I. Einleitung
Im Frühjahr 1984 sind die Fronten zwischen Südafrika und seinen Nachbarn in Bewegung geraten. Am 16. März unterzeichneten der südafrikanische Ministerpräsident Botha und Machel, Präsident der Volksrepublik Mozambique, feierlich einen „Vertrag über Nichtangriff und gute Nachbarschaft (Nkomati-Akkord)". Und wenige Wochen zuvor, am 16. Februar, vereinbarte Südafrika in der sambischen Hauptstadt Lusaka mit einem anderen sozialistisch-orientierten Frontstaat, der Volksrepublik Angola, eine Vereinbarung über Waffenstillstand und Rückzug seiner Truppen aus dem südlichen Angola
Die Weltöffentlichkeit hat auf diese Vereinbarungen, insbesondere auf den Vertrag von Nkomati, mit Überraschung, Erleichterung, aber auch Unsicherheit hinsichtlich ihrer längerfristigen Bedeutung für Krieg und Frieden im südlichen Afrika reagiert. Konnte man wirklich den Worten Bothas und Machels glauben, die den Vertrag vor den internationalen Medien als einen Durchbruch zum Frieden und einen Höhepunkt in der Geschichte des südlichen Afrika feierten? Dem aufmerksamen Beobachter blieb nicht verborgen, daß beide den Vertragsabschluß zu Hause als konsequente Fortsetzung und Erfolg ihrer früheren Politik darstellten.
Ein Jahr nach dem Abschluß des Vertrages ist anstelle der Friedenshoffnungen große Ernüchterung getreten. Zwar wurde die Zusammenarbeit zwischen Pretoria und Maputo auf dem Gebiet der Wirtschaft und Sicherheit verbessert und die direkten militärischen Übergriffe Südafrikas konnten beendet werden. Keinen Schritt näher jedoch ist man dem Ziel gekommen, das insbesondere Machel mit dem Vertrag verfolgt, nämlich Mozambique intern zu befrieden und damit die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Gesundung des Landes zu schaffen. Die Dissidentenbewegung RNM (Resistencia Nacional de Mocambique), auch RENAMO genannt, hat ihre gewaltsamen Anschläge und Sabotageakte im Lande nicht vermindert, sondern ausgeweitet. Bereits im Sommer 1984 wurde gemeldet, daß sie in neun oder zehn Provinzen des Landes aktiv Und nun auf dem Wege sei, die Hauptstadt zu isolieren. Jacinto Veloso, Minister im Präsidialamt für wirtschaftliche Angelegenheiten in Mozambique, hat daher im Dezember 1984 warnend zu verstehen gegeben, daß der Vertrag von Nkomati für Mozambique seine Existenzberechtigung verliere, wenn sich die Sicherheitslage nicht bessere und die Unterstützung der RNM von außen nicht zu Ende gehe
An der atlantischen Seite des südlichen Afrika, also in Angola und Namibia, sind die Entwicklungen ähnlich ernüchternd. Die mit Hilfe der amerikanischen Diplomatie herbeigeführten Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen Pretoria und Luanda haben nicht den erhofften Durchbruch zur Unabhängigkeit Namibias gebracht. Wohl aber haben die gewaltsamen Aktivitäten der früheren Befreiungsbewegung UNITA zugenommen. Nur wenige Wochen nach dem Abschluß der Waffenstillstandsvereinbarungen weitete die UNITA ihre Aktionen spektakulär aus und trug den Krieg in die größeren Städte Angolas. Selbst die in Nord-Angola liegende ÖlProvinz Cabinda wurde im Juli 1984 erstmals von Sabotage heimgesucht, obwohl das eigentliche Revier der UNITA im Süd-Osten Angolas liegt. Und — anders als vorgesehen — stehen südafrikanische Truppen auch heute noch nördlich der Grenze zu Namibia. Dieses militärische Erstarken der UNITA hat die Hoffnungen Washingtons zunichte gemacht, durch einen Waffenstillstand die klimatischen Voraussetzungen für einen schrittweisen Abzug der Kubaner und die Unabhängigkeit Namibias gemäß Resolution 435 der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) zu verbessern. Vielmehr haben sich die USA in dem von ihnen selbst hergestellten „linkage" zwischen Kubaner-Abzug und Unabhängigkeit Namibias verfangen. Nach etwas mehr als vier Jahren „constructive engagement" ist die Reagan-Administration einer Lösung nicht wesentlich näher als es die Europäer und die Carter-Regierung nach vier Jahren (1976— 1980) mit ihrem Versuch waren, Namibia ohne ein derartiges „linkage" aus der völkerrechtswidrigen Herrschaft Südafrikas herauszuführen.
Im Frühjahr 1985 stellt sich also nicht weniger dringlich als im Februar und März 1984 die Frage, welche weiterreichenden Ziele Pretoria im Rahmen seiner regionalen Außen-und Sicherheitspolitik mit diesen Vereinbarungen eigentlich verfolgt. Sind es Ziele, die tatsächlich ein friedlicheres Zusammenleben der Völker im südlichen Afrika erwarten lassen? Eindeutig wird sich diese Frage auch jetzt kaum beantworten lassen.
II. Veränderte Kräfteverhältnisse im südlichen Afrika
Die Außenpolitik aller Staaten zeichnet sich durch eine Interaktion externer und interner Determinanten aus. Das ist eine politikwissenschaftliche Grundeinsicht, die nicht weiter diskutiert werden muß. Will man im Hinblick auf das außenpolitische Vorgehen eines bestimmten Landes allerdings konkrete Aussagen machen, dann muß man das Mischungsverhältnis von externen und internen Bestimmungsgründen im einzelnen analysieren, was sich in der Regel als ein schwieriges Geschäft erweist.
Nicht so sehr in wirtschaftlicher, wohl aber in politischer — genauer genommen rassenpolitischer — Hinsicht wird die regionale Außen-und Sicherheitspolitik Pretorias in einem ganz ungewöhnlichen Maße von innenpolitischen Zielsetzungen determiniert. Das ist Folge des großen Machtgefälles, das zwischen Südafrika und seinen schwarzen Nachbar-staaten aus historischen und anderen Gründen besteht. Es erlaubt eine relativ ungehemmte Projektion von internen Problemen nach außen.
In den sechziger und siebziger Jahren schien es, als ob dieses Machtungleichgewicht durch das Auftreten internationaler Akteure in der Region, die weit mächtiger sind als die Republik Südafrika, ausbalanciert werden könnte. Die Sowjetunion und ihre Verbündeten sind hier natürlich an erster Stelle zu nennen. Die Umwandlung Mozambiques und Angolas in sozialistisch-orientierte Republiken Mitte der siebziger Jahre und die kubanisch-sowjetische Intervention im angolanischen Bürgerkrieg waren für das weiße Minderheitsregime in Südafrika aus diesem Grund so schockierende Ereignisse. Schien sich doch damit das Kräfteverhältnis in der Region, psychologisch noch mehr als militärisch, endgültig zuungunsten des weißen Minderheitsregimes zu verschieben. Angesichts der ideellen Schwäche und historischen Überlebtheit von Rassenpolitik war klar, daß nun nur noch eine mit größter Härte und Effizienz geführte Machtpolitik den Fortbestand dieses Regimes würde sichern können.
Aus der Sicht vieler am Fortbestand der weißen Vorherrschaft Interessierten — sie sind keineswegs nur in Südafrika zu finden — ist es ganz ohne Zweifel das besondere Verdienst von Ministerpräsident Botha, daß er und die Militärs genau dies erkannt und mit der „Total National Strategy" eine Strategie aufgebaut und energisch durchgesetzt haben, die ein Ende der weißen Minderheitsherrschaft zumindest in mittelfristiger Perspektive vereitelt hat. Hierbei kam ihnen die Tatsache zur Hilfe, daß die Sowjetunion und ihre Verbündeten sich heute in ganz Schwarzafrika in einer defensiven Lage befinden und größte Mühe haben, die Mitte der siebziger Jahre im südlichen Afrika erzielten Gelände-gewinne zu halten Gerade den Führern in den Frontstaaten ist klar — das Bewußtsein mancher westlicher Politiker in dieser Frage hinkt noch hinterher —, daß die östliche Option von zu geringer Substanz ist, als daß sie die regionale militärische Übermacht Südafrika entscheidend davon abhalten kann, ihre Vorstellungen mit einer Mischung von offener Gewalt, Subversion, wirtschaftlichem Druck und Diplomatie durchzusetzen. Trotz ihres gewaltigen Militärapparates muß also eine Supermacht hier einer nur regional bedeutenden militärischen Macht den Vortritt lassen, nicht zuletzt deswegen, weil sie in ihren globalen Aktionsmöglichkeiten durch eine andere Supermacht paralysiert wird. Ähnliches gilt aber auch umgekehrt: Die USA und ihre europäischen Verbündeten haben ebenfalls nicht vermocht, oder nicht entschieden genug gewollt, Südafrika von einer Destabilisierung der Nachbarstaaten abzuhalten. Zu berücksichtigen ist allerdings auch, daß sich die Hoffnungen der jungen Staaten auf eine, baldige gesellschaftliche und wirtschaftliche Konsolidierung nicht erfüllt haben. Dadurch besteht innenpolitisch eine beträchtliche Verunsicherung und Verwundbarkeit, die den Regierenden in Pretoria relativ viel Spielraum gibt, die betreffenden Regime unter Druck zu setzen.
Botha hat bei verschiedenen Gelegenheiten nicht den geringsten Zweifel daran gelassen, daß seine Politik auf einer derartigen Einschätzung der regionalen Machtverhältnisse beruht und daß er deswegen nicht daran denkt, sein weiteres Vorgehen von Forderungen der internationalen Gemeinschaft wesentlich beeinflussen zu lassen, zumindest so lange nicht, als sie nur verbal vorgetragen werden. Bei seinem Aufenthalt in Bonn im Juni 1984 hat er es in dieser Hinsicht nicht an Deutlichkeit fehlen lassen: „Dies ist unsere Region, und wir möchten eine stabilisierende Rolle spielen." Die Frage ist, welche Art von Stabilität er dabei im Sinne hatte.
III. Interne Bestimmungsfaktoren der Außen-und Sicherheitspolitik Pretorias
Deutlicher als alle seine Vorgänger hat Botha erkannt, daß die weiße Vorherrschaft in Südafrika auch intern nicht einfach in der alten Weise weitergeführt werden kann, wenn diese für die nächsten Jahre und Jahrzehnte eine Überlebenschance haben soll. Darauf zielte seine berühmte Aufforderung an die Weißen kurz nach seinem Amtsantritt: „adapt or die“.
Eine Mischung von „Reformschritten" im kleinen und Verhärtung in der großen Linie ist seitdem das Hauptcharakteristikum der unter ihm betriebenen Politik, oder — mit anderen Worten ausgedrückt — es geht nicht um Reform im Sinne von Beseitigung der weißen Vorherrschaft, sondern um deren Modernisierung — und Rationalisierung. In diesem Prozeß können einzelne Anpassungsmaßnahmen de facto durchaus auf eine Reform bisheriger Apartheid-Praktiken hinauslaufen, also diskriminierende Barrieren im Zusammenleben von Schwarz und Weiß abbauen. Das wichtigste Beispiel dafür ist die im Anschluß an den sogenannten Wiehahn-Report 1979 erlassene Gewerkschaftsgesetzgebung und damit zusammenhängende Entwicklungen im arbeitsrechtlichen Bereich. Diese, wenn man so will, überschießende Innentendenz von Bothas Modernisierungspolitik ist jedoch nicht gleichzusetzen mit einer auf die umfassende politische Beteiligung der schwarzen Bevölkerung gerichteten Reformpolitik. Das ist im Westen häufig nicht richtig erkannt worden.
1981 wurde Ministerpräsident Botha von dem Oppositionsführer Van Zyl Slabbert im Zusammenhang mit der Debatte über die Reform der Verfassung gefragt, ob das Selbstbestimmungsrecht der Weißen identisch sei mit ihrer Vorherrschaft. Botha antwortete darauf mit einem unzweideutigen: „In this country, yes!" Dieser Ausspruch Bothas, bis heute zweifellos der oberste Gesichtspunkt seiner Politik, erklärt, warum die alte Politik der „Grand Apartheid" unter ihm entschlossener denn je fortgeführt worden ist. Sie zielt auf die schrittweise Ausbürgerung der ca. 25 Millionen schwarzen Staatsbürger Südafrikas ab, um das Zahlenverhältnis zwischen Schwarz und Weiß grundlegend zu verändern. Vier Homelands, die Transkei, Bophuthatswana, Venda und die Ciskei sind bereits in die „Unabhängigkeit" entlassen worden. Das hatte für über acht Millionen schwarze Südafrikaner bittere Folgen: Über Nacht verloren sie ihre südafrikanische Staatsbürgerschaft und wurden zu „Ausländern", jedenfalls nach den südafrikanischen Gesetzen. Nur durch einen Besuch in Südafrika und durch Gespräche mit Schwarzen, die dieses Schicksal getroffen hat, läßt sich ermessen, welche Folgen diese Änderung häufig für ihren täglichen Lebenskampf hat.
Nach der Vorstellung Pretorias sollen weitere Homelands den vier genannten in die „Unabhängigkeit" folgen, mit dem Ziel, daß — wie der frühere Minister Conny Mulder es einmal gesagt hat — es am Ende dieses Prozesses keine schwarzen Südafrikaner mehr gibt. Die Frage ihrer vollen politischen Beteiligung hat sich dann ebenfalls „erledigt". Denn, wie es in der Diktion Pretorias heißt, die Schwarzen werden ihr „Selbstbestimmungsrecht" in den Homelands ausüben, obwohl diese nur ca.
13% des südafrikanischen Territoriums ausmachen, der Anteil der Schwarzen an der Gesamtbevölkerung aber über 70% liegt, und schon heute nach südafrikanischen Statistiken feststeht, daß auch dann die Schwarzen weiterhin zu über 50% im „weißen" Südafrika leben und zu mehr als 70% die Arbeiterschaft dieses Landes stellen werden.
Südafrika wird sich also in einen „Gastarbeiterstaat" gigantischen Ausmaßes verwandeln, von den wirtschaftlich desolaten und politisch despotischen Zuständen in einigen Homelands gar nicht zu reden. Komplettiert wird die Homeland-Politik durch die 1983/84 durchgeführte Verfassungsreform, das heißt die Kooptierung der ca. 2, 9 Millionen „Farbigen" und über 800 000 Asiaten in das politische System Südafrikas. Diese Verfassungsreform ist daher nicht als der erste Schritt in Richtung auf eine Integration aller Bevölkerungsgruppen Südafrikas zu beurteilen, sondern sie stellt die konzeptionelle Vervollständigung von Bothas Rassenpolitik dar. Die neue Verfassung ist so angelegt, daß diese beiden Gruppen weder alleine, noch zusammen mit der weißen Opposition die herrschende Nationale Partei majorisieren können.
Kein Zweifel also, daß sich die Lage der Schwarzen im Hinblick auf ihre politische Gleichstellung in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert hat. Zusätzlich zur immer schon bestehenden politischen Diskriminierung tritt nun der Verlust oder die Gefahr eines Verlustes der südafrikanischen Staatsbürgerschaft mit allen seinen schwerwiegenden Folgen. Die zwangsweise Umsiedlung schwarzer Familien, Gemeinden oder ganzer „townships" ist zweifellos dasjenige Element dieser Politik, das ihre verheerenden und unmenschlichen Auswirkungen am direktesten zum Ausdruck bringt. Mehr als drei Millionen sind ihr bereits zum Opfer gefallen, über zwei Millionen sollen noch folgen.
Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum Widerstand und Befreiungskampf der Schwarzen nicht ab-, sondern zugenommen haben. Bereits im Sommer 1976 setzten die Schüleraufstände in Soweto, die sich dann wie ein Flächenbrand in die meisten anderen schwarzen „townships" Südafrikas ausbreiteten, ein Fanal für eine neue Phase des Widerstandes. Zwar blieb die Regierung Herr der Lage, zahlreiche schwarze Jugendliche verließen jedoch das Land und schlossen sich den vom Exil aus operierenden Befreiungsbewegungen an, insbesondere dem „African National Congress (ANC). Zwei bis drei Jahre später dann, also Ende der siebziger Jahre, kam es zu einem kontinuierlichen Anstieg der bewaffneten Anschläge in Südafrika. Angesichts der Dauer der Ausbildung zum Guerilla-Kampf war dieser Zeitpunkt ungefähr voraussagbar. Ende 1981 bestätigte auch Verteidigungsminister Malan einen Zuwachs der Sabotage-Akte in Südafrika um 200% und stellte fest, daß neben dem Kampf der „South West African People's Organization" (SWAPO) eine zweite Guerilla-Front gegen Südafrika eröffnet worden sei. Aufsehen er-7 regten insbesondere die Anschläge auf die Kohle-Verflüssigungsanlagen SASOL I und II, den gut bewachten Koeberg-Reaktor sowie auf das Hauptquartier der Luftwaffe in Pretoria.
Obwohl diese Eskalation der Gewalt die weiße Vorherrschaft nicht unmittelbar gefährden konnte, löste sie bei den Regierenden und der weißen Bevölkerung in Südafrika — zusammen mit dem schon seit Beginn der siebziger Jahre energisch wiedererwachenden gewerkschaftlichen Aktivitäten — eine tiefe Verunsicherung hinsichtlich der Überlebensfähigkeiten des Apartheidsystems aus. Außenpolitische Entwicklungen in der Region verstärkten dieses Gefühl: Nachdem Mozambique und Angola Mitte der siebziger Jahre die portugiesische und Zimbabwe zu Beginn der achtziger Jahre die Herrschaft der britischen Siedler abgeworfen hatten, schloß sich der „Ring befreiter Staaten" um Südafrika. Gleichzeitig konnten Kuba, die Sowjetunion und die DDR ihre Präsenz im südlichen Afrika nachhaltig ausbauen. Das weiße Minderheitsregime sah eine zweite Welle der De-kolonisierung mit einer Intensität auf sich zukommen, die so nicht erwartet worden war.
IV. Botha und die Militärs: Modernisierung und Systematisierung der Verteidigung des weißen Minderheitsregimes
Gewiß ist es kein Zufall, daß Botha, der zuvor schon Verteidigungsminister war und den Militärs aus dieser Zeit sowohl persönlich als auch in ihrem technokratischen Denken eng verbunden ist, zu einem Zeitpunkt die Führung Südafrikas übernahm, als die Überlebensfähigkeit der weißen Minderheitsherrschaft ernsthaft in Gefahr zu geraten schien. Seine Politik der Modernisierung und Rationalisierung dieser Herrschaft stellte Sicherheitsfragen in den Mittelpunkt. „Total National Strategy", schon unter seinem Vorgänger Vorster in ersten Ansätzen konzipiert und implementiert, wurde nun zur obersten Maxime. Mit ihrer Hilfe sollte der „total onslaught of terrorism and communism" gegen Südafrika, sprich: gegen das weiße Minderheitsregime, abgewehrt werden. Das hat zwar nicht, wie manchmal vermutet wird, zu einem umfassenden und in seinen zeitlichen und taktischen Elementen genau abgestimmten „Meisterplan" Pretorias hinsichtlich der künftigen Gestaltung der südafrikanischen Innen-und Außenpolitik geführt. Wohl aber wurde, entweder in Fortführung oder in Modifizierung schon bestehender Sicherheitsstrategien, ein zumindest in seinen Grundzügen recht konsistentes Konzept zur Verteidigung der weißen Minderheitsherrschaft und ihres ökonomisch-sozialen Systems entwickelt und in die Tat umgesetzt.
Organisatorisch haben Botha und die Militärs zur Durchführung der „Total National Strategy" ein umfassendes „National Security Management System" aufgebaut. Seine obersten Leit-und Koordinationsstellen sind der „State Security Council (SSC)" und das ihm unterstellte Sekretariat unter General von Deventer. Die Entscheidungs-, Kontroll-, Koordinations-und Informationsmöglichkeiten des SSC reichen in praktisch alle Bereiche des gesellschaftlichen und staatlichen Zusammenlebens hinein, die für die Verteidigung des weißen Minderheitsregimes relevant sind oder in irgendeiner Weise relevant werden könnten. Das reicht von der Rüstungsindustrie und der Rüstungsbeschaffung bis hin zur Energiepolitik, Landwirtschaft und dem Erziehungswesen. Es ist naheliegend, daß die Errichtung eines derart umfassenden Systems einschneidende Veränderungen auf die Verfassungswirklichkeit Südafrikas hat und haben muß, ohne daß diese hier im einzelnen erörtert werden können. Nur soviel: Eine genaue Analyse der neuen Verfassung würde zeigen, daß sich der SSC mit seinen Funktionen relativ problemlos in die durch sie herbeigeführte Verschiebung der innenpolitischen Machtverteilung vom Parlament auf den Präsidenten und seine Berater einfügt. Bei der alten Verfassung war das nicht so ohne weiteres der Fall.
Auf der Basis dieses vor allem in der zweiten Hälfte der siebziger und Anfang der achtziger Jahre aufgebauten Systems wurde dann eine Sicherheitsstrategie entwickelt bzw.frühere Sicherheitsstrategien modifiziert, die sich durch eine äußerst konsistente Staffelung der Verteidigung des weißen Systems von innen nach außen auszeichnen:
1. Im inneren Kreis der Verteidigung, dem „weißen“ Südafrika, sollen die Bewohner — abgesehen von der Polizei — die Verteidigung selbst übernehmen, sowohl in den städtischen als auch in den ländlichen Gebieten. Sie stellen also gewissermaßen die erste Linie der Verteidigung dar. Angesichts ihrer begrenzten Personalstärke (1983 82 400 Mann) sind die Einheiten der SADF (South African Defense Force) lediglich als Reaktionsstreitmacht bei größeren Zwischenfällen und zur Verfolgung von Guerilla-Einheiten vorgesehen. Die südafrikanischen Militärs befürchten, daß die SADF bei einer anderen Aufgabenverteilung angesichts der vom ANC verfolgten Strategie des „area war", also einer Verteilung der Anschläge über das ganze Land, schnell überfordert wären.
2. Den ersten äußeren Verteidigungsring bilden die Homelands: Ein Blick auf die Landkarte läßt erkennen, daß sie das industrielle Kernland Südafrikas, den rohstoffreichen Witwatersrand, wie einen Ring umgeben. Militärisch war die Politik, die Homelands in die „Unabhängigkeit" zu entlassen, keineswegs unumstritten. Hat doch allein die Unabhängigkeit der Transkei, Bophuthatswanas, Vendas und der Ciskei die Grenzen Südafrikas um 4 930 km verlängert. Einige südafrikanische Sicherheitsexperten beurteilten es daher als gravierenden Fehler, die Verteidigung der südafrikanischen Grenzen in schwarze Hände zu legen. Botha und die Militärs haben sich diese Bedenken jedoch nicht zu eigen gemacht, da die Homelandpolitik eine Schlüsselfunktion in ihrem politischen Konzept zur „Lösung" der Rassenfrage hat Sie verlassen sich vielmehr darauf, daß die von ihnen eingesetzten und/oder bezahlten Homeland-Führer mangels Alternativen zwangsläufig die Sicherheitsstrategie Pretorias mittragen werden, die zusätzlichen Grenzen insofern keine Gefahr darstellen.
Die „Eliten" in den Homelands sind vom „weißen" Südafrika wirtschaftlich sowie im Hinblick auf ihre Sicherheit und ihr bloßes Überleben in einem solchen Maße abhängig, daß sie es sich nicht werden leisten können, Pretoria die Gefolgschaft aufzukündigen. Vielmehr bekämpfen sie ebenfalls den ANC, die „United Democratic Front (UDF)" und die unabhängigen Gewerkschaften, damit neben ihnen keine andere schwarze Macht aufkommt. (Dieser strukturelle Zwang gilt auch für Gatsha Buthelezi, Chief Minister von Kwazulu, auch wenn er seine Vorgehensweise subjektiv zweifellos entschieden im Gegensatz zur Apartheid-Politik Pretorias sieht.)
Bothas Homeland-Politik ist also ein klassisches Beispiel für eine in subtiler Weise strukturell angelegte Sicherheitspolitik, die die Notwendigkeit zu direkter militärischer Präsenz und Gewalt reduziert, ohne daß dies einen problematischen Verlust an sicherheitspolitischer Kontrolle über das „Vorfeld" zur Folge hat. Ihr krönendes Element ist der Abschluß von Nicht-Angriffspakten, wie mit den vier „unabhängigen" Homelands gleich nach ihrer Unabhängigkeit geschehen. Ein zusätzlicher Gewinn dieser Politik liegt darin, daß nun in den Homelands schwarze Militäreinheiten aufgestellt werden können, ohne daß die Schwarzen aus diesem „Wehrbeitrag" einen Anspruch auf Anerkennung voller staatsbürgerlicher Rechte in der Republik Südafrika begründen können. 3. Der zweite Verteidigungsring umfaßt die schwarzen Nachbarstaaten Südafrikas: Hier geht es Pretoria vor allem um zweierlei: Abwehr von Guerillas, soweit sie von außen einsickern, und Beendigung ihrer Unterstützung durch die Frontstaaten. Orientiert nicht zuletzt am Vorgehen Israels, wird zu diesem Zweck eine offensive Antiguerilla-Strategie verfolgt. Aufgrund dieser Strategie hat die SADF ihre militärischen Aktionen erst gegen Angola und später gegen Mozambique, Lesotho und andere Nachbarstaaten kontinuierlich ausgeweitet. Grundüberlegung der offensiven Antiguerilla-Strategie ist es, Angriffe von Guerillas nicht erst abzuwarten, sondern sie bereits auf ihren Infiltrationswegen sowie den Ausbildungs-und Ausgangslagern anzugreifen. General Geldenhuys, Chef der SADF, stellte dazu fest: „Cross border operations" seien für die südafrikanischen Streitkräfte „in terms of human lives" ungefähr zehnmal so kosteneffektiv wie „playing a waiting game".
Es geht jedoch um mehr. Die südafrikanischen Militärs haben die Fragen des Gueril9 lakrieges theoretisch und praktisch eingehend studiert. Sie wissen daher, daß es sich bei ihm nur bedingt um ein militärisches Problem handelt und daß ein lediglich militärisch ausgerichtetes „Containment" der Guerilla-Aktivitäten nicht ausreicht, um die politische Vorherrschaft der Weißen sicherzustellen.
•v Der Satz: Eine konventionelle Armee, die nicht gewinnt, verliert, — eine Guerilla-Armee dagegen, die nicht verliert, gewinnt, hat sich in der Geschichte Afrikas wiederholt als unerbittliche Wahrheit erwiesen.
Die strategische Schlußfolgerung aus dieser Erfahrung liegt auf der Hand und wurde von der politischen und militärischen Führung Südafrikas gezogen: Der ANC muß nicht nur militärisch, sondern auch politisch besiegt werden. Das bedeutet in erster Linie, daß er aus der Region eliminiert werden muß, und zwar mit Zustimmung der Nachbarstaaten. Dies war und ist das Hauptziel der Druck-und Destabilisierungspolitik Pretorias in den letzten Jahren. Vor allem folgende Instrumente wurden dabei eingesetzt: Erstens: direkte militärische Übergriffe auf Einrichtungen des ANC (bzw.der SWAPO in Angola) — aber auch auf andere Ziele — in den Nachbar-ländern; zweitens: Unterstützung, Ausbildung und Ausrüstung von Widerstands-und Dissidentengruppen wie der RENAMO, der „Lesotho Liberation Army (LLA)", der UNITA und der sogenannten Super-ZAPU (Zimbabwe African Peoples Union); drittens: Ausnutzung der großen wirtschaftlichen und infrastrukturellen Abhängigkeit der Nachbarstaaten von Südafrika, insbesondere auf dem Verkehrs-sektor.
Das Ziel einer Eliminierung des ANC aus der Region verband sich nahtlos mit einem weiteren Ziel Pretorias: die Regime in seiner Nachbarschaft schwach zu halten. Nach der Unabhängigkeit Zimbabwes 1980 und angesichts der großen Popularität, die das dort gefundene Modell in den westlichen Ländern als Vorbild auch für Südafrika genoß, kam man in Pretoria zu der Entscheidung, daß starke und funktionierende schwarze Regime in unmittelbarer Nachbarschaft eine Gefahr für den eigenen Herrschaftsanspruch darstellen. Der internationalen Forderung nach einer schwarzen Mehrheitsherrschaft in Südafrika mußte durch mehr oder weniger miserable Realitäten schwarzer Machtausübung in den Frontstaaten der Boden entzogen werden. Deren in der Tat vielfältig interne Probleme bieten Pretoria reichlich Ansatzpunkte, in diesem Sinne tätig zu werden.
V. Bothas Vision einer Konstellation: Stabilität durch Hegemonie?
Zweifellos wird die Sicherheitsstrategie Südafrikas heute weit subtiler und wirkungsvoller umgesetzt als in früheren Jahrzehnten. Die starke Hinwendung zu einem Denken, das sich nicht an alttestamentarischen Ideologien, sondern an technokratischen Kosten-, Nutzen-und Rationalitätskriterien orientiert, hat dazu maßgeblich beigetragen. Es ist kein Zufall, daß Botha sich mit einem halben Dutzend Militärs in führenden Positionen umgeben hat, die sich durch große Professionalität im technokratisch-strategischen Denken auszeichnen
Diese Effizienz kann jedoch zwei strukturelle Schwächen der Sicherheitsstrategie Südafrikas nicht beseitigen. Ähnlich wie die israelischen Streitkräfte haben die südafrikanischen in den letzten Jahren wegen ihrer „Blitzkriegfähigkeit", d. h.der Fähigkeit, begrenzte militärische Aktionen durch energisches Vorgehen sowie gezielten Mitteleinsatz in relativ kurzer Zeit erfolgreich durchführen zu können, zwar großes Renommee erworben. Die alte Schwäche jedoch, daß sich die SADF wegen ihrer begrenzten Mannschaftsstärke unter keinen Umständen auf länger andauernde militärische Auseinandersetzungen mit mehreren Nachbarländern zugleich einlassen darf, ist geblieben. Das verbindliche Waffen-embargo des Sicherheitsrates der VN vom Oktober 1977 hat diesen Imperativ in gewisser Weise noch verstärkt, obwohl die eigene Rüstungsindustrie unter staatlicher Leitung gewaltig ausgebaut wurde (ARMSCOR). In bestimmten, für eine erfolgreiche offensive Kriegführung jedoch entscheidenden Bereichen (Großwaffen und Elektronik, insbesondere bei der Luftwaffe) ist der Nachschub bei einem länger andauernden Konflikt nicht gesichert. Verschiedene der von der SADF eingesetzten Flugzeug-und Hubschraubertypen sind überaltert, ohne daß geklärt ist, wie sie ersetzt werden sollen. Außerdem kollidiert die Destabilisierungsstrategie mit dem grundlegenden Interesse der südafrikanischen Wirtschaft und verschiedener einflußreicher multinationaler Unternehmen an Stabilität und funktionierenden Infrastrukturen in den Nachbarstaaten. Denn genau gegen diese Infrastruktur haben sich die Anschläge der RNM und UNITA in erster Linie gerichtet, um die Wirtschaft und damit die Regime der betreffenden Länder zu schwächen.
Botha kann und will diese Interessen der Wirtschaft an funktionierenden Märkten in Schwarzafrika nicht ignorieren. Zwar haben Sicherheitsfragen im Rahmen von „Total National Strategy" oberste Priorität. Daran hat Botha mit seinem 1979 öffentlich dargelegten 12-Punkte-Plan keinen Zweifel gelassen. Aber natürlich wissen er und die Militärs, in welch hohem Grade ihre Strategie langfristig von einer funktionierenden Wirtschaft abhängig ist. Und außerdem sind die Wirtschaft und ihr Management, die ja ebenfalls oder mehr noch als die Militärs an einem technokratischen Effizienz-und Kosten-Nutzen-Denken orientiert sind, neben diesen zu einem tragenden Pfeiler der unter Botha entstandenen „pragmatischen Oligarchie" zur Modernisierung der weißen Vorherrschaft geworden. In verschiedenen großangelegten Konferenzen mit den Wirtschaftsführern, insbesondere der „Carlton-II-Konferenz" im Oktober 1981, hat Botha zwar deutlich gemacht, daß die Bewahrung der weißen Vorherrschaft der oberste Gesichtspunkt seiner Politik ist und bleiben wird, daß er jedoch — mehr als seine Vorgänger — um die Wichtigkeit der Interessen der Wirtschaft weiß und sie in seine Überlegungen einbezieht.
Schon bald nach seiner Amtsübernahme wurden daher Pläne entworfen, mit denen man diese grundlegenden Widersprüche der südafrikanischen Regionalpolitik in den Griff bekommen wollte. Angelehnt an Gedanken aus der Vorster-Zeit machte Außenminister Botha in einer Rede in Zürich im März 1979 die internationale Öffentlichkeit erstmals mit dem Konzept einer „Constellation of States in Southern Africa (CONSAS)" vertraut. Dieses Konzept hörte sich sehr ambitioniert an. Sieben bis zehn Staaten südlich des Sambesi und Kunene-Flusses sollten Mitglieder von CON-SAS werden. Obwohl CONSAS vor allem als ein Zusammenschluß „gemäßigter", von einem gemeinsamen Bewußtsein der „kommunistisehen Gefahren" im südlichen Afrika geprägter Regime gedacht war, wurde die Mitgliedschaft von sogenannten marxistischen Staaten nicht prinzipiell ausgeschlossen. Diese sollten willkommen sein unter der Bedingung, daß sie die „existierenden Gegebenheiten" im südlichen Afrika akzeptierten — mit den „existierenden Gegebenheiten" war eindeutig das weiße Minderheitsregime in Südafrika gemeint. Genau dazu waren die Front-staaten jedoch nicht bereit und lehnten CON-SAS ab. Statt dessen verkündeten sie wenig später ihren eigenen Zusammenschluß in der „Southern African Development Coordination Conference (SADCC)".
In seinen Ausführungen zu CONSAS wies Botha schon Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre immer wieder darauf hin, daß der Abschluß von Nicht-Angriffspakten ein wichtiger Bestandteil dieses Konzepts sei. Und Ende 1980 ließ er nicht mehr den geringsten Zweifel darüber bestehen, daß es für die Nachbarstaaten nur einen Weg gebe, Südafrika zur Aufgabe seines Drucks und seiner Vergeltungsmaßnahmen zu bewegen, nämlich die offizielle Beendigung der Unterstützung der Guerilla des ANC und die Bereitschaft zu einer engen Kooperation mit Südafrika auf dem Gebiet der Wirtschaft und Sicherheit, vertraglich fixiert in Nicht-Angriffspakten. In seiner Neujahrsbotschaft 1984 verschärfte er diese Drohung noch einmal. Er warnte alle Nachbarstaaten, die noch „Terroristen" beherbergten, Südafrika habe bei weitem noch nicht von allen Waffen Gebrauch gemacht, die es zum Einsatz bringen könnte. Aus die-11 sem Grunde läge es in ihrem Interesse, sich für den Weg der Zusammenarbeit mit Südafrika zu entscheiden Im März 1984 wurde dann der Vertrag mit Mozambique abgeschlossen; bei seiner Unterzeichnung verkündete Botha feierlich: „Ich habe die Vision (Sperrg. vom Verf.) vor mir, wie die Nationen des südlichen Afrika miteinander Zusammenarbeiten in allen Bereichen menschlichen Bemühens — eine wirkliche Konföderatiori (constellation) von Staaten, die auf der Basis des wechselseitigen Respekts für das Wohl aller zusammenarbeiten."
Dieser Satz Bothas wurde von südafrikanischen und internationalen, einschließlich den bundesdeutschen Wirtschaftsführern mit großer Zustimmung begrüßt. Angesichts ihres Interesses an einer Verbesserung der Rahmenbedingungen für ihre Investitionen und Handelsbeziehungen im südlichen Afrika ist diese Zustimmung nicht verwunderlich; jedoch enthält sie ein beträchtliches Maß an Kurzsichtigkeit. Denn mit dieser Zustimmung unterstützen sie, wenn gleichzeitig auch nicht beabsichtigt, eine Politik, die viele von ihnen — zumindest offiziell — ablehnen, nämlich die Homeland-Politik und die damit einhergehende Ausbürgerung aller Schwarzen. Fälschlicherweise wird das Konstellations-Konzept von ihnen, ebenso wie von zahlreichen westlichen Politikern, lediglich als ein Instrument zur Verbesserung der wirtschaftlichen Kooperation im südlichen Afrika gesehen. Botha jedoch hat nie einen Hehl daraus gemacht, daß er mit CONSAS nicht nur Kooperation auf dem Gebiet der Wirtschaft und Sicherheit anstrebt, sondern mit seiner Hilfe das grundlegende politische Problem des „weißen" Südafrika lösen will: die Anerkennung der Rassenpolitik, insbesondere der Homeland-Politik durch die schwarzen Nachbarstaaten. Mit anderen Worten: Die Konstellation und mit ihr die Nicht-Angriffspakte sind ein Instrument zur Absicherung der weißen Vorherrschaft in Südafrika. Die städtischen Schwarzen würden, so Botha 1980, an der Konstellation nicht über Südafrika, sondern auf dem Weg über ihre „Nationalstaaten", also die Homelands, partizipieren
Zweifellos ist Botha mehr als alle seine Vorgänger entschlossen, das „weiße“ Südafrika auf diesem Wege aus seiner Isolierung herauszuführen. Und anders als in der Vergangenheit soll dies nicht mehr in erster Linie über die westlichen Hauptstädte, sondern über die der Frontstaaten erreicht werden. Brand Fourie, südafrikanischer Botschafter in Washington und graue Eminenz der südafrikanischen Diplomatie, sagte im März 1984: „Der Weg unserer Anerkennung führt durch Afrika!" Hier hat also eine folgenreiche Gewichtsverlagerung im außenpolitischen Vorgehen Pretorias stattgefunden. Sowohl Schwarzafrika als auch der Westen haben das erst relativ spät bemerkt.
VI. Zum Inhalt des Vertrags von Nkomati
Die offizielle Bezeichnung des Nkomati-Vertrags vom 16. März 1984 zwischen der Republik Südafrika und Mozambique als NichtAngriffspakt ist irreführend. Mit der Nicht-Angriffsproblematik im üblichen Sinne, also der Erklärung des beiderseitigen Verzichts auf aggressiven Einsatz der Streitkräfte der einen oder anderen Vertragspartei im Konfliktfalle, befaßt sich der Vertragstext nur unter anderem. Sein eigentliches Anliegen ist die Verhinderung von wechselseitiger „SubVersion" und „Einmischung in die internen Angelegenheiten" des anderen Staates. Hiermit befassen sich gut zwei Drittel der Bestimmungen des Abkommens. Tatsächlich handelt es sich bei ihm also um eine Anti-Subversions-Vereinbarung.
In den meisten Pressemitteilungen wurden besonders zwei Aspekte des Vertrages herausgestellt: Zum einen seine sicherheitspolitische Bedeutung, nämlich die Tatsache, daß beide Seiten sich nicht nur verpflichtet haben, sogenannten „terroristischen" und „subversiven" Elementen keinerlei Unterstützung mehr dabei zu gewähren, daß sie vom Territorium der einen Vertragspartei aus gewaltsame Aktionen im Lande der anderen durchführen, sondern insoweit auch eine effektive Kontrolle auszuüben. Kurz nach der Unterzeichnung des Vertrages mußten dementsprechend ungefähr 800 Mitglieder des ANC auf Geheiß der FRELIMO-Führung das Land verlassen. Und Südafrika schickte 1 000 Guerilla der von ihr bisher unterstützten RENAMO (Resistencia Nacional de Mocambique, auch:
RNM) über die Grenze nach Mozambique, angeblich allerdings in voller Bewaffnung Entspricht diese Meldung den Tatsachen, dann hat Pretoria sich gleich nach der Unterzeichnung eines schwerwiegenden Vertragsbruchs schuldig gemacht. Maputo hat Pretoria jedoch nicht in diesem Sinne angeklagt.
Bei der Kontrolle der Guerilla-Bewegungen geht der Vertrag so weit, daß auch . Akte der Propaganda" (Artikel 5), Sendungen von Radiostationen (Artikel 3, Ziff. 2f) etc., die gewaltsamen Widerstand im Lande des anderen aktivieren könnten, verhindert werden müssen. Bei genauerem Hinsehen werfen diese und andere Bestimmungen für die Regierung in Maputo weitreichende Fragen auf, zum Beispiel im Hinblick auf die Mitgliedschaft Mozambiques im „Liberation Committee" der Organisation für Afrikanische Einheit (OAE)
sowie auf eine Zustimmung zu Resolutionen in der GV der VN, die den bewaffneten Kampf in Südafrika und seine Unterstützung von außen ausdrücklich für zulässig erklären.
Beides dürfte mit Geist und Wortlaut des Vertrages kaum vereinbar sein, und Maputo muß damit rechnen, daß Pretoria eines Tages hier in diesem Sinne vorstellig wird.
Der Vertrag von Nkomati geht in seiner politischen Bedeutung weit über Sicherheits-und * Wirtschaftsfragen hinaus. In seinem Mittelpunkt steht die Frage der politisch-rechtlichen Legitimität des gegenwärtigen Systems in Südafrika und seiner Politik einerseits und der Delegimitierung der Unterstützung des Widerstands und Befreiungskampfes der schwarzen Bevölkerung andererseits, eben wie es das Ziel der Konstellationsstrategie ist. Wenige Tage nach Unterzeichnung des Nkomati-Vertrages erklärte Louis Nel, stellvertretender südafrikanischer Außenminister, öffentlich: „Wenn die marxistische Regierung Mozambiques bereit ist, uns als legitimen Verhandlungspartner zu akzeptieren, warum sollte dann noch irgend jemand anderes versuchen, uns zu boykottieren?"
Mit dem Vertrag von Nkomati ist es dem weißen Minderheitsregime also erstmals gelungen, gegenüber einem Frontstaat — und einem sozialistisch-orientierten sowie in Sachen anti-rassistischer Befreiungskampf als besonders engagiert geltenden zudem — seine Auffassung vertraglich durchzusetzen, daß Südafrika nicht nur als Staat legal, sondern daß das gegenwärtige Regime im Prinzip auch legitim sei und daher eine äußere Unterstützung des Widerstandes gegen dieses Regime als eine subversive und illegale Einmischung in die internen Angelegenheiten dieses Landes zu beurteilen ist. Das hat für die Behandlung des Widerstandes und der Befreiungsbewegungen rechtlich weitreichende Folgen — Folgen, die von den Regierenden in Maputo möglicherweise nicht in ihrer ganzen Tragweite gesehen worden sind. Chester A Crocker, Undersecretary of State für African Affairs in der Reagan-Regierung und maßgeblich am Zustandekommen des Vertrages beteiligt, hat auf diese Folgen jedoch nachdrücklich hingewiesen. Er sagte, daß Nkomati einen Durchbruch darstelle hinsichtlich der Anwendung von OAE-Prinzipien auf das südliche Afrika
Um die Tragweite dieser Feststellung ermessen zu können, muß man wissen, daß er damit vor allem das Nicht-Einmischungsgebot meinte und daß dieses Gebot wegen der ethnischen Vielfalt in den afrikanischen Ländern und den daraus resultierenden Konflikten in Afrika besonders strikt angewandt wird. Nach der fast einhelligen Auffassung aller OAE-Mitglieder ist es aber eben gerade nicht auf den nationalen, anti-kolonialen und anti-rassistischen Befreiungskampf im südlichen Afrika anzuwenden. Denn bei der Apartheid handele es sich nach internationalem Konsens nicht lediglich um eine „tribalistische" Problematik, sondern um ein „Verbrechen gegen die Menschheit", wie es in den Resolutionen der GV der VN heißt.
Dementsprechend ist die internationale Gemeinschaft aufgerufen, den Kampf gegen dieses System mit allen Kräften zu unterstützen, auch soweit er mit gewaltsamen Mitteln geführt wird. Die Qualifikation der Rassenpolitik Pretorias als Verbrechen gegen die Menschheit stellt zwar nicht die Staatlichkeit Südafrikas in Frage, wie manchmal irrtümlicherweise behauptet wird, wohl aber die Legitimität des herrschenden Regimes in Sachen Rassenpolitik. Dementsprechend ist in diesem Punkte auch die Unterstützung von schwarzem Befreiungsbewegungen und Widerstandsgruppen in Südafrika völker keine -rechtswidrige Einmischung in die internen Angelegenheiten dieses Landes. Das ist jedenfalls der Konsens zwischen den meisten Staaten der Dritten Welt, dem Ostblock, und den skandinavischen Ländern. Die westlichen Industriestaaten haben sich ihm immer nur mit Einschränkungen angeschlossen, vor allem, was die Legitimität des bewaffneten Kampfes betrifft.
Der Vertrag von Nkomati hingegen bringt also entsprechend der Äußerung von Crocker im Grunde eine Gleichstellung der Rassen-problematik mit den ethnischen Problemen Schwarzafrikas. Allerdings unterließ Crocker es in seinem Interview, mit ausreichender Deutlichkeit herauszustellen, daß diese im Nkomati-Vertrag kodifizierte Auffassung entsprechend völkerrechtlichen Grundsätzen nur „inter partes" Gültigkeit hat. Andere Staaten und die internationale Gemeinschaft müssen sich ihr also nicht anschließen.
Die Ausgestaltung des Abkommens in diesem Sinne mußte den Mozambiquanern von den Südafrikanern in den Verhandlungen jedoch nur bedingt aufgezwungen werden. Die FRE-LIMO selbst hatte ein überragendes Interesse daran, einen hinsichtlich der Einmischungsfrage „wasserdichten" Vertragstext zu formulieren, um so die Aktivität der RNM durch ein Abschneiden der südafrikanischen Unterstützung austrocknen zu können. Das war Machels wichtigstes Ziel. Denn nur so bestand und besteht Aussicht, Mozambique aus einer katastrophalen wirtschaftlichen Lage herauszuführen. Er signalisierte Pretoria deswegen schon 1982 seine Bereitschaft zu einem Vertragsabschluß. Diese Bereitschaft herbeizuführen war genau das strategische Ziel der südafrikanischen Destabilisierungspolitik. Naturgemäß hat diese Tatsache in den Darstellungen Machels nach Abschluß des Vertrages keinen Platz gehabt. Taktik oder Überzeugung — er hat es vorgezogen, den Vertrag als einen Sieg der konsequenten sozialistischen Politik der FRELIMO zu feiern. Diese Haltung wird verständlicher, wenn man weiß, daß Machel wohl tatsächlich der Über-zeugung ist, daß in Südafrika unter Botha eine Reformpolitik im Sinne eines schrittweisen Abbaus der weißen Vorherrschaft und einer zunehmenden politischen Beteiligung der schwarzen Bevölkerung geführt wird. Außerdem hat er von niemandem, weder aus dem Osten, aus Europa, den USA, noch aus Schwarzafrika eine derart durchschlagende Hilfe gegen den südafrikanischen Druck erhalten, daß er eine andere Wahl gehabt hätte, als den Vertrag zu unterschreiben. Und immerhin wurde den Südafrikanern, möglicherweise mit Hilfe der USA, die Konzession einer semi-diplomatischen Präsenz des ANC in Maputo, bestehend aus ca. zehn Personen, abgehandelt. Ihr Bewegungsspielraum ist allerdings minimal, wenn Mozambique den Vertrag strikt einhalten will.
VII. Der Vertrag von Nkomati — ein Modell auch für die anderen Nachbarstaaten Südafrikas?
Gelungen ist Pretoria der Ausbruch aus der Isolierung durch die Frontstaaten allerdings erst dann, wenn weitere Länder dem Beispiel Mozambiques folgen (der zwei Jahre lang geheimgehaltene Nicht-Angriffspakt mit Swa-ziland, das nicht zu den Frontstaaten gehört, ist in dieser Hinsicht nur von geringer Bedeutung). Von strategischer Bedeutung sind jedoch Angola und Zimbabwe, auch wenn sich der Druck Pretorias erst einmal auf die bei-B den schwächeren Länder Lesotho und Botswana konzentriert hat. Beide haben diesem Druck bisher widerstanden und sind dem Wunsch Pretorias nach dem Abschluß eines offiziellen Paktes nicht nachgekommen, obwohl sie — ebenso wie Zimbabwe — im Hinblick auf die Unterstützung des ANC bereits seit einiger Zeit eine Haltung einnehmen, die weitgehend identisch ist mit den Regelungen des Nkomati-Vertrages. Da, wie sie glaubwürdig versichern, von ihnen keine militärische Gefährdung Südafrikas ausgehe, bestehe jedoch kein Grund, Nicht-Angriffspakte abzuschließen. Und bezüglich der längerfristigen Auswirkungen des Konstellationskonzepts sagte der verstorbene Präsident Botswanas, Seretse Khama, schon 1979 bei der Gründung von SADCC: „We would be bandled together with Bantustans".
Werden die Frontstaaten diese Ablehnung angesichts der Entschlossenheit Pretorias, die Beziehungen im südlichen Afrika neu zu ordnen, durchhalten können? Eine umfassende Antwort kann darauf in diesem von seinem Umfang her relativ begrenzten Beitrag nicht gegeben werden. Auf einige in dieser Hinsicht bemerkenswerte Entwicklungen soll jedoch kurz hingewiesen werden:
Vergleicht man die Kommuniques der jährlich mindestens einmal stattfindenden Treffen der Präsidenten der Frontstaaten, dann läßt sich in dem Kommunique von 1984 im Vergleich zu denen von 1983 und 1982 ein deutliches Entgegenkommen gegenüber Pretoria bei der Behandlung des Befreiungskampfes verzeichnen. Zum einen werden friedliche Methoden des Wandels in Südafrika wieder stärker in den Vordergrund gestellt, zum anderen wird nachdrücklich Wert gelegt auf die Feststellung, daß der Kampf der schwarzen Südafrikaner „innerhalb (Hervorhebung vom Verf.) ihres eigenen Landes" stattfinden müsse. An der Unterstützung des bewaffneten Befreiungskampfes hält dieses Kommunique im Gegensatz zum Nkomati-Vertrag jedoch im Prinzip noch fest.
Ein Wanken in der Position der Frontstaaten ist seit Frühjahr 1984 auch in den Äußerungen einiger ihrer führenden Politiker zu erkennen. Präsident Kaunda von Sambia deutete, wenn auch keineswegs in Übereinstimmung mit allen anderen Frontstaatenpräsidenten, nur wenige Tage nach der Bekanntgabe der Waffenstillstandsvereinbarungen zwischen Angola und Südafrika im Februar 1984 an, welche weitreichenden Veränderungen er sich in dieser Hinsicht noch vorstellen kann, wenn es zu einer Lösung der Namibia-Frage komme. Er sagte, daß die „unabhängigen afrikanischen Staaten erwartungsvoll dem Zeitpunkt entgegensehen, an dem sie Südafrika in der OAU-Konferenz, der Konferenz zur Koordinierung der Entwicklung im südlichen Afrika (SADCC)... willkommen heißen können, sobald Südafrika bewiesen hat, daß es mit dem Abzug seiner Truppen aus Angola und mit der Gewährung der Unabhängigkeit an Südwestafrika ehrliche Absichten verfolgt" Und sowohl Präsident dos Santos von Angola als auch Sam Nujoma, Führer der SWAPO, ließen in Interviews im Herbst 1984 durchblicken, daß sie bereit wären, den Rassenkonflikt in Südafrika als interne Angelegenheit Pretorias zu behandeln, wenn es zu einer vernünftigen Lösung der Namibia-Frage käme Eine gewisse Müdigkeit im Hinblick auf eine aktive Unterstützung des südafrikanischen Befreiungskampfes ist also in den Frontstaaten unübersehbar.
Seit diesen Erklärungen haben die Zweifel der Frontstaatenführer an den „ehrlichen Absichten" Pretorias jedoch wieder zugenommen, und sie äußern dies auch öffentlich. Die mozambiquanische und angolanische Regierung sollen bei einem Treffen Ende 1984 beschlossen haben, gegenüber Pretoria wieder eine entschiedenere Haltung einzunehmen, da sich die Erwartungen im Zusammenhang mit dem Nkomati-Vertrag und der Lusaka-Vereinbarung nur unzureichend erfüllt hätten. Und schon zuvor hatte Jacinto Veloso, wie eingangs erwähnt, die Warnung ausgesprochen: „Wenn die Anschläge der Banditen nicht aufhören, wird Nkomati in Gefahr sein."
VIII. „Regierungen der Nationalen Einheit" — Instrumente der Einflußsicherung Pretorias in die Nachbarstaaten:
Wie ist zu erklären, daß die Aktivitäten der RNM nach dem Abschluß des Nkomati-Vertrages nicht zurückgegangen sind, sondern zugenommen haben? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist schwer zu geben, da große Unklarheiten sowohl im Hinblick auf den politischen Charakter der RNM, das Ausmaß ihrer Unterstützung in der mozambiquanischen Bevölkerung als auch die Quellen ihrer auswärtigen Unterstützung bestehen. Nicht zuletzt ist diese Unklarheit darauf zurückzuführen, daß die RNM das Produkt einer schwer zu durchschauenden „Grauzone" der internationalen Politik ist — einer Zone, in der sich politische und wirtschaftliche Aspirationen interner und externer Akteure, Aktivitäten von Geheimdiensten der unterschiedlichsten Länder, illegaler internationaler Waffenhandel und Kriminalität, die sich, politisch maskiert, auf eigenartige Weise miteinander verquicken und ihre ambitiösen Spiele treiben. Licht in diesen Bereich zu bringen, ist schwierig. Einige Hinweise mögen an dieser Stelle genügen:
Aufgebaut wurde die RNM vom rhodesischen Geheimdienst zur Zeit des Smith-Regimes im Kampf gegen die überwiegend von Mozambique aus operierende zimbabwische Befreiungsbewegung ZANU, die später unter Robert Mugabe zur Regierungspartei in Harare wurde. Ähnlich wie Südafrika in Namibia konterte die rhodesische Führung also den schrittweise eskalierenden Befreiungskampf mit einer Destabilisierung desjenigen Landes, das den Guerillas Hilfsmittel zur Verfügung stellte. Als Zimbabwe unabhängig wurde, wurde die RNM rechtzeitig von den südafrikanischen Geheimdiensten übernommen.
Man stellte ihr ein Hauptquartier und Lager in Südafrika zur Verfügung und machte sich daran, die militärische Ausbildung sowie die Qualität ihrer Ausrüstung zu verbessern. Das wirkte sich bald praktisch aus. Ab 1981, begannen sich die Sabotageanschläge der RNM in Mozambique kontinuierlich auszuweiten und ließen eine vorher nicht gekannte Professionalität erkennen. Letzteres hing vereinzelt auch mit dem direkten Einsatz südafrikanischer Kommandos zusammen.
Heute sind die Guerilla-und Sabotageeinheiten der RNM angeblich auf etwa 15 000 Mann angewachsen. Mit großer Sicherheit stellen die von Südafrika ausgerüsteten und ausgebildeten Rebellen weiterhin ihren harten Kern dar. Im Gegensatz zu f 000 Mann angewachsen. Mit großer Sicherheit stellen die von Südafrika ausgerüsteten und ausgebildeten Rebellen weiterhin ihren harten Kern dar. Im Gegensatz zu früher dürften sie gegenwärtig aber bei Teilen der mozambiquanischen Bevölkerung über einen gewissen Rückhalt verfügen. Schwerwiegende Fehler der FRELIMO in der Landwirtschaftspolitik, insbesondere die bevorzugte Behandlung der Staatsfarmen im Verhältnis zu den kleinbäuerlichen Familienbetrieben, haben auf dem Lande zu großer Desillusionierung über die Politik der FRELIMO geführt. Die Slogans der RNM fallen daher nicht mehr auf unfruchtbaren Boden und die Hungersnot treibt ihnen „Freiwillige" als Guerilla in die Arme.
Zahlreiche Beobachter sind sich darüber einig, daß der RNM unverändert auswärtige Unterstützung zufließt 14). Abwürfe von Versorgungsgütern bei nächtlichen Flügen nicht-gekennzeichneter Flugzeuge, Anlandung von Waffen an der Küste sowie Nachschub durch fremde Hubschrauber wurden gemeldet. Ein hochrangiges Mitglied der RNM, das sich aus Südafrika absetzte, erklärte Ende 1984 öffentlich, daß Südafrika den Nkomati-Vertrag systematisch verletze, 15). Die mozambiquanische Regierung nahm lange Zeit davon Abstand, die südafrikanische Regierung direkt des Vertragsbruchs zu beschuldigen. Am 25. Dezember 1984 soll Machel die südafrikanische Regierung jedoch bei einer öffentlichen Veranstaltung außerhalb Maputos erstmals des Vertragsbruchs angeklagt haben
Im Hinblick auf die Vertragstreue Südafrikas bestehen nun zwei Möglichkeiten: Entweder diese Unterstützung findet, soweit sie von südafrikanischem Territorium ausgeht, tatsächlich ohne Wissen und Zustimmung der Südafrikanischen Regierung statt. Das war eine weitverbreitete Auffassung in den Wo-« chen und Monaten nach Abschluß des Nkomati-Vertrages. Heute, ein Jahr später, erscheint sie wenig überzeugend. Denn wie eingangs dargelegt und von dem Südafrikaner Geldenhuys in seiner umfangreichen Analyse der südafrikanischen Außenpolitik erneut bestätigt, ist die Kontrolle der politischen und militärischen Führung Südafrikas im Sicherheitsbereich inzwischen so gut durchorganisiert und zentralisiert, daß es praktisch ausgeschlossen ist, daß private Gruppen ohne zumindest die Duldung, wenn nicht sogar die Zustimmung Pretorias die RNM längere Zeit unbemerkt mit Waffen versorgen können
Die Zeitschrift Africa Confidential ist sich deswegen auch ziemlich sicher, daß der Geheimdienst der südafrikanischen Militärs (SAMI) mehr oder weniger direkt in diese Aktivitäten verwickelt ist. Chef des SAMI ist General Pieter van der Westhuizen, der zu Ministerpräsident Bothas engerem Berater-kreis gehört
Jedoch stiftet der „portugiesische Flügel" im Hinblick auf die südafrikanischen Verantwortlichkeiten einige Verwirrung. Bei ihm handelt es sich um Gruppen, die entweder in Südafrika oder in Portugal angesiedelt sind und die darauf hoffen, durch eine Machtübernahme der RNM Besitzstände zurückzuerobern, die durch die Unabhängigkeit Mozambiques verlorengegangen sind.
Insgesamt sprechen verschiedene Indizien dafür, daß portugiesische, südafrikanische und andere Gruppen heute mit Pretoria bei der Unterstützung der RNM ein arbeitsteiliges Spiel betreiben. Das ist nach dem Eindruck des Verfassers auch die vorherrschende Auffassung unter amerikanischen Südafrikaexperten. Für Pretoria stellt diese Arbeitsteilung sicherlich eine schwierige Gratwanderung dar. Denn es gilt, diese Gruppen im Sinne der strategischen Zielsetzungen Südafrikas unter Kontrolle zu halten. Das dürfte insbesondere im Hinblick auf den „portugiesischen Flügel" mit seinen restaurativen Zielsetzungen einige Schwierigkeiten berei-ten. In jüngster Zeit fehlt es daher von südafrikanischer Seite auch nicht an Warnungen, daß die von Südafrika mit Nkomati verfolgten Ziele nicht durch die RNM gefährdet werden dürfen.
Folgt man dieser These von einem im großen und ganzen arbeitsteiligen Vorgehen, dann stellt sich zwangsläufig die Frage: Welches Interesse kann Pretoria daran haben, ein Vertragswerk so sehr in Schwierigkeiten zu bringen, dessen Erfolg eine wichtige Prestigefrage nicht nur für Machel, sondern auch für die eigene Politik ist? Zweierlei läßt sich in dieser Hinsicht anführen:
Verträge können in sehr unterschiedlicher Richtung interpretiert werden, je nachdem, wer in Maputo regiert. Zweifellos wäre es für Pretoria günstig, in dieser Hinsicht einen direkten Hebel zu haben, indem die FRELIMO in eine andere als die gegenwärtige Macht-und Regierungsstruktur eingebunden wird. Und genau darauf laufen die Forderungen der RNM hinaus. Denn ihr reicht es nicht, in die gegenwärtige Struktur unter Führung der FRELIMO einbezogen zu werden — so das Angebot Machels —, sondern sie verlangt ein grundsätzliches „power sharing“. Das klingt in westlichen Ohren nach mehr Demokratie und Stabilität; nach den bisherigen Erfahrungen in Schwarzafrika mit Mehrparteien-Systemen kann man jedoch mit großer Sicherheit davon ausgehen, daß es nicht mehr, sondern weniger Stabilität bedeuten würde, jedenfalls für die nächsten Jahre. Südafrika, das bei einem Zusammentreffen von Vertretern der FRELIMO und der RNM in Pretoria am 3. Oktober 1984 bereits offiziell als Vermittler tätig geworden ist, würde daher fast zwangsläufig in die Rolle eines Garanten für die innenpolitische Stabilität Mozambiques hineinrücken. Die im Anschluß an das Zusammentreffen von Außenminister Botha verlesene Erklärung sieht dementsprechend vor, daß südafrikanische Truppen einen Waffenstillstand von FRE-LIMO und RNM überwachen sollen.
Eine derartige Garantenstellung Pretorias ist Voraussetzung, damit Bothas hegemoniale Konstellationsvorstellung Wirklichkeit werden kann. Zwar stellt der Nkomati-Vertrag in dieser Hinsicht einen Durchbruch dar. Er erfüllt aber keineswegs alle Forderungen Pretorias an die schwarzen Nachbarstaaten, vor al17 lern nicht die für Bothas Rassenpolitik langfristig wichtigste, nämlich die Anerkennung der Homeland-Politik und die damit einhergehende Ausbürgerung der Schwarzen. Machel hatte während und nach dem Vertragsabschluß keinen Zweifel daran gelassen, daß er nicht gewillt ist, diesen Schritt zu tun. Die Politik Pretorias gegenüber den sogenannten BLS-Staaten (Botswana, Lesotho, Swasiland) in den letzten Jahren läßt aber keinen Zweifel daran, daß Pretoria eine derartige Anerkennung bereits jetzt zu einem wichtigen Element seiner regionalen Politik gemacht hat.
Bei der Forderung nach einer „Regierung der Nationalen Einheit" geht es also weniger um mehr Einheit in Mozambique, als um mehr Einfluß für Südafrika. Das wird auch deutlich, wenn man sich Pretorias Politik gegenüber Namibia und Angola anschaut. Hier werden „Regierungen der Nationalen Einheit" von Botha und den Militärs nahestehenden Institutionen schon seit langem gefordert, sind jedoch kein offizieller Verhandlungsgegenstand bei den Gesprächen mit der Kontakt-gruppe bzw.den USA hinsichtlich einer Verwirklichung der VN-Resolution 435. Außenminister Botha hat vielmehr betont — insoweit einer amerikanischen Sprachregelung folgend —, daß die südafrikanische Regierung sich nicht in die internen Angelegenheiten Angolas einmischen und um die Differenzen zwischen der UNITA und der MPLA kümmern sollte. Durch die Herstellung eines „linkage" zwischen der Unabhängigkeit Namibias und dem Abzug der kubanischen Truppen aus Angola hat Südafrika jedoch einen Hebel erhalten, um die Behandlung dieses Punktes dennoch zu erzwingen — ohne offen seine Zusage hinsichtlich einer Verwirklichung der Resolution 435 zu brechen (die Resolution 435 koppelt die Unabhängigkeit Namibias weder mit dem Abzug der Kubaner noch mit einer Aussöhnung zwischen UNITA und MPLA). Durch eine Ausweitung der Unterstützung für die UNITA kann Pretoria den Abzug der Kubaner praktisch unmöglich machen und dadurch Fortschritte in der Namibia-Frage blockieren bzw. eine Einbeziehung der UNITA unumgänglich machen. Genau das — also eine Ausweitung der Unterstützung für die UNITA — ist aber nach vorherrschender Ansicht passiert.
Machel und dos Santos haben, wie erwähnt, erneut bekräftigt, daß sie auf keinen Fall gewillt sind, im Hinblick auf RNM und UNITA nachzugeben. Was aber können sie tun? Angola ist in dieser Hinsicht sicherlich in einer besseren Lage als Mozambique, trotz der durch die lange kriegerische Auseinandersetzung in weiten Teilen des Landes völlig zerrütteten Wirtschaft, vor allem im Süden. Die Sowjetunion ist weiterhin bereit, der MPLA Waffen, auch modernen Typs, im großen Umfang zu liefern; dies nicht zuletzt deswegen, weil die MPLA aufgrund der Deviseneinkommen aus dem Erdöl in der Provinz Cabinda in der Lage ist, in harter Währung zu bezahlen. Allerdings — und darüber sind sich die Regierenden in Luanda wohl völlig im klaren —, solange der Konflikt um Namibia und damit die südafrikanische Unterstützung der UNITA weitergeht, ist an einen wirtschaftlichen Aufbau des Landes nicht zu denken. Wie stark die UNITA ohne südafrikanische Unterstützung sein wird, ist offen. Sie kann politisch sicher auf eine bedeutendere Tradition zurückblicken als die RNM.
Fast aussichtslos erscheint dagegen die Lage Machels. Er ist heute der südafrikanischen Übermacht noch stärker ausgeliefert als vor Abschluß des Nkomati-Vertrages. Zwar erhält er in größerem Umfang Wirtschaftshilfe von westlichen Ländern, insbesondere von den USA Beides reicht jedoch nicht annähernd aus, eine Wende im Hinblick auf die Aktionen der RNM herbeizuführen. Und es erscheint so gut wie sicher, daß die Mozambique vom State Department kürzlich versprochene Militärhilfe in Höhe von 1, 15 Mio US-Dollar nicht die Zustimmung des amerikanischen Kongresses erhält. Machel bleibt daher nur die Hoffnung, daß Pretoria sich eines Tages entschließt, energisch gegen die RNM und die sie unterstützenden Gruppen vorzugehen, um Nkomati als leuchtendes Beispiel seiner „Friedenspolitik" im südlichen Afrika vorführen zu können, zumal in den USA die öffentliche Meinung immer kritischer gegenüber der Politik des „weißen" Südafrika wird. Machel setzt seine Hoffnungen also zu Recht auf ein in dieser Hinsicht für die südafrikanische Politik bestehendes Dilemma. Vorerst sind die südafrikanischen Führer aber sehr eindeutig in ihren Feststellungen, daß sie sich nicht zum „Spielball" von Meinungen und Tendenzen in den USA zu machen gedenken. Denn aus ihrer Sicht handelt es sich hier um grundlegende Fragen der dauerhaften Sicherung der weißen Vorherrschaft, die eine sehr harte machtpolitische Gangart verlangen. Erst Taten der Regierung in Washington und ihrer europäischen Verbündeten werden daran etwas ändern können, nicht jedoch lediglich Stimmungen in den USA.
Möglicherweise wird Machel sich also — das Datum ist ungewiß — genau zu dem Schritt veranlaßt sehen, den er mit dem Nkomati-Vertrag vermeiden wollte, nämlich daß er — vermittelt von Pretoria — die RNM direkt an der Machtausübung in Maputo beteiligen muß. Entschließt er sich dazu nicht, dann bestehen drei Möglichkeiten:
Erstens, er kehrt in eine enge Bindung zum Ostblock zurück und ruft kubanische und sowjetische Truppen zur Hilfe. Sehr wahrscheinlich ist eine derartige Entwicklung jedoch vor allem aus zwei Gründen nicht: Moskau würde einem solchen Hilferuf vermutlich nicht nachkommen, da die dabei auftretenden militärischen Risiken sowohl im Verhältnis zu Südafrika als auch den USA in keinem Verhältnis zum Gewinn stehen. Zudem ist man mit Afghanistan, Äthiopien und Angola reichlich „ausgelastet". Und Machel seinerseits weiß, daß ein derartiger Hilferuf ihn kei-nen Schritt weiter bei der wirtschaftlichen Konsolidierung des Landes bringt.
Zweitens, Pretoria entschließt sich, Machel mit einem massiven Truppeneinsatz gegen die RNM zumindest in den südlichen Teilen des Landes zur Hilfe zu kommen. Dieser Entschluß wäre Folge einer nicht zuletzt von Washington beeinflußten Einsicht Südafrikas, daß die Rettung des Nkomati-Modells wichtiger als die Teilhabe der RNM an der Regierungsmacht in Maputo ist. Obwohl wahrscheinlicher als das erste Szenarium, werden sich die südafrikanischen Militärs nicht leichten Herzens zu einem solchen Eingreifen entschließen.
Drittens, Machel und die FRELIMO entschließen sich zur Rückkehr in den Busch, um von dort aus in der Tradition des Befreiungskampfes den Kampf gegen eine von Südafrika unterstützte RNM-Regierung aufzunehmen. Vor allem bei mozambiquanischen Militärs, die mit dem Nkomati-Vertrag nicht einverstanden waren, soll es vor seinem Abschluß derartige Überlegungen gegeben haben. Die geschichtliche Erfahrung spricht nicht dafür, daß sich eine einmal inthronisierte Regierung zu einem derartigen Schritt entschließt. Es wäre jedoch vermessen, in dieser Hinsicht aus europäischer Perspektive eine endgültige Aussage machen zu wollen.
IX. Ausblick
Die Analyse der südafrikanischen Außen-und Sicherheitspolitik hat zumindest andeutungsweise gezeigt, daß Pretoria in der Region — und dies schon seit einigen Jahren — eine Doppelstrategie verfolgt, bestehend aus Druck-und Destabilisierungspolitik gegen Nachbarstaaten einerseits und Bereitschaft zu Verhandlungen andererseits. Diese Verhandlungsbereitschaft ist jedoch im großen und ganzen nicht Ausdruck von Konzessionen oder Konzessionsbereitschaft, sondern ein fester Bestandteil der Strategie zur Verteidigung des weißen Minderheitsregimes, also von „Total National Strategy". Daran haben maßgebliche, den südafrikanischen Militärs nahestehende Experten nie einen Zweifel gelassen: „Verhandlungen sind ein integraler Bestandteil gerade einer indirekten Strategie." Dieser Stellenwert von Verhandlungen für Pretoria ist von einem Teil der westlichen Berichterstattung und Politik nie verstanden worden, mit der Folge, daß häufig falsche und viel zu optimistische Voraussagen hinsichtlich eines erfolgreichen Abschlusses der Namibia-Verhandlungen gemacht wurden. Es war Verteidigungsminister Malan, der 1982 öffentlich darauf hinwies, daß man sich in der Namibia-Frage nicht unter Zeitdruck setzen, sondern auf eine für Südafrika dauerhafte Lösung hinarbeiten wolle. Dieser Standpunkt gilt unverändert. Ein weiterer Punkt wird im Westen des öfteren nicht mit ausreichender Klarheit gesehen:
Die sehr unterschiedliche Vorstellung, welche die Südafrikaner einerseits und die meisten im Westen andererseits mit dem Begriff der Stabilität im südlichen Afrika verbinden.
Schon vor einiger Zeit haben zwei amerikanische Kenner der südafrikanischen Politik, Michael Clough und Robert Price, dazu kritisch angemerkt: „Das Problem der Reagan-Admi• nistration ist..., daß sie südafrikanische Absichten wahrscheinlich grundlegend verkennt ... Südafrika ist zwar an regionaler Stabilität interessiert, aber an einer ganz besonderer Art. Es sucht eine Stabilität unter Bedingungen, die das System der weißen Vorherrschaft garantieren." Die vorliegenden Ausführungen zu Bothas Konstellationskonzept bestätigen das Urteil der beiden Amerikaner. CONSAS ist ein Korsett, in das die Region auf der Ebene der zwischenstaatlichen Beziehungen gezwungen wird, unter dem jedoch Unruhe, Eruptionen von Gewalt und andere Instabilitäten nicht weniger virulent sein werden als in der Vergangenheit.
Auch in Pretoria wird man sich inzwischen eingestehen müssen, in welch großem Ausmaße diese Feststellung zutrifft. Denn die Sicherheitspolitik der letzten Jahre ist nicht nur eine Geschichte der Erfolge. Mittelfristig ist die Machtbasis des weißen Minderheitsregimes zwar gestärkt worden Schnell verpufft sind jedoch die psychologischen Auswirkungen des Nkomati-Vertrages, auf die Pretoria gehofft hatte. Intern ist der Widerstands-wille der Schwarzen nicht erlahmt, obwohl viele von ihnen Nkomati als eine schwere Niederlage empfinden; die Protestaktionen haben sich mit unerwarteter Breite und Intensität ausgedehnt: „Man kann sich kaum an ein Jahr erinnern, in dem die südafrikanischen Autoritäten die Lage weniger unter Kontrolle hatten."
Diese eindeutige Ablehnung der Politik Bothas hatte international weitreichende Folgen und entwertete Nkomati zusammen mit den fortgesetzten Aktionen der RNM in Mozambique in kurzer Zeit als „Friedensmodell". Insbesondere in den USA mobilisierte sie eine im Hinblick auf Südafrika und die Erfolglosigkeit von „constructive engagement" bereits sehr empfindliche Stimmung. Nobelpreisträger Bischof Tutu wurde zur Symbolfigur und verstärkendem Bindeglied zwischen dem Widerstandswillen in Südafrika und den Frustrationen in den USA.
Das ist eine für die Politik Pretorias gefährliche Entwicklung, und sie wird auch als solche erkannt. Wohl nie zuvor hat sich die mit der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg kämpfende südafrikanische Wirtschaft so deutlich gegen grundlegende Elemente der Rassenpolitik (Ausbürgerung, Zwangsumsiedlung, Paßgesetze etc.) ausgesprochen, nicht zuletzt, um die Folgen des Kennedy-Besuchs zu neutralisieren und einer in den USA laufenden Disinvestment-Kampagne den Boden zu entziehen. Trotz dieses taktischen Elements hat sie damit öffentlich eine Position eingenommen, an der man ihre künftigen Worte und Taten messen wird. Und selbst Botha sah sich veranlaßt, in seiner Eröffnungsrede 1985 vor dem Kapstadter Parlament hinsichtlich des Umgangs mit der schwarzen Bevölkerung konstruktivere Töne anzuschlagen. Anders als die Wirtschaft hat er dabei jedoch wohlweislich an keine Grundlinie seiner Politik gerührt. Vorerst hoffen er und seine Berater mit einiger Sicherheit noch darauf, daß es sich bei der anti-südafrikanischen Stimmung in den USA nur um eine zeitweilige Gefühlsaufwallung handelt, die man wie einen Hagelschauer über sich ergehen lassen muß. Bleibt Südafrika in den USA jedoch ein Thema mit praktischen Konsequenzen und steigen die führenden europäischen Mächte einschließlich der Bundesrepublik in dieses Boot mit ein, dann wird man in Pretoria über Kurskorrekturen nachdenken.