Privatwirtschaftliches Interesse oder Gemeinwohlverpflichtung?
Management in öffentlichen Unternehmen
Heidrun Abromeit /Martin Schwoll
/ 32 Minuten zu lesen
Link kopieren
Zusammenfassung
Der Beitrag erörtert zunächst auf theoretischer Ebene (und in Auseinandersetzung mit einigen gängigen Mißverständnissen) den systematischen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen, der stichwortartig zu charakterisieren ist als: mikroökonomische Orientierung und Marktsteuerung dort — makroökonomische Orientierung und politische Steuerung hier. Daran schließt sich eine Diskussion der Parallelitäten und Differenzen zwischen öffentlicher Unternehmung und Aktiengesellschaft (als Spezialfall der Privatunternehmung) an, namentlich im Hinblick auf das Problem der Manager-Autonomie. Die Kombination der Tendenz zur Verselbständigung des Managements und der „Konvergenz" des Verhaltens öffentlich-wirtschaftlicher Manager mit privatwirtschaftlichem Verhalten (wie sie von der . Konvergenztheorie'als unvermeidlich behauptet wird) scheint politische Steuerung der öffentlichen Unternehmen unmöglich zu machen. Indessen gibt es Anzeichen dafür, daß Manager in öffentlichen Unternehmen spezifische, eigene Einstellungen und Verhaltensorientierungen entwickeln, deren bloße Existenz das Konzept der politischen Steuerung wieder aufwerten kann. Solche Indizien werden hier an zwei Fallbeispielen (eine britische nationalisierte Industrie und ein deutsches kommunales Unternehmen) nachgezeichnet. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, inwieweit ein Zusammenhang zwischen der Herkunft dieser Manager und ihrer Verhaltensorientierung herstellbar it. In diesem Bereich gibt es allerdings bisher noch kaum gezielte Forschung. Auch die hier vorgelegten Ergebnisse sind daher noch sehr vorläufiger Natur.
I . Zum Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen
Definition und Abgrenzung öffentlicher Unternehmen scheinen auf den ersten Blick keine Schwierigkeiten zu bereiten: . öffentlich'sind Unternehmen, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden. Die Beschränkung auf dieses Definitionsmerkmal hat indes in den letzten zehn Jahren zu solchen Kuriosa wie der Forderung nach . öffentlicher Bindung öffentlicher Unternehmen oder gar der nach der „Sozialisierung öffentlicher Unternehmen" geführt.
Offenbar reicht es nicht aus, öffentliche Unternehmen allein über das Eigentum an ihnen zu definieren. Da sie in einer privatkapitalistischen Marktwirtschaft ein systemfremdes Element darstellen, bedürfen sie darüber hinaus einer besonderen Rechtfertigung ihrer Existenz, d. h. eines öffentlichen Zwecks: Verfolgen sie dieselben (Profitabilitäts-J Ziele wie jedes private Unternehmen auch, ist öffentliches Eigentum nämlich, streng genommen, überflüssig. Auf theoretischer Ebene besteht denn auch weitgehend Einigkeit, bei Gegnern ebenso wie bei Befürwortern öffentlichen Unternehmenseigentums, daß das entscheidende Spezifikum der öffentlichen Unternehmung und das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zur privaten (. kommerziellen) Unternehmung in ihrer öffentlichen Zielsetzung liege: Die öffentlichen Unternehmen sind „Einzelwirtschaften, deren institutionell festgelegter Sinn es ist, unmittelbar öffentlichen Aufgaben zu dienen“ Das ist zugleich der Kernsatz der in Deutschland dominierenden . Instrumental-theorie'der öffentlichen Wirtschaft Welche Implikationen sich hieraus ergebeh, wird allerdings nicht immer mit gleicher Klarheit gesehen. So ist z. B. die Ansicht ver-breitet, daß der öffentliche Zweck namentlich eines industriellen öffentlichen Unternehmens allein schon durch seinen Betrieb als solchen erfüllt sei und keiner „zusätzlich als . öffentlich'apostrophierter Aufgaben“ bedürfe: „Die Aufgabe der öffentlichen Unternehmen ... besteht darin, bestimmte wirtschaftspolitische und fiskalische Zwecke des Staates ... durch Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb zu erfüllen, nicht jedoch unklare gesamtwirtschaftliche Vorstellungen zu verwirklichen.“ Die öffentlichen Unternehmen ausschließlich auf die . Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb'zu verweisen, heißt aber nichts anderes, als sie der einzelwirtschaftlichen Marktrationalität zu überantworten, von der sie sich gerade abheben sollen, heißt, daß sie sich so . kommerziell'wie jedes . normale'Wirtschaftsunternehmen verhalten sollen, da die Erfüllung ihres öffentlichen Zwecks dann allein an ihrem wirtschaftlichen (Markt-) Erfolg gemessen würde. Tatsächlich ist dies die Strategie, die hinsichtlich industrieller Staatsunternehmen üblicherweise verfolgt wird. Die TIMES kommentierte dies einst so bissig wie folgerichtig mit: „If what we want to do is to make state undertakings resemble private corporations as closely as possible, then the obvious way to do it is to turn them into private corporations.“ Weitestmögliche Angleichung öffentlicher an private Unternehmen nimmt nicht, wie mancherorts geglaubt wird, den Forderungen nach Privatisierung den Wind aus den Segeln (etwa durch Widerlegung des Vorwurfs der Ineffizienz der . bürokratisierten', . politisierten'usw. Staatsunternehmen), sondern liefert ihnen ihr stärkstes Argument Eine andere Variante der zitierten Sichtweise meint öffentliche Unternehmen, einmal eingerichtet, deshalb sich selbst überlassen zu können, weil deren Manager die Verpflich-tung auf den öffentlichen Zweck, sozusagen automatisch verinnerlichen und sich von allein und ohne äußeren Druck gemeinwohl-orientiert oder gemeinwirtschaftlich’ verhalten würden, zumal der verhaltensrelevante Unterschied zwischen privatwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen ohnehin „nicht im Unterschied zwischen Gewinnerzielung und Gewinnverzicht, sondern in der jeweils anderen Gewinnverwendung“ liege Diese Variante verengt nicht nur den legitimen Bereich gemeinwirtschaftlichen’ Handelns, was in sich problematisch genug ist, sondern übersieht zudem den systematischen Gegensatz von einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher Rationalität: „Eine . hausgemachte'Definition des öffentlichen Interesses aus dem Gesichtswinkel der mikroökonomischen Instanz widerspricht“, grundsätzlich, „dem öffentlichen Interesse als gesamtwirtschaftlicher Kategorie."
Unabdingbares Korrelat des öffentlichen Zwecks, der die Daseinsberechtigung des öffentlichen Unternehmens erst konstituiert, ist daher ihre externe, politische Steuerung; entscheidend ist nicht allein, daß ihre Existenz auf die Erfüllung irgendwelcher öffentlicher Aufgaben zurückgeführt werden kann, sondern daß diese Aufgaben von einer . makro-ökonomischen Instanz'— und d. h. normalerweise im öffentlich-politischen Prozeß — definiert und kontinuierlich situationsgebunden präzisiert werden. Entscheidend ist weiterhin, daß das öffentliche Unternehmen seinen öffentlichen Zweck nicht (wie der Schumpetersehe Normal-Unternehmer . nebenher", als Abfallprodukt seines Gewinnstrebens, erfüllt, sondern direkt und unmittelbar beiträgt zu dem, was der politische Prozeß als Gemeinwohl festlegt. Fehlt diese explizit gesamtwirtschaftliche Orientierung, verbleiben die öffentlichen Unternehmen im Zwielicht einer Undefinierten und undefinierbaren Grauzone zwischen Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor. Daran ändert sich auch nichts, wenn eine Regierung ihrerseits beschließt, daß die Staatsunternehmen allein . kommerziell" zu führen wären, entsprechendes Verhalten ihrem . Instrumentalcharakter" also nicht zuwi-derliefe. Die Beschränkung öffentlicher Unternehmen auf das einzelwirtschaftliche Rentabilitätsziel, . ob sie qua Regierungsbeschluß oder . autonom" erfolgt, läuft ja eben auf ihre De-facto-Privatisierung hinaus. Zudem macht sie die ministerielle Kontrolle der Staatsunternehmen so überflüssig wie fiktiv: überflüssig, weil die Unternehmen dann hinreichend über den Markt kontrolliert würden (theoretisch jedenfalls), fiktiv, weil hinsichtlich einzelwirtschaftlicher Rentabilität die Unternehmensleitungen als . Experten" jeder öffentlichen Kontrollinstanz allemal haushoch überlegen sind.
Die Privatisierungsgegner stehen dem neuen Trend zur Privatisierung deshalb so rat-und hilflos gegenüber, weil sie auf praktischer wie theoretischer Ebene ignoriert haben, daß Staatsunternehmen in der privatkapitalistischen Marktwirtschaft spezieller Legitimation bedürfen. Mit Strategien auf der praktischen Ebene, die einseitig auf die Erhöhung rein kommerzieller Effizienz abzielen, und mit der Beschränkung auf die rein betriebswirtschaftliche Perspektive auf der theoretischen, konnte und kann es ihnen schwerlich gelingen, den öffentlichen Unternehmen ihre Daseinsberechtigung zwingend nachzuweisen. Demgegenüber muß mit Nachdruck auf den drei Spezifika öffentlicher Unternehmen insistiert werden: daß ihnen erstens ihre Ziele nicht vom Markt oktroyiert, sondern vom politischen Prozeß vorgeschrieben werden, daß also ihren unternehmerischen Entscheidungsprozessen notwendigerweise ein . externer" kollektiver Willensbildungsprozeß vorgelagert ist; daß zweitens diesen Zielen bzw. . öffentlichen Zwecken" der Makro-Aspekt inhärent sein muß; und daß sie darum drittens kontinuierlicher externer, d. h. politischer Steuerung unterliegen müssen.
Ein Blick auf die Praxis des Umgangs westeuropäischer Regierungen mit ihren Staatsunternehmen zeigt, daß solche Steuerung nicht eben eine Selbstverständlichkeit ist. In Großbritannien, wo der überwiegende Teil der nationalisierten Industrien in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurde, also zumindest partiell . politischem Gestaltungswillen'entsprang, gibt es immerhin ein einigermaßen ausgefeiltes System ministerieller Kontrolle über die (als . public corporations'zudem einheitlich organisierten) Staats-konzerne das sowohl dem jeweiligen , Spon-sor‘ Ministerium wie dem Schatzamt arbeitsteilig Kontroll-Kompetenzen zuweist. Sie reichen vom ministeriellen Ernennungs-und Abberufungsrecht der Mitglieder der Vorstände (Boards) über die Genehmigungspflicht aller Investitions-, Entwicklungs-, Ausbildungs-und Forschungsprogramme zur Festsetzung mittelfristiger Finanzziele und (seit 1976) jährlicher „cash limits'(external financing limits, EFL) für jede einzelne nationalisierte Industrie. Das Schwergewicht der ministeriellen Kontrolle (deren faktische Schwächen hier nicht im einzelnen diskutiert werden sollen) liegt aber, vor allem seit den sechziger Jahren, eindeutig auf der Finanzkontrolle; darüber hinausgehende Konzepte fehlen weitgehend.
Etwas der britischen Verstaatlichungspolitik Vergleichbares hat es in Deutschland nicht gegeben. Die industriellen Beteiligungen des Bundes beruhen eher auf einer Reihe von Zufälligkeiten denn auf bewußter Planung. Entsprechend verhalten sich die Regierungen ihnen gegenüber unabhängig von ihrer parteipolitischen Färbung: Der Bund versteht sich als . vorbildlicher Aktionär', der den Managern der öffentlichen Unternehmen den nötigen wirtschaftlichen Verhaltensspielraum zugesteht Ja, der damalige Finanzminister Matthöfer bekannte vor den betreffenden Unternehmensleitern: „... Sie alle wissen aus Ihrer täglichen Praxis, daß die Bundesregierung den Vorständen der Beteiligungsunternehmen ein Maß an Entscheidungs-und Handlungsfreiheit einräumt, das bei einem privaten Großaktionär keineswegs selbstverständlich wäre.“
Die Kontrolle des Bundes über seine industriellen Beteiligungen — üblicherweise in privater Rechtsform geführte Kapitalgesellschaften — beschränkt sich auf die finanzielle Aufsicht; sie liegt daher in der Zuständigkeit des Finanz-, nicht des Wirtschaftsministeriums. Ein zusätzlicher Einfluß über die Kontrollorgane der Unternehmen ist in den Berufungsrichtlinien von 1974 bewußt begrenzt worden: Nur noch zwei Aufsichtsräte vertreten die Interessen des Bundes; die übrigen aktienrechtlich dem Bund zustehenden Aufsichtsratssitze werden mit fachkundigen Personen besetzt, die nicht dem öffentlichen Dienst angehören — beispielsweise mit erfolgreichen Wirtschaftsführern.
Auf der Landes-und kommunalen Ebene stellt sich die Situation anders insofern dar, als hier der Unternehmenszweck satzungsmäßig festgelegt ist Dies hat seinen Grund in der haushaltsrechtlichen Regel, daß der öffentlichen Hand nur dann ein berechtigtes Interesse an Gründung und Unterhalt gewerblicher Unternehmen zuzuerkennen ist, wenn „sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen läßt“ Der Rahmen der Wirtschaftstätigkeit dieser Unternehmen ist damit von vornherein begrenzt Von der allgemeinen Definition des Unternehmenszwecks in der Satzung abgesehen, enthält der Staat sich aber auch auf seinen unteren Ebenen politischer Zielvorgaben und der Festlegung von Unternehmensleitlinien. Das läßt den Managern der öffentlichen Unternehmen den Spielraum, eigene unternehmenspolitische Vorstellungen zu verwirklichen. Doch auch dort, wo sie nicht derart sich selbst überlassen bleiben wie in der Bundesrepublik, gelingt es diesen Managern zumeist recht gut sich staatlicher Einflußnahme zu entziehen. Ja, das „Streben nach Ellbogenfreiheit" scheint die Hauptgemeinsamkeit des Managerverhaltens im öffentlichen Sektor unter den verschiedensten Kontrollsystemen zu sein
II. Das autonome Management: die privatwirtschaftliche und die öffentliche Variante
Abbildung 2
Gesamt 28 Privatwi. 14 Reg. /Verw. 4 Gewerk. — , career‘ 8 1 andere NI andere 1
Gesamt 28 Privatwi. 14 Reg. /Verw. 4 Gewerk. — , career‘ 8 1 andere NI andere 1
1. Die Theorie des . Manager-Kapitalismus'Nun ist die Entdeckung der Autonomie von Managements weder neu noch ist das Phänomen auf den öffentlichen Sektor beschränkt. Seit Berle und Means sich Anfang der dreißiger Jahre in den USA mit der Realität der großen Aktiengesellschaften befaßten, ist die These von der manageriellen Autonomie — zur Theorie des „manageriellen Kapitalismus" oder zur „agency theory" („Neo-Institutionalismus") weiter entwickelt — zum Gemeinplatz der Theorie der (Aktien-) Unternehmung geworden. Nebenbei bemerkt, sind diese neuen Theorien im Kern nichts anderes als verfeinerte bzw. verkomplizierte Formulierungen der jahrhundertealten (u. a. Rousseauschen) Erkenntnis, daß . Delegierte'stets dazu tendieren, sich gegenüber ihren Auftraggebern zu verselbständigen und sich der Kontrolle durch die . Delegierenden zu entziehen.
Die (neo) klassische Ökonomie kannte zunächst keine derartigen Probleme, da die Unternehmungen typischerweise von einem Eigentümer (dem . Entrepreneur') geleitet, mittels des Gewinnmaximierungsinteresses des letzteren (wer sein eigenes Eigentum einsetzt, tut dies, um es zu vermehren) und unabhängig von unternehmensinternen Prozessen stets in gleicher Weise gezwungen sei, auf Marktvorgänge unmittelbar zu reagieren; d. h. die Unternehmung sei . außengesteuert', und besonderer Kontroll-Agenturen bedürfe es nicht. In der Aktiengesellschaft aber sind Eigentum und Management getrennt, was unweigerlich Kontrollprobleme hervorruft. Wie nämlich jene neuen Theorien und Schulen nicht müde werden zu beweisen, sind erstens AGs typischerweise Großunternehmen, die nicht mehr vollständig dem Marktdiktat unterliegen, sondern sich gewisser Handlungsspielräume erfreuen; ergeben sich zweitens Entscheidungen über die innerhalb dieser Spielräume möglichen Strategien aus mehr oder weniger komplexen internen Willensbildungsprozessen; und entwickeln drittens die Manager spezifische eigene Nutzenfunktionen, die weder mit denen der Eigentümer noch mit denen des klassischen Entrepreneurs identisch sein müssen Für die Mikroökonomie ergibt sich hieraus die Folgerung, daß das Verhalten dieser Unternehmen, nicht mehr weil auf kurzfristige Gewinnmaximierung festgelegt, theoretisch unbestimmt ist und daß die unternehmensinternen Prozesse nicht länger vernachlässigt werden können, daß also die Mikroökonomie der Ergänzung durch die Organisationstheorie bedarf. Die wiederum lehrt, daß die Managements dank ihres durch Spezialisierung auf die Aufgabe der Unternehmensführung gewonnenen Informationsvorsprungs sich der Kontrolle durch die Ei-gentümer entziehen können, also Handlungsautonomie gewinnen.
Damit besteht eine deutliche Parallele zwischen AG und öffentlicher Unternehmung: Beider Ziele sind nicht . gegeben', sondern resultieren aus angebbaren Willensbildungsprozessen; beide sind in der Lage, . externe Steuerung'zu umgehen; und beide werfen das schwer lösbare Problem der Expertenkontrolle auf. Indessen bleiben die Parallelen auf diese allgemeine Ebene beschränkt. Im Privatsektor nämlich folgen die Manager, wie autonom sie im einzelnen von ihren Aktionären sein mögen, stets der essentiell mikroökonomischen Rationalität der Akteure auf kapitalistischen Märkten. Der Konflikt mit den Eignern ergibt sich weniger über Marktstrategien — also über den eigentlichen Inhalt der manageriellen Autonomie — als über die Verteilung (Ausschüttung) der mit ihnen erwirtschafteten Gewinne. In anderen Worten: Bei aller Autonomie verhalten sich die Manager privater AGs . systemkonform'und sind die Verhaltensunterschiede zwischen ihnen und Eigentümer-Unternehmern nur gradueller Natur.
Die moderne Theorie der Unternehmung schlußfolgert denn auch, daß, solange noch Wettbewerbsdruck bestehe, die Voraussagen der neoklassischen Theorie über unternehmerisches Verhalten cum grano salis Gültigkeit behielten; trotz „von der neoklassischen Theorie abweichender interner Willensbildung" seien letztlich die gleichen Verhaltens-reaktionen zu erwarten — „der Richtung nach, wenn auch nicht im Umfang und Zeitpunkt“ 2. Die . Konvergenztheorie'
In der öffentlichen Unternehmung liegen die Dinge grundsätzlich anders, besteht ihre raison d’etre doch gerade darin, jene für privat-kapitalistische Akteure, ob Manager oder Eigentümer-Unternehmer, selbstverständliche mikroökonomische Orientierung zu überwinden und ihre Strategien an den Makro-Aspekten des Gemeinwohls auszurichten. Auf eine mit dem Amt quasi-automatisch erworbene . Gemeinwohlverpflichtung'der Manager im öffentlichen Sektor kann man indessen nicht bauen; wird sie nicht durch äußeren Einfluß gesichert, dominiert vermutlich auch hier die einzelwirtschaftliche Marktrationalität. Der entscheidende, systematische Unter-schied zwischen privater AG und öffentlicher Unternehmung ist daher darin zu sehen, daß Ziele und Interessenlagen von Eignern und Managern bei der ersteren tendenziell gleich-gerichtet, bei der letzteren dagegen prinzipiell verschieden sind. Die externe — in diesem Fall politische — Steuerung sowie die Verselbständigung der Manager von ihr gewinnen hier folglich eine qualitativ andere, weil systemische Bedeutung: Entfällt die Steuerung (bzw. bleibt sie ineffektiv), läuft das öffentliche Unternehmen Gefahr, seinen öffentlichen Zweck zu verfehlen und seine Daseinsberechtigung als öffentliches Unternehmen zu verlieren.
Gerade Vertreter der , Instrumentaltheorie'haben nun aber die pessimistische These aufgestellt, daß die politische Steuerung öffentlicher Unternehmen letztlich ineffektiv bleiben müsse. Präziser: Sie scheitere immer wieder an der „Transformationsgesetzlichkeit" der Konvergenz Die These, plausibel begründet, nimmt das unbestreitbare Faktum, daß öffentliche Unternehmen in einer privatkapitalistischen Marktwirtschaft Fremdkörper sind, zum Ausgangspunkt und folgert aus der „Fremdkörpertheorie'1 einen unvermeidbaren Trend zur Anpassung. Da sind zunächst die vom kapitalistischen Wettbewerbsprozeß ausgehenden Zwänge: Die meisten Zwecke, die öffentlichen Unternehmen gesetzt sein können (wie . bedarfswirtschaftliches'Operieren, strukturpolitisches , Gegensteuern'u. ä.), bedürfen zu ihrer Finanzierung einer gewissen wirtschaftlichen Potenz, um so mehr, als die Mittel des Trägers zumeist begrenzt sind (und die Öffentlichkeit normalerweise wenig Verständnis dafür aufbringt, wenn öffentliche Mittel scheinbar in ein Faß ohne'Boden fließen); so „bleibt der Weg über die Selbstfinanzierung: die preispolitische Konvergenz ist zwangsläufig" Einmal in Gang gesetzt, gewinnt dieser Prozeß schnell an Eigendynamik; was ursprünglich Mittel zum Zweck war, wird als Verhaltensnorm internalisiert und zum Selbstzweck. Hinzu kommt ein eher . sozialgesetzlicher'Faktor: Unternehmerischer Erfolg, d. h. Marktanteil und Gewinn, wird zum Maßstab, an dem nicht nur . Fachwelt'und Öffentlichkeit, sondern auch die Manager im öffentlichen Sektor selbst, denen die restliche Unternehmenswirtschaft als selbstverständliche „soziale Bezugsgruppe''er-16) scheint, Tätigkeit und Fähigkeiten von Managements messen; ein defizitäres Unternehmen, wie effizient immer es seinen öffentlichen Zweck erfüllen mag, fällt da entschieden aus dem Rahmen.
Das Resultat ist „das sozialgesetzliche Abweichen vom ursprünglichen institutioneilen Sinn“ anders ausgedrückt: der Verlust des öffentlichen Zwecks. Unter der Hand wandelt er sich zum „Interesse des Unternehmens", als dessen berufene Sachwalter die Manager erscheinen und das — in völliger Verkehrung des intendierten Sinns der öffentlichen Unternehmung — zur Argumentationswaffe gegen politische Einflußnahmen stilisiert werden kann. . Politische Steuerung'gilt dann eben nicht mehr als legitimes Insistieren auf der Realisierung des öffentlichen Unternehmenszwecks, sondern als untauglicher Eingriff Inkompetenter, der jenem . Interesse des Unternehmens'nur abträglich sein kann.
Streng genommen ist der hier geschilderte Prozeß Assimilation, nicht Konvergenz, die eigentlich doppelseitige Annäherung meint Doch so oder so: Als unvermeidliche und quasi naturnotwendige Entwicklung ist sie noch keineswegs bewiesen. Wenn die These stimmt, wird jeder Versuch, Methoden effektiver politischer Steuerung öffentlicher Unternehmen zu erfinden, zur Sisyphusarbeit und vergeblichen Liebesmüh'; zumal in Kombination mit der Tendenz zur Verselbständigung der Managements in Großorganisationen macht eine . gesetzmäßige Konvergenz'diese Steuerung unmöglich. Die Suche nach besseren institutionellen Arrangements politischer Steuerung und Kontrolle erscheint erst wieder sinnvoll, wenn plausible Einwände gegen die Konvergenztheorie aufge-funden werden können. Ein solcher Einwand läge vor im Nachweis, daß Manager angebbarer öffentlicher Unternehmen im Ansatz Verhaltensweisen entwickeln, die von denen ihrer privatwirtschaftlichen Kollegen — sprich von der absoluten Dominanz des Kriteriums einzelwirtschaftlicher Rentabilität — abwei- chen. Dies erklärt unser Interesse an den Einstellungen von Managements im öffentlichen Sektor — unabhängig von dem allgemeineren Zusammenhang, daß Management-Einstellungen um so verhaltensrelevanter werden, je größer ihre Handlungsautonomie ist
III. Die Rekrutierung von Managern im öffentlichen Sektor
Wo die Einstellungen von Managern wichtig erscheinen, gerät auch ihre Rekrutierung ins Blickfeld: Der Zusammenhang zwischen Herkunft, Einstellungen und Verhalten ist plausibel; z. B. ließe Hypothese formulieren, sich als daß die Tendenz öffentlicher Unternehmen zur Assimilation an privatwirtschaftliche Wert-und Verhaltensmuster um so größer ist, wenn ihre Topmanager selbst aus der Privat-wirtschaft kommen. Zu dieser drängt sich allerdings gleich die Gegenthese auf, daß der Trend mindestens ebenso stark sein wird, wenn die Manager etwa dem öffentlichen Dienst entstammen; ja, der Trend könnte eher noch ausgeprägter sein, da die betreffenden Manager, um den Makel der . ungleichen Geburt'auszugleichen, zur Überanpassung neigen dürften (das'Konvertiten-Syndrom).
So wie aber die Management-Einstellungen selbst weitgehend unerforscht sind, liegen bisher auch kaum Informationen über die Manager-Rekrutierung vor. Für die deutschen Bundesunternehmen (bzw. -beteiligungen) sind — außer Analysen der Aufsichtsrats-Zusammensetzung 19a) — lediglich die Daten zugänglich, die das Bundesministerium der Finanzen 1978, 1981 und 1984 dem Bundestag vorgelegt hat und die angeben, welche Bundesbediensteten seit 1970 den „Geschäftsleitungen der mittelbaren und unmittelbaren Bundesbeteiligungen" beigetreten sind Für die übrigen Vorstandsmitglieder sind keine entsprechenden Daten aufbereitet. In Großbritannien hat es immerhin in den fünfziger Jahren zwei Untersuchungen über die Zusammensetzung der Boards der nationalisierten Industrien gegeben. Sowohl der Acton Society Trust, der 1951 der Herkunft der Mitglieder von zwölf der Boards nachging, als auch Clive Jenkins in einer ähnlichen Studie von 1956 kamen zu dem Schluß, daß die Boards von der Privatwirtschaft dominiert würden
Wer an aktuelles und hinreichend informatives Material über die Zusammensetzung der Vorstände öffentlicher Unternehmen gelangen will, ist sowohl in England als auch in der Bundesrepublik auf eigene Recherchen angewiesen. Bevor hier nun einige solcher Daten zusammengestellt werden, sei nachdrücklich darauf hingewiesen, daß sie sowohl unvollständig wie bestenfalls von der Tendenz her miteinander vergleichbar sind. Denn erstens stehen der begrenzten Anzahl großer britischer Staatskonzerne verstreute Bundes-und Landesbeteiligungen sowie eine erkleckliche Zahl kommunaler Unternehmen gegenüber-, zweitens differiert die Organisationsform erheblich; drittens schließlich ist der Grad der Repräsentativität der jeweiligen Untersuchung unterschiedlich. 1. Die Zusammensetzung der Boards der britischen nationalisierten Industrien Für England wurden im Geschäftsjahr 1979/1980 die Vorstände der neun größten der (seinerzeit noch) 18 nationalisierten Industrien herausgegriffen. Dabei ist darauf hinzuweisen, daß ihnen keine Aufsichtsräte zugeordnet sind; statt dessen sitzen in den Boards eben den full-time’ (Exekutiv-) Direktoren noch , part-time members', also Teilzeit-Direktoren mit beratender Funktion. Die Board-Mitglieder wurden ihrer Herkunft nach den Gruppen Privatwirtschaft (incl. Banken und . professions), Regierung/Verwaltung, Gewerkschaften, , career men'(d. h. solche, die innerhalb ihrer eigenen Industrie an die Spitze aufge-stiegen sind) sowie andere nationalisierte Industrien (NI) zugeordnet (die Restgruppe . an-dere'schließt die . nicht klassifizierbaren’ ein). Dabei ergaben sich die folgenden Zahlen:
Die überraschend hohe Zahl an Gewerkschaftern muß sofort relativiert werden, ergibt sie sich doch daraus, daß im fraglichen Zeitraum sowohl das Post Office wie die British Steel Corporation (BSC) mit der Repräsentation von Arbeitern im Board (. worker directors) experimentierten; beide haben sich hiervon inzwischen wieder abgekehrt Auch die Zahl der Beamten wäre niedriger, hätte nicht z. B. die BSC nach 1978, in der gleichen Experimentierphase, einen Vertreter jeweils des Schatz-amts und des Wirtschaftsministeriums, also ihrer . Kontrolleure', im Vorstand gehabt.
Für die Vorstandssprecher, die chairmen, wurde noch eine Extra-Auszählung vorgenommen, die einige weitere nationalisierte Industrien (insges. 14) sowie die bis Ende 1983 erfolgten Personalwechsel berücksichtigt:
Die Zahlen lassen einen Trend erkennen, der nicht unbedingt hätte erwartet werden können. Zwar kommen die Vorstandssprecher mehrheitlich aus der Privatwirtschaft, was der Regierungsstrategie entspricht, . fähige Wirtschaftsführer'von der Spitze erfolgreicher großer Privatfirmen weg zur Führung der nationalisierten Industrien zu berufen (wobei es schon vorgekommen ist, daß den Ablösesummen im bezahlten Fußball vergleichbare Gelder an die betreffenden privaten Firmen gezahlt wurden). In den Boards insgesamt dagegen dominieren nicht die privaten Geschäftsleute: Hier sind die , career men', die in der eigenen nationalisierten Industrie großgewordenen . Fachleute', die eindeutig stärkste Gruppe. Nur die part-timers (läßt man die atypischen . worker directors'hier einmal beiseite) entstammen überwiegend der Privatwirtschaft, gemäß der gängigen Praxis, als erfolgreich ausgewiesene Geschäftsleute sowie Bankenvertreter und Wirtschaftsprüfer als . Berater'in die Vorstände zu holen.
Für die jeweiligen Einzel-Industrien ergeben sich natürlich andere Relationen. Z. B. war in der Elektrizitätswirtschaft, bei British Rail, British Gas und im National Coal Board, die Dominanz der , career men'geradezu überwältigend, während bei British Aerospace (inzwischen privatisiert) oder beim Post Office vor der Abspaltung von British Telecom (nunmehr ebenfalls privatisiert) die Gruppe der privaten Geschäftsleute eher überrepräsentiert war. Das ändert nichts an dem Faktum, daß die Bedeutung der , career men'stetig zugenommen hat So schätzte denn auch die Public Appointments Unit (deren Aufgabe es ist, Vorschläge für Berufungen in die Boards zu erarbeiten) 1979, daß 75— 80% der full-time Positionen an der Spitze der nationalisierten Industrien „are filled by promotion from within"
Nun könnte man argumentieren, daß diese Zahlen von nur begrenzter Relevanz wären, da ohnehin die chairmen die entscheidenden Männer seien. In der Tat sind die chairmen diejenigen, die in der Öffentlichkeit für Erfolg oder Mißerfolg einer nationalisierten Industrie verantwortlich gemacht werden (sofern es ihnen nicht gelingt, die Verantwortung auf den zuständigen Minister abzuschieben); sie sind indessen keineswegs immer, ja nicht einmal typischerweise, diejenigen, die die Strategien, die zu Erfolg oder Mißerfolg führen, be-stimmen und definieren. Hieran haben die full-timers — vor allem der deputy chairman, der zumeist der , chief executive’ ist — ebenso großen, wenn nicht größeren Anteil. Dies aber ist eben die Gruppe, die sich hauptsächlich aus den , von innen'kommenden Ingenieuren, Technikern, . Technokraten'rekrutiert. 2. Zur Herkunft der Manager deutscher öffentlicher Unternehmen Aus verschiedenen Gründen ist es sehr viel schwieriger, an entsprechende Daten über die Zusammensetzung der Vorstände deutscher öffentlicher Unternehmen heranzukommen. Zum einen liegt das an der schon erwähnten dezentraleren Struktur mit Bund, Ländern und Gemeinden als Trägern der Unternehmen. Z. B. kann zwar für die Bundesbeteiligungen die personelle Besetzung der Vorstände aus dem alljährlich vom Bundesfinanzministerium publizierten Bericht „Beteiligungen des Bundes" ersehen werden; für Unternehmen im Landes-und Kommunalbereich dagegen liegen keine vergleichbaren Veröffentlichungen vor. Zum anderen informieren die einschlägigen Nachschlagewerke (Wer ist Wer, Leitende Männer der Wirtschaft) für unsere spezielle Fragestellung, die auf Art und Dauer früherer Beschäftigungen abzielt, nur unzureichend. Man ist demnach weitgehend auf Befragungen angewiesen; d. h. eine einigermaßen repräsentative und detailliert aufgeschlüsselte Erfassung der Vorstandszusammensetzung öffentlicher Unternehmen in der Bundesrepublik macht ein eigenes Forschungsprojekt erforderlich.
Einem solchen Projekt (das unseres Wissens bislang nicht existiert) vorgreifend, können hier nur einige vergleichsweise bescheidene Hinweise gegeben werden. Dafür wurden herangezogen: zwei Bundesbeteiligungen (Salzgitter AG und Saarbergwerke AG), die RWE als Verbundunternehmen von Städten, Gemeinden und dem Land Nordrhein-Westfalen sowie ein kommunales Unternehmen (Müllverbrennungsanlage Wuppertal. Bei einem weiteren kommunalen Unternehmen, der Stadtwerke AG Aachen, erschöpfte sich die Gesprächsbereitschaft in Vorkontakten). Die in „Beteiligungen des Bundes 1983" aufgeführten Mitglieder des Vorstandes der Salzgitter AG haben, bis auf zwei Ausnahmen, ihre Posten erst 1983/84 angetreten und sind* in den Nachschlagewerken noch nicht enthalten. Der Vorstandsvorsitzende ist nach seiner Tätigkeit in einem privaten Konzern (Klöckner & Co.) beim Bundesamt für die gewerbliche Wirtschaft in den Bundesdienst eingetreten. In der Position eines Ministerialdirigenten im Bundesfinanzministerium wechselte er 1977 in den Vorstand der Salzgitter AG. Ein anderes Vorstandsmitglied (jüngst ausgeschieden) war seit 1953 bei der Salzgitter angestellt, hat also eine interne Laufbahn absolviert; ein weiteres Mitglied wechselte aus der Geschäftsführung eines Tochterunternehmens in die Konzernspitze.
Auch von den sechs aufgeführten Vorstandsmitgliedern der Saarbergwerke AG ist nur bei wenigen die Herkunft eindeutig zu klären. Der Vorstandsvorsitzende ist Bergassessor a. D., war Vorstandsvorsitzender des Unternehmensverbandes Saarbergbau und ist auch jetzt noch Multifunktionär in zahlreichen Wirtschaftsverbänden. Ein anderes Vorstandsmitglied trat 1978 vom Umweltbundesamt kommend in das Unternehmen ein. Die Bundestagsdrucksache zur Beteiligungs-und Privatisierungspolitik des Bundes weist ferner aus, daß der Generalbevollmächtigte des Konzerns ebenfalls der Bundesverwaltung, und zwar dem Bundeswirtschaftsministerium, entstammt Der Vorstand der RWE, des größten deutschen Stromproduzenten, ist mehrheitlich mit Managern besetzt, die entweder aus dem konzerneigenen Bereich oder aus anderen Kraftwerksunternehmen in öffentlicher Trägerschaft kommen. Die öffentliche Verwaltung ist hier durch einen Stadtdirektor a. D. vertreten. Die Leitung des befragten kommunalen Unternehmens wird von zwei Geschäftsführern wahrgenommen. Einer von ihnen, für die technische Leitung zuständig, ist ehemaliger Angestellter der Wuppertaler Stadtwerke und war vor seiner Tätigkeit in öffentlichen Betrieben über zwei Jahrzehnte Ingenieur in der Privatwirtschaft. Die kaufmännische Geschäftsführung verantwortet ein Stadtdirektor einer Nachbargemeinde, der seine Leitungsfunktion im Nebenberuf versieht Unterstützt wird er durch einen kompetenten Abteilungsleiter, der für die wirtschaftliche Rechnungslegung zuständig ist und maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftspolitik des Unternehmens hat. Vor seinem Eintritt in die Müllverbrennungsanlage war er selbständiger Wirtschaftsberater; davor war er lange Jahre bei einem Großunternehmen angestellt.
Der kaufmännische Prokurist kommt aus der öffentlichen Verwaltung, die beiden techni23 sehen Prokuristen aus der privaten Industrie bzw.der Handelsschiffahrt.
Neben der Herkunft der Führungskräfte sind auch die Verflechtungen mit anderen Unternehmen von Interesse, über die Aufsichtsratsmandate in Tochtergesellschaften hinaus halten viele Vorstände öffentlicher Unternehmen Mandate in privaten Firmen. So ist der Vorstand der RWE bei zwei führenden Bauunternehmen, einer Großbank und einem Kaufhauskonzern engagiert Man könnte vermuten, daß über solche Engagements, auch unabhängig von der Manager-Rekrutierung, die privatwirtschaftliche Orientierung zur selbstverständlichen Verhaltensmaxime wird.
Soweit diese Daten eine Bewertung zulassen, kann man unter Verwendung der bei der englischen Untersuchung vorgenommenen Klassifizierung folgende Schlüsse ziehen: Auch in den deutschen öffentlichen Unternehmen ist der Anteil der , career men'relativ hoch — vor allem, ebenfalls wie in England, im Bereich der Energiewirtschaft Wesentlich höher als in den englischen nationalisierten Industrien ist in unserer Stichprobe — vielleicht etwas unerwartet — der Anteil des öffentlichen Dienstes. Hierzu muß allerdings noch einmal darauf hingewiesen werden, daß über ca. ein Drittel der Mitglieder der untersuchten Vorstände keine genauen Herkunftsangaben zu ermitteln waren.
IV. Einstellungen von Managern im öffentlichen Sektor
1. Das Beispiel einer britischen nationalisierten Industrie Weder in Deutschland noch in Großbritannien scheint bisher über Management-Einstellungen im öffentlichen Sektor gezielt geforscht worden zu sein. Eine in den Jahren 1980— 1983 durchgeführte Untersuchung der British Steel Corporation, in deren Mittelpunkt die Frage nach der Effektivität der ministeriellen Kontrolle einer nationalisierten Industrie und die nach dem Verhältnis dieses Staatskonzerns zu seinen privatwirtschaftlichen Partnern und Konkurrenten stand, erbrachte zum Thema Selbstverständnis der Board-Mitglieder jedoch immerhin vorläufige Ergebnisse.
In den Interviews, auf denen die Studie basiert, wurden sowohl den BSC-Mitgliedern (Board-Mitglieder und einige führende Mitglieder des Head Office) als auch den mit der BSC befaßten Beamten von Schatzamt und Wirtschaftsministerium (Department of Industry bzw. inzwischen Department of Trade and Industry) und einem Dutzend privater Stahlindustrieller Fragen gestellt, die auf Eruierung ihrer Sicht der besonderen Rolle öffentlicher Unternehmen und der ihnen zuzuschreibenden . angemessenen Verhaltensweisen abzielten. Dabei ergaben sich charakteristische Unterschiede: Unerwarteterweise waren es die Beamten, die auf dem essentiell . kommerziellen'Charakter der Staatskonzerne insistierten, von einem systematischen Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen nichts wissen wollten und mit Nachdruck das Ansinnen zurückwiesen, daß die industriellen Staatsunternehmen im allgemeinen und die BSC inj besonderen andere (gar . politische) Ziele zu verfolgen hätten als einzig das, „effizient“ zu sein. Diese Haltung ist wohl nur damit zu erklären, daß sie für die beamteten Kontrolleure die Linie der geringsten Mühen und des geringsten Widerstandes darstellt Private Stahlindustrielle und BSC-Mitglieder dagegen waren eher geneigt, öffentlichen Unternehmen als solchen einen spezifischen (meist situationsbezogenen) Nutzen zuzuschreiben und spezifische, auch verhaltensrelevante Unterschiede zwischen ihnen und Privatunternehmen zu entdecken. Was die letzteren betrifft, kamen verständlicherweise recht unterschiedliche Wertungen ins Spiel: Während die privaten Stahlmanager eher auf die aus Staatsfinanzierung und . Monopolposition'resultierenden Vorteile der öffentlichen gegenüber den Privatunternehmen abhoben (auf den „cushioning effect of being in the public sector), standen den öffentlichen Stahlmanagern die Nachteile ständiger (und in immer wechselnde Richtung zielender) Regierungseinmischung und des ständigen Zwangs, im Licht der Öffentlichkeit'operieren zu müssen, im Vordergrund.
Direkt danach befragt, umrissen die BSC-Mitglieder ihre eigene Rolle zunächst als „the same as any private sector business": „We want to be commercial". Dieses Selbstverständnis ist Korrelat der Aversion gegen Regierungseinmischung und -kontrolle (die übrigens, auch dies ein interessantes Ergebnis, in erster Linie mit dem Argument abgelehnt wird, daß sie zeitraubend sei und zu „Verzögerungen" führe, und nicht so sehr damit, daß sie das Unternehmen zu Kursänderungen zwinge!): Kann man gegenüber der Öffentlichkeit eine primär kommerzielle Definition des Unternehmenszwecks durchsetzen, folgt daraus logischerweise, daß die Zuständigkeit des kontrollierenden Ministeriums, nun per definitionem Nicht-Experte, auf ein Minimum reduziert wird — im Idealfall auf die Bewilligung der vom Management für notwendig erachteten Geldmittel. Allerdings erwies sich die Auffassung vom Unternehmenszweck als durchaus ambivalent, wie gleich zu sehen sein wird. So tauchte die Betonung der kommerziellen Natur des Unternehmens hauptsächlich in der Kombination mit der Forderung nach „maximaler Freiheit“ des Management-Handelns von Regierungseinfluß auf („maximum freedom under the Act").
Ein anderer Aspekt desselben Syndroms ist die Abneigung, mit den übrigen nationalisierten Industrien in denselben Topf geworfen zu werden. Statt der Gemeinsamkeiten mit jenen (z. B. in der Stellung gegenüber der Regierung) hob man die entscheidenden Unterschiede hervor: Während z. B. bei öffentlichen Dienstleistungsunternehmen oder Monopolen öffentliche Steuerung akzeptiert werden müsse, sei dasselbe für einen im Wettbewerb befindlichen industriellen Konzern („a competitive manufacturing industry") so überflüssig wie schädlich. Neben dem Bestreben nach Abwehr von Kontrollen wird hierin zugleich das Verlangen deutlich, zur offenbar wichtigeren Bezugsgruppe, der „business Community", dazuzugehören.
Der Wunsch nach Zugehörigkeit und Angleichung gilt indessen nur in Grenzen und in Maßen. In anderen Zusammenhängen ließ eine Reihe der BSC-Mitglieder durchblicken, daß man einige der noch bestehenden Unterschiede zur Privatwirtschaft durchaus zu schätzen weiß. So ist man sich z. B. bewußt, daß die Entwicklung der BSC völlig anders verlaufen wäre, wäre die Industrie im Privat-sektor verblieben: Anstatt eine ambitionierte Zehn-Jahres-Entwicklungsstrategie zu erarbeiten und zu verwirklichen, „we would have done nothing.., absolutely nothing". Die Crux der britischen Stahlindustrie vor der Re-Nationalisierung 1967 war ja gerade gewesen, daß sie zu fragmentiert, konservativ und unterkapitalisiert war, um die Modernisierungsprogramme durchzuführen, die zur Wiedererlangung internationaler Wettbewerbsfähigkeit erforderlich schienen. Der ehemalige BSC-Chairman Sir Monty Finniston (dessen Name in besonderer Weise mit der Zehn-Jahres-Strategie verknüpft ist) ging so weit, eben hierin den spezifischen Sinn der Verstaatlichung zu sehen: daß sie eine Industrie, die eine Nation für lebensnotwendig erachte, in den Stand setze, die Bedürfnisse der Nation bestmöglich und auf höchstmöglichem technologischem Standard zu erfüllen — über das Maß hinaus, in dem die betreffende Industrie in privatwirtschaftlicher Organisation dazu in der Lage gewesen wäre. Mit anderen Worten: Der spezifische Zweck eines Staatskonzerns läge wesentlich darin, risikoreichere, ehrgeizigere, ja „radikalere" Programme zu realisieren. In gewisser Weise äußert sich darin der Wunsch, die Privatwirtschaft, anstatt sich ihr lediglich anzugleichen, zu übertrumpfen. Die BSC-Manager schienen den Ehrgeiz entwikkelt zu haben, im überspringen des Kriteriums einzelwirtschaftlicher Rentabilität, d. h. ohne primär Finanzfragen bedenken und auf Risikominderung aus sein zu müssen, technologische Optima zu verwirklichen. Man könnte es auch so formulieren, daß die BSC-Manager zwar einerseits öffentliche Kontrolle und politische Steuerung abzuschütteln bzw. zu verhindern bestrebt sind, andererseits aber durchaus an dem Prinzip festhalten, daß die BSC als öffentliches Unternehmen einen öffentlichen Zweck zu erfüllen habe — vorausgesetzt, es bleibt ihnen selbst überlassen, diesen Zweck für sich zu konkretisieren. Das Insistieren auf dem öffentlichen Zweck nämlich erlaubt es ihnen, sich auch von der Marktkontrolle zu befreien und die Befriedigung ihrer Finanzbedürfnisse als Finanzierung von öffentlichen Aufgaben der . Nation abzufordern.
So wird es kaum überraschen, daß dieselben BSC-Direktoren, die direkt oder indirekt die beschriebene Haltung erkennen ließen, zugleich der Meinung waren, daß Manager öffentlicher Unternehmen eine größere „soziale Verantwortlichkeit" zu zeigen hätten als die privaten Unternehmen (deren Verhalten teil-25 weise sogar als sozial „unakzeptabel" charakterisiert wurde): „A public Corporation has to have a public conscience" — gegenüber „der Nation“, der Region, in der man operiert, der Umwelt wie gegenüber den eigenen Beschäftigten —, und zwar explizit auch dann, wenn dies im Einzelfall „der Notwendigkeit, profitabel zu sein, widerspricht"
Bemerkenswerterweise waren es die Exekutivdirektoren der BSC, die die besondere . Gemeinwohlverpflichtung'für sich akzeptierten. Die Mehrheit der part-timers im BSC-Board (die „worker directors'wieder einmal nicht gerechnet) fand, daß auch ein großer Staatskonzern keine größere „soziale Verantwortlichkeit“ beweisen müsse als jedes andere Großunternehmen; sie mit größeren Verpflichtungen zu „beladen“, widerspräche dem „Imperativ kommerzieller Effizienz" und der einzel-wirtschaftlichen Regel, unter dem „minimum cost criterium" zu operieren. Diese Meinungsdifferenz verdient vor allem deshalb Interesse, weil die Exekutivdirektoren der BSC praktisch sämtlich „career man", die part-timers aber überwiegend private Geschäftsleute und . Professionals'sind.
Die Regierungsvertreter im Board vertraten den . kommerziellen'Standpunkt indessen am nachdrücklichsten. Dafür mögen zwei Gründe ausschlaggebend sein: Erstens würde das Anerkenntnis einer spezifischen Gemeinwohl-verpflichtung die Finanzforderungen der nationalisierten Industrien an den Staat, die die Regierungen seit geraumer Zeit zu reduzieren bestrebt sind, in besonderer Weise legitimieren; zweitens dämmerte hier wohl die Erkenntnis, daß, wenn schon von Gemeinwohl-verpflichtung die Rede sei, deren inhaltliche Definition nicht den öffentlichen Unternehmen überlassen bleiben könne — hierfür wie für die Reaktion auf die „sozialen Folgen ihrer Wirtschaftstätigkeit" müsse die Zuständigkeit allein bei der Regierung liegen, wolle man nicht ein heilloses Durcheinander riskieren.
Ebenso interessant wie diese auf den ersten Blick überraschende Haltung der Ministerialbeamten ist aber das Ergebnis, daß sich in den Statements der privaten Stahlindustriellen ein deutliches Echo aut die hier geschilderten Einstellungen der BSC-Manager findet. Bei ihnen nämlich herrscht die Ansicht vor, daß in der Tat „BSC has bred a generation with new attitudes“, die von denen ihrer privatwirtschaftlichen Kollegen verschieden seien und die verstärkte „social responsibility" ebenso umschließen wie den Wunsch „to be the world leaders ...". 2. Das Beispiel eines deutschen kommunalen Unternehmens Für das deutsche Beispiel stützen wir uns auf die im Rahmen eines Studienprojekts an der Universität Wuppertal über die städtischen Müllverbrennungsanlage (MVA) gewonnenen Informationen. Sie ergaben sich hauptsächlich aus Interviews mit einem Vertreter des Aufsichtsrats, Mitgliedern der Geschäftsführung und leitenden Angestellten des Unternehmens. Ursprünglich sollte noch ein weiteres kommunales Unternehmen in die Untersuchung einbezogen werden. Daß dies letztlich nicht gelang, mag mit der Einschätzung der Öffentlichkeitsreferentin des betreffenden Unternehmens Zusammenhängen, die den Standpunkt vertrat: „Wir sind kein öffentliches Unternehmen". Wohlgemerkt, dieses Unternehmen, die Stadtwerke Aachen, gehört zu 100% der Kommune.
Diese verblüffende Haltung scheint kein Einzelfall zu sein; z. B. erklärte auch ein technischer Prokurist der MVA diese kurzerhand zur nicht-öffentlichen Unternehmung. Das Bewußtsein, im öffentlichen Sektor zu arbeiten, dringt offenbar nicht zu allen Mitarbeitern, nicht einmal zu allen leitenden Angestellten durch. Das läßt einigermaßen pessimistische Erwartungen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung des von ihnen zu erfüllenden öffentlichen Auftrags zu.
Die Geschäftsführung der MVA erkennt, ähnlich wie der befragte Aufsichtsrat, eine gewisse Gemeinwohlverpflichtung des Unternehmens prinzipiell an, definiert sie jedoch rein instrumentell als die Beseitigung der anfallenden Müllberge, die ja in sich schon eine Serviceleistung für die Öffentlichkeit darstelle. Diesen Zweck gilt es möglichst effizient und kostensparend, also allein nach dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, zu erfüllen; nach Meinung der Geschäftsführung bringt die streng auf betriebswirtschaftliche Effizienz ausgerichtete Unternehmenspolitik der Öffentlichkeit durch Kostenentlastung die meisten Vorteile.
Fragen nach einer über die Serviceleistung hinausgehenden „sozialen Verantwortlichkeit" lösten jeweils eine gewisse Irritation und Unverständnis aus, weil abseits der betriebs-26 wirtschaftlichen Kostenkalküle keine relevanten Einflußgrößen gesehen werden konnten. Vor allem eine von der (mikro-) ökonomisehen Rationalität losgelöste ökologische Vorreiterfunktion der MVA (die laut Satzung u. E. durchaus möglich wäre) gilt als nicht gesellschafts-und systemkonform: „Dann müßten wir eine andere Gesellschaft propagieren." Eine andere Version lautete: „Moral können Sie vergessen, wir reagieren nur auf Auflagen." Bei dieser Einstellung finden die neuerdings verstärkten Bemühungen der Kommune um den Umweltschutz nicht den ungeteilten Beifall der Unternehmensführung, gehen sie doch als zusätzliche Kosten in die Ergebnis-rechnung ein. Eine Konfliktsituation wollte man hieraus zwar nicht konstruieren; vielmehr hieß knappe die Folgerung: „Dann -wer den einfach die Preise erhöht Bei der GmbH und der AG entscheiden die Träger über die Unternehmenspolitik." Dennoch wurde einiges Unbehagen gegenüber den von der Stadt derzeit geplanten Umweltmaßnahmen deutlich und deren „Sachbezogenheit“ angezweifelt. Typisch war, daß hierfür sofort die anfallenden Investitionskosten in Geldaufwand pro Tonne Müll umgerechnet wurden, mit anderen Worten nur der finanzielle Aspekt beachtet wurde.
Interessanterweise wurde in der Argumentation auch nur auf einen Teil der Öffentlichkeit, , die Wirtschaft', abgestellt: „Wer soll sich denn dann noch als Unternehmen in Wuppertal niederlassen? Wuppertal hat schon mit den höchsten Gewerbesteuersatz und einen sehr hohen Strompreis. Und dann noch die höchsten Müllgebühren?" Diese konsequente Dominanz wirtschaftlicher Gesichtspunkte über die öffentlich-politischen könnte ein Spiegelbild der Berufserfahrung der Geschäftsführer und Ressortleiter sein, deren Herkunft bereits im Abschnitt über die Rekrutierung erläutert wurde.
Wenn indessen die Betreiber mit offensichtlichem Stolz über ihre Anlage sprechen, steht dabei stärker als der ökonomische Erfolg ihre technische Vorreiterstellung innerhalb dieses Industriebereichs im Vordergrund. Anscheinend informieren sich in-und ausländische Besucher an dieser Anlage über den derzeitigen Stand der Technik, zumal sie durch hauseigene Weiterentwicklungen dem von der Hersteller-Firma gesetzten Standard inzwi -schen überlegen ist Die herausragende Stellung innerhalb der Fachwelt ist Folge der ambitionierten technischen Bemühungen des Personals, das sich auch deutlich zu solchem Ehrgeiz bekennt. Ebenso ist man sich bewußt, daß durch die öffentliche Trägerschaft finanzielle und organisatorische Freiräume entstehen, die man konsequent nutzt (z. B. durch Investition in verschiedenste Forschungsprojekte). Die Geschäftsführung unterstützt den Forschungsdrang der Mitarbeiter, die auf Grund persönlichen Engagements an einer Verbesserung der Anlage (und in deren Folge der Umweltsituation) interessiert sind, und setzt bewußt keine engen finanziellen Grenzen. Gegenüber vom Markt abhängigen privatwirtschaftlichen Unternehmen scheint der Spielraum hier doch erheblich größer; langfristige, vom Unternehmenserfolg unabhängige Forschungstätigkeit scheint eher möglich. Auch auf persönlicher Ebene fehlt der gewöhnlich anzutreffende Erfolgsdruck: Ein Projekt darf auch schon einmal „in die Hose gehen“.
V. Thesen zum Verhältnis von Manager-Einstellungen und politischer Steuerung
Die von uns eher zufällig und als Nebenprodukt anders zentrierter Studien aufgefundenen Hinweise scheinen uns, vor allem im oben erläuterten Kontext von Konvergenz oder politischer Steuerung, signifikant genug, in die Diskussion um die Probleme öffentlicher Unternehmen eingebracht zu werden. Interessant ist namentlich das englische Beispiel: Es gibt in Großbritannien wohl kaum eine nationalisierte Industrie, die (u. a. auf Grund der nur teilweisen Verstaatlichung der Stahlindustrie) dem privaten Wirtschaftssektor nähersteht als die BSC. Gerade hier hätte man also mit gutem Grund Management-Attitüden erwarten dürfen, die mit denen der privaten Stahlindustriellen (denen man immerhin durch die . gemeinsame Vergangenheit’ verbunden ist) praktisch identisch sind. Statt dessen hat sich bei den Exekutivdirektoren eben dieser Industrie gezeigt, daß sie, trotz des in der Öffentlichkeit sozusagen habituell zur Schau gestellten . kommerziellen Ethos, ihr Unternehmen ausdrücklich als „etwas Besonderes“, von einem . normalen’ Unterneh27 men durchaus Verschiedenes wahrnehmen und daß sie eigene, spezifische Verhaltensweisen entwickelt haben, die in eine ebenso spezifische Unternehmenspolitik (das „grand design") mündeten.
Das Bemerkenswerte daran ist, daß — was immer an solchen spezifischen Verhaltensweisen (die sogar ein rudimentäres „soziales Gewissen" einschließen) hier vorhanden ist — sie keine (langfristige) Reaktion auf in diese Richtung zielende politische Steuerung darstellten, sondern sie gerade umgekehrt offenbar Folge ihres Fehlens sind. Sie resultieren, wie es scheint, aus der , Surplus-Autonomie'der Manager in Staatskonzernen: Aus der Tatsache, daß sie sich nicht nur (weitgehend) ministeriellem Einfluß zu entziehen vermochten, sondern überdies (weitgehend) frei waren vom Konkursrisiko und damit von den Markt-kräften. Im Unterschied zu ihren privatwirtschaftlichen Kollegen standen die BSC-Manager lange Zeit nicht unter dem Zwang, vorsichtige, risikomindernde, marktstabilisierende Strategien zu verfolgen; d. h., sie konnten es sich leisten, technologische Maximierungsstrategien zu realisieren.
Nun ist das Entwickeln und Ausleben solcher . technokratischer'Einstellungen nur in seltenen Fällen das, was mit der Verstaatlichung einer Industrie bezweckt wird. Faktisch entsprang der für die BSC herausgefundene . esprit de corps'wohl auch weniger einer bewußt empfundenen Gemeinwohlverpflichtung als einem übersteigerten Bestreben, die Zugehörigkeit zur „business community" zu beweisen: In dem Versuch, mindestens so effizient und innovativ zu sein wie die Privat-wirtschaft, schoß man quasi über das Ziel hinaus und übertrumpfte sie — wenn nicht im ökonomischen Erfolg, so doch im technologischen Ehrgeiz. Mag aber diese technologische Orientierung zunächst auch nur eine Art „überschießende Konvergenz" sein, so zeigt gleichwohl, oben geschilderte Assimilation daß die an rein privatwirtschaftliches Verhalten unvermeidlich und daß von der nicht einzelwirtschaftlichen -Rentabilitätsorientie rung Verhalten ist abweichendes möglich Das deutsche Beispiel weist tendenziell in die gleiche Richtung: Auch hier zeigte sich, daß das Management eines öffentlichen Unternehmens, wie sehr es sich ansonsten . privatwirtschaftlich'definieren mag, aus seiner (ökonomisch) gesicherten Position heraus nicht nur in der Lage ist, die strenge betriebswirtschaftliche Rationalität zu überwinden, sondern den vorhandenen Spielraum tatsächlich im Sinne technologischer Optimierung nutzt. Die Parallelität der Ergebnisse ist um so bemerkenswerter, als es sich um zwei völlig verschiedene Unternehmenstypen handelt (was Organisationsform, Tätigkeitsbereich, Größenordnung sowie Trägerschaft anlangt), die noch dazu unter völlig verschiedenen Kontrollsystemen operieren.
Im Anschluß an diese noch sehr vorläufigen Ergebnisse läßt sich eine Reihe von Thesen formulieren:
1. über den theoretisch-systematischen Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Unternehmen hinaus scheint, unabhängig von politischen Einflüssen, ein grundsätzlicher (wenn auch nicht immer aktualisierter) Unterschied in der Verhaltensorientierung ihrer Managements zu bestehen, der stichwortartig zu charakterisieren ist mit: Sicherheitsstreben und Risikominimierung hier — uneingegrenzter „technologischer Ehrgeiz" dort. Das heißt nicht, daß Manager öffentlicher Unternehmen immer radikaler und innovativer wären als ihre privatwirtschaftlichen Kollegen, sondern vielmehr, daß sie sich diesen Luxus „leisten können“. Wenn sie ihrerseits konservative Strategien bevorzugen, liegt das an „bürokratischer Trägheit“ und ähnlichen internen Faktoren, nicht am durchs Konkursrisiko auferlegten Zwang zur Marktstabilisierung.
2. Dieser „technologische Ehrgeiz" wiederum wird subjektiv kaum als Unterschied zur privatwirtschaftlichen Orientierung empfunden, resultiert er doch vielfach aus dem Bestreben, es der Privatwirtschaft gleichzutun und von ihr als . zugehörig’ akzeptiert zu werden. Insofern ist er Folge „überschießender Konvergenz". Von . Gemeinwohlverpflichtung'ist eine solche Haltung weit entfernt; dennoch liefert sie einen ersten Einwand gegen die Theorie faktischer Verhaltens-Konvergenz.
3. Gleichwohl finden sich bei Managern -öf fentlicher Unternehmen Ansätze zu der Einsicht, daß ihr Operieren im öffentlichen Sektor besonderer Legitimation bedürfe und daß das Anerkenntnis eines öffentlichen Zwecks ihnen dienlich sein könne — und sei es nur, um ihre Handlungsfreiräume abzusichern.
4. Zwischen Manager-Rekrutierung und ihren Einstellungen konnten 'keine eindeutigen Bezüge hergestellt werden. Es gibt allerdings gute Gründe für die Vermutung, daß der „technologische Ehrgeiz" bei . career men'am ausgeprägtesten ist. Rekrutierung aus dem öffentlichen Dienst dagegen scheint eher verB stärktes Assimilationsstreben nach sich zu ziehen (s, z. B. die deutschen Bundesbeteiligungen). 5. Unklar ist weiterhin, ob die Ausbildung spezifischer Einstellungen von Managements im öffentlichen Sektor mit Branche/Industrie, Organisationsform/Unternehmenstyp, Unternehmensgröße und Wettbewerbssituation variiert; unsere vorläufigen Ergebnisse sprechen eher dagegen. Dennoch vermuten wir, daß eine eigene Organisationsform wie die der public Corporation bei den. großen britischen nationalisierten Industrien eher Raum läßt für die Entwicklung eines speziellen „esprit de corps" als die rein privatrechtliche Organisation der meisten (ohnehin häufig . gemischtwirtschaftlichen") deutschen öffentlichen Unternehmen.
All dieses bedarf offensichtlich umfangreicher gezielter Forschung. Diese erscheint, aus theoretischer wie praktischer Sicht, um so dringlicher, als die Machbarkeit politischer Steuerung öffentlicher Unternehmen und ihre dauerhafte Bindung an ihren öffentlichen Zweck wesentlich davon abhängen, ob die bisher dominant scheinende .selbstverständliche'Neigung ihrer Manager zu privatwirtschaftlichen Verhaltensweisen modifiziert, wenn nicht durchbrochen werden kann. Erst wo die Leiter öffentlicher Unternehmen ein „typisches" Selbstverständnis entwickeln, wird ihre Gemeinwohlverpflichtung denk-und durchsetzbar.
Heidrun Abromeit, Dr. phil. habil, geb. 1943; Studium der Politikwissenschaft in Marburg und Berlin; Promotion und Habilitation in Mannheim; Akademischer Oberrat am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Bergischen Universität GHS Wuppertal. Veröffentlichungen u. a.: Staat und Wirtschaft Zum Staatsverständnis der Wirtschaftsöffentlichkeit in der Bundesrepublik, Frankfurt — New York 1981; Die ministerielle Kontrolle der nationalisierten Industrien in Großbritannien, in: GÖWG (Hrsg.), öffentliche Bindung von Unternehmen, Baden-Baden 1983; Mehrheitsprinzip und Föderalismus, in: B. Guggenberger/C. Offe. (Hrsg.), An den Grenzen des Mehrheitsprinzips, Opladen 1984. Martin Schwoll, Dipl, oec, geb. 1955; Studium der Wirtschaftswissenschaft in Aachen und Wuppertal.
Ihre Meinung ist uns wichtig!
Wir laden Sie zu einer kurzen Befragung zu unserem Internetauftritt ein. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um uns bei der Verbesserung unserer Website zu helfen. Ihre Angaben sind anonym.