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Bestimmungsfaktoren und Tendenzen sowjetischer Außenpolitik in den achtziger Jahren | APuZ 21-22/1985 | bpb.de

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APuZ 21-22/1985 Gorbatschow vor großen Aufgaben Bestimmungsfaktoren und Tendenzen sowjetischer Außenpolitik in den achtziger Jahren Ökologiediskussion und Umweltschutzmaßnahmen in der Sowjetunion Artikel 1

Bestimmungsfaktoren und Tendenzen sowjetischer Außenpolitik in den achtziger Jahren

Lothar Jung

/ 46 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die veränderten inneren und äußeren Rahmenbedingungen seit dem Beginn der achtziger Jahre machten eine Anpassung der politischen Strategie der UdSSR notwendig; dabei zeigte sich besonders der enge Zusammenhang von Innen-und Außenpolitik. Seit 1981 zeichnete sich eine Strategiedebatte in der sowjetischen Führung ab, die deutlich zwei Richtungen erkennen ließ: — einen pragmatisch orientierten Flügel, der vor allem innenpolitisch orientiert ist und das Schwergewicht auf die Bewältigung der internen Probleme zu legen bestrebt war, und — eine machtpolitisch orientierte Gruppe, die ihre Hauptaufgabe darin sieht, das strategische Gleichgewicht, das sich im Laufe der siebziger Jahre im Verhältnis zum Westen und inbesondere zu den USA herausgebildet hat, zu verteidigen und abzusichern. Ein besonderer Punkt der Kontroverse war dabei, inwieweit unter den veränderten außen-politischen Bedingungen, die durch die Rückkehr der USA zur Politik der Stärke entstanden waren, eine Fortsetzung der Entspannungspolitik möglich sei. Seit 1984 war zudem deutlich ein Rückgang des militärischen Einflusses auf die sowjetische Außenpolitik zu beobachten sowie eine veränderte Einstellung der politischen Führung zum Atomkrieg. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, daß die Sowjetunion in naher Zukunft vor das schwierige Problem der technischen Neuausrüstung und Modernisierung des Produktionsapparates gestellt ist und die Konsumversorgung deutlich verbessern muß, um den Konsens der Bevölkerung mit der Führung nicht zu zerstören und daher an einer zurückhaltenden, äußere Konflikte vermeidenden Außenpolitik interessiert sein muß. Dies heißt vor allem aber eine Wiederannäherung an die USA und Erfolge bei der Eindämmung der Rüstungslasten. Dabei wird jedoch die Kontroverse um die Strategische Verteidigungsinitiative von Präsident Reagan der Hauptkonfliktpunkt bleiben.

I. Zum Verhältnis von Innen-und Außenpolitik

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten des Sowjetsystems, die einzuschlagende Politik in einer Generallinie festzuschreiben. Ein hoch-zentralisiertes System, dessen Politik praktisch von einigen Männern bestimmt wird, braucht zentrale „Vorgaben", um sich orientieren zu können, die verschiedene Apparate des Systems auf die so definierten Ziele auszurichten und die ökonomischen und gesellschaftlichen Ressourcen dafür zu mobilisieren. Die in internen Diskussionen hinter verschlossenen Kreml-Toren ermittelte Generallinie wird gewöhnlich auf Parteitagen verkündet und fixiert. Danach hat jeder Parteifunktionär und Staatsdiener die Pflicht, sich daran zu halten und sich für seine Verwirklichung einzusetzen

Auf dem 26. Parteitag im Februar 1981, dem letzten, der Leonid Iljitsch Breschnew als Generalsekretär sah, war bemerkenswert, daß dieser erstmals einräumte, daß es bei der Vorbereitung des Parteitages im Politbüro zu Meinungsverschiedenheiten gekommen war. Es seien unterschiedliche Ansichten geäußert worden sowie zahlreiche Bemerkungen und Vorschläge zu den im Politbüro anstehenden Fragen gemacht worden. Diese Fragen seien gründlich analysiert und auch Sonderkommissionen des Politbüros zur Untersuchung der Probleme gebildet worden

Dies konnte nicht weiter überraschen, wurde auf dem Parteitag doch eine nicht unerhebliche Korrektur der Generallinie der vorangegangenen zwei Parteitage von 1971 und 1976 vorgenommen Lag das Schwergewicht bei jenen auf der internationalen Tätigkeit und Außenpolitik, so wurde nunmehr die Vorrangigkeit der Innenpolitik betont.

Dies geschah nicht von ungefähr. Seit Ende der siebziger Jahre zeigten sich in der SowjetUnion und den anderen sozialistischen Staaten schwere Krisenerscheinungen. Das Wirtschaftswachstum war stark rückläufig, in der Landwirtschaft folgte ein Katastrophenjahr dem anderen und zwang zu immer größeren Getreideimporten, die Konsumgüterversorgung entwickelte sich rückläufig und nahezu sämtliche Industriezweige waren inzwischen technisch veraltet und produzierten mit viel zu hohem Energie-und Rohstoffverbrauch bzw. Arbeitskräfteanteil. In den siebziger Jahren war es nicht gelungen, das extensive in ein intensives Wirtschaftswachstum überzuleiten. Die UdSSR trat mithin zu Beginn der achtziger Jahre in eine Strukturkrise ein. Unverkennbar war die Nutzung der ökonomischen Ressourcen während der siebziger Jahre zur äußeren Machtentfaltung auf Kosten der inneren Entwicklung und Versorgung gegangen

Erklärte Breschnew noch auf dem 25. Parteitag 1976, daß sich die KPdSU bei der Verwirklichung ihrer internationalen Tätigkeit vollkommen auf die Wirtschafts-und Verteidigungskraft des Landes stütze, „auf sein geistiges Potential, auf alles, was das sowjetische Volk durch seine Arbeit geschaffen" habe, so ging er jetzt scharf mit der „Tatsache" ins Gericht, daß „bei vielen Waren des Bevölkerungsbedarfes die Produktionspläne seit Jahren nicht erfüllt" worden seien: „In all diese Dinge muß unverzüglich Ordnung gebracht werden."

Dies waren in der Tat neue Töne, die zeigten, daß vor dem Hintergrund der sich in Polen entfaltenden Massenbewegung für eine Erneuerung des Landes die sowjetische Führung in Sorge um den innenpolitischen Konsens im eigenen Lande war. Dieser hatte sich im Laufe der Jahre der Nach-Stalin-Ära herausgebildet und bestand darin, daß die Bevölkerung die Machtverhältnisse und die Politik des Regimes akzeptierte, wenn dieses einen zwar langsamen, aber stetig steigenden Lebensstandard garantieren konnte Eben dieser drohte jedoch am Ende der siebziger Jahre ernsthaft in Gefahr zu geraten, und die Ereignisse in Polen führten vor Augen, mit welchen unkalkulierbaren Entwicklungen gerechnet werden mußte, wenn dieser Konsens völlig zusammenbrach. Die Sowjetführung hatte mithin eine Reihe guter Gründe, vom „revolutionären Optimismus", der sie in den siebziger Jahren beseelte, abzulassen und ihre Lage nüchtern zu betrachten.

Hinzu kam noch, daß die heftige Reaktion auf den Einmarsch in Afghanistan dazu verholfen hatte, in den Vereinigten Staaten einen Präsidenten ins Amt zu bringen, der sich die Eindämmung sowjetischer Macht ausdrücklich zum Ziel gesetzt hatte.

Standen auf dem 25. Parteitag noch der „proletarische Internationalismus" und die „Völkerfreundschaft" im Mittelpunkt, „von der wir nicht abgehen", wie Breschnew ausführte, so erklärte er nunmehr die Ökonomie und die Wirtschaftspolitik als „entscheidenden Frontabschnitt im Wettstreit mit dem Kapitalismus" Unter die offensive Dritte-Welt-Politik wurde ein Schlußstrich gezogen, indem erklärte wurde, daß in den siebziger Jahren die „Liquidierung der Kolonialreiche faktisch abgeschlossen worden" sei Statt dessen unterstrich Breschnew jetzt für das Zentralkomitee, daß die letzten Jahre nicht die günstigsten für die Volkswirtschaften einer Reihe sozialistischer Länder gewesen seien und „wir alle" daran interessiert seien, daß „der sozialistische Markt imstande ist, die wachsenden Bedürfnisse der Länder der sozialistischen Gemeinschaft zu befriedigen"

Als Ergebnis des Parteitages wurde angesehen, daß die Außenpolitik ein günstiges äußeres Umfeld für die Lösung der inneren Probleme zu schaffen habe. Die Generallinie wurde dahin gehend abgeändert, daß der „Kampf für die Festigung des Friedens und für die Vertiefung der Entspannung" definiert wurde als Mittel, „die notwendigen äußeren Bedingungen für die Lösung der vor dem Sowjetvolk stehenden schöpferischen Aufgaben" zu sichern.

Diese Umorientierung schlug sich auch in der Gestaltung des Fünfjahrplans (1981— 1985) nieder. Erstmals in der Geschichte der Sowjetunion wurde der Zuwachs der Leichtindustrie, Grundlage der Konsumgüterindustrie, höher angesetzt als die traditionell bevorzugte Schwerindustrie, die die Basis der Rüstungsindustrie bildet 11). Dies bedeutete eine nicht unerhebliche Verschiebung der jahrelang festgelegten Gewichte. Noch im Sommer 1980 hatte das Zentralkomitee nach einem Referat von Außenminister Andrej Gromyko einen Beschluß gefaßt, in dem die außenpolitische Linie des 24. und 25. Parteitages bestätigt und „eine größtmögliche Stärkung der Verteidigungskraft unseres Staates" sowie weitere „Unterstützung des Kampfes der Völker um Freiheit und Unabhängigkeit“ bestätigt wurde Jetzt dagegen forderte Breschnew sogar die Rüstungsindustrie auf, die Modernisierung der Leicht-, Lebensmittel-und medizintechnischen Industrie zu unterstützen, da sie über eine „besonders starke wissenschaftliche Basis" verfüge

II. Kräfteverschiebung in der kollektiven Führung

Diese Umorientierung ging unverkennbar mit einer Kräfteverschiebung in der kollektiven Führung einher. Angesichts der bereits weit fortgeschrittenen Hinfälligkeit Breschnews, vor allem aber unter dem Druck der Ereignisse und Entwicklungen, trat der Einfluß der außen-und sicherheitspolitischen Verbündeten des Parteichefs, Außenminister Andrej Gromyko und Verteidigungsminister Ustinow, hinter den Einfluß der langjährigen engsten innenpolitischen Mitarbeiter Breschnews, nämlich Konstantin U. Tschernenko und Nikolaj Tichonow, zurück. Tichonow hatte 1980 Ministerpräsident Alexej Kossygin abgelöst. Tschernenko rückte seit 1978 kontinuierlich in den Vordergrund. Es gilt als ziemlich sicher, daß er maßgebenden Einfluß auf die Gestaltung des 26. Parteitages hatte. Besser als die meisten Mitglieder der Führung, vielleicht mit Ausnahme von KGB-Chef Jurij Andropow, kannte er die Stimmung in der Bevölkerung, da er die zahlreichen, beim Zentralkomitee einlaufenden Briefe aus der Bevölkerung auswertete Mit der Formulierung, „die Briefe und Vorschläge der Werktätigen sind als lebendiger Strom für die Verbindung der Partei mit den Massen von überaus großer Bedeutung“, hob Breschnew seinen Mitarbeiter indirekt auf dem 26. Parteitag hervor Tschernenko avancierte so zum „natürlichen" Nachfolger Breschnews als Generalsekretär. Außenpolitisch gehörte er zu den Verfechtern einer Zusammenarbeit mit dem Westen und der Abrüstung. So war es kein Zufall, daß er 1975 der sowjetischen KSZE-Delegation in Helsinki angehörte ebenso wie der Delegation, die Breschnew im Sommer 1979 nach Wien zur Unterzeichnung des SALT-II-Abkommens begleitete Indessen formierte sich gegen die neue Parteilinie eine „innere Opposition". Generalstabschef Ogarkow warnte im Sommer 1981 vor den Folgen nachlassender Rüstungsanstrengungen und forderte eine weitere Forcierung der Militarisierung der Wirtschaft gemäß der Militärdoktrin Verteidigungsminister Ustinow warnte vor dem „imperialistischen Kurs einer Verschärfung der internationalen Lage und des Wettrüstens". Er verwies auf die Militärprogramme der neuen amerikanischen Regierung unter Ronald Reagan und die Nachrüstung der NATO. Zugleich unterstellte er den USA „PräventivSchläge" auf die UdSSR vorzubereiten, und betonte: „Wir haben die Möglichkeit, eine militärische Überlegenheit der USA nicht zuzulassen."

Außenminister Gromyko sprach davon, daß die Menschheit in einer verantwortungsvollen Zeit lebe, wo die Frage entschieden werde, wie sich die internationalen Beziehungen künftig gestalten würden. Kontrastreich hätten sich in der Welt zwei Strategien herausgebildet. Eine sei auf Frieden gerichtet und werde von der UdSSR verfolgt, eine andere ziele auf militärische Überlegenheit und werde von militärischen Kreisen der USA und der NATO betrieben

Ohne direkt eine Revision der Linie des 26. Parteitages zu fordern, gelang es dem außen-und sicherheitspolitischen „Establishment" unter Ausnutzung der forschen Rhetorik der amerikanischen Reagan-Administration, die Breschnew-Tschernenko-Tichonow-Linie unter Druck zu setzen Kurz vor seinem Tod entschloß sich Breschnew daher, nochmals vor den versammelten Militärs aufzutreten und zu versprechen, daß das Zentralkomitee Vorbereitungen treffe, „damit sie al-les Nötige haben". Besonders lobte er Verteidigungsminister Ustinow als „Garanten" militärischer Interessen

Dies war kein Zufall, denn mit der Militärführung im Rücken hatte sich Ustinow inzwischen zur Schlüsselfigur in der kollektiven Führung entwickelt. Wie stets, wenn die politische Führung zerstritten oder gespalten war, konnte das Militär seinen Einfluß nunmehr bedeutend ausweiten und sich als ausschlaggebender Machtfaktor in der Nachfolgefrage profilieren. Ustinow war es denn auch, der schließlich im November 1982 Andropow gegen Tschernenko als Nachfolger Breschnews zum neuen Generalsekretär im Politbüro durchsetzte Generalstabschef Ogarkow erklärte nun, Breschnew habe genaue Anweisungen zur weiteren Erhöhung der technischen Ausrüstung der Streitkräfte gegeben

Andropow bekannte sich denn auch in seiner Antrittsrede zur Politik der Stärke: „Wir wissen sehr wohl, daß man den Frieden bei den Imperialisten nicht erbitten kann. Man kann ihn nur behaupten, gestützt auf die unüberwindliche Macht der sowjetischen Streitkräfte."

Dennoch war sein Versprechen vor dem Zentralkomitee, die auf dem Parteitag festgelegte Linie fortzusetzen 26) und dafür Sorge zu tragen, daß „diese Aufgaben gelöst und unbedingt gelöst werden", nicht unbegründet. Diese Zusage, nämlich „Erweiterung der Produktion und Erhöhung der Qualität der Lebensmittel und industriellen Verbrauchsgüter" diente nicht nur der Gewinnung der Anhänger Tschernenkos im Parteiapparat, der selbst nun 2. Sekretär wurde, sondern entsprach durchaus auch Andropows eigenen politischen Vorstellungen.

Auch in der Außenpolitik war seiner Über-zeugung nach, wie er schon 1976 ausführte, eine Politik der friedlichen Koexistenz, „die bekanntlich Verhandlungen, Abkommen, das Suchen nach gegenseitig annehmbaren Lösungen und zuweilen nach Kompromissen, die Aufnahme einer gegenseitig vorteilhaften Zusammenarbeit mit den kapitalistischen Staaten" bedingten, erforderlich Wesentlicher Gesichtspunkt der Ernennung Andropows war es indes, die starke Stellung Ustinows und seines Verbündeten Gromyko entscheidend zu festigen. Obwohl Gromykos Stellung als engster außenpolitischer Berater Breschnews bereits 1973 durch seine Aufnahme in das Politbüro (ohne vorherigen Kandidatenstatus) unterstrichen wurde, konnte er jetzt seine Position durch die Ernennung zum Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten im Februar 1983 noch erweitern. Er wurde damit faktisch mit der Autorität eines Ministerpräsidenten ausgestattet, da die Kompetenz von Ministerpräsident Tichonow auf Wirtschaftsangelegenheiten beschränkt blieb. Zugleich ermöglichte ihm diese Kompetenzerweiterung jetzt auch, die Außenpolitik mit dem Verteidigungsministerium Ustinows zu koordinieren

Die Parteibürokratie, die Tschernenko als einen der ihren ansah und deshalb hinter ihm stand, mußte nun ihre traditionelle Dominanz in der Führung einer Koalition von Männern überlassen, die außerhalb des Parteiapparates standen und vor allem die Interessen ihrer Bürokratien verfolgten

III. Differenzen über die Entspannungspolitik

In der Sowjetführung bildeten sich jetzt zwei Richtungen heraus:

a) Eine pragmatisch orientierte Gruppe um Tschernenko und seinen engsten Verbündeten, Ministerpräsident Tichonow, repräsentierte die Parteibürokratie und Wirtschaftsverwaltung. Sie bestand auf der Fortsetzung der auf der Linie des 26. Parteitages festgelegten Orientierungen zur Bewältigung der ökonomischen und sozialen Probleme. In der Außenpolitik forderte sie eine Fortsetzung der Entspannungspolitik und die Rückkehr zur Zusammenarbeit mit dem Westen. Ihre Vertreter plädierten daher für einen Interessenausgleich mit den USA und ein neues Arrangement mit der anderen Weltmacht. Ein Einfrieren der Rüstungen und Abrüstung sollte wirtschaftliche Entlastung bringen und Konfliktfelder mit den USA abbauen. Auch gegenüber China traten sie für eine Normalisierung der Beziehungen ein.

b) Dieser Gruppe stand ein außen-und sicherheitspolitisches Establishment gegenüber, das in der Politik Präsident Reagans eine Gefährdung für die im Laufe der siebziger Jahre erreichte günstige internationale Stellung der UdSSR erblickte. Dessen Vertreter forderten daher, daß die „historischen Erfolge" in der internationalen Politik unbedingt verteidigt werden müßten, was ein energisches Auftreten gegenüber den Versuchen der USA erfordere, das neu entstandene Kräfteverhältnis, das sich in der Welt herausgebildet habe und die historischen Siege der Sowjetunion reflektiere, wieder in Frage zu stellen. Gegen die USA müsse daher in dieser Situation eine scharfe Politik der Gegenoffensive durchgeführt werden, um sie zur Aufgabe ihrer Politik der Rückkehr zur Stärke zu nötigen. Die weltweiten Friedenskräfte seien zu mobilisieren, um die amerikanische Administration unter Druck zu setzen. Außerdem müßten militärische Gegenmaßnahmen ergriffen werden, um das militärische Kräfte-verhältnis zu erhalten. Es waren vor allem Ustinow und Gromyko, die diese Politik zum Ausdruck brachten.

Parteichef Andropow, der auf die Unterstützung beider Gruppen angewiesen war, versuchte zwischen beiden Richtungen einen Konsens herbeizuführen. In seiner Antrittsrede sprach er davon, daß die Entspannungs

Politik nicht lediglich eine Episode gewesen sei, sondern „Zukunft habe"

Wie erwähnt, war Andropow selbst ein Anhänger der Koexistenzpolitik mit dem Westen. Daher bemühte er sich um eine Entkrampfung des Verhältnisses zu den USA, das nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan 1979 sowie durch die Verhängung des Kriegsrechts in Polen Ende 1981 abermals eine Verschärfung erfahren hatte. Er empfing den einstigen amerikanischen Botschafter in Moskau aus der Zeit der Kriegskoalition, Harriman, und lobte bei dieser Gelegenheit die frühere gute Zusammenarbeit. Gegenüber einer in Moskau weilenden Delegation des US-Kongresses sprach er sich für eine Verbesserung der sowjetisch-amerikanischen Beziehungen aus.

Während die pragmatisch orientierte Führungsgruppe bei entsprechender Flexibilität der Sowjetunion auch eine Änderung der Haltung der amerikanischen Regierung und eine größere Bereitschaft zu einer Wiederannäherung erwartete forderten die an der traditionellen Machtpolitik orientierten Führer indes eine entschiedene Haltung und offensives Auftreten gegenüber den USA. Ihr Konfrontationskurs erinnerte dabei an die Taktik der Sowjetunion in den späten vierziger Jahren. Die schärfsten Töne schlug Verteidigungsminister Ustinow an. „Unter den Bedingungen der zunehmenden Kriegsgefahr", so betonte er, „wäre es unsererseits völlig unzulässig, die friedliche Arbeit der Völker in den Ländern der sozialistischen Gemeinschaft einem Risiko auszusetzen und sie von . Friedensbeteuerungen der Einpeitscher des nuklearen Rüstungswettlaufes abhängig zu machen." Dies ließ zugleich erkennen, daß die Pragmatiker die Friedensbekundungen Präsident Reagans positiv für ihre Politik verbuchten. Ustinow forderte weiter: „Wir müssen eine Antwort geben, daß der Selbsterhaltungstrieb die Oberhand gewinnt über die Absicht, eine Aggression gegen uns zu entfachen."

Auch Außenminister Gromyko fand in seinem Grundsatzreferat über die Außenpoli-tik vor dem Obersten Sowjet scharfe Töne für die Politik der USA. Er stellte einen Ausgleich nur für den Fall in Aussicht, daß die USA von ihren Rüstungsplänen abließen und zur Haltung der siebziger Jahre zurückkehrten, als Präsident Nixon die UdSSR als gleichberechtigte Supermacht anerkannt und ihr „gleiche Sicherheit" mit den Vereinigten Staaten zugestanden hatte

Einen ersten Höhepunkt erreichte diese Konfrontationspolitik durch den Flugzeugzwischenfall über der Insel Sachalin im September 1983, als sowjetische Jäger ein südkoreanisches Verkehrsflugzeug abschossen. Andropow war bereits zu diesem Zeitpunkt durch Krankheit nicht mehr auf seinem Posten. Die Sowjetführung interpretierte den Vorgang jetzt als eine Provokation gegen die Sowjetunion und Verteidigungsminister Ustinow schickte Generalstabschef Ogarkow vor die Weltpresse, um die militärische Entschlossenheit der UdSSR zu demonstrieren

Als der US-Kongreß zwei Wochen nach dem Flugzeugzwischenfall einen Rekord-Verteidigungshaushalt verabschiedete erblickte die sowjetische Führung darin den Beweis dafür, daß die US-Regierung das Flugzeug über sowjetisches Territorium geschickt habe, um durch die sowjetische Reaktion vor dem Kongreß den Beleg für die Gefährlichkeit der Sowjetunion liefern zu können und den Rüstungshaushalt durchzusetzen. Eine geharnischte Erklärung, „Andropow-Erklärung" bezeichnet, stellte Ende September den „militaristischen Kurs" Washingtons heraus. Mit Blick auf die Entspannungspolitiker, die auf ein Einlenken der USA hofften, wurde festgestellt: „Wenn jemand bisher noch Illusionen hinsichtlich einer möglichen Evolution der Politik der gegenwärtigen amerikanischen Administration zum besseren gehegt hatte, so wurden diese durch die jüngsten Ereignisse endgültig zerstört." Die Entspannungsbefürworter konnten erst gegen Ende der Erklärung ihre Auffassung, daß man mit den USA in Frieden leben wolle, mit der Bemerkung darlegen: „Unser Kurs zielt wie bisher auf die Erhaltung des Friedens, auf Entspannung und Eindämmung des Wettrüstens, auf die Erhaltung und Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen den Staaten. Das ist der feste Wille der KPdSU, des gesamten Sowjetvolkes."

Gegen Ende 1983 setzte sich angesichts der krankheitsbedingten Abwesenheit Andropows der Flügel um Ustinow und Gromyko vollends durch. Diese veranlaßten einen Abbruch der Genfer Abrüstungsverhandlungen, nachdem durch einen Beschluß des Bundestages die Nachrüstung in der Bundesrepublik eingeleitet werden sollte. Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen wurde nunmehr von der Rückgängigmachung der Stationierung der amerikanischen Raketen abhängig gemacht. In der DDR und Tschechoslowakei wurden neue Kurzstreckenraketen in Stellung gebracht. Der Abbruch der Ost-West-Beziehungen sollte nun verstärkten Druck auf die US-Regierung ausüben und die westliche Öffentlichkeit und den US-Senat gegen Präsident Reagan aufbringen

Am 6. Dezember 1983 hielt der erst im Juni 1983 in das ZK-Sekretariat aufgerückte und ganz unverkennbar zum Flügel des „Sicherheitsetablishments" gehörende ZK-Sekretär Romanow anläßlich der Revolutionsfeierlichkeiten die schärfste von einem Sowjetführer seit langem gehörte Rede. Er beschuldigte die USA eines „Kreuzzuges" gegen die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Staaten. Deutlich bezog er Gegenposition zu den Pragmatikern, indem er ausführte, daß es angesichts der äußerst angespannten internationalen Lage nur schwer möglich sei, auf dem Wege der Entspannung, der friedlichen Koexistenz und der Abrüstung voranzukommen. Seine Ausführungen gipfelten in der Aussage, daß für die Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR nur eine feste Grundlage in Frage komme: „Sollen die amerikanischen Kapitalisten uns in Ruhe lassen. Wir werden sie in Ruhe lassen."

Wenige Tage später antworteten die Entspannungspolitiker mit einem mit ziemlicher Sicherheit von Tschernenko verfaßten Nachruf auf den verstorbenen Breschnew, dessen Bemühen gewürdigt wurde, „positive Veränderungen in den internationalen Beziehungen" herbeigeführt zu haben. Die Entspannung habe der Menschheit Zuversicht in die Zukunft vermittelt

IV. Tschernenkos Bemühen um eine Wiederaufnahme der Beziehungen zu den USA

Die Ernennung Tschernenkos zum Nachfolger des im Februar 1984 verstorbenen Andropow im obersten Parteiamt brachte zwar die Dominanz der Parteifunktionäre an der Spitze des ZK-Sekretariats zurück, doch schien Tschernenko gesundheitlich bereits so angeschlagen, daß er zu bedeutenden außenpolitischen Initiativen nicht in der Lage sein würde. Aus diesem Grunde stimmten offensichtlich auch Gromyko und Ustinow seiner Nominierung als Übergangskandidat zu. Gleichzeitig rückte der 54jährige ZK-Sekretär Michail S. Gorbatschow in den Vordergrund. Er wurde 2. Sekretär und damit designierter Nachfolger im Amt des Generalsekretärs. Offensichtlich sollte die Übergangsphase unter Tschernenko es Gorbatschow erleichtern, sich in die Amtsgeschäfte einzuarbeiten.

Tschernenko bemühte sich indessen, obwohl er außenpolitisch von Gromyko und Ustinow eingebunden blieb, in Wort und Schrift um eine Wiederanknüpfung des Gesprächsfadens mit den Vereinigten Staaten. Bereits kurz vor seiner Ernennung hieß es im Wahlaufruf zum Obersten Sowjet seitens des Zentralkomitees: „Ungeachtet ihrer Kompliziertheit darf die militärpolitische Lage nicht dramatisiert werden. Das Sowjetvolk hat gute Nerven." In seiner Wahlrede im März 1984, kurz nach seiner Ernennung zum Generalsekretär, wandte sich Tschernenko dann selbst gegen eine von Verteidigungsminister Ustinow und den Militärs entfachte patriotische Propaganda gegen die angeblich heraufziehende Kriegsgefahr, indem er ausrief: „Die Menschen wollen Frieden und Ruhe, aber keine Kriegshysterie." Durch neue Vorschläge hoffte Tschernenko, Washington aus der Reserve locken zu können, da ihm die eigene Handlungsfähigkeit fehlte. Als Alternative zu den abgebrochenen Genfer Verhandlungen schlug er jetzt vor, über chemische Waffen zu verhandeln und einen „Verhaltenskodex" zwischen den Supermächten zu vereinbaren Im Mai regte er in einem Brief an amerikanische Wissenschaftler Gespräche mit den USA über eine „Verhinderung der Militarisierung des Weltraums" an Zur gleichen Zeit indes beharrte Verteidigungsminister Ustinow auf der Rückgängigmachung der Nachrüstung und erklärte kategorisch: „Unter Drohungen und Druck werden wir nicht verhandeln."

V. Konflikt mit der DDR und die „Andropow-Doktrin"

Gromyko und Ustinow hatten Ende 1983 den Abbruch der Genfer Verhandlungen durchgesetzt, um durch eine gezielte Verschlechterung des sowjetisch-amerikanischen Verhältnisses noch mehr Druck auf den Westen auszuüben. Man erwartete, daß die NATO in eine tiefe Krise stürzen und die nervöse Öffentlichkeit in der Bundesrepublik einen Rückzug der amerikanischen Raketen fordern werde. Zur Steigerung der Furcht hatte man zusätzlich die Aufstellung von Raketen in der Tschechoslowakei und der DDR beschlossen. Wie Andropow bereits im Sommer 1983 gegenüber Bundeskanzler Helmut Kohl angekündigt hatte, sollte „ein Raketenzaun" mitten durch Deutschland gehen, über den hinweg sich die beiden deutschen Staaten nicht mehr würden verständigen können. Der von Ustinow und Gromyko betriebene Abbruch der Ost-West-Beziehungen sollte mithin auch das deutsch-deutsche Verhältnis einbeziehen und den Druck auf die Bundesregierung verstärken, im Interesse der Beziehungen zu OstBerlin auf die Stationierung zu verzichten.

Es sollte sich indes erweisen, daß die SED-Führung nicht bereit war, ihrerseits die sich entwickelnden deutsch-deutschen Beziehungen durch einen Anschluß an die Politik Moskaus zu gefährden.

Die krisenhafte Entwicklung seit Beginn der achtziger Jahre führte auch zu einem Wandel in den Beziehungen der UdSSR zu ihren Verbündeten. Die wirtschaftlichen Mißerfolge hatten zur Konsequenz, daß die sowjetische Führung den allgemeinen Leitbildcharakter ihres „Wirtschaftsmodells" unter der Kritik der Verbündeten aufgab und ihnen nun eine eigene „nationale" Suche nach Lösungen zur Stabilisierung ihrer Volkswirtschaften und Gesellschaften einräumte, um nicht länger für deren Mißerfolge „haftbar" gemacht zu werden Dadurch brauchte sie sich nicht länger dem Vorwurf auszusetzen, sie schädige durch das Vorschreiben ihres „Modells" die Interessen der Verbündeten

Im April 1982 gestand Andropow öffentlich: „Wir sind der Ansicht, daß für jedes Land diejenige Form die beste ist, die von seinem Volk angenommen wird und dessen Interessen und Traditionen entspricht." Daher könne die „sozialistische Ordnung" auch „in den Einzelheiten unter Anpassung an nationale und nationalstaatliche(n) Besonderheiten sachgerecht abgeändert werden"

Diese „Andropow-Doktrin" war zweifellos auch eine Folge der antisowjetischen Affekte, die die polnische Volksbewegung der Kommunistischen Partei Polens und der Regierung entgegenbrachte und bedeutete, auf die Wirtschafts-und Innenpolitik bezogen, das Gegenteil der „Breschnew-Doktrin", nämlich, daß die Sowjetunion auf eine Intervention verzichtete, die jeweiligen Parteien und Regierungen selbst mit den Verhältnissen in ihrem Lande fertig werden müßten und die Sowjetunion sich auf äußeren . Druck in diese Richtung beschränke, wie die Verhängung des Kriegsrechts in Polen Ende 1981 zeigte.

Dieses Recht zur Eigenverantwortlichkeit in der Gestaltung der Wirtschafts-und Innenpolitik erweiterte den Handlungsspielraum der osteuropäischen Führungen beträchtlich und geriet 1984 im Falle der DDR in Widerspruch zu Moskaus Anspruch auf „Koordination" der Außenpolitik im Rahmen des Warschauer Paktes. Das Interesse der DDR, sich verstärkt auf die westlichen Industriestaaten und Märkte zu konzentrieren, um ihr ehrgeiziges ökonomisches und soziales Programm nicht zu gefährden, und zu diesem Zweck auf keinen Fall die Beziehungen zur Bundesrepublik zu beeinträchtigen, sowie die Forderung des sowjetischen außen-und sicherheitspolitischen Establishments, aus taktischen Überlegungen die Ost-West-Beziehungen zu kappen, waren unvereinbar. Die SED-Führung stimmte zwar der Stationierung von sowjetischen Kurzstrecken-Raketen auf ihrem Territorium zu, glaubte aber damit — neben verbalen Verurteilungen der Nachrüstung — ihre Pflicht im Kampf gegen die Stationierung erfüllt zu haben und entschied sich unter dem Stichwort von der „Schadensbegrenzung“ für die Fortsetzung der Beziehungen zur Bundesrepublik Im Februar 1984 traf Erich Honecker anläßlich der Trauerfeierlichkeiten für Andropow mit Bundeskanzler Kohl in Moskau zusammen; ein Besuch Honeckers in der • Bundesrepublik wurde ins Auge gefaßt.

Indes regte sich im östlichen Bündnis bald Unmut über diesen Alleingang. Zunächst wurde die Haltung Ost-Berlins noch anonym durch das Parteibiatt der KP, Rude Pravo, in Prag verurteilt. Dieses führte aus, daß es sozialistische Staaten gebe, die sich bei den Kapitalisten einseitig wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen suchten Zu diesem Zeitpunkt schaltete sich auch die ungarische Führung ein und ließ durch ihre Blätter wissen, daß auch kleine Staaten mit Kontakten zu anderen Staaten in Westeuropa zur Friedenssicherung beitragen könnten. Diese Artikel wurden vom Neuen Deutschland nachgedruckt.

Nach dem RGW-Gipfeltreffen in Moskau, anläßlich dessen er auch mit Tschernenko zusammentraf, ließ Honecker wiederholt durchblicken, daß er dessen Unterstützung ge-noß Im Juli gewährte ihm Ministerpräsident Tichonow offenbar für den in Urlaub weilenden Tschernenko Rückendeckung. Der Chefkommentator der Regierungszeitung Iswestija, Alexander Bowin, gab Mitte Juli in Ost-Berlin eine Pressekonferenz, auf der er die Entwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen gerade angesichts der angespannten Lage als „um so wichtiger" erklärte Zur gleichen Zeit jedoch setzte in der Partei-zeitung Prawda verstärkt eine Revanchismus-Kampagne gegen die Bundesrepublik ein in der unverkennbaren Absicht, Honecker einen Besuch in der Bundesrepublik unmöglich zu machen. Bonn wurde jetzt der Vorwurf gemacht, den „wirtschaftlichen Hebel" anzusetzen, um die DDR aus der sozialistischen Gemeinschaft herauszubrechen Honecker indes behielt seine Reisepläne in die Bundesrepublik bei. In dieser Situation griffen die Traditionalisten in Moskau zu einem schweren Geschütz, um ihn zu warnen, indem der langjährige Staats-und Parteichef der Mongolischen Volksrepublik plötzlich seiner Ämter enthoben wurde. Er soll — ebenfalls mit Tschernenkos Rückendeckung — zu Peking eine „kleine Entspannung" betrieben haben Während Andropow und Tschernenko einen Interessenausgleich mit China befürworteten, lehnte Gromyko eine Annäherung an den sozialistischen Nachbarn ab, vor allem seitdem sich durch den Peking-Besuch von Präsident Reagan im April 1984 das Verhältnis Peking-Washington wieder verbesserte. Die Parallele zum deutsch-deutschen Verhältnis 9 wird offensichtlich, wenn man bedenkt, daß die Äußere Mongolei bis 1921 Teil Chinas war.

Jetzt schwenkte Honecker um. Auf der Leipziger Herbst-Messe hielt er sich kaum mehr an bundesdeutschen Pavillions auf, sondern strebte zum Beweis seiner „unverbrüchlichen Verbundenheit" unverzüglich zum sowjetischen Stand. Sein Besuch in der Bundesrepublik wurde storniert. Im Oktober schließlich erschien Gromyko an der Spitze einer sowjetischen Delegation zu den 35-Jahrfeiern in Ost-Berlin, um Ergebenheitsadressen Honeckers entgegenzunehmen. Zwischen beiden Staaten wurde ein Abkommen über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit bis zum Jahr 2000 geschlossen; Ost-Berlin hatte sich unter starkem sowjetischen Druck der außenpolitischen Blockdisziplin gefügt. Auch die bulgarische Führung sagte ihren Besuch in Bonn ab; lediglich der rumänische Staats-präsident hielt an seinem Besuch in Bonn fest.

Dennoch bestehen die osteuropäischen Hauptstädte auf ihrer Eigenständigkeit im Bündnis. So fand Erich Honecker nichts dabei, unmittelbar vor der Verlängerung des Warschauer-Pakt-Vertrages am 26. April 1985 seinen ersten Besuch in einem NATO-Land abzustatten und den polnischen Papst in einer Privataudienz aufzusuchen. Mehr als je zuvor pochen die Verbündeten der Sowjetunion auf „Gleichheit und Souveränität", die von Moskau respektiert werden mußte, da es heute mehr denn je auf relativ potente ökonomische und technologische Partner wie die DDR und Ungarn angewiesen ist und daher seinen Führungsanspruch zurückschrauben muß 59a).

VI. Revision der Position zu den Genfer Abrüstungsverhandlungen

In den achtziger Jahren revidierte die Sowjetführung auch ihre Haltung zu den Rüstungsabgrenzungs-und Abrüstungsverhandlungen mit den USA. Noch in den siebziger Jahren hatte die Sowjetunion voll die wirtschaftliche Dynamik genutzt, um ihre Rüstungsprogramme, die in den späten sechziger Jahren eingeleitet worden waren, zu realisieren. Sie weigerte sich daher, einer Reduzierung der Waffenarsenale zuzustimmen und war lediglich bereit, im SALT-Prozeß bei den strategischen Waffen einer Begrenzung auf hohem Niveau zuzustimmen (2 250 Abschußanlagen in der Vereinbarung von Wladiwostok).

Nach seinem Amtsantritt schlug Präsident Carter 1977 der Sowjetunion eine Reduzierung der Waffensysteme strategischer Reichweite vor. Der Vorschlag wurde jedoch von Moskau zurückgewiesen. Erst nachdem die USA und die Sowjetunion die Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen für 1982 beschlossen und Präsident Reagan mit seinem START-Konzept eine starke Reduzierung strategischer Waffen in die Verhandlungen einbrachte, schlug auch die Sowjetunion durch Parteichef Andropow Ende 1982 eine Reduzierung der strategischen Waffen vor, die ziemlich genau dem Carter-Vorschlag aus dem Jahr 1977 entsprach. Die Sowjetunion erklärte sich damit zu erstmals Verringerungen ihres strategischen Potentials bereit Auch bei den Verhandlungen über Mittelstreckenraketen (INF) bot Andropow jetzt eine Absenkung des sowjetischen Potentials von SS-20-Raketen auf das Niveau der britisch-französischen Potentiale an, falls die USA auf die Stationierung ihrer Mittelstreckenraketen im Rahmen des NATO-Nachrüstungsbeschlusses in Westeuropa verzichteten. Damit bekannte sich die Sowjetführung nicht nur auch in diesem Bereich zum Prinzip der Reduktion, sondern anerkannte erstmals auch indirekt, daß sie bei den Mittelstreckenraketen einen Vorsprung besaß. Noch kurz vorher hatte Verteidigungsminister Ustinow ein Gleichgewicht behauptet

Außenminister Gromyko dagegen ließ in seinem Grundsatzreferat vor dem Obersten Sowjet erkennen, daß er die Linie Andropows in __________ • der Abrüstungsfrage nicht unterstützte. Er überspielte die Vorschläge mit Polemik gegen die USA und hob demgegenüber die Vorzüge des SALT-Vertrages hervor Bereits im Sommer 1983 war erkennbar, daß Gromyko und auch Ustinow Gegner einer Abrüstung waren und es vorzogen, die sowjetischen Waffenpotentiale als internationalen Machtfaktor zu erhalten. Insofern fiel es ihnen auch nicht allzu schwer, die Genfer Verhandlungen Ende 1983 zu verlassen.

Tschernenko hielt indes nach seinem Amtsantritt an der Linie der Rüstungsverminderung fest. Ferner schlug er ein „Abkommen über den Verzicht auf Militarisierung des Kosmos" vor

Aber erst nach dem 10. Juni 1984, nachdem die USA über dem Pazifik einen erfolgreichen Raketenabfangtest durchgeführt hatten und auch Tests mit Anti-Satellitenwaffen (ASAT) ankündigten, schlug die Sowjetregierung den Vereinigten Staaten Verhandlungen über „Weltraumwaffen" (und nur über diese) vor. Als Vorbedingung wurde ein Teststopmoratorium gefordert Da sich die USA dazu nicht bereiterklärten und darüber hinaus über Mittelstrecken-und Interkontinentalraketen verhandeln wollten, zog die UdSSR ihren Vorschlag wieder zurück

Tschernenko bekundete indes im September 1984 weiterhin sein Interesse an Verhandlungen. In mehreren Interviews mit der Partei-zeitung Prawda und der Washington Post sowie der US-Fernsehgesellschaft NBC brachte er zunächst die Raketenwaffen wieder ins Gespräch und machte schließlich mehrere weitere Vorschläge. Er erinnerte an die erfolgreiche Zusammenarbeit mit den USA in den siebziger Jahren und wünschte eine Wiederherstellung der konstruktiven Beziehungen. Nach dem Besuch Gromykos im Weißen Haus kam es durch Kontakte über vertrauliche Kanäle im November zu einer Vereinbarung über die Wiederaufnahme der Genfer Abrüstungsverhandlungen, die jetzt als „völlig neue“ Verhandlungen deklariert wurden.

Nach den ersten Vorgesprächen in Genf, Anfang Januar, faßte das Politbüro einen Be-Schluß, in dem ein Junktim zwischen den drei Teilbereichen Mittelstreckenraketen, Interkontinentalraketen und Weltraumwaffen hergestellt wurde. Nur die strikte Einhaltung der erzielten Vereinbarung in allen ihren Teilen ermögliche einen „realen Fortschritt auf dem Wege zur Einstellung des Wettrüstens, zur Beseitigung der Gefahr eines Kernwaffen-krieges und letztendlich zur Liquidierung der Kernwaffen"

Wenige Tage später erklärte Gromyko in einem Fernsehgespräch jedoch, daß das wichtigste Ziel in Genf darin bestehe, die amerikanische strategische Verteidigungsinitiative (SDI) zu Fall zu bringen Damit zeichnete sich in der sowjetischen Führung bezüglich der neuen Genfer Verhandlungen ein Ziel-konflikt ab. Während die Parteivertreter das Schwergewicht auf die Reduzierung der bestehenden Potentiale legten, um mit den USA zu einer baldigen Vereinbarung zu kommen, peilte das Außenministerium unter Gromyko ein zähes Ringen um die künftige Weltraum-rüstung an mit dem offenbaren Ziel, das sowjetische Atomwaffenpotential zu erhalten.

VII. Veränderung in der Militärführung

Anfang September kam es zu einer wichtigen Veränderung an der Spitze der Militärführung, die wahrscheinlich die Grundlage für eine neue Annäherung an die USA schuf — Generalstabschef Ogarkow wurde überraschend abgelöst. Nach Meinung aller Fachleute war Ogarkow die überragende militär-strategische Persönlichkeit des letzten Jahrzehnts, ein energischer und begabter Militärstratege und Planer, der in vielem an den legendären Marschall Tuchatschewski erinnerte, in dessen Tradition er sich offensichtlich selbst empfand. Er gehörte zur jungen Generation der gut ausgebildeten Militär-technokraten mit Karrierebewußtsein. Seit 1968 gehörte er, zweifacher Diplom-Ingenieur, dem Generalstab an. Als Stellvertreter des Generalstabschefs leitete er in verantwortlicher Position die Planung und Entwicklung der Waffenprogramme Ab 1977 Chef des Generalstabs, baute Ogarkow diesen immer stärker zu seiner Domäne aus und zentralisierte die Kommandostränge mehr und mehr

Den Höhepunkt seines Einflusses erlangte der führende sowjetische Militär gegen Ende 1983. Mehrfach trat er vor die Weltpresse, u. a. im Dezember, um die sowjetischen „Gegenmaßnahmen" auf die Nachrüstung zu erläutern. Die Partei indes wirkte durch die krankheitsbedingte Abwesenheit Andropows wie paralysiert. Gleichzeitig traten Ustinow und der ZK-Sekretär für Rüstung, Romanow, deutlich in den Vordergrund. Zur selben Zeit wurden auch die Genfer Verhandlungen seitens der UdSSR verlassen

Ogarkow war eine der treibenden Kräfte der sowjetischen Militarisierung. Noch wenige Monate vor seiner Ablösung ging er mit dem „militärischen Konservatismus" ins Gericht und forderte anstatt der perspektivlosen Fortführung der Produktion von Panzern und Raketen den Einstieg in die militärischen Hochtechnologien

Sein Nachfolger Achromejew machte demgegenüber eine Blitzkarriere. Als Armeegeneral wurde der 62jährige erst 1979 in den Generalstab berufen. Im März 1983 wurde er zum Marschall der Sowjetunion befördert und im Juni Mitglied des Zentralkomitees. Im September 1983 trat auch er vor die Weltpresse und nahm zu den Genfer INF-Verhandlungen Stellung. Die sowjetische Kompromißbereitschaft sei erschöpft, ließ er wissen, und die UdSSR werde keine amerikanischen Raketen in Westeuropa akzeptieren Achromejew kommt von den Panzertruppen und gehört damit zu dem traditionell in den Streitkräften dominierenden Flügel der Landstreitkräfte. In einem Interview kurz vor seiner Ernennung machte er deutlich, daß aus seiner Sicht, im Gegensatz zu Ogarkow, die Streitkräfte „mit allem Nötigen" ausgerüstet seien, „um die Errungenschaften des Sozialismus zuverlässig zu verteidigen". Im übrigen bekannte er sich, ganz im Gegensatz zu Ogarkow, zum militärischen Gleichgewicht und zur friedlichen Koexistenz, die dadurch objektiv gefördert werde

Das Revirement an der Spitze des militärischen Oberkommandos machte das Bemühen der Partei deutlich, die Rüstungspolitik in Übereinstimmung mit der Parteilinie zu bringen und die Kontrolle über die Militärpolitik zu festigen Dies bestätigte sich auch durch die Ernennung von Marschall Sokolow zum Nachfolger des Ende 1984 verstorbenen Verteidigungsministers Ustinow. Sokolow kommt ebenso wie Achromejew von den Kampftruppen der Panzerwaffe. Damit wurde der militärtechnokratische Flügel um Ustinow und

Ogarkow wieder von der Spitze des Verteidigungsministeriums verdrängt, was für die Partei eine nicht unerhebliche Entlastung von deren Druck und Forderungen nach neuen Rüstungsprogrammen bedeutete. Für die Truppenkommandeure nämlich sind Ausbildung, Kampfbereitschaft und Kampfgeist der Truppe mindestens ebenso hochrangige Faktoren wie moderne Waffensysteme. Mit dem Ausscheiden Ustinows aus der politischen Führung war kein Vertreter des „Rüstungsetablishments" mehr im Politbüro, die Position Romanows relativ isoliert. Daß Ustinow ein Gegner der Wiederannäherung an die USA war, wurde vor allem dadurch offenkundig, daß die Kontakte just in dem Augenblick wieder in Fluß kamen, als dieser erkrankte.

VIII. Wandel in der Auffassung über den Atomkrieg

Zu Beginn der achtziger Jahre war auch ein nicht unerheblicher Wandel in der Auffassung über den Nuklearkrieg zu beobachten. Die Schwankungen in der Beurteilung des Atomkrieges in der sowjetischen Nachkriegs-geschichte sind im übrigen ein aufschlußreicher Gradmeser militärischen bzw. orthodox-ideologischen Einflusses.

1954 erklärte Ministerpräsident Malenkow, daß angesichts der neuen Mittel der Kriegstechnik ein neuer Krieg „den Untergang der Weltzivilisation" bedeuten würde. Sechs Wochen später mußte er jedoch die Formulierung zurücknehmen und führte aus, ein Atomkrieg würde lediglich zum Untergang des kapitalistischen Gesellschaftssystems führen Damit waren die beiden Positionen zum Nuklearkrieg und das Spannungsverhältnis zwischen ihnen festgelegt. Nikita S. Chruschtschow sprach ebenfalls auf dem 22. Parteitag 1961 von der „Katastrophe eines neuen Weltkrieges" In dem vom Parteitag verabschiedeten Parteiprogramm war indes davon die Rede, daß die Völker den Imperialismus hinwegfegen würden, sollte er es wagen, einen neuen Weltkrieg zu entfachen

Dies knüpfte an die Auffassung an, daß — analog dem Zweiten Weltkrieg — am Ende eines jeden Krieges der Sozialismus als Sieger hervorgehen werde Es waren vor allem militärische Kreise, die vor „Fatalismus und Passivität" warnten. Auch ein Atomkrieg könne als Instrument der Politik dienen und jede Verneinung der Möglichkeit eines Sieges a priori sei schädlich Man dürfe daher die Kernwaffen nicht fetischisieren, wie dies bürgerliche Militärideologen täten, sondern „die historische Erfahrung sagt uns", führten Militärtheoretiker aus, „daß die neuen Methoden und Formen des Waffenkampfes, die Waffen und die Kriegstechnik dem Erringen des Sieges über den Feind dann am besten dienen, wenn sie vom Volk und von der Armee eingesetzt werden, die einen gerechten Befreiungskrieg führen, welche die Sache der Freiheit und Unabhängigkeit, die Errungenschaften des Sozialismus und des Kommunismus verteidigen und die über hohe moral-politische Eigenschaften verfügen" Dementsprechend wurde auch die Militärdoktrin der siebziger Jahre als ein Konzept gestaltet, „jede Art von Krieg" siegreich zu beenden Der Aufbau von Zivilschutzmaßnahmen und dergleichen wurde denn auch im Westen als ein Indiz für eine „Präventivstrategie" interpretiert

Das Charakteristische der Diskussion der späten sechziger und siebziger Jahre war aber nicht nur, daß man einen Sieg in einem Atomkrieg bejahte, sondern daß die Diskussion darüber ausschließlich von den Militärs geführt wurde und damit deren enormes Gewicht anzeigte. Dies bedeutete indes nicht, daß jene nicht die Rückendeckung der Partei besessen hätten. Vielmehr war Generalsekretär Breschnew in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verteidigungsrates auch Oberstkommandierender und schloß sich der Auffassung der Militärs an. So führte er 1975 aus, daß die Entfesselung eines Raketenwaffenkrieges unweigerlich die Vernichtung des Aggressors selbst bedeuten würde, ganz zu schweigen von den ungeheueren Verlusten für viele Länder, selbst wenn sie formal nicht in den Krieg einbezogen seien Daraus läßt sich schließen, daß er die UdSSR für überlebensfähig und damit siegreich einschätzte, was auf der Linie der Militärstrategen der siebziger Jahre lag.

Eine Bewegung in die Diskussion kam jedoch erst zu Beginn der achtziger Jahre wieder, wobei zunächst bemerkenswert war, daß jetzt auch wieder Zivilisten zu militärischen Fragen Stellung nahmen Vor allem aber zeichnete sich unter dem Einfluß des pragmatischen Parteiflügels der Versuch ab, zu einem neuen Standpunkt in der Frage des Nuklear-krieges zu gelangen. Andropow sprach bereits 1976 davon, daß ein solcher „wahrhaft katastrophale Folgen haben würde", also nicht mehr zwischen Aggressor und Opfer unterschied und als Parteichef führte er 1983 aus, daß eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Systemen „für die Menschheit tödlich" wäre Damit begab er sich praktisch wieder auf die Position, die Malenkow zunächst 1954 eingenommen hatte. Deutlich ließ er durchblicken, daß er den atomaren Streitkräften vor allem eine Abschreckungsfunktion zur „Zügelung des potentiellen Aggressors" zuwies.

Noch deutlicher wandte sich Tschernenko gegen eine nukleare Siegesdoktrin: „In einem Kernwaffenkrieg kann es keine Sieger geben, mithin lassen sich keinerlei politische Ziele erreichen. Jeder Versuch, Kernwaffen einzusetzen, mündet unweigerlich in einer Katastrophe, die das Leben auf Erden in Frage stellen kann." Damit widersprach er jenen Militärtheoretikern, die noch 1980 behauptet hatten, daß Nuklearwaffen keineswegs den Leitsatz von Carl von Clausewitz vom Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln außer Kraft gesetzt hätten

Auch Verteidigungsminister Ustinow widersprach jetzt ausdrücklich, daß die Sowjetunion einen Nuklearkrieg für gewinnbar halte, und nahm damit offensichtlich seine politische Funktion als Mitglied der politischen Führung gegenüber der Militärführung wahr Kurz vorher hatte Breschnew am 15. Juni 1982 in einem Schreiben an die 2. Abrüstungssondertagung der UNO-Vollversammlung feierlich auf den „Ersteinsatz" von Atomwaffen durch die UdSSR verzichtet

Damit folgte Moskau einer von der Volksrepublik China seit Jahren erhobenen Forderung an beide atomaren Großmächte.

Der sowjetische Verteidigungsminister kündigte jetzt Maßnahmen an, „das Hinüberwachsen eines nichtnuklearen militärischen Konfliktes in einen nuklearen" durch strengere Rahmen der Kontrolle gegen einen nichtgenehmigten Abschuß einer Kernwaffe von sowjetischer Seite zu verhindern und den Überraschungsfaktor auf ein Minimum zu reduzieren

Diese veränderte Einstellung zum Atomkrieg deutet nicht nur einen stärkeren Einfluß der politischen Führung auf die Militärstrategie an, sondern muß auch als Reaktion auf die wachsende Kritik des Westens auf die offen-sive sowjetische Nukleardoktrin gesehen werden. Die Äußerungen von zwei Generalsekretären zeigen deutlich die neue Tendenz, dem Atomkrieg einen „Sonderstatus" zuzuschreiben und ihm jede „politische Aufgabe" bzw. militärische Funktion abzusprechen. Von daher würde auch der Neuansatz bei der Rüstungskontrolle plausibel, nämlich Reduzierungen bis hin zur völligen Beseitigung. Es könnte sein, daß dadurch die Funktion der konventionellen Streitkräfte aufgewertet werden soll.

IX. Ideologischer Wandel

Auch ideologische Unterschiede wurden zunehmend erkennbar und zeigten historisch unterschiedliche Verwurzelungen. Führende Persönlichkeiten wie Ustinow und Gromyko stiegen bereits unter Josef W. Stalin in leitende Staatsfunktionen auf: Gromyko gehörte bereits 1945 zu den Verhandlungsdelegationen in Jalta und Potsdam, und Ustinow wurde bereits 1941 von Stalin zum-Volkskommissar (= Minister) für Rüstungswesen ernannt. Auch der 1982 verstorbene „Chefideologe" Michail Suslow rückte bereits 1947 in das Sekretariat ein und wachte seitdem über die „Reinheit der Lehre" sowohl im eigenen Lande als auch in der kommunistischen Weltbewegung. Ihr Weltbild wurde noch von einer Schule geprägt, die davon überzeugt war, daß die Zukunft dem Kommunismus gehöre, der westliche Kapitalismus überlebt sei und die Zeit für die Sowjetunion arbeite

Die heutigen Spitzenfunktionäre der Partei hingegen gehören zwar überwiegend zur gleichen Altersstufe, dennoch besteht ein bedeutender Unterschied: Sie gehören politisch einer anderen Generation an. Sie durchliefen ihre Karrieren in den zentralen Apparaten sämtlich erst nach dem historischen 20. Parteitag von 1956, auf dem Chruschtschow mit Stalins Politik abrechnete und die Doktrin der „friedlichen Koexistenz" als außenpolitische Generallinie der Partei verkündete. Somit repräsentieren sie eine ganze Schicht von Funktionären, die davon ausgeht, daß der Kapitalismus auf unabsehbare Zeit fortbestehen wird. Längst haben sie sich im Nebeneinander von Kapitalismus und Sozialismus eingerichtet und sind bestrebt, daraus Nutzen zu ziehen. Ihr Weltbild ist wesentlich realistischer und pragmatischer; sie haben überwiegend auch erkannt, daß der Kapitalismus ein effektives Gesellschaftssystem ist.

Beide Richtungen, die Breschnew in den siebziger Jahren zu einem Gesamtkonzept integriert hatte und seiner Politik die charakteristische Doppelgleisigkeit von „Entspannung plus Aufrüstung und Expansion in die Dritte Welt" verlieh, gerieten zu Beginn der achtziger Jahre wieder schärfer in Widerstreit.

So glaubte Gromyko 1982 in einer theoretischen Schrift darauf hinweisen zu müssen, daß das Leben die tiefe Wahrheit der marxistisch-leninistischen Theorie „über die historische Unvermeidbarkeit des Zusammenbruchs des Kapitalismus und des von ihm geschaffenen Systems der internationalen Beziehungen, das auf Ausbeutung und Unterdrückung beruht", beweise Nach den Erfolgen der sowjetischen Außenpolitik in den siebziger Jahren ging Gromyko davon aus, daß die USA historisch bereits endgültig die Initiative an die Sowjetunion verloren hätten. Daher interpretierte er jetzt auch die Bemühungen, die USA daran zu hindern, sich wieder auf die eigene Stärke zu besinnen, als einen „ununterbrochenen scharfen Kampf zwischen den zwei Systemen" In klassisch dogmatischer Form definierte er die „friedliche Koexistenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus" denn auch als eine „spezifische Form des Klassenkampfes" auf dem Gebiet von Politik, Wirtschaft „und selbstverständlich der Ideologie" Gromyko stand damit auf dem Boden der klassischen „Zusammenbruchstheorie" des Kapitalismus, wie sie Stalin 1952 noch vertreten hatte und die den damaligen außenpolitischen Entscheidungen zugrunde lag In einer solcherart zugespitzten Konfrontationslage mußte der „Kampf für den Frieden" selbst Bestandteil des Kampfes zwischen den beiden Systemen sein.

Von den pragmatischen Parteiführern wurde diese Konzeption indes nicht geteilt. Tschernenko hielt’ Gromyko anläßlich der Festlegungen für das neue Parteiprogramm entgegen: „Obwohl der moderne Kapitalismus historisch gesehen dem Untergang geweiht ist, muß man zugleich berücksichtigen, daß er auch unter den Bedingungen seiner allgemeinen Krise immer noch nicht geringe, bei weitem (sic!) nicht erschöpfte Entwicklungsreserven besitzt." Friedliche Koexistenz sei daher „keineswegs (nur) auf die Verhinderung eines militärischen Konfliktes zwischen Sozialismus und Kapitalismus beschränkt", sondern eine „gleichberechtigte, gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit zwischen ihnen als das zuverlässigste Mittel, einen wirklich dauerhaften Frieden zu sichern"

Hier werden unterschiedliche Konzeptionen der Friedenssicherung deutlich. Einerseits die traditionelle Einstellung Gromykos, die Frieden als Folge des „Systemkampfes" seitens des Sozialismus begreift, und andererseits die Betrachtungsweise, daß Zusammenarbeit und Interdependenz zwischen Kapitalismus und Sozialismus friedensfördernd und friedenssichernd wirke. Letztere Sichtweise läßt sich bereits bei Lenin finden, der auf dieser die Politik der zwanziger Jahre aufbaute

Auch die osteuropäischen Führungen von Partei und Staat stehen hinter dieser Konzeption. Auf ihrer Grundlage suchte und sucht z. B. die DDR-Führung eine Friedenspolitik gegenüber der Bundesrepublik zu betreiben.

Das Scheitern des sowjetischen „Wachstumsmodells" hat sie noch mehr davon überzeugt, daß ein weiteres Wachstum ihrer Volkswirtschaft und damit Stabilität ihrer Gesellschaft mehr denn je von einer systemübergreifenden Zusammenarbeit abhängt

Die krisenhafte Entwicklung im sozialistischen Lager hat aber auch das Vertrauen in die „allgemeinen Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Entwicklung" erheblich erschüttert und zu einem ideologischen Vakuum geführt, das nur durch pragmatisches Handeln überbrückt werden kann So fällt auf, daß Parteibeschlüsse und dergleichen es seit einiger Zeit — im Gegensatz zu früher — strikt vermeiden, Prognosen über die Zukunft des realen Sozialismus abzugeben Der immer stärkere Ausfall der marxistisch-leninistischen Theorie als Orientierungs-und Handlungsanweisung zur Lösung der immer komplexer werdenden Probleme hat zu sichtbarer Verunsicherung und zu einer gewissen „Entideologisierung" geführt Seit dem Ausscheiden von Männern wie Suslow und Andropow befinden sich daher keine renommierten Exponenten von Theorie und Ideologie mehr in der Sowjetführung. Tschernenko erfand in seinem Bemühen, zur Nüchternheit zu mahnen, sogar einen neuen Begriff. Er forderte „marxistisch-leninistischen Realismus" Den politischen Führungen erscheint es offensichtlich immer ratsamer, auf ideologische Begründungen zu verzichten, um die offenkundig breiter werdende Lücke zwischen ideologischem Anspruch und der vorhandenen Realität zu verschleiern. Ausgefüllt wurde diese ideologische Lücke immer häufiger durch Elemente nationaler Identifikation

Auch in der Informationspolitik zeichnet sich seit Beginn der achtziger Jahre eine Wendung zu mehr Offenheit und Sachlichkeit ab, um die Kluft zur Bevölkerung nicht noch breiter werden zu lassen. Erst jüngst forderte der inzwischen zum neuen Generalsekretär ernannte Gorbatschow in einem Referat zu Ideologiefragen „eine umfassende, rechtzeitige und ehrliche Information" der Bevölkerung, „Vertrauen zu den Menschen und Ach-tung vor ihrem Verstand" sowie Vertrauen zu deren Fähigkeit, „sich selbst über diese oder jene Ergebnisse Klarheit zu verschaffen". Darüber hinaus forderte er mehr Öffentlichkeit in der Arbeit der Partei-und Staatsorgane und betonte, die Wirtschaft bleibe das wichtigste Tätigkeitsfeld der ideologischen Arbeit und der Tätigkeit von Partei und Volk Gorbatschow ließ auch durchblicken, daß die sowjetische Gesellschaft historisch als abge-schlossen angesehen werde und das utopische Ziel des Kommunismus, wie es Chruschtschow noch vor 20 Jahren herausstellte, praktisch aufgegeben worden ist. Er sprach von dem Anfang einer „historisch langen Etappe des entwickelten Sozialismus", auf deren Grundlage die von der Partei ausgearbeitete Konzeption der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft" konkretisiert werde

X. Zusammenfassung

Die Wachstumskrise, die gegen Ende der siebziger Jahre nahezu alle Industriestaaten erfaßte und eine Anpassungskrise auslöste, hat auch in der Sowjetunion und den anderen sozialistischen Staaten die systembedingten Schwächen wieder in voller Schärfe hervortreten lassen. Die äußere Machtentfaltung in den siebziger Jahren führte dazu, daß die UdSSR nunmehr an einem „Scheideweg" angelangte. Auf höherem Niveau befand sich die Sowjetunion am Ende der Breschnew-Ära in einer ähnlichen Situation wie am Ende der Stalin-Ära. Die beiden stabilsten und zeitlich längsten Perioden in der Geschichte der UdSSR gingen in ihrer Endphase in Stagnation und gesellschaftliche Verfallserscheinungen über.

Die Hochzentralisierung des gesamten Wirtschaftsapparates hemmte den technischen Fortschritt, ließ den Produktionsapparat veralten und lähmte die Produktivität. Der langsame Anstieg von Versorgung und Lebensstandard der Bevölkerung konnte mit dem Wachsen der Bedürfnisse nicht mehr Schritt halten und führte zu einer ausgedehnten „Schattenwirtschaft", nachlassendem Arbeitselan und Korruption. Die geistige Erstarrung löste Gleichgültigkeit und Apathie aus.

In der Außenpolitik haben wachsendes Ausgreifen in die Dritte Welt und fortgesetzte Hochrüstung, unter Ausnutzung der amerikanischen Schwäche als Folge des Vietnam-Traumas, zunehmende Entfremdung zwischen den Vereinigten Staaten und der UdSSR ausgelöst. Die Verletzung der Regeln der Zurückhaltung und des Gleichgewichts, 1972 zwischen Nixon und Breschnew verein-bart haben in den USA die Gegner der Kooperationspolitik mit der UdSSR auf den Plan gerufen. Der Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan schließlich hat ebenso wie einst die Berlin-Blockade und der Korea-Krieg einen Umschwung in der amerikanischen Außenpolitik ausgelöst.

Die Rückkehr der amerikanischen Außenpolitik zu einer Politik der Stärke, des Eindämmens sowjetischen Einflusses (Grenada) und der Wiederherstellung amerikanischer globaler Macht und Autorität im internationalen System hat die Machtposition der UdSSR von neuem relativiert Angesichts dieser veränderten inneren und äußeren Rahmenbedingungen wurde eine Anpassung der politischen Strategie zu Beginn der achtziger Jahre unumgänglich und führte in der Sowjetführung zu einer Kontroverse über die Prioritätensetzung: Ein an der Überwindung der internen Probleme orientierter Teil der Sowjetführung tritt für eine Außenpolitik ein, die äußere Konfliktfelder abbaut, um günstige Voraussetzungen für die Lösung der Probleme im eigenen Land herzustellen Er befürwortet einen neuen Interessenausgleich mit den USA („Rückkehr zur Entspannung", „friedliche Koexistenz") und eine Normalisierung der Beziehungen zur Volksrepublik China.

Ein an der Weltmachtrolle der UdSSR orientierter Teil sieht dagegen vor allem in einer außenpolitischen Strategie, die den Gegenspieler USA daran hindert, das „historisch" entstandene Kräfteverhältnis in der Welt wieder in Frage zu stellen, die Hauptaufgabe. Amerikanische Rüstungsprogramme müßten daher durchkreuzt und der strategische Status quo konserviert werden. Dies erfordere eine energische Gegenstrategie und notfalls auch militärische „Gegenmaßnahmen". Das Konzept der permanenten Veränderung des globalen Kräfteverhältnisses „zugunsten des Sozialismus" und damit der Sowjetunion — die strategische Hauptorientierung der siebziger Jahre — wurde aufgegeben und durch die Forderung an die USA nach Wahrung der „strategischen Parität ersetzt" Die Sowjetführer beteuerten seitdem immer wieder, keine militärische Überlegenheit anzustreben, aber auch keine Überlegenheit über die UdSSR zuzulassen. Deutlich orientiert sich die Sowjetführung seit Beginn des Jahrzehnts an der Erhaltung des globalen Status quo, wie er sich in den siebziger Jahren herausgebildet hat. Aus dieser Position heraus ist man vor allem bestrebt,, die strategische Verteidigungsinitiative der USA (SDI) zu Fall zu bringen, um das eigene Nuklearpotential als Grundlage der Weltmachtstellung vor seiner Entwertung zu bewahren.

Der pragmatisch orientierte Teil in der Sowjetführung möchte die Rüstungskonkurrenz mit den USA beenden, nicht nur, weil er sich bewußt ist, daß die Sowjetunion eine weitere Rüstungskonkurrenz mit der stärksten Industrienation der Welt nicht bestehen könnte, sondern auch und vor allem, weil diese die großen innenpolitischen Programme gefährden müßte. Er verwirft daher auch die von der Militärführung in den siebziger Jahren entwickelte Doktrin, daß der Sozialismus bei entsprechender Vorbereitung auch einen Atomkrieg überstehen könnte (was ein dominantes Potential erfordert) und erklärt sich zu einer Verminderung der Atomwaffenpotentiale bis hin zur völligen Beseitigung der Atomwaffen bereit, nicht zuletzt, um ein neues strategisches Arrangement mit den USA zu erleichtern und zu einer stabilen Friedensstruktur mit der anderen Weltmacht zu gelangen, nachdem Präsident Reagan die Verringerung der Atomwaffen in den Mittelpunkt seiner „Abrüstungsphilosophie" rückte.

Mit dieser neuen Flexibilität, die Rüstungskonkurrenz einzudämmen und die Rüstungslasten zu verringern, ist ein sichtbarer Rückgang des militärischen Einflusses auf die politischen Entscheidungen in der Amtszeit Tschernenkos verbunden. Die Ablösung von Generalstabschef Ogarkow zeigte diese Entwicklung an; sie setzte sich im Ausscheiden von Verteidigungsminister Ustinow aus dem Politbüro fort. Der Trend zur Militarisierung der Politik wurde damit fühlbar gebrochen

Vielmehr sehen die Pragmatiker in der Parteiführung eine Hebung der internationalen Autorität der UdSSR und des Sozialismus weniger in einer weiteren Entfaltung militärischer Macht als in der Hebung der Attraktivität des sozialistischen Modells (sogenannter „internationaler Demonstrationseffekt") Man strebt daher auch an, die Volksrepublik China für das von der UdSSR dominierte „sozialistische Weltsystem" zurückzugewinnen und den Entwicklungsländern eine attraktive Entwicklungspolitik anzubieten um durch ein möglichst breites und gemeinsam handelndes Bündnis aller sozialistischen oder sozialistisch orientierten Staaten (einschließlich Neutraler wie etwa Indien) ein politisches Gegengewicht zur amerikanischen Globalpolitik herzustellen.

Der neue Generalsekretär Gorbatschow ließ in jüngster Zeit auch das Interesse der Sowjetunion an einer Wiederaufnahme des Dialogs mit den westeuropäischen Staaten erkennen In seiner Antrittsrede ließ er eindeutig eine innenpolitische Schwerpunktsetzung erkennen. In der Außenpolitik bekannte er sich ausdrücklich zur Politik der „friedlichen Koexistenz" und zur Zusammenarbeit mit dem Westen. Er berief sich auf die Linie des 26. Parteitages von 1981 und seine Vorgänger Andropow und Tschernenko. In seinem jüngsten Interview, in dem er auch einen Stationierungsstopp für SS-20-Raketen ankündigte, ließ er erkennen, wie er sich künftig den Systemwettbewerb vorstellt. Er führte aus, daß „jedes System mit der Kraft des Beispiels und nicht mit Waffengewalt beweisen wird, welches besser ist."

Insgesamt läßt sich feststellen, daß sich die Sowjetführung bewußt ist, daß sie in der Welt des ausgehenden 20. und des nahenden 21. Jahrhunderts nur bestehen kann, wenn es ihr gelingt, durch eine grundlegende Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft eine zu-kunftsorientierte Industriegesellschaft zu errichten. ökonomisches Wachstum aber ist künftig nur noch durch eine umfassende Anwendung modernster Technologien, die zu einer drastischen Steigerung der Produktivität führt, möglich. Diese Umstellung der Volkswirtschaft von extensivem auf intensives Wachstum in den siebziger Jahren nicht erreicht zu haben, war — bei allen außenpolitischen Erfolgen — das grundlegende Versagen der Breschnew-Ära und bildet die Haupt-schwäche für die Zukunft. Dadurch, daß es der UdSSR nicht gelungen ist, sich im sozialistischen Staaten-Bündnis an die Spitze des ökonomischen und technologischen Fortschritts zu setzen, ist sie heute und in Zukunft mehr denn je auf die „Entwicklungshilfe" der erfolgreichsten Verbündeten angewiesen, allen voran die DDR, mit der bereits 1983 200 Minister-und Regierungsabkommen über gemeinsame Forschungs-und Produktionsprogramme abgeschlossen wurden Dies hat auch zu einer Verschiebung der Gewichte im östlichen Bündnis geführt.

Untrennbar mit dieser Umstellung verbunden ist die Schaffung moderner Sozialstrukturen, die jedoch nur erreicht werden können, wenn es gelingt, das spät-stalinistische Gesellschaftssystem zu überwinden. Die chinesischen Pragmatiker haben hier bereits mutig einen, neuen Weg beschritten. Daher wird die sowjetische Außenpolitik auf absehbare Zeit eine vom Primat der Innenpolitik bestimmte neue Phase der Ost-West-Zusammenarbeit und Abrüstung anstreben. Eine solche Politik wird sich jedoch erst voll entfalten können, wenn der Generationswechsel in der Führung vollständig vollzogen sein wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Faktisch entscheidet das Politbüro über die Richtlinien der Politik. In vielen Fällen ist aber dies nicht voll besetzt und es entscheidet ein innerer Zirkel, eine Art . Ausschuß" des Politbüros.

  2. L. I. Breschnew, Rechenschaftsbericht an den 26. Parteitag, Moskau 1981, S. 95,

  3. Freilich ohne dies ausdrücklich zuzugeben.

  4. Vgl. etwa H. H. Höhmann, Von Breschnew zu Andropow: Bilanz und Perspektiven sowjetischer Wirtschaftsentwicklung, in: Sowjetunion, 1982, S. 113ff.; W. Seiffert, Kann der Ostblock überleben?, Bergisch-Gladbach 1983; Z. Mlyn, Krisen und Krisenbewältigung im Sowjetblock, Köln 1983. Am aufschlußreichsten über den Zustand der sowjetischen Wirtschaft zu Beginn der 80er Jahre ist immer noch der Rechenschaftsbericht von L. I. Breschnew (Anm. 2) selbst. Schließlich soll daran erinnert werden, daß die ersten Versuche, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, in den sozialistischen Ländern nicht erst mit der Gründung von Solidarno in Polen 1980 einsetzten, sondern bereits Ende 1977 in der Sowjetunion; 1978 wurde dann ein zweiter Versuch unternommen wurde (SMOT). Vgl. A. Schwendtke, (Hrsg.), Arbeiteropposition in der Sowjetunion, Reinbek bei Hamburg 1980; über den Einfluß der polnischen Ereignisse auf die Sowjetunion, siehe: P. Ramet, Innenpolitische Determinanten der sowjetischen Interventionspolitik. Zu den Auswirkungen der tschechoslowakischen und polnischen Krise auf den Westen der UdSSR, in: Osteuropa, 3 (1985), S. 181 ff.

  5. L. I. Breschnew (Anm. 2), S. 65.

  6. Vgl. V. Zaslavsky, In geschlossener Gesellschaft, Berlin 1982, S. 8.

  7. L. I. Breschnew (Anm. 2), S. 11.

  8. Ebd., S. 6.

  9. Ebd., S. 13.

  10. Ebd., S. 8.

  11. Dokumente zum XXVI. Parteitag, Moskau 1981, S. 22; vgl. auch L. I. Breschnew (Anm. 2), S. 66.

  12. Prawda vom 24. Juni 1980

  13. L. I. Breschnew (Anm. 2), S. 59 f. Das Hauptproblem der sowjetischen Wirtschaft besteht darin, daß die moderne Technologie zuerst in den Rüstungssektor gelangt und erst nach Jahren in den zivilen Bereich „durchsickert." Das Plansystem erschwert zusätzlich die Übernahme neuer Techniken. Jüngst teilte Tschernenko mit, daß die Schwerindustrie sich bereits zu 30 Prozent an der Konsumgüterproduktion beteiligt (Neues Deutschland vom 23. /24. Februar 1984).

  14. Zur Rolle Gromykos in der Politik Breschnews siehe jetzt A. Schewtschenko, „Bruch mit Moskau", in: Der Spiegel, 6 (1985), S. 121. Schewtschenko, der enger Mitarbeiter Gromykos war, bestätigt einmal mehr die Erkenntnisse westlicher Ostfachleute hinsichtlich der sowjetischen Führung.

  15. H. Brahm, Konstantin Tschernenkos langer Marsch durch den Apparat, in: Osteuropa, 6 (1984), S. 415.

  16. LI. Breschnew (Anm. 2), S. 101. über die Stimmung in der Bevölkerung siehe auch die interessanten Mitteilungen von KGB-Major Vladimir Kuzichkin „Andropow, the KGB and Corruption in Russia, in: The Sunday Telegraph vom 23. Januar 1983, S. 8.

  17. H. Brahm (Anm. 15), S. 415.

  18. Verteidigung friedlicher Bestrebungen, in: Kommunist, 10 (Juli 1981), S. 80ff.

  19. Gegen Wettrüsten und Kriegsgefahr, in: Prawda vom 25. Juli 1981.

  20. Zwei Richtungen in der Weltpolitik, in: Prawda vom 29. Januar 1982.

  21. B. Meissner, Der Zweite Führungswechsel nach Breschnew, in: Osteuropa, 6 (1984), S. 401. Dagegen fordete der ZK-Sekretär der internationalen Abteilung, die die Kommunistischen Parteien des Auslands und andere prosowjetische Organisationen leitet, Boris Ponomarjow, in der Prawda vom 16. Juni 1982, „nie das Endziel der revolutionären Kommunisten aus dem Auge zu verlieren". Es könne zwar Fehler und zeitweilige Niederlagen geben, führte er aus, doch es stehe Kommunisten an, die revolutionären Leistungen unserer Epoche höher einzuschätzen „als die nichtigen, spießbürgerlichen Vorstellungen von der . Konsumgesellschaft“. Ein deutlicher Seitenhieb auf die Linie Tschernenkos.

  22. Prawda vom 27. Oktober 1982, vgl. auch: Z. Medwedjew, Andropow — Der Aufstieg zur Macht, Hamburg 1983, S. 140 f., 147.

  23. Ebd., S. 139 ff.

  24. Laut Deutsche Presseagentur vom 4. November 1982.

  25. Neue Zeit, 47 (November 1982), S. 1.

  26. Ebd.

  27. Rede vom 22. April 1982, in: Prawda vom 23. April 1982.

  28. J. Andropow, Leninismus - die Wissenschaft und Kunst revolutionären Schöpfertums, Moskau 1976, S. 25. Diese Passage wurde in der Ausgabe von J. Andropow, Ausgewählte Reden und Schriften, Berlin (Ost) 1983, verändert. Vgl. dort S. 148f.

  29. A Gromyko, Den Frieden auf Erden erhalten. Reden und Schriften, Köln 1984, S. 42 f.

  30. Gromyko hat seine Karriere ausschließlich im Außenministerium gemacht. Ustinow war zwar von 1965 bis 1976 ZK-Sekretär für Rüstung, ein ausgesprochener Rüstungsspezialist, der bereits 1941 einen Rüstungsbetrieb leitete. Nach 1976, als er Verteidigungsminister geworden war, schied er wieder aus dem ZK-Sekretariat aus. Andropow war ebenfalls von 1957 bis 1967 ZK-Sekretär für die regierenden Kommunistischen Parteien Osteuropas und Chinas, Kubas, Nord-Vietnams usw. Als er KGB-Chef wurde, schied aber auch er aus dem ZK-Sekretariat wieder aus. Als KGB-Chef beschäftigte er sich vor allem mit den Operationen im Ausland. Vgl. dazu das Interview mit dem KGB-Major Lewtschenko, in: Der Spiegel, 7 (1983), S. 127f. 1979 erhielt Andropow von Breschnew den Lenin-Orden überreicht für sein „aktives Mitwirken in der internationalen Politik unserer Partei", vgl. Ch. Schmidt-Häuer, Das sind die Russen, Hamburg 1982, S. 184f. Erst ein halbes Jahr vor seiner Ernennung zum Generalsekretär wechselte er wieder ins Sekretariat des ZK über, weil nur aus diesem Kreis der Generalsekretär ernannt wird.

  31. Schewtschenko bestätigt diese Diagnose in: Der Spiegel, 8 (1985), S. 14.

  32. Rede vom 22. November 1982, in: J. Andropow, Ausgewählte Reden und Schriften, Berlin (Ost) 1983, S. 244.

  33. N. A. Tichonov, Sowjetische Wirtschaft. Erfolge, Probleme, Aussichten, Moskau 1983, S. 189.

  34. TASS-Interview, in: Neues Deutschland vom 1. August 1983.

  35. A. Gromyko (Anm. 29), S. 432 ff.

  36. Siehe dazu die Ausführungen Schewtschenkos über das 1972 von den USA und der UdSSR verabschiedete Grundsatzdokument, das die „Gleichheit" beider festschrieb: „Daß die USA das Gleichheitsprinzip anerkannt hatten, beglückte die Sowjets am meisten", in: Der Spiegel, 9 (1985), S. 160.

  37. Vgl. Neues Deutschland vom 10. /11. September 1983.

  38. Vgl. Congress Quarterly, 17. September 1983, S. 120. Es handelte sich um den Beschluß des Vermittlungsausschusses, der seine Sitzung bereits am 15. Juni beschlossen hatte. Über die von Präsident Reagan in einer Radiosendung am 6. 9. 1983 geforderte Entscheidung über die MX-Rakete wurde indes nicht entschieden, sondern erst im November.

  39. Neue Zeit, 41 (Oktober 1983), S. 5.

  40. Ebd., S. 6.

  41. Vgl.der Spiegel, 48 (1983), S. 133 ff.

  42. Prawda vom 6. November 1983 und Neues Deutschland vom 7. November 1983. Diese Passage wurde in einer deutschen Übersetzung der sowjetischen Presseagentur NOWOSTI weggelassen, vgl. in: Sozialismus: Theorie und Praxis, 2 (Februar 1984), S. 11.

  43. Neues Deutschland vom 11. November 1983, S. 5.

  44. Neues Deutschland vom 4. /5. Februar 1984, S. 5. Der Aufruf wurde vom ZK-Sekretariat verfaßt, das die laufende Arbeit des Zentralkomitees wahrnimmt und seit der Krankheit Andropows von Tschernenko als 2. Sekretär geleitet wurde. Insofern kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß er dessen Handschrift trägt.

  45. Prawda vom 3. März 1984. Es ist übliche Praxis, Kritik an den eigenen Genossen auf den Gegner zu projizieren.

  46. Vgl. ebd.

  47. Neues Deutschland vom 21. Mai 1984, S. 5.

  48. Ebd., S. 2.

  49. W. Nekrassow, Atlantische Fehlkalkulationen, in: Neue Zeit, 27 (Juli 1984), S. 18ff.

  50. Bereits Breschnew erwähnte dies auf dem 26. Parteitag. Vgl. L. I. Breschnew (Anm. 2), S. 11.

  51. H. Schreiber, Sozialismus mit der „reichen Tante im Westen", in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. März 1985, S. 15.

  52. Prawda vom 23. April 1982. Vgl. dazu auch: Gabriella Izik Hedri, Die Dialektik der nationalen und internationalen Interessen in der sozialistischen Gemeinschaft, in: Osteuropa, 4 (1985), S. 256ff., sowie Lothar Jung, Zum Konflikt DDR—UdSSR, in Deutschland Archiv, 4 (1985), S. 392 ff.

  53. Vgl. E. Honecker in Neues Deutschland vom 26. /27. November 1983, S. 3.

  54. Rud Prävo vom 14. April 1984.

  55. Vgl. Interview mit E. Honecker im Neuen Deutschland vom 24. Juli 1984.

  56. Vgl. Die Welt vom 13. Juli 1984, S. 5: „Moskau begrüßt deutsch-deutsche Beziehungen".

  57. Prawda vom 2. August 1984.

  58. Der Spiegel, 36 (1984), S. 123f.

  59. Vgl. Neues Deutschland vom 27. /28. August 1983, S. 2; Prawda vom 2. März 1984.

  60. J. Andropow (Anm. 32), S. 22. Nach Aussagen des US-Delegationsleiters Rowny wurden bei den START-Verhandlungen 1983 durchaus Fortschritte erzielt (vgl. Der Spiegel, Nr. 51/1984, S. 114).

  61. TASS-Interview, abgedruckt in: Neue Zeit 50 (Dezember 1982), S. 5 ff.

  62. A. Gromyko (Anm. 29), S. 432ff., 436, 453.

  63. Prawda vom 3. März 1984.

  64. Prawda vom 29. Juni 1984.

  65. Vgl. J. McFarlane, Sowjets stellen US-Position zu Genfer Gesprächen falsch dar, in: Amerika-Dienst (USIS Embassy of USA) vom 8. August 1984.

  66. Vgl. Neues Deutschland vom 11. Januar 1985, S. 2.

  67. Prawda vom 14. Januar 1985.

  68. J. Erickson, Zum Frühstück in München. Möglichkeiten und Absichten der sowjetischen Militär-politik, Düsseldorf-Wien o. J., S. 53 ff.

  69. Siehe K. Currie, Soviet General Staffs New Role, in: Problems of Communism, März—April 1984, S. 32— 40.

  70. Vgl. Lothar Jung, Was ist mit Andropow?, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 13. November 1983, S. 6.

  71. Krasnaja Swesda vom 9. Mai 1984, S. 32- 35.

  72. Neue Zeit, 39 (September 1983) S. 5.

  73. Sozialismus: Theorie und Praxis, 8 (August 1984), S. 10 und 12.

  74. Vgl. „Bann für einen Marschall", in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 16. September 1984, S. 5.

  75. W. Leonhard, Sowjetideologie heute, Frankfurt/M. 1962, S. 103.

  76. N. Chruschtschow, Rechenschaftsbericht an den 22. Parteitag, Moskau 1961, S. 39.

  77. Programm der KPdSU 1961, in: S. Thomas, Perspektiven sowjetischer Macht, Köln 1967, S. 84.

  78. P. Gosztony, Die Rote Armee, Wien-München-Zürich 1980, S. 408 f.

  79. Oberst Rybkin, in: Kommunist in den Streitkräften, 17 (September 1965), S. 50.

  80. Generalleutnant I. Zavjalev, in: Roter Stern (Krasnaja Zvesa) vom 30. März 1967. Vgl. dazu auch Michael Checinski, Kriegs-und Kriegswirtschaftsdoktrin der Sowjetunion, in: Osteuropa, 3 (1984), S. 177 ff., der meiner Ansicht nach zu Recht darauf hinweist, daß die Siegesdoktrin in einem Nuklear-krieg starke psychologische Komponenten nach innen hat (S. 183).

  81. K. -D. Schwarz, Sowjetische Militärstrategie 1945— 1978, in: ders. (Hrsg.), Sicherheitspolitik, Köln 1978, S. 382.

  82. Farwick/Hubatschek, Die strategische Erpressung, München 1981, S. 202. Sie sprechen von einem „Durchbruch zur . Drittschlagsfähigkeit'".

  83. L. I. Breschnew, Auf dem Wege Lenins. Reden und Aufsätze, Bd. 5, Berlin (Ost) 1977, S. 317.

  84. P. Lange, Die sowjetische Militärdoktrin und der Westen, in: Europa-Archiv, 6 (1984), S. 179ff.

  85. J. Andropow, (Anm. 28), S. 24.

  86. J. Andropow, (Anm. 32), S. 333.

  87. K. Tschernenko, Ideologie des revolutionären Schöpfertums und des Friedens, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, 11 (1983), S. 1453.

  88. P. Lange (Anm. 84), S. 181. Auch in Ungarn und der DDR zeigt sich eine entsprechende Tendenz, die nicht ohne Einfluß auf die Sowjetführung geblieben sein dürfte. Vgl. Johannes Kuppe, Neue Aspekte in der kommunistischen Kriegstheorie, in: Deutschland Archiv, 1 (1985), S. 34 ff.

  89. P. Ustinov, in: Prawda vom 12. Juli 1982.

  90. Prawda vom 15. Juni 1982, vgl. auch A. Gromyko, (Anm. 29). S. 137 ff.

  91. D. Ustinov (Anm. 89). Dies könnte bedeuten, daß die UdSSR ihre strategischen Systeme auf die unverwundbareren beweglichen Systeme von SS-X-24 und SS-X-25 umstellt.

  92. Schewtschenko bestätigt dies, wenn er schreibt, Gromyko sei dem Sowjetsystem „mit Haut und Haaren ergeben", in: Der Spiegel, 6 (1985), S. 118. Von Tschernenko schreibt er, er sei ein „vernünftiger, pragmatisch eingestellter Mann“ (Anm. 31).

  93. A. Gromyko, Das Kapital im Dienst der imperialistischen Expansion, Moskau 1984, S. 213.

  94. Ebd.

  95. A. Gromyko (Anm. 29), S. 413.

  96. Vgl. J. Stalin, Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR, Moskau 1952, S. 36ff. Diese These spielte zusammen mit jener von der „Unvermeidbarkeit von Kriegen" in der Formulierung der Stalin'schen Nachkriegspolitik (Theorie der zwei Lager) eine erhebliche Rolle.

  97. K. Tschernenko, über die Neufassung des Programms der KPdSU, in: Kommunist, 7 (1984).

  98. N. A. Tichonov, (Anm. 33), S. 175 f.

  99. W. I. Lenin: „Wenn der Frieden eine natürliche Folge des Handels mit uns ist, können die Alliierten ihm nicht länger ausweichen. 1'Zit. nach W. I. Lenin, über die Politik der friedlichen Koexistenz. Eine Auswahl, Berlin (Ost) 1977. S. 68.

  100. So etwa E. Honecker: „Unsere wirtschaftliche Zukunft, ja das Gedeihen unseres Lebens hängen davon ab, daß wir uns im weltweiten stürmischen Prozeß der wissenschaftlich-technischen Revolution in den vordersten Reihen behaupten." Neues Deutschland vom 13. Februar 1984.

  101. Darauf weist Loeser treffend hin. Vgl. F. Loeser, Die unglaubwürdige Gesellschaft, Köln 1984, S. 155f.

  102. Ebd., S. 156.

  103. So ließ sich Andropow zu der sensationell empfundenen Aussage bewegen: „Doch, offen gesagt, haben wir bis jetzt die Gesellschaft, in der wir leben und arbeiten, noch nicht im erforderlichen Maß erforscht... Deshalb sind wir manchmal gezwungen, sozusagen empirisch, auf überaus unrationelle Weise zu handeln, mit Versuchen und Fehlern." Prawda vom 16. Juni 1983.

  104. K. Tschernenko (Anm. 87), S. 1448.

  105. In der DDR kommt dies etwa zum Ausdruck in der Rückbesinnung auf historische Persönlichkeiten der deutschen Geschichte wie etwa Luther, Bismarck und Friedrich den Großen, in der. UdSSR in der Betonung des Patriotismus. Auch Gorbatschow sprach jüngst von den geistigen Errungenschaften des sowjetischen Patriotismus.

  106. Prawda vom 11. Dezember 1984.

  107. Ebd.

  108. B. Meissner, Sowjetische Kurskorrekturen, Zürch 1984, S. 131 ff.

  109. Grundsätze für die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 29. Mai 1972 („Grundsatzerklärung zu den amerikanisch-sowjetischen Beziehungen"), in: Europa-Archiv, 12 (1972), S.

  110. Vgl. auch den Zielkatalog sowjetischer Außenpolitik in der Verfassung von 1977 (Art. 28), abgedruckt in: Osteuropa-Archiv, 1 (1978), S. A 10. An der Spitze dieses Katalogs steht eben dieser Grundsatz als oberster Verfasssungsgrundsatz. Als Gromyko sich in seiner Rede vor dem Obersten Sowjet auf die verfassungsmäßigen Ziele der Sowjetverfassung berief, unterließ er es, eben diese Bestimmung zu erwähnen und begann seine Aufzählung mit dem zweiten und dritten Grundsatz. Vgl. A. Gromyko (Anm. 29), S. 433 f.

  111. Vgl. W. Geierhos, Das Kräfteverhältnis — Die neue Globalstrategie der Sowjetunion, Lüneburg 1980; B. Osadczuk-Korab, Das sowjetische Konzept des internationalen Kräfteverhältnisses, in: Moderne Welt, Jahrbuch für Ost-West-Fragen, Köln 1983, S. 165 ff.

  112. O. Bykow, Militärisch-strategische Parität in den 80er Jahren, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, 11 (1983), S. 1529 ff.; W. Seiffert, Die sowjetische Konzeption der militärstrategischen Parität, in: Zeitschrift für Politik, 4 (1984), S. 431 ff.

  113. Die Sowjetunion wurde inzwischen vom 2. Platz der Industriestaaten (gemessen am Bruttosozialprodukt) durch Japan verdrängt.

  114. Dies wird unterstrichen durch die Tatsache, daß Verteidigungsminister Sokolow auf dem jüngsten (April-) ZK-Plenum „nur" zum Kandidaten des Politbüros ernannte wurde, während in der Periode steigenden militärischen Einflusses in den siebziger Jahren Verteidigungsminister Marschall Gretschko 1973 ohne vorherigen Kandidatenstatus von Breschnew direkt ins Politbüro gerufen wurde.

  115. Sozialistisches Weltsystem und revolutionärer Weltprozess (Gemeinsame Kommission der Ökonomen der UdSSR und der DDR), Berlin (Ost) 1982, S. 257.

  116. Vgl. auch Andropow in seiner Rede vom 22. November 1982, in: ders. (Anm. 32), S. 242. So Tschernenko jüngst, vgl. Neues Deutschland vom 23. /24. Februar 1985, S. 2.

  117. Ebd. Allerdings lassen sich auch hier gewisse Unterschiede registrieren. Während Andropow sich bezüglich der Hilfe für die Verbündeten in der Dritten Welt wesentlich zurückhaltender äußerte und mehr die Zusammenarbeit von osteuropäischen Verbündeten und China betonte, ist die Tschernenko-Tichonow-Linie mehr auf Ausbau der Beziehungen zu den Staaten der Dritten Welt ausgerichtet, vor allem um den „staatlichen Sektor" zu

  118. Neues Deutschland vom 21. Februar 1985, S. 5. Hier könnten jedoch zunächst Großbritannien und Frankreich im Vordergrund stehen.

  119. Neue Zeit Nr. 16 (April) 1985, S. 4.

  120. H. Weiz, Wissenschaft und Technik für Gegenwart und Zukunft unseres Landes, in: Einheit, Nr. 3 (1984), S. 199 ff.

Weitere Inhalte

Lothar Jung, geb. 1941, Diplom-Politologe, Volljurist; Studium der Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft und Zeitgeschichte in Berlin, Gießen und Hamburg. Journalistische Tätigkeit in den Themenbereichen Internationale Politik, Ost-West-Beziehungen, Sicherheitspolitik und Ostforschung. Veröffentlichungen u. a.: Wer bedroht wen in Europa?, 1981; Gibt es einen „dritten Weg" für Europa?, 1982; Zum Konflikt DDR-UdSSR, 1985; Sowjetische Außenpolitik im Umbruch? Konzepte sowjetischer Westpolitik in der Kontroverse (1985).