I. Zur Menschenrechtssituation in der Dritten Welt
In der Atlantik-Charta von 1941, die zu den Gründungsdokumenten der Vereinten Nationen gehört, brachten die unterzeichnenden Staaten ihre Hoffnung zum Ausdruck, „daß nach der endgültigen Zerstörung der Nazi-tyrannei ein Frieden geschaffen wird, der allen Nationen die Möglichkeit gibt, in Sicherheit innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu leben, und der Gewähr dafür bietet, daß alle Menschen in allen Ländern der Welt ihr Leben frei von Furcht und Mangel leben können". Mit dem Anspruch, diese Hoffnung in praktische Politik umzusetzen, sind die Vereinten Nationen gegründet und ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1948 verfaßt und verabschiedet worden.
Jahrzehnte sind seitdem vergangen, und wir wissen heute, daß die Barbarei, die sich unter dem Faschismus entfaltete, keine Episode der Weltgeschichte war; die Barbarei lebt fort. Jeder Tag bringt uns neue Meldungen über die grausame Mißachtung der Würde, der Gesundheit und des Lebens einer wachsenden Zahl von Menschen in der Welt, vor allem in den Entwicklungsländern. Willkürliche Freiheitsberaubung, Mißhandlung, Folter, summarische Exekutionen, das Verschwindenlassen von unliebsamen Personen sind an der Tagesordnung. Zwischen 5 000 und 30 000 Menschen sind in Chile seit dem Militärputsch von 1973 aus politischen Gründen umgebracht worden, zwischen 8 000 und 20 000 Menschen sind während der Militärherrschaft in Argentinien aus politischen Gründen „verschwunden"; fast 100 000 Menschen sollen aus politischen Gründen in Guatemala von 1954 bis 1980 und nahezu 300 000 in Uganda in den Jahren 1972 bis 1977 unter Idi Amin ermordet worden sein. Mehrere Hunderttausend sind in Indonesien nach dem Sturz Sukarnos (1965) und im gegenwärtigen Bürger-und Interventionskrieg in Afghanistan ums Leben gekommen. Die gleiche Größenordnung erreichen die Schätzungen über die Opfer der Roten Khmer in Kambodscha.
Nach einer 1983 der UN-Menschenrechts-kommission vorgelegten Untersuchung des kenianischen Rechtsanwaltes Amos Wako sind in den voraufgegangenen 15 Jahren weltweit mindestens zwei Millionen Menschen willkürlich oder aufgrund von Schnellverfahren außerhalb des ordentlichen Rechtsweges hingerichtet worden
Menschenrechtsverletzungen sind in den Entwicklungsländern offenbar zu einem Massenphänomen geworden. Gleichzeitig sind es gerade die Entwicklungsländer, die der theoretisch-konzeptionellen Debatte über Menschenrechte entscheidende Impulse gegeben und zu einer erheblichen Ausweitung des Begriffs der Menschenrechte weit über die klassischen bürgerlichen Freiheitsrechte gegenüber dem Staat hinaus beigetragen haben. Ist dieser Sachverhalt Ausdruck einer besonderen Neigung zum Zynismus in der Dritten Welt, handelt es sich um den Versuch, durch lautstark wiederholte Forderungen nach Erweiterung des Konzeptes der Menschenrechte den Schwarzen Peter für deren Mißachtung anderen zuzuschieben? Oder geht es hier um einen Problemzusammenhang, dem sich auch die Industrieländer zu stellen haben, der sie womöglich als mitverantwortlich für die Menschenrechtsverletzungen in der Dritten Welt ausweist und der von daher Konsequenzen für die eigene Politik gegenüber der Dritten Welt als Beitrag zur Achtung der Menschenrechte verlangt?
II. Politische Unterdrückung in der Dritten Welt
Die Verpflichtung des Staates zur Achtung der Menschenrechte ist mit der amerikanischen und französischen Revolution unwiderruflich auf die Tagesordnung der Weltpolitik gesetzt worden, über die verfassungsrechtliche Verankerung individueller Schutzrechte gegenüber dem Staat und individueller Rechte des Bürgers zur Mitgestaltung des Gemeinwesens, in dem er lebt, hat sich seitdem ein weltweiter Konsens herausgebildet. Er hat in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte seinen von Niederschlag gefunden. Die Anerkennung der Menschenrechte ist der Charta zufolge eine Bedingung für die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen geworden, und keine Regierung kann dem Vorwurf gegenüber gleichgültig bleiben, die Menschenrechte zu verletzen. Wo Menschenrechtsverletzungen begangen werden, geschieht dies in aller Regel in Verbindung mit Versuch, die entsprechenden Sachverhalte gegenüber Öffentlichkeit der internationalen zu vertuschen. Daher sind Menschenrechtsverletzungen in den vergangenen Jahren häufig in der Weise begangen worden, daß die Verantwortlichen nicht in Erscheinung traten: Gefangene werden zu Tode gefoltert, der Tod aber wird als Selbstmord der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben. Sie werden freigelassen, um „auf der Flucht" erschossen zu werden; sie werden durch unmenschliche Haftbedingungen langsam zu Tode gebracht und gelten dann als „an einer Krankheit" verstorben. Eine andere Form, Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen zu verbergen, besteht darin, die Repression zu dezentralisieren oder zu delegieren, also eigenständige Unterdrückungsmaßnahmen z. B. von Teilen der Streitkräfte oder von paramilitärischen Gruppen durchführen zu lassen, zumindest sie zu dulden oder abzuschirmen.
Diese Praxis findet ihre „Vollendung" in dem Verschwindenlassen von Personen, das es erlaubt, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Verantwortung offizieller Stellen für die Liquidierung von politischen Gegnern abstreiten zu können und doch Angst und Schrecken in der Bevölkerung zu verbreiten und damit politisch Andersdenkende einzuschüchtern. Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind in Dritten den Ländern der Welt zunächst vor allem die politisch Aktiven. Aber es gehört zur Natur von Unrechtsregimen, daß nicht lange gefackelt wird, um nach dem Verständnis der politisch Verantwortlichen zwischen „Schuldigen“ und „Unschuldigen“ zu unterscheiden. Ein Charakteristikum von Unrechtsregimen ist die Außerkraftsetzung des ordentlichen Rechtsweges (des „due process of law"), also die Herrschaft der Willkür. Eine charakteristische Folge von Unrechtsherrschaft ist dementsprechend, daß auch Unschuldige leiden; zur „Schuld" kann schon die Wahrnehmung jener Rechte werden, die vom Regime selbst offiziell als Menschenrechte anerkannt werden.
Darüber hinaus sind politische Unterdrükkungsmaßnahmen vielfach nicht nur gegen politisch unliebsame Einzelpersonen gerichtet, sondern werden häufig ungezielt gegenüber ganzen Bevölkerungsgruppen praktiziert — entweder, um eine allgemeine Verunsicherung und Einschüchterung zu erreichen, oder um einzelne Bevölkerungsgruppen (z. B. ethnische Minoritäten) zu disziplinieren, oder um in bestimmten Gebieten Aufständischen die Existenzbasis zu entziehen Das wahre Ausmaß von Menschenrechtsverletzungen in der Dritten Welt geht jedoch über die politische Unterdrückung weit hinaus.
III. Menschenrechte und Grundbedürfnisse
Jedem, der sich mit einiger Regelmäßigkeit über die Verhältnisse in der Welt informiert, sind heute die Lebensbedingungen in den Entwicklungsländern wenigtens in groben Zügen vertraut. Das größte spontane Interesse und Mitgefühl wecken dabei im Nachrichtenstrom zweifellos akute Notsituationen aufgrund von Naturkatastrophen — ausbleibender Regen, verheerende Erdbeben, alles verwüstende Stürme und Fluten. Der „Tag für Afrika“ bietet hierfür ein eindringliches Beispiel. Weniger spektakulär, aber nicht weniger real für die Menschen der Dritten Welt ist das alltägliche Elend derjenigen, die ohne feste Behausung, ohne ausreichende Nahrung, ohne regelmäßige medizinische Versorgung, ohne Arbeit und Ausbildung, also ohne eine auch nur annähernde Befriedigung ihrer Grundbedürfnisse dahinvegetieren. Zur Armut in der Dritten Welt kommt vor allem für die in den städtischen Slums Lebenden die soziale Entwurzelung, zur Armut kommt der Verlust des Eigenwertgefühls aufgrund der Auflösung gewachsener Solidargemeinschaften, zur Armut kommt die Zerrüttung alter Wertsysteme, ohne daß an deren Stelle neue sinnstiftende Lebensbezüge treten
Die Weltbank schätzt, daß zu Beginn der achtziger Jahre rund 800 Millionen Menschen in den Ländern der Dritten Welt, gemessen am Stand der Grundbedürfnisbefriedigung, als absolut arm gelten müssen Mit einer wachsenden Weltbevölkerung nimmt diese Zahl zu; die absolute Armut in der Dritten Welt scheint demnach weitgehend das Ergebnis knapper Ressourcen zu sein. Dies ist jedoch nur zum Teil so richtig.
Der Hunger in der Dritten Welt ist nicht darauf zurückzuführen, daß eine ausreichende Erzeugung von Nahrungsmitteln angesichts der rapide gestiegenen Weltbevölkerung unmöglich geworden wäre, sondern vor allem darauf, daß weltweit vorhandene Kapazitäten nicht gezielt eingesetzt werden, um für alle Menschen Ernährungssicherheit herzustellen Das zentrale Problem ist mit anderen Worten nicht die Erzeugung knapper Güter, sondern deren gerechte Verteilung. Dies zeigt sich auch in der zunehmenden relativen Armut: Der Abstand, der zwischen den Lebensverhältnissen der großen Bevölkerungsmehrheit und der kleinen Oberschicht in den Entwicklungsländern besteht, der Abstand zwischen dem, was beide Gruppen zum Volkseinkommen beitragen und was sie verbrauchen, wächst. Die Annahme, die vor allem während der sechziger Jahre die „Südpolitik" der Industrieländer bestimmte, daß wirtschaftliches Wachstum über kurz oder lang auch zu den Armen durchsickern und zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer Lebensbedingungen beitragen würde, hat sich als Trugschluß erwiesen
Welcher Zusammenhang besteht nun zwischen der Armut und der Menschenrechts-problematik in der Dritten Welt? Antworten auf diese Frage sind auf drei Ebenen zu suchen: — Die mangelhafte Befriedigung der Grundbedürfnisse in den Entwicklungsländern hat insofern etwas mit den Menschenrechten zu tun, als die unzureichende Versorgung den Menschen die Kraft nimmt, kontinuierlich und beharrlich dort politische Rechte wahrzunehmen, wo dies im Prinzip möglich wäre, und eine unzureichende Bildung und Ausbildung die Entwicklung jener Fähigkeiten und Fertigkeiten behindert, die als intellektuelle Voraussetzungen für die Wahrnehmung gerade der klassischen Freiheits-und Teilhaber-rechte betrachtet werden müssen
— Die mangelhafte Befriedigung der Grundbedürfnisse schwächt die Lebenskraft der von ihr Betroffenen; sie schafft jedoch zugleich ein erhebliches Unruhepotential. Die vorbeugende Kontrolle dieses Potentials und die Bekämpfung von Unruhen und Revolten dort, wo das Potential sich in Aktion umsetzt, sind in aller Regel mit einer Einschränkung, wenn nicht der völligen Außerkraftsetzung der Freiheitsrechte für eine begrenzte Zeit oder auf Dauer identisch.
— Absolute Armut, wie sie heute von 800 Millionen Menshen erlebt wird, höhlt den Kerngehalt aller Menschenrechte aus: das Recht auf Achtung der Menschenwürde, das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit. Angesichts der global vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten, die Grundbe-dürfnisse aller heute lebenden Menschen zu befriedigen, kann die Fortexistenz und Ausweitung absoluter Armut selbst als Menschenrechtsverletzung betrachtet werden. Aber auch der sich weiter vergrößernde Abstand zwischen den Reichen und der Masse der Bevölkerung in den Entwicklungsländern (relative Armut) ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung; denn soziale Ungerechtigkeit geht mit Unterdrückung einher.
Diesen Sachverhalten ist in den internationalen Menschenrechtsdebatten der Nachkriegszeit dadurch Rechnung getragen worden, daß für einen über die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte hinausgehenden internationalen Schutz der Menschenrechte im Jahre 1966 auf UN-Ebene die sogenannten Menschenrechtspakte abgeschlossen wurden. Zu diesen gehört neben dem Pakt über bürgerliche und politische Rechte auch ein Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
Der Wirtschafts-und Sozialpakt erkennt unter anderem die folgenden Rechte an: das Recht auf Arbeit, das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, das Streikrecht, das Recht auf soziale Sicherheit, das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das Recht auf körperliche und geistige Gesundheit (gemäß den jeweiligen individuellen Bedingungen), das Recht auf Bildung, die Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 bis 14). Im Art. 2 Abs. 1 des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte heißt es: Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, einzeln und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit, insbesondere wirtschaftlicher und technischer Art, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.“
Daraus geht hervor, daß ein Staat, der erkennbar nicht in Richtung auf eine Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (auch anderer Staaten) tätig wird oder womöglich deren Einschränkung und Mißachtung fördert (polizeilich-militärische Stabilisierung wirtschaftlicher Ausbeutung), den Menschenrechtspakt verletzt. So eindeutig diese Feststellung ist, so vieldeutig aber sind die Gegebenheiten, auf die sie sich bezieht. Im Zweifelsfalle wird es kaum gelingen, einer Regierung nachzuweisen, daß sie nicht bemüht ist, die wirtschaftlichen und sozialen Rechte zu verwirklichen. Hinzu kommt, daß die Anerkennung wirtschaftlicher und sozialer Rechte nach westlichem Menschenrechts-verständnis keinen unmittelbar geltenden Anspruch des einzelnen begründet, der im Rechtswege gegenüber dem Staat durchgesetzt werden könnte.
IV. Das Recht auf Entwicklung
Mit dem Zustandekommen des Wirtschaftsund Sozialpaktes im Jahre 1966 war die internationale Menschenrechtsdiskussion einen wesentlichen Schritt über das klassisch-westliche Menschenrechtsverständnis hinausgegangen. In den siebziger Jahren erfolgte vor allem unter dem wachsenden Einfluß der Entwicklungsländer auf die Aktivitäten der Vereinten Nationen eine weitere Ausweitung des Menschenrechtsverständnisses, und zwar durch die Anerkennung eines Rechts auf Entwicklung über den Inhalt des Rechts auf Entwicklung bestehen zwar Meinungsverschiedenheiten. Ein Konsens dürfte jedoch darüber bestehen, daß das Recht auf Entwicklung als Mindestanforderung gleichzusetzen ist mit dem Recht auf Befriedigung der Grundbedürfnisse, zu denen dann auch das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, geistige Entfaltung und politische Teilhabe zu rechnen wäre
Die Entwicklungsländer gehen in ihrer Mehrzahl über diese Interpretation hinaus. Sie betonen, daß das Recht auf Entwicklung nicht nur ein individuelles Recht sei, sondern ein Kollektivrecht, das die Brücke schlage zwischen der klassischen Menschenrechtsdiskussion und der großen Debatte der siebziger Jahre über eine Neuordnung der Weltwirtschaft. Das Recht auf Entwicklung eröffnet aus der Sicht der Entwicklungsländer die Möglichkeit, die gerade von den westlichen Industrieländern immer wieder hervorgehobene Aufgabe, die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern, im Zusammenhang mit Strukturfragen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu erörtern, also Fragen der Verwirklichung und des Schutzes der Menschenrechte und Fragen der internationalen Arbeitsteilung im Nord-Süd-Verhältnis aufeinander zu beziehen
Im Einklang mit dieser Problemsicht haben die Entwicklungsländer 1977 die Verabschiedung einer Resolution der UN-Vollversammlung durchgesetzt, in der es heißt, daß das . Weiterbestehen einer ungerechten internationalen Wirtschaftsordnung ... ein großes Hindernis für die Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in den Entwicklungsländern ist" und daß umgekehrt „die Verwirklichung der Neuen Internationalen Wirtschaftsordnung ... ein wesentliches Element für die wirksame Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten" darstellt Die Entwicklungsländer messen unter diesem Gesichtspunkt im Gegensatz zu den Industrieländern dem Recht auf Entwicklung ein hohes Maß an Rechtsverbindlichkeit bei. Aus ihrer Sicht begründet das Recht auf Entwicklung einen unmittelbar geltenden Anspruch auf eine gerechte Nutzenverteilung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und auch auf Entwicklungshilfe als Wiedergutmachung für koloniale Ausbeutung und einseitige Vorteile der den Industrieländer im Handel mit Entwicklungsländern in nachkolonialer Zeit.
Damit ist die internationale Debatte über Menschenrechte in eine dritte Phase eingetreten. In der ersten Phase ging es vornehmlich um die rechtliche Verankerung der klassischen Freiheitsrechte des einzelnen gegenüber dem Staat In der zweiten Phase kamen die wirtschaftlichen und sozialen Rechte hinzu, die bestimmte Leistungen des Staates gegenüber dem Bürger fordern. In der dritten Phase nun werden Rechte des einzelnen und der Völker gegenüber der Völkergemeinschaft postuliert. Hierzu gehören neben dem Recht auf Entwicklung auch das Recht auf Frieden und auf eine gesunde Umwelt Es ist klar: je deutlicher solche Rechte gegenüber der Völkergemeinschaft als Forderungen der Entwicklungsländer gegenüber den Industrieländern formuliert werden können, desto größer ist das Interesse der Entwicklungsländer, dem Recht auf Entwicklung ein möglichst hohes Maß an Verbindlichkeit (im Rechtssinne) zu verleihen. Umgekehrt liegt es auf der Hand, daß den Industrieländern wenig daran gelegen ist, die Forderungen der Entwicklungsländer nach Neuordnung der Weltwirtschaft (einschließlich einer Neuordnung der Entscheidungsfindung in der internationalen Wirtschaftspolitik) zu einer (Menschen-) Rechtsfrage aufzuwertenl
Die weit über das westliche Menschenrechts-verständnis hinausreichenden Auffassungen, die heute in Entwicklungsländern vertreten werden, kommen besonders klar darin zum Ausdruck, daß in der Dritten Welt heute von „Menschen-und Volksrechten“ gesprochen wird. So verabschiedete die Organisation für Afrikanische Einheit im Jahre 1981 eine . Afrikanische Charta der Menschen-und Volks-rechte“, in der es unter anderem heißt, kein — daß Volk das Recht hat, ein anderes zu dominieren (Art 19);
— daß kolonisierte und unterdrückte Völker das Recht haben, sich zu befreien, und alle Völker das Recht haben, Befreiungsbewegungen in ihrem Kampf „gegen ausländische Vorherrschaft, sei sie politisch, wirtschaftlich oder kulturell", zu unterstützen (Art. 20);
— daß alle vertragsschließenden Parteien verpflichtet sind, „alle Formen ausländischer ökonomischer Ausbeutung, besonders durch internationale Monopole, zu beseitigen, um die eigene Bevölkerung in den Genuß der nationalen Reichtümer gelangen zu lassen" (Art. 21)
Man könnte angesichts der realen politischen Verhältnisse in Afrika bei solchen Formulie-rungen zu dem Schluß kommen, daß die Entwicklungsländer besonders die Kollektivrechte, aus denen internationale Forderungen abgeleitet werden können, betonen, um von der schmählichen Mißachtung der klassischen politischen Rechte ihrer Bürger abzulenken. Andererseits wird von den Entwicklungsländern der Verdacht geäußert, daß die Problematik der politischen und Bürgerrechte von Seiten der westlichen Industrieländer hochgespielt werde, um von ihrer Verpflichtung abzulenken, unter Anerkennung des Rechts auf Entwicklung bestehende Ungerechtigkeiten der internationalen Arbeitsteilung abzubauen
Beide Vorwürfe mögen einige Berechtigung haben. Von der Logik der Sache her aber können politische und Bürgerrechte auf der einen und das Recht auf Entwicklung des einzelnen und der Völker der Dritten Welt auf der anderen Seite nicht gegeneinander ausgespielt werden. Wie hier bereits festgestellt wurde, kann die Gewährung von Freiheitsrechten sich als relativ bedeutungslos erweisen, wo diese Rechte (auch aufgrund widriger internationaler Rahmenbedingungen) nicht mit Aussicht auf Erfolg zur Verbesserung der eigenen Lebensverhältnisse genutzt werden können.
Auf der anderen Seite muß die Gewährleistung der politischen und Bürgerrechte als Voraussetzung dafür betrachtet werden, daß das Recht auf Entwicklung tatsächlich als Volksrecht verwirklicht und nicht als rhetorischer Rauchschleier benutzt wird, hinter dem die ohnehin Privilegierten weiter in die eigene Tasche wirtschaften. Zwar wird immer wieder etwa von Seiten derjenigen, die eine Entwicklungsdiktatur befürworten, geltend gemacht, daß unter großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zwischen der Gewährleistung der bürgerlichen Freiheitsrechte und der Verfolgung des Rechts auf Entwicklung ein Widerspruch entstehen kann, der die Einschränkung von politischen Rechten erforderlich macht, um mit den wirtschaftlichen Problemen fertig zu werden. Die Erfahrung lehrt jedoch, daß Entwicklungsstrategien, die mit politischer Repression einhergehen, unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten betrachtet mehr an Leistungsmotivation in der Bevölkerung zerstören als sie an physischen und psychischen Disziplinierungsmöglichkeiten gewinnen
V. Neuordnung der Weltwirtschaft als Menschenrechtspolitik
Zu Beginn der sechziger Jahre war die Auflösung der alten Kolonialreiche (mit Ausnahme vor allem der portugiesischen Kolonien in Afrika) weitgehend abgeschlossen Gegen Ende der sechziger Jahre war man sich in den meisten neuen Staaten jedoch bewußt geworden, daß die frühen Hoffnungen auf eine zügige Vollendung der politischen Unabhängigkeit durch wirtschaftliche Eigenständigkeit und Entwicklung nicht in Erfüllung gehen würden
Angesichts dieses Sachverhalts pochten die Entwicklungsländer auf Strukturveränderungen der internationalen Arbeitsteilung mit dem Ziel, ihre Position im Weltwirtschaftssystem nachhaltig zu verbessern. Das Ergebnis entsprechender Bemühungen im Rahmen der Vereinten Nationen war die Verabschiedung einer Erklärung und eines Aktionsprogramms zur Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung (NWWO) sowie — auf mexikanische Initiative hin — einer Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten von Staaten im Jahre 1974 Diesen Beschlüssen vorausgegangen waren sich verschärfende Auseinandersetzungen über ungleiche Wirtschaftsbeziehungen zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern und über die Aushöhlung der wirtschaftlichen Souveränität der Entwicklungsländer durch die multinationalen Konzerne, von denen viele einen Umsatz haben, der die Staatsbudgets einer ganzen Reihe von Entwicklungsländern überschreitet. Den aktuellen Hintergrund der Beschlüsse von 1974 bildete die sogenannte Ölkrise vom Herbst 1973, bei der zum ersten Mal die Industrieländer von einer Gruppe von Entwicklungsländern, nämlich den OPEC-Ländern, wirtschaftlich unter Druck gesetzt wurden. Diese Erfahrung und die große Geschlossenheit der Entwicklungsländer gegenüber den Industrieländern trugen wesentlich dazu bei, daß sich die Industrieländer schließlich zu Verhandlungen über die Ausführung der Beschlüsse von 1974 bereit erklärten, obwohl sie ihnen höchst skeptisch gegenüberstanden. So wurde ein Jahrzehnt der Konferenz-und Verhandlungspolitik zwischen den Industrie-und den Entwicklungsländern eingeleitet, das jedoch für die Entwicklungsländer zu keinen bedeutsamen Ergebnissen führte. Wo anfangs auf Seiten der Industrieländer noch eher ordnungspolitische Skepsis als ein zu geringer wirtschaftspolitischer Handlungsspielraum ausschlaggebend war für den Widerstand gegen die Entwicklungsländer, da führten Ende der siebziger Jahre die wirtschaftlichen Eigenprobleme der Industrieländer zu einer Einschränkung ihrer Kompromißbereitschaft. Anfang der achtziger Jahre, also zu Beginn der dritten Entwicklungsdekade der Vereinten Nationen, gerieten die Verhandlungen trotz Einigung auf das „Integrierte Rohstoff-programm" im Jahre 1979, das der Stabilisierung von Erlösen aus dem Rohstoffhandel dienen soll, in eine Sackgasse. Aus dieser Sackgasse ist die multilaterale Nord-Südpolitik bisher nicht herausgekommen.
Die Hauptanliegen der Beschlüsse von 1974 waren aus der Sicht der Entwicklungsländer
— Die volle Verfügungsgewalt über die nationalen Wirtschaftsressourcen zu erringen, das Recht auf einen eigenständigen Entwicklungsweg frei von Bevormundung durch die Industrieländer zu bekräftigen und in Verbindung damit eine stärkere Kontrolle des Auslandskapitals in den Entwicklungsländern durchzusetzen;
— die Nachteile einer Spezialisierung der meisten Entwicklungsländer auf den Export von Rohstoffen durch internationale Maßnahmen für eine Stabilisierung der Rohstofferlöse auszugleichen (integriertes Rohstoffprogramm); — die internationalen Wirtschaftsbeziehungen durch größere Fertigwarenexporte der Entwicklungsländer umzugestalten und zu diesem Zweck die Märkte auf Seiten der Industrieländer für Fertigwaren aus den Entwicklungsländern zu öffnen;
— die internationalen Finanzierungsmöglichkeiten für Entwicklungsmaßnahmen auszuweiten und die Mitsprachemöglichkeiten der Entwicklungsländer in den bestehenden internationalen Wirtschaftsorganisationen (Weltbank, Weltwährungsfonds) zu verbessern; — den Technologietransfer aus den Industrie-ländern in die Entwicklungsländer zu beschleunigen und zu verbilligen und schließlich — die Zusammenarbeit und den Handel zwischen den Entwicklungsländern selbst zu fördern (Süd-Süd-Kooperation).
Bei den besonders strittigen Fragen, nämlich dem Anspruch der Entwicklungsländer auf volle Verfügungsgewalt über die eigenen Ressourcen und auf Kontrolle des Auslandskapitals, konnten sich die Entwicklungsländer auf den Wirtschafts-und Sozialpakt von 1966 berufen, in dessen Artikel 1 es heißt: . Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. Alle Völker können für ihre eigenen Zwecke frei über ihre natürlichen Reichtümer und Mittel verfügen ... Die Vertragsstaaten ... haben ... die Verwirklichung des Rechts auf Selbstbestimmung zu fördern und dieses Recht zu achten.“
Die Industrieländer betonten demgegenüber die ebenfalls im Artikel 1 enthaltene Einschränkung, daß die Verfügung über die natürlichen Reichtümer an die Achtung des Völkerrechts gebunden sei und folglich z. B. Enteignungen von Auslandskapital ohne angemessene Entschädigung nicht durch das Recht auf Selbstbestimmung abgedeckt würden. Was das Gesamtpaket der Forderungen anbetraf, so machten die Industrieländer vor allem ordnungspolitische Einwände geltend. Sie argumentierten, daß die Verwirklichung der von den Entwicklungsländern aufgestellten Forderungen auf einen weltweiten Dirigismus hinauslaufen und die Risiko-und Leistungsbereitschaft des einzelnen durch eine ins Gigantische gesteigerte Bürokratie untergraben und lahmlegen würde
Aus einer ganz anderen Richtung wurde kritisiert, daß die Forderungen der Entwicklungs-länder nach Errichtung einer Neuen Welt-wirtschaftsordnung in erster Linie darauf abzielten, den Kuchen der Weltwirtschaft ein bißchen gleichmäßiger unter den Nutznießern der Internationalen Arbeitsteilung zu verteilen, statt die Weltwirtschaft wirklich neu zu strukturieren und so zu gestalten, daß eine eigenständige, auch der breiten Bevölkerungsmehrheit dienliche Entwicklung möglich würde. Trotz der radikal anmutenden Sprache von Vertretern der Entwicklungsländer ginge es letztlich nur um die Interessen der ohnehin Privilegierten und nicht um die der armen Massen
Keine dieser beiden Kritikrichtungen billigte der Debatte über eine Neuordnung der Weltwirtschaft zu, daß sie etwas mit den Menschenrechten zu tun habe; die eine nicht, weil ihr Menschenrechtsbegriff sich weitgehend auf die politischen und Bürgerrechte konzentrierte und sie in einer möglichst wenig eingeschränkten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit die Grundlage für die Verwirklichung der Menschenrechte sieht; die andere nicht, weil sie davon ausgeht, daß die Interessen der politisch Mächtigen viel zu sehr an das bestehende'System der Weltwirtschaftsbeziehungen gebunden sind, als daß sie eine Strukturveränderung dieses Systems zugunsten der Gesamtbevölkerung ernsthaft anstreben könnten.
Inzwischen ist die Debatte sehr viel differenzierter geworden, und das mit gutem Grund. Was zunächst die Position derjenigen betrifft, die den Forderungen der Entwicklungsländer mit der Gegenforderung nach mehr freiem Wettbewerb begegnen so ist dieser Position — ganz abgesehen vom Protektionismus der Industrieländer selbst — entgegenzuhalten, daß die Menschenrechte unter günstigen Bedingungen zwar auch „vom Profit profitieren“ mögen daß aber Profit nicht unbedingt als der natürliche Verbündete der Menschenrechte zu betrachten ist. „Ist dort, wo Marktwirtschaft vorliegt, auch die Einhaltung der Menschenrechte gesichert?" Volkmar Köhler hat in einer Rede als Antwort auf diese Frage auf die zahlreichen Gegenbeispiele in Lateinamerika, Asien und Afrika verwiesen und festgestellt: „Wie diese Beispiele zeigen, kann Marktwirtschaft mit schwersten Menschenrechtsverletzungen und Terror verbunden sein." Auch Marktwirtschaft mit .deutlichem wirtschaftlichem Wachstum garantiert noch keine Verbesserung der Menschenrechtssituation in den Entwicklungsländern. „Einige Länder mit den höchsten wirtschaftlichen Wachstumsraten sind marktwirtschaftlich orientiert, aber gleichzeitig schlimme Polizeistaaten.“
Eine wichtige Ursache hierfür ist wohl in einem Sachverhalt zu sehen, über den seit vielen Jahren Einigkeit besteht. So stellte der damalige Präsident der Weltbank, Robert McNamara, in seiner berühmten Rede im Jahre 1973 fest: „In vierzig Entwicklungsländern, für die entsprechende Daten vorliegen, beziehen die reichsten 20% der Bevölkerung durchschnittlich 55% des Volkseinkommens, während gleichzeitig die ärmsten 20 % der Bevölkerung nur 5 % erhalten ... Daraus läßt sich schließen, daß primär wachstumsfördernde Maßnahmen in den meisten Entwicklungsländern den reichsten 40% der Bevölkerung zugute kamen.“ Es liegt auf der Hand, daß Wachstum bei Vertiefung der Kluft zwischen arm und reich ein politisches Unruhe-potential schafft, das dort zu einer massiven und systematischen Repression führt, wo sich dieses Potential Luft zu schaffen versucht. Hinzu kommt, daß seit Mitte der siebziger Jahre eine wachsende Zahl von Regierungen der Entwicklungsländer auf wirtschaftliche Krisen nach den Rezepten des Internationalen Währungsfonds mit einer Anpassungspolitik reagiert, die darauf hinausläuft, wirtschaftliche Stabilität u. a. auch auf Kosten des ohnehin niedrigen Lebensstandards der Massen herstellen zu wollen. Das Beispiel Chile nach dem Sturz der Allende-Regierung im Jahre 1973 lehrt, daß es bei einer solchen Politik zu einer wechselseitigen Verstärkung der Verletzung von politischen und wirtschaftlich-sozialen Rechten kommen kann, mit dem Ergebnis, daß nicht nur die Menschenrechte völliger Mißachtung anheimfallen, sondern auch noch das ursprüngliche Ziel — Stabilität als Grundlage wirtschaftlichen Wachstums — immer geringere Realisierungschancen hat Die Industrieländer sind in solche für die Menschenrechte katastrophalen Entwicklungen auf vielfältige Weise eingebunden:
— Durch Ausnutzung der Entwicklungsländer als Rohstofflieferanten bei stark schwankenden Preisen, die alle mittel-und längerfristigen Entwicklungsplanungen sozusagen über Nacht zu Makulatur werden lassen können, d. h. eine kontinuierliche Entwicklungspolitik über mehrere Jahre hinweg praktisch nicht zulassen;
— durch Behinderung des Handels von Entwicklungsländern mit Fertigwaren durch Zölle und andere Handelshemmnisse (Protektionismus), die viele Entwicklungsländer in der Vergangenheit entmutigt haben, den Abbau der einseitigen, krisenanfälligen Spezialisierung auf den Rohstoffexport energisch voranzutreiben und ihre Produktion zu diversifizieren; — durch Kapitalinvestitionen, die zwar Arbeitsplätze schaffen sowie Technologie und Know-how ins Gastland bringen können, die aber zumindest bei einer bestimmten Gruppe von Investoren gerade durch niedrige Löhne, niedrige Sozialleistungen und minimale Umweltschutzauflagen ins Land gelockt werden oder durch Profitmöglichkeiten, deren Ausnutzung direkt zur Einschränkung individueller wirtschaftlicher Rechte von Teilen der armen Bevölkerung führen kann
— durch direkte und indirekte ordnungspolitische Eingriffe z. B. im Wege von Kreditauflagen oder Investitionsschutzverträgen, bei denen der wirtschafts-und sozialpolitische Handlungsspielraum der Entwicklungsländer zugunsten eines guten Investitionsklimas eingeschränkt wird;
— durch kommerzielle Waffenlieferungen für Militär und Polizei und durch direkte politische, wirtschaftliche und/oder militärische Eingriffe in die innere Entwicklung von Dritte-Welt-Ländern.
Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen, sei betont, daß selbst eine sehr weitgehende wirtschaftliche Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern die innere Entwicklung der ersteren nicht determiniert. Andernfalls könnte man nicht erklären, warum bei gleicher Abhängigkeit die innenpolitische Entwicklung in Costa Rica in den vergangenen 30 Jahren weitgehend demokratisch verlaufen ist, während in Guatemala das Gegenteil der Fall war. Wirtschaftliche Abhängigkeit schafft aber äußere Rahmenbedingungen für die innere Entwicklung, die die Entwicklungsländer besonders krisenanfällig machen und zugleich die Bandbreite politischer Handlungsmöglichkeiten in Krisensituationen stark einschränken.
So betrachtet können die Forderungen der Entwicklungsländer nach Neuordnung der Weltwirtschaft als Ansatz verstanden werden, eben jene externen Rahmenbedingungen zu verbessern, die für die Durchsetzung und Sicherung des individuellen und kollektiven Rechts auf Entwicklung als Menschen-und „Volks" -Recht wichtig sind. Die Debatte um eine Neuordnung der Weltwirtschaft kann mit anderen Worten auch als Debatte über eine neue internationale Sozialordnung verstanden werden, in der die breite Mehrheit der Bevölkerung in den Entwicklungsländern größere Chancen hätte, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, und in der somit auch die Anlässe für Einschränkungen der politischen Rechte zurückgehen würden.
Aber können die politischen Führungsgruppen in der Dritten Welt und ihre wirtschaftliche Klientel überhaupt ein Interesse daran haben, ihre eigenen Forderungen nach Neuordnung der Weltwirtschaft als Forderungen nach einer neuen Sozialordnung zu verstehen und ernst zu nehmen? Diese Frage wird von denjenigen verneint, die den Streit zwischen Industrie-und Entwicklungsländern um die Neue Weltwirtschaftsordnung als pure Augenwischerei betrachten. Ihre Skepsis ist berechtigt, aber ihre Annahmen sind zu pauschal. Dies soll im folgenden kurz dargelegt werden.
Natürlich darf man nicht vor der Tatsache die Augen verschließen, daß die gegenwärtig Privilegierten ein Interesse daran haben, ihre Privilegien zu wahren, daß sie nicht aus plötzlichen humanistischen Anwandlungen heraus nach einer Neuordnung der Weltwirtschaft verlangt haben. Aber es sollte auch von den Skeptikern beachtet werden, daß die neue Weltwirtschaftsordnung von politischen Führungsgruppen ganz unterschiedlicher Provenienz (nämlich mit konservativer und pro-11 gressiver, kapitalistischer und sozialistischer Orientierung) vertreten wird. Hierin zeigt sich, daß auch diejenigen, die unter den gegenwärtigen Bedingungen auf Seiten der Entwicklungsländer zu den Nutznießern der internationalen Arbeitsteilung gehören, ein Interesse daran haben, einseitige außenwirtschaftliche Abhängigkeiten abzubauen und die eigene Wirtschaft zu diversifizieren, um die besondere Krisenanfälligkeit der Entwicklungsländer zu verringern. Politische Repression kann zwar bewirken, daß die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Gefolge von Krisen begrenzt bleiben; sie ist aber ihrerseits mit Kosten verbunden, die den zeitweiligen Stabilitätsgewinn auch aus der Sicht der Herrschenden übersteigen können. Dies war offensichtlich in Argentinien und Uruguay unter der Militärherrschaft der Fall und trug zu deren Beendigung bei. Heute stellt sich die Frage, ob die neu gewählten Zivilregierungen dieser Länder, die sich zur Achtung der Menschenrechte verpflichtet haben (und überdies zur Bestrafung der für die Menschenrechtsverletzungen Verantwortlichen), den nötigen außenwirtschaftlichen Handlungsspielraum haben, um die Erwartungen der breiten Bevölkerungsmehrheit in überschaubarer Zeit zu befriedigen oder nicht. Soweit dies nicht der Fall ist, ist mit erneuten Militärputschen oder anderen Formen der Machtusurpation oder mit lang sich hinziehenden gewaltsamen Auseinandersetzungen zu rechnen.
Unter diesen Gesichtspunkten kommt einer Neuordnung der Weltwirtschaft zentrale Bedeutung auch für den internationalen Schutz der Menschenrechte zu, selbst wenn man diese eng faßt und „lediglich" als klassische Freiheits-und Bürgerrechte definiert.
Andererseits ist eine Neuordnung der Weltwirtschaft kein Ersatz für innere Strukturreformen der Entwicklungsländer; sie stellt auch keine Vorbedingung für eine Respektierung von Menschenrechten dar in dem Sinne, daß letztere den Herrschenden erst abverlangt werden könnte, nachdem die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich entscheidend verbessert hätten. Neuordnung der Weltwirtschaft und innere Strukturreformen sind vielmehr die zwei Seiten der einen Aufgabe, die Lebensverhältnisse der breiten Bevölkerungsmehrheit in den Entwicklungsländern zu verbessern Diese Aufgabe ist der Kern der internationalen Menschenrechtspolitik gegenüber der Dritten Welt. Ihre Lösung verlangt sowohl eine Ausweitung des allgemeinen wirtschafts-und sozialpolitischen Handlungsspielraums der Entwicklungsländer als auch gezielte Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut, unter denen die Herstellung von „Ernährungssicherheit" für alle höchste Priorität hat
Dabei geht es freilich nicht nur um die Mobilisierung von technischen und finanziellen Ressourcen, sondern auch um die Unterstützung von demokratischen Bewegungen und Demokratisierungsprozessen in der Dritten Welt, die auf mittlere und längere Sicht dazu beitragen können, vorhandene Reforminteressen gegenüber den weiter vorhandenen Interessen an der Wahrung (und Ausweitung) bestehender Privilegien zu stärken
VI. Kulturelle Identität, Ost-West-Konflikt und Menschenrechtspolitik gegenüber der Dritten Welt
Die koloniale und postkoloniale Durchdringung der Länder der Dritten Welt durch die westlichen und heute auch durch die sozialistischen Industrieländer hat unter anderem zu einer Infragestellung traditioneller Norm-und Wertesysteme geführt, die das Selbstverständnis der Menschen in der Dritten Welt einst bestimmten, ihrem Sozialverhalten als Orientierung dienten und diesem Verhalten einen Sinn gaben. Die Infragestellung traditioneller Normen und Wertesysteme ist in der frühen Entwicklungspolitik meist als Überwindung archaischer Verhaltensmuster interpretiert worden, die einer Modernisierung der Entwicklungsgesellschaften im 38Wege standen. Heute Wird dies sehr viel kritischer gesehen und die kulturelle Identität der Entwicklungsländer einem eurozentrischen Fortschrittsdenken entgegengestellt Ein indischer Zeitgenosse hat kürzlich in einem Beitrag über Menschenrechte und das Kastensystem Indiens angemerkt: „Die Normen und Werte, die für die Formulierung der Menschenrechte die Substanz lieferten, werden zunehmend in Frage gestellt... Der bisherige Imperativ, die Welt durch Technologie und Wissenschaft in eine einheitliche Wohlstandsgesellschaft zu verwandeln, kann deshalb nicht mehr als die Zukunftsperspektive für die Menschheit angenommen werden.“ Worauf hier angespielt wird, das ist die Infragestellung des industriegesellschaftlichen Fortschrittsdenkens durch die Folgeprobleme.der Industrialisierung selbst und die Schwierigkeit der Industriegesellschaften in Ost und West, mit diesen Folgeproblemen — wachsender Umweltverschmutzung, stagnierendem Wachstum, Arbeitslosigkeit (im Westen) und Versorgungsproblemen (im Osten), „Sinnkrise" (im Westen) und Loyalitätskrise (im Osten) — in einer konstruktiven Art und Weise fertig zu werden. Die industriegesellschaftlichen Zukunftsverheißungen wurden in den sechziger Jahren im Zeichen der allgemeinen Modernisierungseuphorie noch weitgehend unkritisch von den Entwicklungsländern übernommen. Heute ist man auch dort sehr viel vorsichtiger und selbstbewußter geworden. Die Vorherrschaft der westlichen Kultur und der westlichen historischen Erfahrungen in der internationalen Menschenrechtspolitik wird nicht mehr unbefragt hingenommen.
Die Entwicklungsländer arbeiten heute auf UN-Ebene darauf hin, daß bei der Beurteilung der Menschenrechtssituation in der Dritten Welt die jeweiligen Traditionen und der jeweilige Entwicklungsstand berücksichtigt werden und insofern die westliche Kritik an Menschenrechtsverletzungen in der Dritten Welt eine Einschränkung erfährt. Mit diesem Anliegen muß sich die westliche Menschenrechtspolitik und die westliche Entwicklungspolitik, die zunehmend die Bedeutung soziokultureller Bedingungen bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten betont, ernsthaft auseinandersetzen. Die Achtung der Menschenwürde hat in unterschiedlichen kulturellen Kontexten sehr unterschiedliche Bedeutung, und es besteht aller Anlaß, die „heiligen Kühe“ in unseren Köpfen zu schlachten, statt den Indern immer wieder zu empfehlen, im Interesse des Menschenrechts auf eine angemessene Ernährung die realen Kühe auf ihren Straßen endlich in die Koch-töpfe der Armen wandern zu lassen. Denn was uns als törichtes Festhalten an unökonomischen Glaubensregeln erscheint, ist in Wahrheit nur Ausdruck der auch bei uns sattsam bekannten Weisheit, daß man seine Kuh nicht schlachten und gleichzeitig als Milch-, Düngemittel-und Brennstoffspender nutzen kann
Die Haltung der politisch relevanten gesellschaftlichen Gruppen in den Entwicklungsländern zu Fragen der kulturellen Identität ist jedoch keineswegs eindeutig: Die Kritik an der kulturellen Überfremdung wird zumeist aus dem nach neuestem westlichen Standard eingerichteten Ambiente weiträumiger Luxusbüros und ebenso weitläufiger Wohnstätten geäußert, aus denen gleichzeitig der Ruf nach neuester (meist westlicher) Technologie erschallt und eine zuweilen deftige Kritik an den Bemühungen um eine Anpassung von Technologie an die Erfordernisse einer grundbedürfnisorientierten Entwicklung zu hören ist. Andererseits gehört zu den großen Wandlungen unserer Zeit, daß die westlich-kapitalistische Kultur viel von ihrer vereinheitlichenden Kraft für das politische Denken in der Welt verloren hat Wenn auch die Beschäftigung mit kulturellen Bestimmungsfaktoren der Politik heute geradezu zu einer Mode geworden ist, so drückt diese Mode doch aus,, daß die Welt sehr viel vielfältiger ist und bleiben - wird, als dies positive oder negative Zukunftsprojektionen des „amerikanichen Jahrhunderts“
(wie der amerikanische Verleger Henry Bruce Luce es am Ende des Zweiten Weltkrieges sich vorstellte) erwarten ließen.
Zwar gibt es heute auch Coca Cola in der Volksrepublik China, aber China ist damit noch nicht zum Anhängsel oder Abbild der USA geworden. Dies bedeutet, daß die Debatte über kulturelle Identität nicht Ausdruck eines letzten Aufbegehrens der Entwicklungsländer vor ihrer völligen Einvernahme durch die etablierten Industriegesellschaften ist, sondern Ausdruck einer ungeahnten Hartnäckigkeit kulturspezifischer Bestimmungsfaktoren der Politik gegenüber integrativen Wirkungen einer zunehmenden'wirtschaftlichen Verflechtung. Tatsächlich wird aber in der Menschenrechts-politik von Ost und West nicht nach Tradition und Entwicklungsstand differenziert, nicht nach Kultur und Geschichte, sondern in wieder sich verstärkendem Maße nach sozialistischer oder westlich-kapitalistischer Orientierung der jeweiligen Regierungen: Während die Sowjetunion in Afghanistan einem von ihr selbst am Leben erhaltenen Regime behilflich ist, unter Einsatz militärischer Gewalt die östlich-sozialistische Orientierung der Regierungspolitik durchzusetzen, wird sie nicht müde, die westlichen Länder der Intervention und der Mißachtung der Menschenrechte in der Dritten Welt anzuklagen. Umgekehrt wird aus westlicher Sicht die Mißachtung der politischen Freiheitsrechte in Entwicklungsländern Orien mit -tierung auf das schärfste verurteilt, soweit diese Länder mit dem sozialistischen Lager zusammenarbeiten während man zugleich aus wirtschaftlichen und strategischen Gründen auch mit solchen Regierungen und politischen Gruppierungen in der Dritten Welt zusammenarbeitet und sogar ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, deren Anti-Kommunismus allemal über ihren Respekt vor den Menschenrechten geht. Man ist sogar bereit gewesen, die Aufhebung der Menschenrechte durch die Errichtung brutaler Militärdiktaturen Lateinamerika als vorübergehend notwendige Maßnahme zur Rettung der Menschenrechte vor dem östlichen Totalitarismus zu akzeptieren, zu rechtfertigen und zu unterstützen
Die Systemkonkurrenz zwischen Ost und West in der Dritten Welt fördert einen selektiven Humanismus, der der Sache der Menschenrechte schweren Schaden zufügt. Dieser selektive Humanismus degradiert die Menschenrechte zu einem Mittel in der weltweiten Auseinandersetzung mit dem Systemgegner, untergräbt die Glaubwürdigkeit der Forderungen gegenüber den Entwicklungsländern, die politischen Freiheitsrechte zu wahren und die Demokratisierung voranzutreiben, und trägt im übrigen nicht gerade dazu bei, die kulturelle Identität und Eigenständigkeit der betroffenen Länder zu stärken. Besser als eine Menschenrechtspolitik, die östwestlichem Taktieren untergeordnet bleibt, wäre eine konsequente Ausklammerung von Menschenrechtsfragen aus der Außenpolitik. Eine solche Ausklammerung von Menschenrechtsfragen stünde jedoch beständig in der Gefahr, zu einer Laissez-faire-Haltung zu verkommen, die Gleichgültigkeit als Befolgung des Interventionsverbots ausgäbe und das Pochen der Entwicklungsländer auf Beachtung und Berücksichtigung ihrer kulturellen Eigenheiten zum Anlaß für einen weitgehenden Wertrelativismus in der Menschenrechts-frage nähme.
Eine andere mögliche Folgerung aus der Kritik des selektiven Humanismus bestünde darin, die Menschenrechtsfragen konsequenter und umfassender als bisher in die Außenpolitik einzubeziehen Wie die amerikanische Menschenrechtspolitik unter Präsident Carter zeigt, ist aber auch diese Möglichkeit mit erheblichen Umsetzungsschwierigkeiten verbunden. Erstens sind die Grenzen zwischen unilateralen zugunsten einer Einflußnahme der Menschenrechte und unerlaubter Intervention stets äußerst schwer zu ziehen Bei einer wirklich konsequenten Menschenrechtspolitik würde dies zu einein Dauerproblem. Zweitens würde sich nur schwer ein innenpolitischer Konsens darüber herstellen lassen, daß Menschenrechtsfragen der Vorrang vor ökonomischen und strategischen Überlegungen gebührt Nur bei solchem Vorrang aber könnte von einer wirklich konsequenten Menschenrechtspolitik die Rede sein. Drittens eine könnte solche umfassende und konsequente Menschenrechtspolitik zu einer Art Kulturimperialismus führen, da sie aufgrund ihres unilateralen Charakters auf die Durchsetzung des eigenen Menschenrechtsverständnisses in fremden Gesellschaften ausgerichtet wäre.
Mit Blick auf die möglichen Folgewirkungen einer Ausklammerung von Menschenrechts-fragen aus der Außenpolitik und den Schwierigkeiten einer umfassenderen Berücksichtigung von Menschenrechtsfragen bietet sich eine dritte Möglichkeit an: Die konsequente und umfassende Unterstützung internationa-ler Gremien zum Schutz der Menschenrechte auf der Ebene der Vereinten Nationen und regionaler Organisationen sowie auf der Ebene von Nicht-Regierungsorganisationen (Amnesty International, Internationale Juristenkommission). Eine solche Politik hätte den Vorteil, die Interventionsproblematik zu umgehen und der Notwendigkeit, kulturspezifische Ausprägungen des Menschenrechts-verständnisses zu berücksichtigen, durch multilaterale Entscheidungsfindung zumindest vom Verfahrensansatz her zu entsprechen. Die Glaubwürdigkeit aller drei Verhaltens-möglichkeiten würde aber davon abhängen, — in welchem Maße sie mit wirklich bedeutsamen Anstrengungen verbunden würden, die Befriedigung von Grundbedürfnissen in den Entwicklungsländern durch eine im Kanon der Regierungsressorts entsprechend aufgewertete Entwicklungspolitik voranzutreiben, und — in welchem Maße sie mit der Bereitschaft gekoppelt wären, durch substantielle Zugeständnisse in weltwirtschaftlichen Fragen den Handlungsspielraum der Entwicklungsländer für eine kontinuierliche Entwicklungspolitik über viele Jahre hinweg zu erweitern
VII. Abschließende Überlegungen und Zusammenfassung
1. Das zunächst weitgehend von westlichen Denktraditionen geprägte Menschenrechts-verständnis der Vereinten Nationen ist unter dem Einfluß der Entwicklungsländer erheblich modifiziert und ausgeweitet worden. Die Entwicklungsländer haben vor allem den Gedanken kollektiver Rechte („Volks-Rechte“) in die Debatte eingeführt und solche kollektiven Rechte aus ihrer Interessenlage heraus in einem Recht auf Entwicklung zusammengefaßt, das inzwischen von den Vereinten Nationen anerkannt wurde.
2. In krassem Gegensatz 'zu solchen Fortschritten in der Konzipierung von Menschenrechten hat sich die reale Menschenrechtssituation in der Dritten Welt im Verlauf der siebziger Jahre verschlechtert. Während die absolute und relative Armut in den Entwicklungsländern auch in der zweiten Entwicklungsdekade weiter zugenommen hat, ist die Mißachtung von politischen und Bürgerrechten in der Dritten Welt zu einem Massenphänomen geworden. 3. Die Nichterfüllung wirtschaftlicher und sozialer Rechte und die Mißachtung der politischen Rechte verstärken sich wechselseitig. Die politische Unterdrückung dient dabei nicht nur der Abwehr eines Chaos angesichts objektiver Ressourcenknappheit, sondern auch, wenn nicht vorrangig, der Aufrechterhaltung der etablierten Ordnung im Zeichen einer krassen sozialen Ungerechtigkeit. 4. Die Industrieländer sind in diese Entwicklungen in vielfältiger Weise eingebunden: Der Osten unter anderem durch Propagierung eines Modells gesellschaftlichen Fortschritts, das die wirtschaftlichen und sozialen Rechte weitgehend gegen die politischen Freiheitsrechte ausspielt, und durch direkte Hilfe (Verwaltung, Polizei, Militär), die der Durchsetzung dieses Modells gegen inneren und äußeren Widerstand dient; der Westen unter anderem durch Propagierung eines Modells, bei dem die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung als die Wurzel allen gesellschaftlichen Fortschritts gilt, und durch Ausnutzung dieses Modells zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil. Beide zusammen sind in die prekäre Entwicklung der Menschenrechtssituation in der Dritten Welt eingebunden durch die Praktizierung eines selektiven Humanismus, bei dem es nicht um das Elend der Menschen in der Dritten Welt an sich geht, sondern um dessen Stellenwert in der Systemkonkurrenz zwischen Ost und West. 5. Mit dem lauter werdenden Anspruch der Entwicklungsländer auf Rekonstruktion und Respektierung ihrer kulturellen Identität müssen sich die Industrieländer sehr ernsthaft auseinandersetzen. Dieser Anspruch könnte allerdings über den „selektiven Humanismus" von Ost und West hinaus zu einem Wertrelativismus in Sachen Menschenrechte führen. Es kann demgegenüber kein Zweifel daran bestehen, daß die heute massenhaft vorkommende Mißachtung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit durch Folter und außerhalb der zivilen Gerichtsbar-keit betriebene Hinrichtungen nicht unter werden, sondern eher als konsequente und Verweis auf kulturelle Eigenheiten der Kritik umfassende Unterstützung des internationalen werden kann. Menschenrechtsschutzes.
6. Mit Blick auf die massenhaften Menschenrechtsverletzungen Eine solche Politik ist nur glaubwürdig und in der Dritten Welt besteht langfristig nur effektiv sein, wenn sie die Notwendigkeit einer aktiven Menschenrechtspolitik eine materielle Menschenrechtspolitik gegenüber der Dritten im Wege einer wirklich bedeutungsvollen Welt. Diese sollte jedoch weniger als konsequente von Grundbedürfnisstrategien Ausweitung des Menschenrechtsbezuges einer substantiellen Kompromißbereitschaft in der einzelstaatlichen Politik gegenüber in weltwirtschaftlichen Fragen ergänzt den Entwicklungsländern angestrebt wird.