I. Vorbemerkung
Die Zustimmung zur europäischen Einigung kann in demokratischen Gesellschaften auf Dauer nicht von einer unbestimmten affektiven Zuneigung allein ausgehen, sondern sie verlangt eine ständige Legitimationszufuhr auf rationaler politischer (Entscheidungs-) Grundlage. Dadurch wird sie zu einem Gegenstand sachlicher Auseinandersetzung und politischer Bewußtseinsbildung. Es kommt also letztlich auf die partizipatorische Einbeziehung der Jugendlichen in den aktiven politischen Entscheidungsprozeß, zumin-dest in eine kritische Betrachtung desselben, an. Daher ist es wichtig, daß die Schüler ihren europäischen Standort erkennen (lernen) und darauf vorbereitet werden, ihre Rechte und Pflichten als Bürger in einem teilintegrierten Europa wahrzunehmen. Deshalb ist die Vermittlung gemeinschaftsbürgerlicher Kompetenz, die Einübung in Anspruch und Wirklichkeit europäischer Einheit und Vielfalt, die Stärkung des Willens und der Überzeugung zur politischen Einigung Europas eine wichtige Aufgabe von Unterricht und Schule
II. Die „europäische Dimension" aus der Perspektive nationaler und supranationaler Organisationen
Die curriculare Repräsentanz der europäischen Einigung soll durch die Behandlung der . europäischen Dimension“ im Unterricht, wie sie Europarat und EG-Kommission angeregt haben (s. u.), gewährleistet werden. Dafür kommen im Grunde alle Schulfächer und sonstige schulische Aktivitäten in Frage Was meint der Begriff „europäische Dimension“ konkret, worauf bezieht er sich? Die Festlegung seines Inhalts und Umfangs beginnt mit dem ungelösten Definitionsproblem in Sachen „Europa“ Die „europäische Dimension" sollte eine politisch entwicklungsoffene wie eine historische und geographische Dimension haben. Die Frage stellt sich, ob es sich dabei um die für ein europäisches Bewußtsein oder eine europäische Identität konstituierenden Grundlagen handelt oder ob es um ein international-konsensuales Set von Grundkenntnissen und -einsichten über/in den europäischen Einigungsvorgang geht. Das Ganze ist ein ungelöstes Forschungsproblem. Diese Abhandlung geht davon aus, daß, wie immer man die „europäische Dimension“ definieren mag, sie u. a. im Schulunterricht an konkreten Inhalten festgemacht werden muß. Dabei vollzieht sie im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen aus mehreren Ländern einen Perspektiven-und Paradigmawechsel von der kulturellen zur politischen Dimension. Daher legitimiert sich ein erster wichtiger Schritt in der Herausstellung und Akzentuierung vorhandener sowie desiderater inhaltlicher Gegenstände und Ziele, die die europäische Integration (s. u.) betreffen.
Der politischen Sozialisation verhilft die europäische Dimension zu einer zusätzlichen Perspektive. Sie erfordert, daß beizeiten Basisloyalitäten gegenüber den übernationalen Institutionen in Gestalt von neuen Solidaritäten, Werten und Normen und Orientierungen gegenüber supranationalen Organisationen und Autoritäten größere Chancen im politischen Lernprozeß erhalten. Dies kann am besten über eine subsystemische, persönliche Betroffenheit erreicht werden, z. B. Arbeitskämpfe in multinationalen Konzernen, Bürgerinitiativen in grenzüberschreitenden Fragen, die Gastarbeiter und die freie Arbeitsplatzwahl, die Nichtgewährung der Menschenrechte, europäische Gemeinschaftsprojekte in Sachen Umweltschutz, die gegenseitige Anerkennung der Diplome, die Lehrlingsausbildung in Europa usw. 1. Der KMK-Beschluß „Europa im Unterricht" Der KMK-Beschluß „Europa im Unterricht" vom 8. Juni 1978 ist, trotz aller Kritik im einzelneninsofern für die Schulen bedeutsam geworden, als eine zunehmende Repräsentanz der europäischen Thematik in Schulbüchern und Curricula Juni 1978 ist, trotz aller Kritik im einzelnen , insofern für die Schulen bedeutsam geworden, als eine zunehmende Repräsentanz der europäischen Thematik in Schulbüchern 6) und Curricula 7) zu beobachten ist und die lange Zeit vorherrschende Distanz offensichtlich abgebaut wird. So hat z. B.der Deutsche Philologenverband vom 22. bis 24. März 1979 mit großer öffentlicher Resonanz seinen — inhaltlich stark auf Fremdsprachen und Kulturgeschichte zentrierten — Aachener Europakongreß abgehalten . Die im KMK-Beschluß als gemeinsames Minimum aller Bundesländer angeführten Lernziele lauten:
„— die Bereitschaft zur Verständigung, zum Abbau von Vorurteilen und zur Anerkennung des Gemeinsamen unter gleichzeitiger Bejahung der europäischen Vielfalt;
— die Entwicklung europäischer Rechtsbindungen im Rahmen der Grundsätze und Ziele der Europäischen Menschenrechtskonvention und Sozialcharta;
• — die Sicht des nachbarschaftlichen Miteinanders und die Bereitschaft Kompromisse bei der Verwirklichung der unterschiedlichen Interessen in Europa einzugehen;
— die Verwirklichung der Menschenrechte, erstrebenswerte Chancengerechtigkeit sowie wirtschaftliche, soziale und rechtliche Sicherheit und die Freizügigkeit;
— die Wahrung des Friedens in Europa und in der Welt."
All dies soll auf folgender inhaltlicher Grundlage geschehen:
„Es ist notwendig, daß die Schulen Kenntnisse und Einsichten vermitteln über — die Besonderheit und die Vielfalt des europäischen Raumes;
— die prägenden geschichtlichen Kräfte in Europa;
— die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen in Europa;
— die Entwicklung des europäischen Rechts-, Staats-und Freiheitsdenkens;
— die Entwicklungen im Sinne der Neuordnung und der Integrationsbestrebungen nach 1945;
— die Bedeutung gemeinsamen Handelns und überregionaler Institutionen zur Lösung wirtschaftlicher, sozialer und politischer Probleme; — die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs in Europa;
— die Bedeutung der Zusammenarbeit der Europäischen Gemeinschaft;
— die Bedeutung der Zusammenarbeit der der Europäischen Staaten Gemeinschaft mit anderen Staaten der Welt;
— die Wertvorstellungen und Interessen, die den Entscheidungen in Europa zugrunde liegen."
Die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten haben die Kultusminister in ihrer „Entschließung zur Europapolitik" auf ihrer Sitzung am 21. /22. 4. 1983 im Hinblick auf das Stuttgarter Treffen des Europäischen Rats im Mai 1983 u. a. wie folgt bekräftigt:
„Wegen der mangelnden Bewegung in der Europapolitik ist ein den europäischen Gedanken betonender und verstärkender Unterricht an den Schulen zur Zeit in seiner Glaubwürdigkeit auf die Probe gestellt Solange die europäischen Regierungen nicht engere Zusammenarbeit und größere Wirksamkeit der Europäischen Gemeinschaft erreichen, ist auch den Jugendlichen die Bedeutung des europäischen Gedankens nur schwer klarzumachen (. . .).
Doch aus dem Unterricht über die Geschichte, die Entwicklungen, Integrationsbestrebungen, Interessengegensätze und Formen der Zusammenarbeit kann ein europäisches Bewußtsein nur erwachsen, wenn Politik für Europa verwirklicht wird (.. 2. Veranstaltungen und Proklamationen des Europarats zur Klärung der „europäischen Dimension“
Der Europarat, der infolge seiner ausschließlich konsultativen Funktion keine Entscheidungsbefugnisse besitzt und es insofern leichter als die EG-Organe hat, als seine Beschlüsse nur Empfehlungen an die heute 21 Mitgliedstaaten darstellen, hat sich frühzeitig und immer wieder in Empfehlungen und zahl-reichen Studien mit der europäischen Verständigung befaßt (vgl. die Europäische Kulturkonvention von 1954). Allerdings ist er im Hinblick auf politische Aussagen sehr zurückhaltend, wie nicht zuletzt die Themenliste des von jährlich ihm veranstalteten Europäischen Schulwettbewerbs ausweist.
Die Erziehungsminister des Europarats haben bereits 1964 eine Resolution über „Civics and European Education" verabschiedet, worin sie feststellen:
„Considering, finally, that education in democratic citizenship is a continuous process, which should not be confined to a single subject of the curriculum but should permeate the whole course of education both inside and outside the school (...).“
Die Lehrer werden u. a. darum gebeten: w.. to go beyond a purely static description of European institutions, by explaining their function in the light of the vital interdependence of the European peoples and of Europe's place in the world, and by attempting to bring out the dynamic aspects of the European Integration process and the concessions, indeed sacrifices, that it entails, and the political and cultural difficulties, even tensions, it may create (. 2).
Das Erziehungsministerkomitee des Europa-rats hat die Bewußtseinsbildung — in Fortführung seiner Resolution 64 (11) über „Civics and European Education“ — zum Gegenstand seiner Empfehlung Nr. R (83) 4 (, Awareness of Europe in Secondary Schools") gemacht. In einem Appendix werden Ziele und Inhalte wie folgt beschrieben:
„ 1. 3 All young Europeans should be helped to acquire: (I) a willingness and ability to preserve and promote democracy, human rights and fundamental freedoms; (II) the knowledge and skills needed to cope with life in an interdependent world, characterised by diversity and by constant and rapid change; (III) an understanding of their common cultural heritage, its contribution to other civilisations, and the debt which it owes to those civilisations; (IV) an awareness of the institutions and orga-nisations set up to promote European co-operation and a willingness to support their ideals and activities (...)
3. 1 In teaching about Europe, secondary schools should seek to give a full understanding of the following key concepts: (I) democracy, (III) interdependence and co-operation; (IV) human and cultural unity and diversity; (V) conflict and change."
Der Rat für kulturelle Kooperation (CCC) des Europarats hat diese Linie in einer Reihe von Konferenzen und Papieren bis heute weiter verfolgt
Die Problematik der europäischen Dimension im Schulunterricht und ihre Anbindung an die nationale Politik ist besonders deutlich geworden auf dem vom Europarat (CCC) veranstalteten, durchweg von Regierungsvertretern der 23 CCC-Mitgliedstaaten beschickten Symposion über Europa in den Curricula der weiterführenden Schulen in Neusiedl-am-See (Österreich) 1981 Wie von offiziellen Vertretern von 20 anwesenden, disparaten Mitgliedstaaten des Europarats nicht anders zu erwarten, wurde — zum wievielten Male auf einer internationalen Konferenz? — die Einheitlichkeit im (politi anwesenden, disparaten Mitgliedstaaten des Europarats nicht anders zu erwarten, wurde — zum wievielten Male auf einer internationalen Konferenz? — die Einheitlichkeit im (politisch unverbindlichen) kulturellen Erbe (Teachers „should try to im-part to their pupils a sense of the cultural identity of Europe ... 16) und ein Undefiniertes europäisches Bewußtsein beschworen. Und man ist überrascht, gleich danach vom Leiter der Schools Division beim Europarat u. a. zu* hören: . Programmes of teaching about Europe should not promote Eurocentric attitudes, but should seek to ensure that young Europeans have an awareness of global interdependence (...)" 17). Ebenso äußerten sich die Vertreter der World Confederation of Organisations of the Teaching Profession 18).
Der Hinweis auf die globale Interdependenz ist so nützlich wie selbstverständlich; unrealistisch ist jedoch die Furcht vor übertriebener Eurozentrizität 19), als gäbe es einen globalen Zugang, der nicht über Europa führt. Ferner weiß der Fachmann, daß ein „europäisches Bewußtsein" ein altes Desiderat ist, dessen Verwirklichung eine Zukunftsaufgabe darstellt, dessen Inhalte international nicht festgelegt sind. Die „europäische Dimension“ hat dagegen ein eigenes, wenn auch noch nicht inhaltlich genau festgelegtes Erziehungsziel (sie ist nicht mit der von der UNESCO angestrebten Erziehung zur internationalen Verständigung gleichzusetzen) 20).
Deshalb klingt es utopistisch, wenn an anderer Stelle des Konferenzberichts gleich auf den (politisch und juristisch nicht verifizierbaren) „Weltbürger" abgehoben wird. Dennoch sind die Aussagen der Arbeitsgruppen in ihren Nuancen interessant Während die Französisch sprechende Gruppe formuliert: „Europe is above all a cultural area (...) Recently, there has been a tendency for it to acquire a certain political identity, although the concept of Europe means more than just its present political institutions" und als Themen für eine interdisziplinäre schulische Behandlung nur Umweltverschmutzung, Bevölkerung(sentwicklung), Tourismus, Drogen aufzuführen weiß (was vom Berichterstatter David Peacock als positiv im Sinne des Europa-rats gewürdigt wird, indem diese Gruppe dafür plädierte, allen jungen Europäern sollte , X 1) an understanding of the common heritage shared by all Europeans; (2) an understanding of Contemporary European attempts at co-operation and Integration; (3) an understanding of Europe's past and present relations with the rest of the world" vermittelt werden _ ein verwirrendes Programm für die Länder von der Türkei über Zypern, Malta, EG bis nach Finnland—, nennt die zweisprachige (englisch-französische) Arbeitsgruppe (unter dem Vorsitz des Vertreters der Bundesrepublik) „certain specific European essentials", darunter w(I) to what extent does the subject (or topics within a subject) reflect diversity on a regional/national scale or uniformity and identity in Europe? (II) to what extent does the subject reflect typical European responses to challenges in specific fields, e. g. political Systems, religious and philosophical thought, scientific development? (III) to what extent do the notions and values of the subject reflect a European way of thinking? (IV) to what extent does the subject acknowledge the necessity of finding common European Solutions to overriding regional or global problems?"
In diesen dezidiert politischen Forderungen ist m. E. ein fruchtbarer Ansatz für eine Weiterentwicklung zu sehen. Diese wurde von der — nichtoffiziellen — Brighton Conference 1982 (s. u.) versucht. Im Jahre 1983 haben sich zwei oberste politische Gremien des Europarats u. a. mit Fragen der europäischen Dimension befaßt. Die Parlamentarische Versammlung formulierte in ihrer „Resolution 807 (1983) on European Cooperation in the field of ecudation" (19. Sitzung am 3. 10. 1983): «The Assembly, 4. Recognising the fundamental importance of education for the transmission of the values of democratic Western society and for the preparation of future citizens;
7. Wishing to see education play a more decicive role in developing in young people:
I. a sense of civic responsibility;
II. tolerance, such as intercultural understanding and rejection of political and other forms of violence;
III. appreciation of manual as well as intellec-
tual skills;
IV. recognition of equality between the sexes;
V. scientific and technical literacy, as well as a critical understanding of the media;
VI. cultural creativity."
Es ist nicht zu übersehen, daß die Festlegung auf die Werte der westlich-demokratischen Gesellschaften und die Verpflichtung zu staatsbürgerlicher Verantwortung nicht spezifiziert, dagegen in einen allgemeinen kulturellen Rahmen eingebettet werden Dies gilt auch für die „Resolution No. 2 on European Cooperation on education" (Doc. 5138) der Ständigen Konferenz der Europäischen Erziehungsminister, die sie auf ihrer (13.) Sitzung in Dublin (10. — 12. 5. 1983) verabschiedet haben. Danach ist eine beständige und intensivierte internationale Kooperation u. a. auf dem Gebiet der „education for democratic citizenship" (7. II) notwendig. In einem Diskussionspapier zu dieser Resolution wird ein Versuch zur inhaltlichen Klärung dieses Programmsatzes vorgenommen:
„The concept of , civic education', which was seldom given serious weight in the Curriculum, is being replaced by more general concepts now being advocated in the area of teaching about rights and responsibilities — social education, political education, and life skills’. These could cover many of the areas ..., such as personal development, interpersonal transactions, use of leisure, cultural values, rights and practical skills (e. g. health education and nutrition, road skills, typing, media education)."
Obwohl der Europarat (CCC) eine theoretisch orientierte edukative Politik entwickelt hat, ist die praktische Umsetzung gering geblieben, ist von den 21 disparaten Mitgliedstaaten (respektive 23 Mitgliedern des CCC) eine einheitliche sektorale Politik derzeit nicht zu erwarten. 3. Bemühungen der EG zur Formulierung einer „europäischen Dimension“
Die EG-Kommission — damals unter Federführung von Kommissar Ralf Dahrendorf — hat durch den von ihr in Auftrag gegebenen und publizierten sogenannten Janne-Bericht'„Für eine gemeinschaftliche Bildungspolitik“ (1973) auf die Notwendigkeit einer „in den Unterricht einzuführenden europäischen Dimension" hingewiesen: „Das Gefühl politischer, gesellschaftlicher und kultureller Zusammengehörigkeit kann sich bei den Europäern nicht mehr länger auf das eigene Land beschränken, wenn ein Teil der nationalstaatlichen Attribute auf die Gemeinschaft übergegangen sein wird: die an das Staatsgebiet gebundenen Befugnisse im Zuge des Grenzabbaus, die Entscheidungsbefugnisse durch Übertragung an supranationale Einrichtungen, die Rechtsprechung durch die Schaffung überstaatlicher Gerichtsbarkeiten, das Niederlassungsrecht durch seine Europäisierung usw. Kann man sich daher weiterhin der Erkenntnis verschließen, daß auch das Bildungswesen nach Möglichkeit eine europäische Dimension haben muß?
Hier sind wir auf zwei hemmende Faktoren gestoßen: — das traditionelle Festhalten am historischen Nationalbegriff; — die Furcht vor dem Entstehen eines europäischen Nationalismus, einer neuen . Großmacht-Ideologie'(...).
Auf Gemeinschaftsebene werden deshalb die nachstehenden Aktionen vorgeschlagen: — Bereicherung der Lehrstoffe durch eine hinreichend große Zahl von Beispielen (...) zur besseren Kenntnis Europas und der übrigen in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Völker (...). — Ersetzung rein ereignisbezogenen Geschichte durch das Studium der . großen Strömungen, der Entwicklung der Wissenschaften, der Techniken und der Arbeit, des Rechtswesens und seiner Institutionen, der Ernährung (einschließlich der Hungersnöte), des Gesundheitswesens und der Heilkunde (einschließlich der Volksseuchen), der Philosophie und der Religionen, der politischen Ideen, der Kultur und der Künste. — Benutzung des Erdkundeunterrichts zur Überwindung der nationalen Grenzen und zur Hervorhebung der Relativität der Unterschiede bzw.der Ähnlichkeit zwischen den einzelnen Menschengruppen; positive Einflüsse der Grenzbezirke.
— Einführung eines sprachkundlichen Unterrichts, durch den vorwiegend die gemeinsamen Strukturen der europäischen Sprachen hervorgehoben werden sollen.
— Behutsame und schrittweise Erziehung zu einem europäischen . Bürgersinn', der sich im wesentlichen auf die gemeinschaftlichen Praktiken und Einrichtungen, auf den Pluralismus und die Demokratie zu stützen haben wird“
Im EG-Aktionsprogramm im Bildungsbereich vom 9. Februar 1976 zielen die Bildungsminister u. a. darauf ab, w..der Erfahrung der Lehrkräfte und der Lernenden an Grundschulen und Sekundarschulen in der Gemeinschaft eine europäische Dimension zu verleihen". Zu diesem Zwecke „fördern und organisieren die Mitgliedstaaten (...) schulische Veranstaltungen europäischen Inhalts" und die „Zusammenarbeit auf Gemeinschaftsebene wird sich in diesen Bereichen unter Berücksichtigung der Tätigkeiten und Erfahrungen der Mitgliedstaaten entwickeln“ Von spürbarer Bedeutung für die Förderung internationaler didaktischer Studien wurde — nach einer vorausgegangenen Diskussion über eine europäische Gemeinschaftskunde im Europäischen Parlament am 14. März 1978 — die Mitteilung der EG-Kommission an den EG-Ministerrat „Unterricht mit europäischen Bildungsinhalten: Die Europäische Gemeinschaft als Unterrichtsgegenstand an den Schulen der Mitgliedstaaten“ vom 8. Juni 1978 (am 27. 6. 1980 von den EG-Bildungsministern beraten, aber infolge des Dissenses über die Zuständigkeit der Römischen Verträge für die Bildungspolitik nicht verabschiedet er__________ gänzt durch die Mitteilung der Kommission an den Rat über den „Sprachunterricht in der Gemeinschaft" vom 22. 6. 197827)). Nach einer ungewöhnlich deutlichen Kritik an der Situation des Unterrichts über Europa in den meisten EG-Ländern betreffen die wesentlichen Inhalte:
. Das Unterrichtsfach selbst sollte während der gesamten Schulzeit die folgenden drei Hauptbereiche umfassen:
9. a) Die Gemeinschaft in ihrem europäischen Zusammenhang: historische und politische Zusammenhänge, die zur Gründung der Gemeinschaft führten; Ziele der Gründer; die Rolle der Gemeinschaft im Verhältnis zu anderen Regierungsebenen (kommunal, regional, national); die Gemeinschaft als Rahmen für gemeinsame Aktionen, bei denen die menschlichen, kulturellen und nationalen Eigenheiten gewährt bleiben; Beziehungen zu anderen Ländern und Gebieten Europas. b) Tätigkeiten der Gemeinschaft; ihre Befugnisse und Entscheidungsmechanismen; institutioneile Entwicklungen (einschließlich Direktwahlen) und ihre Auswirkungen; wichtigste Leistungen und Probleme der Gemeinschaft; Auswirkungen auf das Leben ihrer Bürger; Probleme ihrer künftigen Entwicklung. c) Die Gemeinschaft in weltweitem Rahmen; Beziehungen zu den Supermächten, anderen * Industriestaaten und Entwicklungsländern; ihre Rolle in bezug auf die Vereinten Nationen und sonstige internationale Organisationen; Vergleich mit anderen regionalen Gruppierungen. 15. Ausgangspunkt für einen ernst zu nehmenden Versuch, die in diesem Zusammenhang anstehenden Fragen zu lösen, müßte nach Ansicht der Kommission eine gemeinsame Handlungsstrategie auf einzelstaatlicher und Gemeinschaftsebene sein.
16. Diese Strategie sollte hauptsächlich folgendes umfassen: a die systematische Förderung der Einbeziehung des Unterrichts über die Europäische Gemeinschaft in die Lehrpläne aller Schulen der Mitgliedstaaten; b) ein gemeinschaftliches Lehrplanentwicklungsprogramm, mit dem Ziel, für den Unterricht über die Europäische Gemeinschaft an den Schulen neue Methoden auszuarbeiten und sie in einer Reihe von Modellversuchen zu erproben;
c) Förderung und Entwicklung von Programmen für die Grund-und berufsbegleitende Lehrerbildung zur Vorbereitung auf den Unterricht über die Gemeinschaft in allen Mitgliedstaaten und Unterstützung der Arbeit der Lehrerbildungsanstalten, die sich auf diesem Gebiet spezialisieren;
d) Versorgung mit Hilfseinrichtungen und Lehr-und Lernmitteln, um Lehrer, die über die Gemeinschaft unterrichten, mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten;
e) Einbeziehung des Unterrichts über die Gemeinschaft als Bestandteil der vom Bildungsinformationsnetz der Gemeinschaft geleisteten Arbeit“
Das Europäische Parlament hat die institutionelle Notwendigkeit einer Erziehung zur europäischen Identität anerkannt Im „Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union" vom 14. Februar 1984 wird dem Bildungswesen und der Forschung u. a. die Aufgabe gestellt, „einen Rahmen zu schaffen, der den Bürgern zum Bewußtsein einer eigenen Identität der Union verhilft“ (Art 60)
Auffallend ist die mangelnde begriffliche Eingrenzung der Formel von der „europäischen Dimension“. Ihre Allgemeinheit hängt mit den verschiedenartigen integrationspolitischen Positionen der einzelnen Länder wie der supranationalen Organisationen zusammen. Immerhin enthält die „Feierliche Deklaration zur Europäischen Union“ der EG-Staats-und Regierungschefs (Gipfelkonferenz des Europäischen Rats in Stuttgart) vom 19. Juni 1983 in ihrem Abschnitt über die kulturelle Zu-sammenarbeit (3. 3) die Forderung nach ,, eine(r) Verbesserung der Kenntnisse über die anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und eine bessere Unterrichtung über die Geschichte und Kultur Europas im Hinblick auf die Förderung eines europäischen Bewußtseins“ -Neben den notwendigen landeskundlichen Kenntnissen wird hier das Europabewußtsein als (unpolitische) kulturell-historische Dimension postuliert.
III. Die multinationale Interpretation der „europäischen Dimension"
Eine Belastung für ein konsensuales Verständnis der „europäischen Dimension" bildet das unterschiedliche Interesse einiger EG-Staaten an der aktiven Vermittlung der europäischen Einigungsfrage im Unterricht, die im Extremfall des englischen Schulsystems vom lokalen Headmaster oder von der Einstellung der Elternschaft der Einzelschule bestimmt wird. Für manche Staaten bedeutet „europäisch“ nicht mehr und nicht weniger als das überkommene „international" Dem steht der dringende Wunsch anderer EG-Mitglieder sowie vieler nongouvernementaler Organisationen wie dem Europäischen Erzieher-bund und der Europäischen Bewegung gegenüber, eine (minimale) Vergleichbarkeit des europäischen Schulwesens und seiner Inhalte besonders im zentralen Bereich des core Curriculum herzustellen Dagegen ist es unverständlich, daß die World Confederation of Organisations of the Teaching Profession in ihrem Text über „European Studies“ den Unterricht auf reine Information der Schüler beschränkt sehen möchte und einigungspolitische Lernziele strikt ablehnt. Demgegenüber betonte die Kommission der Sozialistischen Lehrer, die einen Beraterstatus bei der Konföderation der Sozialistischen Parteien in der EG hat, im Mai 1980, daß die Probleme von Frieden und Sicherheit, Umwelt, Energie und Arbeitslosigkeit nur im europäischen Rahmen gelöst werden können. Auf Anregung dieser Kommission beteiligt sich das European Curriculum Network im Schuljahr 1984/85 an einem Curriculumprojekt „Europäische Dimension im Unterricht der S II".
Nicht zuletzt ist auf das englische Kuriosum des jeder theoretischen Grundlage entbehrenden Schul-und Universitätskurses „European Studies" zu verweisen, wobei es sich — etwa im Gegensatz zu den schottischen „Contemporary Social Studies" — um eine vorwiegend institutionenkundliche Beschäftigung („political literary") mit „Britain and Europe" oder Weltproblemen auf historischem und geographischem Hintergrund handelt Fremdsprachenkenntnisse werden nicht unbedingt verlangt. Der Kurs galt bisher als Ausweichmöglichkeit für weniger begabte Schüler und Studenten Eine entsprechende Analyse über „Europe and World Studies" in Großbritannien weist demgemäß nach, daß z. B. in den Prüfungspapieren verschiedener Prüfungsbehörden „Europa“ sehr weit gefaßt wird und sich vornehmlich auf Osteuropa konzentriert, während Westeuropa und die EG-Staaten nur lückenhaft prä-sent sind. Dagegen nehmen länderübergreifende Themen wie Menschenrechte, Frieden, Umwelt, „die Welt" einen breiten Raum ein
Die Diskrepanz zwischen der insulareuropäisch-britischen und der kontinentaleuropäischen — besonders der deutschen, belgischen und niederländischen — Auffassung von der „europäischen Dimension“ hat sich auf der von der EG-Kommission geförderten, vom London Schools Council und der European Schools Unit der Universität Sussex veranstalteten internationalen Konferenz über „European Dimensions in the 10— 16 Curriculum" vom 6. bis 10. Dezember 1982 in Brighton erneut gezeigt. Dies geht aus dem — international zwar nicht konsensfähigen, aber vieldiskutierten — unter starkem Einfluß des Verfassers zustande gekommenen Papier der Arbeitsgruppe I über die europäische Dimension in den Unterrichtsfächern und deren Curricula hervor. Es komme darauf an: „Aims:...
(a) to make pupils aware of the Strategie and political importance of Europe in the World, i. e. Europe has a significance and meaning in unity which it does not have as separate nation States;
(b) to make pupils more politically aware and informed so that they are ready, able and willing to make rational, as opposed to emotional decisions about the future of Europe through the democratic processes;
(d) to make pupils aware that the concept, or definition, of Europe is open-ended and problematic because it not only has a spatial but also a developmental dimension to it It is a continuing story of which they are a part, and pupils should thus be able to evaluate the different concepts and policies involved in European Integration; (...)
Objectives: ,..
(a) in the cognitive domain some examples might be that pupils should have a knowledge and understanding of: — the similarities and differences in European (I) languages; (II) environments; (III) historical backgrounds; (IV) socio-economic conditions; and (V) political and cultural traditions and present conditions. (b) In the affective domain pupils should be conscious of: (I) belonging to a Community that subscribes to the importance of similar values, e. g. truth, justice, human rights, peace and democracy etc; (II) a need to consider their own position in relation to such concepts and values."
Die politische Akzentuierung der europäischen Integration und Solidarität wurde nicht von allen Ländervertretern — aus allgemeinpolitischen Gründen und infolge eines unterschiedlichen Verständnisses von politischer Schulbildung — geteilt. Konsens herrschte über die dringende Notwendigkeit einer Zusammenarbeit zwischen den europäischen Staaten im Hinblick auf die Vorbereitung junger Menschen auf ihre künftige Rolle als erwachsene Bürger in Europa, nicht zuletzt als eine durch die Jugendarbeitslosigkeit bewirkte internationale Herausforderung. Danach sollen alle jungen Europäer eine Erziehung zu Europa erhalten. Sie sollen sich über die Interdependenz der Probleme in allen Staaten und schließlich unter der ganzen Menschheit bewußt werden. Bei der Konkretisierung solch allgemeiner Postulate wurden die nationalen Unterschiede wieder evident -1. Der Integrationsbegriff als Basiskonzept einer „europäischen Dimension"
Aus dem Gesagten empfiehlt sich der Integrationsbegriff als Basiskonzept; denn die Her-ausarbeitung der „europäischen Dimension“ soll letztlich die kenntnis-und bewußtseinsmäßigen Voraussetzungen für eine europäische Integration schaffen. Dem liegt die Annahme zugrunde, daß die zunehmende Interdependenz zwischen den europäischen Staaten und ihrer Rolle in der Welt eine politische Realität darstellt, die im Unterrichtsprogramm eine gebührende Beachtung finden sollte. In einem problemlösenden Verfahren sollen sich die unterrichtlichen Bemühungen u. a. darauf richten, — die engen Verflechtungen der Volkswirtschaften innerhalb des europäischen Systems transparent zu machen; — den Grad der Einbindung des Individuums in die europäische Integration sichtbar zu machen; — die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Prozesse in Westeuropa vom Standpunkt europäischer Einigung rational erkennbar zu machen; — die Europäische Gemeinschaft als ein Entscheidungssystem klarzumachen, das der Information, Kontrolle und Partizipation seiner Bürger (z. B. bei einer Direktwahl) bedarf; — die Bürger auf spezifische Formen der europäischen Einigung vorzübereiten und sie auf eine längerfristige Entwicklung, z. B. zur Europäischen Union hin, zu orientieren „Integration“ wird — in der Nachfolge der Staatsrechtler Smend und Heller — so zum Schlüsselbegriff für politische, ökonomische, soziale usw. Verständigung, Zusammenarbeit, Verflechtung und Vereinigung zwischen Staaten. Sie wird anhand von theoretischen Konzepten zu fixieren versucht, die teilweise mit realen europolitischen Bemühungen parallel laufen. Letztlich handelt es sich um die Zusammenführung von nationalen Politikbereichen in supranationale, mit übernationalen Befugnissen ausgestattete organisatorische Strukturen einer bisher noch nicht bekannten und erprobten Qualität unter der Herrschaft des internationalen Rechts. Integration zwisehen Staaten hängt davon ab, ob ein wirksamer Interessenausgleich herbeigeführt werden kann, ob die Staaten bereit sind, Souveränitätsrechte aufzugeben. Fortschritte beruhen auf dem Konsens der nationalen Regierungen, Parlamente und Parteien, in ihrem Willen zur internationalen und intergouvernementalen Kooperation oder Koordination. Solange jedoch der Nationalstaat alleiniges Orientierungsfeld und Legitimationsbasis für politisches Handeln von Bevölkerung und Regierung ist, ist die Durchsetzung integrationspolitischer Ziele und Maßnahmen schwierig.
Darüber hinaus wird in der EG wieder mehr die abgestufte und die differenzierte Integration diskutiert. Sie würde integrationstechnisch zwischen reichen, integrationsgeeigneten Ländern und armen, weniger geeigneten Ländern unterscheiden und letztlich zu einem Kerneuropa mit einigen Annexen führen. Ein stabiles Gleichgewicht ist jedoch nur in einem Rahmen der Gleichberechtigung zu erreichen. Dazu sind politische Organe der gemeinsamen Willens-und Entscheidungsbildung sowie ein unverzichtbares Maß an gemeinsamen (Grund-) überzeugungen notwendig. 2. Der international-politische Ansatz der Lernziele Im Sinne des angedeuteten international-politischen Ansatzes sollte die europäische Einigungsthematik als weitere allgemeine Lernziele beachten: — das Erkennen der globalen Interdependenz der Staaten als wesentliches Merkmal internationaler Politik, unter Berücksichtigung des Dualismus von wechselseitiger Abhängigkeit einerseits und dem Beharren auf nationalstaatlichen Essentials andererseits. Solidarität und Kooperation sollen als neue Elemente und Grunderfordernisse einer künftigen Staatenordnung erkannt werden; — die Fähigkeit, die Interessenlage der Einzelstaaten und der Staatengemeinschaft zu analysieren und zu bewerten; — die Fähigkeit zur Analyse und Bewertung der politischen, ökonomischen und sozialen Komponenten der europäischen Integrationspolitik; _ die Fähigkeit zum Erkennen und Beschreiben von Funktionsschwächen der europäischen Einzelstaaten wie des Systems der europäischen Integration; — die Fähigkeit, die wichtigsten Zielkonflikte zu beschreiben und Prioritäten bei ihrer Lösung zu begründen, z. B.den Zielkonflikt zwischen dem politischen Interesse der Bürger an einem Höchstmaß an demokratischer Mitbestimmung und dem Ziel der politischen Integration; — die Fähigkeit und Bereitschaft, das Problem der Zukunft der europäischen Einigung auch aus der Perspektive der europäischen Nachbarländer zu betrachten, auch solchen, die nicht aktiv daran teilnehmen (können).
Dazu gehört a) im kognitiven Bereich die Kenntnis und das Verständnis der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Europa in den Sprachen, der Umwelt, dem historischen Hintergrund, den sozio-ökonomischen Bedingungen, den politischen und kulturellen Traditionen und den gegenwärtigen Verhältnissen; b) im affektiven Bereich das Bewußtsein der Zugehörigkeit zu einer größeren (Staaten-) Gemeinschaft mit einem ähnlichen Wertsystem von Wahrheit, Gerechtigkeit, Menschenrechten, Frieden, Demokratie usw. Systematisch betrachtet haben Wissenserwerb und Bewußtseinsbildung ihren legitimen Ort vor allem im Schulunterricht (ferner in der außerschulischen Jugendarbeit und in der Erwachsenenbildung
Dieser Tatsache wird von den meisten westeuropäischen Staaten insoweit Rechnung getragen, als sie die Inhalte und Strukturen ihres Schul-und Bildungswesens generell auf internationale Kooperation und Verständigung ausgerichtet haben Auf die (internationalen) didaktischen Probleme kann hier nicht eingegangen werden
Generell sollen gemeinsame Denkstrukturen zu internationalen und interkulturellen Themen mit Hilfe der kategorialen Analyse entwickelt und nationale Wahrnehmungsmuster relativiert werden. Die dazugehörigen Fragen zielen auf eine multinationale Beantwortung. Was denken z. B. Franzosen, Griechen, Belgier über die Erweiterung der Rechte des Europäischen Parlaments, über die Europäische Union usw.? Das pädagogische Ziel besteht in der Erziehung zum „Bürger in der Gemeinschaft" (KMK-Beschluß 1978, s. o.) dessen nationale Identitäten und Loyalitäten inhaltlich und verhaltensmäßig um eine europäische Komponente erweitert werden sollen. Hier stoßen wir — in multinationaler Einschätzung — auf Grenzen; denn in manchen EG-Staaten (vor allem in Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland) ist — im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland, Italien und den Beneluxstaaten — eine solche Erziehung politisch nicht durchgängig erwünscht was sich an der defizitären Repräsentanz des Integrationsthemas in den Curricula, in den Schulbüchern und damit im Unterricht selbst belegen sowie an der Politik der betreffenden Regierungen ablesen läßt „Gemeinschaftlichkeit" wird als Unterrichts-und Verhaltensziel nicht ausgewiesen, eher noch das „europäische Bewußtsein" (vgl. Erziehungsminister des Europarats, Empfehlung Nr. R (83) 4, s. o.) im Sinne rationaler Beschäftigung mit der je eigenen nationalen Situation im europäischen Kontext Infolgedessen ist länderspezifisch zu unterscheiden zwischen einer Bildung über Europa (als Teil des tradierten klassischen Bildungskanons besonders der weiterführenden Schulen), einer Bildung in Europa (unter Betonung der nationalstaatlichen Geschichte im europäischen Zusammenhang) und schließlich einer Bildung für Europa (Erweiterung nationaler Strukturen durch ein europäisches Bewußtsein und eine europäische Identität) Zu ergänzen wäre die Bildung durch Europa (instrumentell-pragmatisch durch Reisen, Austausch, Schul-und Städtepartnerschaften, Beschäftigung mit aktuellem ausländischen Material wie Zeitungen, Prospekten, Besuch von Familien, Ausstellungen, Vorträgen usw.).
IV. Schlußbemerkung
Ein Programm zur Verwirklichung der „europäischen Dimension“ im Unterricht sollte die aktiv-partizipatorische Integration der Jugend in die europäische Politik zum Ziele haben. Dies ist ein aus der Tatsache, daß vor allem die EG sich als ein regionales und global-interdependentes System (teil-) etabliert hat, resultierendes unerläßliches Desiderat Es handelt sich generell um das Problem der (defizitären) kommunitären Mitentscheidungsrechte der Bürger in Europa. Ihnen müßte eine dezidierte, westeuropäisch verbindliche Konzeption des angestrebten Europa-Modells vorausgehen; die Staaten müßten zur tatsächlichen Kooperation und Koordination im schulisch-curricularen Bereich bereit sein. Bisher umfaßten ihre Aktivitäten vornehmlich (stets wiederholte) Absichtserklärungen, begnügten sie sich mit Expertisen, Analysen, Tagungen und Resolutionen. Nach jahrzehntelangen Diskussionen wären konkrete übernationale Vereinbarungen über gemeinsam interessierende Lerninhalte — z. B. über das Europa der Zukunft und die Rolle der Einzelstaaten — erforderlich. Dazu gehört die Ausdifferenzierung des Begriffs der „europäischen Dimension" in supranational-konvergierender Perspektive. Die in dieser Arbeit vorgenommene Analyse der einschlägigen (rechtlich unverbindlichen) internationalen bildungspolitischen Dokumente hat die Unterschiede in den Auffassungen offengelegt. Es ist zu bezweifeln, ob auf dem eingeschlagenen Wege gelegentlicher Ministerkonferenzen überhaupt nennenswerte Erfolge erzielt werden können. Hier wie anderswo bedarf es einer dezidierten, institutionalisierten gemeineuropäischen (Bildungs-) Politik 53)
Der die „europäische Dimension" berücksichtigende Lernprozeß sollte — idealiter — den Schüler zu folgenden fundamentalen Einsichten führen: 1. Es gibt keine Alternative zu einem vereinigten Europa. 2. Ein vereinigtes Westeuropa, dessen endgültige Struktur niemand kennt, kann nur das Ergebnis einer langen historischen und politischen Entwicklung sein.
3. Um dieses Ziel zu erreichen, ist das Engagement aller Bürger und politischen Amtsträger erforderlich. 4. Herausragende Aufgaben politischer Erziehung zu Europa sind folgende:
a) der Erwerb von Kenntnissen und Einsichten über/in die europäische Integrationspolitik; b) die Bildung eines gemeinsamen europäischen Bewußtseins;
c) die (antizipative) Motivierung zum persönlichen Einsatz für die europäische Einheit.