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Lom III: Bewahrung des Erreichten und Priorität für die Landwirtschaft | APuZ 27/1985 | bpb.de

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APuZ 27/1985 Artikel 1 Menschenrechte und Entwicklung Vgl. zu diesem Thema die Materialsammlung in: Deutsche UNESCO-Kommission, Menschenrechte im Nord-Süd-Verhältnis (Menschenrechte 3, Lehrund Lernmaterialien für die außerschulische Bildung), Bonn 1985. Lom III: Bewahrung des Erreichten und Priorität für die Landwirtschaft Afrikanische Macht -Afrikanische Ohnmacht

Lom III: Bewahrung des Erreichten und Priorität für die Landwirtschaft

Joachim Betz

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Am 8. Dezember 1984 wurde das neue, dritte Lom-Abkommen nach zähen Verhandlungen zwischen den EG-Mitgliedern und den AKP-Staaten unterzeichnet. Es stellt über weite Strecken im wesentlichen eine Wahrung der Besitzstände (von Lom I und II) dar, enthält jedoch insbesondere im Hinblick auf die finanzielle Zusammenarbeit einige beachtliche Neuerungen. Dazu zählen die Beschleunigung des Mittelabflusses, insbesondere aber die ernsthaftere Programmierung der Hilfe, der sektorale Ansatz der finanziellen Zusammenarbeit und ihre Konzentration auf die Landwirtschaft, insbesondere die Sicherung der Ernährung. Diese gegenüber Lom II deutlich andere Orientierung erklärt sich aus dem Unbehagen über die offenkundig (gemessen an den Ergebnissen) mangelnde Effizienz des Mitteleinsatzes insbesondere in Afrika. Ein vertiefter Austausch zwischen EG und AKP-Partnern über die verfolgte Entwicklungsstrategie und die daher mögliche Unterstützung durch die Gemeinschaft, über den koordinierten und konzentrierten Einsatz aller dafür zur Verfügung stehenden Instrumente in der Art der bisher versuchsweise unterstützten Ernährungsstrategien und über die Einpassung der Nahrungsmittelhilfe in diese Bemühungen sollen von Seiten der Gemeinschaft die Effektivierung der Hilfe sicherstellen und letztlich einen Beitrag zur „self-reliance" der Empfänger leisten.

I. Der lange Weg zu Lom III

Kap Verde y Senegal Gambia Partner der EG

Als am 8. Dezember 1984 das neue, dritte Lom-Abkommen (Lom III) zwischen den zehn EG-Mitgliedern und nunmehr 65 (bald, mit Einschluß Angolas, wohl 66) Partnerstaaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) unterzeichnet wurde, waren diesem feierlichen Akt in der togolesischen Hauptstadt die längsten und zähesten Neuverhandlungen in der bisherigen Abkommensgeschichte vorausgegangen. In fünf regulären ministeriellen Verhandlungsrunden konnte zwar eine weitgehende Annäherung der ursprünglich weit auseinanderliegenden Vorstellungen, nicht jedoch eine Einigung über das Volumen der finanziellen Hilfe erreicht werden; deshalb mußte eine weitere Verhandlungsrunde der Co-Präsidenten nachgeschoben werden, um die termingemäße Unterzeichnung zu sichern. Die stark euphorischen Ansprachen, Grußadressen und Kommentare beim Abschluß von Lom I und II wichen diesmal einer eher nüchternen Einschätzung. Der Präsident des EG-Ministerrates feierte die Konvention immerhin als Werk der Solidarität, gab aber zu bedenken, sie könne beileibe nicht alle Probleme lösen der Präsident des AKP-Ministerrates erwähnte zwar einige Verbesserungen von Lom III gegenüber den Vorgängern, kritisierte aber die unzureichenden finanziellen Vorkehrungen und mangelnde Verbesserungen beim Handelsregime Der Grundtenor der Äußerungen beim Festakt war Bewahrung des Erreichten in schwieriger weltwirtschaftlicher Großwetterlage, bei Niedergang des Nord-Süd-Dialogs und Rückgang der Finanzierungsbereitschaft internationaler Entwicklungsagenturen (IDA, Internationaler Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung) an anderer Stelle.

Diesem Tenor entspricht die realistischere und auf Seiten der AKP-Staaten negativ ein-gefärbte Würdigung der bisherigen Auswirkungen der Zusammenarbeit. „Lom war kein Erfolg“, sagte der Verhandlungsführer der AKP-Staaten zu Beginn der ersten Runde in Luxemburg. Er und andere Vertreter der Gruppe führen als Beleg das im Vergleich zu anderen Entwicklungsländern geringere Wachstum der AKP-Staaten an, ihren zurückgehenden Anteil am Außenhandel der EG, die inflationsbereinigt geringer werdende Entwicklungshilfe der Gemeinschaft, die finanzielle Unterausstattung von STABEX, den nach wie vor höchst geringen Anteil der Fertigwaren am Export der AKP-Staaten, der sich zudem Behinderungen durch die EG ausgesetzt sieht, schließlich die steigende Verschuldung der Partnerstaaten und die Tatsache, daß keiner von ihnen den Sprung zum industriellen Schwellenland während der Laufzeiten von Lom I und II geschafft habe. Auch die EG-Mitgliedsstaaten und die EG-Kommission ziehen, seit einiger Zeit eine eher pessimistische Bilanz der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten, wenngleich sie dafür weniger als diese exogene weltwirtschaftliche Faktoren verantwortlich machen. Im folgenden soll diese Bilanzierung und ihre Rückwirkung auf die von der Kommission beabsichtigten Neuerungen für Lom III sowie die Reaktion der AKP-Staaten hierauf dargestellt werden. Angesichts der Bedeutung des Agrarsektors für die Wirtschaft der Partnerländer, der dort beobachtbaren Strukturverzerrungen und damit korrespondierender Bestrebungen der Kommission, bei ihrem Abbau besondere Unterstützung zu leisten, werden bereits durchgeführte und/oder mit Lom III geplante Neuerungen bei der Agrar-und Nahrungsmittelhilfe sowie begleitende Versuche zur Koordinierung und Effektivierung der Hilfe im Vordergrund stehen.

II. Bilanz der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit

Die Bilanz der zwei ersten Entwicklungsdekaden zeigt nach Meinung der Kommission, daß die eingesetzten Entwicklungshilfemittel nicht ausreichend waren oder nicht richtig eingesetzt wurden. Das im ganzen vertretbare Wirtschaftswachstum der Dritten Welt in den siebziger Jahren (pro Kopf jährlich immerhin 2, 7 %) sei an den afrikanischen AKP-Staaten, für die sich die Kommission besonders verantwortlich fühlt, spurlos vorübergegangen, lag doch in den Ländern südlich der Sahara die entsprechende Rate bei — 0, % 3). Entsprechend hat sich der Abstand zu den übrigen Entwicklungsländern vergrößert. Im Außenhandel ist ein sukzessiver Ausschluß der afrikanischen Länder südlich der Sahara aus der Weltwirtschaft festzustellen, da ihr Anteil am We %) sei an den afrikanischen AKP-Staaten, für die sich die Kommission besonders verantwortlich fühlt, spurlos vorübergegangen, lag doch in den Ländern südlich der Sahara die entsprechende Rate bei — 0, 3 % 3). Entsprechend hat sich der Abstand zu den übrigen Entwicklungsländern vergrößert. Im Außenhandel ist ein sukzessiver Ausschluß der afrikanischen Länder südlich der Sahara aus der Weltwirtschaft festzustellen, da ihr Anteil am Weltexport von 3, 1 % (1960) auf heute rund 1 % gefallen ist. Der Positionsverlust betrifft vor allem auch Produkte, bei denen die afrikanischen Länder komparative Vorteile aufweisen (Erze, Kakao, Pflanzenöl, Baum-wolle und Erdnüsse), und kann durch verschlechterte Austauschbedingungen (terms of trade) allein keinesfalls erklärt werden. Besonders ungünstig verlief die Agrarentwicklung: Das Volumen der landwirtschaftlichen Exporte stagniert seit 1960, bei der Nahrungsmittelproduktion, deren Wachstum in den sechziger Jahren gerade noch den Bevölkerungsanstieg kompensierte, ist seit 1970 (pro Kopf) ein stetiger Fall (um 2 % p. a.) auf ein Niveau zu beobachten, das nur noch in sieben von 37 Ländern (für die Daten vorliegen) eine ständige Verschlechterung der Versorgung verhindert 4). Entsprechend sind die Nahrungsmitteleinfuhren von 4 Mio. t (1973/74) auf über 12 Mio. t (1983/84) gestiegen und der Anteil Afrikas an der gesamten Nahrungsmittelhilfe ist auf über die Hälfte geklettert. Die Hungerkatastrophe, die die Sahelzone und die Länder des östlichen und südlichen Afrika 1983/84 heimsuchte, ist daher nur als ein Symptom einer dahinterliegenden, lang anhaltenden Produktionskrise in der Landwirtschaft zu betrachten.

Die Verschlechterung der Stellung der afrikanischen Länder im Welthandel und zunehmende Nahrungsmittelimporte führte ab 1982 zu einer Häufung von Verschuldungskrisen. Trotz durchschnittlich vergleichweise geringer Zinssätze mußten ungefähr zwei Dutzend afrikanische Staaten umschulden; die begleitende Rückführung der Leistungsbilanzdefizite nötigte zu beträchtlichen Importdrosselungen, die vielen Ländern nicht einmal mehr den Bezug notwendiger Produktionsinputs (Düngemittel, Ersatzteile) gestatten.

Zusätzlich zu den kurzfristigen Überlebensproblemen zeichnen sich in Afrika besorgniserregende Langzeitentwicklungen ab, zu deren Bewältigung die lokalen Ressourcen nicht ausreichen werden. Dazu zählt einmal das andere Entwicklungsregionen deutlich übertreffende Bevölkerungswachstum, das zusammen mit den Einkommensdisparitäten zwischen Stadt und Land die Urbanisierung vorantreiben und entsprechende Infrastrukturleistungen nach sich ziehen wird, sowie die Gefährdung des ökologischen Gleichgewichts durch Bodenerosion und Abholzung; letzteres auch eine Folge der Überbeanspruchung des Bodens und der Ausbreitung der Herdenwirtschaft.

Hinsichtlich der Krisendiagnose stellen die wiedergegebenen Ausführungen der EG nichts Aufregendes dar; sie werden von allen einschlägigen Organisationen geteilt 5). Unterschiede ergeben sich aber hinsichtlich der Verantwortungszuweisung und der entwicklungspolitischen Strategieempfehlungen. Die Kommission äußert sich hier zurückhaltender als die Weltbank, die unverblümt verfehlte importsubstituierende Industrialisierungsstrategien, investive, steuerliche und währungspolitische Benachteiligungen der Landwirtschaft, das Wachstum einer ineffizienten Staatswirtschaft ünd eine „pronatalistische" (vermehrungsfreundliche) Bevölkerungspolitik für die afrikanische Krise verantwortlich macht 6). Allerdings bejaht auch die Kommission eine erhebliche Mitverantwortung der afrikanischen Eliten durch die vorrangige Berücksichtigung des Staatsapparates und des städtischen Milieus und die Bevorzugung von Großprojekten, unterstützt durch unangemessene „Hilfen" der Geberländer in Gestalt importintensiver, nicht in das Wirtschaftsgefüge des Empfängerlandes integrierter Projekte und von Nahrungsmittellieferungen, die sich lähmend auf die örtliche Produktion auswirken 7).

Angesichts der gegenwärtigen Lage und ihrer prognostizierten weiteren Verschlechterung bei fehlenden politischen Korrekturen, sieht die EG schon seit längerem die Notwendigkeit für einen deutlichen wirtschaftspolitischen Kurswechsel in den afrikanischen Län-dern. Dies auch um so mehr, als das Ausmaß der Arbeitslosigkeit in Europa, die Belastungen durch den Beitritt Spaniens und Portugals sowie die Krise des multilateralen Finan-zierungssystems und des Nord-Süd-Dialogs insgesamt nur geringe Hoffnungen auf Steigerungen des Entwicklungshilfevolumens zulassen.

III. Neue entwicklungspolitische Ansatzpunkte

Die Neuorientierung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zwischen der EG und den AKP-Staaten, wie sie in Lom 6 III zum Ausdruck kommt, kündigte sich schon lange vor Verhandlungsbeginn durch Vorstöße des Europäischen Parlaments/der Kommission im Bereich der Agrarhilfe und durch ein Memorandum zur Entwicklungspolitik der Gemeinschaft (Herbst 1982) an. Diese Initiativen enthalten in etwa folgende Denkansätze:

a) Angesichts der enttäuschenden Entwicklungsergebnisse bedürfe die Hilfe an die AKP-Staaten zwar einer Aufstockung, in erster Linie aber einer Effektivierung. Als verbesserungswürdig auf Seiten der Geber werden insbesondere die Nahrungsmittelhilfe und der Projektansatz herausgestellt. Nahrungsmittelhilfe wird in Übereinstimmung mit der einschlägigen, seit Jahren geübten Kritik als Bremse höherer lokaler Produktion gesehen; die Finanzierung von Einzelprojekten führt nach dem Memorandum häufig zur Schaffung technologischer Inseln ohne Bezug zur Restwirtschaft und reflektiert daher mehr die Interessen der Geber. Nahrungsmittel-hilfe soll daher nur noch in Notsituationen und im Rahmen von Ernährungsstrategien mit dem Ziel der besseren Eigenversorgung eingesetzt werden. Die Zusammenarbeit der EG mit den AKP-Staaten insgesamt soll mehr in Form von Programmen zur Unterstützung ihrer sektoralen Politiken erfolgen.

b) Im Zusammenhang der Mitverantwortung der afrikanischen Länder für die enttäuschen-den Entwicklungsergebnisse wird die Notwendigkeit eines „Politischen Dialogs“ eingeführt. Bei seiner Begründung und Bestimmung tut sich die Kommission erkennbar schwer. Keineswegs sei das Problem durch Aufzwingen strenger Konditionen (la IWF) zu lösen, auch sollten die sektoralen Prioritäten und das Entwicklungsmodell des Landes nicht in Frage gestellt werden. Es gehe vielmehr darum, auf der Grundlage der von den Partnern festgelegten Ziele gemeinsam zu analysieren, auf welche Weise diese Ziele und mit welcher Unterstützung der Gemeinschaft sie erreicht werden könnten. Beispielhaft für den einzuschlagenden Weg sei die bereits erfolgte Unterstützung der Gemeinschaft bei den Ernährungsstrategien einiger afrikanischer Länder (s. u.).

c) Oberste entwicklungspolitische Priorität soll die Sicherung der ernährungspolitischen Eigenständigkeit erhalten. Hierzu dienen einmal ausreichende Preisanreize für die Bauern, zum anderen die Verbesserung des Absatzes (Lagereinrichtungen, Transport, Agrarkredit) sowie die stärkere lokale Verarbeitung agrarischer Erzeugnisse. Die Wiedererlangung der ernährungswirtschaftlichen Eigenständigkeit soll im Rahmen der schon erwähnten Ernährungsstrategien erfolgen. Als nachgeordnete Prioritäten werden genannt die Verringerung der Energieabhängigkeit durch die Erschließung alternativer Energien, eine am Bedarf der Landwirtschaft und der Mehrheit der Bevölkerung orientierte Industrialisierung sowie der Ausbau der regionalen Zusammenarbeit.

d) Die Maßnahmen des neuen Lom-Abkommens sind nach Meinung der Kommission nur in einem längeren Zeitraum zu verwirklichen. Um die Zusammenarbeit nicht (wie bisher) alle fünf Jahre in Frage zu stellen und um Kontinuität zu gewährleisten, sollte das Abkommen nach Vorstellungen aus Brüssel in einen Vertrag mit unbegrenzter Dauer umgewandelt werden, in dem die Grundsätze, Ziele und Institutionen der Zusammenarbeit ein für allemal festgelegt werden, ohne die Möglichkeit der regelmäßigen Überprüfung der Finanz-und Durchführungsbestimmungen freilich auszuschließen. e) Zur Verstetigung der Gemeinschaftshilfe und zu ihrer Bedeutungsverstärkung, wodurch auch der genannte „Politische Dialog" ein höheres Gewicht erhalten hätte, schlug die Kommission eine Ausweitung ihres Anteils an der Hilfe der Mitgliedsstaaten auf ein Promille ihres Bruttoinlandsprodukts vor.

Dazu kam noch wie bei Lom II die Forderung nach einem Rahmenabkommen zum Schutz und zur Förderung privater Direktinvestitionen aus der Gemeinschaft in den Partnerländern — dies auch vor allem wegen der bei knapper öffentlicher Kassenlage notwendigen Ergänzungsfunktion privaten Kapitals

In den Verhandlungen schob die Kommission später noch ihren Wunsch nach, den Entwicklungshaushalt, der bislang durch eigens veranlagte Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert wird, aus dem regulären EG-Haushalt zu bestreiten und das System der Exporterlösstabilisierung (STABEX, s. u.) ganz auf Zuschüsse umzustellen, diese aber an die Verwendung im betroffenen Sektor zu binden.

IV. Das Verhandlungsergebnis

Schon im Frühstadium der Verhandlungen scheiterte die geplante Umstellung des Abkommens auf unbegrenzte Dauer und die Richtgröße für die Hilfe (ein Promille) am Widerstand der EG-Staaten, vornehmlich der Bundesrepublik Deutschland und Großbritanniens. Kein Land, so die Bundesregierung, könne in der Entwicklungspolitik unbefristete Verpflichtungen eingehen. Die britische Regierung wandte sich vor allem gegen eine Ausdehnung der EG-Hilfe zu Lasten der bilateralen Zusammenarbeit und der Weltbank (was die Einhaltung des Promillesatzes be wirkt hätte) und damit gegen die indirekte Benachteiligung jener Nicht-AKP-Mitglieder, an denen Großbritannien ein gesteigertes Interesse hat (Indien, Pakistan, Bangladesh).

Die AKP-Staaten liefen, indirekt unterstützt von Frankreich, trotz der vorsichtigen Einführung vor allem gegen den „Politischen Dialog“ Sturm, da dieser der Gemeinschaft Einmischung in die inneren Angelegenheiten gestatte, konditionierte Mittelvergabe bedinge und daher mit Vereinbarungen zwischen souveränen Partnern unvereinbar sei. Die EG-Staaten wiegelten im Verlauf der Verhandlungen sehr stark ab und zogen das Reizwort „Politischer Dialog" schließlich aus dem Ver8) kehr. Die Programmierung der Hilfe, die bisher im wesentlichen auf die Fixierung der länderweise zur Verfügung stehenden Beträge und der anschließenden Präsentation von Projektlisten beschränkt war, wird nun allerdings wesentlich verbessert in Richtung eines vertieften Meinungsaustausches über beabsichtigte entwicklungstrategische Entscheidungen und sektorale Schwerpunkte, auf die sich die Hilfe der Gemeinschaft sinnvollerweise konzentrieren soll, um erstere zu unterstützen. Die Identifikation von Einzelprojekten und -Programmen wird künftig nachgeordnet stattfinden.

Offen blieb auch bis zum Schluß der Verhandlungen die insbesondere von der niederländischen Regierung und den Gewerkschaften gewünschte Aufnahme der Verpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte in die Lom-Konvention. Gemäß dem Verhandlungsauftrag der Kommission sollte die Hilfe künftig nicht mehr zur Unterstützung repressiver Regime eingesetzt werden. Dieses Vorhaben, das schon bei den Verhandlungen zu Lom II eingebracht wurde und das Gebaren Idi Amins zum Anlaß hatte, stieß auf nachhaltigen Widerstand der AKP-Staaten; sie fürchteten Einmischungen und argumentierten, daß sie Mitglieder Vereinten als der Nationen und der Organisation für Afrikanische Einheit alle auf deren Menschenrechtscharta festgelegt seien. Im übrigen stelle sich für hungernde Menschen die Frage der Menschenrechte anders als für Europäer. Konsequenterweise forderten sie statt dessen die Nennung eines „Rechts auf Entwicklung" in der neuen Konvention, das den Menschenrechten beizuordnen wäre. In dieser Frage setzte die Gemeinschaft sich insoweit durch, als die Präambel des Vertragswerkes ausdrücklich auf die Menschenrechtsprinzipien der UN-Charta nimmt und eine -Bezug ge meinsame EG-AKP-Erklärung die Konvention auf Beseitigung jener Hindernisse verpflichtet, die dem Genuß der individuellen Freiheitsrechte entgegenstehen. Im -Gegen zug verpflichtete dort sich die Gemeinschaft auf die Bekämpfung aller Formen rassischer, anderer ins religiöser und Diskriminierung, -besondere in Gestalt der Apartheid. -Vertrags verletzungen ziehen jedoch in beiden Fällen keine Sanktionen nach sich.

Probleme hatten die AKP-Staaten (wie bereits bei Lom II) mit der Forderung nach Schutz und Förderung privater Direktinvestitionen aus der Gemeinschaft, wollten sie sich ihr Recht zur politischen Steuerung (unter Einschluß von Verstaatlichungen) der Investitionen nicht aus der Hand nehmen lassen. Der Wunsch nach einer multilateralen Investitionsgarantie im Lom-Abkommen wurde im wesentlichen von den kleineren EG-Staaten getragen, während die „Großen" aufgrund ihres eigenen Instrumentariums und bilateraler Garantieverträge hier nur lustlos Unterstützung leisteten. Der neue Vertrag enthält nun (gegenüber der unverbindlichen Formulierung von Lom II) ein ganzes Kapitel über Privatinvestitionen, die angeregt und fair und gerecht behandelt werden sollen und für die ein stabiles Investitionsklima geschaffen werden soll. Zwischenstaatliche Investitionsschutzabkommen werden empfohlen als Grundlage eines multilateralen Garantieinstrumentariums, über dessen Einrichtung vorerst freilich nur beraten werden soll. Aber auch trotz dieser, seine praktische Bedeutung schmälernden Lücke ist der Vertragstext Ausdruck der sich in Schwarzafrika verändernden Haltung zu privaten ausländischen Direktinvestitionen, die in den letzten Jahren in der Liberalisierung einer ganzen Reihe nationaler Investitionsgesetze ihren Ausdruck gefunden hat.

Zentral für ihre Kritik am Lomö-Abkommen war bei den AKP-Ländern der Hinweis auf den geringen Ertrag des handelspolitischen Instrumentariums. Es garantiert zwar den unbeschränkt Zugang von % der zollfreien 99, 5 AKP-Exporte auf dem EG-Markt (ausgenommen sind nur einige Erzeugnisse, für die Marktordnungen bestehen), hat aber dennoch gravierende Marktanteilsverluste der AKP-Staaten gegenüber den anderen Entwicklungsländern nicht aufhalten und deren Rohstoffabhängigkeit in der Ausfuhr kaum verringern können Die Bemühungen der AKP-Staaten während der Verhandlungen zielten auf die Abschaffung der Schutzklausel, die Importbeschränkungen'durch die Gemeinschaft Liberalisierung erlaubt, auf die der Agrareinfuhren und der kumulativen Ursprungsregelungen. Letztere sollen sicherstellen, daß Ausfuhrgüter aus den Partnerstaaten dort in ausreichendem Maße weiterverarbeitet und nicht etwa nur umetikettiert werden; sie zeichneten sich durch enorme Komplexität aus, waren daher von den Nutznießern administrativ kaum zu bewältigen und schreckten exportorientierte Investitionen eher ab.

Angesichts des starken Widerstandes der protektionistisch eingestellten südlichen Gemeinschaftsmitglieder wurden beim Handel nur geringfügige Verbesserungen erreicht: Anträge auf Zollbefreiung weiterer Agrargü-ter sollen nun schneller (binnen sechs Monaten) geprüft werden, die Ursprungsregeln werden etwas vereinfacht und ihre Aussetzung erleichtert, wenn andernfalls die Industrieentwicklung eines AKP-Staates behindert würde. Nicht berücksichtigt wird künftig pauschal ein Anteil von 5 % für mitverarbeitete Nichtursprungswaren (aus Drittländern). Die nach wie vor gegebene Komplexität der Regeln mag man aber daran ersehen, daß sie platzmäßig etwa ein Drittel des gesamten Vertragswerkes beanspruchen.

Unzufrieden waren die AKP-Staaten auch mit der Ausstattung und den Modalitäten des Systems der Ausfuhrerlösstabilisierung. Dies war das eigentlich innovative Element des ganzen Lom 6-Vertragswerkes und sollte als eine Art Versicherung die Nutznießer vor den Folgen schwankender Rohstoffpreise und -erlöse schützen und ihre Importkaufkraft erhalten. Das System gleicht produktweise die unter den Durchschnittswert der vorausgegangenen vier Jahre fallenden Exporterlöse aus der Ausfuhr in das EG-Gebiet bei zuletzt 46 Rohstoffen (je einzeln) aus, sofern bestimmte Abhängigkeits-(während Lom II mußten mindestens 6, 5 % der Gesamtausfuhren des antragstellenden Landes auf das betreffende Produkt entfallen, bei ärmeren Ländern 2 %) und Auslöseschwellen (Erlöseinbuße von 6, 5 %, bei ärmeren Ländern von 2 %) überschritten werden. Die Begrenzung der Produktpalette (auf im wesentlichen unverarbeitete Waren) und des Bezugsgebietes (EG statt global), die Schwellenwerte und der Ausschluß mineralischer Rohstoffe (Ausnahme: Eisenerz) hatten den Sinn, die Zahlungsverpflichtungen der EG gering zu halten und einige europäische Industriesektoren (Tabak, Sisal-und Baumwollverarbeitung) nicht zu gefährden. Dadurch beschränkte sich die Exporterlösstabilisierung freilich auf ca. 20 % der AKP-Gesamtausfuhren. Für diese Einschränkungen ließ sich die EG, die STABEX anfänglich als Hilfe für den betroffenen Sektor verstanden wissen wollte, die Verwendungskontrolle des STABEX-Transfers ab-handeln, die auch in „andere geeignete Sektoren geleitet" werden dürfen. Und in der Tat verwendeten die AKP-Staaten diese Mittel während Lom I und II nur zum geringsten Teil im betroffenen Sektor, sondern hauptsächlich als zusätzliche Hilfe zum Ausgleich der Staatshaushalts-bzw.der Zahlungsbilanz. Dies wäre nun nicht weiter problematisch, wenn nicht auch noch mit Lom II die Rückzahlungsverpflichtungen für STABEX weiter aufgeweicht worden wären. Die ärmeren Länder erhalten STABEX-Mittel ohnedies als Zuschuß; aus dem verbleibenden restlichen Drittel der bisherigen Zuwendungen sind bisher kaum Rückzahlungen erfolgt. STABEX ist damit entgegen seinem Anspruch die verdeckte Form einer frei verwendbaren und vergleichsweise schnell abfließenden Entwicklungshilfe geworden, was auch ihre besondere Beliebtheit bei den AKP-Staaten erklärt. Hinzu kommt, daß die Ausgleichszahlungen aufgrund ihrer produktweisen Berechnung und der notwendigen Auszahlungsverzögerung nachweislich keine stabilisierende Wirkung entfalten Ferner konzentrierten sich die Auszahlungen bisher systembedingt auf wenige Empfänger (in der Reihenfolge: Senegal, Elfenbeinküste, Sudan, Kenia) mit konkurrenzfähigem Rohwarenangebot, also nicht unbedingt auf die Bedürftigen.

Die Unzufriedenheit der AKP-Staaten richtete sich aber keinesfalls gegen diese logischen Unzulänglichkeiten von STABEX, sondern gegen seine geringe finanzielle Ausstattung, die angesichts der drastisch fallenden Rohstoffpreise 1980 und 1981 nur zur teilweisen Erstattung (52 bzw. 42 %) der Erlösausfälle ausreichte und gegen die Erstattung auf nominaler, also nicht inflationsbereinigter Basis. Für Lom III forderten sie neben einem deutlich höheren Mittelansatz für STABEX den Einschluß verarbeiteter Rohstoffe und der Tourismuseinnahmen, die Erweiterung der Pruduktpalette und des Referenzgebietes (Ausfuhren der STABEX-Produkte global). Die EG-Mitglieder wiesen diese Begehren teils mit dem wohl zutreffenden Argument zurück, die kürzliche Mittelknappheit bei STABEX erkläre sich vor allem aus politikbedingten Produktionsrückgängen bei den Partnern, die zu Erlöseinbußen führten, und weniger aus rezessionsbedingtem Nachfragemangel. Das mit Lom III auf 925 Mio. Ecu erhöhte STABEX-Volumen reicht in etwa aus, um seinen Realwert zu erhalten; die Schwellenwerte wurden geringfügig gesenkt (um 0, 5 %), drei neue Produkte kommen hinzu, der Einfluß von Wechselkursschwankungen auf die Auszahlungshöhe wird gemindert und künftige Kürzungen im Falle von Mittel-knappheit unterliegen strengen Regelungen und dürfen 40 % nicht überschreiten. Im Gegenzug konnten die EG-Länder ihren lange gehegten Wunsch der systemkonformen Verwendung der Transfers wenigstens ansatzweise durchsetzen: Anträge müssen „substantielle Informationen" über die geplante Verwendung und die spezifischen Probleme des betreffenden Sektors enthalten; eine anderweitige Verwendung ist zu begründen. Nicht befriedigende Berichte über den Mitteleinsatz können zur Sperrung künftiger Transfers führen.

Am Finanzierungssystem für Bergbauerzeugnisse (SYSMIN), das mit Lom 6 II eingeführt wurde und eine an sich'lebensfähige bergbauliche Produktionskapazität bei schweren politischen oder wirtschaftlichen Störungen erhalten helfen sollte, wurde wenig geändert. Diesbezügliche Wünsche der AKP-Staaten hatten sich auf die Erweiterung der sieben Rohstoffe enthaltenden Produktliste gerichtet und der Einebnung der Unterschiede zu STA-BEX, liegen doch bei SYSMIN die Abhängigkeitsschwellen für eventuelle Transfers höher, die zudem nur für geprüfte bergbauliche Projekte verwendet werden dürfen. Lom III senkt den finanziellen Anteil von SYSMIN am Gesamtsystem angesichts bislang mangelnder Mittelausschöpfung etwas und sieht für den Fall, daß die Bergbaukapazität kommerziell kaum noch rehabilitierbar ist, die Möglichkeit anderweitiger Mittelverwendung vor.

Die übrigen Neuerungen von Lom III, mit Ausnahme der finanziellen und technischen Zusammenarbeit, die weiter unten besprochen wird, sind mehr deklamatorischer und programmatischer Art. So gibt es neue Titel für die Entwicklung des Fischereiwesens, für Transport und Nachrichtenverbindungen und die kulturelle und soziale Zusammenarbeit Sie enthalten außer lobenswerten Absichtserklärungen (Stärkung der kulturellen Identität, Entwicklung der menschlichen Ressourcen etc.) wenig „geldwerten Nutzen", der nicht schon mit den bisherigen Instrumenten der Kooperation hätte erlangt werden können.

V. Neuansätze bei der finanziellen und technischen Zusammenarbeit

1. Allgemein Zuschüssen, der Rest (Sonderdarlehen) wird Für viele AKP-Staaten, insbesondere für die zu einem eher symbolischen Zinssatz vergeben unter ihnen, stellen die Bestimmungen (0, 5 bzw. 1 %). Damit sticht die finanzielle über die finanzielle und technische Zusammenarbeit deutlich ab von den Konditionen im Lom-Abkommen den der Weltbank oder der regionalen Entwicklungsbanken. und sofort greifbaren Nutzen ihrer Anbieter aus AKP-Staaten Bindung an die EG dar. Es ist daher kein erhalten bei Projektausschreibungen Preis-präferenzen daß über die Höhe der Hilfe in den von 10 bzw. 15% und kamen damit über Lom III am zähesten bisher auf einen Anteil von immerhin einem wurde. Es kommt hinzu, daß die Drittel bei den Zuschlägen; Leistungen der Gemeinschaft gegenüber anderen Die finanzielle Zusammenarbeit ist in besonderem Gebern einige Besonderheiten aufweisen, Maße auch für die Förderung der die sie für die AKP-Staaten besonders wirtschaftlichen Zusammenarbeit der AKP-Staaten machen: untereinander bestimmt (bisher und — Durch die sogenannte „Programmierung" künftig etwa ein Achtel der zur Verfügung der Hilfe erfahren die AKP-Staaten im Voraus, Mittel). Der offensichtlich nicht gerade in welchem Umfang sie während der sonderlich entwickelte Gemeinschaftsgeist des Abkommens finanzielle Mittel dieser Staaten führte aber dazu, daß hier von der Gemeinschaft erwarten dürfen. Die überwiegend Verkehrsprojekte beantragt Unterstützung ist also stärker als von anderen 11).

Gebern vorhersehbar;

Diese insgesamt recht positive Bilanz wurde — die Leistungen sind politisch neutral, d. h., bislang durch zwei Umstände getrübt: Trotz sie werden in ihrem Volumen nicht von der anerkennenswerter Ansätze der partnerschaftlichen und außenpolitischen Orientierung Verwaltung der Hilfe reserviert der Empfänger bestimmt; sich die Gemeinschaft die Entscheidung über — die Verwaltungskosten der Hilfe werden die Projektfinanzierung. Das diese Haltung vom EG-Haushalt getragen und gehen nicht begründende Argument der Steuerfinanzierung wie anderswo — zu Lasten der finanziellen hat angesichts der Praxis anderer internationaler Finanzierungsinstitutionen wenig Überzeugungskraft. Noch ärgerlicher für die* — die Bedingungen der Hilfe insgesamt sind sehr günstig. Die bei vielen Gebern übliche Lieferbindung entfällt zugunsten offener Ausschreibung; zwei Drittel der Transfers des Europäischen Entwicklungsfonds bestehen aus Partner war die bisher äußerst schleppende Projektabwicklung, die dazu führte, daß zum Beispiel bei Ende von Lom I ein Drittel der Mittel noch nicht zugesagt und vier Siebtel noch nicht ausbezahlt worden waren 12). Neben der weiteren Demokratisierung der Mittelverwaltung und der Beschleunigung der Projektabwicklung ging es den AKP-Staaten bei den Verhandlungen zu Lom III vor allem um die Realwerterhaltung (pro Kopf) der EG-Hilfe und die Abwehr ihrer ansatzweisen Konditionierung in Gestalt des »Politischen Dialogs“. Die Gemeinschaft war aus prinzipiellen Gründen nicht zum Verzicht auf die alleinige Finanzierungsentscheidung bereit Bei der Projektabwicklung gab es jedoch deutliche Fortschritte: Projektausschreibung und -zusage, das Engagement von Experten und Consultants o. ä. unterliegen strikten zeitlichen Begrenzungen; der Spielraum für Kleinstprojekte und das beschleunigte Verfahren wurden ebenso ausgeweitet wie die Entscheidungsbefugnisse der EG-Beauftragten vor Ort Damit dürfte nach menschlichem Ermessen genügend getan worden sein, um die sogenannte „pipeline" zu verkürzen. Vom finanziellen Volumen her mußten die AKP-Staaten allerdings gegenüber ihren anfänglichen Vorstellungen (12 Mrd. Ecu), die sie angesichts der Zunahme von Bevölkerung und Mitgliedschaft (von 59 auf nunmehr 65 Staaten) und des Verfalls der Rohstoffpreise für angemessen hielten, gewaltig „zurückstekken“ Insbesondere die britische, aber auch die deutsche Regierung legten sich gegen eine großzügigere Ausstattung des Europäischen Entwicklungsfonds quer und boten statt dessen handelspolitische Konzessionen an, die keine Haushaltskosten verursachen. Die Gemeinschaft einigte sich intern auf ein endgültiges Angebot von sieben Mrd. Ecu, das bewußt an den Schluß der Verhandlungen gesetzt wurde — um die Partner unter Druck zu setzen — und zuletzt in schwierigen Nach-verhandlungen eine Aufbesserung von 400 Millionen Ecu erfuhr. 2. Priorität für die Landwirtschaft Bedeutsamer als die finanziellen und administrativen Neuerungen bei der Hilfe der Gemeinschaft die sektorale Schwerpunkt-verlagerung und vom Projektansatz. die Abkehr reinen Letzteres ist im Zusammenhang mit der effektiveren Programmierung der Hilfe zu sehen (s. o.). Die Gemeinschaft will künftig nicht nur isolierte Einzelprojekte finanzieren, sondern ihre Bemühungen sektoral (oder regional) konzentrieren und dabei eine breitere Palette von Aktivitäten als bislang finanzieren: Rehabilitation von Projekten/Unternehmen, Lieferung von Produktionsinputs (Saatgut, Düngemittel etc.), Übernahme von Management-und Unterhaltskosten. Die Gemeinschaft zieht damit die Konsequenz aus der Tatsache, daß viele afrikanische Länder oft mit einer Vielzahl infrastruktureller und industrieller Projekte gesegnet wurden, die sie liquiditätsbedingt (oder auch nur wegen zu optimistischer Planungen) nicht angemessen unterhalten oder auch nur mit Ersatzteilen versorgen können 14) und daher Gefahr laufen, endgültig abgeschrieben werden zu müssen.

Die Industrieförderung, die bei den Lom-II-Verhandlungen einen vorrangigen Platz eingenommen hatte, ist im neuen Vertrag stark zurückgestuft worden. Im Verständnis der Kommission sollen hier vor allem die noch lebensfähigen Industrieprojekte rehabilitiert und solche Vorhaben neu begonnen werden, die auf die Landwirtschaft bezogen sind und/oder örtlich verfügbare Rohstoffe verarbeiten.

Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit wurde mit Lom III (gegen ein gewisses Widerstreben der AKP-Staaten) die Landwirtschaft und speziell die Sicherung der Ernährung, begründet durch die kürzliche Hunger-katastrophe, die sinkende landwirtschaftliche Produktion in Afrika und die steigende Fremdversorgung. Als Ziele der Zusammenarbeit in der Landwirtschaft gelten die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades, die Verbesserung der Ernährungssicherung und die Erhöhung der landwirtschaftlichen Einkommen. Wichtig ist, daß diese Kooperation im Rahmen von Ernährungsstrategien erfolgen soll, wie sie die Gemeinschaft seit 1982 versuchsweise mit vier afrikanischen Ländern begonnen hat (s. u.), daß sie daher in einem langfristig geplanten und koordinierten Rahmen stattfinden soll, in den sich die bisher geleistete Nahrungsmittelhilfe der Gemeinschaft einpassen muß. Diese soll -mit Aus nahme von Notfällen nur noch im Rahmen von Ernährungsstrategien oder ähnlicher Programme geleistet werden; Nahrungsmittelverkäufe hieraus sollen künftig zu Preisen erfolgen, die die Marktentwicklung nicht stö-ren, d. h. ausreichende Produktionsanreize bieten. Nahrungsmittelhilfe soll ferner die Konsumgewohnheiten nicht nachteilig zugunsten der lokal verfügbaren Sorten verändern: Konkret bedeutet dies — wie bei der vorausgehenden (ab 1982) Sonderaktion Nahrungsmittelhilfe der EG — die Lieferung von traditionellen Nährfrüchten (Hirse, weißer Mais etc.) durch Aufkauf von Überschüssen in anderen Entwicklungsländern im Wege sogenannter Dreiecksgeschäfte. Diese entwicklungspolitisch sinnvollen Aktionen, außer EG nur von wenigen die der Gebern finanziert werden, verhüten nicht nur die Durchsetzung neuer, mit den nationalen Produktionsmöglichkeiten nicht vereinbarer Konsumgewohnheiten, sondern auch die überschußbedingte 'Abnahme von Produktionsanreizen den Aufkaufländern. Ihre Grenzen findet diese Kooperationsform im Mangel an noch vorhandenen Überschüssen in Afrika. Dazu kommt ab Lom III als EG-Besonderheit die Möglichkeit der Umwandlung von Nahrungsmittelhilfe in normale finanzielle Zusammenarbeit, wenn einzelne Nehmerstaaten ihrer nicht mehr bedürfen sollten. Dieses neue Element, das nur gegen Widerstände der Agrarminister in der EG durchgesetzt werden konnte, soll den Anreiz zur Produktionssteigerung erhalten helfen.

Als Unterschwerpunkt der Agrarförderung wurde auf Betreiben der AKP-Staaten die Kontrolle der Wüstenausweitung eingerichtet: Programme zur Beobachtung, Aufforstung, Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit und Verhinderung von Erosion sowie der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen sollen hier eindämmend wirken. 3. Ernährungsstrategien Das Konzept der Ernährungsstrategien wurde durch den World Food Council 1979 formuliert und daraufhin von etlichen Gebern übernommen, so auch von der Gemeinschaft im Anschluß an eine Debatte des Europäischen Parlaments. Im Gegensatz zu den engeren ländlichen Entwicklungsstrategien beziehen sie das Ernährungssystem vom Produzenten über die Vermarktung zum Konsumenten ein und stellen insbesondere auf die Bedeutung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (staatliche Aufkauf-und Konsumenten-preise, Besteuerung, Wechselkurspolitik etc.) der Agrarproduktion und Nahrungsmittelverfügbarkeit ab

Die EG hat ab 1982 im Rahmen ihres . Aktionsplans gegen den Hunger in der Welt“ versuchsweise mit vier afrikanischen Ländern (Mali, Ruanda, Kenia und Sambia) eine Ernährungsstrategie entwickelt und durchgeführt. Ziel dieser Strategie ist die Erhöhung der nationalen Selbstversorgung. Hebel hierfür ist in erster Linie die Umkehr der Benachteiligung des Landes, d. h. die Verbesserung der in vielen afrikanischen Ländern -grotesk zu La sten der Bauern Einkommensverteilung. Höhere staatliche Aufkaufpreise und die sukzessive Streichung von Einfuhrsubventionen sollen dem Anreize bieten, Bauern das Stadium der bloßen Eigenbedarfsproduktion zu überwinden. Dazu kommen, damit das Mehrprodukt auch abgesetzt werden kann, der Ausbau von Lager-und Transporteinrichtungen, Verarbeitungsanlagen und Agrarkreditsystemen und die Effektivierung des landwirtschaftlichen Beratungssystems

Diese Überlegungen sind so neu nicht, aber deshalb bemerkenswert, weil ein nicht unbedeutender Geber wie die EG hier versucht, alle notwendigen Elemente der Produktionssteigerung miteinander zu verknüpfen, alle hierbei einsatzfähigen Instrumente (Richtprogramme, Gegenwertmittel der Nahrungsmittelhilfe, STABEX, Darlehen der Europäischen Investitionsbank) zum Einsatz zu bringen und die Hilfe der Gemeinschaft sowie ihrer Mitgliedsstaaten bei den Ernährungsstrategien durch paritätische EG-AKP-Arbeitsgruppen vor Ort zu koordinieren. Die Zusammenarbeit EG-AKP wird dabei als Vertrag begriffen: die AKP-Staaten garantieren die Umsetzung der nötigen internen Reformen, die Geberländer die Bereitstellung der die Reformpolitik abfedernden und ermöglichenden finanziellen Unterstützung der Nahrungsmittelhilfe, die mittelfristig vorhersehbar gemacht und flexibel eingesetzt werden soll.

VI. Schlußbemerkung

Gemessen an den euphorischen Äußerungen zum Abschluß von Lom I und auch noch von Lom 6 II („Beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd") war der Abschluß des dritten Abkommens auf Seiten der AKP-Staaten und auch der EG-Mitglieder („eine gute Konvention ohne revolutionäre Neuerungen") nur von gedämpfter Zufriedenheit begleitet. Dies ist sicherlich auf die geringe Zahl substantieller Verbesserungen für die AKP-Staaten zurückzuführen, die das neue Abkommen bietet, das im wesentlichen nur die Errungenschaften der Vorgängerverträge bewahrt. Ursächlich für diesen Ausgang waren innergemeinschaftliche Differenzen (bei der Handelsliberalisierung und dem Volumen der finanziellen Zusammenarbeit), die nur einen Kompromiß auf dem kleinsten Nenner erlaubten. Zu Recht wurde aber darauf hingewiesen, daß das Verhandlungsergebnis angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der EG, der Beschneidung anderer multilateraler Entwicklungsprogramme und des allgemeinen Stillstands des Nord-Süd-17)

Dialogs durchaus präsentationsfähig ist

Die allgemeine Ernüchterung über Lom ist jedoch stärker noch ein Reflex der übertriebenen Erwartungen, die bei früheren Abschlüssen geweckt wurden. Übertrieben deshalb, weil die Mittel aus dem Abkommen für gerade 10% der öffentlichen Transfers in die AKP-Staaten insgesamt und für einen noch geringeren Teil ihrer Investitionen aufkommen und daher viel zu gering sind, um die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der afrikanischen Staaten auf dem Weltmarkt, die verschlechterten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit 1974 und die auch politikbedingt geringe Produktivität des eingesetzten Kapitals in den AKP-Staaten zu kompensieren. Hinsichtlich des letztgenannten Tatbestandes hat die Gemeinschaft mit der stärkeren Sektororientierung ihrer Hilfe insbesondere im Rahmen von Ernährungsstrategien der Empfänger einen bemerkenswerten Anlauf genommen, um die Effektivität der eingesetzten Mittel zu erhöhen. Inwieweit das geringe Gewicht der Gemeinschaft als Geber und die Rücksicht auf die Souveränität der Empfänger einflußdämpfend wirken, bleibt abzuwarten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. ACP-EEC Convention — Lome III, in: The Courier, (Jan. -Feb. 1985) 89, S. 7 f.

  2. Ebd., S. 4 ff.

  3. S. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Europäische Gemeinschaft und Afrika, Brüssel (28. Mai 1984).

  4. S. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Memorandum zur Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft, in: Bulletin, Beilage (1982) 5.

  5. Zu den Vorstellungen der Gemeinschaft zur Gestaltung der Zusammenarbeit vgl. insbesondere Anm. 3 und 7; ausführlicher, aber mit eher halboffiziellem Charakter: Edgar Pisani, La main et l’outil. Le dveloppement du Tiers Monde et IEurope, Paris 1984.

  6. Angaben dazu bei: Hella Gerth-Wellmann, Die Lom-Politik" der Europäischen Gemeinschaft Entstehungsbedingungen, Ergebrisse und Perspektiven, München usw. 1984.

  7. Kritische Analyse von STABEX b. John Raven-hill, What is To Be Done for Third World Commodity Exporters? An Evaluation of the STABEX Scheme, in: International Organization, vol. 38 (1984) 3.

  8. 24.

  9. Zur Bedeutung, Begründung und Ausrichtung von Ernährungsstrategien: vgl. UNCTAD, Food Insecurity in Developing Countries: Causes, Trends and Policy Options, TD/B/C. 1/257, 18. Oct 1984; OECD, Development Co-operation, 1983 Review, Paris 1983, Kap. X.

  10. Zur Darstellung der Ernährungsstrategien durch die EG vgl. Anm. 3 und Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Die Nahrungsmittel-strategien: eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Europa und den Ländern der Dritten Welt, Europa-Information Entwicklung, Dez. 1982; dies., Ernährungsstrategien; Rückblick und Perspektiven, SEC (84) 1692, Brüssel, 5. 10. 1984.

  11. Vgl. die Äußerungen von Edgar Pisani in: The Courier (Anm. 1).

  12. Ebd.

Weitere Inhalte

Joachim Betz, Dr. rer. soc., geb. 1946; Leitender Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine Überseeforschung Hamburg. Veröffentlichungen u. a.: Die Internationalisierung der Entwicklungshilfe, Baden-Baden 1978; Wirtschafts-und Entwicklungspolitik in Sri Lanka seit 1977, Hamburg 1982; (Hrsg.) Verschuldungskrisen in Entwicklungsländern. Ursachen, Rückwirkungen, Lösungsansätze, München usw. 1983.