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„Sternenkrieg", Weltraumrecht und Rüstungssteuerung | APuZ 48/1984 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 48/1984 Artikel 1 Rogers-Plan, „AirLand Battle“ und die Vorneverteidigung der NATO „AirLand Battle" — Zerrbild und Wirklichkeit Dieser Aufsatz ist die gekürzte Fassung eines Arbeitspapiers der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen, und greift einer geplanten Buch-veröffentlichung zu diesem Thema vor. Er behandelt daher lediglich Teilaspekte und verzichtet auf eine umfangreiche Dokumentation. „Sternenkrieg", Weltraumrecht und Rüstungssteuerung

„Sternenkrieg", Weltraumrecht und Rüstungssteuerung

Dieter S. Lutz

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Bei dem Wettstreit der USA und der UdSSR um die Eroberung des Weltraums handelt es sich — zumindest auch, wenn nicht gar vorrangig — um einen Teil des strategischen Rüstungswettlaufs zwischen Ost und West Die meisten Aktivitäten im All dienen nicht zivilen, sondern militärischen Zwecken. Konnte aber in der Vergangenheit noch weitgehend von einer stabilisierenden Funktion der militärischen Weltraumnutzung für das Abschreckungsgefüge zwischen Ost und West gesprochen werden, so ist diese Aussage insbesondere für zwei neuere Entwicklungen kaum noch zutreffend: Die erste Entwicklung betrifft Anti-Satelliten-Systeme (ASAT), die zweite Raketenabwehrsysteme im All (BMD/Ballistic Missile Defence). Den Destabilisierungen aus diesen Entwicklungen gilt es durch Rüstungssteuerungsabkommen (arms control) zu begegnen. Gefordert ist eine präventive Rüstungssteuerung im Sinne der Bildung von Barrieren gegen die Erlangung von Kriegsführungsfähigkeit, d. h. letztlich ein weitgehend entmilitarisierter Weltraum.

. Falls die Sowjetunion auf unsere Bemühungen eingeht, eine deutliche Verminderung der Waffen zu erreichen, werden wir die Stabilisierung des Atomwaffen-Gleichgewichts erreicht haben. Dennoch werden wir uns weiter auf das Gespenst der Vergeltung — auf gegenseitige Drohung verlassen müssen, und das wirft schon ein trauriges Licht auf die Menschheit. Wäre es nicht besser, Menschenleben zu retten, als sie zu rächen? Sind wir unfähig, unsere friedlichen Absichten zu demonstrieren, indem wir all unsere Fähigkeiten und unsere Erfindungsgabe einsetzen, um eine wirklich dauerhafte Stabilität zu erreichen? ich glaube doch, daß wir dies können, ja sogar müssen. Was wäre, wenn freie Menschen in dem Bewußtsein leben könnten, daß ihre Sicherheit nicht von der Drohung eines umgehenden amerikanischen Vergeltungsschlags zur Abschreckung eines sowjetischen Angriffs abhängt — daß wir fnterkontinentalraketen abfangen und vernichten können, noch ehe sie unser Gebiet oder das unserer Verbündeten erreicht haben? Leh weiß, daß dies eine gewaltige technische Aufgabe ist, eine Aufgabe, die möglicherweise nicht vor Ende dieses Jahrhunderts bewältigt werden kann. Doch hat die Technikjetzt einen so hohen Stand erreicht, daß es angemessen scheint, diese Anstrengungen jetzt zu unternehmen... Angesichts dieser Überlegungen rufe ich die Wissenschaftler, die uns die Atomwaffen bescherten, dazu auf, ihre großartigen Talente in den Dienst der Menschheit und des Weltfriedens zu stellen und uns Mittel an die Hand zu geben, die diese Atomwaffen wirkungslos und überflüssig machen ... Leh erteile den Auftrag, in umfassenden und intensiven Anstrengungen ein langfristiges Forschungs-und Entwicklungsprogramm mit dem Fernziel zu erstellen, daß die von den Atomraketen ausgehende Bedrohung beseitigt wird. Das könnte den Weg zu Rüstungskontroll-Maßnahmen mit dem Ziel ebnen, die Waffen selbst zu beseitigen.“ US-Präsident Ronald Reagan, 23. März 1983

I. Die Militarisierung des Weltraumes

Anzahl der militärischen Raumflugkörper der USA und der UdSSR im Vergleich Jahr USA UdSSR Jahr USA UdSSR .Quelle: D. O. A Wolf, H. M. Hoose, M. A Dauses, Die Militarisierung des Weltraums, Koblenz 1983, S. 46.

Das Interesse am Himmel, an den Sternen, insbesondere am Mond, und damit am Weltraum ist wohl so alt wie die Menschheit selbst Das Abenteuer des Fliegens, eingeschlossen der Vorstoß in das All, ist ein jahrtausendealter Menschheitstraum. Erst aber die allerjüngste Neuzeit lieferte die wissenschaftlichen und technologischen Hilfsmittel, diesen Traum zu verwirklichen, den Forschungsdrang des Menschen auch in bezug auf den Kosmos zu befriedigen. Zur jüngsten Geschichte der Raumfahrt Als Beginn der Raumfahrt-Ära können die fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts gelten 1). Mit Blick auf das anstehende Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58 hatte der damalige US-Präsident Dwight D. Eisenhower offiziell bekanntgeben lassen, daß die Vereinigten Staaten einen künstlichen Satelliten entwickeln würden, der wissenschaftliche Messungen durchführen solle. Kurze Zeit darauf trat die Sowjetunion mit ähnlichen Plänen an die Öffentlichkeit. Der Wettlauf in den Weltraum — besser gesagt: um seine Nutzung — hatte begonnen.

Schaubild 2: US-Anti-Satelliten-System (ASAT) . Quelle: Aufrüstung oder Abrüstung?, SIPRI Broschüre 1984, UN-Texte 32, Bonn 1984, S. 26.

Wider Erwarten und zur Bestürzung der westlichen Welt waren es jedoch Mitte der fünfziger Jahre nicht die USA sondern die Sowjetunion, die diesen Wettlauf in das All zu gewinnen schien: Am 4. Oktober 1957 startete die UdSSR Sputnik I. Hatte dieser erste künstliche Erdtrabant auch nur ein Gewicht von 83, 6 kg bei einem Durchmesser von 58 cm und einer Funktionsdauer von nur etwas mehr als drei Wochen bei einer Lebensdauer von 92 Tagen, so ist gleichwohl das Schlagwort „Sputnik-Schock" bis heute unvergessen. Bereits Wochen nach dem zwei Start von es ihren Sputnik I gelang der Sowj kg bei einem Durchmesser von 58 cm und einer Funktionsdauer von nur etwas mehr als drei Wochen bei einer Lebensdauer von 92 Tagen, so ist gleichwohl das Schlagwort „Sputnik-Schock" bis heute unvergessen. Bereits Wochen nach dem zwei Start von es ihren Sputnik I gelang der Sowjetunion, Vorsprung in das All noch zu vergrößern und in Folgezeit auszubauen: Am der weiter 3. November 1957 brachte Sputnik II 3) erstmals ein Lebewesen, die Eskimohündin Laika, in das All. Am 15. Mai 1958 schoß die UdSSR mit Sputnik III 4) ein funktionierendes Weltraumlaboratorium in eine Erdumlaufbahn, das über zwei Jahre lang Meßdaten zum Boden funkte. Am 13. September 1959 erreichte Lunik 2 als erster künstlicher Satellit von Menschenhand die Mondoberfläche 5). Einige Wochen später funkte Lunik 3 Bilder von der bislang unbekannten erdabgewandten Mondseite zur Erde. Im Februar 1961 startete die Sowjetunion Venus 1 und im Oktober 1962 Mars 1 zur Erkundung des erdnächsten bzw.des roten Planeten. Der Triumph der Sowjetunion erreichte am 12. April 1961 einen weiteren seiner Höhepunkte, als Leutnant Jurij Gagarin in Wostok 1 als erster Kosmonaut die Erde umrundete 6).

Schaubild 3: Geplantes US-Raketenabwehrsystem. Quelle: Der Spiegel Nr. 46/1984 vom 12. November 1984 S 145

Bereits am 6. und August 1961 gelangen dem sowjetischen Kosmonauten German Titow 17 Erdumrundungen in Wostok 2. Mit Walentina Tereschkowa war vom 16. bis 19. Juni 1963 die erste Frau im Weltraum gleichfalls eine sowjetische Kosmonautin. Die erste dreiköpfige Besatzung in einem sowjetischen Satelliten umrundete die Erde am 12. /13. Oktober 1964 an Bord von Woschod 1. Den ersten „Ausflug" i April 1961 einen weiteren seiner Höhepunkte, als Leutnant Jurij Gagarin in Wostok 1 als erster Kosmonaut die Erde umrundete 6).

Bereits am 6. und 7. August 1961 gelangen dem sowjetischen Kosmonauten German Titow 17 Erdumrundungen in Wostok 2. Mit Walentina Tereschkowa war vom 16. bis 19. Juni 1963 die erste Frau im Weltraum gleichfalls eine sowjetische Kosmonautin. Die erste dreiköpfige Besatzung in einem sowjetischen Satelliten umrundete die Erde am 12. /13. Oktober 1964 an Bord von Woschod 1. Den ersten „Ausflug" in den Raum außerhalb einer Kapsel unternahm der sowjetische Kosmonaut Alexej Leonow am 18. /19. März 1965 7).

Erst gegen Ende der sechziger Jahre sollte es den Vereinigten Staaten von Amerika gelingen, der UdSSR im Wettlauf in das All den Rang streitig zu machen und die Vorherrschaft der Sowjetunion zu brechen: Der erste US-Satellit Explorer 1 war am 31. Januar 1958, also erst vier Monate nach Sputnik I, erfolg-reich gestartet 8). Ein zweiter Satellit, Vanguard 1, folgte am 17. März 1958. Der erste interplanetare Flug gelang mit Pioneer 4, der im März 1959 am Mond vorbeiflog und in eine Sonnenumlaufbahn einschwenkte. Am 5. Mai 1961 glückte mit dem Astronauten Alan B. Shephard Jr.der erste bemannte Raumflug der USA 9). Einen Flug im Teilorbit bestritt Virgil I. Grissom am 21. Juli 1961 an Bord einer Mercury 4-Freedom 7. Eine volle Erdumrundung den USA erst gelang allerdings mit dem amerikanischen Astronauten John H. Glenn am 20. Februar 196210). Im Juli 1965 vollführten die US-Astronauten Edward H. White und James A. McDivitt 62 Erdumrundungen während eines Fluges von ca. 98 Stunden. Im Rahmen des Programms verließ mit White erstmals ein Amerikaner das Raumschiff zu einem 21minütigen Ausflug in das All.

Im Juli 1969 erreichten die amerikanischen Raumfahrtbestrebungen ihren wohl bislang aufwendigsten und spektakulärsten Höhepunkt. Bereits am 25. Mai 1961 hatte US-Präsident John F. Kennedy (nach einem vom Thema „Weltraum" beherrschten Wahlkampf) in einer Sitzung beider Häuser des Kongresses den Plan einer bemannten Mondlandung noch vor 1970 angekündigt: „Ich meine, daß diese Nation sich dem Ziel verschreiben sollte, noch vor dem Ende dieses Jahrzehntes einen Menschen auf den Mond zu bringen und ihn wieder sicher zur Erde zurückkehren zu lassen.“ 11) Am 21. Juli 1969 war es dann so weit: Um 3. 56 Uhr MEZ setzte der amerikanische Astronaut Neil A. Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Boden des Mondes: „Ein kleiner Schritt für mich, ein großer Schritt für die Menschheit.“ Dieser Premiere Armstrongs folgten bis 1972 im Rahmen des Apollo-Programmes noch fünf weitere Mond-erkundungen durch amerikanische Astronauten, z. T. unter Verwendung eines elektrisch getriebenen Mondoberflächenfahrzeuges 12). Insbesondere das Apollo-Programm ließ die USA im Bewußtsein der Weltöffentlichkeit, aber auch der Fachwissenschaft zur ersten Raumfahrtnation der Erde aufsteigen. Es weckte Erwartungen, welche die Vereinigten Staaten in der Folgezeit auch weitgehend erfüllten — zumindest jedoch eher erfüllten als die UdSSR. Während die Sowjetunion ihre Aktivitäten vorrangig auf bemannte Stationen im Erdorbit und auf unbemannte Mondflüge beschränkte, strebte die NASA bereits erfolgreich zu den Nachbarplaneten des Sonnensystems. Nach ersten Aktivitäten Mitte der sechziger Jahre und Anfang der siebziger Jahre, deren erfolgreiche Missionen die Planeten Mars, Venus, Jupiter und Merkur umfaßten, gelang den USA 1976 erneut eine Pioniertat: Am 20. Juli landete Wiking 1 weich auf dem Mars, übertrug mit hoher Qualität Bilder von der Marsoberfläche zur Erde und analysierte mit Hilfe eines mitgeführten Biolabors Proben des Marsbodens unmittelbar vor Ort.

Als epochemachend kann schließlich auch der Einsatz wiederverwendbarer Weltraum-fähren durch die USA gelten. Erste Testversuche mit einer Raumfähre (Space-Shuttle) unternahmen die USA im August 1977. Der erste kommerziell genutzte Flug fand am 11. November 1982 mit der „Columbia“ statt.

Fassen wir zusammen, so kann nicht geleugnet werden, daß die beiden Supermächte USA und UdSSR im harten Wettstreit um die Eroberung des Alls stehen. Auch das . Apollo Sojus Test Project" (ASTP), welches auf ein Kooperationsabkommen im Sinne der friedlichen Erforschung des Weltraums zurückging, das US-Präsident Nixon und der Vorsitzende des Ministerrats der UdSSR, Kossygin, am 24. Mai 1972 in Moskau unterzeichneten, kann über diese Schlußfolgerung nicht hinwegtäuschen Im Gegenteil: Berücksichtigen wir im folgenden die militärischen Komponenten beim Vorstoß in den Weltraum, so wird deutlich, daß es sich bei diesem Wettstreit um die Eroberung des Alls — zumindest auch, wenn nicht gar vorrangig — um einen Teil des strategischen Rüstungswettlaufs zwischen Ost und West handelt 2. Zur militärischen Nutzung des Weltraums Die Anzahl der Raumfahrtsysteme mit Aktivitäten militärischer Natur ist — wie Tabelle 1 zeigt — keineswegs gering Der Schwerpunkt dieser Aktivitäten lag anfangs allerdings noch bei passiven Operationen (Verifikation/Überwachung bzw. Aufklärung/Spionage); er Verlagert sich aber zunehmend auf unterstützende Fernmelde-, Navigations-und Feuerleitfunktionen und wird künftig wohl auch den aktiven Einsatz von Raumflugkörpern als Waffensysteme einschließen.

a) Aufklärungssatelliten Die raumgestützte Aufklärung ist heute die wichtigste Informationsquelle für die Supermächte. Ohne sie wäre die sicherheitspolitische und militärische Lagebeurteilung unzureichend und die Überwachung (Verifikation) der Einhaltung von Verhandlungsergebnissen bzw. von Rüstungskontrollabkommen kaum möglich. Gegenüber der Aufklärung mit Flugzeugen bietet die Aufklärung mit Hilfe von Raumflugkörpern erhebliche Vorteile. Zum einen lassen sich aus einer Umlaufbahn hoch über der Erde Veränderungen auf einem sehr großen Beobachtungsgebiet in relativ kurzer Zeit feststellen (area surveillance). Das Beobachtungsgebiet kann durch die Wahl entsprechender orbitaler Parameter und der hieraus resultierenden allmählichen Verschiebung der Satelliten-Bahn „über Grund" nach Osten oder Westen sogar noch vergrößert werden. (Vgl. zur Illustration die Bahnen von Satelliten der beiden Supermächte über Falkland/Malvinas bzw. Großbritannien zu Krisen-und Konfliktzeiten in Schaubild 1.) Zum anderen können — je nach Interessenlage: alternativ oder ergänzend — aus einer erdnahen Umlaufbahn heraus exakte Beobachtungen mit hohem Auflösungsvermögen bei allerdings geringer Flächenabdeckung (close look) und einer geringeren Funktionsdauer des Raumflugkörpers gemacht werden. Schließlich kann auch eine erdsynchrone (geostationäre) Umlaufbahn gewählt werden. Satelliten in einer so großen Höhe von ca. 36 000 km kommen jedoch weniger Aufklärungs-als Frühwarnfunktionen zu.

Die Raumflugkörper können heute mit Sensoren ausgerüstet werden, die den gesamten Bereich des elektromagnetischen Spektrums abdecken. Empfangen wird emittierte und reflektierte elektromagnetische Strahlung. Ihre Informatiönsqualität hängt zwar immer noch auch von Faktoren ab wie dem Kontrast zwi-schen Zielobjekt und Umgebung (Tarnung), den Wetterbedingungen und den Einflüssen der Atmosphäre auf das Licht, der Höhe der Umlaufbahn etc.; gleichwohl können bereits die derzeitigen Standards (mit erheblichem Vorsprung auf Seiten der USA) als hervorragend bezeichnet werden: Selbst aus Höhen um 150 km sollen noch Objekte von der Größe bis zu 10 cm auf dem Boden zu erkennen sein.

Zur Überwachung der militärischen Schiffsbewegungen unter und über Wasser lassen sich ebenfalls Raumflugkörper (ocean surveillance) nutzen, deren Ausrüstung den spezifischen Gegebenheiten, insbesondere dem See-wetter, angepaßt ist. Eingesetzt werden hier weniger Sensorsysteme für den sichtbaren Bereich des elektromagnetischen Spektrums als vielmehr hochauflösende Radargeräte, die auch in der Lage sind, dickere Wolkenschichten zu durchdringen, oder Infrarot-Sensoren, die sich zur Ortung des Kühlwassers getauchter U-Boote bzw.der Verwirbelung des Oberflächenwassers und seiner natürlichen Temperaturschichtungen eignen.

Luft-und Raumverteidigungsradarstellungen im Hinterland des Gegners und deren Ab-strahlung durch spezifische Raumflugkörper können zur Elektronischen Kampfführung erfaßt werden. Aus den aufgenommenen Signalen lassen sich z. B. Standort, Reichweite und technische Spezifika der Radareinrichtungen ermitteln und gegebenenfalls Schutz-und Gegenmaßnahmen formen. Letzteres ist besonders zu betonen: Aufklärungssatelliten erschweren in naher Zukunft nicht nur das „Versteckspiel" von Streitkräften und ihrer Potentiale. Raumflugkörper können Zielgebiete, ja Zielpunkte exakt orten und vermessen werden ihre Daten in die Gefechts-köpfe nuklearer Trägersysteme, z. B.der Marschflugkörper (cruise missiles) neuer Generation, gespeichert, so erlangt die bislang eher defensive, in jedem Fall aber passive Aufklärung zukünftig eine eher offensive Bedeutung. b) Wettersatelliten Der Erfolg militärischer Einsätze ist stets auch wetterabhängig. Es ist deshalb kein Zufall, daß neben den zivilen auch militärische Wetterdienste und damit auch Wettersatelliten existieren, die den besonderen Aufgaben der Streitkräfte gerecht werden sollen. Beide Supermächte haben bereits in den sechziger Jahren Wettersatelliten erprobt und mittlerweile ihre militärischen Wettersatelliten-programme abgeschlossen. Es kann davon ausgegangen werden, daß sowohl die ameri-kanischen als auch die sowjetischen Raumflugkörper in ähnlich leistungsfähiger Weise in der Lage sind, ohne Zeitverzug Bilder der lokalen Wetterbedingungen von allen wichtigen Stellen der Erde zu liefern. c) Raumflugkörper zur Aufklärung von Nuklearexplosionen Ähnlich wie die Wettersatelliten gehören auch Raumflugkörper zur Überwachung von Atomversuchen zu den Aufklärungssatelliten im weiteren Sinne. Sie wurden ursprünglich entwickelt, um die Einhaltung des Atomtest-stopp-Abkommens von 1963 zu überwachen. Ihre Ausstattung sind Detektoren und Geräte, die Röntgen-, Gamma-und Neutronenstrahlung erfassen sowie die chemischen Spalt-und Fusionsprodukte nuklearer Explosionen analysieren können. In dem Maße, in dem zukünftig der elektromagnetische Impuls (EMP) nuklearer Explosionen in die strategischen Überlegungen der Supermächte (inkl.der Erwägungen nuklearer Erst-und Entwaffnungsschläge) einbezogen wird, werden Raumflugkörper zur Überwachung von Atom-versuchen wohl auch zusätzlich eine Frühwarnfunktion zur Erkennung und Analyse nuklearer Explosionen in der Atmosphäre und im Weltraum erhalten; es gilt die Folgen des EMP, d. h. die Gefahren, durch einen oder wenige gezielte Nuklearschläge des Gegners möglicherweise „blind, taub, stumm und bewegungslos" zu werden, rechtzeitig abzuwehren. d) Frühwarnsatelliten Frühwarnsatelliten haben die Funktion, insbesondere vor nuklearen Überraschungsangriffen zu schützen, die Vorwarnzeit möglichst optimal zu halten, Irrtümer zu vermeiden und gegebenenfalls eine flexible und angemessene Reaktion zu ermöglichen. Die Satelliten sind insbesondere mit Infrarotsensoren ausgestattet, die — in Verbindung mit TV-Kameras — in der Lage sind, die heißen Abgase von Flugkörpern schon beim Start zu erfassen.

Erst die Frühwarnsatelliten haben es ermöglicht, in den sechziger Jahren die strategische Vorwarnzeit von 15 auf 30 Minuten auszuwei-ten. Die Systeme gelten deshalb auch als im hohen Maße stabilisierend für das Abschrekkungssystem Umgekehrt ist ihre Zerstörung im Konflikt-und Kriegsfälle von vitalem Interesse für die jeweils gegnerische Seite. Doch sind Frühwarnsatelliten zukünftig nicht nur der Gefährdung durch Abwehrmaßnahmen im Kriegsfälle ausgesetzt Neuere Rüstungsdynamiken und Strategien, wie sie jüngst in der Stationierung von Systemen mit hoher Zielgenauigkeit und extrem kurzer Flugzeit (z. B. PERSHING II, SS SS 23) zum Ausdruck kommen, relativieren die ursprünglich stabilisierende Funktion von Frühwarnsatelliten zukünftig bereits in Friedenszeiten. e) Fernmeldesatelliten Hochtechnisierte Streitkräfte benötigen für ihren wirkungsvollen Einsatz sichere und leistungsstarke Fernmeldeführungs-und Verbindungsmittel. Sind die nationalen Streitkräfte in ein militärisches Paktsystem integriert, so sind überdies Medien zur raschen Kommunikation und schnellen Umsetzung kollektiver Entscheidungen in koordinierte militärische Aktivitäten erforderlich. Im Ost-West-Gegensatz und seinen strategischen und operativen Bedingungen müssen sie schließlich eine globale Kommunikation ermöglichen 22).

Anders als konventionelle Fernmeldemedien, die in ihrer Leistungsfähigkeit begrenzt und störanfällig sind, bietet der Weltraum ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Funk-wellen. Er kennt weniger Störungen, überbrückt den geodätischen und elektronischen Horizont und läßt vor allem eine Vielzahl von gleichzeitigen Empfängern zu — sei es im strategischen Bereich, sei es im taktisch-operativen Einsatz. Entsprechend haben sich die beiden Supermächte, aber auch eine Reihe weiterer Staaten, schon sehr frühzeitig ein raumgestütztes Fernmeldenetz geschaffen, das über die Jahre hinweg in vielfältiger Weise ausgebaut und modernisiert wurde. Einen Überblick über die Zahl der militärisch nutzbaren Fernmeldesatelliten im Vergleich USA-UdSSR gibt Tabelle 2. f) Navigationssatelliten Raumflugkörper sind bereits seit Ende der fünfziger/Anfang der sechziger Jahre Hilfsmittel der Navigation, d. h.der Führung von Fahrzeugen und Trägersystemen von einem Ausgangspunkt zu einem Bestimmungsort Navigation mit Hilfe von Satelliten beruht auf der Kenntnis der genauen Position des Raumflugkörpers und dem Einsatz hochfrequenter Funkwellen. Das Navigationsverfahren selbst kann in Fremd-oder Eigenortung erfolgen. Insbesondere das letztere Verfahren, dessen Nutzeranzahl unbegrenzt ist und selbst keiner — wiederum vom Gegner ortbaren — Abfragesignale bedarf, eignet sich sehr gut für militärische Zwecke.

Beide Supermächte besitzen leistungsstarke Navigationssysteme im Raum. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß die USA — vor allem mit dem neuen „Global Positioning System NAVSTAR" — einen technologischen Vorsprung vor der Sowjetunion in der militärischen Nutzung raumgestützter Navigationssysteme erlangt haben. Zukünftig werden Raketensysteme wie die heuen TRIDENT oder MX auch über Tausende von Kilometern hinweg mit einer Zielgenauigkeit von nur noch wenigen Metern Abweichung geführt werden können. Die Vernichtung auch gehärteter Punktziele wie Raketensilos oder Kommandozentralen wird zukünftig mit Hilfe raumgestützter Navigation im selektiven Schlag möglich — nicht ausgeschlossen werden kann aber zukünftig auch die vermeintlich oder tatsächlich erfolgreiche Durchführung präemptiver Entwaffnungskriege. Entwicklungen, wie sie im folgenden Abschnitt beschrieben werden, unterstützen diese Befürchtung.

3. „Sternenkrieg", oder: Von der militärischen Nutzung zur Militarisierung des Weltraums

Wie gezeigt wurde, wird der Weltraum schon seit längerem auch militärisch genutzt. Mehr noch: Die meisten Aktivitäten im All dienen nicht zivilen, sondern militärischen Zwecken. Konnte aber in der Vergangenheit noch weitgehend von einer stabilisierenden Funktion der militärischen Weltraumnutzung für das Abschreckungsgefüge zwischen Ost und West gesprochen werden, so ist diese Aussage insbesondere für zwei neuere Entwicklungen kaum mehr zutreffend: Die erste Entwicklung betrifft Anti-Satelliten-Systeme (ASAT), die zweite Raketenabwehrsysteme im All (BMD/Ballistic Missile Defence)

a) ASAT/Anti-Satelliten-System

In der Bekämpfung von Satelliten sind die USA und die Sowjetunion von Beginn an unterschiedliche Wege gegangen: Die UdSSR führt seit einer Reihe von Jahren Tests mit Killer-Satelliten durch; Ziel des Killer-Satelli-ten ist es, letztlich durch Selbstzerstörung (Aufprall, Explosion, Zerlegung in Einzelteile) den gegnerischen Zielsatelliten zu vernichten. Daß die Sowjetunion heute — nach einer Reihe von Fehlschlägen — die Fähigkeit besitzt, Satelliten zu bekämpfen, demonstrierte sie eindrucksvoll im Jahre 1982: Im Rahmen eines umfangreichen Manövers führte die Sowjetunion am 18. Juni 1982 ein koordiniertes Kriegsspiel durch, das neben den Starts von Angriffs-und Abwehrraketen auch den erfolgreichen Einsatz eines Killersatelliten demonstrierte

Anders als die Sowjetunion haben die USA von Anfang an Abfangtechniken gewählt, die nicht auf dem Einsatz von Jagd-und Killersatelliten beruhten. Das erste Verfahren, das bereits am 19. Oktober 1959 erstmals ‘getestet wurde, war ein Boden-Raum-System; es beruhte auf dem Abschuß von landgestützten Raketen gegen Satelliten und führte auf Seiten der USA zu einem funktionierenden, wenngleich wohl nicht sehr effektiven Satellitenabwehrsystem von Beginn der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre

Das zweite Verfahren, das 1977 von US-Präsident Jimmy Carter in Auftrag gegeben und am 21. Januar 1984 zum ersten Mal erfolgreich getestet wurde ist ein Luft-Raum-System; es beruht auf einem schnell fliegenden Raketenprojektil MHV das von einem F-15-Kampfflugzeug in 20 km Höhe getragen und dort gegen einen Satelliten abgeschossen werden kann (vgl. auch Schaubild 2). Anders als das relativ plumpe und vor allem (mehrere Stunden) lang dauernde Antisatellitenverfahren der Sowjetunion, kann das neue System der USA seinen Zielsatelliten somit in wenigen Minuten erreichen und durch Kollision zerstören. Die strategische Möglichkeit, den Gegner bereits im Vorfeld eines Krieges „blind, taub und stumm“ zu machen, ist in greifbare Nähe gerückt. In Krisenzeiten wird diese Möglichkeit allerdings eher als Anreiz zu einem Präemptivkrieg denn stabilisierend wirken. b) BMD /Ballistic Missile Defence Ob BMD-Maßnahmen, die zweite anstehende Neuerung unter Einschluß modernster Satelliten- und Lasertechnologie, stabilisierend wirken, muß gleichfalls bezweifelt werden. Zumindest stehen Raketenabwehrmaßnahmen, wie sie Präsident Reagan in seiner eingangs zitierten Rede vom 23. März 1983 fordert, in deutlichem Widerspruch zu Geist und Wortlaut des am 26. Mai 1972 zwischen den USA und der UdSSR geschlossenen ABM-Vertrages über die Begrenzung von antiballistischen Abwehrraketen. Mehr noch: Die Forderung Reagans vom 23. März 1983 beinhaltet eine völlige Neuorientierung der strategischen Doktrin der USA Zweifel sind jedoch nicht nur an der stabilisierenden Funktion von Raketenabwehrmaßnahmen angebracht, sondern auch an ihrer technologischen Machbarkeit und ihrer Finanzierbarkeit 30). Insbesondere die Laser-und Partikelstrahlentechnologie, auf die, neben dem Einsatz von Abwehrraketen, große Hoffnungen gesetzt wird, ist bislang noch zu wenig ausgereift und zu kostspielieg Dennoch hat Präsident Reagan auf der Grundlage zweier Studien am 6. Januar 1984 seine Forderung zur „Directive" und damit zur Regierungspolitik erhoben. Beginnend mit 1985 sollen bis 1990 rund 26 Milliarden Dollar für das neue Verteidigungskonzept aufgewendet werden. Wie dieses Konzept aussehen könnte, zeigt Schaubild 3. Es illustriert zugleich das zukünftige Bild eines militarisierten Weltraums, das zumindest derzeit noch im Widerspruch zur bisherigen Tendenz des Weltraumrechts einerseits und der Rüstungssteuerungsverhandlungen andererseits steht B 48

II. Weltraumrecht als Schranke der Weltraumrüstung

Schaubild 1: Der sowjetische Satellit Cosmos 1347 im April 1982 über Großbritannien und die US-Satel-Uten 1980— 10A und 1981— 85A von März bis April 1982 über den Falkland/Malvinas Inseln. Quelle: SIPRI, Stockholm International Peace Research Institute. World Armaments and Disarmament SIPRI Yearbook 1983, London/New York 1983, S. 430 f.

Anders als das Luftrecht, das dem jeweiligen Staat die volle Souveränität über seinen Luft-, raum zubilligt, ist die Ausübung von Hoheitsrechten im Weltraum beschränkt Schon sehr frühzeitig — die erste Prinzipiendeklaration (1348/XIII) erging am 13. Dezember 1958 — setzte sich in den Vereinten Nationen die Ansicht durch, daß der Weltraum, einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper, nicht der nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt unterliege Auch die „militärische" Nutzung des Weltraums ist somit nicht oder nicht allein durch das Souveränitätsrecht der einzelnen Staaten regelbar, sondern völkerrechtlichen Schranken unterworfen. Diese Schranken lassen sich derzeit grob in zwei Bereiche unterteilen: zum einen die (eher allgemeinen) Prinzipien-und Nutzungsverträge, zum anderen die spezifischen Rüstungssteuerungsabkommen. 1. Die Prinzipien-und Nutzungsverträge als Schranken einer Militarisierung des Weltraums?

Die wohl wichtigste Quelle des Weltraum-rechts ist der Weltraumvertrag von 1967 Seine Prinzipien erklären den Weltraum zum Staatengemeinschaftsraum und unterwerfen ihn einem Gemeinnützigkeitsregime auf der Basis internationaler Zusammenarbeit und friedlicher Interessenwahrung. Der sachliche Gehalt der wesentlichen Norm des Weltraumvertrages, die sich mit Streitkräften und Rüstung befaßt, ist allerdings eher bescheiden. Artikel 4 des Vertrages lautet: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Erdumlaufbahn zu bringen und weder Himmelskörper mit derartigen Waffen zu bestükken noch solche Waffen im Weltraum zu stationieren. Der Mond und die anderen Himmelskörper werden von allen Vertragsstaaten ausschließlich zu friedlichen Zwecken benutzt. Die Errichtung miitärischer Stützpunkte, Anlagen und Befestigungen, das Erproben von Waffen jeglicher Art und die Durchführung militärischer Übungen aufHimmelskörpern sind verboten. Die Verwendung von Militärpersonal für die wissenschaftliche Forschung oder andere friedliche Zwecke ist nicht untersagt Ebensowenig ist die Benutzung jeglicher für die friedliche Erforschung des Mondes und anderer Himmelskörper notwendiger Ausrüstungen oder Anlagen untersagt."

Art. 4 Abs. 1 des Weltraumvertrages verbietet das Stationieren von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln im Weltraum, in Erdumlaufbahnen oder auf Himmelskörpern. Nicht verboten sind dagegen durch die Norm satellisierte Kollisionswaffen ohne Munition (Killersatelliten), Raumflugkörper mit konventioneller Sprengladung sowie Laser-und Partikelwaffen, also die breite Palette der gegenwärtigen und geplanten ASAT/BMD-Einsatzmittel. Nicht verboten sind ferner nuklear bestückte Trägermittel, die zwar auf der Erde disloziert sind, ihr Einsatzziel aber im Weltraum haben. Und nicht verboten sind schließlich auch Satelliten, die selbst zwar keine Kern-und Massenvernichtungswaffen an Bord haben, aber entscheidend dazu beitragen, daß erdgestützte Trägersysteme solche Waffen (zukünftig punktgenau) ins gegnerische Territorium führen können (insbes. Navigations-, aber auch Aufklärungs-und Fernmeldesatelliten). Dieses Defizit mit Blick insbesondere auf die anstehenden ASAT-und BMD-Entwicklungen kann auch nicht durch Art 4 Abs. 2 des Weltraumvertrages aufgefangen werden, der vorsieht, daß der Mond und die anderen Himmelskörper von allen Vertragsstaaten ausschließlich zu „friedlichen" Zwecken benutzt werden dürfen. Zum einen bezieht sich die Bestimmung nur auf den Mond und die Himmelskörper, nicht aber auf den Weltraum als solchem. Zum anderen ist „friedlich" nicht gleichbedeutend mit „nicht-militärisch", sondern völkerrechtlich eher als „nicht-aggressiv“ zu verstehen. Auch das Gewaltverbot der UN-B Satzung verbietet militärische Verteidigungsmaßnahmen keineswegs. Gleichwohl ist nicht zu vernachlässigen, daß Art. 4 Abs. 2 des Weltraumvertrages zumindest die militärische Nutzung der Himmelskörper untersagt. Zusammen mit dem spezifischen ABC-Waffen-Verbot aus Art. 4 Abs. 1 kann also durchaus von völkerrechtlichen Schranken gesprochen werden, die einer teilweisen Entmilitarisierung des Weltraums gleichkommen.

Der Mondvertrag von 1979 bestätigt und erweitert diese Aussage in spezifischer Weise. Art. 3 des Vertrages sieht vor:

, 11) Der Mond wird von allen Vertragsstaaten ausschließlich zu friedlichen Zwecken genutzt.

(2) Jede Androhung oder Anwendung von Gewalt oder jede andere feindselige Handlung oderAndrohung einer feindseligen Handlung auf dem Mond ist verboten. Es ist ebenfalls verboten, den Mond zur Begehung einer solchen Handlung oder zur Vornahme einer solchen Bedrohung in bezug auf die Erde, den Mond, Raumfahrzeuge, die Besatzung von Raumfahrzeugen oder von Menschenhandgeschaffene Weltraumgegenstände zu benutzen.

(3) Die Vertragsstaaten werden keine Gegenstände, die Kernwaffen oder andere Massenvernichtungswaffen tragen, in eine Mondumlaufbahn oder in eine andere Flugbahn zum Mond oder um den Mond bringen und keine solchen Waffen auf der Mondoberfläche oder im Mondinnern anbringen oder verwenden.

(4) Die Errichtung militärischer Stützpunkte, Einrichtungen und Befestigungen, das Erproben von Waffen jeglicher Art und die Durchführung militärischer Übungen auf dem Mond sind verboten. Die Verwendung von Militärpersonal für die wissenschaftliche Forschung oder andere friedliche Zwecke ist nicht untersagt. Ebensowenig ist die Benutzung jeglicher für die friedliche Erforschung und Nutzung des Mondes notwendiger Ausrüstungen oder Anlagen untersagt.“

Art. 3 des Mondvertrages erweitert den Anwendungsbereich des Weltraumvertrages insofern, als er untersagt, Kernwaffen und andere Massenvernichtungsmittel in Umlaufbahnen oder eine andere Flugbahn zum Mond oder auf die Mondoberfläche und in das Mondinnere zu verbringen. Bemerkenswert aber ist Abs. 2 von Art. 3. Er verbietet jede Androhung oder Anwendung von Ge-walt oder jede andere feindselige Handlung oder deren Androhung.

Sieht man diese Norm in der Zusammen-schau der übrigen Prinzipien des Weltraum-vertrages und des Mondvertrages sowie der gegenwärtig drei weiteren Nutzungsverträge — dem Raumfahrerabkommen von 1968, dem Haftungsabkommen von 1972 und dem Registrierungsabkommen von 1975 —, so werden Geist und Tendenz des bisherigen Weltraumrechts und seiner Verträge deutlich: Der Weltraum, seine Himmelskörper und seine Naturschätze sind das gemeinsame Erbe der Menschheit, das nicht militärisch, sondern kooperativ und zum Vorteil aller ohne Waffengewalt genutzt werden soll. 2. Die bisherigen Rüstungssteuerungsabkommen als Schranken einer Militarisierung des Weltraums?

Gleichwohl bleibt mit Blick insbesondere auf die neueren ASAT-und BMD-Entwicklungen das angesprochene Defizit. Erweitern wir also unsere Frage nach der Schrankenziehung gegen eine Militarisierung des Alls durch das gegenwärtige Weltraumrecht auch auf die bisherigen Rüstungssteuerungsabkommen.

Neben dem ABM-Vertrag von 1972 gehören zu den Rüstungskontrollabkommen, welche die militärische Nutzung des Weltraums beeinflussen können, der Teststopp-Vertrag vom 5. August 1963, der Bio-/Toxinwaffenvertrag vom 10. April 1972 und der Vertrag über den Einsatz von Umweltveränderungstechniken vom 18. Mai 1977 Anders als der ABM-Vertrag gehen die übrigen Abkommen jedoch nicht über den Gehalt des Weltraumvertrages hinaus oder sind — so vor allem das Verbot der Umweltveränderung — für die Begren-zung der militärischen Nutzung des Weltraums von geringer Bedeutung.

Der ABM-Vertrag über Abwehrraketensysteme richtet dagegen eindeutig Schranken gegen die Militarisierung des Alls auf. Er begrenzt die ABM-Abschußvorrichtungen in der Sowjetunion und den USA mittlerweile auf eine Stückzahl von je 100. Vor allem aber verpflichten sich die Vertragspartner in Art. V Abs. 1 des ABM-Vertrages, „keine ABM-Systeme oder Bestandteile zu entwikkeln, zu erproben oder zu dislozieren, die see-, lüft-oder weltraumgestützt sind oder als bewegliches System landgestützt sind". BMD-Komplexe, wie sie in Schaubild 3 illustriert und für die Zukunft geplant werden, sind mit diesem Wortlaut des ABM-Vertrages kaum vereinbar.

Genügen also die geltenden Normen, um eine Militarisierung des Weltraums zu verhindern? Eine solche Schlußfolgerung würde verschiedene bedeutsame Fakten verkennen: Zum einen zählen beide Supermächte Forschungen auf dem Gebiet der Laser-und Partikelwaffen als solche nicht unter die „Entwicklung" von ABM-Systemen und damit nicht als Vertragsverstoß. Zum anderen ist nach Art. XV auch der ABM-Vertrag kündbar, wenn außergewöhnliche Ereignisse zu einer höchsten Gefährdung eines oder beider Vertragspartner führen. Die Rücktrittsmitteilung muß lediglich eine Darlegung der außergewöhnlichen Ereignisse enthalten. Und schließlich darf nicht übersehen werden, daß auch ein funktionierender und eingehaltener ABM-Vertrag keine rechtlichen Schranken gegen ASAT-Maßnahmen errichtet.

III. Instabilität oder ein präventives Rüstungssteuerungsabkommen?

Tabelle 2:Die Anzahl der militärisch nutzbaren Fernmeldesatelliten der USA und der UdSSR im Vergleich . Quelle: Wolf, Hoose, Dauses (Anm. 1), S. 91.

Zusammenfassend ist also festzuhalten, daß bereits auf der Grundlage der derzeitigen rechtlichen Regelungen von einer Tendenz zur Entmilitarisierung des Weltraums gesprochen werden kann; umgekehrt ist aber gegenwärtig die militärische Nutzung des Alls mit überdies stark zunehmender Tendenz ebenfalls nicht zu leugnen. Kann und muß diese Diskrepanz durch neue rechtliche Regelungen und Rüstungssteuerungsabkommen aufgehoben werden? Die Antwort ergibt sich als Imperativ aus dem destabilisiserenden Charakter der neueren Entwicklungen — die Forderung Präsident Reagans vom 23. März 1983 nach einem Raketenabwehrsystem ist hierfür ein besonders illustratives Beispiel. 1. Auf dem Weg zur Destabilisierung?

Grundpfeiler der bisherigen Abschreckungsstrategie der USA ist seit McNamara die Doktrin der „gegenseitigen gesicherten Zerstörung" (mutual assured destruction/MAD). Diese Doktrin verlangt die Aufrechterhaltung eines Nuklearpotentials, das in der Lage ist, dem Gegner einen „untragbaren Schaden" (unacceptable damage) zuzufügen Die Doktrin verlangt ferner, daß die Fähigkeit zur Schadenszufügung im besagten Umfang auch noch nach — oder besser: „gerade" nach — einem nuklearen Überraschungsangriff fortbesteht, der Angegriffene also die Mittel und Möglichkeiten zum „zweiten" Schlag besitzt. Und sie setzt schließlich als Grundprinzip nuklearer Abschreckung die „Verletzbarkeit“ (vulnerability) der beiden potentiellen Gegner voraus. Insbesondere vor diesem letzten Gesichtspunkt wird deutlich, daß die Forderung Reagans vom 23. März 1983 nach Schutz und Unverwundbarkeit durch BMD-Abwehrmaßnahmen die völlige Neuorientierung der strategischen Doktrin der USA beinhaltet

Warum aber ist diese Neuorientierung destabilisierend? Die Forderung Präsident Reagans bezieht sich doch lediglich auf Schutz-und Abwehrsysteme, also auf eindeutig defensives Potential. Vor allem aber besticht sie — zumindest dem ersten Anschein nach — unter dem Aspekt der Unverwundbarkeit, insbesondere mit Blick auf die moralisch zweifelhafte „Geiselrolle der Bevölkerung" in der bisherigen Doktrin. Gleichwohl unterliegt die Forderung Reagans einem tiefgreifenden Denkfehler: Sie beinhaltet nicht den parallelen Abbau des eigenen Offensivpotentials. Die Neuorientierung liegt also nicht in der Abschaffung des Abschreckungssystems als solchem, sondern „lediglich" in der Beseitigung von MAD. Nach der Logik des Abschreckungssystems wirken aber auch reine Defensivsysteme bei Fortbestand der bisherigen Offensivkapazitäten automatisch destabilisierend; aus der Sicht des Gegners sind sie letztlich nichts anderes als die qualitative Perfektionierung des feindlichen Drohpotentials. Dies gilt für die neuen BMD-Pläne um so mehr, wenn man sie vor dem Hintergrund weiterer Rüstungsvorhaben und -dynamiken mit stark destabilisierender Tendenz sieht — seien es die ASAT-Systeme, deren Einsatz den Gegner „blind, taub, stumm und bewegungsunfähig" machen kann, seien es die qualitativen Sprünge in der Vernichtungswirkung (Letalität) neuer Raketen-und Nukleartechnologien, die zukünftig selektive Nuklearwaffeneinsätze bis hin zum Entwaffnungsschlag zulassen, und vieles mehr. Die Aussage: „Wer als erster schießt, stirbt als zweiter" verliert zukünftig ihre Grundlagen. Statt dessen wird sich die Frage stellen: „Wem fällt die Prämie des Erstschlages zu? 30 Millionen Tote sind weniger als 100 Millionen Tote."

Wer sich selbst schützt, die Verwundbarkeit des potentiellen Gegners durch neue Rüstungstechnologien aber stetig vergrößert, denkt nicht mehr wie bisher in Kriegsverhütungs-, sondern in Kriegführungskategorien, strebt — bewußt oder unbewußt — nicht Stabilität, sondern Überlegenheit an. In der Konsequenz der Eigenschaften und Merkmale des nuklearen Abschreckungssystems aber liegt es, daß schon bisher die Versuchung, in irgendeiner Phase der ständigen Auf-und Umrüstung sowie der wechselnden Kräfteverhältnisse und -vorteile zum präemptiven bzw.

präventiven Krieg zu schreiten, sowohl für den stärkeren (und in Zukunft vielleicht wieder schwächeren) als auch für den schwächeren (und in absehbarer Zeit womöglich noch schwächeren) der Kontrahenten ein ernstes Problem war und ist.

Beide Gegner sehen die zielstrebigen Aufrüstungsbemühungen des anderen — zukünftig noch gepaart mit Abwehrmaßnahmen —, beide wissen nicht, ob die Bemühungen nicht bereits als konkrete Kriegsvorbereitungsmaßnahmen gedacht sind bzw. zu einem Kräfte-verhältnis führen, das die andere Seite zum indirekten Einsatz ihrer Streitkräfte anreizt.

Auch ohne eigene Absichten werden beide Parteien also permanent glauben, vom „worst case" ausgehen zu müssen, und ständig mit dem Gedanken des vorbeugenden Krieges spielen. Dieser dem Abschreckungssystem immanenten Kriegsgefahr kann nicht durch stetig verfeinerte Rüstungstechnologien, sondern nur durch konsequente Rüstungssteuerungs-und -begrenzungsabkommen (arms control) begegnet werden. 2. Plädoyer für präventive Rüstungssteuerung zur Verhütung einer Militarisierung des Weltraums . Arms control“ oder Kooperative Rüstungssteuerung (KRSt) kann als Strategie für die gemeinsame Aufrechterhaltung glaubwürdiger gegenseitiger Abschreckung bezeichnet werden — allerdings langfristig mit der Perspektive weniger bedrohter, weniger bedrohlicher und weniger kostspieliger Potentiale. Kurz-und mittelfristig dagegen ist eine Konzeption der KRSt, die vorrangig auf Stabilisierung des Abschreckungssystems zielt, mehr oder weniger also auf die Perfektionierung des klassischen balance-of-power-Mechanismus ausgerichtet ist. Nicht zuletzt in der Logik eben dieser Perfektionierung liegt es allerdings auch, wenn Rüstungssteuerungsverhandlungen nach bisherigem Muster mit zwei strukturellen Fehlern behaftet sind: Zum einen dauern sie erheblich zu lang. Zum anderen ist ihre Perfektionierung vorrangig auf numerische Begrenzungen, nicht aber auf qualitative Beschränkungen ausgelegt

Soll sich das Instrument der Rüstungskontrolle überhaupt zur Eindämmung der Milita-sierung des Weltraums eignen, so müssen diese strukturellen Defizite behoben werden. Zwei Wege bieten sich an: Die Gespräche zur Entmilitarisierung des Weltraums müssen als präventive Rüstungssteuerungsverhandlungen geführt werden, d. h., der Zeitraum für Verhandlungen muß möglichst optimal gehalten werden. In der Abfolge der Phasen: Forschung, Planung, Entwicklung, Produktion und Dislozierung von Weltraumwaffen sollte der Steuerungsschwerpunkt bereits bei der Planung angesiedelt sein. In der Konsequenz dieses Gedankens liegt es, ein sofortiges und umfassendes Moratorium zu fordern. Bis zu einer weitergehenden Einigung — also auf begrenzte Zeit — sollte dieses Moratorium notfalls auch die zivile Weltraumnutzung einschließen.

Darüber hinaus darf sich Rüstungskontrolle mit Blick auf die Weltraumnutzung nicht als Steuerungsgespräch über numerische Größenordnungen und ihre möglichen oberen Limits etablieren; vielmehr muß sie sich als Verhandlungsrunde zur Errichtung von Schranken gegen eine qualitative Modernisierungsmaßnahme verstehen. Worum es geht, ist letztlich die Bildung von Barrieren gegen die Erlangung von Kriegführungsfähigkeiten. Daraus folgt zweierlei: Die militärische Nutzung des Weltraumes darf keinesfalls über das derzeitige Maß ausgedehnt wer-den; in den Bereichen, in denen eine Nutzung sinnvoll, weil stabilisierend scheint (z. B. Aufklärungssatelliten), sind geeignete Verifikationsverfahren einzuführen.

Schließlich sollten sich zukünftig Rüstungssteuerungsverhandlungen über die Nutzung des Alls des internationalen Charakters des Weltraums als gemeinsames Erbe der Menschheit bewußt sein. Auch in der Konsequenz dieses Gedankens liegt zweierlei: Die Rüstungssteuerungsgespräche sollten nicht bilateral, sondern multilateral geführt werden; und ferner sollten sie zur Schaffung einer internationalen Raumfahrtbehörde führen. Eine solche Behörde könnte neben der Überwachung des Weltraums und neben eigener Forschung auch die Verifikation anderer Rüstungssteuerungsabkommen sowie Krisenmanagementaufgaben übernehmen.

Die Diskussion um die Militarisierung des Weltraums hat spätestens mit der Neuorientierung Präsident Reagans im März 1983 begonnen. Die Diskussion um die Entmilitarisierung des Weltraums durch Völkerrecht und Rüstungssteuerung ist noch zu führen. Ausschließlich in diesem Sinne sollten Wissenschaft und Forschung die an sie gerichtete Aufforderung Reagans im Rahmen seiner Rede vom 23. März 1983 verstehen: . Angesichts dieser Überlegungen rufe ich die Wissenschaftler, die uns die Atomwaffen bescherten, dazu auf, ihre großartigen Talente in den Dienst der Menschheit und des Weltfriedens zu stellen und uns Mittel zur Hand zu geben, die diese Atomwaffen wirkungslos und überflüssig machen."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. u. a. zu folgendem ausführlicher die ausgezeichnete Darstellung von D. O. A Wolf/H. M. Hoose/M. A Dauses, Die Militarisierung des Weltraums, Koblenz 1983, S. 11 ff.

  2. Zu betonen ist der überaus „friedliche“ Charakter dieses Ausgangspunktes der Raumfahrt-Ära. Das vom Internationalen Rat der Wissenschaftlichen Unionen veranstaltete Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58 führte u. a. zum Abschluß des Antarktisvertrages von 1959.

  3. Die Raumkapsel Wostok 1 wog 2 400 kg bei einem Durchmesser von 2, 3 m. Der Flug in der Satellitenumlaufbahn dauerte 108 Minuten bei einer Flughöhe zwischen 183 und 327 km.

  4. Der Ausflug" dauerte ca. 10 Minuten.

  5. Das „Lunar Roving Vehicle", das während der drei letzten Apollo-Flüge mitgeführt wurde, konnte auf der Mondoberfläche jeweils Strecken von ca. 30 km zurücklegen.

  6. Die Spezialisierung der Sowjetunion auf diesem Gebiet ist allerdings nicht zu unterschätzen. Nicht zufällig hält die UdSSR auch den Dauerflugrekord im All.

  7. NASA = National Aeronautics and Space Agency

  8. Die Raumfähre wird wie eine Rakete senkrecht gestartet, landet jedoch wie ein Luftfahrzeug im Gleitflug. Beim Start werden die Zusatzraketen nach Brennschluß abgetrennt. Gleitfähig ist nur der eigentliche Raumgleiter („Orbiter"). Die Raumfähre bietet bis zu sieben Personen Platz, kann bis zu 291 Nutzlast in erdnahe Umlaufbahnen bringen und soll ca. 100 mal wiederverwendet werden können.

  9. Das Projekt wurde am 17. Juli 1975 durch das Ankoppeln der mit den Astronauten Stafford, Brand und Slayton bemannten amerikanischen Apollokapsel an die mit den Kosmonauten Leonow und Kubasow bemannte sowjetische Sojus 19 realisiert.

  10. Die höhere Zahl auf Seiten der Sowjetunion läßt eine (quantitative) Überlegenheit der Sowjetunion vermuten. In der Tat liegt aber ein deutlicher technologischer, d. h. qualitativer Vorsprung der USA vor.

  11. Vgl. zu folgendem u. a.: R. Labusch/E. Maus/W. Send (Hrsg.), Weltraum ohne Waffen, München 1984, und dort insbes.: R. H. Dittel, Technische Möglichkeiten der Fernerkundung, S. 37 ff., sowie: E. Sieker, Künstliche Himmelskörper für die Navigation, S. 51 ff; D. O. A Wolf/H. M. Hoose/M. A Dauses (Anm. 1), S. 45 ff.; B. Jasani (Hrsg.), Outer Space — A new Dimension of the Arms Race, SIPRI, Stockholm 1982; D. S. Lutz, Weltkrieg wider Willen?, Reinbek 1981, S. 253 ff.

  12. So gibt es z. B. auch spezielle Geodäsie-Satelliten, die der Vermessung des Gravitationsfeldes der Erde dienen. Die Kenntnis geodätischer Elemente ist außerordentlich wichtig für die Zielgenauigkeit (Circular Error Probability/CEP) von Raketensyste-Men — vgl. dazu auch D. S. Lutz (Anm. 18), S. 227 ff.

  13. EMP = Electromagnetical Puls ist der bei einer Nuklearexplosion auftretende elektromagnetische Impuls, der — ähnlich dem Blitzschlag — elektrische Geräte zerstört oder zumindest empfindlich stört. So soll etwa eine Wasserstoffbombe von ca. 10 Megatonnen, in 300 km gezündet, zu einem nachrichtendienstlichen Black-Out in einem Umkreis von einigen 1 000 km führen; zur strategischen Nutzung von EMP vgl. z. B. das Szenario bei: J. Steinbrunner, Launch under Attack, in: Scientific American, Vol. 250, no. 1, S. 25.

  14. Vgl. auch: H. Pickert, Satellitenabwehr, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41/80, S. 27.

  15. So ist z. B.der Einsatzbefehl für amerikanische Nuklearmittel — wo auch immer sie disloziert sein mögen — ausschließlich auf den Präsidenten der USA beschränkt. Sollen Abschreckung und flexible response nicht versagen, so müssen Fernmeldemittel einen möglichen Einsatzbefehl jederzeit und unverzüglich ermöglichen. Ein weiteres Beispiel: Der seit der Kubakrise 1963 eingerichtete „Heiße Draht" zwischen Moskau und Washington läuft seit kurzem über Fernmeldesatelliten.

  16. Zu folgendem vgl. u. a. ausführlicher: R. Fisch-bach, Raketenabwehrtechnologien — Eine Über-sicht, in: R. Labusch/E. Maus/W. Send (Anm. 18), S. 62 ff.; J. Altmann, Laserwaffen, ebda., S. 79 ff.; R. Labusch, ebda., S. 97 ff.; M. Schwelien, Den Himmel blank putzen, in: Die Zeit, Nr. 21 v. 18. 5. 1984, 8. 17— 19; P. Barth, Verteidigung im Weltraum, in: Mediatus, 6 (1984), S. 3 ff.; Aufrüstung oder Abrüstung, SIPRI Broschüre 1984, UN-Texte 32, S. 26 ff.; H. Pickert, Satellitenabwehr, in: Soldat und Technik, 1 (1981), S. 3 ff.; D. O. Graham, High Frontier, Washington 1982.

  17. Die USA beobachteten erstmals am 10. Oktober 1968 sowjetische Abfangtests.

  18. Im Einsatz waren land-und seegestützte Interkontinentalraketen, Mittelstreckenraketen und antiballistische Abwehrraketen. Der Einsatz des Killersatelliten erfolgte über dem Großraum München bzw. Niederbayern.

  19. Es bestand zuerst aus Raketen vom Typ Nike Zeus, dann aus Mittelstreckenraketen vom Typ Thor. Das Programm wurde nicht zuletzt auch wegen des unberechenbaren EMP-Effektes für die eigenen Satelliten beim Einsatz der mit atomaren Gefechtsköpfen bestückten Raketen aufgegeben.

  20. Allerdings nur gegen einen „fiktiven" Punkt im Raum, nicht jedoch gegen einen tatsächlichen Raumflugkörper.

  21. MHV= Miniature Horning Vehicle.

  22. ABM = Anti-Ballistic Missiles 30) Das Pentagon soll bereits 1980/81 errechnet haben, daß es bei einem Aufwand von 100 bis 150 Mrd. Dollar durchaus in der Lage wäre, raumgestützte Strahlenwaffen bis Anfang der neunziger Jahre zu bauen — vgl. D. O. A Wolf/H. M. Hoose/M. A Dauses (Anm. 1), S. 103; an anderer Stelle wird von ca. 500 Mrd. US $gesprochen — vgl. „Der Sieg im Weltraum ist möglich“, in: Der Spiegel Nr. 46/1984, S. 13 ff.

  23. Ein undurchdringliches Kraftfeld scheint tatsächlich ausgeschlossen. Zum Jahrestag der Reagan-Rede hat die Gruppe „Union of Concerned Scientists" (Vereinigung besorgter Wissenschaftler), unter ihnen der Nobelpreisträger Hans Bethe, der Physiker Richard Garwin und der Astronom Carl Sagan, die vorgesehenen Abwehrsysteme technisch analysiert Ihr Urteil: „Es ist schwer zu verstehen, wie irgend jemand glauben kann, dies sei der Weg zu einer Welt mit weniger Gefahren.“ Die Ergebnisse der Wissenschaftler — es handelt sich keineswegs um „Tauben" (Bethe hat die Wasserstoffbombe mitentwickelt, Garwin war lange Jahre Berater des Pentagon und arbeitet heute im IBM-Forschungszentrum in New York) — lesen sich niederschmetternd für die Regierung Reagan: — Raumstationen auf einer Erdumlaufbahn sind — mit bekannten Mitteln — leicht zu zerstören.

  24. Gemeint sind die beiden von Reagan in Auftrag gegebenen (und ihn auch in seiner Forderung unterstützenden) Studien „Future Security Strategy Study" und „Defense Technology Study", erstellt von zwei Komitees unter der Leitung von James C. Fletcher und Fred Hofman.

  25. Vgl. u. a. zu folgendem ausführlich: H. Fischer, Völkerrechtliche Schranken der Weltraumrüstung, in: R. Labusch/E. Maus/W. Send (Anm. 18), S. 154 ff.;

  26. Die Auffassung ist auch eingegangen in'Art. 2 des Weltraumvertrages vom 27. Januar 1967.

  27. Auf die Resolutionen der UNO und der Arbeit des Weltraumausschusses sei verwiesen, wenngleich im folgenden nicht näher auf sie eingegangen werden kann. Entschließungen der UN besitzen keine unmittelbare Rechtswirkung, geben jedoch wichtige Hinweise auf die Rechtsüberzeugung der Staaten. Vgl. z. B. die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen „über die Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum" vom 9. 12. 1981 und vom 15. 12. 1983 sowie „über die Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum und Verbot von Antisatellitensystemen" vom 13. 12. 1982.

  28. „Vertrag über die Grundsätze bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper" vom 27. Januar 1962.

  29. . Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderen Himmelskröpern" vom 18. Dezember 1979.

  30. Die Bedeutung der Verträge zur Nutzung des Weltraums liegt weniger im rüstungspolitischen Bereich als vielmehr auf der vertrauensbildenden Ebene. Die Verträge sind: „Übereinkommen über die Rettung und Rückführung von Raumfahrern sowie die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen" vom 16. Jahuar 1968, „Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände“ vom 29. März 1972 und „Übereinkommen über die Registrierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen" vom 14. Januar 1975.

  31. „Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Begrenzung von Systemen zur Abwehr ballistischer Raketen" vom 26. Mai 1972.

  32. „Teststopp-Vertrag" vom 5. August 1963; „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen” vom 10. April 1972; Umweltkriegsverbots-Abkommen vom 18. Mai 1977.

  33. Vgl. das Zusatzprotokoll zum ABM-Vertrag vom 3. Juli 1974.

  34. Vormals Verteidigungsminister der USA

  35. Nach McNamara soll ein derartiger Schaden, bezogen auf die UdSSR, bei der Vernichtung eines Fünftels bis eines Viertels der sowjetischen Industriekapazität erreicht sein — R. S. McNamara, The Essence of Security, New York 1968, S. 52 f., 76.

  36. Berechnet man z. B. die Vernichtungswirkung neuer Waffen wie der SS-20 oder der PERSHING II (als Funktion aus der Treff-und Zielgenauigkeit der Waffe einerseits und ihrer Sprengkraft andererseits), so wird deutlich, daß die Letalität allein der Nuklearstreitkräfte in und für Europa in den nächsten Monaten von bisher einer Ebene von wenigen hundert Punkten auf Relationswerte zwischen 300 000 und über 1 Million hochschnellt. Umgekehrt droht angesichts der sprunghaften Dynamik der Rüstungstechnologie die Möglichkeit zur exakten Einschätzung der jeweiligen Kräfteverhältnisse rapide und mit der Folge strategischer Instabilität abzunehmen.

  37. Vgl. u. a.: W. Graf von Baudissin/D. S. Lutz (Hrsg.), Kooperative Rüstungssteuerung, Baden-Baden 1981.

  38. Zur Illustration: Die Wiener Konferenz über beiderseitige Truppen-und Rüstungsverminderung in Mitteleuropa (MBFR) nahm zwar bereits Ende Januar 1973 ihre Vorbereitungsarbeiten auf; ein Ende der Konferenz ist aber auch mehr als elf Jahre danach noch nicht abzusehen. Selbst über die Datenbasis („Sind Köche mitzuzählen?") konnte bislang noch keine Einigkeit erzielt werden, geschweige denn über eventuelle Reduzierungsquoten. Oder: Das zweite Abkommen über die Begrenzung strategischer Potentiale (SALT II) lag Mitte 1979 nach siebenjähriger Verhandlungsdauer zwar vor, wurde aber von den USA nicht ratifiziert. Das erste SALT-Abkommen wiederum wurde zwar 1972 tatsächlich abgeschlossen, führte durch seine hohen Obergrenzen aber eher zu einer Anheizung des Rüstungswettlaufs — sowohl auf numerischer als auch auf qualitativer Ebene — statt zu einer Beschränkung. Vgl. u. a.: R. Mutz, Konventionelle Abrüstung in Europa, Baden-Baden 1984; ders. (Hrsg.), Die Wiener Verhandlungen über Truppen-reduzierungen in Mitteleuropa (MBFR), Baden-Baden 1983; H. -J. Beuter, Von SALT zu START, Baden-Baden 1982.

  39. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einige wesentliche Strukturmerkmale einer KRSt mit Bezug zum Weltraum. Ein detaillierter Vorschlag folgt zu einem späteren Zeitpunkt nach. Vgl. dazu bereits die beiden Vertragsentwürfe der Sowjetunion von 1981 und 1983: G. Gerassinow, Die Militarisierung des Weltraums nicht zulassen, Moskau 1984, insbes. S. 79 ff.; vgl. vor allem bereits: H. Fischer/R. Labusch/E. Maus/J. Scheffran, Entwurf eines Vertrages zur Begrenzung der militärischen Nutzung des Weltraums, in: R Labusch/E. Maus/W. Send (Anm. 18), S. 175 ff.

  40. Der Vorschlag einer Internationalen Satelliten-Agentur (International Satellite Monitoring Agency/ISMA) ist vom französischen Präsidenten Gis-card d'Estaing am 25. Mai 1978 auf der Sondergeneralversammlung für Abrüstung der UNO eingebracht worden.

Weitere Inhalte

Dieter S. Lutz, Dr. rer. soc., geb. 1949; Studium der Rechtswissenschaft und der Politikwissenschaft im In-und Ausland; Stv. Wissenschaftlicher Direktor des Institutes für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH); Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg und an der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP); Herausgeber der Schriftenreihe „Militär, Rüstung, Sicherheit", Herausgeber der „Vierteljahresschrift für Sicherheit und Frieden" (S + F). Veröffentlichungen u. a.: Weltkrieg wider Willen?, Reinbek 1981; (Mitherausgeber), Kooperative Rüstungssteuerung, Baden-Baden 1981; (Hrsg.), Sicherheitspolitik am Scheideweg?, Bonn 1982; Krieg und Frieden als Rechtsfrage im Parlamentarischen Rat 1948/49, Baden-Baden 1982; (Hrsg.), Weder Wehrkunde noch Friedenserziehung?, Baden-Baden 1984.