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Die Osthandelspolitik des Westens: Konsens und Konflikt | APuZ 5/1985 | bpb.de

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APuZ 5/1985 Thesen zur politischen Ökonomie, der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen Ost-West-Handel: Entwicklung, Interessenlagen, Aussichten Die Osthandelspolitik des Westens: Konsens und Konflikt Die Ost-West-Finanzbeziehungen nach der Krise 1981— 1983

Die Osthandelspolitik des Westens: Konsens und Konflikt

Hanns-Dieter Jacobsen

/ 33 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, die Folgen der teilweise stürmischen innerwestlichen Auseinandersetzungen hinsichtlich der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen zu analysieren. Zwischen 1980 und 1982 hat es wiederholt Versuche der USA gegeben, durch die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen ihre Ablehnung der sowjetischen Invasion in Afghanistan und des sowjetischen Drucks auf Polen zu unterstreichen. Derartige Maßnahmen wurden von den Westeuropäern nicht nur deshalb mit Zurückhaltung aufgenommen, weil sie von deren Erfolglosigkeit überzeugt waren, sondern auch abgelehnt, weil sie die eigenen wirtschaftlichen und politischen Prioritäten im Verhältnis zu den östlichen Staaten empfindlich zu stören begannen. 1982 kam es zu einer Zuspitzung des transatlantischen Konfliktes in diesem Bereich und schließlich — am 13. November 1982 — zu einem Kompromiß, entsprechend dem die USA sich bereit erklärten, die Sanktionen gegen die Erdgaspipeline von Sibirien nach Westeuropa aufzuheben, wenn gleichzeitig die Westeuropäer sich bereit erklärten, die Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen. Diese Prüfung — sie wurde in Studiengruppen verschiedener internationaler Organisationen wie der OECD, der IEA der NATO sowie des COCOM durchgeführt — ist mittlerweise weitgehend abgeschlossen. Der erzielte Konsens erweist sich jedoch als sehr zerbrechlich, weil es nicht gelang, die grundlegenden Differenzen über den Ost-West-Handel auszuräumen. Aus diesem Grund ist es durchaus möglich, daß z. B. hinsichtlich der Verhängung von politisch motivierten wirtschaftlichen Sanktionen, hinsichtlich der extraterritorialen Anwendung amerikanischer Gesetzgebung und hinsichtlich der zukünftigen wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit der westeuropäischen Staaten mit den USA neue Schwierigkeiten entstehen können.

Die Jahre 1980 bis 1982 waren gekennzeichnet von zunehmenden Auseinandersetzungen zwischen den westeuropäischen Ländern und den USA über den Stellenwert der Wirtschaftsbeziehungen im sich verschlechternden Verhältnis zwischen Ost und West. Vor allem nach der Amtsübernahme Präsident Reagans im Januar 1981 spitzten sich die Auseinandersetzungen zu, weil in den USA sich zunehmend konservative Kräfte durchsetzten, die die wirtschaftlichen Beziehungen zu den kommunistisch regierten Staaten und insbesondere zur UdSSR als militärisch schädlich, politisch gefährlich und sogar als unmoralisch ansahen.

Von den Kritikern der vorherigen amerikanischen und auch der Ostwirtschaftspolitik anderer westlicher Industriestaaten wurden vor allem folgende Punkte hervorgehoben

— Die UdSSR habe in einigen Bereichen militärischer Ausrüstungen eine Führungsposition errungen. Diese Entwicklung sei nur durch den Technologietransfer des Westens möglich gewesen, und zwar dadurch, daß die UdSSR und andere östliche Staaten nicht nur für zivile Zwecke importierte Maschinen und Ausrüstungen im militärischen Bereich verwendet, sondern auch ihre Anstrengungen verstärkt hätten, Technologie illegal zu importieren

In diesen Beitrag sind Forschungsergebnisse eingeflossen, die der Autor im Rahmen von Projekten der Deutschen Gesellschaft für Friedens-und Konfliktforschung (DGFK) und der Stiftung Volkswagenwerk erarbeitet hat.

UdSSR, DDR, CSSR (Kategorie I)

2 5 Jahre 5— 8, 5 Jahre Alle anderen osteuropäischen Länder einschl. Jugoslawien (Kategorie II) 2— 5 Jahre 5— 8, 5 Jahre 12, 15 12, 40 10, 35 10, 70 13, 35 13, 60 11, 55 11, 90 Quelle: Business Eastern Europe vom 10. August 1984

I. Die Zuspitzung des Konfliktes

— Der Westen finanziere einen wesentlichen Anteil der sowjetischen Importe durch teilweise subventionierte Kredite, finanziere also selbst die gegen ihn gerichtete Aufrüstung. — Der Westen lasse zu, daß die UdSSR und Osteuropa über Wissenschaftleraustausch, die Überlassung von technischen Materialien und Dokumenten etc. Informationen sammeln könnten, die sich militärisch nutzen lassen Hierdurch würde den USA und dem Westen insgesamt ein Schaden in Milliardenhöhe zugefügt werden; die USA und ihre Verbündeten verkauften — wie Lenin es sich hätte kaum träumen lassen — der UdSSR nicht nur den Strick, an dem man sie dann aufhängen werde sondern subventioniere diesen Verkauf auch noch mit Mitteln westlicher Steuerzahler Vor allem richteten sich die Widerstände der Amerikaner gegen das Erdgas-Röhren-Geschäft einiger europäischer Länder mit der UdSSR Die von der amerikanischen Regierung gegen das Geschäft vorgebrachten Vorbehalte konzentrierten sich insbesondere auf zwei Bereiche: zum ersten auf die zu erwartenden enormen Einnahmen der UdSSR an harten Devisen, zum anderen auf befürchtete Abhängigkeiten der Westeuropäer von sowjetischen Erdgaslieferungen. Mit dem Abschluß des Geschäftes verband sich die generelle amerikanische Befürchtung, daß Westeuropa sich nicht nur in eine ökonomische, sondern auch politische Abhängigkeit begeben und damit politisch erpreßbar werde, vielleicht sogar „finnlandisieren" lasse.

Die Westeuropäer hielten diese Befürchtungen wenn nicht für unberechtigt, so doch für äußerst übertrieben. Hinsichtlich des Erdgas-Röhren-Geschäftes hoben sie z. B. die Notwendigkeit hervor, ihre generelle Energieabhängigkeit durch Energieeinfuhren auch aus der UdSSR zu diversifizieren. Bei voller Aufnahme der Lieferungen würde der sowjetische Anteil an den westeuropäischen Energieimporten nicht mehr als 5 % betragen. Tatsächlich wird als eine Folge des Überangebots von Energie auf den internationalen Märkten von den ursprünglich geplanten 40 Mrd. m 3/Jahr nur etwas mehr als die Hälfte nach Westeuropa geliefert; außerdem hat die UdSSR wegen der gesunkenen Energiepreise Einkommenseinbußen hinnehmen müssen. Von den Westeuropäern wurde weiterhin darauf verwiesen, daß es hier einen Gasverbund sowie Vorratslager geben würde. Und schließlich wurde betont, daß die Deviseneinnahmen der UdSSR aus dem Gasgeschäft ihre geringer werdenden Einnahmen aus den Olexporten ersetzen sollten. Diese Einnahmen seien nicht zuletzt deshalb wichtig, weil sie den Ost-West-Handel mit nicht strategischen Waren, also auch mit amerikanischem Getreide, mitfinanzieren würden.

Die Westeuropäer beließen es nicht bei diesen auf das Erdgas-Röhren-Geschäft bezogenen Argumenten, sondern äußerten auch ge-nerelle Vorbehalte gegen die Auffassungen der amerikanischen Regierung, die sehr viel mehr — als es die Europäer tun — den Wirtschaftsbeziehungen als unmittelbar einsetzbares Instrument hohes Gewicht beimißt.

Wie sich im Fall Afghanistans Anfang 1980 und nach der Verkündung des Kriegsrechtes in Polen im Dezember 1981 erneut zeigte, verbanden die USA mit der Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber der UdSSR die Erwartung, daß die Sowjetunion ihr politisches Verhalten ändern würde. Zumindest verstanden sie diese Sanktionen als Ausdruck ihrer Ablehnung des sowjetischen Verhaltens.

Demgegenüber haben die westeuropäischen Regierungen und auch die der Bundesrepublik Deutschland durchgängig kaum etwas von wirtschaftlichen Sanktionen als Mittel der Ostpolitik gehalten; die wenigen Male in den fünfziger und sechziger Jahren, als mit Sanktionsverhängungen gegenüber kommunistisch regierten Staaten politische Ziele erreicht werden sollten, waren wenig erfolgreich und bestärkten die nachfolgenden Regierungen eher noch in dieser Grundhaltung Gerade ein Land Wie die Bundesrepublik (und das gilt für die meisten europäischen Staaten und Japan gleichermaßen), das — im Unterschied zu den USA — von einem funktionierenden Außenhandel abhängig ist, kann es sich grundsätzlich nicht leisten, die Außenwirtschaftsbeziehungen unmittelbar als ein Mittel der Außenpolitik einzusetzen, weil die dann unweigerlich erfolgenden Störungen das ohnehin empfindliche wirtschaft-liehe Gleichgewicht im Innern erheblich beeinträchtigen können.

Dieser generelle Aspekt außenpolitischen und -wirtschaftlichen Verhaltens seit Beginn der Ostpolitik Ende der sechziger Jahre wird ergänzt durch eine spezifische Komponente im Verhalten gegenüber der UdSSR und den anderen osteuropäischen Staaten einschließlich der DDR: Die Bundesrepublik hat immer versucht, unter Berücksichtigung grundlegender sicherheitspolitischer Erwägungen, wie sie etwa im 1949 gegründeten „Coordinating Committee" (COCOM) der NATO praktiziert werden (kein Export von Waffen, Munition, Rüstungsmaterial, Kernenergieausrüstungen und weiteren militärisch wichtigen Waren) die osteuropäischen Länder und die UdSSR in ein Geflecht internationaler Wirtschaftsbeziehungen einzubinden, um wechselseitige Verantwortlichkeiten zu schaffen, Aggressionspotentiale abzubauen und moderierende Kräfte in diesen Ländern freizusetzen. Außerdem bemühte sie sich, die Auswirkungen der deutschen Teilung für die Bürger der DDR erträglicher zu machen und den Status von Berlin zu sichern.

Auch die anderen westeuropäischen Länder wie Frankreich, Großbritannien und Italien haben die politische Instrumentierung von wirtschaftlichen Beziehungen zu den östlichen Staaten in Form von Sanktionen in der Regel abgelehnt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen Frankreich z. B. hat auch nach Mitterands Regierungsantritt im Frühjahr 1981 — obwohl die ideologischen Auseinandersetzungen der Linksunion mit den Positionen der sowjetischen Kommunisten zunahmen — darauf bestanden, die Wirtschaftsbeziehungen aus der Ost-West-Konfrontation herauszuhalten. Sogar nach der Verkündung des Kriegsrechtes in Polen, als die USA ihrerseits auf das Erdgas-Röhren-Geschäft zielende wirtschaftliche Sanktionen gegen die UdSSR verhängten haben französisehe Firmen mit Unterstützung ihrer Regierung ein Abkommen über die Lieferung von sowjetischem Erdgas nach Frankreich abgeschlossen. Auch in Großbritannien existiert ein alle Parteien und Interessengruppen umfassender historisch gewachsener Konsens darüber, daß der Handel mit dem Osten nicht als wirtschaftliches Druckmittel gegenüber diesen Staaten eingesetzt werden sollte. Zwar vertritt die gegenwärtige konservative Regierung politische Positionen, die derjenigen der Reagan-Administration nahe stehen, sie scheint jedoch nicht bereit zu sein, sich hinsichtlich der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen sehr weit von der Haltung ihrer europäischen Partnerländer zu entfernen.

Besonders deutlich wurde diese britische Haltung, als die amerikanische Regierung am 18. Juni 1982 die Sanktionen gegenüber der UdSSR auf amerikanische Tochterunternehmen und auf amerikanische Lizenznehmer im Ausland ausdehnte Ebenso wie die französische weigerte sich auch die britische Regierung, den extraterritorialen Zugriff der amerikanischen Gesetzgebung zu akzeptieren. Die französische und die britische Regierung zwangsverpflichteten die betroffenen Firmen zur Lieferung bzw. forderten sie auf, das amerikanische Embargo zu ignorieren.

Als dann auch westdeutsche und italienische Firmen ihren Vertragsverpflichtungen gegenüber der UdSSR nachkamen, war deutlich geworden, daß die amerikanischen Maßnahmen in Westeuropa auf einhellige Ablehnung gestoßen waren. In den nachfolgenden Monaten kam es zu einer westeuropäisch-amerikanischen Konfrontation, die es in dieser Form und Intensität noch nicht gegeben hatte, und die auch andere Bereiche des transatlantischen Verhältnisses zu beeinträchtigen drohte. Dies empfand dann wohl auch die amerikanische Regierung als so schädlich für das europäisch-amerikanische Gesamtverhältnis, daß ernsthaft versucht wurde, den Konflikt beizulegen.

Nach einer Reihe von hektischen Treffen im Oktober und November 1982 verkündete Präsident Reagan am 13. November 1982 die Aufhebung sämtlicher gegen das Röhrenprojekt gerichteten Sanktionen und betonte dabei, daß die westlichen Industrienationen sich auf einen gemeinsamen Aktionsplan für die zukünftige Ost-West-Handelspolitik geeinigt hätten. Diese Bereitschaft der Westeuropäer, sich an Studiengruppen zum Problem der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen zu beteiligen, konnte nur mühsam den Eindruck einer diplomatischen Niederlage der USA kaschieren: Schließlich war das Weiße Haus nicht in der Lage gewesen, sein Ziel zu erreichen, nämlich das westeuropäische Gas-Röhren-Geschäft mit der UdSSR zu stoppen oder zu verzögern. Außerdem enthielt der für die Aufhebung der Sanktionen eingetauschte „Kompromiß" keinerlei materielle Zugeständnisse der westeuropäischen Länder.

II. Der Kompromiß vom 13. November 1982 und die Studiengruppen

Der von Präsident Reagan verkündete Kompromiß enthielt im wesentlichen drei Elemente einen Kriterienkatalog, einen Studien-katalog sowie eine Liste von Sofortmaßnahmen. Das Sofortprogramm umfaßte vor allem den einstweiligen Verzicht, neue Verträge über den Kauf von sowjetischem Erdgas abzuschließen, und die Zusage, die wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zum Osten einer grundlegenden Prüfung zu unterziehen. Diese Prüfung sollte in verschiedenen Studiengruppen stattfinden und auf folgenden Kriterien basieren: Die Wirtschaftspolitik der westlichen Staaten zur UdSSR und Osteuropa soll auf der Grundlage einer globalen Politik gestaltet werden, die den gemeinsamen Sicherheitsinteressen des Westens dient. Mit der Sowjetunion soll kein Handelskrieg geführt, sondern ein Handel auf der Basis ausgewogener Vorteile und ohne Vorzugsbehandlung betrieben werden. Dieser Handel soll nicht zu den militärischen und strategischen Fähigkeiten der UdSSR beitragen.

Insgesamt kam es zur Bildung von fünf Studiengruppen, die im Rahmen einiger internationaler Organisationen unterschiedliche Aspekte der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen bearbeitet haben. 1. Die Handelsstudie der „Organisation for Economic Cooperation and Development“ (OECD)

Im Rahmen dieser allgemeinen Studie, die auf der OECD-Ministerratstagung im Mai 1983 vorgelegt wurde, wurde generell festgestellt, daß der Ost-West-Handel für die OECD-Mitgliedstaaten von untergeordneter Bedeutung ist und im Jahr 1981 zum ersten Mal seit den frühen sechziger Jahren an Umfang abgenommen hat.

Nicht etwa nur aus politischen, sondern auch aus allein wirtschaftlichen Gründen wurden die Zukunftsaussichten für den Ost-WestHandel als nicht besonders günstig angesehen, insbesondere wenn berücksichtigt wird, daß die Verschuldung der östlichen Staaten im Westen einen wesentlichen Behinderungsfaktor darstellt. Die Studie hebt hervor, daß die östlichen Länder keine präferentielle Behandlung erhalten sollten, betont aber gleichzeitig, daß der Handel auf der Grundlage des gegenseitigen Vorteils betrieben werden soll. Entsprechend dem Kommunique anläßlich des Ministertreffens am 9. /10. Mai 1983 wurde vereinbart, daß das OECD-Informationssystem über die Handels-und Finanz-beziehungen weiter verbessert und die Finanz-und Kreditentwicklung regelmäßig überprüft werden sollen. Auch die Arbeiten zur Bestimmung der . Ausgewogenheit der Vorteile" (balance of advantages) im Ost-West-Handel sollten fortgesetzt werden, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der gegebenen Komplementarität des Handels sowie der eventuell auftretenden Probleme, die sich aus den Handelspraktiken der Staatshandelsländer ergeben (z. B. hinsichtlich ihres möglichen Nachfragemonopols).

Sieht man einmal ab von dem grundsätzlich zu begrüßenden Ziel, die Informationslage über den Ost-West-Handel auf einer kontinuierlichen Basis zu vertiefen, stellt sich bei der Handelsstudie der OECD natürlich die Frage nach ihrem Zweck. Sie enthält kaum Informationen, die nicht bereits vorher bekannt waren, und sie kann auch nicht die Grundlage für politische Empfehlungen der OECD sein. Schließlich gehören der OECD nicht nur die NATO-Staaten, sondern auch neutrale Länder wie Finnland, Österreich, Schweden und die Schweiz an, die es nicht zulassen können, daß politische Schlußfolgerungen gezogen werden, die ihrem Status widersprechen oder ihre politischen Prioritäten beeinträchtigen könnten. Darüber hinaus scheint bei den Diskussionen im Rahmen der OECD das unmittelbare Interesse am Ost-West-Handel, das nie besonders groß war, abgeklungen zu sein; intrawestliche Handelsdispute und Probleme mit den Entwicklungsländern haben wirtschaftlich — und auch politisch — eine sehr viel wichtigere Bedeutung bekommen und die Problematik der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen überlagert. 2. OECD-Studie über Exportkredite Diese zweite Studie der OECD über mögliche Wege zur Harmonisierung der westlichen Kreditpolitik gegenüber dem Osten sollte gleichzeitig Klarheit über Möglichkeiten schaffen, die Bereitstellung präferentieller Kredite oder sogar die Subventionierung von Exportkrediten für die UdSSR und andere östliche Staaten abzubauen oder gar zu beseitigen. Die USA richteten ihre Kritik vor allem gegen Frankreich, Großbritannien und Italien, die die Gewährung von Exportkreditsubventionen als normales Instrument betrachteten, um ihre Außenwirtschaftsbeziehungen international konkurrenzfähig zu halten. Auch die Praxis der Bundesrepublik, an die östlichen Staaten gewährte Kredite bei der Hermes-Kreditversicherung zu versichern, wurde von den USA als Subvention interpretiert — eine Auffassung, die wiederum von der Bundesregierung abgelehnt wurde.

Bereits im Juli 1982 hatten sich die OECD-Staaten auf Druck der USA darauf geeinigt, nicht nur die Mindestzinsen für Exportkredite anzuheben, sondern auch die UdSSR aus Gruppe II (Länder mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen bzw. Schwellenländer) mit niedrigeren Zinssätzen in Gruppe I (relativ reiche Länder) mit den Höchstzinsen zu reklassifizieren. Dadurch betrug die effektive Zinsverschlechterung für die UdSSR innerhalb nur weniger Monate mehr als 50 %. In den nachfolgenden Verhandlungen einigten sich die OECD-Länder auf eine moderate Senkung der Mindestzinsen für Kredite an Schwellen-und relativ arme Länder (Kategorien II und III). Weiterhin wurde für die Zeit nach dem 1. November 1983 eine Vereinbarung beschlossen, derzufolge das Zinsniveau für Exportkredite alle sechs Monate, und zwar jeweils im Januar und Juli — entsprechend der durchschnittlichen Zinssatz-Entwicklung in den Ländern, deren Währungen die Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds konstituieren —, automatisch revidiert wird. Ab Juli 1984 lauteten die neuen, wieder etwas höheren Mindestzinssätze:

Empfängerland und Laufzeit Mindestzinssatz (in %)

v 1. o 7r. d 1e 9m 84 d 1an. aLch Eine Hauptkonsequenz dieser Zinssteigerung wird mit großer Wahrscheinlichkeit sein, daß die östlichen Staaten fortfahren werden, westliche Exporteure zu Preisnachlässen zu bewegen, um die hohen Zinsen zu kompensieren. Die Bereitschaft vieler westlicher Exporteure, diesen Forderungen nachzugeben, zeigt auch den Hauptmangel der OECD-Regelungen über die Mindestzinsen: Sie können nämlich kaum verhindern, daß über Umkalkulationen westlicher Firmen und Banken, die ohnehin kaum gewillt sind, ihre gewährten Kreditkonditionen öffentlich zu machen, das „gentlemens agreement" der OECD umgangen wird. 3. Studie der „International Energy Agency“

(IEA)

Zweck der IEA-Studie war, herauszufinden, welche hauptsächlichen Verwundbarkeiten es bei der westlichen Energieversorgung gibt und welche Möglichkeiten existieren, diese Abhängigkeiten zu reduzieren. Obwohl diese Studie nicht allein Ost-West-Fragen behandelte und die UdSSR sowie das umstrittene Erdgas-Röhren-Geschäft kaum oder nur indirekt ansprach, galt das Hauptaugenmerk der Versorgung mit Erdgas. Die IEA-Staaten kamen zu dem Schluß, daß die Mitgliedsländer jede übermäßige Abhängigkeit von jeweils einer einzigen Versorgungsquelle vermeiden und ihre zukünftigen Erdgasbezüge aus gesicherten Quellen bestreiten sollten.

Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die USA auf die Durchsetzung ihrer ursprünglichen Forderung nach globalen Verhandlungen zwischen den westlichen Partnern verzichteten; sie rückten auch von Forderungen ab, die für die westeuropäischen Staaten und insbesondere für die Bundesrepublik unannehmbar waren, z. B. von der nach einer 30-%-Grenze für Erdgasimporte aus nur einem Land. Vielmehr erklärte die Bundesregierung lediglich ihre Absicht, den Anteil eines spezifischen Landes an der Gasversorgung der Bundesrepublik nicht über 30 % (und 5 % der gesamten Energiebezüge) ansteigen zu lassen. Darüber hinaus wurde betont, daß die gegenwärtigen Reserven ausreichend sein würden, um eine zwölfmonatige Lieferunterbrechung bewältigen zu können. 4. Studien der NATO Die erste im Rahmen des NATO-Wirtschaftsausschusses durchgeführte Studie beschäftigte sich allgemein mit den Zielen und Strategien der westlichen Wirtschaftsbeziehungen mit den östlichen Staaten, wobei Sicherheitsaspekte im Vordergrund standen. Dabei wurde der Tatsache Rechnung getragen, daß die UdSSR — mit Ausnahme von Getreide und einigen Industriegütern — über die Fähigkeit wirtschaftlicher Unabhängigkeit verfügt. Westliche Abhängigkeiten vom Osthandel wurden als „derzeit begrenzt" beurteilt, insbesondere bei strategisch wichtigen Ressourcen (z. B. Energie) sowie bei unvertretbarer westlicher Kreditgewährung.

Zwar konnten sich die USA offenbar mit einigen ihrer immer wieder vorgebrachten Thesen nicht durchsetzen (z. B. hinsichtlich der Sicherheitsrelevanz sowjetischer Deviseneinnahmen und hinsichtlich des angenommenen hohen Beitrags westlichen Technologietransfers zum sowjetischen Rüstungspotential), sie schufen jedoch neue Akzente, indem in der NATO besonders den Sicherheitsimplikationen des Handels und — in einer neu gebildeten Studiengruppe — auch dem Problem neu entstehender (emerging) Technologien im Westen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Die anderen NATO-Mitglieder gingen jedoch nicht so weit, das Wirtschaftssekretariat der NATO aufzuwerten und zu einem Konsultativmechanismus zu entwickeln. 5. Studien im COCOM Zu den schwierigsten und wohl auch wichtigsten Verhandlungen gehörten diejenigen im Rahmen des „Coordinating Committee“ (COCOM) der NATO, dem bis auf Island und Spanien alle NATO-Staaten und Japan angehören. Aber gerade in diesem Gremium ist es zu erstaunlichen Übereinkünften gekommen, die vor wenigen Monaten und Jahren kaum denkbar erschienen. Dennoch sind einige wesentliche Differenzen nicht beseitigt worden.

So lehnen es die westeuropäischen Länder und die Bundesrepublik ab, die Ausdehnung der COCOM-Kriterien über den gegenwärtigen Maßstab „militärische Relevanz" hinaus zu akzeptieren; sie weigern sich auch, das COCOM um einen Ausschuß von Militärexperten zu erweitern oder gar das informell arbeitende COCOM zu einer internationalen Organisation umzuformen. Übereinstimmung gab es dagegen bei den Kontrollen von Robotern und Robotertechnologie, bei Silicon als einem strategischen Material und bei bestimmten Technologien, die bei der Herstellung von Mikroschaltkreisen angewendet werden. Besondere Schwierigkeiten entstanden im Computer-hardware-und im -software-Bereich sowie bei digitalen Telefonvermittlungsanlagen, für die sich in der neuen Liste, die im Juli 1984 abgeschlossen wurde, schließlich Kompromisse fanden. Dabei wurden bei Computern die alten Ausfuhrbestimmungen entsprechend dem rapiden technischen Fortschritt der letzten Jahre teilweise drastisch gelockert, so daß nur noch wenige Computer mit besonders hoher Leistung oder spezifisch militärischer Anwendung den COCOM-Kontrollen unterliegen. Für Software — und in diesem Bereich wurden die USA von der Bundesrepublik explizit unterstützt — wurde eine Liste vereinbart, die bestimmte militärisch relevante Programme unter Kontrolle stellt. Digitale Telefonvermittlungssysteme schließlich, die die militärische Kommunikation im Rahmen des Warschauer Paktes entscheidend verbessern könnten, sollen in den nächsten Jahren grundsätzlich nicht in kommunistisch regierte Staaten geliefert werden.

Auch wenn die Verbündeten der USA sich zunächst nicht mit einer Lockerung der Bestimmungen hinsichtlich eines Technologie-transfers in die Volksrepublik China einverB standen erklären wollten, stimmten sie dann entsprechenden Vorschlägen der USA zu. 6. Bilanz: Erfolge bei der Eindämmung des Konflikts über die Ost-West-Handelspolitik des Westens

Insgesamt gesehen hat es also bemerkenswerte Erfolge beim Abbau der transatlantischen Differenzen über den Ost-West-Handel gegeben. Das wurde bereits deutlich auf dem Wirtschaftsgipfel der westlichen Staaten in Williamsburg, der vom 28. bis zum 30. Mai 1983 stattfand. Im Kommunique des Gipfels heißt es nur noch: „Die Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen müssen mit unseren Sicherheitsinteressen vereinbar sein. Wir nehmen die Arbeit der multilateralen Organisationen zustimmend zur Kenntnis, die in den letzten Monaten die Schlüsselaspekte der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen analysiert und daraus Schlußfolgerungen gezogen haben. Wir befürworten weitere geeignete Arbeiten dieser Organisationen."

Im politischen Vorfeld des Gipfels war es noch von den Vertretern einer härteren Linie in der amerikanischen Administration zu warnenden Zwischentönen gekommen. So drohte Richard Perle, Assistant Secretary of Defense for International Security Policy im US-Verteidigungsministerium, entweder kontrolliere Westeuropa den Export von aus den USA stammender Technologie schärfer oder die USA würden den Export derartiger Technologie nach Europa unterbinden Ähnlich verfuhr Lawrence Brady, Assistant Secretary of Commerce for Trade Administration im US-Handelsministerium, als er bei einer Unterrichtung von EG-Handelsräten am 21. April 1983 in Washington gewarnt haben soll, daß die USA u. U. „reconsider military com-mitments to Western Europe", falls die Westeuropäer sich nicht kooperationsbereit zeigen würden Diese Verknüpfung wurde jedoch vom State Department dementiert, und es zeigte sich tatsächlich in den nachfolgenden Monaten, daß Außenminister Shultz und Handelsminister Baldrige eine moderatere Ostwirtschaftspolitik befürworteten und es auch ablehnten, Druck auf die westeuropäischen Verbündeten auszuüben.

Die Gründe für die Haltungsänderung der amerikanischen Seite sind vielfältiger Art; naturgemäß enthalten die in diesem Zusammenhang gezogenen Schlußfolgerungen auch spekulative Elemente. Zunächst einmal muß hervorgehoben werden, daß insbesondere im COCOM-Bereich die westeuropäischen Länder zu einigen Veränderungen der bisherigen Überprüfungspraxis bereit waren. Sie unterstützten darüber hinaus die „Operation Exodus" der amerikanischen Zollbehörden, mit deren Hilfe seit Beginn 1982 der illegale Transfer hochentwickelter Technologie in die sozialistischen Länder gestoppt wird

Jedoch drangen die USA in einer Reihe von Problemfeldern wie Energieversorgung und Kreditgewährung mit ihren Forderungen nicht durch. Hier zahlte sich für die westeuropäischen Länder das Bestreben aus, die Behandlung der kontroversen Fragen in verschiedene internationale Organisationen zu legen, deren Zusammensetzung heterogen ist und die deshalb untauglich sind als Vehikel für die Durchsetzung eindeutig festgelegter politischer Zielvorstellungen. Vor allem Frankreich hatte darauf beharrt, daß der Ost-West-Handel im Rahmen der OECD, der auch neutrale Länder wie Finnland und Österreich angehören, behandelt wird und nicht nur innerhalb der NATO. Auch die Mindestzinsverhandlungen in der OECD konnten keinen explizit gegen die UdSSR und die anderen sozialistischen Staaten gerichteten Tenor bekommen, weil die neutralen Mitgliedstaaten das nicht mitzutragen bereit gewesen wären. Die an Sicherheitsfragen orientierten Studien, die auch — und zwar im Rahmen der NATO — durchgeführt wurden, blieben im Rahmen dieser Aufteilung unverbindlich für Japan und Frankreich, für die allerdings die COCOM-Vereinbarungen wiederum Bedeutung hatten.

Mit ihrer Zustimmung zum Kompromiß vom 13. November 1982, in der die Anfertigung von Studien unterschiedlicher internationaler Organisationen vereinbart worden war, hatten sich die USA auf ein Verfahren eingelassen, das die Formulierung einer einheitlichen Ost-West-Wirtschaftsstrategie nicht nur erschwerte, sondern sogar unmöglich machte. Eine derartige Gesamtstrategie sollte es nach dem Willen der westeuropäischen Länder auch nicht geben, vielmehr sollte jedes der Problemfelder unabhängig von den anderen Problemfeldern behandelt werden. Diese Vorgehensweise hat sich zweifellos im Sinne der Westeuropäer ausgezahlt, weil sie sehr viel mehr als die USA an einer Trennung zwischen den ökonomischen und politischen Aspekten der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen interessiert sind und auch ihre politischen Interessen so mehr gewahrt sahen.

Im Zusammenhang mit der Beschäftigung mit diesen Fragen mag für die USA auch eine Rolle gespielt haben, daß die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ohnehin seit längerer Zeit zu einer Stagnation des Ost-West-Handels beigetragen haben. Auch ohne politischen Druck verhielten sich die westlichen Banken bei ihrer Kreditvergabe sehr viel vorsichtiger als noch zu Beginn der achtziger Jahre-, zum einen, weil das Vergaberisiko größer geworden war, und zum anderen, weil die verfügbaren Mittel für die Subventionierung abgenommen hatten.

Von den westeuropäischen Regierungen gelang es insbesondere der Bundesrepublik, sich bei den europäisch-amerikanischen Auseinandersetzungen einen vergleichsweise größeren Spielraum für die ungehinderte Fortsetzung ihres Osthandels zu verschaffen, indem sie auf den Zusammenhang zwischen Nachrüstungsdebatte und Ost-West-Handel hinwies. Während eines Treffens mit Präsident Reagan am 15. April 1983 bemerkte Bundeskanzler Kohl, daß es politisch riskant sei, neue transatlantische Spannungen über den Ost-West-Handel heraufzubeschwören, wenn gleichzeitig die innenpolitischen Spannungen über die Stationierung von amerikanischen Mittelstreckenraketen in Europa zunehmen würden Mit der festen Zusage, im Fall erfolgloser Verhandlungen zu stationieren und damit dem NATO-Doppelbeschluß von 1979 zu entsprechen, hat die Bundesregierung zweifellos ganz wesentlich den Druck reduziert, den die amerkanische Administration hinsichtlich der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen auf die Bundesrepublik ausübte. Aber auch aus innenpolitischen bzw. binnen-wirtschaftlichen Rücksichten war die US-Administration offenbar geneigt, sich in Teilfragen der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen, z. B. beim Handel mit Gütern, die als nicht-strategisch definiert wurden kooperativer zu zeigen, als das noch wenige Monate zuvor der Fall gewesen war. Und von den Verbündeten in Westeuropa eine härtere Haltung zu verlangen, als die amerikanische Regierung selbst gegenüber den eigenen Exporteuren zu zeigen bereit gewesen wäre, hätte ohne Zweifel erneut Konflikte im transatlantischen Bereich verursacht und die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Maßnahmen untergraben.

III. Alte und neue Konfliktfelder

Aber selbst wenn es nun so scheint, als seien die Hauptprobleme geklärt und auch die innerwestlichen Auseinandersetzungen über den Ost-West-Handel beseitigt, gibt es noch eine Reihe von Konfliktquellen zwischen den westeuropäischen Ländern und den USA die wieder aufbrechen und so demonstrieren können, wie labil der erreichte transatlantische Konsens ist. Schon kleine Anlässe, die keineswegs im Bereich der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen zu liegen brauchen, können die mühsam erarbeiteten Kompromisse gefährden. Das zeigt sich vor allem in drei miteinander verbundenen Problemfeldern, auf die im folgenden eingegangen werden soll: Es sind dies der Bereich der politisch motivierten Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen, der Bereich der extraterritorialen Anwendung der amerikanischen Exportkontrollgesetzgebung und schließlich der Bereich der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen den verbündeten Staaten im Westen. Entstehende Konflikte in diesen Bereichen können sehr leicht einen Erosionsprozeß des bisherigen Konsenses einleiten. 1. Wirtschaftliche Sanktionen als Mittel der Außenpolitik Die USA haben die Wirtschaftsbeziehungen zu den östlichen Staaten immer grundsätzlich anders als ihren Außenhandel mit dem Rest der Welt behandelt; sie unterliegen nicht nur rigiden sicherheitspolitischen Erwägungen, sondern sind auch in den Gesamtzusammenhang des Ost-West-Verhältnisses eingebettet. Das schließt die grundsäztliche Bereitschaft ein, die Wirtschaftsbeziehungen zu den sozialistischen Ländern zur Erreichung von politischen Zielen zu instrumentalisieren (in Form von Sanktionen oder Verknüpfungsstrategien („linkage")

Die westeuropäischen Länder und hier insbesondere die Bundesrepublik haben dagegen eine andere Strategie verfolgt: Die Bundesregierung hat immer Wert auf kontinuierliche und langfristig abgesicherte Wirtschaftsbeziehungen zu den östlichen Ländern gelegt, weil sie diese als einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des politisch sensitiven Ost-West-Verhältnisses und als Mittel ansah, einen modus vivendi im geteilten Europa zu erreichen und aufrechtzuerhalten. Dabei versuchte sie kurzfristig, die Auswirkungen der europäischen Teilung zu mildern, und langfristig, in Osteuropa und der Sowjetunion einen evolutionären Prozeß zu unterstützen, der zu einer größeren Freiheit der Menschen in Osteuropa und zu einer Friedensordnung in Gesamteuropa führen könnte.

Die Abstimmung dieser Politik mit den USA und den anderen Verbündeten erfolgte auf der Basis der „Harmel-Formel" von 1967, entsprechend der ein Zusammenhang zwischen einer „auf Erhalt der Bündnissolidarität gerichtete(n) Verteidigungspolitik und eine(r) auf Ausgleich mit den osteuropäischen Staaten abzielende(n) Entspannungspolitik" hergestellt wurde. Dabei kam vor allem für die Bundesrepublik den Wirtschaftsbeziehungen eine besondere Bedeutung zu, weil sie ein Stabilisierungselement darstellen und beiderseitige Verantwortlichkeiten schaffen. Mit der Förderung des wirtschaftlichen Austausches war das Ziel verbunden, ein Netz von Beziehungen zu entwickeln, an dessen Aufrechterhaltung auch die östlichen Länder interessiert sind und dessen Zerstörung von keiner, insbesondere von östlicher Seite ohne Beeinträchtigung eigener wichtiger Interessen hätte unternommen werden können.

An dieser Stelle erweist es sich als notwendig hervorzuheben, daß die politischen Möglichkeiten des Ost-West-Handels oft überschätzt werden: Das gilt sowohl für diejenigen, die in ihm ein wesentliches Element sehen, um durch Sanktionsverhängung die östlichen Staaten „in die Knie" zu zwingen, als auch für jene, die seine entspannungsfördernde Funktion betonen. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Ost und West haben sich als ein zwar notwendiges, aber keinesfalls ausreichendes Element zur Stabilisierung der gesamten Beziehungen zwischen Ost und West erwiesen. Sie sind ein wichtiger Teil des Entspannungsprozesses geworden; allein sind sie aber nicht in der Lage, die Entspannung voranzutreiben. Da aber ein Abbruch oder ein Abbau des Ost-West-Handels umgekehrt zu einer Erhöhung der Spannungen zwischen Ost und West führen könnten, hat die Bundesrepublik die Versuche amerikanischer Administrationen, wirtschaftliche Sanktionen als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele gegenüber den östlichen Staaten anzuwenden, mit großen Vorbehalten betrachtet. Die Bundesrepublik hat diese Position nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen vertreten, etwa weil sie sehr viel mehr als die USA von einem florierenden Außenhandel abhängig ist oder ihren Ruf als verläßlicher Außenhandelspartner leichtfertig aufs Spiel setzen würde. Vielmehr lag ihr daran, das ohnehin empfindliche Interaktionsgeflecht, das von einer Vielzahl historischer, kultureller, politischer und militärischer Faktoren abhängt, nicht zusätzlich zu beschädigen. Das Problem der wirtschaftlichen Sanktionen als Mittel der Außenpolitik ist in mehreren Monografien und Artikeln, die unlängst erschienen sind, abgehandelt worden An die-ser Stelle soll deshalb nur die (allerdings entscheidende) Frage nach dem Effekt von Sanktionsverhängungen aufgegriffen werden.

Die Bundesrepublik hat es nie abgelehnt, wirtschaftliche Hebel zu benutzen, um politische Ziele zu erreichen. Jedoch bevorzugt sie das „Zuckerbrot", nicht die „Peitsche": Die Bundesrepublik hat die Erfahrung gemacht, daß wirtschaftliche Anreize politische Erfolge bewirken und daß sie effektiv sein können, vorausgesetzt, daß die Erwartungen nicht zu hoch sind und daß sie keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß im Falle nichterfüllter Erwartungen die Zusagen zurückgezogen werden Natürlich kann nicht bestritten werden, daß auch strafende Sanktionen in Form von Boykotten, Embargos usw. Auswirkungen haben; es besteht nur die Gefahr, daß derartige Sanktionen nicht diejenigen Effekte haben, die das die Sanktionen verhängende Land beabsichtigt. Strafende Sanktionen können zwar leicht das Wahlvolk im Ursprungsland (z. B. in den USA) beeindrucken. Es ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, daß sie wesentliche Effekte im erwünschten Sinne auf das Zielland haben, vor allem dann, wenn sie gegenüber einem Land wie der UdSSR verhängt werden, das über eine große Autarkie-oder Unabhängigkeitsbegabung verfügt, oder wenn — wie im Fall des amerikanischen Getreideembargos von 1980 — dritte Länder die ausgefallenen Lieferungen ersetzen. Sie können sogar kontraproduktiv sein, dann nämlich, wenn die Bevölkerung des Ziellandes die nationale Ehre verletzt sieht und sie sich sogar mit einer eigenen Regierung solidarisiert, die sie ansonsten eher ablehnt. Und schließlich können von einzelnen westlichen Ländern verhängte wirtschaftliche Sanktionen von dem Zielland auch politisch ausgenutzt werden, wenn es zu Kontroversen — und das haben die Erfahrungen von 1982 gezeigt — zwischen den westlichen Verbündeten über den Sinn derartiger Sanktionen kommt. Hinsichtlich der Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gibt es also zwischen den USA und der Bundesrepublik (und das gilt mit gewissen Einschränkungen auch für die anderen westeuropäischen Länder und Japan) einen grundlegenden Konzeptionsunterschied. Das ist nicht nur das Ergebnis der unterschiedlichen Rollen, die beide Länder im internationalen System spielen, sondern hängt auch zusammen mit unterschiedlichen Traditionen und Interessen sowie mit unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie am besten mit den kommunistisch regierten Staaten umgegangen werden soll.

Die jüngsten Diskussionen im amerikanischen Kongreß über die Novellierung des „Export Administration Act of 1979", die im Frühjahr 1985 wieder aufgenommen werden, haben keinen Hinweis darauf gegeben, daß die amerikanische Regierung oder der Kongreß bereit wären, auf dieses Instrument zu verzichten. Deshalb wird die mögliche einseitige Verhängung außenpolitisch motivierter wirtschaftlicher Sanktionen durch die US-Regierung auch in Zukunft ein Irritationsfaktor in den europäisch-amerikanischen Beziehungen sein. Das kann dazu beitragen, den mühsam erzielten transatlantischen Konsens über die Ost-West-Wirtschaftspolitik zu beeinträchtigen. 2. Die extraterritoriale Anwendung amerikanischer Gesetzgebung Wie gerade angedeutet, hat sich der U. S. Kongreß bisher nicht auf eine Neufassung des im Herbst 1983 ausgelaufenen „Export Administration Act of 1979" einigen können. Die Administration legte bereits im April 1983 einen Gesetzentwurf vor, das Repräsentanten-haus und der Senat verabschiedeten im Oktober 1983 bzw. im März 1984 eigene Gesetzentwürfe, die z. T. erheblich von dem Regierungsentwurf bzw. voneinander abweichen. Bis zum Auslaufen der Legislaturperiode im Oktober 1984 gelang es den Beteiligten trotz großer Anstrengungen nicht, einen Kompromiß zwischen beiden Versionen herzustellen, so daß im Frühjahr 1985 das neu gewählte Repräsentantenhaus über eine neue eigene Version entscheiden und der Vermittlungsprozeß neu eingeleitet werden muß. Sogar dann, wenn eine gemeinsame Fassung der beiden Häuser vorgelegt werden sollte, ist immer noch ein Veto des Präsidenten möglich.

Hinsichtlich der Fragen, die die westeuropäischen Länder und Japan besonders berühren, gibt es nicht nur beim Bestandsschutz von Verträgen (contract sanctity) und bei den erwogenen Importsperren, sondern vor allem wegen der extraterritorialen Gültigkeit einiger der Gesetzesbestimmungen große Vorbehalte. Der Charakter der bisherigen Diskussionen im Kongreß, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann läßt den Schluß zu, daß die geltende Regelung extraterritorialen Kontrollen bei außenpolitisch motivierten wirtschaftlichen Sanktionen unverändert weiter Anwendung finden werden. Hinsichtlich der Exportbeschränkungen aus Gründen der nationalen Sicherheit gehen die Vorstellungen noch weiter: Der Administrationsentwurf erlaubt derartige Kontrollen gegenüber ausländischen US-Tochterfirmen und Lizenznehmern grundsätzlich; der Entwurf des Repräsentantenhauses sieht keine Einschränkungen vor; die Fassung des Senats läßt derartige Kontrollen auch für Exporte in westliche Länder zu.

Wie der Pipeline-Fall von 1982, als westliche Firmen mit Unterstützung ihrer Regierungen Präsident Reagans Ausweitung der Sanktionen nicht akzeptierten, gezeigt hat, zahlte es sich für die USA nicht aus, den anderen Ländern, die ihre eigenen Prioritäten, ihre eigenen wirtschaftlichen und politischen Ziele und Interessen und schließlich ihre eigene Gesetzgebung haben, ihr politisches Verhalten vorschreiben zu wollen. Aus diesem Grund wehren sich die westeuropäischen Länder gegen die extraterritorialen Implikationen der amerikanischen Gesetzgebung und haben auch entsprechend reagiert.

Natürlich erweist sich dieses Problemfeld als kompliziert, vor allem aus juristischer Sicht, weil bis zu einem gewissen Grad alle Länder eine gewisse extraterritoriale Gültigkeit ihrer Gesetzgebung beanspruchen. Aber wie weit sollte eine derartige Gesetzgebung gehen? Sollte sie . z. B. ausländische Tochtergesellschaften umfassen? Genau diesen Anspruch erhebt die amerikanische Gesetzgebung, ohne allerdings umgekehrt ausländische Gesetzgebung auf ihrem Territorium zu akzeptieren: „Would the US government readily ac-cept, and the US court support, an attempt by, say, the French government to prevent exports to, say,. Chile, by direct regulation of an American subsidiary of a French Company, such as American Motors?" Die Antwort wäre sicherlich ein klares „Nein". Dieser Doppelstandard ist es, der in Westeuropa zu dem Verdacht geführt hat, daß die USA ihre Verankerung in den westeuropäischen Wirtschaften als Instrument benutzen könnten, die Politik dieser Länder insbesondere gegenüber dem Osten in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Angesichts der drohenden neuen Gesetzgebung, die sogar umfassendere Beschränkungen enthalten könnte als zuvor (z. B. Importkontrollen der USA wenn ausländische Firmen sich nicht entsprechend den amerikanischen Rechtsnormen verhalten), unternahmen die Botschaften verschiedener westeuropäischer Länder und der Europäischen Gemeinschaft in Washington Anfang 1984 den ungewöhnlichen Schritt, Kongreßmitglieder direkt anzusprechen, um sie von den negativen Effekten der geplanten Novellierung zu überzeugen. Sie machten dabei deutlich, daß Exportkontrollen bei strategischen Gütern und fortgeschrittener Technologie zwar notwendig seien, daß über das Ausmaß dieser Kontrollen aber im Rahmen westlicher Zusammenarbeit entschieden werden sollte. Die Vertreter der westeuropäischen Länder wiesen außerdem darauf hin, daß die Ausweitung der vorgesehenen amerikanischen Exportkontrollen auf Firmen im Ausland dem internationalen Recht widersprechen und deshalb nur zu weiteren Konflikten zwischen den USA und ihren Verbündeten über politische und wirtschaftliche Fragen führen würden.

Diese Kontroversen zeigen, daß es erhebliche Konfliktpotentiale zwischen den USA und ihren Verbündeten nach wie vor gibt, die im Zweifelsfall zu einer Verschlechterung der bilateralen Beziehungen führen können. Auch aus diesem Grund erweist sich der Ende 1982 und in den Monaten danach erreichte Konsens zwischen den westlichen Staaten als äußerst fragil. 3. Wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Kooperation Ein wesentliches, wenn auch wohl nicht intendiertes Ergebnis des amerikanischen Be-harrens auf der extraterritorialen Gültigkeit ihrer Gesetze besteht darin, daß sich eine Anzahl nichtamerikanischer Unternehmen überlegen, inwieweit sie sich von fortgeschrittener amerikanischer Technologie abhängig machen sollten, z. B. bei der Lizenznahme. Die Reaktionen von Firmen in der Bundesrepublik, in den anderen westeuropäischen Ländern, in Kanada und sogar den ASEAN-Staaten lassen darauf schließen, daß sie es vorziehen würden, eine derartige Abhängigkeit zu vermeiden. Sie lehnen es verständlicherweise ab, in Zeiten verschlechterter Ost-West-Beziehungen oder bei Konflikten in anderen Teilen der Welt, in denen die USA vitale Interessen reklamieren, von hochpolitischen Exportkontrollen der USA abhängig zu sein, die vielleicht aus der Sicht der USA, nicht aber aus der Sicht anderer Länder, notwendig erscheinen.

Derartige Überlegungen nichtamerikanischer Firmen haben einen nachteiligen Effekt für die längerfristige Kooperation mit amerikanischen Unternehmen und behindern die Entwicklung einer wechselseitig vorteilhaften internationalen Arbeitsteilung. Verläßlichkeit und Vorhersehbarkeit im Verhalten aller Partner sind durch das Verhalten der USA gefährdet — und beides sind notwendige Voraussetzungen für wirtschaftliche und politische Kooperation.

Dies ist der Hauptgrund dafür, daß die Auseinandersetzungen über Exportkontrollen weit über das Problem der militärischen Sicherheit hinausgehen und eigentlich schon längst das relativ enge Gebiet der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen verlassen haben

Ein weiteres Problemfeld betrifft die internationale wissenschaftliche und technologische Kooperation. In Teilen der amerikanischen Administration gibt es — wie bereits erwähnt — große Befürchtungen über den Weitertransfer von wissenschaftlichen Daten und fortgeschrittener Technologie, die ursprünglich für befreundete Länder bestimmt waren, in die östlichen Staaten, vor allem die Sowjetunion. Aus diesen Gründen wurden nicht nur die Exporte in westliche Staaten zusätzlichen Kontrollen unterworfen sogar Listen über Informationen, die es zu kontrollieren gelte, wurden angefertigt Der Zugang zu wissenschaftlichen Konferenzen, an denen bisher zumindest Forscher aus befreundeten Ländern teilnehmen konnten, wurde für sämtliche Ausländer geschlossen;

militärische Gutachter veranlaßten Wissenschaftler, die im Auftrag des Pentagon nicht-geheime Forschung betrieben, Papiere zurückzuziehen, wenn sie auf offenen wissenschaftlichen Treffen präsentiert werden sollten. Sogar Gastwissenschaftlern aus befreundeten Staaten wie Frankreich, Großbritannien und der Bundesrepublik wurde der Zugang zu bestimmten amerikanischen Forschungseinrichtungen verwehrt, obwohl ihre Forschung weder strategische noch militärische Relevanz hatte.

In einem bereits im September 1982 veröffentlichten Bericht der amerikanischen Akademie der Wissenschaften — dem „CorsonReport" — wurde hervorgehoben, es gäbe eine „small grey area of research activities for which limited restrictions short of Classification are appropriate" Hinsichtlich der Kontrollverschärfungs-Anstrengungen der amerikanischen Administration, die eine Strategie der „security by secrecy" anstrebt, hebt der Bericht jedoch hervor, daß die Einschränkung wissenschaftlicher Kommunikation langfristig die amerikanische Wissenschaft beeinträchtigen werde, indem nicht nur die technologischen Kapazitäten im militärischen, sondern auch im zivilen Bereich geschwächt werden. Statt dessen schlägt der Bericht die Befolgung einer Strategie der „security by accomplishment" vor und betont, daß die langfristige Sicherheit der USA zu großen Teilen auf ihrer wirtschaftlichen, technischen und intellektuellen Vitalität beruhen würde, die entscheidend von Forschungs-und Entwicklungsanstrengungen abhängen, deren Erfolg nur durch Offenheit garantiert werden könne Würde man auf dieses Problem in Form eines Kostenvergleichs schauen, so ist es sicherlich richtig, daß der, wenn auch begrenzte Zugang der östlichen Staaten zu fortgeschrittener Technologie Kosten für die USA und für den Westen insgesamt bewirken kann, z. B. wenn deren Einsatz im militärischen Bereich zusätzlich Verteidigungsanstrengungen der USA erfordert. Diese Kosten werden jedoch bei weitem übertroffen von den Kosten, die durch Behinderungen der wissenschaftlichen und technischen Kommunikation zwischen westlichen Universitäten, Regierungen und Industrien bewirkt werden. Strengere Kontrollen nicht etwa nur gegenüber östlichen Wissenschaftlern, sondern auch solchen aus verbündeten Ländern im Westen, wie sie von militärischen Offiziellen in den USA vorgeschlagen und bereits praktiziert werden, untergraben die Basis dessen, was demokratische Gesellschaften auszeichnet, nämlich den freien Fluß von Informationen, der zum Wachstum und zur Wohlfahrt der westlichen Länder beiträgt.

Zwischen den westeuropäischen Ländern und den USA gibt es keinen Disput darüber, daß militärisch relevante Forschung durch strengere Kontrollen geschützt werden sollte. Schließlich ist niemand im Westen daran interessiert, daß die östlichen Staaten Zugang zu fortgeschrittenen, militärisch relevanten Technologien bekommen. Dementsprechend haben sich auch die westeuropäischen Länder und Japan zu entsprechenden Anpassungen der COCOM-Listen bereit-erklärt. Alle übereifrigen und übertriebenen Anstrengungen der USA in dieser Richtung behindern aber nicht nur die wissenschaftliche Forschung in den USA selbst, sondern auch die Kooperation mit den Verbündeten. Deshalb wäre es nicht überraschend, wenn die westeuropäischen Länder sich hinsichtlich der Entwicklung von fortgeschrittener Technologie mehr noch als bisher auf die eigenen Potentiale besinnen würden.

IV. Schlußbemerkungen

Durch umfassende Diskussionen in verschiedenen internationalen Organisationen über den Stellenwert der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen für den Westen gelang es in den Jahren 1983 und 1984, den transatlantischen Konflikt des Jahres 1982 einzuhegen. Der erreichte Konsens über die westliche Ost-West-Handelspolitik ist sehr empfindlich und könnte leicht durch einseitige Handlungen der USA, die die Interessen der anderen westlichen Staaten nicht angemessen berücksichtigen, gefährdet werden.

Die Verhängung von Sanktionen aus außen-politischen Gründen, die extraterritoriale Anwendung amerikanischer Gesetzgebung und die Beschränkungen des Technologietransfers mit den westlichen Staaten haben potentiell einen negativen Effekt auf die amerikani-sehen Beziehungen mit den westeuropäischen Ländern und auch mit der Bundesrepublik. Gegenwärtig sieht es noch so aus, als wollten die westeuropäischen Regierungen dieses Konfliktpotential nicht wahrhaben; sie scheuen verständlicherweise die Auseinandersetzungen mit den Maßnahmen eines Landes, von dessen Technologie sie in vielen Bereichen abhängen.

Der innerwestliche Streit über die richtige Ost-West-Handelsstrategie ist schon längst zu einem Streit zwischen den Industriestaaten über die besten Ausgangspositionen für die eigene zukünftige wirtschaftliche Entwicklung und über die Stellung auf den Weltmärkten, in denen fortgeschrittene Technologien eine zentrale Rolle einnehmen werden, geworden. Dies ist eine Herausforderung für die westeuropäischen Staaten und für Japan, der sie sich auf. lange Sicht nicht werden entziehen können. Deren Bewältigung setzt jedoch voraus, daß die westeuropäischen Regierungen — und das gilt vor allem auch für die der Bundesrepublik Deutschland — sich der Implikationen der amerikanischen Politik bewußt werden und dementsprechende Maßnahmen ergreifen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Als besonders exponiertes Beispiel dieser Kritik vgl. M. M. Costick, Soviet Military Posture and Strategie Trade, in: W. S. Thompson (Ed.), National Security in the 1980's — From Weakness to Strength, San Francisco 1980, S. 189-213. Diese Kritik findet sich auch in: East-West Commercial Policy — A Congressional Dialogue with the Reagan Administration. A Study Prepared for the Use of the Joint Economic Committee, U. S. Congress, Washington, D. C. 1982.

  2. Eine eindrucksvolle Zusammenstellung entsprechender östlicher Aktivitäten stammt von L. Melvern/D. Hebditch/N. Anning, Techno-Bandits — How the Soviets are Stealing Americas High-Tech-Future, Boston 1984.

  3. Vgl. hierzu Transfer of United States High Technology to the Soviet Union and Soviet Bloc Nations. Subcommittee on Investigations of the Committee on Governmental Affairs, U. S. Senate, Washington, D. C. 1982, insbesondere den Bericht der CIA Soviet Acquisition of Western Technology, S. 7-23, und die Aussage des stellvertretenden CIA-Direktors B. Inman, S. 235-249.

  4. Vgl. C. Gershman, Selling Them the Rope — Business and the Soviets, in: Commentary, (1979) 4, S. 35-45.

  5. Vgl. H. A Kissinger, Trading with Russia — A Political Strategy for Economic Relations, in: Baltimore Sun, 26. 5. 82, S. 11.

  6. Auf dieses Geschäft kann hier im einzelnen nicht eingegangen werden. Vgl. hierzu u. a. A Lebahn, Die , Jamal-Erdgasleitung" UdSSR-Westeuropa im Ost-West-Konflikt, in: Außenpolitik, (1983) 3, S. 258-280 (Lebahn war während der Verhandlungen Repräsentant der Deutschen Bank in Moskau). Zur US-Kritik vgl. A E. Stent, Soviet Energy and Western Europe, New York 1982, und vor allem M. M. Costick/M. D. Millot, The Soviet Gas Deal and Its Threat to the West, in: Current Analysis, Nr. 11 (31. 12. 1980).

  7. Vgl. die Aussagen von R. D. Hormats (Assistant Secretary of State for Economic and Business Affairs) vor dem Subcommittee on Energy, Proliferation, and Government Processes of the Senate Committee on Governmental Affairs, U. S. Congress, 14. 10. 1981, Washington, D. C. 1981.

  8. Vgl. hierzu u. a. F. Müller, Direktwirkungen in Kernbereichen: Energie, in: F. Müller u. a., Wirtschaftssanktionen im Ost-West-Verhältnis, Baden-Baden 1983, S. 170 ff.; H. W. Maull, Das Erdgas-Röhren-Geschäft mit der Sowjetunion: Gefahr für die wirtschaftliche Sicherheit?, in: Europa-Archiv, Nr. 24 (Dez. 1981), S. 745-754; J. Bethkenhagen, Erdgas aus der Sowjetunion, in: DIW-Wochenbericht, Nr. 14 (2. 4. 1981), S. 163-165.

  9. Vgl. z. B. H. D. Genscher, Toward an Overall Strategy for Peace, Freedom, and Progress, in: Foreign Affairs, Nr. 1 (Herbst 1982), S. 42-66.

  10. Einen geradezu klassischen Fall stellt das Röhrenembargo von 1962 dar. Damals versuchte die US-Regierung erfolgreich, die westdeutsche Lieferung von Röhren für eine Ölpipeline der UdSSR in die DDR zu verhindern. Durch einen Beschluß der NATO wurden Firmen der Bundesrepublik gezwungen, bereits geschlossene Verträge mit der UdSSR zu brechen. Während sich die Bundesrepublik loyal gegenüber den USA und der NATO verhielt, waren andere NATO-Staaten nicht bereit, das zu tun. Ein Teil der Röhren, die von den westdeutschen Firmen hätten geliefert werden sollen, wurden von britischen und italienischen Firmen geliefert. Der Bundesrepublik wurde wirtschaftlicher und politischer Schaden zugefügt, ohne daß der beabsichtigte strategische Effekt eingetreten wäre; die Pipeline wurde fristgemäß fertiggestellt Vgl. A Stent, Wandel durch Handel?, Köln 1983, S. 87-111; C. Wörmann, Der Osthandel der Bundesrepublik Deutschland, Frankfurt — New York 1982, S. 38-44; G. Adler-Karlsson, Western Economic Warfare, Uppsala 1968, S. 129 ff.

  11. Zur generellen Problematik des COCOM vgl. H. D. Jacobsen, Multilaterale Exportkontrollen im COCOM, in: Die Neue Gesellschaft, (1983) 10, S. 967-972; J. P. Hardt/K. Tomlinson, COCOM's Operating Procedures and an Assessment of Its Effectiveness, in: A Becker (Ed.), Economic Relations with the USSR, Lexington — Toronto 1983, S. 111-127.

  12. Vgl. hierzu die Beiträge von R. Fritsch-Bournazel, S. Woolcock und G. Schiavone in R. Rode/H. D. Jacobsen (Hrsg.), Wirtschaftskrieg oder Entspannung?, Bonn 1984, S. 144-182.

  13. Diese Maßnahmen umfaßten im wesentlichen die Beschränkung der Ausfuhr von Ausrüstungsgegenständen zur Ol-und Gasförderung wie Gasturbinenmotoren, Kompressoren etc.

  14. Zur Chronologie dieser und der anderen Maßnahmen westeuropäischer Länder und der USA vgl. H. D. Jacobsen, Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen als deutsch-amerikanisches Problem, Baden-Baden 1985 (im Erscheinen), Kapitel G und H.

  15. Vgl. Transcript of Reagan Speech on Soviet Union, in: The New York Times vom 14. 11. 1982.

  16. Seit dem 1. 1. 1981 sind das die Währungen der Länder USA Japan, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Großbritannien; vgl. IMF, Yearbook of International Financial Statistics, Vol. 34 (1981), S. 4.

  17. Der IEA gehören alle OECD-Länder mit Ausnahme Frankreichs an. Frankreich hat jedoch im Rahmen des Ministerrates der Europäischen Gemeinschaft den Empfehlungen zugestimmt

  18. Abschlußerklärung der sieben Staats-und Regierungschefs in Williamsburg, in: Süddeutsche Zeitung vom 1. /2. 6. 1983, S. 5.

  19. Vgl. F. Thoma, Keine Addition des Unerfüllbaren, in: Süddeutsche Zeitung vom 28. 729. 5. 1983, S. 31.

  20. Vgl. C. H. Farnsworth, EC Reportedly Warned By U. S. on Soviet Trade, in: International Herald Tribune vom 25. 4. 1983, S. 1.

  21. Vgl. R. Perle, The Strategie Implications of East-West Technology Transfer. Annual Conference des International Institute for Strategie Studies, Ottawa, 8. -11. 9. 1983, S. 13.

  22. Vgl. W. Drozdiak, Kohl Plans to Urge Flexibility on East-West Trade, in: International Herald Tribune vom 9. /10. 4. 1983, S. 1.

  23. Das betraf vor allem die Getreidelieferungen in die UdSSR. Am 28. 8. 1983 wurde ein Getreideabkommen zwischen den USA und der UdSSR unterzeichnet, das eine Laufzeit von fünf Jahren hat Dieses Abkommen erlaubt der UdSSR nicht nur, mehr Getreide als zuvor zu importieren, es schließt sogar vertraglich die Anwendung von Sanktionen im Agrarbereich explizit aus. Vgl. D. U. Vogt, The U. S. -USSR Long-Term Grain Agreement, Congressional Research Service CRS Report No. 83-186 ENR vom 19. 9. 1983.

  24. Ein derartiges Verhalten haben die USA auch gegenüber nichtkommunistischen Staaten praktiziert, z. B. gegenüber Uganda, Iran, Libyen. Vgl. hierzu u. a. K. Knorr, The Power of Nations, New York 1975, S. 134 ff., wo verschiedene Beispiele analysiert werden.

  25. H. Haftendorn, Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955-1982, Baden-Baden 1983, S. 720.

  26. Vgl. u. a. F. Müller u. a., Wirtschaftssanktionen im Ost-West-Verhältnis, Rahmenbedingungen und Modalitäten. Aktuelle Materialien zur Internationalen Politik, hrsg. von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Baden-Baden 1983; G. C. Hufbauer/J. D. Schott, Economic Sanctions in Support of Foreign Policy Goals. Institute for International Economics, Washington, D. C. 1983; R. V. Roosa/M. Matsukawa/A. Gutowski, East-West Trade at a Crossroads. A Task Force Report to the Trilateral Commission, New York-London 1982, S. 83 ff.; R. Rode, Die Ost-Wirtschaftspolitik der USA: Der Umgang mit „Zukkerbrot und Peitsche", in: HSFK (Hrsg.), Europa zwischen Konfrontation und Kooperation, Frankfurt-New York 1982, S. 169-192; P. Hanson, Western Economic Sanctions against the USSR: Their Nature and Effectiveness, in: NATO Economics and Information Directorate, External Economic Relations of CMEA Countries - Their Significance and Impact in a Global Perspective, Brüssel 1983, S. 69-92; H. Vogel, Wirtschaftsbeziehungen mit dem Osten - Sicherheitsrisiko oder Chance zur Außenpolitik?, in: Europa-Archiv, Nr. 23 vom 10. 12. 1983, S. 713-722; H. S. Gardner, Assessing the Cost to the U. S. Economy of Trade Sanctions against the USSR, in: G. B. Smith (Hrsg.), The Politics of East-West Trade, Boulder, Col., 1984, S. 175-198; G. Adler-Karlsson, Die Instrumente Embargo und Sanktio• in: Rode/Jacobsen (Hrsg.), Wirtschaftskrieg oder Entspannung?, S. 305-319.

  27. Vgl. hierzu Vogels Konzept der „sticky carrots" in: Wirtschaftsbeziehungen mit dem Osten, a. a. O., S. 717.

  28. Vgl. hierzu H. D. Jacobsen, Exportkontrolle und Exportverwaltungsgesetzgebung, in: Rode/Jacobsen (Hrsg.), S. 236-247.

  29. D. E. Rosenthal/W. M. Knighton, National Laws and International Laws — The Problem of Extrater-ritoriality, Landon (Chatham House Papers 17) 1983, S. 61.

  30. Vgl. hierzu u. a. W. Hein, Beschränkung des internationalen Technologietransfers durch die USA, Washington, D. C. 1984 (unveröffentlichtes Manuskript).

  31. Vgl. Anm. 3.

  32. Hierzu gehören die „distribution licenses", entsprechend derer Firmen in anderen Ländern verpflichtet werden, über den Endverbleib bestimmter von ihnen importierter amerikanischer Produkte Auskunft zu geben.

  33. Ein besonders bemerkenswertes Beispiel ist die Zusammenstellung einer „Militarily Critical Technologies List" durch das Office for Research and Engineering des Pentagon, die im November 1984 veröffentlicht wurde. Dabei handelt es sich um die nicht-klassifizierte gekürzte Fassung einer Liste, die auf etwa 800 Seiten fast alle denkbaren fortgeschrittenen Technologien enthält.

  34. National Academy of Sciences, Scientific Communication and National Security, Washington, D. C. 1982, S. 4.

  35. Vgl. ebenda, S. 49. In einer Aktualisierung des Corson-Reports bis Anfang 1984 hat der ehemalige Leiter des wissenschaftlichen Beraterstabes der Corson-Gruppe hervorgehoben, daß die US-Regierung in den anschließenden Monaten Restriktionen beschlossen bzw. eingeleitet hat, die einer Ignorierung der Ergebnisse des Corson-Reports gleichkommen. Vgl. M. B. Wallerstein, Scientific Communication and National Security in 1984, in: Science, Vol. 224, 4. Mai 1984, S. 460-466.

Weitere Inhalte

Hanns-Dieter Jacobsen, Privatdozent, Dr. rer. pol., geb. 1944; seit 1974 wissenschaftlicher Mitarbeiter (ext.) des Forschungsinstituts für internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen; 1978/79 John-F. -Kennedy-Memorial Fellow an der Harvard University; 1984 Visiting Fellow am American Institute for Contemporary German Studies der Johns Hopkins University sowie am Center for Strategie and International Studies der Georgetown University, beide Washington, D. C. Veröffentlichungen u. a.: Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen West und Ost, Reinbek 1975; (zus. mit W. Bärtschi) Kritische Einführung in die Außenhandelstheorie, Reinbek 1976; (hrsg. zus. mit R. Rode) Wirtschaftskrieg oder Entspannung?, Bonn 1984; Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen als deutsch-amerikanisches Problem, Baden-Baden 1985 (im Erscheinen).