I. Einleitung
Seit der politischen Reformbewegung zu Beginn des letzten Jahrhunderts ist die Nominierung der Kandidaten für das Amt des amerikanischen Präsidenten vom Kongreß auf die von den beiden großen Parteien veranstalteten Bundeskonvente („national conventions") übergegangen. Um auf diesen bundesweiten Parteikonventen die Stimmenmehrheit aller Parteidelegierten auf sich zu vereinigen, muß jeder Amtsaspirant in einem monatelangen Vorwahlkampf versuchen, bei der Parteienhonoratiorenschaft und den Parteianhängern möglichst viele Stimmen für seine Kandidatur zu gewinnen. Die Konvente, die in der Regel zwischen Juni und August des Wahljahres stattfinden, bilden daher den Abschluß und den spektakulären Höhepunkt der ersten Phase des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs. Die innerparteiliche Delegierten-und Kandidatenaufstellung, die auf einem höchst komplizierten Vor-und Auswahlsystem beruht, läßt sich auf zwei Grundtypen zurückführen:
auf das Vorwahlsystem („primary System") und auf das Parteiversammlungssystem („caucusconvention-system"). Das Parteiversammlungssystem ist vergleichbar mit den in der Bundesrepublik üblichen Verfahren der Delegiertenauswahl. Auf Orts-ebene gewählte Delegierte wählen ihrerseits Delegierte für die nächsthöhere Ebene bis zum Bundeskonvent. Nach dem Vorwahlsystem werden die Konventsdelegierten in einer öffentlichen Wahl von den Mitgliedern bzw. Anhängern der jeweiligen Partei gewählt. Beide Wahlverfahren, die bereits bei der Aufstellung der Präsidentschaftskandidaten eine aktive Teilnahme der Bevölkerung ermöglichen, stehen jedoch deutlich im Gegensatz zu den Intentionen der amerikanischen Verfassungsväter. Diese wollten weder die Kandidatenauslese und -nominierung noch die Wahl des Präsidenten direkt dem Volke, geschweige den gerade auf einzelstaatlicher ebene sich formierenden Parteien überlassen.
enn sie befürchteten, daß „unter irgendei-nem gemeinsamen Impuls der Leidenschaft oder des Interesses" sich zusammenschließende Bürger „konträr zu den Rechten der übrigen Bürger oder zu den dauernden und allgemeinen Interessen der Gemeinschaft" handeln würden
Gleichwohl konnte die von den Gründungsvätern entworfene „Constitution against parties" weder die Wahl des Präsidenten durch das Volk noch den Einfluß der Parteien auf den Wahlprozeß verhindern. Im Zuge der „Jacksonian Revolution" erkämpften sich die Parteien gewichtige Mitwirkungsrechte bei der Auswahl der Präsidentschaftskandidaten. Es entwickelte sich das System der vorherigen Kandidatenauslese durch die Parteien, dessen Demokratisierungseffekte jedoch zunächst nur gering waren; denn die Bestimmung der Delegierten für die Bundeskonvente gehörte zu den Privilegien der Parteiführer, die den Auswahlprozeß unkontrolliert manipulieren konnten.
Angesichts dieser undemokratischen Praktiken, die in der amerikanischen Öffentlichkeit auf immer stärkeren Widerstand stießen, wurden dann um die Jahrhundertwende von einigen Bundesstaaten für die Aufstellung der Konventsdelegierten und die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten Vorwahlen eingeführt. Diese sollten nicht nur die Macht der Parteibosse und ihrer „Parteimaschinen“ eindämmen, sondern auch die politischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung vergrößern. Florida war 1904 der erste Staat der amerikanischen Union, der den Parteien die Bestimmung der Konventsdelegierten durch Vorwahlen erlaubte. In Wisconsin wurde ein Jahr darauf die Aufstellung aller Parteidelegierten durch Vorwahlen gesetzlich vorgeschrieben. Andere Bundesstaaten folgten diesem Beispiel, und bereits 1916 wurden in 26 Staaten Präsidentschaftsvorwahlen durchgeführt
In den folgenden Jahren ging die Zahl der Bundesstaaten, in denen „primaries“ abgehalten wurden, jedoch deutlich zurück. Dies war vor allem darauf zurückzuführen, daß sich die Parteivorstände der einzelnen Landesparteien diesem Auswahlverfahren auf das entschiedenste widersetzten. Hinzu kam, daß die Wahlbeteiligung in der Regel sehr gering war und viele Präsidentschaftsaspiranten es ablehnten, sich an Vorwahlen zu beteiligen.
Erst seit dem 1968 durch die innerparteilichen Reformen der Demokratischen Partei ausgelösten Trend einer stärkeren Demokratisierung des Nominierungsprozesses hat die Zahl der Vorwahlstaaten wieder zugenommen. Ihre Zahl stieg von 17 im Jahre 1968 auf 35 im Jahre 1980. 1984 war die Tendenz erstmals wieder rückläufig. Es fanden nur in 30 Bundesstaaten (bzw. Territorien) Vorwahlen statt.
II. Die Wahl der Delegierten
1. Die Teilnahmeberechtigung am Auswahlverfahren Grundsätzlich sind bei der Wahl der Konventsdelegierten alle Parteimitglieder wahlberechtigt Da aber bei den amerikanischen Parteien die Merkmale organisierter Mitgliedschaft fehlen, ist eine eindeutige Definition der „Parteimitgliedschaft“ nicht möglich. In der Regel genügt für die Teilnahme am Wahlverfahren die Registrierung beim Wahl-amt bei der man sich gleichzeitig durch eine formale Erklärung zu einer Partei bekennt („enrollment"). Daraufhin ist man sowohl bei den Vorwahlen als auch bei der innerparteilichen Delegiertenauswahl dieser Partei wahlberechtigt.
Eine Ausnahme von dieser in den meisten Bundesstaaten üblichen Regelung bildet die „offene“ Vorwahl („open primary"), wie sie etwa im Staate Wisconsin durchgeführt wird. Hier braucht der Wähler seine Parteizugehörigkeit („party affiliation") nicht anzugeben. Demokraten können also am Auswahlverfahren der republikanischen Partei teilnehmen und umgekehrt. Seit 1978 jedoch sind „offene" Vorwahlen von der Demokratischen Partei für die Bestimmung ihrer Konventsdelegierten verboten worden. Bürger, die an einer Vorwahl dieser Partei teilnehmen wollen, müssen sich zuvor als „Democrat“ registrieren lassen Während die meisten Bundesstaaten mit „offenen" Vorwahlen auf den Beschluß der Demokratischen Partei hin freiwillig ihre Wahl-modalitäten änderten und „geschlossene“ Vorwahlen („closed primaries") einführten, lehnte Wisconsin dies kategorisch ab. Als daraufhin die gegen die Parteiregeln zusammengestellte Delegation von Wisconsin von der Teilnahme am Demokratischen Bundeskonvent ausgeschlossen wurde, klagte Wisconsin gegen die Demokratische Bundespartei. In letzter Instanz wurde das Verfahren vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten zugunsten der Demokratischen Partei entschieden. In einer in ihrer politischen Bedeutsamkeit weit über diesen Einzelfall hinausreichenden Entscheidung stellte der „Supreme Court“ fest, daß Einzelstaaten keinen rechtlichen Anspruch darauf haben, daß ihre Delegierten zu den Bundeskonventen zugelassen werden, wenn ihre Wahlgesetze gegen die von der Bundespartei festgelegten Wahl-bestimmungen verstoßen. Denn die Bundesstaaten hätten keine Zuständigkeit, die Modalitäten des innerparteilichen Auswahl-und Nominierungsprozesses zu reglementieren. Insbesondere gebe es hinsichtlich des Delegiertenauswahlverfahrens keinen Vorrang der einzelstaatlichen Gesetze gegenüber den Parteiregeln
Trotz dieser eindeutigen Rechtsprechung wurde in Wisconsin die „open primary" beibehalten, so daß sich die Demokratische Partei gezwungen sah, ein alternatives Auswahlverfahren für die Bestimmung der Delegierten durchzuführen.
In Wisconsin fanden daher im Jahre 1984 erstmals Vorwahlen statt, die keinerlei Auswirkungen auf die Nominierung der Delegierten hatten. Die Bestellung der am Bundeskonvent der Demokratischen Partei teilnahme-berechtigten Delegierten erfolgte durch das Parteiversammlungssystem. 2. Die Grundtypen des Auswahlverfahrens a) Das Parteiversammlungssystem („causus Convention System“)
Das System der Delegiertenauswahl durch innerparteiliche Gremien wird etwa seit Mitte des letzten Jahrhunderts angewendet. Ähnlich wie in der Bundesrepublik, wo auf Orts-, Kreis-, Bezirks-, und Landesebene die Delegierten für die Bundesparteitage gewählt werden, erstreckt sich in den USA die Delegiertenauswahl über mehrere Ebenen.
Die unterste Parteiebene bilden die „precincts", kleine Stadtbezirke oder ländliche Gemeinden. Die nächsthöhere Stufe ist in der Regel der „county“, der eine größere Stadt oder einen Landkreis umfaßt Die auf der .county“ -Ebene gewählten Delegierten werden dann zu den „congressional district conventions" (Parteiversammlungen innerhalb der Wahlbezirke für die Kongreßabgeordneten) entsandt, wo der größte Teil der Delegierten für die Bundeskonvente gewählt wird.
Der Rest der Delegiertendelegation wird durch einzelstaatliche Parteigremien bestimmt Zu unterscheiden sind hierbei die im ganzen Staat bestellten Delegierten („at-large delegates") und die ex-officio-Delegierten („party and elected official delegates').
Die „at-large delegates“ werden entweder durch die „state Convention“ oder das „state Committee“ bestellt den höchsten Parteigremien innerhalb der Einzelstaaten. Von den ex-officio-Delegierten werden etwa 30% von einem dieser beiden Parteigremien bestimmt. Die übrigen Delegierten werden im „congressional caucus“ gewählt, einer Versammlung der Mitglieder des Senats und des Repräsentantenhauses der gleichen Partei.
Die Zahl der „Caucus-Convention“ -Staaten, die zwischen 1968 und 1980 von 34 auf 19 Staaten gefallen war, ist 1984 wieder deutlich angestiegen. In diesem Jahr wurden in 28 Bundesstaaten die Konventsdelegierten durch das Parteienversammlungssystem bestimmt. Da durch dieses Auswahlverfahren etwa 33 % der Delegierten ermittelt werden, ist es für den Verlauf und Ausgang des Vorwahlkampfes von einiger Bedeutung. Hinzu kommt, daß die Ergebnisse der zumeist in der ersten Phase des Nominierungsprozesses stattfindenden „conventions" nicht nur in der Berichterstattung der Medien breiten Raum einnehmen, sondern auch als Popularitätsbarometer gelten, die für die Höhe der Wahlkampfspenden ausschlaggebend sind.
Wie die letzten Jahre gezeigt haben, können frühe Erfolge insbesondere die Nominierungschancen von unbekannten Präsidentschaftsaspiranten („dark horses") erheblich vergrößern. So hat 1976 das erfolgreiche Abschneiden von Jimmy Carter im Bundesstaat Iowa und die darauf folgende außergewöhnlich breite Medienberichterstattung über seine Person entscheidend dazu beigetragen, daß er ohne Unterstützung der lokalen und regionalen Parteiorganisationen die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei gewinnen konnte. Und so hat 1980 George Bush durch seinen überraschenden Wahlerfolg in Iowa die republikanische Parteiführung davon überzeugen können, daß er ein ernst zu nehmender Bewerber für die Kandidatur der „Grand Old Party“ war Andererseits aber können Niederlagen in den frühen Nominierungsversammlungen der „early bird caucus States" die Erfolgschancen von Parteifavoriten („favorite sons") zunichte machen. Insgesamt betrachtet dürften die „caucus-convention States" in den kommenden Jahren wieder eine größere Rolle bei der Nominierung der Parteikandidaten spielen. Denn aufgrund des häufig bis zu Beginn der Konvente offenen Wahlausgangs kann es sich heute kaum ein Präsidentschaftsbewerber mehr leisten, seine Wahlkampfaktivitäten allein auf die „primary States" hin auszurichten. So waren 1976 die 277 Delegiertenstimmen, die der damalige Präsident Gerald Ford durch innerparteiliche Nominierungsversammlungen erhalten hatte, mitentscheidend dafür, daß er mit nur 117 Stimmen Vorsprung vor Ronald Reagan die Nominierung der Republikanischen Partei auf dem Bundeskonvent in Kansas City gewinnen konnte.
Ob allerdings die steigende Zahl der „caucus conventions" den Einfluß und damit die Manipulationsmöglichkeiten der Parteiorganisation wieder vergrößern werden, wie es in jüngster Zeit häufig vermutet wird dürfte nicht zuletzt von der Wahlbeteiligung bei „Precinct-Wahlen" abhängen. Generell wird man davon ausgehen können, daß die Bestimmung der Delegierten solange ein Privileg der Parteiführer bleiben wird, wie der größte Teil der Wähler von seinen politischen Rechten keinen Gebrauch macht. b) Das Vorwahlsystem (primary System)
In den meisten Bundesstaaten werden nicht nur die Delegierten für die Konvente der beiden großen Parteien, sondern auch die Kandidaten für einen Sitz im Kongreß und für verschiedenste Regierungsämter durch Vorwahlen bestimmt Bei den Vorwahlen zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten werden zunächst nur die Konventsdelegierten bestellt, die auf den „national conventions" die Präsidentschaftskandidaten wählen. Im Hauptkampf treten dann die von beiden Parteikonventen nominierten Bewerber als offizielle Kandidaten ihrer Parteien gegeneinander an.
Da bei den Vorwahlen die Regelung der Wahlmodalitäten sowohl durch die Einzelstaaten als auch durch die Landesparteien erfolgt, ist es nicht weiter erstaunlich, daß es in den USA die unterschiedlichsten Formen von Präsidentschaftsvorwahlen gibt Generell lassen sich jedoch zwei Grundtypen unterscheiden: die direkte Wahl der Delegierten zu den Bundeskonventen („delegate primary") und die Abstimmung über die Präsidentschaftsbewerber („presidential preference primary"). In den meisten Staaten mit Präsidentschaftsvorwahlen werden beid Arten der Vorwahl durchgeführt. Inwieweit aber das Ergebnis der Präferenzvorwahl bei der Aufstellung der Delegierten eine Rolle spielt bzw. das Abstimmungsverhalten der Delegierten beeinflußt, hängt von der jeweiligen einzelstaatlichen Regelung ab. In einigen Bundesstaaten sind Präferenzvorwahlen nichts weiter als ein „Schönheitswettbewerb", in dem der Wähler lediglich anzeigt, wen er gerne als Präsidentschaftskandidaten sehen möchte. Daher ist sowohl für die Bestellung der Delegierten als auch für die Nomierung der Präsidentschaftskandidaten die Art und Weise der Kombination oder Trennung von Delegierten-und Präferenzwahl das entscheidende Kriterium. Hierbei sind folgende Möglichkeiten gegeben: In acht Bundesstaaten werden die „district level delegates" und zum Teil auch die „at-large delegates" direkt gewählt. Die Delegierten-Kandidaten müssen allerdings auf dem Wahlzettel zu erkennen geben, ob sie auf einen bestimmten Präsidentschaftsbewerber festgelegt sind oder nicht Sofern in diesen Staaten auch Präferenzwahlen stattfinden, haben diese keinen Einfluß auf die Bestellung der Delegierten.
In den Bundesstaaten, in denen bindende Präferenzwahlen durchgeführt werden, sind die Modalitäten der Delegierteriwahl äußerst unterschiedlich geregelt. In einigen Staaten erfolgen Präferenz-und Delegiertenwahl in einem Wahlakt. Die durch dieses Auswahlverfahren bestimmten Delegierten sind bei ihrer Stimmabgabe auf dem Konvent an das Ergeb-nis der Präferenzwahl gebunden. Häufig sind bei gleichzeitiger Durchführung von Präferenz-und Delegiertenwahl allein die Namen der Präsidentschaftsbewerber auf dem Wahl-schein aufgeführt. Hierbei werden die Delegierten-Kandidaten, die schon vor der Wahl ihre Präferenz für einen Präsidentschaftsaspiranten artikuliert haben müssen, von diesem bzw.seinem Repräsentanten bestimmt In 13 Staaten werden die Delegierten und Präsidentschaftskandidaten durch eine Kombination von Präferenzwahlen und parteiinterner Delegiertenwahl ermittelt Während die Bestellung der Konventsdelegierten durch das Parteiversammlungssystem vorgenommen wird, erfolgt die Zusammenstellung der Delegiertendelegation für den Parteikonvent nach dem Ergebnis der Präferenzvorwahl. In fast allen Staaten werden die Wählerstimmen den Präsidentschaftsbewerbern proportional zugeteilt, die auf Bezirks-und/oder Landes-ebene einen bestimmten Prozentsatz (je Staat zwischen 10% und 20%) aller abgegebenen Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten.
Eine Ausnahme bildet die „winner-take-all presidential preference primary“, wie sie etwa in Kalifornien die Republikanische Partei durchführt. Hier erhält Bewerber mit den der meisten Stimmen alle dieses Delegierten Staates.
In der Demokratischen Partei sind seit 1976 „winner-take-all primaries” bei der Bestellung der im ganzen Staat („at-large") gewählten Delegierten verboten. Jedoch besteht in einigen Staaten die Möglichkeit, daß bei der Bestellung der Delegierten auf Wahlkreisebene die Zuweisung der Delegierten an die Präsidentschaftsbewerber nach dem einfachen Mehrheitsprinzip entschieden werden kann. Bei einer solchen „loophole primary" fallen dem im Wahlkreis siegreichen Bewerber sämtliche Delegierten-Stimmen des Wahlkreises zu.
Die nicht-bindende Präferenzwahl, die in elf Bundestaaten durchgeführt wird, hat auf die Delegierten und die Verteilung der Delegiertenstimmen keinen Einfluß. Sie stellt lediglich eine unverbindliche Meinungsumfrage dar. Die Delegierten dieser Staaten werden entweder direkt oder durch das Parteiver-sammlungssystem gewählt. Die Ergebnisse der nicht-bindenden Präferenzwahlen bilden für das Abstimmungsverhalten der Delegierten auf den Parteikonventen allenfalls eine Richtlinie.
Insgesamt sind in diesem Jahr etwa 36% der demokratischen und etwa 24% der republikanischen Konventsdelegierten durch Vorwahlen bestellt worden.
Ausschlaggebende Kriterien für die Entscheidungen der Präsidentschaftsbewerber über die Teilnahme oder Nichtteilnahme an den verschiedenen Vorwahlen sind sowohl die Anzahl der in den einzelnen Staaten zu gewinnenden Delegiertenstimmen als auch der Zeitpunkt, an dem die Vorwahlen stattfinden. Hierbei kann man generell davon ausgehen, daß kein Bewerber auf die Teilnahme an den ersten Vorwahlen verzichten wird. Denn die „primaries“ des ersten Monats im Vorwahl-kampf können — ähnlich wie die Parteiversammlung in den „early bird caucus States" — für den Ausgang des Nominierungsprozesses vorentscheidend sein. Nur die Bewerber, die bei den ersten Vorwahlen erfolgreich abschneiden, dürfen mit der notwendigen personellen und finanziellen Unterstützung rechnen, ohne die der bis Mitte Juli des Wahljahres andauernde Vorwahlkampf nicht zu bestreiten ist
Dem Ausgang dieser Wahlen kommt damit eine Bedeutung zu, die sehr oft weit über das Delegiertenkontingent dieser Staaten hinausreicht. Insbesondere gilt dies für die Wahl in New Hampshire, wo Präsidentschaftskandidaten „gemacht oder zerstört werden" Hier konnten „dark horses“ wie Eugen McCarthy (1968), George McGovern (1972), Jimmy Carter (1976) und Gary Hart (1984) Anfangserfolge erringen, die ihnen erst eine chancenreiche Teilnahme an den weiteren Vorwahlen ermöglichte.
Weiter verstärkt wird diese psychologische Wirkung der ersten „primaries" noch durch die Berichterstattung der Medien, die bei Wahlen überproportional auf den „Wettkampfaspekt" ausgerichtet ist Für die erfolgreichen Bewerber bedeutet diese kostenlose Wahlwerbung einen wichtigen strategi-sehen Vorteil, da die Ausgaben im Vorwahl-kampf gesetzlich limitiert sind -
Aufgrund der zum Teil erheblichen Anzahl von Delegierten, die in den letzten Vorwahlen vor den Konventen noch gewonnen werden können, kann heute jedoch kein ernsthafter Präsidentschaftsbewerber mehr seine Wahlkampfaktivitäten allein auf die frühen Vorwahlen konzentrieren oder gar den Vorwahlen ganz ausweichen und sich auf die Gunst der Parteiführer verlassen. Denn sowohl durch die innerparteilichen Reformen als auch durch die beträchtlich angestiegene Zahl der Vorwahlen ist der Einfluß der Parteiführer und ihrer „Parteimaschinen" auf das Nominierungsverfahren deutlich verringert worden.
Damit ist nicht nur die Kandidatennominierung stärker auf die Basis verlagert, sondern zugleich auch die Chance von unbekannten Außenseitern gestiegen, selbst ohne den Rückhalt der Parteiorganisation die Präsidentschaftsnominierung zu gewinnen.
Trotz dieser nahezu revolutionären Demokratisierung des Auswahlverfahrens ist die Wahlbeteiligung in „presidential primaries“ nach wie vor sehr schwach. So beteiligten sich in diesem Jahr nur etwa 26 Millionen Bürger an den Vorwahlen der beiden großen Parteien; dies sind etwa 18% der theoretisch Wahlberechtigten
Nicht zuletzt dürfte diese, auch im Vergleich zur vermutlichen Partizipation bei den diesjährigen Präsidentenwahlen äußerst geringe Wahlbeteiligung auf die mangelnde Transparenz des Vorwahlsystems zurückzuführen sein, das mit all seinen Ausnahmen und Regeln dem Durchschnittswähler nur schwer verständlich zu machen ist Der durch die „primaries“ erzielte Demokratisierungseffekt sollte daher nicht allzu hoch veranschlagt werden.
Eine tiefgreifende Demokratisierung dürfte nur durch eine Reform des Vorwahlsystems erreicht werden, welche die komplizierten und in fast allen Staaten differierenden Wahl-modalitäten vereinfacht und einander angleicht. Die Durchführung einer einheitlichen und bundesweiten Vorwahl könnte ein erster Schritt in diese Richtung sein. Eine derartige Bundesvorwahl sollte jedoch nicht an einem Tag, sondern in zeitlichen Abständen von den einzelnen Staaten durchgeführt werden, da ansonsten unbekannte Präsidentschaftsaspiranten von vornherein keine Nominierungschance haben würden.
III. Die Bundeskonvente
Die zwischen Juli und August des Wahljahres stattfindenden Konvente der beiden großen Parteien bilden den Abschluß der ersten Phase des Präsidentschaftswahlkampfes. Ihrem äußeren Erscheinungsbild und Ablauf nach entsprechen sie eher einer Mischung von Jahrmarktversammlung und Karnevals-veranstaltung als Parteitagen, auf denen die Kandidaten für das höchste Amt der Vereinigten Staaten nominiert werden sollen.
Für den ausländischen Beobachter ist die große Zahl der Konventsdelegierten erstaunlich, die weit über die Größenordnung etwa der deutschen Parteitage hinausgeht. In diesem Jahr setzte sich der Demokratische Bundeskonvent aus 3 931 Delegierten und 1313 Ersatzdelegierten zusammen. Der republikanische Konvent umfaßte 2 235 Delegierte und ebenso viele Ersatzdelegierte. Die Größe der einzelstaatlichen Delegationen wird durch ein in beiden Parteien unterschiedliches Berechnungsverfahren ermittelt. In der Demokratischen Partei wird die Mehrzahl der Delegierten („Basis-Delegierten") eines jeden Staates durch einen Verteilungsschlüssel bestimmt, der sowohl die Anzahl der bei den letzten drei Präsidentschaftswahlen für die Kandidaten der Demokratischen Partei abgegebenen Stimmen als auch die Zahl der Wahlmännerstimmen des jeweiligen Staates berücksichtigt. Darüber hinaus wird jedem Staat noch eine bestimmte Anzahl von Exofficio-Delegierten zugeteilt. Nach dem republikanischen Delegiertenschlüssel kommen jedem Staat sechs Landesdelegierte und drei Delegierte für jeden Kongreßbezirk zu. Daneben erhält jeder Staat noch einen „Bonus“ von Delegierten, der auf der Anzahl der in einem Bundesstaat von Republikanern besetzten Ämter (Gouvernor und Senator) basiert Und schließlich gibt es noch einen weiteren „Bonus“ für die Staaten, in denen die Republikaner die Mehrheit der Parlamentsabgeordneten stellen und/oder die bei den letzten Präsidentschaftswahlen für den republikanischen Kandidaten gestimmt haben Die Delegiertenschlüssel beider Parteien sind in den letzten Jahren heftiger Kritik ausgesetzt gewesen, da sie gegen das von der Verfassung vorgeschriebene Prinzip „one person — one vote“ verstoßen. Die Bemühungen einzelner Gruppen, per Verfassungsbeschwerde eine Änderung des Delegiertenschlüssels herbeizuführen, sind bislang allerdings gescheitert
Die bei weitem umstrittenste Frage war jedoch in der Vergangenheit, ob die Konvente in ausreichendem Maße die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen repräsentierten. Insbesondere in der Demokratischen Partei wurde diesem Problem seit Ende der sechziger Jahre große Aufmerksamkeit geschenkt. Eine von der Partei im Jahre 1968 eingesetzte Kommission („McGovern-Fraser-Commission"), die Vorschläge zur Reform des Kandidatenauswahlverfahrens unterbreiten sollte, hatte festgestellt, daß die überwiegende Zahl der Konventsdelegierten weiß und männlich war, über ein höheres Einkommen und eine bessere Schulbildung verfügte als der Durchschnitt der Bevölkerung Um eine stärkere Beteiligung der unterrepräsentierten gesellschaftlichen und politischen Gruppen am Bundeskonvent der Demokraten zu ermöglichen, schlug die Kommission vor, daß die einzelstaatlichen Parteien bei der Zusammenstellung der Delegiertenlisten auch ethnische und politische Minderheiten proportional zu ihrem Anteil an der Bevölkerung bzw. Wählerschaft berücksichtigen sollten.
Die Empfehlungen der Kommission, die von den einzelstaatlichen Parteiorganisationen weitgehend realisiert wurden, bewirkten auf den Konventen der folgenden Jahre eine angemessenere Vertretung der bis 1968 deutlich unterrepräsentierten Minderheitsgruppen. So waren auf dem diesjährigen Bundeskonvent der Demokraten in San Francisco 50 % der Delegierten Frauen. Auf dem Konvent in Chicago 1968 waren es lediglich 16 %. Der Anteil der Schwarzen betrug in diesem Jahr 18% gegenüber 5 % 1968
Trotz dieser Öffnung des Parteikonvents durch Integration von Minoritäten, die inzwischen auch durch die Demokratische Partei-satzung vorgeschrieben ist, hat sich bei der Zusammensetzung der einzelstaatlichen Delegiertendelegationen das proportionale Repräsentationsprinzip noch nicht völlig durchsetzen können. Auch in diesem Jahr lagen Einkommen und Ausbildung der meisten Delegierten weit über dem Durchschnitt der Demokratischen Wählerschaft (vgl. Tabelle 1).
Ein sicherlich ebenso wichtiges Ergebnis der von der McGovern-Fraser-Kommission initiierten innerparteilichen Reformen war die Reduzierung des Einflusses der Parteifunktionäre auf den Konventen. Sowohl durch die Abschaffung undemokratischer Verfahrensregeln wie der „unit rule" als auch durch die Verminderung der Zahl von Ex-officio-Delegierten wurden die Partizipationsmöglichkeiten der „grass-roots Democrats“ am Nominierungsverfahren erheblich verbessert. Seit 1980 scheint diese Entwicklung in der Demokratischen Partei jedoch wieder rückläufig zu sein. Denn durch die automatische Vergabe von 568 Delegiertenplätzen (etwa 14% der Konventsdelegierten) an Parteiführer, Gouverneure und Kongreßabgeordnete hat die Partei den Einfluß dieser „alten“ Parteioligarchie auf die Kandidatennominierung wieder deutlich verstärkt. Diese auf die Empfehlung der „Hunt Commission“ zurückgehende Reform deutet nicht nur auf die allmähliche Abkehr von den Reformzielen der siebziger Jahre hin, sondern läßt auch die wieder zunehmende Verantwortlichkeit der Partei für ihre Präsidentschaftskandidaten erkennen. Die künftigen Kandidaten der Demokratischen Partei werden daher wieder stärker an die Parteiorganisation angebunden sein. * Im Gegensatz zur demokratischen Partei ist bei den Republikanern die Problematik der fairen Repräsentation einzelner Wähler-schichten nie ernsthaft diskutiert worden. Zwar hatte eine 1969 von der Partei eingesetzte Reformkommission („The Delegates and Organizations Committee") bei der Zusammenstellung.des „national Convention committee“ die stärkere Berücksichtigung von Minderheiten und unterrepräsentierten Gruppen empfohlen. Aber die Vorschläge der Kommission, die im Vergleich zu den präzisen Richtlinien der „McGovern-Fraser-Commission“ ziemlich allgemein formuliert waren, hatten kaum Auswirkung auf die innerparteiliche Delegiertenzusammenstellung.
Die Gründe für die mangelnde Reformbereitschaft dürften vor allem darin liegen, daß die Republikanische Partei bislang niemals in dem Maße mit Partizipationsforderungen ihrer Basis konfrontiert worden ist wie die Demokratische Partei. Hinzu kommt, daß die Republikanischen Landesparteien schon von jeher gegenüber der Bundespartei weitgehend autonom sind. Die Realisierung eines von der Bundespartei unterbreiteten Reformkonzeptes ist hierdurch weitaus schwieriger.
Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, daß bei der Zusammensetzung des Republikanischen Konvents der prozentuale Anteil der unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen nur wenig berücksichtigt worden ist Auch in diesem Jahr waren die republikanischen Delegierten „reicher, weißer, besser ausgebildet und konservativer als der amerikanische Durchschnittswähler" (vgl. Tabelle 1). Seitdem die Mehrzahl der Delegierten schon vor den Parteikonventen auf einen Präsidentschaftsbewerber festgelegt ist spielen die soziologische Zusammensetzung des Konvents („demography of the delegates“), die ideologische Einstellung der Delegierten und ihre Zugehörigkeit zu bestimmten politischen Gruppen wie etwa Gewerkschaften oder Umweltschutzverbänden bei der Abstimmung über die Nominierung der Präsidentschaftskandidaten kaum noch eine Rolle. Die eigentliche politische Bedeutung der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppen, die während des Konvents neben den Tagungen der einzelstaatlichen Delegationen ihre Fraktionssitzungen („caucuses") abhalten, besteht heute eher in ihrem Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung der Wahlkampfplattform. Denn die Präsidentschaftskandidaten haben bei der Formulierung der Parteiplattform die divergierenden programmatischen Forderungen der heterogenen Delegierten-gruppen angemessen zu berücksichtigen, um in dem sich an die Konvente anschließenden Hauptwahlkampf eine geschlossene Partei hinter sich zu haben.
IV. Die Vorwahlen in der Demokratischen und Republikanischen Partei 1984
1. Der Verlauf der Demokratischen Vorwahlen Der klare Favorit unter den Präsidentschaftsbewerbern der Demokratischen Partei war in diesem Jahr der ehemalige Vizepräsident und Senator Walter Mondale. Zahlreiche Meinungsumfragen vor dem offiziellen Beginn der Delegiertenwahlen, in denen Mondale weit vor seinen Konkurrenten aus dem eigenen Lager als populärster Kandidat genannt wurde, schienen auf eine sichere Nominierung Mondales hinzudeuten.
Die Stärke Mondales, der in den USA aufgrund seines sozialen Engagements den Prototyp des „liberalen" Politikers verkörpert, lag vor allem darin begründet, daß er von einflußreichen Wählergruppen wie der Gewerkschafts-Spitzenorganisation AFL-CIO, der unabhängigen Lehrergewerkschaft „National Education Association" (NEA) und den lokaim industriellen Nordosten und Mittelwesten unterstützt wurde. Hinzu kam, daß er auch bei den Demokratischen Fraktionen des Repräsentantenhauses über einen breiten Rückhalt verfügte.
Seine Wahlkampfstrategie zielte darauf ab, durch frühe Erfolge bei den ersten Vorwahlen und Parteiversammlungen einen „bandwagon effect" auszulösen und damit eine Vorent-* Scheidung herbeizuführen. Mondale hatte daher schon seit Ende 1982 in den Staaten, in denen die ersten Wahlen stattfinden sollten, eine technisch perfekte Wahlkampforganisation aufgebaut, die durch die Erfassung und Analyse bestimmter Wählerschichten mittels Datenverarbeitung die Mobilisierung potentieller Wählergruppen erleichtern sollte. Sein deutlicher Anfangserfolg bei den traditionell den Wahlkampf eröffnenden Parteiversammlungen in Iowa bestätigte nur seine Stellung als „front runner", zumal er bereits zu Beginn des Jahres 70 der 164 von der Demokratischen Fraktion des Repräsentantenhauses („House democratic caucus“) gewählten Ex-Officio-Delegierten hatte für sich gewinnen können. In der amerikanischen Presse wurde zu diesem frühen Zeitpunkt schon darüber spekuliert, ob und welchen seiner Mitbewerber Mondale zu seinem Wahlkampfgefährten machen würde.
Die überraschenden Wahlerfolge von Gary Hart in den folgenden, von den Medien hoch-stilisierten Vorwahlen von New Hampshire und Vermont („Media Fishbowl primaries") machten jedoch klar, daß die letzte Entscheidung über die Nominierung des Demokratischen Präsidentschaftskandidaten noch längst nicht gefallen war. Denn der Außenseiter Hart, der seine ersten politischen Erfahrungen als Wahlkampfhelfer von Kennedy und McGovern gesammelt hatte, konnte durch seinen deutlichen Überraschungssieg die nationale Medienaufmerksamkeit verstärkt auf sich ziehen, wodurch er ein ernsthafter Konkurrent wurde.
Der Aufstieg Harts zum chancenreichen Amtsaspiranten war insbesondere darauf zurückzuführen, daß er als Vertreter des amerikanischen „Neo-Liberalismus" auf die zum Teil wohlhabenden und aufstrebenden Wählergruppen im Alter unter 45 Jahren eine große Anziehungskraft ausübte. Geschickt unterließ er es in der Anfangsphase des Wahlkampfes, klare politische Positionen zu beziehen, um durch seine allgemeinen Forderungen nach „neuen Ideen und einer neuen politischen Führung" Wählergruppen von beiden Flügeln der Partei gewinnen zu können.
Ein fast ebenso wichtiger Grund für sein erfolgreiches Abschneiden war seine Wahlkampfstrategie, durch emotionale Appelle sowohl den von Patriotismus und „Populismus"
bestimmten Gefühlen der weißen Wählerschaft als auch den politischen Forderungen der schwarzen Wählergruppen entgegenzukommen.
Mit den Erfolgen Harts, die auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und Mondale hinzudeuten schienen, erhielt zugleich die Kandidatur des schwarzen Pastors Jesse Jackson größeres politisches Gewicht Denn Jackson, der als Integrationsfigur der schwarzen Minderheiten bei den Vorwahlen in Illinois, New York, Pennsylvania und sogar bei den Parteiversammlungen einiger Südstaaten beachtliche Ergebnisse erzielen konnte, hätte mit seinem Stimmenkontingent bei einem „Patt" zwischen Mondale und Hart über die Nominierung der Kandidaten auf den Konventen entscheiden können. Die übrigen Kandidaten — unter ihnen bekannte Politiker wie George McGovern, John Glenn, Alan Cranston, Ernest Hollings und Reuben Askew — kamen schon nach wenigen Wochen für die Rolle des „Königmachers“ nicht mehr in Frage. Sie hatten entweder ihre Kandidatur bereits zurückgezogen oder lagen aussichtslos abgeschlagen zurück.
Betrachtet man den gesamten Ablauf der Vorwahlen in der Demokratischen Partei, so kann man folgende Phasen unterscheiden — In der ersten Phase zwischen dem 20. Februar und dem 13. März erzielte Hart mit 35% der abgegebenen Stimmen einen geringen Vorsprung gegenüber Mondale (30%) und Jackson (14%). Während Mondale nur in Alabama und Georgia die Wahlen gewinnen konnte, errang Hart psychologisch wichtige Siege in New Hampshire, Massachusetts, Florida und Rhode Island.
— In der zweiten Phase zwischen dem 18. März und dem 10. April gelang es Mondale, seine durch Harts frühe Erfolge erschütterte Stellung als „front-runner" wieder zu festigen. Mit 44% der abgegebenen Wählerstimmen dominierte er klar gegenüber Hart (34%) und Jackson (18%). Mondales erfolgreiches Abschneiden in dieser strategisch wichtigen Phase des Wahlkampfes war für seine Nominierungschancen besonders bedeutsam, weil er in diesen drei Wochen sowohl den Aufstieg Harts zum Stehen bringen als auch drei der bevölkerungsreichsten Staaten der USA — Illinois, New York und Pennsylvania — gewinnen konnte.
— In der letzten Phase zwischen dem 1. Mai und 12. Juni war das Rennen zwischen den beiden Spitzenreitern weitgehend ausgeglichen. Mondale und Hart erzielten mit 37% (im Mai) und 40% (im Juni) jeweils gleiche Ergebnisse. Jackson, der nur 21% (im Juni 18%) der Wählerstimmen gewinnen konnte, blieb wieder deutlich hinter beiden zurück.
Insgesamt hatte Hart zwar mit 15 Wahlsiegen mehr Vorwahlen als Mondale gewinnen können, der nur aus 11 „primaries" als Sieger hervorging. Aber mit 39% der abgegebenen Wählerstimmen lag Mondale knapp vor Hart, der 36% der Stimmen gewonnen hatte.
Mondale errang seine Erfolge vor allem im Süden und industriellen Nordosten („industrial frost belt") der USA, den klassischen Bastionen der Demokratischen Partei. Seine Ergebnisse waren hier allerdings besonders beachtlich, da die Mehrzahl der Stimmen der schwarzen Wählern Jackson zufiel. Im Westen, in den Neuengland-Staaten und den ländlichen Staaten des Mittelwesten dagegen wurde Mondale von Hart klar besiegt.
In den Staaten, in denen die Demokratischen Delegierten durch das „caucus convention System“ bestimmt wurden, konnte Mondale insgesamt 175 Delegierte mehr als Hart gewinnen. Zwar war Hart bei der Mehrzahl der Einzelwahlen auf der „Precinct" -Ebene Sieger, aber Mondale gewann mit Texas, Michigan, Missouri, Virginia und Wisconsin die Bundesstaaten mit den größten Delegiertendelegationen. Nach Abschluß der Delegiertenwahlen waren 2 062 Delegierte auf Mondale festgelegt. 1967 waren nötig, um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten zu gewinnen. Abgeschlagen verfügten Hart über 1 247 und Jackson über 384 Delegiertenstimmen. 191 Delegierte hatten sich vor dem Konvent noch auf keinen Bewerber festgelegt („uncommitted").
Obgleich Mondale mit dem Vorsprung von fast 1 000 Delegierten die Nominierung sicher war, hatte er vor dem Beginn der Konvents keine geschlossene Partei hinter sich. Weder Hart noch Jackson zeigten sich bereit, ihn als Spitzenkandidaten der Partei zu akzeptieren. Hart bemühte sich sogar bis zum Beginn des Parteitages, die noch nicht festgelegten Delegierten („uncommitted delegates") sowie einen Teil der auf Mondale festgelegten Delegierten für sich zu gewinnen. Theoretisch wäre dies möglich gewesen, weil die Regeln der Demokratischen Partei — im Gegensatz zu den Wahlgesetzen der meisten Bundesstaaten — in diesem Jahr selbst die gebundenen Delegierten nicht zur Unterstützung des Bewerbers verpflichteten, unter dessen Namen sie kandidiert hatten.
Die Anstrengungen Harts waren allerdings von vornherein nur wenig aussichtsreich, da Mondale die gesamte Führungsspitze der Demokratischen Partei auf seiner Seite hatte Mondale wurde daher auch bereits im ersten Wahldurchgang mit 2 191 Stimmen gewählt. Als Kandidatin für das Amt des Vizepräsidenten wurde die von Mondale vorgeschlagene Abgeordnete des Repräsentantenhauses Geraldine Ferraro nominiert. 2. Die Gründe für den Wahlerfolg Walter Mondales Im Gegensatz zu Hart besaß Mondale als Vertreter der alten „Roosevelt-Koalition" von Beginn des Wahlkampfes an ein soziologisch und politisch festes Wählerpotential, auf das er sein Wahlprogramm gezielt ausrichten konnte. Zu diesen Wählergruppen gehörten Arbeiter, Gewerkschaftler, rassische und ethnische Minderheiten und die ärmere Bevölkerung der mittleren und großen Städte im industriellen Nordosten des Landes, die sich von seinen programmatischen Aussagen wie Arbeitsbeschaffungsprogrammen, Annulierung der Reagan-Kürzungen im Sozialbereich und dem Abbau der Steuerbegünstigungen der Großindustrie zugunsten einer stärkeren staatlichen Daseinsvorsorge eine Verbesserung ihrer eigenen Situation erhofften.
Die Ausgangsbasis für Mondales Erfolg bildeten jedoch die Unterstützung durch die Gewerkschaften und Parteiaktivisten in den Einzelstaaten. Mit Hilfe dieser Gruppen konnte Mondale insbesondere die Delegiertenmehrheit in den „caucus-states" gewinnen; denn Delegiertenwahlen durch Parteiversammlungen begünstigen in der Regel den Kandidaten, der über die Unterstützung politisch aktiver Anhänger verfügt. Diese sind im Gegensatz zu den Durchschnittswählern eher bereit, an Parteiversammlungen teilzunehmen, die sich häufig über einen ganzen Abend erstrekken. Durchschnittswähler beteiligen sich eher an „primaries“, bei denen die Stimmabgabe nur wenige Minuten in Anspruch nimmt Ein weiterer wichtiger Faktor für Mondales erfolgreiches Abschneiden war die Wahlkampfhilfe von Abgeordneten, Bürgermeistern und Gouverneuren, die, wie etwa Koch in New York oder Wallace in Alabama, wesentlich zu seinen Wahlerfolgen in ihren Staaten beitrugen. Die Unterstützung dieser Amts-und Mandatsträger war für Mondale auch deshalb bedeutsam, weil einige von ihnen zur Gruppe der 568 „Super-Delegierten“ gehörten, die bei den Abstimmungen auf dem Konvent eine wichtige Rolle spielten Nicht zuletzt aber profitierte Mondale von dem Delegiertenschlüssel, der die Verteilung der Delegierten zwischen den verschiedenen Präsidentschaftsbewerbern bestimmte. Mondale gewann vor allem in den Staaten die Mehrheit der Delegierten, in denen der Gewinner auf der Bezirksebene alle Delegierten des Bezirks („winner-take-all") oder einen Delegiertenbonus („winner-take-more") erhielt.
Hart war dagegen zumeist nur in den Staaten erfolgreich, in denen die Delegierten proportional nach abgegebenen Wählerstimmen („proportional representation") zugeteilt wurden oder in denen nicht-bindende Präferenz-wahlen stattfanden.
Wenn in diesem Jahr die Delegierten den Bewerbern proportional nach den Wahlergebnissen jedes Einzelstaates zugewiesen worden wären, hätten Mondale über 1591, Hart über 1307 und Jackson über 645 Delegierte verfügt In diesem Fall wäre dann die Entscheidung über die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten erst auf dem Konvent gefallen. 3. Der Verlauf der Republikanischen Vorwahlen Seit 1956, als Eisenhower die Vorwahlen in der Republikanischen Partei unangefochten gewinnen konnte, hat es kein Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur bei den Vorwahlen so leicht gehabt, wie in diesem Jahr Ronald Reagan. Ohne ernsthafte Mitbewerber gewann er alle 24 Republikanischen Vorwahlen mit überwältigender Mehrheit.
Seine beiden letzten Amtsvorgänger, die in ihrer Partei hart um die Wiedernominierung kämpfen mußten, hatten es weitaus schwerer. So mußte 1980 Jimmy Carter in den Vorwahlen gegen den in der Demokratischen Partei äußerst populären Edward Kennedy antreten, 1976 kam Präsident Ford nur knapp an einer Niederlage gegen seinen Republikanischen Herausforderer Reagan vorbei.
Die unbestrittene Spitzenstellung in seiner Partei verschaffte Reagan zugleich eine günstigere Ausgangsposition für den Hauptwahlkampf, der offiziell erst nach dem Abschluß der beiden Parteitage begann. Denn während sich die potentiellen Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei fast ein halbes Jahr lang gegenseitig politisch abqualifizierten und in der Öffentlichkeit das Bild einer in Fraktionen zerrissenen Partei aufkommen ließen, konnte Reagan seinen Amtsbonus ungestört ausnutzen. Dieser Amtsbonus, der im Zeitalter der elektronischen Medien in erster Linie ein „Fernsehbonus“ ist, ermöglichte es ihm, seine politischen Aktivitäten als Staats-und Regierungschef in seine Wahl-kampagne einzubeziehen.
Seine Reise nach China, sein Besuch in Europa und die Eröffnung der Olympischen Spiele waren daher nicht nur politische Amtshandlungen, sondern auch ein von den Medienberatern des Weißen Hauses generalstabsmäßig geplanter Werbefeldzug. Es versteht sich fast von selbst, daß alle diese Amtshandlungen zur besten amerikanischen Fernsehzeit stattfanden, was für den republikanischen Spitzenkandidaten zugleich kostenlose Wahlwerbung bedeutete.
Der Republikanische Parteitag verlief — wie allgemein erwartet wurde — in größter Harmonie. Ronald Reagan und George Bush wurden vom Konvent fast einstimmig als Kandidaten für das Amt des Präsidenten bzw. Vizepräsidenten nominiert.
Die Parteiplattform wurde ohne Debatte und ohne Ergänzungsanträge angenommen. Mit ihren Forderungen nach einer Anhebung der Militärausgaben, der Unterstützung der rechtsgerichteten paramilitärischen Gruppen in Mittelamerika und einer Verlagerung der Sozialprogramme auf die Einzelstaaten unterscheidet sie sich in wesentlichen Punkten vom Wahlprogramm der Demokraten.
Insgesamt vermittelte der Republikanische Konvent in diesem Jahr nach außen das Bild einer programmatisch und ideologisch geschlossenen Partei, die vereint hinter ihrem Präsidentschaftskandidaten steht.