Rogers-Plan, „AirLand Battle“ und die Vorneverteidigung der NATO
Heinz Magenheimer
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Zusammenfassung
„Rogers-Plan“ und . AirLand Battle" betreffen unterschiedliche Konzeptionen, die trotz vieler Gemeinsamkeiten nicht miteinander verwechselt werden dürfen. Das nach dem Amtsantritt von General Rogers entwickelte Konzept des „Strike deep“ betrifft nur die NATO-Planung auf einem eventuellen europäischen Kriegsschauplatz, während . AirLand Battle 1'die neue Kampfdoktrin des amerikanischen Heeres darstellt, die sich mit der Kampfführung der Brigade, der Division und des Korps im allgemeinen befaßt Beiden Planungen ist gemeinsam, neben der Abwehr der vorne eingesetzten Feindkräfte bereits frühzeitig die Bekämpfung nachrückender Feindteile einzuleiten, um deren Eingreifen auf dem Gefechtsfeld in Mitteleuropa zu verhindern bzw. zu verzögern. Die Planungen des „Strike deep“ lassen sich von der Grundabsicht leiten, möglichst vom Rückgriff der NATO auf die eigenen Nuklearwaffen abzurücken, um die Glaubwürdigkeit der Verteidigungsdoktrin zu erhöhen, was vor allem durch eine „Konventionalisierung“ der Kampfmittel und Abläufe erreicht werden soll. Keineswegs geht es darum — wie mancherorts unterstellt wird —, einen konventionellen Krieg wieder „führbar" zu machen, sondern darum, jede Art von Krieg zu verhindern. In diesem Sinne verfolgt die Kampfdoktrin der . AirLand Battle" den Zweck, den Kommandanten der einzelnen Ebenen mehr Spielraum für eine bewegliche Kampfführung zu schaffen, um die Schwächen in der gegnerischen Angriffsgliederung auch offensiv auszunützen. Unter Abstimmung mit den Aufträgen an die Luftstreitkräfte soll eine koordinierte Bekämpfung von Zielen bis zu einer operativen Tiefe von ca. 150 km erfolgen. Eine Angriffsplanung im strategisch-operativen Umfang ist damit jedoch nicht verbunden.
Einführung
Seit Mitte 1982 mehren sich die Aussagen und Kommentare zu Neuerungen im Verteidigungskonzept der NATO auf konventioneller Ebene, die unter den Bezeichnungen „Rogers-Plan" und „Strike-deep“ in die Fachpresse Eingang gefunden haben. Fast gleichzeitig kam es zur Erörterung der in Ausarbeitung befindlichen Kampfdoktrin der amerikanischen Streitkräfte zu Lande und in der Luft unter dem Begriff . AirLand Battle" bzw. . Air-Land Battle 2000". Dieses Nebeneinander der beiden Konzepte führte zu Verwechslungen und gab Anlaß für eine Reihe von Mißver-ständnissen. In rascher Folge setzten ablehnende Kommentare, auch seitens der War-schauer Pakt-Staaten, ein, die auf die angebliche Aggressivität und auf sonstige Nachteile hinwiesen, die durch diese strategisch-operativen Planungen hervorgerufen würden
Angesichts dieser Kontroverse steht man vor der Notwendigkeit, die Planungen der westlichen Seite zunächst auf ihren Wesensgehalt hin zu untersuchen und sich erst dann mit den ablehnenden Stimmen auseinanderzusetzen.
I. Grundzüge des strategisch-operativen Konzepts von NATO und Warschauer Pakt
Abbildung 2
Annahme eines Großangriffes des Warschauer Paktes auf Westeuropa
Annahme eines Großangriffes des Warschauer Paktes auf Westeuropa
Ein Mangel in der Diskussion über das Pro und Kontra hinsichtlich von Neuerungen im westlichen Verteidigungskonzept bestand darin, den gedanklichen Zusammenhang mit den bisher vorhandenen Stärken und Schwächen von Kampfdoktrin und operativem Konzept zu wenig zu berücksichtigen. Ausgangspunkt der Erörterung muß somit das aktuelle militärstrategische und operative Konzept beider Bündnisgruppen sein. 1. NATO Für die NATO besitzt immer noch das Prinzip der „Vorneverteidigung" Geltung, d. h. die «grenznahe, zusammenhängende Verteidigung mit dem Ziel, möglichst wenig Gebiet zu verlieren und Schäden möglichst zu begrenzen" Dies schließt naturgemäß die Rückge-winnung verlorengegangenen Territoriums ein, was in der laufenden Diskussion die heikle Frage nach der Zulässigkeit und dem Nutzen größerer Gegenangriffe aufgeworfen hat. Die vor etlichen Jahren entwickelten Alternativkonzepte, etwa von Generalmajor a. D. Hans-Joachim Löser oder von Horst Afheldt, hatten nämlich u. a. beträchtliche Raumverluste a priori in Kauf genommen Diese Alternativkonzepte waren nicht zuletzt deswegen von offizieller Seite zum Großteil abgelehnt worden, da die geringe Raumtiefe zwischen der deutsch-deutschen Grenze und dem Rhein sowie die dichte Besiedlung größere Angriffsoperationen zur Rückgewinnung aufgegebenen Gebiets mit kaum tragbaren Nachteilen belasten würden und deshalb keine geeignete Option boten
Allerdings kam im Rahmen der Erörterung zum Ausdruck, daß die Vorneverteidigung durch eine Reihe von Maßnahmen ergänzt werden müsse, um festgestellte Schwächen zu verringern. Dazu gehörten z. B. zusätzliche Kräfte für den Schutz rückwärtiger Gebiete und für den Fall tiefer operativer Durchbrüche des Angreifers Des weiteren wurde die Aufstellung von „Grenzsperrbrigaden" sowie die Errichtung von festen Anlagen und Sperren in der Grenzzone als Rückhalt für die grenznah eingesetzten Kräfte und zur Abnutzung des Angreifers gefordert
Dieser Forderung nach verstärktem Schutz des Hinterlandes in Mitteleuropa haben sich auch die offiziellen Stellen nicht verschlossen, was u. a. im schrittweisen Ausbau des Territorialheeres der Bundeswehr seit Anfang der achtziger Jahre seinen Niederschlag findet. Allerdings steht man offiziell dem Vorschlag nach Aufstellung von Milizverbänden zur Stärkung der Territorialorganisation skeptisch gegenüber Bis Mitte 1984 wurden z. B. die Heimatschutzbrigaden 51 und 56 der NATO unterstellt sowie 15 Heimatschutzregimenter den Verteidigungsbezirkskommandos zugeordnet.
Verschiedene Studien der letzten Jahre haben dargelegt, daß die grenznahe Verteidigung mit geringer operativer Tiefe ihre Hauptschwäche in der sehr beschränkten Zahl an Reserven hat, die eingespart oder freigemacht werden können. Es wird also viel von der rechtzeitigen Mobilmachung, von der Auffüllung des Territorialheeres, vor allem aber von der zeitgerechten Zuführung von Verstärkungen aus den USA aus Großbritannien und Kanada abhängen
Betrachtet man die Kräfteverteilung in den NATO-Abschnitten AFNORTH und AFCENT, so tritt zutage, daß das Verhältnis der verfügbaren Kräfte zum Frontabschnitt, der gedeckt werden soll, bei AFNORTH günstiger als bei AFCENT ausfällt, so daß eine Aussparung von Reserven gerade im südlichen Frontabschnitt auf große Schwierigkeiten stößt. In Anbetracht der operativ ungünstigen Dislozierung mancher Divisionen, etwa der amerikanischen, holländischen und belgisehen Verbände, wird man kaum von einer „grenznahen Friedensstationierung der Masse der verfügbaren NATO-Kräfte" sprechen können, wie dies im „Weißbuch 1983" geschehen ist
Dazu kommt, daß sich das Kräfteverhältnis zum Warschauer Pakt im Abschnitt EUROPA-MITTE im letzten Jahrzehnt in vielen Kategorien verschlechtert hat, auch wenn man auf konventioneller Ebene einer „alarmistisehen“ Lagebeurteilung noch nicht das Wort reden sollte. Das Kräfteverhältnis bei den Divisionen ist mit 24: 59 (oder 58) im Abschnitt EUROPA-MITTE bzw. von 33: 94 im Erweiterten Abschnitt EUROPA-MU TE zuungunsten der NATO im wesentlichen konstant geblieben, wenn auch die Anzahl der Divisionen in Ost und West auf Grund der unterschiedlichen Kampfkraft und Einsatzbereitschaft nur ein Faktor unter vielen für den Kräftvergleich sein kann
Es wäre jedoch eine grobe Vereinfachung, im Bereich der atomaren Rüstung die Aufmerksamkeit nur auf die eindrucksvolle Aufrüstung der Sowjetunion mit SS-20-Raketen zu richten, die bis zum Frühjahr 1984 eine Ge-samtzahl von 378 Abschußeinrichtungen erreicht haben. Unter Einbeziehung der SS-21-, SS-22-und SS-23-Raketen, die in Ostmitteleuropa im Zulauf bzw. in Aufstellung begriffen sind, ist ein Vorsprung des Warschauer Paktes im Kernwaffenpotential entstanden, dem die NATO zur Zeit nichts Wesentliches entgegenzustellen hat. Man sollte jedoch diese atomare „Vorrüstung" im strategischen Zusammenhang sehen, d. h. im Hinblick auf die sonstige Offensivfähigkeit gegen Westeuropa: Unter diesem Aspekt hätte selbst ein gänzlicher Abbau der sowjetischen Mittelstreckenwaffen (INF) die Bedrohung Westeuropas nicht in dem Maße vermindert, daß die NATO auf die geplante Erneuerung ihrer eigenen landgestützten, schauplatzgebundenen Atomwaffen („Theater Nuclear Forces", TNF) hätte verzichten können
Trotz einiger qualitativer und quantitativer Verbesserungen steht das westliche Bündnis noch immer vor der Grundfrage seiner Einsatzplanung: Wieweit kann die Abhängigkeit vom Rückgriff auf die eigenen Kernwaffen verringert werden? Die meisten Experten stimmen darin überein, daß eine mit konventionellen Kräften und Mitteln geführte grenznahe Verteidigung der NATO einem umfassenden Großangriff des Warschauer Paktes in Mitteleuropa nur sehr begrenzte Zeit standhalten könnte, selbst wenn man eine einigermaßen reibungslose Mobilmachung der wichtigsten Bündnispartner voraussetzte. Die Wahl, entweder frühzeitig Kernwaffen einzusetzen, um damit eine drohende Niederlage auf dem Gefechtsfeld zu verhindern, oder aber die Kapitulation ins Auge zu fassen, erscheint nach den meisten Aussagen und unter den gegebenen Umständen unausweichlich. Diese Zwangsoption birgt aber eine Reihe von Nachteilen in sich, die man gemeinhin unter „Selbstabschreckung" zusammenfaßt, etwa die Hinnahme ausgedehnter Schäden im eigenen Bündnisgebiet oder die Gefahr der Eskalation
Eine Verteidigungsplanung, die im wesentlichen auf acht nebeneinander aufmarschierenden Korps mit geringer Tiefengliederung und wenigen taktischen Reserven beruht, steht grundsätzlich vor der Option, entweder früh-zeitig auf TNF zurückzugreifen oder aber ausreichende konventionelle Kräfte des Präsenz-standes aufzubieten, die eine längerdauernde Abwehrschlacht ermöglichen. Ein Abstützen auf Verbände, die zum Großteil erst der Mobilmachung bedürfen, kann nur als Aushilfe gelten. (Eine wesentliche Verstärkung der NATO-Luftstreitkräfte wäre als ergänzende Option anzusehen.) Die amerikanische Seite hat hierbei mehrmals durchblicken lassen, daß sie einen TNF-Einsatz, falls ihn die Lage unausweichlich machen sollte, vornehmen werde, wozu dem Präsidenten der USA — unbeschadet der Konsultationen mit den Verbündeten — auch ein separater Befehlsstrang zur Verfügung steht
Alle langatmigen Erörterungen der Gefahren und Unwägbarkeiten, die mit einem solchen Schritt Zusammenhängen, ändern nichts am Umstand, daß die amerikanische Führung, will sie nach den Gesetzen der militärischen Logik handeln, im Notfall auf diesen Schritt nicht verzichten kann. Als Richtschnur mag gelten, daß ein Einsatz von atomaren Gefechtsfeldwaffen nur dann vertretbar und zweckmäßig erscheint, wenn ein drohender Zusammenbruch der Vorneverteidigung durch kein konventionelles Verfahren mehr zu verhindern ist Von offizieller Seite wird immer wieder betont, daß ein wichtiger Abschreckungsfaktor darin bestünde, den Gegner mit der Unmöglichkeit zu konfrontieren, die Art der jeweiligen NATO-Reaktion vorherzusehen
Die Einsatzplanung bei den TNF betrifft in erster Linie die Bekämpfung der gefährlichsten Feindgruppen sowie der nachrückenden Kräfte in der Tiefe des Raumes, d. h. vor allem der sowjetischen zweiten strategischen Staffel Die ausschließlich nach militärischen Gesichtspunkten geführten Nukleareinsätze sollen den Grundsätzen der Begrenztheit und Selektivität folgen, auch wenn von vielen Seiten eingewendet wird, daß eine solche „Begrenzung" der Kampfhandlungen praktisch nur theoretischen Charakter habe. Allerdings muß beachtet werden, daß beide Weltmächte — falls die Abschreckung versagt — schon aus Selbsterhaltungsgründen an einer Eindämmung der Kampfhandlungen in Europa ein vitales Interesse haben müssen, um eine weitere Eskalation zu verhindern Die militärische Alternative zum frühzeitigen TNF-Gebrauch mündet in die Thematik des „Rogers-Planes". Es sei vorweggenommen, daß der Ruf nach mehr konventionellen Kräften für die NATO geradezu Tradition besitzt und somit nichts grundsätzlich Neues darstellt, wie manche Kritiker glauben machen wollen. Das Neue bezieht sich allein auf technische Verbesserungen der jüngsten Zeit, die eine Nutzung von konventionellen Präzisionswaffen für Aufgaben, die bisher ausschließlich Kernwaffen vorbehalten waren, ermöglichen. 2. Sowjetunion/Warschauer Pakt Die strategisch-operativen Planungen für eine Offensive des Warschauer Paktes gegen Westeuropa beruhen — je nach Variante — auf einem unterschiedlichen Kräfteeinsatz, der dem jeweils gewählten Ausmaß der Vorbereitungszeit entspricht. Keinesfalls können diese Planungen auf ein sowjetisches „Blitzkriegskonzept" reduziert werden, wenn auch die Grundsätze der Schnelligkeit und Überraschung hohe Bedeutung besitzen. Wie sowjetischen, polnischen und westlichen Aussagen zu entnehmen ist, steht der sowjetischen militärischen Führung eine Reihe von Optionen zur Verfügung, worunter die eines konventionellen sowie eines kombiniert konventionell-nuklearen Vorgehens im Vordergrund stehen. Im Gegensatz zur sowjetischen Fachliteratur der sechziger Jahre, die den Vorrang eines präemptiven Gebrauchs von TNF im Rahmen von entscheidenden Kampfhandlungen betont hat lassen Ausführungen der letzten Jahre erkennen, daß man einer konventionell geführten Offensive gegen die NATO den Vorzug gibt. Wenn man auch die Zeitspanne einer rein konventionellen Kampfführung nach Kriegsausbruch bis zu einer möglichen nuklearen Eskalation schwer abschätzen kann, so spricht aus sowjetischer Sicht viel dafür, diese Zeitspanne möglichst auszudehnen 19).
Diese Option besitzt sowjetischerseits folgende Vorteile:
— Reduzierung der Gefahr einer Kriegsausweitung auf die nukleare Ebene: Der Ersteinsatz von Kernwaffen soll der NATO überlassen werden, um diese mit allen Konsequenzen zu belasten; allerdings besteht die Alternative, im Falle eines sicher erkannten bevorstehenden Kernwaffeneinsatzes der NATO selbst präemptive Angriffe mit Kernwaffen einzuleiten, um die strategische Initiative zu behalten
— Ausnutzung von geographischen und verkehrstechnischen Gegebenheiten, vor allem im Hinblick auf die Heranführung von Reserven, d. h.der zweiten strategischen Staffel, nach Mitteleuropa, ehe die Verstärkungen aus den USA und Großbritannien seitens der NATO wirksam werden.
— Größere Aussicht auf das Freihalten der eigenen „Vorfeldstaaten" vor Nuklearschlägen der NATO als im Falle eines mit Kernwaffen eingeleiteten Großangriffes.
— Vermeidung von kaum abzuschätzenden Verwüstungen in West-und Mitteleuropa, dessen Wirtschaftspotential möglichst intakt in Besitz genommen werden soll.
Der sowjetische Generalstab dürfte somit die Option einer konventionell geführten Großoffensive bevorzugen: Im Kriegsfall soll unter größtmöglicher Ausnutzung des Überraschungsfaktors die erwartete nukleare Reaktion der NATO unterlaufen und ein entscheidender Sieg auf dem „Kriegsschauplatz“ errungen werden, ehe die NATO ihre Reserven zu entfalten vermag. Unter „Kriegsschauplatz" (Teatr Vojennych Dejstvij, TVD) ist zu verstehen, daß mehrere Fronten unter einem Oberkommando zusammengefaßt werden, um die einheitliche Führung der Operationen in einem Großraum unter Koordination der unterstellten Luftangriffs-und Luftverteidigungskräfte sowie der amphibischen Kräfte sicherzustellen Bei Mittel-und Westeuropa handelt es sich um den „TVD West".
Große Bedeutung kommt der entsprechenden Gliederung der Angriffsverbände zu, wobei die Masse der ersten strategischen Staffel (ca. 48 bis 50 Panzer-und MotSchützendivisionen) des Warschauer Paktes, d. h. die Kräfte in der DDR, in Westpolen sowie in der westlichen und zentralen ÖSSR, betroffen ist. Das Prinzip der Tiefenstaffelung der Heeresverbände dürfte aller Voraussicht nach beibehalten werden. Allerdings haben Berechnungen ergeben, daß dieses Kräfteaufgebot nur eine beschränkte Anzahl von Schwergewichten auf Divisions-und Armee-Ebene bilden kann, will man nicht größere Frontabschnitte völlig von Angriffshandlungen aussparen 22). Dies bedeutet, daß der Warschauer Pakt überlegene Kräftekonzentrationen nur an wenigen, ausgewählten Durchbruchsabschnitten bilden kann, was der NATO-Führung unter bestimmten Voraussetzungen die Abwehr erleichtern dürfte.
Als Verfeinerung des Angriffskonzepts kann die Bildung sogenannter „Operativer Manövergruppen" (OMG) gelten, die aber keineswegs eine bahnbrechende Neuerung oder eine neue Herausforderung darstellen. Es handelt sich im wesentlichen um Verbände im Umfang einer verstärkten Panzerdivision, die über eine erhöhte Stoßkraft verfügen und im Rahmen des Operationsplanes vorgesehen sind, mit Unterstützung der Luftstreitkräfte durch raumgreifende Vorstöße in den Rücken der grenznah eingesetzten NATO-Truppen zu gelangen, um die Voraussetzungen für den Zusammenbruch der Vorneverteidigung zu schaffen Es hat den Anschein, daß diese OMG an Stelle einer zweiten Staffel auf der Ebene der Armee am Angriff teilnehmen.
Die Theorie eines „blitzkriegsartigen" Über-falls auf mehr oder minder unvorbereitete NATO-Truppen stützt sich auf die Annahme, daß nur die vorderen Teile der ersten strategischen Staffel, die relativ grenznah stationiert sind und nur kurze Anmarschwege zurückzulegen haben, daran beteiligt sein dürften. Daß hierbei nur ein geringfügiges Überlegenheitsverhältnis erzielt würde, läßt die Gefahren dieser Option vor Augen treten Alle anderen Varianten, die vom Aufgebot der gesamten ersten strategischen Staffel oder zusätzlich der zweiten strategischen Staffel (plus 33 bis 35 Divisionen herabgesetzter Einsatzbereitschaft) ausgehen, müssen ins Kalkül ziehen, daß zahlreiche Vorbereitungen* zu treffen sind, ehe die volle Kampfbereitschaft hergestellt ist: Der damit verbundene Zeitverzug läßt — je nach Kräfteaufgebot — eine strategische Überraschung als ausgeschlossen erscheinen. Dieser Umstand wird im Rahmen der Behandlung des „Rogers-Planes“ noch zu erörtern sein.
Das Details Angriffs-verfahren vielen beschriebene des Warschauer Paktes auf taktischer und operativer Ebene zeichnet sich durch ein verbessertes Zusammenwirken der Stoßkräfte mit den unterstützenden Kräften, vor allem mit der Artillerie, den Raketentruppen, den Luftstreitkräften sowie den Luftlande-und Luftverteidigungstruppen aus. Der seit kurzem eingeführte Begriff der „Luftoperation" bezeichnet die koordinierten Kampfhandlungen der Fernflieger-und Frontfliegerkräfte, der Luftlandeverbände (taktisch oder operativ) sowie der weitreichenden Artillerie und der Feldraketenwerfer. Diese Operation soll der Erringung der Luftüberlegenheit und der strategischen Initiative dienen, des weiteren der Bekämpfung vorrangiger Ziele im rückwärtigen Gebiet der NATO — vor allem der atomaren Trägermittel —, um somit ein „Unterlaufen" der atomaren Reaktion zu erzielen
Ferner findet sich der Begriff der „Luftverteidigungsoperation“, die die Luftüberlegenheit erhalten und die aus der Tiefe des Raumes nachrückenden Kräfte vor weitreichenden Angriffen der NATO schützen soll. Dies könnte als Versuch einer Antwort auf den „Rogers-Plan" aufgefaßt werden. Grundsätzlich sei hervorgehoben, daß die sowjetische Militärdoktrin von einem einheitlichen'„Kampfpotential" ausgeht, daß somit eine Unterscheidung von Angriffs-und Verteidigungswaffen nicht zulässig sei
Zur Option eines umfassenden nuklearen Präemptivangriffes seitens der Sowjetunion mit dem Charakter eines „Entwaffnungsschla-ges“ gegen die TNF der NATO sei folgendes angemerkt: Der sowjetische Generalstab mißt zwar der Ausschaltung der NATO-TNF großen Wert bei, da ein westlicher TNF-Einsatz einen Großangriff auf Westeuropa zum Scheitern bringen könnte; ein solcher ausgedehnter Präemptivangriff dürfte jedoch ein solches Schadensausmaß in Westeuropa zur Folge haben, daß Grund zur Annahme bestünde, daß der Gegner eine solch schwerwiegende Herausforderung mit allen verbliebenen Mitteln, auch mit den strategischen Systemen der USA beantworten werde. Eine solche Aussicht dürfte somit eine schwere Belastung des sowjetischen Risikokalküls darstellen As Zwischenergebnis wäre festzuhalten, daß die rein konventionelle Angriffsoption mit weniger Risiken als die nukleare oder konventionell-nukleare Variante behaftet erscheint.
II. Der Rogers-Plan — das Konzept des „Strike deep"
Abbildung 3
Art der Ziele .Quelle: Benjamin F. Schemmer, NATO's New Strategy: Defend Forward, But Strike Deep; in: Armed Forces Journal International, November 1982, S. 55.
Art der Ziele .Quelle: Benjamin F. Schemmer, NATO's New Strategy: Defend Forward, But Strike Deep; in: Armed Forces Journal International, November 1982, S. 55.
1. Die Anhebung der nuklearen Schwelle Wie bereits angeführt, wird die NATO aus verschiedenen Gründen mit der Herausforderung konfrontiert, einer Abhängigkeit von einem zu frühzeitigen Rückgriff auf die eigenen TNF entgegenzuwirken. Die im Sommer 1982 vom NATO-Oberbefehlshaber Europa selbst eingeleitete Neubetrachtung der Einsatzdoktrin verschleierte keineswegs den unbefriedigenden Zustand, angesichts des ungünstigen konventionellen Kräfteverhältnisses auf Kernwaffen kurzer und mittlerer Reichweite in relativ hohem Maße angewiesen zu sein Das NATO-Oberkommando verkannte auch nicht das Unvermögen der Bündnispartner, über die vorhandenen Truppen hinaus neue Kampfverbände aufzustellen, die ein ausreichendes Gegengewicht zu den Kräften im östlichen Mitteleuropa hergestellt hätten. Schon auf der NATO-Tagung in Lissabon 1952 hatte man eine solche Lösung — man sprach damals von 96 Divisionen — als unrealistisch verworfen.
Es konnte sich also nur darum handeln, in Anbetracht der politischen und finanziellen Hindernisse gegen eine wesentliche Vermehrung der eigenen Streitkräfte den Zuwachs an Kampfkraft anderswo zu finden. Hier bot sich die Entwicklung neuartiger Waffensysteme (samt den erforderlichen Aufklärungs-und Führungsmitteln) an, die auf Grund ihrer Reichweite, Treffgenauigkeit und Sprengkraft für ein Einsatzverfahren in Betracht kämen, das sich besonders gegen die Schwachstellen des Gegners richtete. Diese Schwachstellen liegen in der Kräfteordnung, in der Tiefenstaffelung sowie in den Erfordernissen eines Nachführens von Verstärkungen begründet. Die entsprechenden NATO-Planungen werden auch mit „Konventionalisierung“ der Verteidigung und mit Anhebung der Nuklearschwelle" umschrieben.
„Demonstration“, „Limited defense use“, Restricted battle area use", Extended battle area use“, Theater-wide use" Diese Einsatzvarianten entsprechen den einzelnen atomaren Waffensystemen auf Brigade-, Divisions-, Korps-und Armeegrup-penebene bzw. darüber und reichen von der nuklearfähigen Artillerie (M-109, M-11O A 2) bis zu den Mittelstreckenraketen Pershing-2 und den Cruise Missiles.
Verschiedene Anhaltspunkte weisen darauf hin, daß die NATO die Planung des selektiven Einsatzes ihrer Kernwaffen schon seit geraumer Zeit immer mehr in Richtung auf die Bekämpfung von rückwärtigen Teilen und Einrichtungen innerhalb der Kräfteordnung des Warschauer Paktes verschoben hat. Gegen die Verwendung von atomaren Gefechtsfeldwaffen zur Verhinderung unmittelbar bevorstehender Durchbrüche im Frontbereich spricht nämlich das Argument, dadurch dem eigenen Territorium unübersehbaren Schaden zuzufügen. Außerdem hat man erhebliche Schwierigkeiten beim Anforderungs-und Freigabeverfahren, das bei der nuklearfähigen Artillerie 18 bis 36 Stunden betragen soll sowie bündnispolitische Widerstände zur Sprache gebracht Daraus kann abgeleitet werden, daß die nuklearfähige Artillerie in der direkten Bekämpfung feindlicher Angriffsspitzen an Bedeutung verloren hat, daß hingegen alle weitreichenden Trägermittel einschließlich der Kampfflugzeuge hinsichtlich der Abriegelungs-, Unterdrückungs-sowie der „Counter Air" -Einsätze eine Aufwertung erfahren haben. Der Beschluß der NATO-Verteidigungsminister vom 28. Oktober 1983, den derzeit von vorhandenen ca. 6 000 Kernsprengköpfen in Westeuropa 1 400 abzuziehen, unterstreicht diese Auffassung
Die sogenannte Konventionalisierung, wie sie der Rogers-Plan zum Inhalt hat, kommt in folgenden grundsätzlichen Absichten zum Ausdruck:
— Festhalten an der Vorneverteidigung der NATO, — frühzeitige Bekämpfung der gegnerischen Kräfte und Einrichtungen in der Tiefe des Raumes mit der Absicht, ein Eingreifen dieser Kräfte auf dem Gefechtsfeld zu verhindern, zumindest zu verzögern;
— Erhöhung der konventionellen Kampf-kraft im allgemeinen, um dem Gegner jede Art von konventioneller Option zu nehmen.
In der englischsprachigen Fachliteratur wird in der Regel vom Kampf gegen die „Followon-forces", nicht aber vom Kampf gegen die zweite strategische Staffel gesprochen; damit tritt eine Verdeutlichung ein, da die Verbände der rückwärtigen Staffeln auf Divisions-, Armee-und Front-Ebene insgesamt an einem Eingreifen in das Kampfgeschehen gehindert werden sollen, während man erwartet, die vorne eingesetzten Feindkräfte mit den präsenten Verbänden der NATO schlagen zu können.
Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, daß es nicht darum geht, der Bekämpfung von Feindkräften in der Tiefe des Raumes Vorrang vor dem Kampf gegen die in vorderer eingesetzten Feindkräfte Front einzuräumen.
Der Kampf gegen die in unterschiedlicher Tiefe stehenden Gruppierungen soll vielmehr auf Grund der Lagebeurteilung möglichst gleichzeitig geführt werden. Gegen eine mögliche Vernachlässigung der grenznah eingesetzten Kräfte, die die Hauptlast der gegnerischen Angriffe innerhalb der ersten Tage zu tragen hätten, richteten sich Einwände, vor allem aus der Bundesrepublik Deutschland.
Hierbei betonte etwa der Generalinspekteur der Bundeswehr, daß alle Initiativen zur Stärkung der konventionellen Kampfkraft daran zu messen wären, ob diese vorrangig der Vorneverteidigung und der Durchhaltefähigkeit der Verbände dienten Ähnliche Ansichten werden auch von anderen Autoren vertreten, wobei man für eine Verstärkung der grenznahen Verteidigung durch entsprechende Truppenstationierungen und ausreichende Reserven eintritt, jedoch davor warnt, sich zu sehr auf ). Mobilmachungskräfte zu verlassen Die von General Rogers vor der NATO-Versammlung am 19. Novemberl 982 ausführlich dargelegten Planungen stellten heraus, daß die NATO an der Doktrin der „Flexible Response“
festhalten und sich schrittweise der Abhängigkeit von taktischen Kernwaffen entledigen wolle. Es gehe aber nicht darum, etwa nur einen Kernwaffenkrieg, sondern jede Art von Krieg in Europa zu verhindern. Die Glaubwürdigkeit der Abschreckung solle dadurch in jeder Hinsicht erhöht werden
In diesem Zusammenhang wurden immer wieder kritische Stimmen laut, die zwar die Anhebung der „nuklearen Schwelle" guthießen, gleichzeitig aber die Gefahr einer rein konventionellen Kriegsaustragung ausmalten, die um so größer würde, je mehr man von einer „gewinnbaren Strategie" ausginge Der Oberbefehlshaber der Warschauer-Pakt-Streitkräfte warf der NATO-Führung sogar vor, nicht nur in der atomaren, sondern auch in der konventionellen Rüstung eine Überlegenheit anzustreben
Selbst von Kritikern der aktuellen NATO-Doktrin ist aber eingeräumt worden, daß ein konventioneller Krieg, insbesondere im Falle einer längeren Zeitspanne, kaum geringere Zerstörungen in Westeuropa hervorrufen würde als ein begrenzt nuklearer. Es besteht somit eine gewisse Übereinstimmung, daß eine „Konventionalisierung“ am obersten Gebot einer Kriegsverhinderung überhaupt orientiert sein müsse. Nebenbei sei gesagt, daß jede Einsatzdoktrin, will sie in den Augen des potentiellen Gegners glaubwürdig sein, über ein — im Notfall — anwendbares Instrumentarium an Optionen und Mitteln verfügen muß.
Daß die NATO kurz-und mittelfristig auf taktische Kernwaffen nicht verzichten will, wird ebenfalls von manchen Seiten als Argument gegen den Rogers-Plan ins Treffen geführt.
Man darf aber nicht verkennen, daß nur in dem Maße die Denuklearisierung an Raum gewinnen kann, als der Aufbau eines konventionellen Gegengewichts zum Potential des Warschauer Paktes voranschreitet. Mit voller Absicht soll kein „Gleichgewicht", sondern ein wohldurchdachtes „Gegengewicht" angestrebt werden, das die konventionellen Optionen des Gegners durchkreuzt Selbst die oft zitierte Studie „Kernwaffen und das Atlantische Bündnis" räumt ein, daß ein Verzicht auf den Ersteinsatz von Kernwaffen seitens der NATO von einer Reihe von wesentlichen Voraussetzungen abhänge, etwa von massiven Rüstungsanstrengungen der NATO und einer Verstärkung des konventionellen Kontingents der USA in Europa Es erscheint daher plausibel, wenn die NATO-Führung die Option des nuklearen Ersteinsatzes bis zur Erlangung eines konventionellen „Gegengewichts" nicht aus der Hand gibt. 2. Zielauswahl und Zielplanung im Abschnitt EUROPA-Ml 11E Der Grundgedanke des Rogers-Planes, das so-genannte Follow-on-Force-Attack Concept, betrifft eine ziemlich zentralisierte Verfügbarkeit aller gegen Ziele in der Tiefe des Raumes gerichteten Kampfmittel, um die nachfolgenden Feindstaffeln von den frontnah eingesetzten Kräften zu trennen sowie die gegnerischen Führungs-und Fernmeldeeinrichtungen zu lähmen In diesem Punkt unterscheidet er sich bereits von dem Konzept der „AirLand-Battle", das die Übereinstimmung zwischen den Einsätzen gegen Ziele in der Tiefe und dem Kampfplan des jeweiligen Heeresbefehlshabers anstrebt.
Der Rogers-Plan geht von der bereits erwähnten Tiefenstaffelung der Warschauer Pakt-Kräfte aus, wobei viel dafür spricht, daß erst ein Eingreifen von Kräften der zweiten strategischen Staffel eine militärische Entscheidung in Mitteleuropa herbeiführen dürfte. Um ein Aufschließen dieser Kräfte zu stören bzw. zu verhindern, muß der Verteidiger Trägermittel besitzen, die gegen Ziele in einer Entfernung von mindestens 300 km, nach Möglichkeit von 800 km jenseits der Frontlinie wirken können.
Man unterscheidet dabei feste Ziele (Flugplätze, Kommandozentralen, Eisenbahnknotenpunkte, Brücken, Straßenkreuzungen), die für das Nachführen von Kräften bedeutungsvoll sind, sowie bewegliche Ziele, also Truppenverbände, Transportkolonnen usw. Man darf nicht außer acht lassen, daß gerade die zahlreichen Flüsse in Ostmitteleuropa und Osteuropa — Oder, Neiße, Moldau, Warthe, Weichsel — im Falle einer Zerstörung der Brücken beträchtliche Hindernisse darstellen. Es wird angestrebt, feste Ziele möglichst mit Boden-Boden-Flugkörpern, bewegliche Ziele hingegen durch Kampfflugzeuge verschiedener Reichweite zu bekämpfen 41). Die Kampfflugzeuge sollen aber auch „CounterAir" -Einsätze mit Nachdruck durchführen: Gerade die Notwendigkeit dieser Einsätze innerhalb der ersten Stunden nach Angriffsbeginn zur Schwächung der gegnerischen Luftangriffskräfte auf dem Boden und zum Niederhalten der Luftverteidigung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Allerdings besitzt von den ca. 1 600 taktischen Kampf-flugzeugen der NATO in Westeuropa nur etwa ein Drittel die Eignung für Abriegelungseinsätze. Bei der Zielverteilung tritt zutage, daß nur 4 % der hochwertigen festen Zielobjekte und 48, 1% der beweglichen Ziele innerhalb einer 30-km-Zone östlich der deutsch-deutschen Grenze liegen. Der Warschauer Pakt hat nur ca. 20% seiner gepanzerten und mechanisier-ten Verbände im grenznahen Raum stationiert: Vier Fünftel der Kampftruppen sollen sich außerhalb einer 20-km-Zone jenseits der Grenze befinden 42). Die Zielverteilung unterscheidet vier Zonen und kann aus folgender Tabelle entnommen werden:
Das plangerechte Nachführen de Die Zielverteilung unterscheidet vier Zonen und kann aus folgender Tabelle entnommen werden:
Das plangerechte Nachführen der Kräfte spielt somit eine entscheidende Rolle, wobei für das Aufschließen der als zweite Staffel eingesetzten Regimenter, Divisionen und Armeen Wegstrecken zwischen 20 und 200 km zurückzulegen sind, je nachdem, welchen Platz der jeweilige Verband innerhalb der Kräfteordnung einnimmt. So sollen die Armeen der zweiten Staffel einer Front erst zwei Tage nach Angriffsbeginn auf dem Gefechtsfeld in Erscheinung treten Aus den unterschiedlichen Zeitintervallen bis zum Eingreifen der jeweiligen Gruppierung ins Kampfgeschehen kann auch voraussichtli die -che „Vorwarnzeit“ für die NATO-Abwehr berechnet werden. Die Vorwarnzeit soll z. B. bei den vorderen Teilen der ersten strategischen Staffel 48 Stunden, bei den übrigen Teilen dieser Staffel drei bis sieben Tage und bei der zweiten strategischen Staffel, d. h. bei den Kräften aus den drei westlichen Militärbezirken der UdSSR, ca. 14 Tage und mehr betragen. Der aus militärischen und verkehrstechnischen Gründen bedingte Aufenthalt der nach-zuführenden Kräfte in Verfügungsräumen stellt eine erhebliche Schwachstelle im sowjetischen Angriffskonzept dar. Die sowjetischen Militärs haben dieser Gefährdung durch eine starke Auflockerung der betroffenen Verbände zu begegnen versucht: einer Division wurde ein Verfügungsraum von 20 x 30 km, einer Armee von 75 x 100 km und darüber zugewiesen 44 man ). Außerdem hat eine Vereinheitlichung der Fliegerabwehr auf dem Gefechtsfeld und im Hinterland eingeleitet Seit einiger Zeit werden die einzelnen in Entwicklung begriffenen Waffensysteme vorgestellt, die der Verwirklichung des „Strikedeep" -Konzepts dienen sollen. Dazu zählen z. B. das Artillerieraketensystem mittlerer Reichweite MLRS/MARS, die Gefechtsfeldraketen LANCE und PERSHING-1A der As sault Breaker (T-22), die Submuhition SKEET sowie die konventionelle Version der PER-SHING-2 (Counter Airfield Missile, CAM-40) und die Mehrzweckwaffe MW-1 Berechnungen ergaben, daß für die Bekämpfung der 30 bis 40 wichtigsten Flugplätze 900 konventionelle Flugkörper, für die Bekämpf Berechnungen ergaben, daß für die Bekämpfung der 30 bis 40 wichtigsten Flugplätze 900 konventionelle Flugkörper, für die Bekämpfung der nachrückenden Feindstaffeln 5 000 Boden-Boden-Raketen und für die Abriegelung des engeren Gefechtsfeldes ca. 1 000 Salven endphasengelenkter Sprengköpfe für Mehrfach-Raketenwerfer erforderlich wären. Im Rahmen der ESECS-Studie („Wege zur Stärkung der konventionellen Abschreckung in Europa, 1983) wurden die Kosten sämtlicher dem „Strike-deep" -Konzept dienenden Vorhaben mit 6 bis 18 Mrd. Dollar angegeben 46).
Die Wirkung der neuen Systeme sowohl bei Präzisionsfeuer als auch im Falle einer entsprechenden Konzentration von Submunition gegen Flächenziele soll der Wirkung von Kernsprengköpfen mit niedrigem KT-Wert entsprechen, was letztlich den Verzicht auf den Einsatz von Kernwaffen gegen die meisten Zielgruppen ermöglicht. Besonders die Abwehr von Panzereinheiten hätte durch die Verwendung von Präzisionswaffen eine wesentliche Erleichterung zu erwarten. Es sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß selbst im Falle einer weitgehenden Verwirklichung der genannten Vorhaben ein gänzlicher Verzicht auf atomare Gefechtsfeldwaffen und weitreichende TNF auf Seiten der NATO nicht zweckmäßig erscheinen dürfte. Nach Auffassung mancher Experten seien taktische Kernwaffen auf jeden Fall für den Einsatz gegen ausgewählte Ziele zur Verfügung zu halten. Die Zielplanung müßte demnach so gestaltet werden, daß sich konventionelle Präzisionswaffen und nukleare TNF gegenseitig ergänzen 47). Es handelt sich hier um einen Punkt, den auch die Kritiker des „Rogers-Planes" aufgegriffen haben.
Von sowjetischer Seite nahm der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte, Marschall d. S. W. Petrov, dazu folgendermaßen Stellung: „Faktisch haben wir es mit einer Annäherung der Möglichkeiten der konventionellen Vernichtungsmittel an taktische Kernwaffen zu tun, denn diesen Kampfmitteln des Präzisionsschlages werden Aufgaben gestellt, die früher die taktischen Kernwaffen zu erfül-len hatten.“ Einer Veröffentlichung der „Krasnaja Swesda" vom 29. Oktober 1983 ist zu entnehmen, daß man der NATO vorwirft, mit den in Entwicklung stehenden Waffensystemen und mit einer „neuen Doktrin" eine weitere Dimension des Wettrüstens einzuleiten.
Dem Vorwurf, daß der Rogers-Plan eine neue Form der . Aggressivität“ oder den Übergang von der Vorneverteidigung zur „Vorwärtsverteidigung" darstelle, sei hier folgendes entgegengehalten: 1. Die Quintessenz der umstrittenen „Vorwärtsverteidigung“ liegt darin, die Ostgrenze des NATO-Gebiets mit Heeresverbänden offensiv zu überschreiten. Davon kann bei allen offiziellen Aussagen zum Rogers-Plan keine Rede sein. 2. Die Bekämpfung von Zielen aller Art aus der Luft in der Tiefe des Raumes sowie die Abnutzung der gegnerischen Luftwaffe durch „Counter Air" sind hingegen Maßnahmen, die auch bisher in der Einsatzdoktrin der NATO volle Gültigkeit besessen haben. Es handelt sich daher beim Rogers-Plan um kein neues strategisches Konzept, sondern um eine Verfeinerung des bestehenden
Die übrigen Bedenken gegen den Rogers-Plan betreffen folgende Punkte:
— Probleme der Gefechtsfeldaufklärung und der verzuglosen Datenübermittlung sowie der Zielzuweisung;
— erhöhte Anforderungen an die taktischen Luftstreitkräfte in den Rollen der Abriegelung" und des „Counter Air“;
— Beschaffungskonkurrenz zwischen den „intelligenten" Waffen und anderen militärischen Gütern, etwa zur Munitionsbevorratung für voraussichtlich 30 Kampftage in Europa; — Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen nuklearen und nichtnuklearen Kampfmitteln hinsichtlich der Einsatzoption, etwa zum Zwecke der Rüstungskontrolle;
— hoher finanzieller Bedarf.
Unter Berücksichtigung der laufenden Beschaffungsvorhaben der europäischen NATO-Staaten sowie der notwendigen Modernisierungsmaßnahmen bei bestehenden Waffensystemen und der vorhandenen Infrastruktur dürfte es schwer vorstellbar sein, die erforderlichen Voraussetzungen zur Umsetzung des Rogers-Planes kurz-und mittelfristig zu schaffen. Schon die vorgesehene Erhöhung der nationalen Verteidigungshaushalte um jährlich 3% ist nicht verwirklicht worden. Besonders von britischer und deutscher Seite wurde mehrmals angeführt, daß auf Grund der laufenden Großvorhaben (etwa Kampf-panzer „Challenger", Leopard-2, Kampfflugzeug Tornado, PAH-2, FlA-Rakete „Patriot") nur sehr beschränkte Mittel für „Zukunftstechnologien" erübrigt werden könnten. Die Auseinandersetzungen um das NATO-Infrastrukturprogramm im Frühjahr 1984 etwa zeigten die Grenzen des finanziellen Spielraumes der europäischen NATO-Partner auf. Außerdem gab der Inspekteur der Bundesluftwaffe zu erkennen, daß das Schwergewicht in seinem Bereich bei der Stärkung der Luftverteidigung liegen werde. Offenbar wird es einer Neubewertung der Prioritäten bedürfen, um die aktuellen Erfordernisse mit den Vorhaben des Rogers-Planes in Übereinstimmung zu bringen
III. „AirLand Battle": Kampfdoktrin und taktisch-operatives Konzept
1. Entstehung, Wesensgehalt und Problematik Zunächst sei vorangestellt, daß die Kampf-doktrin der . AirLand Battle" trotz vieler Ähnlichkeiten mit dem Rogers-Plan nicht mit diesem verwechselt werden darf. Die Doktrin der . AirLand Battle" wurde in den Führungsstäben des amerikanischen Heeres sowie der Luftwaffe seit 1977 unabhängig von den Planungen im NATO-Oberkommando entwikkelt und berücksichtigt nicht allein den europäischen Kriegsschauplatz. Die Gemeinsamkeiten mit dem Rogers-Plan liegen vor allem in der Absicht, sich die Schwächen im Angriffskonzept des Warschauer Paktes zunutze zu machen, d. h. die gegnerischen Kräfte im Hinterland rechtzeitig zu bekämpfen und am Eingreifen ins Gefecht zu hindern
Während beim Rogers-Plan diese Absicht auf möglichst hoher Führungsebene unter Heranziehung aller geeigneten Kampfmittel verwirklicht werden soll, geht es bei der . Air-Land Battle" um eine Neuformulierung der Einsatzdoktrin auf taktischer und operativer Ebene schlechthin, d. h. auf der Ebene der Brigade, der Division und des Korps. Gleichzeitig will man dadurch die Kampfdoktrin der „Active defense" ablösen, der man u. a. vorgehalten hat, dem taktischen Kommandanten zu wenig Handlungsspielraum zu gewähren. . AirLand Battle" versucht, das bestmögliche Kampfverfahren für den Abschnittskommandanten unter Berücksichtigung der diesem unterstellten Truppen und Mittel unter Einklang der Kampfhandlungen zu Lande und in der Luft zu finden
Das Ziel der . AirLand Battle" ist der Erfolg in der Schlacht, wobei es besonders auf die Koordination der Schlacht gegen die bereits eingesetzten Feindteile und die Koordination der Schlacht gegen die noch ungebundenen Teile ankommt („Deep Battle“, „Deep Attack“). Es ist dem taktischen Kommandanten freigestellt, wie er Feuerkraft, Bewegung und sonstige Mittel einsetzt, um die größtmögliche Wirkung gegen die Schwachstellen des Angreifers zu erzielen: Entscheidend bleibt die Erringung und Beibehaltung der Initiative. Ein weiterer Unterschied zum Rogers-Plan betrifft die Verwendung der Luftstreitkräfte. Während im Rahmen des Rogers-Planes eine zentrale Führung der Luftkriegsmittel unter Erfassung von Zielen auf dem gesamten Kriegsschauplatz vorgesehen ist, strebt die . AirLand Battle" eine frühe Zuordnung von Luftwaffenkräften zu den taktischen Kommandanten unter Beschränkung auf ausgewählte Ziele an. Es liegt auf der Hand, daß diese Absicht eine strenge Ökonomie der Kräfte und eine Setzung von Prioritäten erfordert. Da sich die Doktrin der „AirLand Battle" vorrangig mit der Ebene des Korps befaßt, werden die Betrachtungen und Aussagen auf ein Operationsgebiet mit einer Tiefe von maximal 150 km beschränkt. Es geht um die rechtzeitige Erfassung, Überwachung und Bekämpfung aller Feindkräfte auf dem „erweiterten Gefechtsfeld" („Extended Battlefield"). Dies bedeutet für die vorne eingesetzten Brigaden, Vorbereitungen für die Abwehr nachrückender Feindkräfte zu treffen, die 15 km (12 Stunden) von der vorderen Frontlinie entfernt stehen; bei den Divisionen betrifft dies die Bekämpfung von Kräften, die 70 km (24 Stunden) und bei den Korps die von solchen, die 150 km (72 Stunden) von der Front entfernt sind Das Korps muß sich außerdem auf die Aufklärung von Feindkräften einstellen, deren . Annäherungszeit" ca. 96 Stunden beträgt.
Das Überdenken der Rolle des Heeres und der Luftstreitkräfte, die Forderungen an Gliederung, Ausrüstung, Ausbildung und Logistik sind Themen, die unmittelbar aus der Einsatz-doktrin hervorgehen. Die Entwicklung der Armeedoktrin kommt in den Field Manuals FM100-1 („The Army") vom August 1981 und FM100-5 „Operations" vom August 1982 zum Ausdruck, die auch in zahlreichen Veröffentlichungen Beachtung gefunden haben. Die Studie „AirLand Battle 2000" des „US Army Training and Doctrine Command" (TRADOC) vom 12. August 1982 gibt ebenfalls ausreichend Einblick.
Man erkannte, daß man Spielraum und Aufgabenbereich des Korpsbefehlshabers im Hinblick auf die Eigenarten des „erweiterten Gefechtsfeldes“ bedeutend vergrößern müsse. Die „Erweiterung" des Gefechtsfeldes soll in stattfinden: dreifacher Hinsicht 1. Erweiterung in die Tiefe; 2. zeitliche Vorverlegung der Gefechtshandlungen, um alle Maßnahmen zu vereinheitlichen, die dem Kampf gegen die frontnah eingesetzten Kräfte sowie gegen die in unterschiedlicher Tiefe stehenden Teile dienen; 3. Erhöhung der Kampfstärke durch Aufklärungs-und Waffensysteme einer höheren Organisationsebene
Damit wurde die bisherige Ausrichtung der Kampfdoktrin auf die taktische Ebene, d. h.der Brigade und Division, auf die operative Ebene, nämlich auf die Korpsebene (und darüber), angehoben und gewissermaßen „Neuland" in der Doktrin betreten.
Eine Hauptaufgabe für die Planer bestand darin, die taktischen und operativen Grundsätze entweder an bestehende Organisationsformen anzupassen oder die Verbände neu zu gliedern. Man ging in den USA den zweiten Weg und stellte ausführliche Überlegungen an, um die künftigen Gtoßverbände, d. h. die „Panzerdivision 86“ und die „mechanisierte Infanteriedivision 86“, an die Bedingungen der . AirLand Battle" anzupassen. Hierbei ergaben sich folgende Veränderungen in der Divisionsgliederung und bei der Ausrüstung:
— Erhöhung der Panzerzahl im Panzerbataillon von 54 auf 58;
— Konstruktion eines eigenen Kampfschützenpanzers (IFV) für die Begleitinfanterie;
— Erhöhung der artilleristischen Feuerkraft, u. a. durch Zuweisung einer Batterie Mehrfachraketenwerfer; — Aufstellung einer „Luftangriffsbrigade" unter Zusammenfassung von Kampf-, Aufklärungs-und Mehrzweckhubschraubern;
— Verstärkung der FlA-Kräfte (FLA-Panzer „Sergeant York");
— Aufstellung eines Bataillons für elektronische Kampfführung.
Ferner wurden dem Korpsstab vergrößerte Heeresflieger-, Artillerie-, FlA-, Aufklärungsund Versorgungselemente zugewiesen. Allgemein kam es zu einer Vergrößerung des personellen Rahmens (Panzerdivision 86: 19 995 gegenüber derzeit 18 300 Mann). Dies alles unterstreicht die Absicht, Kampfkraft und Durchhaltevermögen der Großverbände auf die Anforderungen möglicher Gefechtsverläufe einzustellen.
Ein wesentlicher Punkt liegt in der Aufwertung des Elements „Bewegung". In Anbetracht der sowjetischen Angriffsverfahren soll der Verteidiger durch Gegenangriffe in die Flanke und den Rücken der vorstoßenden Feindkräfte den gegnerischen Angriffs-schwung brechen und in rasch wechselnden Lagen die Initiative an sich reißen. Als Träger dieser Gegenangriffe sind Brigaden und Divisionen vorgesehen, während die Korpskommandanten nur fallweise eingreifen und das Zuführen von Verstärkungen regeln. Die solcherart geführten Gegenangriffe haben ihren Wert nicht so sehr in ihrer sofortigen Wirkung auf die gegnerischen Divisionen der ersten Staffel, sondern in ihrer längerfristigen Wirkung auf die nachrückenden Divisionen und Armeen, insbesondere durch Vernichtung von Versorgungsgütern und durch Störung der Rückwärtigen Dienste. Es wurde hierbei geschätzt, daß die Divisionen der ersten Staffel der Armeen innerhalb von zwei bis drei Tagen logistisch verbraucht sein dürften Es sei ausdrücklich hervorgehoben, daß die genannten Gegenangriffe im taktischen Rahmen bleiben und nichts mit einem Übergang zur Offensive großen Stils auf dem Kriegsschauplatz zu tun haben. Schon die beschränkte Anzahl der amerikanischen Heeresverbände im Rahmen der 7. Armee (4 Divisionen, 3 Brigaden, 2 Regimenter) läßt eine Umstellung auf strategische Offensive als undurchführbar und abwegig erscheinen. Allerdings muß eingeräumt werden, daß die Kritiker der „AirLand Battle" -Doktrin in einigen Vorschlägen von Experten eine Stütze gefunden zu haben scheinen, die sich in Richtung „Vorwärtsverteidigung" bewegen Bei einem dieser Vorschläge war aber ausdrücklich nur von „grenzüberschreitenden, begrenzten Gegenangriffen“ die Rede, und es wurde vor der Unterstellung gewarnt, dies als „Offensivstrategie“ umzudeuten.
Die heftige Reaktion der Kritiker besagte jedoch, daß man grundsätzliche Bedenken gegen jedes Abweichen vom Konzept der Vorneverteidigung hege. Dazu wäre jedoch anzufügen, daß ein Abweichen von der Vorneverteidigung zwar gegen eine politische Maxime verstieße, daß es aber dem jeweiligen NATO-Befehlshaber schwer zuzumuten wäre, im Falle eines erfolgreichen Gegenangriffs diesen an der Staatsgrenze einzustellen und auf jede Chance zur Bekämpfung von Feindteilen jenseits der Grenze zu verzichten. Es wäre daran zu erinnern, daß die Luftstreitkräfte beider Paktgruppen ihre Luftoperationen ohnehin nach eigenen Gesetzen führen und sie tief ins gegnerische Hinterland ausdehnen. Hat man nicht das Kampfflugzeug Tornado beschafft, um Angriffe gegen Ziele in der Tiefe des Raumes fliegen zu können?
Verschiedene Einwände stammten von amerikanischen Militärs und richteten sich gegen den geplanten Ablauf der Gegenangriffe („Deep thrusts“), indem man die hohen Anforderungen an die Versorgung, etwa mit Munition und Treibstoff, sowie die Schwierigkeiten beim Führungsvorgang selbst ins Treffen führte. Beim logistischen Bedarf wurde z. B. darauf hingewiesen, daß im Falle eines Angriffs in den Rücken des Gegners bei einer Tiefe vom 50 bis 70 km und bei einer Marsch-geschwindigkeit von ca. 10 km/h die gesamte Gefechtshandlung ca. 20 Stunden einschließlich einer 6stündigen Besetzung der Angriffs-zieledauern würde. Dies hätte im Falle einer Panzerdivision allein einen Bedarf an Artilleriemunition von 2 000 „short tons" zur Folge
Zur Frage des Führungsvorganges wird vorgebracht, daß die hohen Anforderungen, denen ein Großverband bei der selbständigen Durchführung von „tiefen Stößen" jenseits der Frontlinie ausgesetzt ist, es nahe legten, diese Gegenangriffe maximal durch Brigadekampf, gruppen zu führen. Gegenangriffe im Divisionsrahmen würden hingegen Erschwernisse bei der Kräftezuteilung, bei Versorgung und Unterstützung, somit einen Verlust an Wendigkeit nach sich ziehen
Darüber hinaus wurde auch auf den vermehrten Bedarf an Personalersatz und auf die Schwierigkeiten der Ersatzzuführung hingewiesen. Ein Problem liegt zuletzt darin, daß die Doktrin der . AirLand Battle“ nur für das amerikanische Heer entworfen worden ist und daher der Abstimmung mit der Kampf-doktrin der Bündnispartner bedürfe. 2. Die Rolle der taktischen Luftstreitkr•äfte Die Notwendigkeit eines engen Zusammenwirkens von Heer und Luftwaffe auf dem Gefechtsfeld wurde durch die . AirLand Battle“ in verschiedener Weise präzisiert Es geht nicht nur um die frühzeitige Zuordnung von taktischen Luftstreitkräften an einzelne Abschnittsbefehlshaber, sondern auch um die genaue und lagegerechte Verteilung von Aufträgen auf Grund einer Prioritätsetzung. Die Maßnahmen für die Zuteilung von Luftstreitkräften fanden u. a. ihren Niederschlag in der Ausarbeitung , Joint Air Attack of the Second Echelon" vom Dezember 1982. In der Folge untersuchte man verschiedene Schritte für das zweckmäßigste und reibungsloseste Einsatzverfahren und zur Regelung der Zuständigkeiten
Es trat dabei zutage, daß eine Schlüsselfrage in der Zuteilung von Aufklärungsmitteln in der Zielortung und Zielzuweisung besteht, die man etwa mit Hilfe des , Joint Surveillance Target Attack Radar System" oder der Aufklärungsdrohne „Aquila" zu lösen gedenkt. Die Zielzuweisung soll hierbei zentral gesteuert werden und bis in eine Tiefe des Operationsgebietes von ca. 150 km wirken können. Für bodengestützte Radarsysteme wird eine Reichweite von 20 bis 25 km für erforderlich erachtet, was mit der Zielzuweisung für die Artillerie zusammenhängt
Seitens der US-Luftwaffe kam es zu Vorbehalten, die sich gegen zu hohe Anforderungen an die fliegenden Verbände, insbesondere in der Rolle der Luftnahunterstützung („Close Air Support") richteten. In Anbetracht der starken Gefechtsfeldfliegerabwehr der Warschauer Pakt-Armeen wäre es vorteilhafter, Einsätze zur Gefechtsfeldabriegelung (Air Interdiction") vorzubereiten und diese in die Tiefe des Raumes zu verlegen. Aufträge, die bisher in die Zuständigkeit der Luftnahunterstützung gefallen sind, wären künftig durch das Heer, vor allem durch weitreichende Artillerie und Raketenwerfer, wahrzunehmen. Auch beim Niederhalten von „Counter-Air" -Zielen käme eine stärkere Mitwirkung von Heereskräften in Betracht, um die Luftstreitkräfte für andere Aufträge freizumachen.
Eine Hauptaufgabe des Korpsstabes wird darin gesehen, detaillierte Pläne für die Abriegelung des Operationsgebietes in Abstimmung mit dem Befehlshaber des Kriegsschauplatzes und unter Berücksichtigung der sonstigen Aufträge an die taktischen Fliegerkräfte zu erstellen. In den meisten Fällen liegt somit eine gemeinsame Verantwortlichkeit von Heeres-und Luftwaffenbefehlshabern vor.
Die Ausführungen haben gezeigt, daß Rogers-Plan und „AirLand Battle" trotz vieler Gemeinsamkeiten unterschiedliche Vorhaben betreffen. Folgende Ergebnisse sind festzuhalten: 1. Der Rogers-Plan geht von der problematischen Abhängigkeit der NATO vom frühzeitigen Rückgriff auf taktische Kernwaffen aus, wobei man diese Abhängigkeit durch erhöhte Rüstungsanstrengungen im konventionellen Bereich sowie durch eine „Konventionalisierung“ der Gefechtsabläufe entscheidend verringern will.
2. Diese angestrebten Verbesserungen sollen nicht dazu dienen, einen konventionellen Krieg führbar oder gar „gewinnbar“ zu machen, sondern dazu, die Abschreckung überhaupt zu erhöhen.
3. Es soll nicht zu einer gänzlichen Ablösung der nuklearen TNF der NATO durch neue konventionelle Präzisionswaffen, sondern zu einer Neuverteilung der Aufträge kommen, wobei der völlige Verzicht auf nukleare Optionen für die NATO militärische Nachteile brächte. Es besteht auch kein Widerspruch zwischen der Modernisierung der NATO-TNF und der Absicht einer . Anhebung der Nuklearschwelle".
4. Das Konzept des „Strike deep" läuft nicht auf eine Bevorzugung derjenigen Waffensysteme hinaus, die eine Bekämpfung von Feindkräften in der Tiefe des Operationsfeldes erlauben; vielmehr sollen die Rüstungsprogramme — trotz aller Einchränkungen und Engpässe — so gestaltet werden, daß sie den Kampf gegen die erste und zweite strategische Staffel gleichzeitig erlauben.
Schlußbetrachtung
5. Die Doktrin der . AirLand Battle" dient vorwiegend dem Kampf auf Divisions-und Korpsebene im taktisch-operativen Rahmen, indem sie unter Betonung des Elements „Bewegung“ Schwächen im gegnerischen Angriffsverfahren auszunützen sucht; sie bewegt sich auf konventioneller Ebene.
6. Die neue Kampfdoktrin des US-Heeres stellt keine Hinwendung zu einer Offensiv-planung großen Stils dar und ändert nichts an der Vornevertäidigung der NATO in strategischem Sinne.
Heinz Magenheimer, Dr. phil., geb. 1943; Studium der Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Wien; seit 1972 Angehöriger des Instituts für strategische Grundlagenforschung der Landesverteidigungsakademie; seit 1977 Redaktionsmitglied der österreichischen Militärischen Zeitschrift. Veröffentlichungen u. a.: Abwehrschlacht an der Weichsel 1945, Freiburg i. Br. 1976; NATO: Doktrin und Diskussionen (LVAk, Wien 1984); zahlreiche Beiträge in Fachzeitschriften zum Thema Streitkräfte und Wehrwesen, Sicherheitspolitik und Kriegsgeschichte.
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