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Die Deutsche Wirtschaftskommission in der SBZ 1947-1949. Ihre Rolle bei der Herausbildung der Wirtschaftsund Staatsorganisation | APuZ 37/1984 | bpb.de

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APuZ 37/1984 Artikel 1 Blockpolitik und Parteiensystem in der SBZ/DDR 1945-1950 Volksdemokratie für Deutschland?. KPD und SED zwischen gesamtdeutscher Option und „sozialistischem Lager" 1945— 1950 Die Deutsche Wirtschaftskommission in der SBZ 1947-1949. Ihre Rolle bei der Herausbildung der Wirtschaftsund Staatsorganisation Der Frankfurter Wirtschaftsrat 1947— 1949 Weichenstellungen für das politische Kräftefeld und die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland

Die Deutsche Wirtschaftskommission in der SBZ 1947-1949. Ihre Rolle bei der Herausbildung der Wirtschaftsund Staatsorganisation

Bernd Niedbalski

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Zusammenfassung

In der sowjetischen Besatzungszone wurde auf Anweisung der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) einerseits frühzeitig mit dem Aufbau zentraler deutscher Verwaltungen begonnen, andererseits aber aus Rücksicht auf die in ihrer Tendenz noch nicht absehbare deutschlandpolitische Entwicklung die Umgestaltung der Zentralverwaltungen und der Deutschen Wirtschaftskommission zu effektiv arbeitenden Staatsorganen bis Ende 1947 eher hinhaltend gehandhabt Ab Anfang 1948 vollzogen die sowjetische Militäradministration und die SED angesichts des sich ständig verschärfenden Ost-West-Konflikts mit der Umorganisierung und Erweiterung der DWK eine deutliche Schwenkung. Von nun an verlagerte sich mit der Durchsetzung des Prinzips des „Demokratischen Zentralismus“ das Schwergewicht beim weiteren Ausbau der wirtschaftsleitenden und sonstigen Staatsorgane von der lokalen und föderalen auf die zentrale Ebene. Beim Übergang zur zentralen Planwirtschaft wurde durch die wirtschaftsorganisatorischen Maßnahmen der DWK im Rahmen der Durchführung des Zweijahrplans eine gewisse kontinuierliche Entwicklung der Wirtschaftspolitik über die Zäsur der Staats-gründung hinaus gewährleistet In der SBZ/DDR bildete sich in den Jahren 1948 bis 1950 eine selbständige Volkswirtschaft heraus. Im gesamten Staatsapparat der SBZ/DDR war durch die mehrjährige zielstrebige Kaderarbeit und Personalpolitik der SED beim Übergang von der DWK zur provisorischen Regierung ein hohes Maß an personeller und institutioneller Kontinuität erreicht sowie in allen Schlüsselpositionen die Hegemonie der SED ausgebaut und gefestigt worden.

I. Entstehung und Aufgaben oberster deutscher Behörden — Zentralverwaltungen und DWK

In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wurden durch die sowjetische Besatzungsmacht bereits kurze Zeit nach der bedingungslosen Kapitulation vom 7. /8. Mai 1945 und unmittelbar nach der Konstituierung des Alliierten Kontrollrates für Deutschland (AKR) 5. Juni 1945 entscheidende Weichenstellungen für die spätere politische Entwicklung getroffen. Nachdem sich die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) am 9. Juni ihrem Befehl Nr. gegründet hatte, wurde bereits einen Tag später Nr. im SMAD-Befehl die Bildung antifaschistisch-demokratischer Parteien und Gewerkschaften angeordnet, so daß sich noch vor Beginn der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 7. August 1945) die Gründungsvorstände von KPD, SPD, CDU und LDP in Berlin im . Antifaschistischen Block“ zusammenschließen konnten. Auf die weitere Entwicklung der Parteien, vor allem auf die Gründung der SED, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden; hierzu sei auf die entsprechenden Beiträge von Manfred Koch und Werner Müller in dieser Ausgabe verwiesen. 1. Gründung von Zentralverwaltungen Ebenso wie die Gründung politischer Parteien forcierte die SMAD den Aufbau deutscher Zentralverwaltungen in ihrer Zone. Ehe sich die Kriegsalliierten in ihrer Verlautbarung über die Dreimächtekonferenz („Potsdamer Abkommen") vom 2. August 1945 auf die baldige Errichtung von zentralen deutschen Verwaltungen für Finanzen, Transport, Verkehr, Außenhandel und Industrie einigen konnten, hatte die SMAD am 27. Juli mit dem Befehl Nr. 17 die Bildung von Zentralverwaltungen in der SBZ angeordnet 1). Die vorgesehenen fünf gesamtdeutschen Zentralverwaltungen sollten mit Staatssekretären an der Spitze unter Leitung des AKR ihre Tätigkeit aufnehmen 2); wegen der Uneinigkeit der Alliierten in den deutschlandpolitischen Fragen kam es bekanntlich niemals dazu.

In der sowjetischen Zone hingegen wurden im Sommer 1945 die folgenden elf deutschen für Verkehrswesen, Zentralverwaltungen Post-und Fernmeldewesen, Brennstoffe und Energie, Handel und Versorgung, Industrie, Land-und Forstwirtschaft, Finanzen, Arbeit und Sozialfürsorge, Gesundheitswesen, Volksbildung und Justiz gebildet Bis zum Herbst 1945 kamen die Zentralverwaltungen für Statistik und für deutsche Umsiedler hinzu. Die Deutsche Verwaltung des Innern wurde Ende Juli 1946 gegründet; vom März 1946 bis April 1948 existierte außerdem die „Deutsche Zentralkommission für Beschlagnahme und Sequestrierung“ mit dem Status einer Zentralverwaltung Diese Zentralkommission spielte gemeinsam mit den entsprechenden Kommissionen in den fünf Ländern der Sowjetzone eine wesentliche Rolle bei den Enteignungen im Zusammenhang mit dem Volksentscheid in Sachsen Ende Juni 1946 und damit bei der Herausbildung des staatlichen Sektors in der Wirtschaft Die Organisationsstruktur der Zentralverwaltungen folgte weitgehend dem Aufbau der SMAD. Parallel zu deren Dienststellen wurden in fast allen nichtmilitärischen Bereichen entsprechende deutsche oberste Behörden geschaffen, wobei die sowjetischen Verwaltungen ihr jeweiliges deutsches Pendant anleiteten und kontrollierten. Auf diese Weise konnte sich die Besatzungsmacht in hohem Maße auf deutsche Spezialisten stützen, ohne daß diese direkten Einblick in die Militärverwaltung erlangen oder gar entscheidenden Einfluß gewinnen konnten. In der Periode bis zur Umorganisierung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) Anfang 1948 hatten die Zentralverwaltungen im wesentlichen die Aufgaben, beratende Organe der SMAD zu sein sowie deren personal-und kaderpolitische Zielsetzungen beim Aufbau zentraler deutscher Behörden durchzusetzen.

Zentralverwaltungen wie die für Post-und Fernmeldewesen, Verkehrswesen und Statistik wuchsen sehr bald über die Rolle von Hilfsorganen der SMAD hinaus und nahmen faktisch Funktionen ehemaliger Reichsministerien bzw. oberster Reichsbehörden für das Gebiet der SBZ wahr. In diesen drei Zentral-verwaltungen war in der unmittelbaren Nachkriegszeit trotz der umfassenden Entnazifizierungsmaßnahmen in der Sowjetzone deshalb auch eine außergewöhnlich hohe personelle Kontinuität zu verzeichnen. Was die Rolle einiger Zentralverwaltungen als oberste Behörde anbelangt, gilt ähnliches auch für die wirtschaftspolitisch relevanten Ressorts. So war die Deutsche Verwaltung für Land-und Forstwirtschaft von 1945 an quasi als ein leitendes zentrales staatliches Organ für die Durchführung der Bodenreform in der gesamten SBZ zuständig. Da die meisten überregionalen wirtschaftlichen Verbindungen innerhalb des ehemaligen Reichsgebietes ab 1945 abgerissen waren, litt die weitgehend auf sich gestellte Wirtschaft in der Sowjetzone von Anfang an vor allem unter dem Mangel an Rohstoffen und unter dem Fehlen einer schwerindustriellen Basis. Wegen gänzlich unzureichender Steinkohlelager mußte die Energiewirtschaft auf Braunkohle umgestellt werden. Die damit notwendig werdende zentrale Lenkung der Produktion und Verteilung von Kohle lag in Händen der Deutschen Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie, die ebenfalls sehr bald den Status einer obersten Behörde erreichte. Schließlich nahm die Deutsche Zentralverwaltung der Industrie seit Ende 1945 für die Lenkung, Planung und Verteilung der Industrieproduktion wichtige zentrale Koordinationsfunktionen wahr.

Zusammenfassend läßt sich festhalten: Die in den Jahren 1945/46 gegründeten 14 Zentral-verwaltungen in der SBZ waren politisch wie wirtschaftlich von sehr unterschiedlicher Bedeutung. Eine gemeinsame Leitung aller Verwaltungen gab es nicht; es handelte sich vielmehr um ein weitgehend unkoordiniertes Nebeneinander einzelner Geschäftsbereiche, deren Tätigkeit aber bis zu einem gewissen Grad durch den zentralen Apparat der Sowjetischen Militäradministration aufeinander abgestimmt wurde. Zwischen den einzelnen Zentralverwaltungen ergaben sich deshalb oft Kompetenzschwierigkeiten; Doppel-oder Mehrfacharbeit war an der Tagesordnung. Die Gesetzgebungskompetenz lag bis Anfang 1948 ausschließlich bei der SMAD und bei den Ländern. Dennoch nahmen einzelne Zentralverwaltungen indirekt Einfluß auf die Gesetzgebung, wenn sie zur Vorbereitung von SMAD-Befehlen oder Ländergesetzen im Auftrag der Militäradministration (und im zunehmenden Maße auch des Parteivorstands der SED) Expertisen oder Entwürfe ausarbeiteten. 2. Gründung der DWK Die Gründung der DWK war ein zum Teil von heftigen politischen Auseinandersetzungen gekennzeichneter Balanceakt, wobei erstens zwischen dem Parteivorstand der SED und der SMAD, zweitens der SED und den beiden bürgerlichen Parteien CDU und LDP sowie drittens zwischen der SMAD und der SED einerseits und den Ländern andererseits ein halbwegs tragfähiger Kompromiß gefunden werden mußte. Dieser Kompromiß kam im wesentlichen dadurch zustande, daß die SMAD — hauptsächlich aus deutschlandpolitischen Rücksichten gegenüber ihren Alliierten im AKR — das Drängen der SED-Leitung auf beschleunigten Aufbau einer mit umfassenden Kompetenzen ausgestatteten zentralen Wirtschaftsbehörde zügelte und schließlich die SED sich mit einem taktisch ausgewogeneren schrittweisen Vorgehen begnügen mußte Diese Auseinandersetzungen im einzelnen nachzuzeichnen, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Es sollte lediglich gezeigt werden, daß die mit dem SMAD-Befehl Nr. 183 vom 4. Juni 1947 veranlaßte Gründung der Deutschen Wirtschaftskommission auch das Ergebnis monatelanger kontroverser Diskussionen und politischer Auseinandersetzungen war. Hierbei traten die Vertreter der Länder, vor allem die aus Thüringen, sowie die der beiden bürgerlichen Parteien im wesentlichen für einen anzustrebenden föderativen Staatsaufbau ein und stellten die Frage nach der Legitimität eines Gremiums wie der DWK in den Mittelpunkt der Diskussion. Die SED hingegen trat für das Prinzip des Demokratischen Zentralismus beim Staatsaufbau und in der Wirtschaftsleitung ein. Die Gründung der DWK wurde — ebenfalls aus deutschlandpolitischem Kalkül — wegen der vom bis 9. Juni 1947 in München tagenden Ministerpräsidenten-Konferenz erst vom 14. Juni an in der Presse bekanntgegeben. Am 11. Juni war die DWK aber bereits zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten, auf der u. a. das gravierende Problem der Kohleversorgung auf der Tagesordnung stand. 3. Aufbau der DWK Als Kern der DWK wurden die fünf Zentral-verwaltungen für Industrie, Brennstoffe und Energie, Handel und Versorgung, Land-und Forstwirtschaft sowie Verkehrswesen zusammengeschlossen; Ende Juli 1947 kam die neu gebildete Deutsche Verwaltung für Interzonen- und Außenhandel hinzu. Allerdings blieben diese Ressorts als selbständige Verwaltungen bestehen; die sechs Präsidenten dieser Zentralverwaltungen bildeten lediglich gemeinsam mit den Vorsitzenden des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und der Vereinigung der gegenseitigen Bauern-hilfe (VdgB) eine ständige Wirtschaftskommission — die DWK. Dieses Gremium tagte zwischen Juni und November 1947 neunmal; an den Sitzungen nahmen entsprechend der jeweiligen Tagesordnung auch Vertreter weiterer Zentralverwaltungen teil. Im Mittelpunkt der Beratungen standen überwiegend wirtschaftspolitische Themen und Versorgungsprobleme. Die DWK war somit bis zu ihrem Ausbau im Frühjahr 1948 nicht viel mehr als ein Gremium mit beratenden und koordinierenden Funktionen, dessen Kompetenzen kaum über die der bis dahin völlig unabhängig voneinander operierenden Zentralverwaltungen hinausgingen.

Das eigentliche „Arbeitsorgan" war die mit der Gründung der DWK gleichzeitig gebildete Abteilung für Wirtschaftsfragen" bzw. »Wirtschaftsabteilung'1. Diese Abteilung setzte sich im wesentlichen aus den Mitarbeitern der seit 1946 beim ZK der KPD bzw. beim Parteivorstand der SED unter Leitung von Bruno Leuschner existierenden Abteilung für Wirt-schaftspolitik" zusammen, die nun vom zentralen Parteiapparat in den im Aufbau befindlichen zentralen Staatsapparat übergeleitet worden war. Mit der Gründung der Wirtschaftsabteilung der DWK war auf der zentralen deutschen Behördenebene das Pendant zur Abteilung Planökonomie in der SMAD geschaffen worden. Die Wirtschaftsabteilung verblieb unter der Leitung von Leuschner und wurde nach der Umorganisierung der DWK im Frühjahr 1948 zur Hauptverwaltung Wirtschaftsplanung; mit der Gründung der DDR im Oktober 1949 ging sie im Ministerium für Planung auf, an dessen Stelle Ende 1950 die Staatliche Plankommission trat 6). Am organisatorischen Aufbau der Wirtschaftsabteilung zeichnete sich bereits die endgültige Struktur der DWK nach deren Umorganisierung ab: An der Spitze der Abteilung für Wirtschaftsfragen stand ein „Präsidium“, das wahrscheinlich aus dem Leiter der Abteilung, Bruno Leuschner, und dessen Stellvertreter bestand. Das Tätigkeitsfeld der Abteilung war in die „Sektoren" Grundsatzverwaltung, operative Planung, Bewirtschaftung und Verteilung, Kontrolle sowie allgemeine Verwaltung und Personalfragen aufgeteilt Dieser recht weit gefächerte Zuständigkeitsbereich darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Arbeit der DWK und ihrer Wirtschaftsabteilung recht uneffektiv blieb, weil deren Beschlüsse noch kein bindendes Recht waren. Um so höher ist die personal-und kaderpolitische Bedeutung der DWK und vor allem die ihrer Wirtschaftsabteilung einzuschätzen. Auf die personelle Kontinuität von der Abteilung für Wirtschaftspolitik beim Parteivorstand der SED bis hin zur Staatlichen Plankommission der DDR ist in diesem Zusammenhang schon hingewiesen worden. Die führende Rolle der SED in den politisch und ökonomisch relevanten Gremien spiegelt sich aber auch in den folgenden Zahlen wider: Ende 1947 hatte die DWK einen Personalbestand von 130 Mitarbeitern, wovon allein über 100 der Wirtschaftsabteilung angehörten. Knapp 70% aller Mitarbeiter waren SED-Mitglieder. Zu diesem Mitarbeiterstab zählten nicht die Angehörigen der sechs in der DWK zusammengefaßten Zentralverwaltungen; hier hatte allein die Deutsche Zentralverwaltung der Industrie im August 1947 678 Mitarbeiter, von denen wiederum die Hälfte der SED angehörte

II. Erweiterung, Struktur und Kompetenzen der DWK 1948/49

Auf ihrem II. Parteitag (20. — 24. September 1947) hatte sich die SED endgültig für den Übergang zur zentralen Planwirtschaft entschieden. Hierfür galt es nun mit der Umorganisierung und Erweiterung der DWK den staatlichen Leitungsapparat aufzubauen und gleichzeitig durch die Neuordnung des staatlichen Wirtschaftssektors die Voraussetzungen für die zentrale Anleitung des größten und wichtigsten Teils der Staatsbetriebe zu schaffen. Die Gründe für den Übergang zur zentralen Planwirtschaft im Zeitraum zwischen 1947*und 1949 waren unterschiedlicher Art und können hier nicht voll entfaltet, sondern nur kurz skizziert werden. Nachdem in den Jahren 1945/46 in der SBZ zunächst die Ankurbelung der Wirtschaft trotz aller widriger Umstände recht erfolgreich begonnen hatte, kam es seit Anfang 1947 zur Stagnation und schließlich zu einem spürbaren Rückgang der Produktion. Die wesentlichsten — wenn auch nicht ausschließlichen — Ursachen hierfür waren die Erschöpfung nahezu sämtlicher Rohstoffreserven und die sich immer stärker negativ auswirkenden Folgen der Zerstörung des ehemaligen einheitlichen deutschen Wirtschaftskörpers, wodurch die Sowjetzone zunehmend zu einem disproportionierten Torso wurde Hinzu kam der hohe Grad der Demontagen und die Tatsache, daß die sowjetischen Reparationsansprüche ausschließlich aus der Industrieproduktion der SBZ befriedigt werden mußten. Schließlich hatte der in den Jahren 1947/48 immer schneller fortschreitende Prozeß der wirtschaftlichen und politischen Spaltung Deutschlands bis Mitte 1948 mit den separaten Währungsreformen, dem Ende der Arbeit des Alliierten Kontrollrats, der Berliner Blockade und dem Einfrieren des Interzonenhandels seinen ersten Höhepunkt erreicht Gesamtdeutsche Rücksichten — und wären sie auch nur taktischer Natur gewesen — brauchten deshalb angesichts des sich ständig verschärfenden Ost-West-Konflikts die sowjetische Militäradministration und die SED beim Aufbau zentraler Staatsorgane und beim Übergang zur zentralen Planwirtschaft immer weniger zu nehmen. Bis 1947 war in der SBZ im Rahmen umfangreicher Entnazifizierungsmaßnahmen — vor allem nach dem Volksentscheid in Sachsen — ein staatlicher Wirtschaftssektor entstanden, dessen Verwaltung zunächst Ländersache war. Die Leitung dieser „landeseigenen Betriebe" war in den fünf Ländern sehr unterschiedlich organisiert und im allgemeinen von geringer Effektivität, was vor allem auf den Mangel an (im Sinne der SED) politisch zuverlässigen und zugleich fachlich-befähigten Wirtschaftskadern zurückzuführen war. Den höchsten Anteil an landeseigenen Betrieben hatte das Industrieland Sachsen, wo unter der Leitung von Wirtschaftsminister Selbmann die staatliche Anleitung der Wirtschaft am besten organisiert war. Diesen staatlichen Wirtschaftssektor, der 1947 bereits 36, 8 v. H.der Industrieproduktion erstellte für die Rekonstruktion einer Friedenswirtschaft effektiver nutzen zu können, war der Kern aller Bemühungen beim Ausbau der DWK zu einem wirtschaftsleitenden Staatsorgan.

Der SMAD-Befehl Nr. 32 „über die Zusammensetzung und Vollmachten der Deutschen Wirtschaftskommission“ vom 12. Februar 1948 wurde gleichzeitig mit der Mitteilung, daß am selben Tag ein Treffen führender Vertreter der zentralen und der Länderverwaltungen der SMAD mit den Ministerpräsidenten und Wirtschaftsministern der fünf Länder der Sowjetzone stattgefunden hatte, in der Presse veröffentlicht, über den Beratungsgegenstand hieß es darin nur lakonisch, es hätte „ein Meinungsaustausch über aktuelle Fragen der politischen und wirtschaftlichen Lage“ stattgefunden Es darf unterstellt werden, daß tatsächlich die Umorganisierung der DWK und deren noch bevorstehende Ausstattung mit Gesetzgebungskompetenz erörtert worden ist; dies gilt um so mehr, als die damaligen Wirtschaftsminister von Brandenburg und Sachsen, Heinrich Rau (SED) und Fritz Selbmann (SED), der designierte Vorsitzende bzw. stellvertretende Vorsitzende der DWK waren. Die Umgestaltung und Kompetenzerweiterung der DWK ging sehr bald über die Bestimmungen des Befehls Nr. 32 hinaus; allerdings wurde lediglich die Verleihung des Rechts, für die gesamte Sowjetzone verbindliche „Verordnungen" durch das Plenum der DWK bzw. durch deren Sekreta-riat erlassen zu können, gesondert in einer offiziellen Mitteilung im Zentralverordnungsblatt veröffentlicht

Organisationsstruktur und Kompetenzen der Deutschen Wirtschaftskommission, die sich im Frühjahr 1948 herausbildeten und die — von wenigen Veränderungen abgesehen — bis zur Überleitung der DWK in die provisorische Regierung der DDR konstant blieben, lassen sich recht genau nachzeichnen. In den „Richtlinien“ — dem Statut der DWK — wurde zwischen vier Organen der Wirtschaftskommission, nämlich der Vollversammlung (Plenum), dem Sekretariat, den Hauptverwaltungen und der Zentralen Kontrollkommission (ZKK), unterschieden. Obwohl das Plenum laut Statut „das höchste deutsche Wirtschaftsorgan", in dem alle „grundsätzlichen Fragen" zu behandeln und zu beschließen waren sein sollte, verfügte tatsächlich nur das Sekretariat über umfassende legislative, exekutive und kontrollierende Befugnisse. Das Plenum umfaßte im Herbst 1948 36 Mitglieder; davon waren acht Mitglieder des Sekretariats, 17 Leiter von Hauptverwaltungen, fünf Vertreter der Länderregierungen und sechs Vertreter von Massenorganisationen (3 FDGB, 2 VdgB, 1 FDJ). An dieser — kaum als parlamentarisch-repräsentativ einzuschätzenden — Zusammensetzung des Plenums entzündete sich erneut die Kritik der bürgerlichen Parteien am Zentralismus und an der hegemonialen Stellung der SED im DWK-Apparat. Um die oppositionellen Argumente aus den Reihen der CDU und LDP abzufangen, wurde aufgrund eines Vermittlungsvorschlags, den der Vorsitzende der SED, Wilhelm Pieck, zunächst im zentralen Blockausschuß der Parteien eingebracht hatte, das DWK-Plenum durch weitere Vertreter der Länder und Massenorganisationen sowie der Parteien erweitert Nach dem SMAD-Befehl Nr. 183 vom 26. November 1948 sollte die Vollversammlung zukünftig aus 101 Mitgliedern bestehen Durch den Einzug von 48 Ländervertretern erhielt die Vollversammlung auch den Charakter einer Volksvertretung. Verstärkt wurde diese Entwicklung zu einem parlamentsähnlichen Gremium (dies zwar nach seiner Zusammensetzung — nicht aber von seinen Funktionen her) durch die zusätzliche Aufnahme von 15 Vertretern der Parteien; einschließlich der im Frühjahr 1948 gegründeten NDPD und DBD stellte jede Partei drei Delegierte. Mit dem auf zehn Vertreter erhöhten Anteil der Massenorganisationen kamen nun über zwei Drittel der Plenumsmitglieder (73 von 101) aus Parteien und Massenorganisationen, darunter die Parteivorsitzenden Wilhelm Pieck (SED), Otto Nuschke (CDU), Johannes Dieckmann (LDP), Lothar Bolz (NDPD) und Ernst Goldenbaum (DBD). Über die Hälfte aller Plenumsmitglieder gehörten der SED an.

Das Sekretariat bildete den Kern der DWK; es war in sechs Geschäftsbereiche gegliedert, in denen wiederum die Hauptverwaltungen (zuvor Zentralverwaltungen) zusammengefaßt waren. Der Geschäftsbereich Planung umfaßte die Hauptverwaltung Wirtschaftsplanung und das Statistische Zentralamt (beide Gremien standen unter Leitung von Bruno Leuschner). Zum Geschäftsbereich Industrie gehörten unter Leitung von Fritz Selbmann die industriellen Hauptverwaltungen Kohle, Energie, Metallurgie, Chemie, Leichtindustrie, Maschinenbau/Elektroindustrie, Steine/Erden und Bauwesen. In einem dritten Geschäftsbereich waren unter Leitung von Georg Handke (SED) die Hauptverwaltungen Materialversorgung, Interzonen-und Außenhandel sowie Verkehr zusammengefaßt. Den vierten Geschäftsbereich der beiden Hauptverwaltungen Finanzen und Post-und Fernmeldewesen leitete Prof. Hermann Kastner (LDP); der Geschäftsbereich für Landwirtschaft, Handel und Versorgung mit den Hauptverwaltungen Land-und Forstwirtschaft, Handel und Versorgung, Erfassung und Aufkauf sowie Lebensmittelindustrie und Fischwirtschaft unterstand Luitpold Steidle (CDU). Ein wegen der damit verbundenen Befugnisse zur Wirtschaftskontrolle und der besonderen Verantwortung gegenüber der Besatzungsmacht äußerst wichtiger sechster Geschäftsbereich wurde vom DWK-Vorsitzenden Heinrich Rau persönlich geleitet; hierzu gehörten der . Ausschuß zum Schutz des Volkseigentums" (hervorgegangen aus der Zentralkommission für Beschlagnahme und Sequestrierung), die ZKK sowie die Hauptverwaltung Reparationen. Wahrscheinlich waren diesem Geschäftsbereich auch die Hauptverwaltung Arbeit und Sozialfürsorge sowie die erst später in die DWK integrierten bzw. gebildeten Hauptverwaltungen Gesundheitswesen, Wissenschaft und Technik sowie Information angeschlossen. Schließlich war mit der Umorganisierung der DWK ein besonderer Bereich für Kaderfragen und Personalpoli31 tik unter Leitung von Arthur Pieck (SED) mit den drei Hauptabteilungen Personal und Schulung, Verwaltung sowie Fachschulen gebildet worden Die Geschäftsbereiche wurden mitunter auch als „Sekretariate", ihre Leiter entsprechend als „Sekretäre" bezeichnet.

Dem Vorsitzenden der DWK, Heinrich Rau, standen von den Sekretären der Rangfolge nach Leuschner, Selbmann, Steidle und Kastner als Stellvertreter zur Seite. Mitglieder des Sekretariats waren außer dem Vorsitzenden der DWK und dessen vier Stellvertretern noch Erwin Lampka (SED) in seiner Funktion als Leiter des Sekretariats sowie qua Amt die Vorstandsmitglieder des FDGB (Hans Jendretzky, SED) und der VdgB (Kurt Vieweg, SED). Die „operative Durchführung der Aufgaben“ der DWK war zwar Sache der Hauptverwaltungen, die Erteilung von Direktiven für die Arbeit der Hauptverwaltungen sowie deren Kontrolle oblag aber den Leitern der jeweiligen Geschäftsbereiche des Sekretariats Vom Sekretariat wurden Verordnungen und Anordnungen erlassen sowie Vorlagen für das Plenum vorbereitet, die laufenden Geschäfte (soweit sie nicht den Hauptverwaltungen oder anderen Gremien der DWK zugewiesen waren) geführt und außerdem der Geschäftsgang sowie die Durchführung der für die gesamte SBZ rechtsverbindlichen Beschlüsse überwacht. Sämtliche Kontakte der anderen Organe und Institutionen der DWK zur SMAD und zu den Länderbehörden standen unter Anleitung und Kontrolle des Sekretariats. Da der hiermit umrissene Aufgaben-komplex unmöglich von den sechs politisch leitenden Sekretariatsangehörigen geleistet werden konnte, stand dem Sekretariat für seine operativen Arbeiten ein ständiges „Büro" zur Verfügung, über dessen Zusammensetzung, Kompetenzen und innere Organisation wenig bekannt geworden ist Die Deutschen Verwaltungen für Inneres, Justiz und Volksbildung blieben außerhalb der DWK bestehen und wurden bei Gründung der DDR in die entsprechenden Ministerien umgewandelt. Als Verbindung zur Innenverwaltung existierte bei der DWK eine Verwaltungskommission; die Kontakte zur Justizverwaltung liefen über die Rechtsabteilung der DWK.

Wirtschaftspolitisch von besonderer Bedeutung waren die in einer Geschäftsordnung minuziös geregelten Verbindungen zwischen der DWK und den Ländern Die Kontakte der DWK zu den Länderregierungen und umgekehrt liefen über eine eigens hierfür beim Büro des Sekretariats eingerichtete „Verbindungsstelle". Von dieser Verbindungsstelle wurden die von der DWK (d. h. in aller Regel von deren Sekretariat) beschlossenen Verordnungen, Anordnungen und sonstigen Anweisungen direkt und gleichzeitig an die Ministerpräsidenten, die Landtagspräsidenten, die Landesämter für Wirtschaftsplanung und evtl, auch an einzelne Ministerien und sonstige Länderbehörden weitergeleitet Die DWK-Verordnungen hatten Gesetzescharakter; sämtliche Weisungen waren verbindlich und durften von der DWK nur in Kraft gesetzt werden, wenn sie zuvor von der SMAD bestätigt worden waren. In der Gesetzgebungskompetenz sowie in den Kontrollbefugnissen der DWK gegenüber den Ländern kam die Tendenz zum angestrebten einheitlichen Staatsaufbau und zur zentralen Lenkung und Planung der Wirtschaft deutlich zum Ausdruck. Verstärkt wurden diese Bemühungen um die Vereinheitlichung der Struktur der wirtschaftsleitenden staatlichen Organe mit dem Beginn des Halbjahrplans durch einen Sekretariatsbeschluß vom 9. Juni 1948 worin den Ländern folgende verbindliche Auflagen gemacht wurden: Erstens mußten mindestens drei industrielle Hauptabteilungen für Kohle und Energie, Schwerindustrie und Leichtindustrie sowie ein Landesamt für volkseigene Betriebe gebildet und gemeinsam einem Ministerium unterstellt werden. Zweitens sollten zwei weitere Hauptabteilungen für Wirtschaftsplanung und Materialversorgung sowie eine Landes-Kontrollkommission und ein Landesausschuß zum Schutz des Volkseigentums geschaffen und nach dem Prinzip der doppelten Unterstellung einerseits dem jeweiligen Ministerpräsidenten zugeordnet und andererseits an die Weisungen der entsprechenden Organe der DWK gebunden sein.

III. Wirtschaftsleitende Funktionen der DWK

Die Umorganisierung des staatlichen Wirtschaftssektors in der sowjetischen Besatzungszone wurde durch den Befehl Nr. 64 der SMAD vom 17. April 1948 und durch nachfolgende Verordnungen der DWK (Richtlinie Nr. 1 und 2) sowie durch den SMAD-Befehl Nr. 76 vom 23. April 1948 angeordnet In der DWK-Richtlinie Nr. 2 war verfügt worden, daß alle „Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung" in Vereinigungen Volkseigener Betriebe (WB April 1948 angeordnet 20). In der DWK-Richtlinie Nr. 2 war verfügt worden, daß alle „Unternehmen von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung" in Vereinigungen Volkseigener Betriebe (WB) zusammenzufassen sind. Es wurden zwei Gruppen von WB gebildet: Unternehmen, die für die gesamte Sowjetzone von wesentlicher Bedeutung waren, wurden in zonalen Vereinigungen Volks-eigener Betriebe — kurz WB (Z) genannt —, solche von eher regionaler Bedeutung auf Länderebene in WB (L) zusammengeschlossen. Für beide Typen erfolgten die Zusammenschlüsse nach Industriezweigen. Eine quantitativ mit über 2 000 Betrieben zwar recht umfangreiche, jedoch ökonomisch weniger gewichtige Gruppe volkseigener Betriebe wurde kommunal oder genossenschaftlich geleitet 21). Oberste Leitungsinstanz für alle drei Typen von WB bzw. VEB war die Deutsche Wirtschaftskommission. Die Richtlinienkompetenz für die Arbeit aller Unternehmen des volkseigenen Sektors lag beim Leiter des Geschäftsbereichs Industrie, Selbmann, dem die acht industriellen Hauptverwaltungen unterstanden. Diese Hauptverwaltungen leiteten ihrerseits die nach Industriezweigen gegliederten WB (Z) an. Die Organisation der den Ländern unterstellten WB (L) entsprach diesem Leitungsschema; nach der DWK war hier die jeweilige Landesregierung mit ihrem (bereits in Abschnitt II skizzierten) wirtschaftsleitenden Apparat die oberste Leitungsinstanz. Im Rahmen der Umorganisierung wurden von den bis Mitte 1948 statistisch erfaßten 9 281 Staatsbetrieben (darunter 3 482 größere Industriebetriebe) bis Ende Oktober 1948 4 695 Unternehmen nach dem neuen Leitungsprinzip in Vereinigungen zusammengeschlossen. Hiervon gehörten 1 631 Betriebe zu 75, die direkt durch die DWK geleitet wurden; WB (Z) 3 064 Werke waren in WB (L)

organisiert 22).

Mit der Reorganisierung des staatlichen Wirtschaftssektors ging zugleich aufgrund der Befehle Nr. 64 und 76 auch dessen endgültige Fixierung als Volkseigentum einher. Die Vereinigungen Volkseigener Betriebe bzw. die volkseigenen Betriebe wurden als „Eigentum des Volkes" in die Handelsregister und Grundbücher eingetragen und die früheren Eigentümer gelöscht; gleichzeitig wurde die Unverletzbarkeit und Unveräußerlichkeit des Volkseigentums garantiert. Bei der Registrierung wurden in der Regel die Vereinigungen (WB) und nicht die einzelnen Betriebe (VEB) als selbständige juristische Personen mit dem Status von Anstalten des öffentlichen Rechts versehen 23). Das hatte zur Folge, daß die Betriebe (VEB) in der gesamten Produktions-und Planungstätigkeit der jeweiligen Vereinigung (bei der auch im wesentlichen die Finanzhoheit lag) untergeordnet waren. Erst mit dem Abschluß der geschilderten wirtschaftsorganisatorischen und juristischen Maßnahmen war mit der Perspektive einer gewissen Dauerhaftigkeit der ‘volkseigene Sektor als ein wesentlicher Faktor in der Wirtschaft der SBZ etabliert worden. Will man also einen Zeitpunkt in der Nachkriegs-geschichte fixieren, von dem an — primär unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet — in der SBZ/DDR eine gewisse Eigendynamik des Wirtschaftssystems zu wirken begann und zugleich eine Restaurierung früherer Eigentumsverhältnisse nicht mehr ohne weiteres möglich war, so war dies um die Jahresmitte 1948.

Auf die Einzelheiten der Aufstellung, Zielsetzungen und Erfüllung des Halbjahrplans für die zweite Hälfte 1948 sowie des Zweijahrplans für 1949/50 (unterteilt in zwei Jahres-pläne) kann hier nicht näher eingegangen werden zumal mit der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 sämtliche Funktionen der DWK auf die provisorische Regierung übergingen. In den rund 18 Monaten zwischen der Vorbereitung des Halbjahrplans und der Staatsgründung waren die Bemühungen um eine alle wichtigen Zweige umfassende Planung noch weitgehend durch Improvisation und Experimentieren gekennzeichnet. Eine brauchbare Methode zur mittel-und langfristigen Wirtschaftsplanung auf der Basis hinreichenden statistischen Materials und eines mehrjährigen Erfahrungsvorlaufs der Pla-nungskader entwickelte sich in der DDR erst in etwa mit dem Beginn des ersten Fünfjahrplans.

Die Ausarbeitung des Halbjahrplans und des Zweijahrplans, der lediglich den Charakter eines Rahmenplans hatte, gelang der DWK in verhältnismäßig kurzer Zeit Ein einerseits schon etwas detaillierterer, andererseits noch recht unvollständiger Wirtschaftsplan für 1949 lag hingegen erst Ende März 1949 vor. Die Planungs-und Leitungstätigkeiten der DWK bezogen sich im wesentlichen auf den volkseigenen Sektor; die Privatbetriebe, die 1949 noch 31, 5 Prozent der industriellen Bruttoproduktion erstellten, waren nur indirekt über die Materialversorgung und über Zulieferverträge einbezogen. Ob und inwieweit die SAG-Betriebe von diesen Wirtschaftsplänen tangiert wurden, ist nur schwer nachzuweisen Trotz aller Unzulänglichkeiten gelang der DWK — hier vor allem in den Bereichen der Sekretäre Leuschner und Selbmann — der Übergang von der kurzfristigen und überwiegend regionalen, weitgehend an Quartals-plänen orientierten Planung der Jahre 1945 bis 1948 zur längerfristigen zentralen Wirtschaftsplanung auf zonaler Ebene. Gegenüber dem ursprünglich gesteckten Ziel des Zweijahrplans, 1950 81v. H.der Industrieproduktion von 1936 zu erreichen, wurden tatsächlich 110 v. H. realisiert Allerdings darf dieses, auf den ersten Blick recht beachtliche Gesamtergebnis nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Volkswirtschaft der DDR weiterhin stark disproportioniert entwickelt war. So lagen zum Beispiel Ende 1950 trotz der konzentrierten Anstrengungen in den Grundstoffindustrien die Produktionsergebnisse in der Metallurgie nur bei 61, 8 v. H, in der metall-verarbeitenden Industrie hingegen bei 120, 7 v. H.des Standes von 1936

IV. Staatsorganisatorische Funktionen der DWK

Innerhalb der Deutschen Wirtschaftskommission hatte sich bis zum Herbst 1949 ein differenzierter Behördenapparat entwickelt, dessen Kompetenzen weit über die für die eigentlichen wirtschaftsleitenden Funktionen zuständigen Geschäftsbereiche und Hauptverwaltungen hinausgingen. Außerdem existierten neben der DWK zentrale Behörden und Institutionen wie die Verwaltungen für Inneres, Justiz und Volksbildung sowie der Deutsche Volksrat und dessen Ausschüsse, so daß bei Gründung der DDR sämtliche Ministerien (mit Ausnahme des Ressorts Auswärtige Angelegenheiten) sowie fast alle übrigen Zentralbehörden und obersten Staatsorgane durch Umorganisierung bzw. Umbenennung sofort gebildet werden konnten Dieser hohe Grad an institutioneller und personeller Kontinuität bei Überführung der in der DWK die provisorische Regierung der DDR wurde selbstverständlich noch ergänzt durch die enge Verflechtung der SED mit sämtlichen Zentralbehörden innerhalb und außerhalb der DWK sowie durch die z. T. schon mehrjährige Zusammenarbeit dieser Behörden untereinander. Einige der wichtigsten Querverbindungen zwischen den obersten Behörden der SBZ, die zugleich die Vorwegnahme großer Teile des Staatsapparats der DDR deutlich werden lassen, sollen im folgenden kurz skizziert werden.

Aufgaben der Wirtschaftskontrolle wurden von der ZKK und dem zentralen Ausschuß zum Schutz des Volkseigentums sowie von den entsprechenden Länderorganen wahrgenommen; bei konkreten Ermittlungen, z. B. in Fällen von „Wirtschaftssabotage" wurden aber in der Regel die Verwaltungen für Inneres und Justiz bzw. die den entsprechenden Länderministerien unterstellten Polizei-und Justizbehörden eingeschaltet

Die Deutsche Verwaltung für Justiz gab seit Mai 1947 das Zentralverordnungsblatt heraus, das ab Januar 1948 als amtliches Organ der DWK sowie der Verwaltungen für Inneres, Justiz und Volksbildung galt und worin z. T. die Gesetze des AKR, Befehle der SMAD sowie die Verordnungen, Anordnungen und sonstigen Weisungen der DWK und der anderen zentralen Organe veröffentlicht wurden. Herstellung und Vertrieb war Aufgabe des Deutschen Zentralverlags; im Oktober 1949 wurde das Zentralverordnungsblatt durch das Gesetzblatt der DDR abgelöst. Ebenfalls vom Zentralverlag wurde ab Mai 1949 eine Schriftenreihe der DWK, in der als erstes von vier Heften der Wirtschaftsplan und als letztes der Haushaltsplan für 1949 erschienen, herausgegeben. Anfang 1950 wurde diese Serie als Schriftenreihe der DDR mit dem Volkswirtschaftsplan für 1950 fortgesetzt. Von der DWK-Hauptverwaltung Finanzen wurde das gesamte zentrale Bankensystem und Finanzwesen der SBZ, das mit der Währungsreform Ende Juni 1948 entstanden war, geleitet. Hierzu gehörten die Deutsche Notenbank, die Deutsche Investitionsbank, das Deutsche Zentralfinanzamt und die Revisions-und Treuhandanstalt; die Hauptverwaltung setzte ihre Arbeit als Ministerium für Finanzen fort. Eine enge und weit gefächerte Zusammenarbeit ergab sich auch zwischen der DWK und der Deutschen Verwaltung für Volksbildung bei der Wahrnehmung von Aufgaben, die der Förderung von Wissenschaft, Kunst und Kultur dienen sollten. Hierfür existierte außer der Hauptverwaltung Wissenschaft und Technik mit ihren nachgeordneten Institutionen wie dem Büro für Erfindungswesen, dem Deutschen Wirtschaftsinstitut usw. außerdem ein direkt dem DWK-Sekretariat unterstelltes „Büro des Förderungsausschusses für verdiente Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler"

Auf der 2. Plenarsitzung der DWK am 30. /31. März 1949 wurde gleichzeitig mit dem Wirtschaftsplan für das Jahr 1949 „Der Kulturplan — Verordnung über die Erhaltung der deutschen Wissenschaft und Kultur ..

verabschiedet worin u. a. die Investitionen zur Wiederherstellung von Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten sowie weitergehende wissenschafts-und kulturpolitische Förderungsmaßnahmen festgelegt worden waren.

Die personalpolitische Bedeutung der DWK für den Aufbau des zentralen Staatsapparats in der SBZ/DDR wird deutlich, wenn man sich das Anwachsen des Mitarbeiterstabs im Laufe des Jahres 1948 vor Augen führt. Von 130 Angehörigen der DWK zuzüglich ca.

3500 Beschäftigten in den damals noch selb1) ständigen Zentralverwaltungen Ende 1947 war die Zahl der Mitarbeiter der Wirtschaftskommission bis Anfang 1949 auf über 10 000 angestiegen Durch den weiteren Ausbau des DWK-Apparats im Laufe des Jahres 1949 erhöhte sich auch der Personalbestand. Die personalpolitischen Bemühungen des Parteivorstands der SED liefen aber beim Aufbau des zentralen Staatsapparats nicht nur auf die Einarbeitung eines quantitativ hinreichenden Mitarbeiterstabes, sondern auch auf die Verbesserung von dessen qualitativen Eigenschaften, d. h. auf politische Zuverlässigkeit und fachliche Befähigung, hinaus. Deshalb war neben der Durchführung breit gefächerter Schulungsprogramme die möglichst umfangreiche Besetzung des Staatsapparats mit Parteimitgliedern — in den Spitzenpositionen möglichst mit Altkommunisten — der wichtigste Aspekt der Kaderarbeit der SED in diesem Zeitraum. Daneben wurde die Arbeit der Betriebsparteiorganisationen in den zentralen Behörden seit Mitte 1948 verstärkt, was innerhalb der DWK zum Zusammenschluß aller SED-Betriebsgruppen zu einer Gesamtbetriebsgruppe führte

In welch hohem Maße die Kaderarbeit der SED zur Kontinuität im Staatsapparat beitrug, zeigte sich beim Übergang von der DWK zur provisorischen Regierung der DDR. Als Beispiel hierfür sei an die Karrieren der Angehörigen des DWK-Sekretariats erinnert: Der Vorsitzende Heinrich Rau wurde Minister für Planung. Von seinen Stellvertretern übernahm Fritz Selbmann das Ministerium für Industrie; Bruno Leuschner wurde zunächst Staatssekretär im Planungsministerium, danach stellvertretender Vorsitzender und ab 1952 Vorsitzender der Staatlichen Plankommission. Georg Handke wurde Minister für Innerdeutschen Handel, Außenhandel und Materialversorgung. Luitpold Steidle erhielt das Ressort Arbeit und Gesundheitswesen. Hermann Kastner war bis zur Regierungsneubildung Ende 1950 einer der drei stellvertretenden Ministerpräsidenten

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dokumente aus den Jahren 1945— 1949. Um ein antifaschistisch-demokratisches Deutschland, Berlin (Ost) 1968, S. 100 ff.

  2. Vgl.den Abschnitt III A 9 (IV) des Potsdamer Abkommens.

  3. Die folgenden Ausführungen zur Gründung, Entwicklung und zum Funktionen der Zentralverwaltungen beruhen im wesentlichen auf den Aufsätzen von W. Merker in: ders., Errichtung des Arbeiter-und Bauernstaates der DDR 1945— 1949 (Autorenkollektiv unter Leitung von K. -H. Schöneburg), Berlin (Ost) 1983, S. 57ff„ und: Archivmitteilungen — Zeitschrift für Theorie und Praxis des Archivwesens, (1981) 5 Berlin (Ost), S. 161 ff.

  4. Die Darstellung der Auseinandersetzungen und widerstrebenden Konzepte bei der DWK-Gründung sowie der in Abschnitt II beschriebenen Struktur der DWK und deren politischen Funktionen folgen im wesentlichen den Arbeiten von W. Weißleder, Wesen und Funktion der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK), Diss. Jur. (unveröffentlicht), Akademie der Wissenschaften der DDR, Berlin (Ost) 1976, und ders., Deutsche Wirtschaftskommission: Kontinuierliche Vorbereitung der zentralen staatlichen Macht der Arbeiterklasse, in: Revolutionärer Prozeß und Staatsentstehung, Berlin (Ost) 1976, S. 131 ff.

  5. Dokumente (Anm. 1), S. 467 f.

  6. J. Roesler, Die Herausbildung der sozialistischen Planwirtschaft in der DDR, Berlin (Ost) 1978, S. 33.

  7. Anhang zur Dissertation von W. Weißleder (Anm. 4), Dokument Nr. 2.

  8. E. Richert, Das zweite Deutschland. Ein Staat, der nicht sein darf, Gütersloh 1964, S. 42 ff.

  9. W. Krause, Die Entstehung des Volkseigentums in der Industrie der DDR, Berlin (Ost) 1958, S. 108f. (Tab. 14). Mit den ab Mitte 1946 auf Grund des SMAD-Befehls Nr. 167 vom 5. 6. 1946 in der SBZ zur Sicherung der Reparationsleistungen beschlagnahmten über 200 Sowjetischen Aktiengesellschaften — den sogenannten SAG-Betrieben entfielen 1947 sogar 56, 3% der Industrieproduktion (ohne Bauwesen) auf den staatlichen Sektor.

  10. Dokumente (Anm. 1), S. 585 f.

  11. Tägliche Rundschau und Neues Deutschland vom 13. 2. 1948.

  12. Zentralverordnungsblatt der SBZ (ZVOB 1) Nr. 15/1948, S. 138f.

  13. Richtlinie über die Tätigkeit der Deutschen Wirtschaftskommission für die sowjetische Besat-zungszone", in; Anhang zur Dissertation von W. Weißleder (Anm. 4), Dokument Nr. 15.

  14. W. Weißleder (Anm. 4), Revolutionärer Prozeß, S. 146f.

  15. Dokumente (Anm. 1), S. 712 f.

  16. Zur Einteilung der Geschäftsbereiche und Zuordnung der Hauptverwaltungen vgl.: Anhang zur Dissertation von W. Weißleder (Anm. 4), Dokumente Nr. 17, 11, 3 sowie: Zur Wirtschaftspolitik der SED Bd. 1, 1945 bis 1949, Berlin (Ost) 1984, S. 195.

  17. Anhang zur Dissertation von W. Weißleder (Änm. 4), Dokument Nr. 15.

  18. Ebd., Dokument Nr. 17.

  19. Ebd., Dokument Nr. 16.

  20. Beide Befehle sowie die Richtlinien und Anlagen erschienen im ZVOB 1. 15/48, S. 141ff. (Anm. 12).

  21. Wie Anm. 20.

  22. Der Deutsche Zweijahresplan für 1949- 1950. Der Wirtschaftsplan für 1948 und der Zweijahresplan 1949- 1950 zur Wiederherstellung und Entwicklung der Friedenswirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone Deutschland, Berlin 1948.

  23. Zu den Anfängen der zentralen Planwirtschaft vgl. J. Roesler (Anm. 6), S. 1 ff. Zu den SAG-Betrieben siehe Anm. 9.

  24. Ebd., S. 7f.

  25. W. Weißleder (Anm. 4), Revolutionärer Prozeß, S. 148 ff.

  26. Unter Begriffen wie „Wirtschaftssabotage" oder „Wirtschaftsverbrechen" wurden Verstöße gegen die staatliche Wirtschaftsreglementierung verstanden. Hierunter fielen insbesondere unerlaubte Kompensationsgeschäfte, Rohstoff-und Warenhortung, Verkäufe auf Schwarzen Märkten, Verschiebung von Produktionsmitteln oder Waren über die Zonengrenze.

  27. Anhang zur Dissertation von W. Weißleder (Anm. 4), Schema: Der zentrale Staatsapparat.

  28. Ebd.

  29. Der Wirtschaftsplan für 1949 und der Kultur-plan sind als Heft 1 und 2 in der Schriftenreihe der Deutschen Wirtschaftskommission erschienen.

  30. W. Weißleder (Anm. 4), Revolutionärer Prozeß, S. 147.

  31. W. Merker (Anm. 3), S. 180.

  32. SBZ von 1945 bis 1954. Die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands in den Jahren 1945— 1954, hrsg. v. Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn 1956, S. 113 u. 142.

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Bernd Niedbalski, Dipl. -Politologe, geb. 1938; Lehre und Berufspraxis als Werkzeugmacher in Berlin und Süddeutschland; Abitur am Berlin-Kolleg; Studium der Politologie und neueren Geschichte an der Freien Universität Berlin; von 1972 bis 1976 als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Soziologie der Technischen Universität Berlin tätig auf dem Gebiet der Ausbildung von Gewerbestudienräten; seit 1978 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung der FU Berlin, Arbeitsbereich DDR-Forschung und -Archiv.