. Wie in allen Industrieländern gelten die Zulassungsvorschriften der Pflanzenschutzgesetze nur für den inländischen Verbrauch, aber nicht für den Export. Das bedeutet, daß alle im Inland nicht zugelassenen oder nur eingeschränkt verwendbaren Wirkstoffe exportiert werden können. Als Ausnahme ist das Produktionsverbot von DDT in der Bundesrepublik zu erwähnen. In den meisten Industrieländern ist für den Import ebenfalls ein Zulassungsverfahren erforderlich, so daß die Industrieländer vollständig geschützt sind, aber in vielen Entwicklungsländern fehlen, wie bereits beschrieben, solche Verfahren. Um diese Lücke zu füllen, stehen mehrere Maßnahmen zur Verfügung, die ein exportierendes Industrieland im Sinne einer Zwischenlösung ergreifen kann: — Ausweitung des Zulassungsverfahrens auf Exporte; — Kennzeichnungspflicht der exportierten Wirkstoffe;
— Meldepflicht des Exporteurs und Importeurs bei der nationalen Zulassungsbehörde. Die erste Möglichkeit ist bisher noch nicht ergriffen worden; sie wird in der Bundesrepublik als Forderung des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und von den Grünen erhoben. Folgende Gründe werden für die bisherige Ausnahme von Exporten von der Zulassungspflicht angegeben: Die Zulassung neuer Wirkstoffe basiert auf ökotoxikologischen Tests, die auf die Bedingungen der Industrieländer zugeschnitten und nicht unbedingt übertragbar sind Die Schädlingssituation in den Entwicklungsländern kann die Anwendung in Europa oder den USA beschränkt zugelassener Wirkstoffe eher notwendig machen. Die Abwägung zwischen Nutzen und Risiko, die jeder Zulassungsentscheidung zugrunde liegt, kann für die Entwicklungsländer anders ausfallen als für die Industrieländer. Unausgesprochen bleibt natürlich, daß durch die Ausweitung des Zulassungsverfahrens auf Exporte Exportmöglichkeiten der betroffenen Industriezweige verlorengehen. Die deutsche Industrie betont allerdings, daß die davon betroffenen Substanzen ökonomisch von untergeordneter Bedeutung sind. Bei den chemisch einfachen Pestiziden, bei denen Patente abgelaufen sind und die eine Vielzahl von Herstellern billig produzieren können, könnten die Gewinnmargen tatsächlich relativ niedrig sein. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß eine einseitige nationale Ausweitung des Zulassungsverfahrens nicht ausreicht, um einen wirksamen Umweltschutz zu gewährleisten. Nur ein gemeinsames Vorgehen aller Exportländer kann wirksam Abhilfe schaffen. Die Notwendigkeit einer internationalen Absprache macht politisch auch die Ausweitung der Zulassungspflicht auf Exporte unwahrscheinlich. Selbst wenn hier eine Koordinierung über die OECD gelänge, bestünde immer noch die Möglichkeit, daß die Entwicklungsländer die persistenten und billigen Pestizide wie z. B. DDT selbst herstellen und exportieren. Diese Tendenz zeichnet sich ab, da die multinationalen Unternehmen aus den Industrieländern schon Produktionsstätten in Entwicklungsländer verlagert haben. Da diese Anlagen häufig als joint venture mit Staatsun-ternehmen gebaut werden, sind die Voraussetzungen dafür günstig, daß sie nach einer Übergangszeit in die vollständige Kontrolle der Entwicklungsländer übergehen. Dies ist z. B. in Mexiko bereits geschehen.
Den geringsten Widerstand seitens der Industrie verursacht eine Kennzeichnungspflicht, wie sie auch Bestand der Neufassung des US-Pflanzenschutzgesetzes ist. Die Formulierung: „Not Registered for Use in the USA" muß auf allen exportierten Fässern und Kanistern stehen. Sie ist in der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls vorgesehen. Angesichts der Sprachprobleme und des hohen Analphabetentums in vielen Ländern der Dritten Welt wird diese Maßnahme eine geringe Schutz-wirkung haben. Häufig sind die Hinweise für Unfallhilfen lakonisch und wenig hilfreich. Einen wirksameren Schutz kann es bei diesem Vorgehen nur geben, wenn speziell ausgebildete Fachkräfte die Mittel ausbringen.
Als dritte Maßnahme kommt die Meldepflicht mit einem Genehmigungsvorbehalt der Umweltbehörde des Exportlandes in Frage. Die US-Regelung macht die Exportgenehmigung von einer Vorlage eines Papiers des Importeurs abhängig, aus dem hervorgeht, daß er die Nichtzulassung in den USA kennt. Diese Regelung verbessert den Informationsstand des Importlandes, schafft aber noch keinen wirksamen Schutz. Eine solche Regelung ist bei der Gesetzesnovellierung in der Bundesrepublik nicht zustande gekommen, u. a. weil sie als bürokratisch und zu teuer gilt, neue Handelsschranken errichtet und das Prinzip der Souveränität verletzt
Der Aufwand dieser Regelung hängt von der Klassifizierung der eingeschränkten Wirkstoffe ab. So ist z. B. zu entscheiden, ob Pestizide gegen Reisschädlinge, die wegen des fehlenden Reisanbaus in der Bundesrepublik nicht zugelassen sind, auch unter diese Meldepflicht fallen. Eine präzise Abgrenzung zwischen meldepflichtigen (auf 70 bis 200 geschätzt) und nicht meldepflichtigen Wirkstoffen und ihre Bedeutung im internationalen Handel fehlt, so daß eine Kostenschätzung dieser Meldepflicht nicht durchführbar und das Kostenargument nicht nachprüfbar ist. Weil bei den Meldepflichten die nationalen Regelungen der Exportländer voneinander abweichen, wird auch hier eine Harmonisierung angestrebt, um Wettbewerbsnachteile für die betroffenen Firmen zu vermeiden. Auf internationaler Ebene gibt es zur Zeit als Ergebnis dieser Harmonisierungsbemühungen Empfehlungen des OECD-Rates über den Minimalumfang von Informationen, die vor der ersten Ausfuhr an das Empfängerland übermittelt werden sollen Zusätzlich existiert ein Vorschlag für einen Verhaltenskodex für Händler und Hersteller, den die deutsche Delegation 1982 in den OECD-Umweltausschuß eingebracht hat und der auf einem Verhaltenskodex des Deutschen Industrieverbandes mit freiwilliger Beteiligung der Industrie basiert: Die Informationen über Exporte bleiben beim Hersteller und gehen nicht an eine Behörde des Exportlandes. Als dritte internationale Maßnahme sind Listen über verbotene oder beschränkt zugelassene Produkte entwickelt worden. Seit 1973 gibt es eine Liste bei den Vereinten Nationen in New York, die 78 Stoffe enthält, und seit 1983 veröffentlicht das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) die gesetzlichen Regelungen der Industrieländer für 500 Industriechemikalien. Alle diese nationalen und internationalen Maßnahmen können aber nur einen Aspekt des Umweltschutzes verbessern, nämlich die Informationslage der Entwicklungsländer erhöhen. Das Pesticide Action Network — eine internationale Bürgerinitiative — fordert als Voraussetzung für den Export die informierte Zustimmung (informed consent). Nur die Entwicklungsländer selbst können die entsprechenden Regelungen einführen, die notwendig sind, um aus diesen Informationen Konsequenzen zu ziehen. Daß diese Konsequenzen nicht immer zu ökologisch sinnvollen Regelungen führen, zeigt die Pflanzenschutzgesetzgebung z. B. in Brasilien In Indien wird DDT weiterhin sowohl zur Malariabekämpfung im Rahmen staatlicher Gesundheitsprogramme als auch in der Landwirtschaft beim Baumwollanbau und bei Reis benutzt, obwohl gerade bei dieser Substanz kein Informationsmangel mehr bestehen dürfte Unter diesen Ümständen hängt es auch bei einer vergleichbaren Pestizidgesetzgebung in den importie-renden Entwicklungsländern von der Abwägung zwischen Risiko und Nutzen des einzelnen Landes ab, ob Pestizide zugelassen werden, die in Europa verboten sind. 4. Die Kosten des Schutzes globaler Umweltgüter: Die Ozonschicht Die Umwelt in den Entwicklungsländern wird nicht nur durch hausgemachte oder importierte Belastungen beeinträchtigt, auch globale Risiken haben Rückwirkungen auf die Tragfähigkeit ihrer Umwelt. Alle internationalen Umweltschutzprogramme sprechen die globalen Umwelt-und Ressourcenschutzprobleme an und fordern die Industrieländer auf, hier zu Lösungen zu gelangen. Tatsächlich sind hier die Ausgangsbedingungen für eine erfolgreiche globale Umweltpolitik einfacher, da zur Implementation dieser Politik nicht die überlasteten Behörden und Verwaltungen von Entwicklungsländern notwendig sind. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, daß bei diesem Typ internationaler Umweltpolitik eine Einigung über Art und Umfang der Umweltpolitik zwischen den Industrieländern notwendig wird. Aufgrund der mit einer Regelung verbundenen Kosten und der unterschiedlichen Verteilung der Kosten zwischen den Ländern werden diese Umweltprobleme selten einer wirksamen Regelung unterworfen. Als ein Beispiel sei hier der Schutz der Ozonschicht angeführt, für den eine Konvention unter Federführung des Umweltschutzprogrammes der Vereinten Nationen (UNEP) kurz vor dem Abschluß steht, während das Protokoll zur Umsetzung der Konvention umstritten ist.
Die Ozonschicht ist eine dünne Schicht in der Stratosphäre, die die Erde vor schädlicher Ultraviolettstrahlung schützt. Diese Schicht wird durch die Emissionen von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FKWs) zerstört, die als Treibgas in Sprühdosen, als Kühlmittel in Kühlschränken und in Klimaanlagen und zur Herstellung von Schaumstoffen verwendet werden. Seit 1974 wird vermutet, daß diese Stoffe die Ozonschicht zerstören. Allerdings kann die Rate der Zerstörung nur geschätzt werden. In den letzten Jahren sind die Schätzungen über den vermuteten Ozonabbau nach unten revidiert worden. Es wird von zwei schädlichen Wirkungen der Ozonschichtzerstörung ausgegangen: Bei hellhäutigen Menschen auf der nördlichen Hälfte der Erde nehmen Hautkrebserkrankungen zu und außerdem steigt die globale Durchschnitts-temperaturzwischen 0, 5 und 1, 5° C Die Bedeutung der Temperaturerhöhung ist nicht unumstritten, aber sie würde wahrscheinlich in den Entwicklungsländern zu Ernteverlusten führen. Die Schätzungen schwanken sehr stark, je nach Pflanzenart und Annahme über die Variation von Temperatur und Regen. Aber man kann bei aller gebotenen Vorsicht wohl davon ausgehen, daß die Gesundheitsschäden zu einem großen Teil in den Industrieländern auftreten, während die Ernteverluste in den Entwicklungsländern anfallen werden.
Die Emissionen werden zu 85 % von den OECD-Ländern verursacht, so daß die Industrieländer es bei diesem Umweltproblem in der Hand hätten, durch eigenes Handeln Schaden von den Entwicklungsländern abzuwenden. Die Kontrolle der FKW-Emissionen beschränkt sich zur Zeit auf ein nationales Verbot von FKWs als Treibgas in Sprühdosen in den USA aus dem Jahr 1978, dem sich Dänemark und Schweden angeschlossen haben, und auf eine freiwillige Vereinbarung über eine 30%ige Verringerung des Einsatzes von FKWs in Sprühdosen in der Bundesrepublik, die von der EG-Kommission in einer Empfehlung aufgenommen wurde.
Zur Zeit ist ein Protokoll zu der bereits erwähnten Konvention zum Schutz der Ozonschicht in der Diskussion, durch das eine globale Regelung zur Verringerung des Einsatzes von FKWs in Sprühdosen erreicht werden soll. Für dieses Protokoll gibt es zwei Vorschläge, einen der USA und einen der EG. Nach dem US-Vorschlag muß jeder Staat die Verwendung dieser Stoffe in Treibgasen nach zwei Jahren um 40 % und nach vier Jahren um 80 % einschränken und nach sechs Jahren den Export auch um 80 % verringern. Dieser Vorschlag wird von Kanada, Australien und einigen Entwicklungsländern unterstützt. Nach dem EG-Vorschlag soll statt dessen die jetzt existierende Produktionskapazität begrenzt und die Verwendung dieser Stoffe in Sprühdosen nach zwei Jahren um 30 % verringert werden. Die Vorschläge bedeuten, daß alle anderen Staaten die im eigenen Land bereits erreichte Verringerung nachvollziehen und die eigene Industrie geschützt wird. Die Kosten der US-Regelung von 1978 waren recht gering, da die Hersteller der Sprühdosen billige und wirksame Ersatzstoffe fanden und die Konsumenten aufgrund der Diskussion in den USA Mitte der siebziger Jahre FKW-freie Sprays bereitwillig akzeptierten. Die einzigen Verlierer waren die Hersteller dieser Stoffe In Europa, besonders in Frankreich und Großbritannien, hat der Über-gang zu FKW-freien Spraydosen in sehr beschränktem Umfang stattgefunden, weil es hier technische Probleme beim Wechsel zu den Ersatzstoffen gibt und die Konsumenten stärker auf FKW-haltige Produkte zurückgreifen. Entsprechend gewachsen ist der Widerstnd der Industrie in diesen Ländern auf nationaler Ebene und bei den Protokollverhandlungen. Ein wirksamer Schutz der Ozonschicht gelänge nur, wenn ein faktisches Verbot der Sprühdosenverwendung in den Industrieländern durchgesetzt würde. Dann allein wäre ein Nullwachstum der Gesamtemissionen bis Ende dieses Jahrzehntes gesichert, weil der Verbrauch von FKWs für Kühlmittel und in Schaumstoffen steigt und es teurer würde, diese Verwendungen zu verringern. So lag 1981 der Gesamtverbrauch von FKW in der EG nur acht Prozent unter dem Niveau von 1976, obwohl vierzig Prozent des Verbrauches von FKWs bei Sprühdosen durch die freiwillige Vereinbarung eingespart wurde
Die Diskussion in den USA über weitergehende Einschränkungen der Verwendung von FKWs in Klimaanlagen, Kühlschränken und Schaumstoffen und der anschließende Verzicht auf eine Regelung zeigt, daß zur Zeit kein Land bereit ist, kostenintensive Regelungen vorzunehmen. In der EG gibt es nicht einmal die Bereitschaft zur Einschränkung bei weniger aufwendigen Verwendungen, solange der Schaden noch nicht für alle unbezweifelbar sichtbar geworden ist. Aber dieses Vorgehen ist nicht allein auf den Schutz der Ozonschicht beschränkt
IV. Resümee
Im Vergleich zu den Vorschlägen der vorgestellten globalen Umweltprogramme fällt der Beitrag der Industrieländer auf Regierungsebene zum Schutz der Umwelt in der Dritten Welt bescheiden aus, wenn man sich die konkreten Problemfelder genauer anschaut. Bei der Durchsetzung einer effektiven Umweltpolitik bestimmen die Entwicklungsländer das Tempo, da eine noch so gut in den Industrie-ländern mitgedachte Projektplanung oder ein von ihnen unterstütztes Zulassungsverfahren in den Entwicklungsländern umgesetzt werden muß. Die organisatorischen Fähigkeiten, die finanzielle Ausstattung, institutioneile Eigeninteressen und der politische Stellenwert von Umweltschutz in Entwicklungsländern begrenzt die Möglichkeiten des Nordens, hier Hilfe zu leisten. Da alle diese Faktoren zwischen den Ländern und bei den größten Entwicklungsländern auch regional unterschiedlich ausgeprägt sind, wird es immer einige Länder geben, bei denen die Hilfe-angebote gut oder zumindest besser als im Schnitt aufgehoben sind. Wie die Bereiche Agrarchemikalienexport und Umweltverträglichkeitsprüfung in der Entwicklungshilfe zeigen, bleibt die Rolle des Nordens auf die Bereitstellung von-Informationen und finanzieller Hilfe beschränkt. Dies gilt auch für den Code of Conduct der multinationalen Unternehmen oder einen entsprechenden Verhaltenskodex für Holzkonzessionäre. Hier können sicherlich noch vielfach Verbesserungen durchgeführt werden, aber der Wert dieser Angebote ist nicht nur allein vom Umfang der Hilfe abhängig, sondern auch davon, ob sie auf fruchtbaren Boden fallen.
Dort, wo die Industrieländer die Umsetzung der Politik selbst kontrollieren, können sie einen direkten Beitrag zum Schutz der Umwelt in der Dritten Welt leisten, d. h. vor allem bei überregionalen und globalen Belastungen. Bei einer globalen Umweltpolitik muß aber eine Kooperation zumindest der Industrieländer erreicht werden. Hier verhindern Interessen-gegensätze, die aus den Lasten einer solchen Umweltpolitik und ihrer internationalen Verteilung herrühren, mehrheitlich wirksame Politik. Wie das Beispiel der UN-Abkommen zur Verhinderung der Ölemissionen in die Meere durch Öltanker zeigt, sind Verbesserungen nur dann möglich, wenn der Nutzen einer solchen Umweltpolitik zumindest in Teilen bei den Industrieländern anfällt
Diese insgesamt als bescheiden beschriebene Rolle der Industrieländer auf Regierungsebene bedeutet nun nicht, daß unterhalb der offiziellen Ebene zwischen Nord und Süd die Rolle des Nordens genauso begrenzt ist. Hier ist die wissenschaftliche Diskussion, wie sie durch die Vielfalt von Umweltschutzorganisationen zustande kommt, besonders hervorzuheben. Sie unterstützt die lokalen Umweltschutzorganisationen in den Entwicklungsländern, die wahrscheinlich die bedeutsamsten Motoren für eine effektive Umweltpolitik in den Entwicklungsländern werden dürften.
Ein zweiter Bereich sind multinationale Unternehmen, die wirksam Kontrolle über den Betrieb ihrer Töchter in Entwicklungsländern ausüben. Auch hier können die Industrieländer zwar Verhaltenskodices entwickeln, durchsetzen müssen sie aber die Entwicklungsländer. Es blibt aber die Möglichkeit für Umweltgruppen in den Industrieländern, das Verhalten dieser Töchter in den Heimat-ländern publik zu machen, um so öffentlich Druck auf das Management auszuüben. Dieses Vorgehen dürfte von besonderer Bedeutung für die chemische Industrie und für den Bergbau sein. Ein positives Beispiel liefert hier der britische Chemiekonzern ICI, der seine Marketing-und Produktionsaktivitäten für Pestizide in Großbritannien von der Umweltschutzorganisation „Friends of the Earth“ überwachen läßt. Dieses Verfahren wurde vom Pesticide Action Network initiiert und soll auf weitere Unternehmen ausgeweitet werden. Die Wirkungen der Unterstützung der Dritten Welt durch Gruppen und Institutionen aus Industrieländern unterhalb der Regierungsebene sollten nicht unterschätzt werden, denn sie helfen Gruppen in den Entwicklungsländern in der Auseinandersetzung um den jeweiligen nationalen Umweltschutz. Die Fälle erfolgreicher Umweltpolitik gehen auch in den Industrieländern auf den Druck und die Initiative nationaler Gruppen zurück.
Volkmar J. Hartje, Dr. rer. pol, Dipl. Volkswirt, geb. 1947; Studium der Wirtschaftswissenschaften und Verwaltung in Köln und Harvard; wissenschaftlicher Mitarbeiter des Internationalen Instituts für Umwelt und Gesellschaft Wissenschaftszentrum Berlin; seit 1985 Mitarbeiter der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Frankfurt/M. Veröffentlichungen u. a.: Umwelt-und Ressourcenschutz in der Entwicklungshilfe: Beihilfe zum überleben?, Frankfurt/M. 1982; Theorie und Politik der Meeresnutzung, Frankfurt/M. 1983; Oil Pollution by Tanker Accidents, in: Natural Resources Journal, 1984; Zur Effizienz von'Institutionen der Meeresnutzung, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 1984.
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