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Zur Lage der Nation: Deutschland im Mai 1945 | APuZ 13/1985 | bpb.de

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APuZ 13/1985 Artikel 1 Zur Lage der Nation: Deutschland im Mai 1945 Die deutschlandpolitischen Hauptziele der Siegermächte im Zweiten Weltkrieg Nationalsozialismus — ein deutscher Faschismus?

Zur Lage der Nation: Deutschland im Mai 1945

Hans-Adolf Jacobsen

/ 51 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Was bedeutet der Mai 1945 für die Deutschen und Deutschland wirklich? Lassen sich heute gesicherte Aussagen über die historische Einordnung dieses Ereignisses und damit des Epochencharakters machen? Zur Klärung dieser Frage bedarf es als erstes einer Darstellung der unterschiedlichen Erfahrungsebenen. Dabei sind subjektives Erleben und Empfinden von dem Versuch einer objektiven historischen Gesamtbewertung zu unterscheiden. Wie immer der einzelne das Jahr 1945 auch heute im Rückblick — verklärt oder nicht — in seiner Erinnerung bewahrt haben mag: jeder hat die Tage des Umbruchs damals anders erlebt, je nachdem, ob er zu den Unterdrückern oder Unterdrückten, zur Heimat oder zur kämpfenden Front in Uniform gezählt hat, ob er bei der Marine, der Luftwaffe oder im Heer gefordert war oder aber, ob er die Ereignisse im Osten bzw. im Westen miterlebt hat. Erst wenn diese Unterschiede geklärt worden sind, kann Bilanz gezogen und die Wendemarke von 1945 in ihrer Bedeutung für Deutschland und die Deutschen besser beurteilt werden. Darüber hinaus kann der Krieg selbst nicht allein mit der Kategorie von Hegemonialkriegen verglichen werden, die den Gang der letzten Jahrhunderte bestimmt haben. Vielmehr hat es sich von 1939 bis 1945 um einen totalen, weltweiten Konflikt gehandelt, in dem verschiedene Staaten — z. T. regional begrenzte — neue Ordnungsprinzipien durchsetzen wollten, alte Ordnungsmächte um die Behauptung des Status quo, ihrer Lebensordnung, ihrer Wirtschafts-und Wertvorstellungen kämpften, jüngere farbige Völker in Asien und Afrika diesen Waffengang nutzten, ihre alten Bande und Fesseln abzustreifen, und der Sowjetkommunismus sein Herrschaftssystem Teilen der Welt zu oktroyieren verstand. Auf Grund der ideologischen Spaltung in Ost und West wurde die Welt schon bald nicht mehr einheitlich interpretiert. Deutschland wurde geteilt und die souverän gewordenen Staaten Bundesrepublik Deutschland und DDR in die jeweiligen Machtsphären integriert.

I. Einleitung

Zu Beginn des Jahres 1985 hat in der Bundesrepublik Deutschland und im Ausland eine lebhafte, kontroverse Debatte eingesetzt, in der nicht nur die Frage nach der Bedeutung des 8. Mai 1945 für die Deutschen im Mittelpunkt stand, sondern auch das Problem, wie ein solcher „sperriger Gedenktag" (DIE ZEIT) 40 Jahre danach am würdigsten begangen werden könnte. Rundfunk-und Fernsehsendungen waren und werden diesem Datum gewidmet, desgleichen Kommentare und Sonderartikel in Tages-und Wochenzeitungen. DIE ZEIT ließ eine Reihe prominenter Wissenschaftler und Publizisten aus verschiedenen Ländern zu Worte kommen, um die politisch-militärisch-geistige Situation dieses Epochenjahres analysieren und bewerten zu lassen Unterdessen hatten osteuropäische Staaten in unterschiedlicher Lautstärke eine Propagandakampagne eröffnet, um den „alten" wie „neuen Revanchismus" der Deutschen in der Bundesrepublik anzuprangern und vor jenen Gefahren zu warnen, die wiederum den Frieden auf dem Kontinent gefährden könnten

Diese Vergleiche und zahlreiche Vorschläge zur Gestaltung des 8. Mai 1985 in der Bundesrepublik sind — unabhängig von den z. T. andersgearteten Vorstellungen bei den ehemaligen Siegermächten, dieses Tages zu gedenken — ein Beweis mehr dafür, wie eng nach wie vor unsere Gegenwart, d. h. das Schicksal der beiden deutschen Staaten, mit der unheilvollsten Epoche der deutschen Geschichte verbunden ist und bleibt. Während die einen, mit überaus berechtigten Gründen, zu einem „Tag der Besinnung" aufrufen, bei dem an den Verlust der Freiheit 1933 und den Beginn des Krieges 1939 mit all seinen Folgen erinnert werden müßte, betonen andere besonders den Befreiungscharakter dieser Zäsur; dies jedoch mit dem gewichtigen Hinweis, daß nach 1945 nur in einem Teil Deutschlands eine freiheitliche Ordnung verwirklicht worden sei. Es gibt aber auch Stimmen, die das offensichtliche Ende des deutschen Nationalstaates in seinen Grenzen von 1937 beklagen und das Deutsche Reich nach wie vor als eine offene Größe betrachten, die also das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen. Einig sind sich jedoch die meisten in der Auffassung, daß mit dem Jahr 1945 der Chance des demokratischen Neuanfangs in der Bundesrepublik Deutschland zu gedenken sei, die sinnvoll genutzt wurde und dazu beigetragen hat, Europa vierzig Jahre friedlichen Wandels zu bescheren

Was aber bedeutet der Mai 1945 für die Deutschen und Deutschland wirklich? Lassen sich heute gesichertere Aussagen über die historische Einordnung dieses Ereignisses und damit des Epochencharakters machen? Zur Klärung dieser Frage bedarf es als erstes einer Darstellung der unterschiedlichen Erfahrungsebenen. Dabei sind subjektives Erleben und Empfinden von dem Versuch einer objektiven historischen Gesamtbewertung zu unterscheiden. Wie immer der einzelne das Jahr 1945 auch heute im Rückblick — verklärt oder nicht — in seiner Erinnerung bewahrt haben mag: jeder hat die Tage des Umbruchs damals anders erlebt, je nachdem, ob er zu den Unterdrückern oder Unterdrückten, zur Heimat oder zur kämpfenden Front in Uniform gezählt hat, ob er zu Wasser, in der Luft oder im Heer gefordert war oder aber, ob er die Ereignisse im Osten bzw. im Westen miterlebt hat. Erst wenn diese Unterschiede geklärt worden sind, kann Bilanz gezogen und die Wendemarke von 1945 in ihrer Bedeutung für Deutschland und die Deutschen besser beurteilt werden.

II. Land und Leute: Trümmerfeld und Auflösungsprozesse

Deutschland bot im Mai 1945 ein gespenstisches Bild des Todes. Städte lagen in Trümmern, Dörfer waren ausgebrannt, fast fünf Millionen Wohnungen waren entweder ganz oder teilweise zerstört. Infolge der systematischen Bombenteppichabwürfe der anglo-amerikanischen Luftwaffe auf die wichtigsten Verschiebebahnhöfe, Knotenpunkte und Brücken war das Verkehrswesen fast völlig zusammengebrochen. Die Wagenzahl der Reichsbahn war auf ein Fünftel ihres Bestandes von 1944 zusammengeschrumpft; dies reichte nicht einmal aus, den eigenen Bedarf an Kohletransporten zu decken. Am 23. Januar 1945 war der öffentliche Schnell-und Eilzugverkehr eingestellt worden. Es gab keine Eisenbahnbrücken mehr über Rhein und Weser, insgesamt waren 2 395 Brücken ausgefallen, fast alle Wasserwege lagen still, Post-und Fernmeldewesen standen vor dem Zusammenbruch; seit Januar 1945 war für den allgemeinen Verkehr nur noch die gewöhnliche Postkarte zugelassen. Plünderungen, Schwarzmarkt und Prostitution waren weitere Symptome für den unaufhaltsamen Auflösungsprozeß

Die Wirtschaft des Reiches war zerschlagen. Im Frühjahr 1945 konnten nur noch 4% der früheren Steinkohlenmenge gefördert werden, die Kraftstoffproduktion aus den Hydrierwerken war auf % zurückgegangen. Die Kapazitäten der Stahlwerke im Ruhrgebiet waren zu drei Vierteln und die öffentlichen Elektrizitätswerke zu über 50% vernichtet. Die Verbrauchsgüterproduktion je Kopf der Zivilbevölkerung hatten die Verantwortlichen auf 10 bis 15% des Vorkriegsstandes gedrosselt 5).

Die zur Verfügung stehenden Nahrungsmittelrationen lagen längst unter dem „Erhaltungsminimum", so daß den Leitern der GauÄmter für Volksgesundheit der NSDAP am 5. April 1945 empfohlen wurde, zu wichtigen neueren Nahrungsmitteln überzugehen, darunter Raps, Leinsamen, Kastanien, Eicheln („werden zweckmäßig geröstet und dann als Getränk benutzt"), Runkelrüben, Klee und Luzerne, Wurzeln und Pilze; die Vitaminversorgung könne durch „Aufbrühung von Kiefer-und Fichtennadelnjungtrieben" verbessert werden. Im übrigen konnten Medikamente und Kleidung nur noch unter der Hand erstanden werden

4, 2 Millionen tote Soldaten aller Wehrmachtsteile deckten die Schlachtfelder Europas und Afrikas; mehr als 600 000 Zivilisten waren Opfer des Bombenterrors geworden, während sich die Zahl der Toten und Ermordeten auf über sechs Millionen belief. Fast 1 000 Baudenkmäler und Kulturstätten, darunter 620 von Weltrang, waren in Schutt und Asche versunken, und von den 70 Millionen Büchern deutscher Archive und Bibliotheken waren zwei Drittel in Flammen aufgegangen

Auf den Straßen und Wegen aber, in den Städten und Dörfern, irrte ein nicht enden-wollender Strom von Menschen, Tieren und Fahrzeugen. Uber 13 Millionen ausgebombter Menschen hatten auf dem Land Zuflucht gesucht oder waren dorthin evakuiert worden. Sieben Millionen Fremdarbeiter und alliierte Kriegsgefangene durchzogen Deutschland Das „Dritte Reich", einst als Höhepunkt der deutschen Geschichte apostrophiert, glich einem riesigen Scherbenhaufen. Wer vermöchte zu schildern, von welchen Gedanken beseelt, von welchen Erfahrungen aufgewühlt oder von welchen Hoffnungen getragen die überlebenden das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebt haben? Wie sie den Zusammenbruch der staatlichen Ordnung und den Verfall traditioneller Werte empfunden haben? Wer hatte angesichts der Toten und der Zerstörung, der alltäglichen Sorgen und Nöte überhaupt Kraft, darüber nachzudenken, was nach all dem Vergangenen Gegenwart und Zukunft bringen würde? Wer stellte in diesem Augenblick schon ernsthafte Fragen, die doch kaum jemand beantworten konnte? Wer war fähig, sorgfältig sein Gewissen zu prüfen, wieweit er selbst für all das Grauenhafte mitverantwortlich war? Und wer vermochte einzusehen, daß Wahrheit geworden war, was biblisch mit dem Satz ausgedrückt worden ist: „Wer Wind sät, wird Sturm ernten"?

Die meisten der hart gezeichneten deutschen Männer und Frauen hatten schon längst den Glauben an den Sieg verloren. Nach einem der letzten SD-Berichte, in dem ein erstaunlich ungeschminktes Bild von der Stimmung der Bevölkerung Ende März 1945 gezeichnet wurde, war der bis dahin noch „bewahrte Hoffnungsfunken" des Volkes ausgelöscht. Viele seien überzeugt, daß Deutschland an der Niederlage selbst schuld sei. Seit dem Sturm der Sowjetarmeen und der alliierten Truppen auf das Reich wüßten sie, daß Deutschland „vor der größten nationalen Katastrophe mit schwersten Auswirkungen für jede Familie undjeden einzelnen" stehen würde. In der Meldung hieß es weiter, daß das Deutsche Volk, das in diesem Krieg „bis an die Grenze der physischen Leistungsfähigkeit gekämpft und gearbeitet" habe, „Treue, Geduld und Opferbereitschaft" in einem Umfange bewiesen hätte, wie kein anderes. Zwar habe es in den letzten Jahren „alles auf sich genommen" und einen „Rest an Wundergläubigkeit" bewahrt, die durch eine „geschickte Propaganda um die neuen Waffen zielbewußt genährt" worden sei, aber jetzt sei es „müde und abgespannt". Aus der „allgemeinen Hoffnungslosigkeit" würden verschiedene Folgerungen gezogen. Die einen lebten nur noch für den Augenblick, für andere bedeutete der Selbstmord den einzigen Ausweg aus der zu erwartenden Katastrophe. Die „Nachfrage nach Gift, nach einer Pistole und sonstigen Mitteln, dem Leben ein Ende zu bereiten, sei überall groß". Breite Schichten der Nation würden sich allerdings „von jeder Schuld für die Kriegsentwicklung freisprechen", denn schließlich hätten sie ja keine Verantwortung für die Politik und Kriegführung gehabt; vielmehr hätten sie alles getan, „was die Führung seit Beginn des Krieges" verlangt habe. Der Arbeiter habe alle Jahre nichts als „geschuftet", der Soldat sein „Leben millionenfach in die Schanzen" geschlagen, der Beamte seine Pflicht erfüllt und auch die Frauen in den Rüstungsbetrieben hätten ihr Bestes gegeben. Das Vertrauen zur Führung sei „in diesen Tagen lawinenartig" abgerutscht. Im übrigen würde das „ganze Gerede der Presse von heroischem Widerstand, von der Stärke der deutschen Herzen", von einem Aufstehen des Volkes, das ganze zu „leerer Phraseologie verbrauchte Pathos“, voller Verachtung und Hohn abgelehnt

III. Die Nationalsozialisten: Zusammenbruch der Gewaltherrschaft und Götzendämmerung

Die Partei-und Staatsführung des NS-Deutschland aber meinte, auch jetzt noch mit drakonischen Maßnahmen das Chaos bändi-gen oder abwehren zu können. Hierzu zählten absurde Durchhalteparolen, historische Filme („Kolberg") als psychologische „Wunderwaffe", realitätsfremde Richtlinien für die „siegreiche Fortführung des Kampfes" bis zur „geschichtlichen Wende", schändliche „Sühnemaßnahmen" gegen „Pflichtvergessene und Ehrlose", die Einrichtung von fliegenden Standgerichten und Hitlers Befehl der „ver-brannten Erde" (19. März 1945), mit dem in Deutschland sämtliche Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie-und Versorgungsanlagen zerstört werden sollten. Als sich die SS-Leibstandarte in Ungarn nicht — wie erhofft — bewährte, befahl Hitler, ihr die „Ärmelstreifen" zu nehmen, um sie auf diese Weise zu bestrafen und in ihrem Stolz zu treffen Am 23. Januar 1945 hatte Himmler an die Reichsverteidigungskommissare der Ostgaue ein Fernschreiben gesandt, in dem er anordnete, daß alle Verwaltungsbehörden, vor allem Landräte, Bürgermeister und Regierungspräsidenten, „ihre Tätigkeit in feindbedrohtem Gebiet bis zum letzten Augenblick fortzusetzen und sich dann der kämpfenden Truppe anzuschließen" hätten. Gegen „Versager" sei sofort „scharf einzuschreiten"; sie seien ihres Amtes zu entheben und durch geeignete Männer zu ersetzen. Wenige Tage später wies der Reichsführer der SS darauf hin, daß die Leiter aller militärischen und zivilen Dienststellen unnachgiebig mit dem Tode bestraft würden, wenn sie ihren Platz „ohne Befehl" verlassen würden.

Die ersten abschreckenden Exempel statuierte Himmler am 30. Januar 1945, als er den früheren Standartenführer und Polizeipräsidenten von Bromberg, v. Salisch, „wegen Feigheit und Pflichtvergessenheit" degradierte und unverzüglich zu erschießen befahl; den Regierungspräsidenten von Bromberg, Kühn, und den Bürgermeister Ernst ließ er „ihrer Würden und Ämter" entkleiden und als Soldaten in ein Bewährungsbataillon abstellen. Vorher mußten beide jedoch noch der Exekution „des v. Salisch" beiwohnen

Die deutsche Bevölkerung im Westen hatte

jahrelang einen sich heftig steigernden Bombenterror erduldet. Für viele war der Einmarsch der Amerikaner, Briten und Franzosen daher nur das Ende eines furchtbaren Alpdruckes, mochten auch die letzten Auswirkungen des nationalsozialistischen Terrors immer noch Unruhe und Besorgnis auslösen. Ein Symptom dafür war die Ermordung des von den Alliierten eingesetzten Bürgermeisters von Aachen durch Angehörige des sogenannten „Werwolfes"; diese in den letzten Wochen des Krieges organisierte Bewegung „nationalsozialistischer Freiheitskämpfer", eine Art Partisanentruppe, sollte, unterstützt von „revolutionären" Rundfunksendungen, hinter dem Rücken des Feindes den Kampf für „Freiheit und Ehre" fortsetzen. Dasselbe Schicksal war dem Polizeipräsidenten von Köln und dem Bürgermeister von Rheydt zugedacht

Dieser Radikalismus, der im April und Mai 1945 auch im Norden und Süden Deutschlands noch so manches sinnlose Opfer gekostet hat, war die letzte Steigerung und Konsequenz einer totalen Kriegführung, die Hitler und Goebbels seit 1943 in maßloser Verblendung und mittels einer beispiellosen Lügen-propaganda verwirklicht hatten. Anfang April 1945 wies Reichsleiter Bormann alle Parteiführer an, den Kampf mit den ins Reich eingedrungenen Gegnern überall mit „aller Unnachgiebigkeit und Unerbittlichkeit" zu führen; sie sollten „in ihrem Gau oder Kreis siegen oder fallen". „Ein Hundsfott, wer seinen vom Feind angegriffenen Gau ohne ausdrücklichen Befehl des Führers verläßt. Wer nicht bis zum letzten Atemzug kämpft, wird als Fahnenflüchtiger geächtet und behandelt." Im übrigen war der Funk-und Nachrichtendienst zwischen den Behörden des Reiches, die sich seit dem Frühjahr 1945 nach Norden und Süden aus Berlin abgesetzt hatten, und der Parteiführung kaum noch gewährleistet. Mehr und mehr entwickelten sich örtliche und räumliche Sonderinteressen.

Die einstigen Größen des Dritten Reiches

aber waren zu dieser Zeit längst nicht mehr in voller Einmütigkeit um ihren „Führer“ geschart. Jeder von ihnen suchte einen Ausweg aus der Ausweglosigkeit oder beschuldigte den anderen, für den sich abzeichnenden Zusammenbruch des Systems verantwortlich zu sein. Goebbels wurde nicht müde, Reichsmarschall Göring die Schuld für den „Luftterror" zuzuschieben und Reichsaußenminister v. Ribbentrop vorzuwerfen, daß er nicht frühzeitiger, als Deutschland noch etwas in die Waagschale der Verhandlungen hätte hineinwerfen können, bei den Gegnern Waffenstillstandsbedingungen erkundet hätte. Zunehmend wurden auch immer härtere Anklagen gegen „Verräter" bzw. „Deserteure" erhoben und entsprechende Maßnahmen zur Einschüchterung und Abschreckung ergriffen Der Reichsführer SS Heinrich Himmler hatte — ähnlich wie Ribbentrop bei seinen Sondierungen in Stockholm — auf ein Sonderabkommen mit den Alliierten gehofft. Insgeheim mochte er dabei von der Möglichkeit geträumt haben, als neuer Kanzler des Reiches fortzusetzen, was Hitler begonnen hatte. Als letzterer allerdings von dessen Eigenmächtigkeiten erfuhr, stieß er ihn aus der Partei und allen Staatsämtern aus. Mit einer Zyankalikapsel machte Himmler am 23. Mai seinem Leben ein Ende

Hermann Göring, der zweite Mann im Staate, war seit 1943 zunehmend in Ungnade gefallen, weil seine Luftwaffe nicht das geleistet hatte, was Hitler von ihr erwartet oder was er als Oberbefehlshaber großspurig versprochen hatte. Nachdem er am 23. April im Führerhauptquartier angefragt hatte, ob er infolge der „Handlungsunfähigkeit der Regierung" in Berlin die Nachfolge „zum Wohle des Volkes und Vaterlandes" antreten solle, enthob ihn Hitler all seiner Ämter und ließ ihn festsetzen. Am 9. Mai nahmen ihn Truppen der 7. US-Armee am Zeller See (Österreich) gefangen Hier spielte er zunächst die Rolle des Berufssoldaten und lehnte jede Mitverantwortung für die große Politik und die Konzentrationslager ab. Bevor ihn die Siegermächte 1946 hängen konnten, beging er Selbstmord.

Robert Ley, Leiter der Deutschen Arbeitsfront, der noch im März behauptet hatte, die Krise im Westen sei nichts anderes als eine „Gesundungskur", war fast zusammengebrochen. Dennoch raffte er sich noch einmal auf und versuchte, Hitler von Sinn und Erfolgschancen eines „Freikorps aus tapferen Partei-genossen" zu überzeugen. Derartige Aushilfen in letzter Minute ersannen auch andere Parteiführer, ohne jedoch an dem Lauf der Dinge irgend etwas ändern zu können. Ley beging am 25. Oktober in Nürnberg Selbstmord

Nur Joseph Goebbels, der leidenschaftliche Agitator, Reichspropagandaminister und Verantwortlicher für die Verteidigung der Reichshauptstadt, blieb seinem „Führer" blind ergeben und „treu" bis in den Tod, nicht ohne bis zum letzten Atemzuge (er vergiftete sich und seine ganze Familie) das Genie des „größten Staatsmannes" im 20. Jahrhundert und das NS-Programm in den höchsten Tönen gepriesen zu haben.

Adolf Hitler selbst, unentwegt seinem guten Stern vertrauend, gab den Kampf erst fünf Minuten nach zwölf auf, obwohl er sich längst hatte eingestehen müssen, daß seine „geschichtliche Mission", den europäischen Kontinent nach den Prinzipien seiner Weltanschauung gewaltsam zu gestalten, gescheitert war 20). Vergeblich hatten ihn einige seiner Mitarbeiter, darunter Reichsminister Speer, davon zu überzeugen versucht, daß es nicht die Aufgabe der Führung sein könne, ein Volk „zum heroischen Untergang" zu führen. Wie eh und je — manchmal ohne längere Ruhepausen — erteilte er seine Befehle, seit dem 16. Januar von Berlin aus. In einer letzten Botschaft an seine Parteigenossen prophezeite er, durchdrungen von dem „Glauben an unser Volk", daß am Ende der Sieg des Deutschen Reiches stehen werde. In Wirklichkeit aber hatte er dieses Volk schmählich verraten. Deutschland könne ruhig untergehen, hatte er in einem Gespräch mit Speer angedeutet; das deutsche Volk hätte sich seiner nicht für würdig erwiesen, die besseren seien gefallen und was vom Kampfe übrig sei, seien die „Minderwertigen" — dem stärkeren Ostvolk gehöre die Zukunft. Entsprechend seinem einstigen Wahlspruch: „Deutschland wird Weltmacht oder überhaupt nicht sein", hatte er vom Anfang bis zum Ende seiner Laufbahn gehandelt In seinem letzten Tagesbefehl an die deutsche Ostfront hatte er seinen Soldaten noch einmal vorgegaukelt, daß die Bolschewisten vor der Hauptstadt des Reiches verbluten würden. „Berlin", so verkündete er, „bleibt deutsch; Wien wird wieder deutsch und Europa wird niemals russisch".

Dann entzog er sich am 30. April 1945 durch einen Pistolenschuß der irdischen Verantwortung, allerdings nicht ohne vorher sein Handeln vor der Nachwelt in seinem „politischen Testament" gerechtfertigt sowie zum Weiter-kämpfen und zur Vernichtung des „Weltjudentums" aufgefordert zu haben Sein von ihm bestimmter Nachfolger, Großadmiral Dönitz, gab am 1. Mai den „Heldentod" des Führers in einer Rundfunkansprache dem deutschen Volk bekannt; Hitlers Leben sei ein „einziger Dienst an Deutschland" gewesen. Mit dieser Zwecklüge bewies auch er, daß der Prozeß der geistigen Verführung die militärischen Spitzen des Reiches ebenso korrumpiert hatte wie zahlreiche andere Staatsdiener

Man hätte annehmen können, daß die bis dahin Unbelehrbaren oder Fanatiker und die Gemäßigteren, die dennoch das Regime unterstützt hatten, unter dem Eindruck des totalen Zusammenbruchs des nationalsozialistischen Regimes zu einer etwas nüchterneren Einschätzung der künftigen deutschen Politik gekommen wären. Aber wir wissen heute, wie irreal und phantastisch einzelne innerhalb der deutschen Führung bis zuletzt gedacht und geplant haben, wie wenig sie den noch verbliebenen Handlungsspielraum Deutschlands zwischen Ost und West im Jahre 1945 einzuschätzen vermochten. Sie waren Opfer ihrer eigenen und der unablässig propagierten NS-Parolen in jener Zeit geworden. Reichsminister Goebbels spielte bis zur letzten Minute die Rolle des großen diabolischen Verführers und des vom Sieg überzeugten Nationalsozialisten. Anfang März empfahl er Hitler, Frauenbataillone in der Reichshauptstadt aufzustellen. Seinen Leitartikeln im „Reich" und seinen Rundfunkansprachen nach zu schließen, mußte jeden Augenblick die „große Wende" zugunsten Deutschlands eintreten. Bis dahin gelte es, sich an den heroischen historischen Beispielen des Punischen und Siebenjährigen Krieges auszurichten und sich klar zu machen, daß auch damals die weltgeschichtlichen Entscheidungen nicht in einem Kriege gefallen seien. Schließlich belehrte er seine Leser, daß es in „unserer Lage“ nur noch eine Rettung gebe, nämlich die „Tapferkeit in jedem Falle", denn wer um sein Leben kämpfe, finde stets einen Ausweg aus der Gefahr. Für ihn und seinesgleichen war Politik am Ende nichts anderes mehr als „das Wunder des Unmöglichen". Ein solches versprach er sich durch den Zerfall des „Feindlagers" und den Glauben an die „Sieghaftigkeit unserer Sache", obgleich er über den Ernst und die absolute Aussichtslosigkeit der Situation durch zahllose „erschütternde Berichte" wirklichkeitsgetreu unterrichtet worden war und durch Briefe von der tiefen Apathie und Resignation im deutschen Volk wußte. Revolutionär zu denken und revolutionär zu handeln, lautete seiner Meinung nach das Gebot der Stunde, in der überdies die „letzten bürgerlichen Eierschalen" abgeworfen werden müßten

Mehr als naiv war der Glaube des Finanzministers Graf Schwerin v. Krosigks, der am 12. März 1945 anläßlich der Aufstellung von zwei russischen Wlassow-Divisionen auf deutscher Seite die Hoffnung ausgesprochen hatte, daß diese Divisionen „stärkste Trümpfe" sein könnten, die Deutschland noch im Spiel habe. Dies vor allem „wegen des propagandistischen Einflusses", den sie „vielleicht auf die russischen Soldaten ausüben" könnten; das von einem Russen im rechten Augenblick in die Masse geworfene „Zauberwort Friede" könne „zusammenbruchartige Wirkung auslösen" und sich als „die Posaune erweisen, unter deren Dröhnen die Mauern Sowjet-Jerichos Zusammenstürzen"

IV. Überwindung der Katastrophe? Von der „Ost" -zur „Westlösung"

Während Martin Bormann, Leiter der Partei-kanzlei und einflußreichster Mann in der Umgebung Hitlers, sich mit dem Gedanken einer Reorganisation der NSDAP-Führung beschäftigte, die praktisch auf eine völlige Konzentration der Macht innerhalb der Partei in seinen Händen hinauslaufen sollte, sannen andere über mögliche Auswege aus dem Dilemma oder die künftige politische Orientie-rung Deutschlands nach. Wie weit diese von den Realitäten entfernt waren, lassen die folgenden, kurz skizzierten Konzepte erkennen. Da gab es einmal die sogenannte „Deutsche Freiheitsbewegung", die wahrscheinlich in dem Leiter der Personalabteilung des Reichssicherheitshauptamtes, SS-Standartenführer A. Franke-Grieksch, einen ihrer „geistigen Führer" besaß. Sie behauptete, während des Krieges als Bewegung der Frontkämpfer aus der alten NSDAP herausgewachsen zu sein. Getreu ihrem Eid auf den Führer sagte sie sich los von einer „verrotteten Parteibürokratie und einem mancherorts eingerissenen korrupten Bonzentum", von einer jahrelang „andere und sich selbst täuschenden regierenden Kaste in Staat und Partei", von einem „undeutschen einseitigen Führerprinzip in der inneren und einem hohlen Machtdünkel in der äußeren Politik, von einer verantwortungslosen, leichtfertigen Vergeudung der deutschen Volkskräfte, von einer Politik des Abenteuers, des Experimentes und des weltanschaulichen Starrsinns und von einem Zurücksinken in die längst überwundenen Welten des Kapitalismus, der politisierenden Kirchen, des zersetzenden Parteihaders einer parlamentarischen Demokratie, der klein-österreichischen, bayerischen, rheinischen und sonstigen Sondertümelei sowie dem das Volk aufspaltenden klassenkämpferischen Kommunismus"

Trotz Tod und Not nach einer „heldenhaften" Bewährung sollten sich alle anständigen und tapferen Deutschen an der Seite ihrer Soldaten geschlossen „um den so oft mißverstandenen Führer Adolf Hitler und seinen getreuen Reichsführer SS Heinrich Himmler als Kanzler des Reiches" zusammenscharen und wider alle Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit, Ziellosigkeit und Vaterlandsverrat kämpfen. Um ihren Kindern „einen Frieden zu erringen, der der gebrachten Opfer" würdig sei, verkündete die „Bewegung" im April 1945 das Programm einer europäischen und deutschen „Friedensordnung" — eine groteske Mischung von demokratischen Prinzipien und Ordensregeln der SS —, das in der Forderung gipfelte: den jahrhundertelangen Bruderzwist der europäischen Völker durch eine völkische föderalistische Zusammenarbeit in der „Europäischen Eidgenossenschaft" zu überwinden. Alle Völker sollten das Recht haben, innerhalb dieser neuen Ordnung „ihr Eigen-dasein, eigenständige Volksordnung, Lebensstil und politische Organisation frei zu gestalten". Dabei müsse der nationalstaatliche Eigennutz hinter dem europäischen Gemeinnutz zurückgestellt werden. Eine europäische Schiedsgerichtsbarkeit, an der jedes Volk berechtigt und verpflichtet war mitzuarbeiten, sollte binneneuropäische Streitigkeiten ohne Anwendung von Gewaltmitteln schlichten.

Das eigentliche Fernziel aber dieser „wahrhaft brüderlichen Gemeinschaft mit den 26 stammesgleichen germanischen Völkern" war der spätere freie Zusammenschluß zu einem germanischen Reich" unter Ausnutzung der europäischen Volkswirtschaft, das mit dem tschechischen Volk und den „blutsverwandten Slowenen" im europäischen Interesse eng zusammenarbeiten müßte. Die „verworrene" Volksgrenze in Ost-und Südosteuropa sollte durch eine organische und auf gleichartige Räume beschränkte Tauschsiedlung „sowie durch ein von der Europäischen Eidgenossenschaft garantiertes Volksgruppenrecht gewährleistet" werden.

Die innerstaatliche „Erneuerung" sollte auf den Einklang von Führung und Gefolgschaft durch eine feste Regierung, die durch eine Mitentscheidung des Volkes durch Volksentscheid und indirekte Wahl von Personen und nicht Parteien zu ergänzen sei, abzielen. Der deutsche „Volkswille" sollte durch einen „deutschen Volksthing" repräsentiert werden, der von gewählten Vertretern der Gauthinge „in geheimer Wahl" zu bestimmen sei. Die „zweite Kammer" bildete der „Ordensrat", der nach „strengsten Maßstäben politischer, soldatischer und charakterlicher Bewährung" ausgelost würde. Die deutsche Regierung sei dem Volksthing und dem Ordensrat Rechenschaft schuldig und garantiere die Freiheit der Meinungsäußerung, bekämpfe aber alle volksfeindliche und „zersetzende politische Hetze". Neben der selbstverantwortlichen, ständisch geordneten und auf die völkische Notwendigkeit ausgerichteten Wirtschaft sollte die „neue Volksgemeinschaft auf der gesunden Volksordnung der sozialen Gerechtigkeit aufbauen“.

Eine andere Lösung zur „Überwindung der Katastrophe 27), die an der Wirklichkeit des Jahres 1945 ebenso radikal vorbeiging, schlug eine Gruppe vor, die sich wahrscheinlich aus jüngeren Offizieren der deutschen Wehrmacht zusammensetzte. Sie befürwortete ein Bündnis der „jungen sozialistischen Kräfte gegen die alten verrotteten Beharrungsmächte des Westens". Angesichts der Lage im April 1945 folgerte sie, daß es bisher nur drei Möglichkeiten gegeben habe, durch eine „politische Kriegführung" einen „partiellen Sieg" zu erringen: indem Deutschland unmittelbar einen Sonderfrieden mit den Anglo-Amerikanern abschließe, indem es Waffenstillstandsverhandlungen mit dem Osten einleite, um die Westmächte verhandlungsbereit zu machen, oder durch einen Sonderfrieden im Osten. Die beiden ersten Lösungen seien entweder nicht zumutbar — sie würden Versklavung des deutschen Volks auf Jahrzehnte hinaus durch die Engländer zur Folge haben — oder aus zeitlichen Gründen nicht mehr zu verwirklichen. Hingegen verspreche der Sonderfrieden mit Rußland die besten Aussichten.

Der ungenannte Verfasser einer Denkschrift „Generalplan 1945“ vom 5. April 1945 begründete dies mit dem Hinweis, daß eine deutsche Niederlage gegenüber den Westmächten für die Sowjetunion nur die „Verlängerung des Krieges durch einen dritten Weltkrieg" bedeute. Die Teilung Deutschlands werde auch in der UdSSR als „vorübergehend und auf die Dauer untragbar" angesehen. Während auf der Konferenz in Jalta der Sowjetunion nur ein beschränkter und noch dazu immer wieder bestrittener Einfluß in Ost-und Südosteuropa zugestanden worden sei, könne der Sowjetunion durch ein Zusammengehen mit Deutschland ein Einfluß in ganz Europa ermöglicht werden. Ein Sonderfriede mit Deutschland und Japan würde gleichzeitig die Entlastung Rußlands im Osten und den anglo-amerikanischen Einfluß auf China reduzieren. Ein Frieden mit Rußland müßte unter folgenden Bedingungen abgeschlossen werden: Deutschland und die bisherige Sowjetunion bilden gemeinsam die „Sozialistische Union". Anknüpfend an die Verselbständigung der sechzehn sowjetischen Teilrepubliken im Jahre 1943, bilden auch die europäischen Völker national abgegrenzte, selbstgeführte Staatskörper, die verbunden werden mit einer Wehr-und Wirtschaftsunion. Die Gestaltung im Inneren bleibt in jeder Hinsicht den einzelnen Völkern freigestellt. „Deutschland anerkennt die Sowjetrepubliken Polen, Litauen, Estland, Lettland, Finnland, Bulgarien, Rumänien, Mazedonien, Griechenland und eventuell die Türkei. Westoberschlesien sowie die vor 1918 zu Preußen gehörigen Gebiete des Warthegaues und Westpreußens verbleiben bei Deutschland; ein stärkerer Einfluß Deutschlands bleibt innerhalb der Grenzen Altösterreichs im Südosten bestehen, auch erhält das Reich „freie Hand" in West-und Nordeuropa, insbesondere gegenüber Großbritannien.

Die „Zukunftsperspektiven" einer solchen Lösung faßte der Autor in den Sätzen zusammen: „Es entstünde ein Kontinentalblock von Ozean zu Ozean von weltbeherrschender Größe, Wirtschaftskraft, Energie und Bevölkerungszahl." Mit diesem wäre nicht nur die

Gefahr künftiger Kriege aus Europa, sondern auch aus dem Doppelkontinent Eurasien verbannt, und zwar auf Generationen hinaus. Die beiden Großvölker der Russen wie der Deutschen hätten außerordentliche Entwicklungsmöglichkeiten, ohne daß sich ihre Interessen überschneiden. Das Schwergewicht in diesem Block werde sich von selbst mehr und mehr nach den „rassisch überlegenen, geistig Regsameren und Energischeren", das heißt nach Europa verlagern.

Demgegenüber sahen einige Vertreter der Reichsregierung das „Heil des Reiches" in einer Westlösung", d. h. in einer Teilkapitulation nur gegenüber dem Westen. Zur Erhaltung des Volkstums sollte der Kampf mit allen Mitteln im Osten fortgesetzt werden. Die seit Mai 1945 amtierende Regierung Dönitz hatte es sich zum Hauptziel gesetzt, möglichst viele deutsche Menschen vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu retten Und der (ehemalige) Reichsaußenminister v. Ribbentrop schrieb in einem Entwurf (eines nicht abgesandten Briefes an den Großadmiral Dönitz) vom 2. Mai 1945, daß trotz der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation der Alliierten eine Möglichkeit bestünde, mit den Generalen Eisenhower und Montgomery zu verhandeln, da zweifellos auch dort „schon gewisse Besorgnisse wegen der Übermacht der Roten Armee" vorhanden seien, daß man daher nicht weitere Truppen gegen Deutschland einsetzen möchte. Vielleicht ahne man heute in der englischen Armee, daß man die deutschen Kräfte eines Tages gegen die Rote Armee dringend benötige

Allerdings empfahl Ribbentrop, den westlichen Alliierten ein „Alibi" zu verschaffen, indem Deutschland auch auf die russischen Forderungen, wenigstens nach außen hin, eingehe. Denn entweder werde das Reich restlos besetzt und damit das deutsche Volk auf Jahrzehnte „zur Knechtschaft" verurteilt, oder aber es gelinge der neuen Reichsregierung, „mit einem umfassenden Programm unter Zurückstellung beziehungsweise in den Hintergrund-treten-Lassen bzw. Modifizierung bestimmter weltanschaulicher Fragen den Versuch einer Politik der Zusammenarbeit mit allen Nationen, also zumindest äußerlich auch mit Rußland, zu finden und durch Aner-kennung der Reichsregierung unter Ihrer (Dönitz) Leitung und Ihres Programms das nationale Deutschland und damit auch das nationalsozialistische und eine verkleinerte Wehrmacht zu erhalten und damit dem deutschen Volk den Weg zum Wiederaufbau zu ebnen".

Dönitz, der durch einen Funkspruch vom April zum Nachfolger Hitlers ernannt worden war, hatte am 5. Mai 1945 ein reines Fachkabinett, eine Art „geschäftsführende Reichsregierung" gebildet, in der Graf Schwerin v. Krosigk das Reichsaußenministerium, Stuckart das Reichsinnenministerium und Kulturministerium, Speer das Reichswirtschaftsministerium, Backe das Ernährungs-, Landwirtschafts-und Forstministerium, Dorpmüller das Reichsverkehrs-und Postministerium und Seldte das Reichsarbeits-und Sozialministerium übernehmen sollten 30). Allein die Wirkungsmöglichkeiten dieser „Regierung" waren von Anfang an mehr als eingeschränkt. Daher wollte sie zunächst die sich aus dem Ausgang des Krieges ergebenden Aufgaben, darunter die der Sicherstellung der Ernährung und Versorgung, sachlich gut abwickeln, möglichst große Teile des Heeres in westliche Gefangenschaft führen und darüber hinaus die Grundlagen für den Neuaufbau schaffen, falls der Feind keine andere Form der Regierung oder Verwaltung vorsehen würde. Aber ohne dem deutschen Volk in seiner schwersten Stunde nennenswert helfen zu können, wurde sie am 23. Mai 1945 von den Alliierten verhaftet. Deutschland war damit auf Gnade und Ungnade den Siegermächten ausgeliefert, die am 5. Juni die oberste Regierungsgewalt übernahmen

V. Die Soldaten: Totale militärische Niederlage

Nach der Phase der deutschen „Blitzkriegssiege" von 1939 bis 1941 führte Deutschland spätestens seit der Kriegswende 1942/43 — gekennzeichnet durch die Schlachten bei El Alamein und Stalingrad, bei den Midway-Inseln und bei Guadalcanal im Pazifik sowie durch das Scheitern des deutschen U-Boot-Krieges im Atlantik — nur noch einen Krieg um des Krieges willen Gegen die personellen und materiellen Reserven der Anti-Hitler-Koalition — weit mehr als 75 Prozent aller Ressourcen in der Welt — war der Krieg nicht zu gewinnen, zumal auch die deutsche Wehrwirtschaft zusammenbrach.

Denn weder die Leistungen, die während der Ära des Reichsministers Albert Speer (1942 bis 1945) in der Rüstungs-und Wehrwirtschaft dank optimaler Organisation, neuer Rationalisierungsmaßnahmen und totaler Mobilmachung deutscher und ausländischer Arbeitskräfte erzielt wurden, noch die Ausschöpfung und Ausbeutung des Wirtschaftspotentials in den eroberten Gebieten hätten letzten Endes etwas an der Tatsache zu ändern vermocht, daß auch ohne den verschärften Luftkrieg die deutsche Rüstungsendfertigung gegenüber ihrem Maximum (Juli 1944) höchstens noch um 20 bis 30 Prozent hätte gesteigert werden können. Dann aber wäre die Rüstung an die zu enge Rohstoffdecke gestoßen

Seitdem die politische Zielsetzung Hitlers die Leistungsfähigkeit des deutschen Militär-und Wirtschaftspotentials weit überschritten hatte und im Zuge des Allfrontenkrieges zwangsläufig Rückschlag auf Rückschlag einsetzte, sollte Glaubensfanatismus an den Sieg der nationalsozialistischen Weltanschauung ersetzen, was an Kräften und Potential fehlte

Vorbereitet und begleitet von Tag-und Nachtangriffen der alliierten strategischen Bomberkommandos hatte 1943 der Sturm auf die „Festung Europa" eingesetzt: im Osten durch die Rote Armee, im Südosten durch die jugoslawischen und griechischen Partisanen, im Süden über Sizilien und Italien durch die Anglo-Amerikaner. Wohl war Deutschland noch willens und fähig, die nunmehr entstandene Front von rund 15 000 Kilometer Länge nach allen Seiten hin zu verteidigen. Aber es war doch nur eine Frage der Zeit, wie lange die verfügbaren Kräfte dem zu erwartenden Ansturm auf den Kriegsschauplätzen sowie den Bombardierungen aus der Luft gewachsen blieben. Italiens Widerstandswille war bereits nahezu gebrochen.

Der Angriff auf das von der deutschen Propaganda für uneinnehmbar erklärte „Bollwerk" hatte an seiner verwundbarsten Stelle begonnen. Am 10. Juli 1943 landeten die Alliierten unter dem Schutz ihrer beherrschenden Flotte auf Sizilien, während sie durch schwere Luftangriffe die italienische Kampfmoral zermürbten. Unter dem Eindruck der sich bald abzeichnenden alliierten Erfolge brach nach wenigen Tagen das faschistische Regime zusammen; der „Duce" wurde verhaftet. Anfang September setzten englische und amerikanische Truppen auf die Südspitze Italiens über. Vier Wochen später hatten sie bereits die Linie Foggia-Neapel erreicht. Bis Ende des Jahres gelang ihnen der Durchbruch an den Sangro und zum Kloster Monte Cassino Unterdessen hatte Hitler am 8. September 1943 den „Fall Achse" ausgelöst, um die italienischen Truppen zu entwaffnen und ein überlaufen zum Gegner zu verhindern. Während große Teile desselben in deutsche Hand fielen, gelang es der italienischen Flotte, im letzten Augenblick von La Spezia nach Malta zu entkommen. Mussolini, den ein SS-Sonderkommando auf dem Gran Sasso befreit hatte, proklamierte am 18. September 1943 eine neue Sozialistische Republik Italien, die bis Kriegsende allerdings nur ein Schattendasein in Norditalien führte. Die neue königliche Regierung aber erklärte dem Deutschen Reich den Krieg. Aus dem ehemaligen Verbündeten war ein weiterer Gegner geworden. Während in Jugoslawien die Partisanen unter Tito die deutschen Ordnungstruppen immer mehr bedrängten, hatte die sowjetische Führung im Osten nach dem Scheitern der letzten deutschen Offensive bei Kursk („Zitadelle") im Juni 1943 die Initiative endgültig an sich gerissen. Nachdem die Rote Armee bereits im Januar 1943 die Landverbindung zu dem hartbedrängten Leningrad wiederhergestellt hatte, gelang ihr auf einer Frontbreite von über 1 000 Kilometern ein Durchbruch von fast 300 Kilometern in der Tiefe. Insgesamt standen den anstürmenden fünf Millionen Russen 1943 noch drei Millionen Deutsche gegenüber, während die Sowjetunion eine zwei-bis dreifache materielle Überlegenheit besaß

Im Jahr 1944 hatte die Rote Armee an der gesamten Front von Lappland bis zum Schwarzen Meer ihren Vormarsch nach Westen fortgesetzt. Ihre Divisionen standen bereits in Polen, an der Ostgrenze der Tschechoslowakei und in Rumänien, als am 6. Juni 1944 unter dem Schutz weit überlegener See-und Luftstreitkräfte die lang erwartete alliierte Invasion in der Normandie begann, der am 15. August eine zweite in Südfrankreich folgte. Der Angriff der anglo-amerikanischen, kanadischen und französischen Expeditionsarmeen, der durch Partisanengruppen der Resistance unterstützt wurde, durchbrach schon nach wenigen Wochen die deutschen Riegel-stellungen. Im August wurden Paris und in Südfrankreich Toulon und Marseille befreit

Im ungestümen Vormarsch erreichten die alliierten Armeen im Oktober 1944 die deutsche Grenze bei Aachen. Die überwältigenden Offensiven der „Anti-Hitler-Koalition", die systematische Bombardierung und Zerstörung der deutschen Verkehrs-, Nachrichten-und Produktionszentren, die Terrorangriffe auf Stadt und Land durch die britisch-amerikanische Luftwaffe kündigten bereits das nahe Ende des Krieges an. Unter dem Eindruck der alliierten Waffenerfolge stellten die deutschen Verbündeten Rumänien, Finnland, Bulgarien und Ungarn nacheinander den Kampf ein und wandten sich gegen Deutschland, während sich die deutschen Truppen unter schwersten Bedingungen zurückzogen

Im Herbst 1944 setzte die Agonie des Deutschen Reiches ein. Jetzt wollte Hitler durch das letzte Aufgebot von Kindern und Greisen, den „Volkssturm", das Unmögliche möglich machen. Aber der Vormarsch der alliierten und sowjetischen Streitkräfte auf allen Kriegsschauplätzen — der Sturm auf das Reich — war nicht mehr aufzuhalten. Statt die letzten verfügbaren Kräfte zur Abwehr im Osten einzusetzen, befahl Hitler die Ardennenoffensive im Westen (16. Dezember 1944) in der eitlen Hoffnung, die deutsche Wehrmacht könne das wiederholen, was sie 1940 geleistet hatte. Aber das Unternehmen scheiterte schon nach wenigen Tagen

Am 12. Januar 1945 traten die sowjetischen Truppen aus dem Baranowbrückenkopf zur Eroberung Berlins an. Wenige Wochen später überschritten die Alliierten auf breiter Front den Rhein. Ende April trafen die beiden Angriffsspitzen an der Elbe zusammen.

Nach Teilkapitulationen im Süden und Norden unterzeichnete daraufhin Generaloberst Jodl als Chef Wehrmachtführungsstab im OKW am 7. Mai im Hauptquartier von General Eisenhower in Reims die deutsche Gesamtkapitulation; einen Tag später vollzog sich der gleiche Akt im sowjetischen Oberkommando in Berlin-Karlshorst; dieses Mal setzte Generalfeldmarschall Keitel (Chef des OKW) seine Unterschrift unter das schwerwiegende Dokument. Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht trat am 9. Mai, 00. 01 Uhr MEZ in Kraft

Damit war die deutsche militärische Niederlage besiegelt. Diese hatte weder etwas mit „Verrat" noch mit „Sabotage" zu tun, obgleich es . beides gegeben hat. Von irgendeinem „Dolchstoß", wie er 1918 als einer der entscheidenden Gründe für den Zusammenbruch der Fronten am Ende des Ersten Weltkrieges propagiert wurde, konnte also nicht im entferntesten die Rede sein. Vielmehr haben die sich steigernde Diskrepanz von Ziel und Mitteln und damit die völlige Überschätzung der eigenen sowie die Unterschätzung der feindlichen Kräfte, die zahllosen operativen Fehler und zuletzt die starre Halte-und Wellenbrecher-Strategie Hitlers für dieses militärische Debakel den Ausschlag gegeben. Hinzu kam eine weitere niederschmetternde Erkenntnis: Ob auf den Schlachtfeldern im Westen und Norden, in den Weiten Rußlands und den Wüsten Nordafrikas, an den Küsten, auf den Weltmeeren und in den Tiefen des Atlantiks, in Munitionsfabriken, im Schutzeinsatz bei Bombenangriffen oder in den Höhen des Luftkrieges: wo immer deutsche Männer und Frauen glaubten, ihre Pflicht erfüllen zu müssen, wurden sie von Anfang an betrogen und verraten. Ihr Gehorsam gegenüber dem NS-Regime wurde immer problematischer, je mehr dessen Führer sie vor unerfüllbare Aufgaben stellte und viele von ihnen zu mannigfachen Untaten verleitete. Bei dem im September 1939 von dem NS-Regime entfesselten Krieg ging es nicht um die Verteidigung Deutschlands und des „Abendlandes" gegen „Plutokratien" und „Weltbolschewismus", wie es die NS-Propaganda jahrelang zu suggerieren versucht hat, sondern um ebenso wahnwitzige wie verbrecherische Ziele, die der Mehrheit des deutschen Volkes damals in Umfang und Bedeutung weithin verborgen geblieben sein dürften

VI. Die KZ-Häftlinge: Holocaust, Tod und Befreiung aus unwürdiger Knechtschaft

Vom Sommer 1944 bis zum Januar 1945 war die Belegungszahl der in den 20 Konzentrationslagern mit seinen 165 angeschlossenen Arbeitslagern von über 500 000 auf mehr als 700 000 Männer und Frauen angewachsen. In den letzten Kriegsmonaten hatten die Terror-organe der SS noch Zehntausende von Juden und Zwangsarbeitskräften hierhin überstellt. Seit 1933 waren von Himmler und seinen Helfershelfern bekanntlich jene Lager eingerichtet worden, in denen, wie es in der Propaganda hieß, „Volks-und Reichsfeinde" umerzogen werden sollten. In Wirklichkeit aber handelte es sich um Stätten des Drangsals, der Demütigung und täglich elfstündiger Fronarbeit. Dort sind im Verlaufe von 12 Jahren fast eine halbe Million Insassen infolge von Krankheiten, Mißhandlungen und Beseitigung nicht arbeitsfähiger Häftlinge entweder ermordet worden oder umgekommen. Die schlimmsten Monate brachen für die Inhaftierten an, als die Rote Armee vom Osten und die Alliierten vom Westen zum Sturm auf das Reich ansetzten. Im Zuge der Evakuierung kam es zu Todesmärschen und qualvollen Transporten. Dabei starben Tausende an Erschöpfung oder wurden ganz einfach am Straßenrand durch Genickschuß umgebracht; wahrscheinlich zählte ein Drittel aller Lager-häftlinge zu den letzten Opfern. Als britische Truppen am 15. April das KZ-Lager Bergen-Belsen befreiten, entdeckten sie über 10 000 unbeerdigte Leichen. Von den übrigen 38 500 Häftlingen, die das Martyrium überstanden zu haben schienen, konnte nur etwa ein Drittel gerettet werden. Für die meisten kamen jede sanitär-humanitäre Hilfe und Versorgung zu spät. Aber immerhin wurden Tausende in diesen Wochen aus unwürdiger Knechtschaft befreit

Inzwischen war jedoch in den spezifischen Vernichtungslagern ein noch grausameres Werk vollendet worden. Betroffen waren davon vor allem die sogenannten rassischen Minderheiten, darunter Juden, Zigeuner, Polen und Russen. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung spricht alles dafür, daß die NS-Führung in der zweiten Hälfte des Jahres 1941 den Entschluß gefaßt hat, unter Wahrung strengster Geheimhaltung das europäische Judentum systematisch auszurotten. Auf der sogenannten „Wannseekonferenz" vom 20. Januar 1942 wurden die Durchführungsbestimmungen der „Endlösung" im einzelnen festgelegt. Dies dürfte auf ausdrücklichen Befehl Hitlers geschehen sein. Die (durch Eichmann) bürokratisch vorbereiteten und technokratisch ausgeführten Vernichtungsaktionen mittels Massenerschießungen und Vergasungen in den Lagern Kulmhof, Auschwitz, Belzec, Sobibor, Treblinka und Lublin-Majdanek, um nur die wichtigsten zu nennen, forderten millionenfache Opfer. Die Zahlen schwanken zwischen vier bis sechs Millionen. Allerdings sind Intensität und Zielsetzung des Holocausts damals wohl nur einer Minderheit in Deutschland bekannt geworden. Zwar gab es sicherlich hundertfache individuelle Hilfe für Verfolgte und Gequälte, aber Indifferenz, Rückzug ins Private, mangelnde mitmenschliche Solidarität und Zivilcourage, Angst vor Verfolgung und die alltäglichen Sorgen um das Leben der eigenen Angehörigen an der Front haben das Tun und Lassen der deutschen Bevölkerung viel nachhaltiger geprägt. Dieses beschämende Verhalten mag auch auf die geschickt dosierte, von den meisten nicht hinreichend durchschaute ständige Manipulation durch die NS-Massenmedien zurückzuführen gewesen sein. Allerdings ist die nationalsozialistische Judenausrottung weniger das Ergebnis einer situationsbedingten Improvisation im Kriege, sondern eher Endpunkt eines bereits in den zwanziger Jahren propagierten Programms gewesen, in dessen Mittelpunkt das unverrückbare Ziel stand, das . Judentum" im Interesse einer „geschichtlichen Mission" zu bekämpfen und im Sinne des Entweder-Oder zu vernichten

VII. Die Oppositionellen: Letzter Opfertod für das andere Deutschland

Die SS-Sonderkommission zur Ermittlung der Hintergründe, die am 20. Juli 1944 zum Attentat des Obersten Graf Stauffenberg auf Hitler geführt hatten, mußte im Verlaufe des Monats August 1944 dem „Führer" berichten, daß 'ein militärischer und ziviler Kreis an der Vorbereitung und Durchführung des geplanten Umsturzes beteiligt gewesen sei. Die führenden Köpfe derselben, Generaloberst Beck und der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister, Carl Goerdeler, als „geistige Drahtzieher" des Anschlages bezeichnet, seien schon zu einer Zeit gegen den Nationalsozialismus eingestellt gewesen, als von Krieg überhaupt noch keine Rede gewesen sei. Für diese sei derselbe verloren gewesen, noch bevor er begonnen hätte. Damit wurde zugegeben, daß der Kampf gegen das Unrechtsystem in Deutschland schon vor Kriegsausbruch eingesetzt hatte und nicht erst während des Zweiten Weltkrieges," als die NS-Führung den Untergang des Deutschen Reiches heraufbeschwor. Die Männer und Frauen des deutschen Widerstandes, ganz auf sich gestellt, von permanenter Denunziation in der Heimat umlauert, von den Terrororganen des Systems bedroht und von den Alliierten ignoriert, hatten das Äußerste gewagt, um aus tiefem Verantwortungsbewußtsein gegenüber Volk und Vaterland Deutschland von der braunen Diktatur zu befreien, es vor dem völligen Ruin zu bewahren und das Ansehen der Deutschen in den Augen der Weltöffentlichkeit wiederherzustellen Nach dem 20. Juli 1944 verblieben Hitler und seinen Schergen noch neun Monate, um furchtbare Rache zu üben und die „Verräter" zu bestrafen. Unter dem Vorsitz von Roland Freisler verkündete der Volksgerichtshof ein Todesurteil nach dem anderen. Hunderte fielen diesen Urteilen zum Opfer. Unter denjenigen, die in den allerletzten Monaten des Krieges durch Seil oder Genickschuß ermordet wurden, befanden sich einige der besten Köpfe der deutschen Opposition. In der Hauptverhandlung gegen neun Angehörige des „Kreisauer Kreises“ am 9. Januar 1945 — in der Diktion der Anklage „gegen eine Gruppe Defaitisten und Gegner des NS-Systems" — kritisierte Freisler in seiner rüden Art, daß Graf von Moltke überhaupt die „Möglichkeit einer deutschen Niederlage" in Betracht gezogen hätte; nach Auffassung des Volksgerichtshofes sei dies geradezu als „abartig" zu bezeichnen. In dem Todesurteil hieß es schließlich, daß es in dieser Phase des „uns aufgezwungenen Krieges" das Reich vor „Leichenfledderern" ebenso zu schützen gelte wie vor „Mördern"

Am 23. Januar 1945 wurde das Urteil gegen Helmuth Graf von Moltke, Hermann Kaiser, Busso Thoma, Eugen Bolz, Erwin Planck und Theodor Haubach vollstreckt, die alle die moralische Grundlage des Krieges angezweifelt hatten. Zu dieser Zeit saß ein anderer Todgeweihter, Carl Goerdeler, in tiefer seelischer Verlassenheit in dem NS-Kerker. Er hatte nach seiner Verhaftung in rastloser Arbeit zahlreiche Denkschriften zum Wiederaufbau des Reiches nach Kriegsende verfaßt, vielleicht auch in der vagen Hoffnung, sich dadurch für die Machthaber unentbehrlich machen und somit überleben zu können. Zugleich hatte ihn in schlaflosen Nächten die Frage gequält, ob überhaupt ein Gott existiere, der am „persönlichen Schicksal der Menschen Anteil nehme". Es fiel ihm offensichtlich schwer, daran zu glauben, angesichts der „jahrelangen Ströme von Blut und Leid, Berge von Grauen und Verzweiflung", die einige Hunderttausende erzeugt hätten, die „vertiert, geisteskrank oder verblendet" seien und keine „normalen Menschlichkeitsempfindungen" gehabt hätten. Gott, der Millionen anständiger Menschen sterben und leiden ließe, rühre keinen Finger, so meinte er. Schließlich fragte er sich: „Soll dies ein Gericht sein?" Aber noch bevor Goerdeler eine befriedigende Antwort auf seine brennende Frage gefunden haben mochte, zerrten ihn die Henkersknechte aus der Zelle. Zusammen mit Pater Delp, einem Mitglied des „Kreisauer Kreises", wurde er exekutiert. Sein Peiniger, Freisler, fand einen Tag später bei einem schweren Bombenangriff auf Berlin am 3. Februar den Tod

Zu den letzten Opfern zählten u. a.der pommerische Großgrundbesitzer Ewald v. Kleist-Schmenzin, Admiral Canaris, General Hans Oster, Prof. Rüdiger Schleicher und Dietrich Bonhoeffer, der evangelische Theologe; dieser hatte einst bekannt: „Nur durch die Niederlage können wir Sühne leisten für die furchtbaren Verbrechen, die wir gegen Europa und die Welt begangen haben." Sie starben — vier Tage vor dem Einrücken alliierter Truppen — im KZ Flossenbürg. Am 22. April traf das gleiche Los den Stadtbaurat und Generaldirektor Wilhelm zur Nieden, der wegen „Nichtmeldung von Umsturzplänen" und „Annahme eines Amtes" in der „Verschwörerregierung" verurteilt worden war Und eine Woche bevor die Russen Berlin eroberten, wurden Albrecht Haushofer, der Sohn des Geopolitikers, und andere aus ihren Zellen im Gefängnis Lehrterstraße geholt, auf die Straße geführt und ihnen erklärt, sie würden in ein anderes Gefängnis verlegt; bei einem Fluchtversuch würden sie erschossen. Zu Fuß wurden sie in das zerstörte Ausstellungsgelände ULAP gebracht. Dort wurden alle auf das Kommando „Fertig-los" durch Genickschuß ermordet; diejenigen, die sich danach noch regten oder schrieen, wurden am Boden durch weitere Schüsse getötet. Wie zutreffend hatte es Albrecht Haushofer doch in seiner „Moabiter Sonette" ausgedrückt: „Es gibt wohl Zeiten, die der Irrsinn lenkt; dann sind’s die besten Köpfe, die man hängt.“

Gewiß: in all den furchtbaren Jahren des „Dritten Reiches" ist es zwar trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen, Hitler zu beseitigen und sein System zu stürzen, aber als Symbol hat der Geist des Widerstandes gesiegt. Henning von Tresckow, der am 21. Juli 1944 den Freitod an der Front gewählt hatte, hatte diesen einmal in den Worten zusammengefaßt: „Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott auch Deutschland unseretwillen nicht verderben wird. Niemand kann über seinen Tod Klagen führen. Wer in unseren Kreis ge-treten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben."

VIII. Die Flüchtlinge: Vertreibung von Haus und Hof

Der seit 1943 total geführte Krieg traf am Ende die ostdeutsche Bevölkerung und die dorthin evakuierten knapp eine Million Menschen am erbarmungslosesten. Diese waren bis dahin von den ständigen zermürbenden Tag-und Nachtangriffen der alliierten Bomber weithin verschont geblieben. Angesichts der vordringenden Roten Armee hatten sich unter ihnen in steigendem Maße Angst und Schrecken verbreitet. Tartarennachrichten waren dem sowjetischen Vormarsch vorausgeeilt, von der nationalsozialistischen Propaganda ins Maßlose gesteigert. Voller Siegestrunkenheit wollten viele Rotarmisten heimzahlen, was ihren Brüdern und Schwestern von den „braunen Kolonisatoren" widerfahren war. Ein unbeschreiblicher Exodus begann. Auf Leiterwagen, zu Fuß, in endlosen Trecks, zu Pferd, im Auto, auf Schiffen und Kähnen suchte die Bevölkerung ihrem unbarmherzigen Griff zu entkommen. Trennung von Haus und Hof sowie der Verlust der geliebten Heimat zermürbten auch die härtesten Naturen. Verhungert, erfroren, ertrunken, verschleppt, geschändet oder von feindlichen Granaten, MP-Salven und Bomben zerrissen, das war das Ende von knapp zwei Millionen Menschen. Fast sieben Millionen Deutsche mußten ihre Heimat verlassen oder hatten später keine Möglichkeit mehr, dorthin zurückzukehren, darunter über drei Millionen Schlesier, ca. zwei Millionen Ostpreußen und 1, 4 Millionen Ostpommern. Außerdem mußten über fünf Millionen ihre Siedlungsgebiete außerhalb der Reichsgrenze von 1937 aufgeben (darunter drei Millionen Sudetendeutsche). Insgesamt waren es etwa zwölf Millionen — das waren 1950 etwa 16, 3 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland —, die ihre Heimat verloren hatten

Wer sich mit diesem tragischen, millionenfachen Schicksal ernsthaft auseinändersetzen und den Ursachen dieser Massenvertreibung nachspüren will, wird zunächst auf einige generelle Tendenzen von „Bevölkerungstransfer" unterschiedlicher Qualität im 20. Jahrhundert aufmerksam machen müssen, auch um bestimmte Zusammenhänge zu verdeutlichen. Denn bei den Ereignissen von 1944/45 handelte es sich nicht um eine singuläre Erscheinung. Schon vorher waren Millionen von Menschen aus-, um-oder eingesiedelt worden, jedoch meist aus verschiedenen Gründen und mittels voneinander abweichender Methoden. So etwa bei den großen Umwälzungen in Rußland, den politisch-staatlichen Neubildungen nach 1918 mit dem Ziel, die nationale Homogenität geschlossener Territorien auf Kosten von Minderheiten zu gewährleisten, insbesondere aber bei den Aktionen des NS-Regimes zum Aufbau des sogenannten „Großgermanischen Reiches" (Erfassung des Streudeutschtums: etwa eine Million Menschen) und zur Unterwerfung, Entrechtung und Vernichtung anderer Völker sowie sozialer Gruppen

Im besonderen wird das Schicksal Polens zu erwähnen sein über zweieinhalb Millionen Polen wurden aus ihren angestammten Gebieten vertrieben, 2, 8 Millionen wurden als Zwangsarbeiter verschickt (davon überlebten nicht einmal eine Million). Die Gesamtbilanz war erschreckend: Über sechs Millionen polnischer Bürger kamen ums Leben. Von 200 000 nach Deutschland verschleppten polnischen Kindern wurden etwa 170 000 „germanisiert". Dies alles waren Konsequenzen eines planmäßigen, staatlich sanktionierten Völkermordes mit dem Ziel, Polens Existenz auszulöschen. Erschütternde Zeugnisse des deutschen Widerstandes haben bewiesen, daß gerade diese barbarische Praxis einer der Gründe für verantwortungsbewußte deutsche Politiker und Militärs gewesen ist, das NS-System beseitigen zu wollen. Die vielfachen Mordaktionen in Rußland, die auf das Konto der zahlreichen Einsatzkommandos gingen, und die menschenverachtende Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener, der über drei Millionen zum Opfer fielen, waren ebenso Folgen dieser ideologischen Vernichtungspolitik. Etwa 20 Millionen Russen haben bis Kriegsende den deutschen Überfall auf die UdSSR mit ihrem Leben bezahlt, hinzu kam die Zerstörung großer materieller Werte

Fraglos dürfen Not und Elend der deutschen Vertriebenen nicht verschwiegen werden. Das Unrecht an den Flüchtlingen ist in jedem Fall ein dunkles Kapitel des Jahres 1945, zumal angesichts des Leidensweges Millionen Deutscher die von den Siegermächten in den Potsdamer Abkommen getroffenen Vereinbarungen wie eine Verhöhnung wirkten. Darin hieß es lapidar, daß die Umsiedlung in „ordnungsgemäßer und humaner Weise" erfolgen solle Die Westmächte waren sich seit Beginn ihrer Beratungen über die europäische Nachkriegsordnung im klaren darüber, daß eines ihrer Friedensziele, nämlich Polen für den Verlust seiner Ostgebiete im Westen auf Kosten Deutschlands zu entschädigen, mit einer Bevölkerungsverschiebung größten Ausmaßes verbunden sein würde. Sie hofften, daß der Friede in Europa nach Ausschaltung der deutschen Minderheitenprobleme im Osten künftig sicherer sein würde. Aber für manche Politiker schien der „Transfer" von Menschen mehr ein Problem der Versorgung als das des „Heimatrechts" zu sein

Evakuierung, Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, auch im Jahre 1985 ein z. T. noch immer leidenschaftlich diskutiertes Thema, waren in erster Linie die Konsequenz des von dem NS-Regime entfesselten Krieges und seiner Vernichtungspraktiken. Demgegenüber waren Gewalt und Übergriffe von Russen und Polen auf die Radikalisierung des Krieges, das individuelle Versagen rationaler Kontrolle (Rache) und vielfach auch auf einen Durchbruch primitiver Gefühle zurückzuführen, was an dem schrecklichen Einzelschicksal vieler Deutschen jedoch wenig geändert hat. Aber der grundlegende Unterschied zur Vorsätzlichkeit einer politisch und ideologisch „gerechtfertigten" Rassenpolitik nationalsozialistischer Provenienz darf dabei doch unter keinen Umständen übersehen werden. Völlig unangebracht erscheint es, das eine gegen das andere aufrechnen zu wollen und festzustellen, daß sich beide Seiten im Grunde nichts mehr vorzuwerfen hätten. Denn nur derjenige, der zwischen Ursache und Wirkung dieser Ereignisse zu unterscheiden vermag, wird die Zusammenhänge angemessener beurteilen können und fähig sein, eine echte Aussöhnung zwischen Deutschen, Polen und Russen zu praktizieren, deren Grundlage die politische Anerkennung der heute existierenden Lebensräume in Ost und West bleibt

IX. Die Kriegsgefangenen: Leiden ohne Ende

Die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 bedeutete für Millionen deutscher Soldaten nicht das Ende eines langen, entbehrungsreichen und mörderischen Kampfes, sondern den Beginn eines neuen, ungewissen Leidens in Kriegsgefangenenlagern. Jahrelang lebten die meisten von ihnen fernab von ihrer Familie, in dumpfer Verzweiflung und Unfreiheit, ohne den alten, gewohnten Gruppenzusammenhalt und in einer fremden Umgebung, in der ihnen die Menschen lange Zeit feindlich oder ablehnend gegenüberstanden Großbritannien, die USA, die Sowjetunion, Frankreich, Jugoslawien, Polen, Belgien, die Tschechoslowakei, die Niederlande und Luxemburg hatten seit Kriegsbeginn über 11 Millionen deutsche Soldaten gefangen genommen. Im Sommer 1945 befanden sich von diesen noch ca. 7, 6 Millionen in ihrem Gewahrsam, darunter fünf Millionen im westlichen und zwei Millionen im östlichen. Bis Anfang 1947 hatte sich dieses Verhältnis auf 50: 50 (von insgesamt 2, 37 Millionen) verschoben. Während es im Westen 1949 (von Einzelhaftierten abgesehen) keine Kriegsgefangenen mehr gab, wurden in der Sowjetunion ungeachtet der Vereinbarungen der Siegermächte von 1947, alle Kriegsgefangenen zu entlassen, noch knapp eine halbe Million festgehalten; Anfang 1951 waren es noch 28 000. Letztere waren als sogenannte „Kriegsverbrecher" im Schnellverfahren verurteilt worden, von denen die letzten 10 000 erst nach dem Besuch von Bundeskanzler Konrad Adenauer in Moskau und der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion 1955 in die Heimat zurückkehrten

Nach Berechnungen der wissenschaftlichen Kommission für die deutsche Kriegsgefangenengeschichte verstarben in den Jahren von 1945— 1950 wahrscheinlich über 500 000 Deutsche an Unterernährung oder Krankheiten (Seuchen, da zunächst keine Sera gegen Typhus, Paratyphus, Fleckfieber und Ruhr vorhanden waren). Nur den wenigsten gelang die Flucht, am ehesten noch aus französischem Gewahrsam. Die allgemeine Lage der deutschen Kriegsgefangenen war anfangs ebenso deprimierend wie beschwerlich, wenn dabei auch nicht vergessen werden darf, daß zu dieser Zeit Not und Elend in vielen europäischen Staaten herrschten. Sie war vor allem durch Mängel aller Art, fehlende ärztliche Betreuung und psychische Belastungen gekennzeichnet. Zu Beginn war die Sterblichkeit infolge langer Fußmärsche, unzureichender Bekleidung, beschwerlicher Transporte und primitiver Unterkünfte besonders hoch.

Es dauerte Monate, bis feste Quartiere eingerichtet werden konnten, die einzelnen sich akklimatisiert und die körperlichen Widerstandskräfte so zugenommen hatten, daß man den harten Bedingungen eines Lagerlebens gewachsen war.

Alle Kriegsgefangenen mußten ihren Beitrag zur Wiedergutmachung der Kriegsschäden, auf eine Vielzahl von Arbeitsplätzen verteilt, leisten, darunter im Bergbau, in der Forst-und Landwirtschaft, bei Aufräumungsarbeiten und beim Bau von Transportwegen. Währenddessen versuchten die Vertreter der Gewährsländer, die Kriegsgefangenen politisch umzuschulen. Es galt, den Nationalsozialismus und seine Ideen zu überwinden und die Deutschen mit den Werten demokratischer Prinzipien vertraut zu machen. Allerdings gingen Ost und West dabei von einem gegensätzlichen demokratischen Selbstverständnis aus. Daß die zahlreichen Antifa-Schulen und Kurse in der Sowjetunion nur sehr bescheidene Erfolge erzielen konnten, war angesichts der Realitäten des Sowjetkommunismus nicht weiter verwunderlich

X. Der 8. Mai — ein „sperriger Gedenktag"?

Nach dem Dargelegten müssen wir fragen: Handelt es sich bei dem 8. Mai wirklich um einen „sperrigen Gedenktag"? Wohl kaum — wenn man sich die verschiedenen Erfahrungsebenen vor Augen hält und daraus bestimmte Erkenntnisse ableitet. Schwieriger ist natürlich die Frage zu beantworten, in welcher Form 1985, 1990 oder 1995 dieses Datums gedacht werden soll. Der Mai 1945 hat für uns Deutsche eine vielfache Bedeutung. Zuerst und vor allem ist er Andenken an die

Augenblicke des Schmerzes und tiefer Trauer ob der millionenfachen sinnlosen Opfer und des Opfertodes für das andere Deutschland. Zugleich ist er Erinnerung an die selbstverschuldete militärische Niederlage, die, gleichsam als Stachel heilsamer Unruhe, mahnen sollte, daß nie wieder ein Krieg von deutschem Boden ausgehen darf. Sodann ist er Gedenken an das Schicksal von Gefangenen und Vertriebenen, damit an den Verlust der geliebten Heimat, das mit der ernstlichen und steten Einsicht verbunden sein sollte, die politischen Realitäten in Europa im Interesse des Friedens und einer echten Aussöhnung mit den Völkern Osteuropas zu akzeptieren. Und schließlich ist er Anlaß zu doppelter Dankbarkeit: Zum einen dafür, daß die Deutschen von dem täglichen Alpdruck des furchtbaren Bombenkrieges und des gnadenlosen Kampfes an allen Fronten erlöst wurden; zum anderen dafür, daß Deutschland von der NS-Gewaltherrschaft befreit wurde. Wahrscheinlich können wir letzteres allerdings erst heute voll begreifen und gebührend würdigen. Die Deutschen haben dies — abgesehen von den personellen Opfern und der materiellen Zerstörung — mit dem hohen Preis der Teilung ihres Vaterlandes bezahlen müssen. Indessen: Die Aufforderung zur Wahrung der Einheit Deutschlands wird auch weiterhin Geltung behalten, solange der politische Wille das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen lebendig hält

XL Weltgeschichtliche Zäsur

Um das Jahr 1945 in seiner weltgeschichtlichen Bedeutung ganz verstehen und damit für die Geschichte Deutschlands angemessen bewerten zu können, muß abschließend noch eine knappe Bilanz des Zweiten Weltkrieges gezogen werden. Fraglos hat das Epochenjahr das Gesicht unseres Jahrhunderts entscheidend verändert. Denn mit dieser Wegscheide verbindet sich nicht nur der Bruch mit jahrhundertealten Traditionen, Kontinuitäten und Prinzipien, sondern auch der Beginn neuer Mächtekonstellationen im internationalen System und eines qualitativ veränderten wissenschaftlich-technischen Zeitalters. Dies hat zu weitreichenden, ja zu unabsehbaren Konsequenzen für die Gesellschafts-und Wirtschaftspolitik aller Völker geführt. Im Über-gang von Kriegs-zu Friedenszeiten standen die verantwortlichen Staatsmänner vor schier unlösbaren Aufgaben. Sie mußten mit den chaotischen Verhältnissen und sozialen Umwälzungen fertig werden — und das in einer Welt, die aus den Fugen geraten war und in der frühere, weithin akzeptierte Werte an Gültigkeit verloren, andere hingegen infolge des totalen Krieges an Bedeutung gewonnen hatten. Jetzt mußten letztere wieder den verbindlichen politischen und rechtlichen Normen ihrer Staaten angeglichen werden Wer Verlaufund Ausgang des Zweiten Weltkrieges überblickt, wird die ungeheure Umwälzung, die sich dadurch vollzogen hat oder ausgelöst wurde, erkennen. Deutschland hatte, begleitet von einer zweiten Völkerwanderung von Ost nach West, die schwerste mili-tärische Niederlage in seiner Geschichte erlitten. Es war politisch total entmachtet, besetzt und zugleich von der NS-Gewaltherrschaft befreit worden. Seine in der Bismarck-Zeit gewonnene Großmachtstellung hatte es selbstverschuldet verspielt. Ein Viertel des alten Reichsgebietes war verlorengegangen, während weite Teile des Landes einem Trümmerfeld glichen. Aus dem Subjekt der Weltgeschichte wurde ein Objekt der Viermächteverwaltung, ohne daß dieses allerdings seinen Lebensrhythmus von einem Nullpunkt aus hätte einrichten müssen. Wohl hatten die Siegermächte auf der Konferenz von Potsdam zur Lösung der deutschen Frage zahlreiche leitende Prinzipien entwickelt, aber der ausbrechende „Kalte Krieg" verhinderte eine gleichartige Durchsetzung derselben in den vier Besatzungszonen, da Ost und West die vereinbarten Bestimmungen unterschiedlich auslegten

Den Verbündeten NS-Deutschlands, ftalien und Japan, obwohl ebenfalls besiegt und auf ihre territorialen Ausgangspositionen vor Kriegseintritt zurückgeworfen, blieb wenigstens die staatliche Einheit und mehr Kontinuität erhalten. Der japanische Kaiser, wenn auch nicht mehr Gott, galt nach wie vor als Symbol für den nationalen Zusammenhalt seines Landes. Deutschland und Japan schieden als Weltmächte aus und wurden zu Mächten zweiter Ordnung. Als die Kräfte des militanten Nippons, des faschistischen Italiens und des nationalsozialistischen Deutschlands die großen Demokratien und den Sowjetkommunismus gleichzeitig in die Schranken gefordert hatten, hatten sie damit nicht nur ihr eigenes Schicksal besiegelt, sondern zugleich auch die letzten Dämme gegenüber dem Bolschewismus in Europa und Asien niedergerissen. Denn die Demokratien waren in diesem weltweiten, erbarmungslosen Ringen gezwungen, wollten sie selbst überleben, den Kommunismus an allen Fronten und in den Untergrundarmeen zu unterstützen. Dieses Zweck-bündnis, von dem sich viele 1941— 1945 eine dauerhafte Allianz für die Nachkriegszeit versprachen, hielt allen Belastungen stand, bis die gemeinsamen Gegner niedergerungen waren. Es begann in dem Augenblick zu zerbrechen, in dem der militärische Sieg errungen war und das Trennende zwischen den Bündnispartnern wieder sichtbarer wurde Die Westmächte hatten fraglos unter Wahrung ihrer machtpolitischen und ökonomischen Interessen für das universalistische Prinzip der Demokratien sowie ihrer Werte und damit für Selbstbestimmung und Menschenrechte gefochten, d. h. für ein Prinzip, das jedem Staate ermöglichen sollte, die Regierungsform zu wählen, unter der seine Angehörigen leben wollten. Und auch die in der Endphase des Krieges erarbeiteten Pläne für die Umerziehung der Deutschen ließen keinen Zweifel daran, daß sie in den von ihnen besetzten Zonen die Verwirklichung demokratischer Ideale wie die der Meinungs-, Rede-, Presse-und Religionsfreiheit garantieren wollten

Großbritannien hatte seine früher dominierende Stellung in der Welt verloren. Schon vor und vor allem während des Krieges hatte es die Unterstützung der USA gesucht und sich schließlich der Führung Washingtons untergeordnet, weil es allein gar nicht mehr in der Lage war, das europäische Gleichgewicht zu wahren und den Frieden zu sichern. Auflösungstendenzen innerhalb des Commonwealth sowie die Ungewißheit über das Schicksal Osteuropas hinter dem „Eisernen Vorhang" und das künftige Verhalten Moskaus in der internationalen Politik kamen als beunruhigende Elemente hinzu. Die durch die Wahlen vom Juli 1945 an die Macht gelangten Führer der Labour Partei versuchten als erstes, mit Hilfe sozialer Reformen im Innern und unter Verzicht auf traditionelle imperialistische Politik der neuen Situation gerecht zu werden

Frankreich hatte zwar 1940 eine schwere militärische Niederlage erlitten, aber Charles de Gaulle und seine Anhänger (einschließlich der Resistance) hatten nicht nur für die Unabhängigkeit gekämpft, sondern auch für die gleichberechtigte und eigenständige erneuerte Großmachtstellung ihres Landes. Durch die Entscheidungen des Jahres 1944/45, d. h.

durch die Schaffung einer französischen Besatzungszone in Deutschland, die permanente Mitgliedschaft im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und den Abschluß des französisch-sowjetischen Bündnisvertrages waren hierfür wichtige Voraussetzungen geschaffen worden. Aber nichts konnte darüber hinwegtäuschen, daß hierbei eine „mythische Verklärung der eigenen Größe" und die Überschätzung der eigenen Möglichkeiten in Europa und der Welt mitgespielt haben. Dem beherrschenden Einfluß der USA konnten sich die Franzosen schließlich ebensowenig entziehen wie die Engländer. Im Laufe des Jahres 1948 schwenkten sie unter dem Druck des „Kalten Krieges" auf das Westbündnis ein

Die USA zählten neben der Sowjetunion zu den eigentlichen Hauptsiegern des Zweiten Weltkrieges. Sie waren endgültig zur führenden Weltmacht aufgestiegen. Mit ihrem Kernwaffenmonopol und dem außerordentlich großen ökonomischen Gewicht konnten sie ihre Überlegenheit ausspielen und die Weltordnung nach 1945 jahrelang dominieren. Ob sie allerdings für diese schwierige Aufgabe hinreichend vorbereitet waren, darf nach allen bis heute vorliegenden Zeugnissen bezweifelt werden. Immerhin: Die führenden Politiker in Washington hatten inzwischen eines begriffen: Einen Rückfall in die Isolation wie am Ende des Ersten Weltkrieges wollten und konnten sie sich nicht mehr leisten. Nach den gemachten Erfahrungen und einer Periode von Fehleinschätzungen, was den sowjetischen Verbündeten anbetraf, schien das weltweite Engagement der USA unter Berücksichtigung des Primats von Wirtschaftsund Finanzinteressen notwendiger denn je zu sein. Nur auf diese Weise konnten in Zukunft stabilere Verhältnisse und der Frieden in allen Erdteilen gewährleistet werden Die Sowjetunion aber nützte die historische Stunde, um ihr Ordnungssystem des Marxismus-Leninismus mittels revolutionärer Methoden weiter auszubreiten und ihre nunmehr erkämpfte Rolle als gleichberechtigte Weltmacht zu behaupten. Entsprechend der parteioffiziellen Sprachregelung bedeutete ihr Beitrag zum Sieg nach der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" die „zweite welthistorische Befreiungstat für die Menschheit". Gleichzeitig schirmte sie ihr eigenes vergrößertes Imperium durch eine strategische Sicherung ihres Vorfeldes ab. Diese Entwicklung wurde noch dadurch verschärft, daß sich seit dem Treffen an der Elbe (April 1945) amerikanisch-britisch-französische und sowjetische Truppen in Mitteldeutschland unmittelbar gegenüberstanden

Der Zweite Weltkrieg hat das Kräfteverhältnis im europäischen und Weltstaatensystem grundlegend verschoben und seine Schwerpunkte — unabhängig von der Gründung der Vereinten Nationen — nach Washington und Moskau verlagert. An die Stelle des europäischen Gleichgewichts, das bereits durch den Ausgang des Ersten Weltkrieges erschüttert worden war, trat, ebenso als Folge der waffen-technischen Revolution, das bipolare Gleichgewicht der Supermächte, das sich erst in den sechziger Jahren wieder zu einem multilateralen System von Mächtegruppen und Staaten aufzulockern begann

Ausgelöst hat der Zweite Weltkrieg aber auch jenen spannungsreichen Prozeß, der nach 1945 als Ost-West-Konflikt und Entkolonialisierung in Asien und Afrika in die Geschichte eingegangen ist. Die Teilung der Welt, Deutschlands, Europas und Koreas, die Auseinandersetzung um den Status quo und die Bolschewisierung Osteuropas waren seine ersten Stationen, die von einer wachsenden wechselseitigen Durchdringung von Außen-und Gesellschaftspolitik begleitet waren. In Asien folgte der Sieg der kommunistischen Parteien in fast allen Ländern, in denen kommunistische Widerstandsorganisationen zusammen mit den Alliierten gegen Japan gekämpft und gesiegt hatten. Unter Berufung auf die Atlantik-Charta (1941) und die Charta der Vereinten Nationen drängten die natio6%) nalistischen Parteien zur Unabhängigkeit. Ihre Bewegungen erreichten in Asien Ende der vierziger bzw. Anfang der fünfziger Jahre und in Afrika in den sechziger Jahren ihren Höhepunkt

Alles zusammen beweist, daß dieser Krieg nicht allein mit der Kategorie von Hegemonialkriegen verglichen werden kann, die den Gang der letzten Jahrhunderte bestimmt haben. Vielmehr hat es sich von 1939 bis 1945 um einen totalen, weltweiten Konflikt gehandelt, in dem verschiedene Staaten — z. T. regional begrenzte — neue Ordnungsprinzipien durchsetzen wollten, alte Ordnungsmächte um die Behauptung des Status quo, ihrer Lebensordnung, ihrer Wirtschafts-und Wertvorstellungen kämpften, jüngere farbige Völker in Asien und Afrika diesen Waffengang nutzten, ihre alten Bande und Fesseln abzustreifen, und der Sowjetkommunismus sein Herrschaftssystem Teilen der Welt zu oktroyieren verstand.

So betrachtet hatte das Ende des jahrelangen erbitterten Ringens nicht, wie von vielen Zeitgenossen erhofft, zur Befriedung der Welt unter der Kontrolle der Weltpolizisten (USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China) nach den Vorstellungen Roosevelts geführt, sondern die — jetzt offen ausbrechenden — machtpolitischen, ökonomischen und ideologischen Konflikte der ehemaligen Verbündeten und damit den provisorischen Charakter des Friedens enthüllt

Wohl hatten sich 50 Staaten zu den 1945 gegründeten Vereinten Nationen als Instrument kollektiver Sicherheit bekannt, doch hatten sie, im Gegensatz zur Entwicklung nach 1918, vorher keine Einigung über den Status quo erzielt. Wenn auch den USA und der Sowjetunion, jeder auf ihre Weise, der Glaube an „eine bessere Welt", den „Fortschritt", die „Einheit" der Menschheit und die Bestimmungen des Individuums zu „Freiheit, Wohlstand und Glück" gemeinsam war, am Beispiel der Herrschaftspraxis in West-und Osteuropa wurden die prinzipiellen Gegensätze zwischen einer freiheitlich-rechtsstaatlichen und einer kommunistischen Ordnung bald allzu offenkundig

Zwischen den sich herausbildenden Blöcken, in deren Spannungsfeld die dazwischenlie-genden kleineren Staaten (von Ausnahmen in den Randzonen abgesehen) keine wesentliche politische Eigenständigkeit besitzen konnten, steigerte sich von Jahr zu Jahr der Konkurrenzkampf, durchdrungen von dem Charakter eines Entweder-Oder. Jeder Schritt der einen Seite wurde von dem Gegenüber als Herausforderung, als Gefährdung der eigenen Sicherheit, als Verschwörung oder Subversion gegen sich selbst und die eigenen nationalen Interessen ausgelegt. Die Atmosphäre der Nachkriegsverhandlungen war vergiftet und voller Mißtrauen. Auf Grund der ideologischen Spaltung in Ost und West wurde die Welt nicht mehr einheitlich interpretiert.

Deutschland aber wurde geteilt und die souverän gewordenen Staaten Bundesrepublik Deutschland und DDR in die jeweiligen Machtsphären integriert

Zur gleichen Zeit war das Atomzeitalter angebrochen. Der Besitz der neuen, fast apokalyptisch zu nennenden A-Waffen bedeutete die mögliche Beherrschung der Welt, auf jeden Fall entscheidendes Attribut einer Groß-machtstellung, wirklicher Souveränität und Verfügungsgewalt über moderne Streitkräfte. Die Menschheit aber stand vor der Wahl ihrer technischen Möglichkeiten. Zunächst allerdings führte das Gesetz der Wechselwirkung auf dem Gebiet des Rüstungswettlaufes in den fünfziger und sechziger Jahren zu jenem prekären „Gleichgewicht des Schrekkens" („atomares Patt"), das die Existenz der Völker bis heute überschattet hat

XII. Ausblick

Vierzig Jahre nach diesem geschichtlichen Wendepunkt begreift sich die Bundesrepublik Deutschland als Teil ihrer Umwelt und handelt nicht isoliert. Bei ihrer Politik des Interessenausgleichs, der Friedenssicherung und Partnerschaft mit den Ländern der Dritten Welt nimmt sie nicht nur Rücksicht auf das westliche Bündnis, in dem sie sich fest verankert fühlt, sondern sie beachtet auch die Interessenlage der sozialistischen Staaten Angesichts der so zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit wird sie durch ihr Handeln zu zeigen haben, daß die Weltgeschichte keine Einbahnstraße ist. Es wird nicht zuletzt von ihrer Kraft und Entschlossenheit im Bündnis, von der Attraktivität, den verwirklichten Werten ihrer Grundordnung, ihrer

wirtschaftlichen Stabilität und Fähigkeit zur Innovation abhängen, ob in diesem Teil Deutschlands die menschliche Würde gesichert und eine humanere, freiere Gesellschaft verwirklicht werden können, deren Beispiel sich auch positiv auf den anderen Teil der deutschen Nation auswirkt. Wenn sie darauf alle ihre Energien konzentriert, den politischen Status quo in Europa ohne Vorbehalte akzeptiert und ein geregeltes Miteinander mit der DDR anstrebt, würde sie in Zukunft als mittlere Macht mit erheblichem ökonomischen und militärischen Gewicht für die Organisation des Friedens in Europa und damit in der Welt einen entscheidenden Beitrag leisten. Sie und die anderen Völker müssen allerdings mehr denn je lernen, in Ordnungen zu leben, in denen der Wunsch nach einem friedlichen Zusammenleben — auch mit Andersdenkenden und -handelnden — nicht nur Theorie bleibt, sondern zur Wirklichkeit des Alltags wird und damit zum Mittelpunkt einer Politik aufrichtiger Toleranz und Wahrhaftigkeit. Erst dadurch würden sie alle — Sieger und Besiegte von einst — das Vermächtnis von über 50 Millionen Toten des Zweiten Weltkrieges einlösen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. DIE ZEIT v. 28. 12. 1984 (T. Sommer); 18. 1. 1985 (Hofmann); 1. 2. 1985 (Mayer); 8. 2. 1985 (Friedländer); 15. 2. 1985 (G. Mann); 22. 2. 1985 (M. Howard); 1. 3. 1985 (A Grosser). Ferner: NZZ v. 3. /4. 2. 1985: Deutsche Vergangenheit im Fokus der Gegenwart; Die Welt v. 22. 1. 1985 („Der 8. Mai und das Ausland"); Kremp: . Agitation zum Jahrestag"; SWF v. 16. 1. 1985 zum Jahrestag der Kapitulation am 8. Mai 1985 („Meinung gegen Meinung"); Frankf. Rundschau v. 25. 1. 1985 („Erinnerung — das Geheimnis der Versöhnung" v. D. Cornelsen).

  2. Vgl. P. J. Winters, Eine Gelegenheit zur Agitation. Wie der 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai in der DDR gefeiert wird, in: FAZ v. 19. 1.

  3. Vgl. Anm. 1.

  4. Zur Lage in Deutschland: K. Bergmann/G. Schneider (Hrsg.), 1945. Ein Lesebuch, Hannover 1985; E. Kuby, Das Ende des Schreckens. Dokumente des Unterganges, München 19572, Neuauflage 1984; H. Michaelis u. a. (Hrsg.), Ursachen und Folgen. Vom deutschen Zusammenbruch 1918 und 1945 bis zur staatlichen Neuordnung Deutschlands in der Gegenwart, Bd. XXII (Das Dritte Reich. Der Angriff auf die deutschen Grenzen), Berlin o. J.; Bd. XXIII (Der militärische Zusammenbruch und das Ende des Dritten Reiches), S. 37 ff. (u. ö.), Berlin o. J.; M. Overesch, Das Dritte Reich 1939— 1945, Düsseldorf 1983 (Droste Geschichts-Kalendarium. Chronik deutscher Zeitgeschichte, Bd. 2/II); W. F. Werner, „Bleib übrig." Deutsche Arbeiter in der NS-Kriegswirtschaft, Düsseldorf 1983, S. 329 ff.

  5. Vgl. E. Kuby (Anm. 4), S. 88 ff.

  6. Ebd.

  7. Vgl. u. a. Tb. Schieder, Europa im Zeitalter der Weltmächte. Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 7, Stuttgart 1979, S. 1 ff., S. 11 ff. (und die dort angegebene Literatur).

  8. Vgl. Anm. 4; außerdem W. Paul, Der Endkampf um Deutschland 1945, Esslingen-München 19853; H. D. Arntz, Kriegsende 1944/45. Zwischen Ardennen und Rhein, Euskirchen 1984; W. Wolf, Luftangriffe auf die deutsche Industrie 1942— 1945, München 1985. >

  9. Zur geistigen Situation der Zeit: C. Kießmann, Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945— 1955, Bonn 1982, S. 37 ff. (Die Zusammenbruchgesellschaft); M. Overesch, Deutschland 1945— 1949. Vorgeschichte und Gründung der Bundesrepublik, Düsseldorf 1979. Vor allem: E. Jäckel, Hitler und die Deutschen, in: K. D. Bracher/M. Funke/H. -A Jacobsen (Hrsg.), Nationalsozialistische Diktatur 1933— 1945. Eine Bilanz, Düsseldorf 1983, S. 706 ff.

  10. Vgl. H. Boberach (Hrsg.), Meldungen aus dem Reich, Bd. 17, Herrsching 1984, S. 6734 ff.

  11. Vgl. H. Michaelis (Anm. 4); Joseph Goebbels Tagebücher 1945, Hamburg 1977, S. 404; P. Gosztony (Hrsg.), Der Kampf um Berlin 1945 in Augenzeugenberichten, München 1 9852; H. Reim, Finale Berlin, Frankfurt 1980.

  12. Vgl. E. Kuby (Anm. 4), S. 36f.; H. Michaelis (Anm. 4), Bd. XXII, S. 3587 ff.

  13. Vgl. Völkischer Beobachter v. 31. 3. 1945 (Franz Oppenhoff galt als „landesverräterisches Subjekt"); s. jedoch: Aachener Nachrichten v. 2. 8. 1945 (Ober-bürgermeister Oppenhoff von drei Nazimeuchelmördern getötet); Goebbels Tgb. (Anm. 11), S. 438 f.

  14. Vgl. H. Michaelis (Anm. 4).

  15. Vgl. Goebbels Tgb. (Anm. 11), S. 80, S. 235, S. 332 f. (Ribbentrop) u. ö.

  16. Eine wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werdende Biographie Himmlers fehlt bis heute. Siehe H. Fraenkel/R. Manveil, Himmler, Hannover 1965. Allgemein: R. L. Koehl, The Black Corps, Madison 1983.

  17. Vgl. Anm. 16; ferner: L. Mosley, Göring. Eine Biographie, München 1975-, H. Fraenkel/R. Manveil, Hermann Göring, Hannover 1964.

  18. Vgl. Goebbels Tgb. (Anm. 11), S. 167, S. 183 u. ö.

  19. Vgl. Anm. 11; außerdem: H. Heiber, Goebbels Reden, Bd. 2, 1939–1945, Düsseldorf 1972.

  20. Vgl. u. a.: A Hillgruber, Der 2. Weltkrieg. Kriegsziele und Strategien der großen Mächte, Stuttgart 1982, S. 106 ff.; A Hitler, Mein Kampf, 1933 , S. 742.

  21. Vgl. H. Michaelis (Anm. 4), Bd. XXIII, S. 196 ff.; J. Toland, Das Finale. Die letzten Hundert Tage, München 1968, S. 409ff.

  22. Vgl. H. Michaelis (Anm. 4), Bd. XXIII, S. 225.

  23. Vgl. Goebbels Tgb. (Anm. 11).

  24. Archiv Institut für Zeitgeschichte (Fotokopie).

  25. Vgl. National Archives, Washington (Mikrofilm; Kopie im Bes. d. Verf.).

  26. Ebd.

  27. Vgl. R. Hansen, Das Ende des 3. Reiches. Die deutsche Kapitulation 1945, Stuttgart 1966, S. 109 ff.

  28. Vgl. auch H. Michaelis (Anm. 4), Bd. XXII, S. 214 ff. (Sprachregelung Ribbentrops v. 19. 1. 1945; Inst. f. Zeitgesch. (Fotokopie).

  29. Vgl. R. Hansen (Anm. 28), S. 85 ff.

  30. Vgl. H. -J. Ruhl, (Hrsg.), Neubeginn und Restauration. Dokumente zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland . 1945— 1949, München 1982, S. 121 ff.; s. ferner C. Kießmann und M. Overesch (Anm. 9).

  31. Vgl.den allgemeinen Überblick von: H. G. Dahms, Die Geschichte des 2. Weltkriegs, München — Berlin 1983 (mit umfassenden Literaturhinweisen).

  32. Vgl. A. S. Milward, Der Zweite Weltkrieg. Krieg, Wirtschaft und Gesellschaft 1939— 1945, München 1977, S. 309 ff.

  33. Vgl. H. -A Jacobsen, Der Weg zur Teilung der Welt. Politik und Strategie 1939— 1945, Koblenz — Bonn 1977, S. 103 ff.; K. D. Bracher, Europa in der Krise, Frankfurt 1979, S. 239ff.

  34. Vgl. A. Hillgruber (Anm. 21), S. 122 ff.

  35. Vgl. Vtoraja mirowaja voina. Kratkaja istorija, Der 2. Weltkrieg. Kurze Geschichte, Moskau 1984, S 293ff

  36. Vgl.'Anm. 35, 36 und 32.

  37. Ebd.

  38. Ebd.

  39. Vgl. R. Hansen (Anm. 28), S. 69ff.

  40. Vgl. K. D. Bracher/M. Funke/H. -A Jacobsen (Anm. 9), S. 97 ff. und 427 ff. (Beiträge u. a. von Jacobsen und Kettenacker). Außerdem: M. Steinert, Hitlers Krieg und die Deutschen, Düsseldorf — Wien 1970.

  41. Zum KZ-System allg.: Anatomie des SS-Staates, Bd. 2 (Beitrag von M. Broszat), München 19844, S. 108 ff.

  42. Vgl. R. Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Juden. Die Gesamtgeschichte des Holocaust, Berlin 1982. S. auch K. D. Bracher/M. Funke/H. -A. Jacobsen (Anm. 9), (Beiträge v. K. D. Erdmann und J. Arndt/W. Scheffler), S. 529 ff.

  43. Vgl. H. -A. Jacobsen (Hrsg.), „Spiegelbild einer Verschwörung", Stuttgart 1984, S. XVII ff.

  44. Ebd., S. 701 ff.

  45. Vgl. G. Ritter, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, München 1964, S. 430 ff.,

  46. Vgl. M. Overesch (Anm. 4), S. 579.

  47. Vgl. H. -A Jacobsen (Anm. 44), S. 759 ff. (VGH Urteil v. 19. 1. 1945).

  48. Vgl. H. -A. Jacobsen, Karl Haushofer. Leben und Werk, Boppard 1979, Bd. I, S. 431.

  49. Vgl. A. Leber (Hrsg.), Das Gewissen steht auf. 64 Lebensbilder aus dem deutschen Widerstand 1933— 1945, Berlin 1956, S. 160.

  50. Vgl. Bundesmin. für Vertriebene (Hrsg.), Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa, bearb. v. Th. Schieder, München 1984 (Nachdruck), (Band 1— 5); Versuch einer „Wertung": A M.de Zayas, Die Anglo-Amerikaner und die Vertreibung der Deutschen, München 1980.

  51. Vgl. Th. Schieder (Anm. 7), S. 6 ff.

  52. Vgl. C. Pilichowski, Es gibt keine Verjährung, Warschau 1980; J. K. Hoensch, Geschichte Polens, Stuttgart 1983, S. 279 ff.; M. Broszat, Zweihundert Jahre deutsche Polenpolitik, München 1963, S. 272 ff.

  53. Vgl. Anatomie des SS-Staates (Anm. 42), (Beitrag: Jacobsen, S. 137 ff.); Vtoraja mirowaja voina (Anm. 36), S. 248 ff.; Istorija vtoroj mirovoj voini 1939— 1945, Bd. 12: itogi i uroki (= Ergebnisse und Lehren), Moskau 1982, S. 141 ff.

  54. Vgl. die Potsdamer Vereinbarungen u. a. in: I. v. Münch (Hrsg.), Dokumente des geteilten Deutschland, Stuttgart 1968, S. 32 ff. (XIII:.... in an orderly and humane männer..."), ebd. S. 42. Zum Gesamtkomplex vgl. jetzt die Studie von A Tyrell, Die britische Deutschlandpolitik im Zweiten Weltkrieg 1939— 1945, Bonn 1985. S. auch: Potsdam und die deutsche Frage, Köln 1970 (Beiträge v. E. Deuerlein u. a.).

  55. Vgl. A. Tyrell (Anm. 55).

  56. Vgl. H. -A Jacobsen, The role of the Federal Republic of Germany in the World 1949— 1982; in: Ch. Burdick/H. -A. Jacobsen u. a. (Eds.), Contemporary Germany. Politics and Culture, Boulder and London 1984, S. 152ff.; A. Grosser, Das Deutschland im Westen, München — Wien 1985, S. 281 ff.

  57. Vgl.den zusammenfassenden Bericht in E. Maschke (Hrsg.), Die deutschen Kriegsgefangenen des Zweiten Weltkrieges, Bd. XV, München 1974. Populäre Darstellung: P. Carell/G. Böddeker, Die Gefangenen. Leben und überleben deutscher

  58. Vgl. H. -P. Schwarz, Die Ära Adenauer 1949 bis 1957 (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland), Stuttgart 1981, S. 273 ff.

  59. Vgl. E. Maschke (Anm. 58), S. 258 ff.; Aufzeichnungen des Verf. über das Leben in KG-Lagern des Kaukasus und der Ukraine (1945— 1949).

  60. Zur deutschen Frage: E. Schulz, Die deutsche Nation in Europa, Bonn 1982; H. -A. Jacobsen (Anm. 57), S. 174 f. Vgl. allgemein: J. Becker/A. Hillgruber (Hrsg.), Die Deutsche Frage im 19. und 20. Jahrhundert, München 1983.

  61. Vgl. allgemein: A Hillgruber (Anm. 21); H. G. Dahms (Anm. 32).

  62. Vgl. Th. Eschenburg, Jahre der Besatzung 1945— 1949 (Geschichte der Bundesrep. Deutschland), Stuttgart 1982, S. 281 ff.; J. H. Backer, Die Entscheidung zur Teilung Deutschlands. Amerikas Deutschlandpolitik 1943— 1948, München 1981.

  63. Vgl. A Hillgruber (Anm. 21), S. 156ff. (dort weiterführende Literatur).

  64. Vgl. A Tyrell (Anm. 55); R. Dallek, Franklin D. Roosevelt and American Foreign Policy, 1932— 1945, New York 1979, S. 485 ff.

  65. Vgl. Anm. 65.

  66. Vgl. Anm. 64; E. Weisenfeld, Frankreichs Geschichte seit dem Krieg, München 1980, S. 12 ff.

  67. Vgl. Anm. 65; W. A Harriman/E. Abel, In geheimer Mission. As Sonderbeauftragter Roosevelts bei Churchill und Stalin 1941— 1946, Stuttgart 1979; G. L. Weinberg, World in the Balance. Behind the Scenes of World War II, Hanover — London 1981, S. 27 ff.

  68. A Fischer, Die Sowjetunion in der Weltpolitik 1941— 1945, in: O. Hauser (Hrsg.), Weltpolitik II: 1939— 1945, Göttingen 1975, S. 74 ff.; J. K. Hoensch, Sowjetische Osteuropa-Politik 1945-— 1975, Düsseldorf 1977.

  69. Vgl.den Überblick: H. Wassmund, Grundzüge der Weltpolitik. Daten und Tendenzen von 1945 bis zur Gegenwart, München 1982.

  70. Ebd.; W. Benz/H. Graml (Hrsg.), Weltprobleme zwischen den Machtblöcken. Das Zwanzigste Jahrhundert, III, Frankfurt 1981, S. 334 ff.

  71. Ebd.

  72. Vgl. K. Hüfner/J. Naumann, Das System der Vereinten Nationen, Düsseldorf 1974.

  73. Vgl. Anm. 63.

  74. Vgl. A Buchan, Der Krieg in unserer Zeit, München 1968; A. Legault/G. Lindsey, Dynamik des nuklearen Gleichgewichts, Frankfurt 1973.

  75. Vgl. H. -A Jacobsen (Anm. 57); grundlegend: H. Haftendorn, Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955— 1982, Baden-Baden 1983.

Weitere Inhalte

Hans-Adolf Jacobsen, Dr. phil., o. Prof, und Direktor des Seminars für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn, geb. 1925. Veröffentlichungen u. a.: Zahlreiche Studien und Dokumentationen zur Geschichte des 3. Reiches und des 2. Weltkrieges (1956— 1985); Mißtrauische Nachbarn. Deutsche Ostpolitik 1919— 1970, 1970; Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 2 Bde, 1973/78; Von der Strategie der Gewalt zur Politik der Friedenssicherung, 1977; Der Weg zur Teilung der Welt. Politik und Strategie 1939— 1945, 1978; Karl Haushofer. Leben und Werk, 2 Bde, 1979; Bundesrepublik Deutschland und Volksrepublik Polen. Bilanz der Beziehungen (Mithrsg.), 1979; Nationalsozialistische Diktatur 1933— 1945. Eine Bilanz (Mithrsg.), 1983; Contemporary Germany (Mithrsg.), 1984; „Spiegelbild einer Verschwörung", 2 Bde, 1984.