Seit über 30 Jahren beteiligen in der Bundesrepublik Unternehmen ihre Mitarbeiter freiwillig am Gewinn und Kapital. Gegenwärtig sind es rund 1 000 Unternehmen mit insgesamt einer Million Arbeitnehmer, die 6 Mrd. DM Produktivkapital besitzen. Diese betrieblichen Beteiligungsinitiativen sind in der Vergangenheit aus Mangel an gesicherten Erkenntnissen stets unterschiedlich beurteilt worden. So konnte vor allem gewerkschaftlichen Befürchtungen, zu Miteigentümern gewordene Mitarbeiter würden die Geschlossenheit der Arbeitnehmerorganisationen schwächen und sogar aus der Gewerkschaft austreten, nicht beweiskräftig widersprochen werden. Erst eine Ende 1983 durch das Institut der deutschen Wirtschaft und die Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit veröffentlichte schriftliche und mündliche Befragung aller Beteiligungsunternehmen (Geschäftsleitungen und Betriebsräte), an der 85 Prozent teilnahmen, vermittelte erstmalig einen repräsentativen Querschnitt über tatsächliche Auswirkungen betrieblicher Beteiligungspraxis. Auf einen kurzen Nenner gebracht lauten die wichtigsten Erfahrungen: Die Beteiligung der Mitarbeiter am arbeitgebenden Unternehmen bringt spürbare Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter. Für die Mitarbeiter beinhalten die Beteiligungsofferten eine Verbesserung der materiellen Situation, eine zusätzliche Möglichkeit der individuellen Vermögensbildung und gesicherte Arbeitsplätze. Die Unternehmen gewinnen Mitarbeiter, die mehr Verständnis für wirtschaftliche Belange sowie mehr Interesse am Unternehmen zeigen, verbessern ihre Liquidität bzw. ihre Eigenkapitalbasis und stärken damit insgesamt ihre Leistungskraft. Darüber hinaus erweisen sich Beteiligungsunternehmen durchaus als gewerkschaftsneutral: Beteiligte Mitarbeiter verlieren weder ihr Interesse an den Gewerkschaften noch treten sie aufgrund ihrer Miteigentümerschaft aus den Arbeitnehmerorganisationen aus; Betriebsräte registrieren sogar wegen Übernahme zusätzlicher Funktionen einen Zuwachs an Einfluß. Die betriebliche Vermögensbeteiligung ist also kein Irrweg, sondern sie leistet einen Beitrag, Arbeitnehmer stärker in Betrieb und Gesellschaft zu integrieren. Das am 1. Januar 1984 in Kraft getretene Vierte Vermögensbildungsgesetz (936-DM-Gesetz) wird diese Tendenzen nachhaltig fördern.
I. Vermögenspolitische Situationsanalyse
Die Diskussion um die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wurde in der Bundesrepublik im Laufe der jahrzehntelangen Auseinandersetzung unter Betonung unterschiedlicher Akzente geführt. So standen in den fünfziger und sechziger Jahren vornehmlich die Bildung von Geldvermögen sowie von Haus-und Grundbesitz im Vordergrund der vermögenspolitischen Bestrebungen. Diese waren gekennzeichnet durch staatliche Sparförderungsmaßnahmen beim Wohnungsbau und das Sparprämiengesetz sowie drei Vermögensbildungsgesetze und den Abschluß vermögenswirksamer Tarifverträge auf der Grundlage des 624-DM-Gesetzes. Die Erfolge dieser Politik waren eindrucksvoll: Der Besitz von Wohnungseigentum und Geldvermögen in Form von Sparkonten, Bausparkonten und Lebensversicherungverträgen in Arbeitnehmerhand konnte spürbar ausgeweitet werden. Produktivvermögen im Blickpunkt Seit den siebziger Jahren richtet sich das Ziel der Vermögenspolitik hingegen fast ausschließlich auf den Erwerb von Produktivvermögen in breiten Schichten, also auf die Beteiligung der Arbeitnehmer an dem in der Wirtschaft arbeitenden Kapital. Verstärkt wurden diese Bemühungen Ende der sechziger Jahre als Reaktion auf Berechnungen, die ergaben, daß 1, 7% der privaten Haushalte 70% des Eigentums an den gewerblichen Unternehmen besaßen 1).
Abbildung 4
Tabelle 4:
Entwicklung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades in Beteiligungsunternehmen
Tabelle 4:
Entwicklung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades in Beteiligungsunternehmen
Die von 1969 bis 1982 regierende sozial-liberale Koalition hatte sich von Anfang an dazu bekannt, Weichen in Richtung einer stärkeren Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen zu stellen. Doch blieb es stets nur bei Ankündigungen in den jeweiligen Regierungserklärungen. Jedesmal wenn zwischen SPD und FDP ein konkretes Konzept ausgearbeitet und ein entsprechendes Gesetz verkündet werden sollte, versagten die Kräfte gemeinsamer Bemühungen: Zu weit klafften die Auffassungen beider Regierungsparteien über den einzuschlagenden Weg auseinander. Favorisierte die SPD ausschließlich die Bildung übertariflicher Einrichtungen in Form sogenannter Tariffonds so wollte die FDP die Zustimmung hierzu nur unter zwei Bedingungen geben: Einbindung dieser Fonds in die Vorschriften des Kapitalanlagegesetzes, um sicherzustellen, daß solche Kapitalsammelbecken wirklich nur der Vermögenspolitik für Arbeitnehmer und nicht gewerkschaftlicher Machtpolitik dienen; zum anderen sollte die innerbetriebliche Vermögensbeteiligung ebenfalls staatlicherseits gefördert werden. Da jedoch diese Vorstellungen von der SPD abgelehnt wurden, blieben die vermögenspolitischen Erklärungen der beiden sozialdemokratischen Bundeskanzler in den siebziger Jahren jeweils nur Versprechungen.
Abbildung 5
Tabelle 5:
Stellung des Betriebsrates in Beteiligungsunternehmen
Tabelle 5:
Stellung des Betriebsrates in Beteiligungsunternehmen
Erst der Wechsel in der Bundesregierung zu einer christlich-liberalen Koalition brachte eine spürbare Bewegung in der Vermögens-politik. Bereits im ersten Jahr der Amtszeit verabschiedete die neue Regierung — nach einer 14jährigen Pause — wiederum ein Vermögensbildungsgesetz (936-DM-Gesetz), das eine entscheidende Wende in der Vermögenspolitik einleiten könnte: Es ist der beherzte Schritt von der Geldvermögensbildung hin zur Vermögensbeteiligung, denn im Mittelpunkt dieses Gesetzes steht die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen der Wirtschaft. Die betriebliche Vermögensbeteiligung — in der Bundesrepublik Deutschland seit den siebziger Jahren in deutlich zunehmendem Umfang praktiziert — ist für die Verwirklichung dieses Zieles ein zentraler Weg. 2. Betriebliche Vermögensbeteiligung gefragt In einer Zeit, in der das öffentliche Interesse die Mitarbeiterbeteiligung immer stärker in die vermögenspolitische Auseinandersetzung einbezieht, ist ein fundiertes Urteil über dieses Instrument der Vermögenspolitik für eine sachgerechte und erfolgreiche Politik unerläßlich. Dennoch gab es bis weit in die siebziger Jahre, trotz einer über 30jährigen Beteiligungspraxis, nur sporadische Kenntnisse über Formen, Inhalt und Ausmaß betrieblicher Vermögensbeteiligung. Was in der Öffentlichkeit bis dahin über diesen Bereich der Vermögenspolitik bekannt war, beruhte nur auf gelegentlichen Darstellungen von Einzel-untersuchungen. In der Öffentlichkeit vertretene Auffassungen waren dementsprechend mehr von subjektiven Meinungen und Vermutungen geprägt als von fundierten Kenntnissen über Daten und Fakten.
Abbildung 6
Tabelle 6:
Reaktion der örtlichen Gewerkschaften auf Beteiligungsunternehmen
Tabelle 6:
Reaktion der örtlichen Gewerkschaften auf Beteiligungsunternehmen
Als in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre die innerbetriebliche Vermögensbeteiligung stärker in den Mittelpunkt der vermögenspolitischen Auseinandersetzung zu treten begann, stieg schlagartig das Bedürfnis nach mehr Informationen über betriebliche Beteiligungsinitiativen. Mit einer 1977 veröffentlichten Bestandsaufnahme haben das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) und die Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit (GIZ) erstmals für die Öffentlichkeit umfassend konkrete Daten über Zahlen und Modellstrukturen von Beteiligungsunternehmen in die Diskussion eingebracht Damit war die strittige Frage der quantitativen Bedeutung betrieblicher Vermögensbeteiligung geklärt. Der Meinungsstreit verlagerte sich von diesem Zeitpunkt an auf ein anderes Feld: Je nach vermögens-politischem Standort begrüßte man positive bzw. beschwor man negative Auswirkungen betrieblicher Beteiligungsverfahren, ohne jedoch die Richtigkeit der eigenen Auffassung nachweisen zu können, da bis Ende 1983 keine repräsentativen wissenschaftlichen Untersuchungen über die Auswirkungen freiwilliger Beteiligungssysteme vorlagen. Die bis dahin gemachten positiven wie negativen Aussagen stützten sich weitgehend auf subjektive Hypothesen, die nicht empirisch abge-sichert und deshalb auch nicht als Beweis für den Wahrheitsgehalt des jeweils vertretenen Standpunktes herangezogen werden konnten.
Keineswegs als objektiv richtig belegt konnte somit beispielsweise gelten, daß betriebliche Vermögensbeteiligungen das Interesse der Arbeitnehmer am eigenen Unternehmen automatisch fördern, das Kostenbewußtsein stärken, die Eigenverantwortlichkeit erhöhen und die Produktivität steigern würden, um nur einige Argumente der Verfechter betrieblicher Beteiligungsmodelle herauszugreifen.
Ebenso wenig konnten aber auch die Gegner dieses Beteiligungsweges glaubhaft machen, daß Mitarbeiterkapitalbeteiligungen den Arbeitnehmern sogenannte „goldene Fesseln'anlegen, die Solidarität der Arbeitnehmerschaft schwächen und die Arbeitnehmer den Gewerkschaften entfremden oder beispielsweise den beteiligten Mitarbeitern kein zusätzliches Einkommen verschaffen. 3. Die neue Untersuchung In einer mehr als vierjährigen Forschungsarbeit haben sich das IW und die GIZ mit Erfahrungen und Auswirkungen von Beteiligungsmodellen befaßt und diese Ergebnisse Ende 1983 der Öffentlichkeit vorgelegt Von den rund 1 000 Firmen, die mit ca. 6 Mrd. DM eine Million Arbeitnehmer am Unternehmenskapital beteiligen, wurden alle diejenigen ausgewählt und in die Erhebung einbezogen, die zwei Bedingungen genügten: regelmäßig jährlich wiederkehrende Beteiligungen und eine Mindestbeteiligungszeit von sieben Jahren. Maßgebend hierfür war die Überlegung, daß nur dann, wenn über eine größere Zahl von Jahren stetige Beteiligungen praktiziert werden, also über wirtschaftlich gute wie auch schlechte Zeiten hinweg diese neuen Formen innerbetrieblicher Zusammenarbeit erprobt worden sind, allgemeingültige und repräsentative Auswirkungen auftreten und gemessen werden können.
Die Untersuchung wurde in zwei Etappen durchgeführt, zum einen durch eine schriftliche Erhebung mit einem im Pre-Test sorgfältig ausgearbeiteten Fragebogen und zum anderen durch eine ergänzende mündliche Befragung. Aus Gründen der Ausgewogenheit sowie im Hinblick auf ein möglichst umfassendes und freies Meinungsbild wurden nicht nur die jeweiligen Geschäftsleitungen, sondern auch die Betriebsräte als die von der Belegschaft gewählten Vertrauensleute befragt, und zwar stets unabhängig voneinander. Insgesamt. wurden 159 Unternehmen (ohne Tochtergesellschaften) mit einer Gesamtbeschäftigung von 1, 2 Millionen erfaßt — das sind 85% der relevanten Beteiligungsunternehmen. Aus 144 dieser Unternehmen haben außerdem auch Betriebsräte an der Befragung teilgenommen — das sind 77 %. Die auf diese Weise schriftlich erhobenen 22 000 Daten sowie die umfangreichen mündlich gegebenen Fakten und ergänzenden Erläuterungen bildeten eine ausreichende Grundlage für die Gewinnung allgemeingültiger Erkenntnisse über die Auswirkungen der Mitarbeiterbeteiligung auf die Menschen und den Betrieb.
II. Daten, Fakten und Erfahrungen betrieblicher Beteiligungspraxis
Abbildung 2
Tabelle 2:
Stabile Basis: Eigenkapitalquote (in Prozent)
Tabelle 2:
Stabile Basis: Eigenkapitalquote (in Prozent)
Die Beteiligung der Arbeitnehmer am arbeit-gebenden Unternehmen — das ist das zentrale Ergebnis der vierjährigen bundesweiten Erhebung — bringt spürbare Vorteile für Unternehmen und Mitarbeiter. Für die Mitarbeiter beinhalten die Beteiligungsofferten eine Verbesserung der materiellen Situation, eine zusätzliche Möglichkeit der Vermögensbildung und eine verstärkte Integration in das Betriebsgeschehen. Die Unternehmen gewinnen Mitarbeiter, die mehr Verständnis für wirtschaftliche Belange sowie mehr Interesse am Unternehmen haben, und verbessern außerdem ihre Liquiditäts-und Kapitalbasis. 1. Wirtschaftspolitische Ergebnisse Für jede stabile Volkswirtschaft sind Investitionen zur Sicherung eines angemessenen Wirtschaftswachstums unerläßlich. Hierfür sind ausreichende Finanzierungsmittel sowie eine gesunde Kapitalbasis der Unternehmen wichtige Voraussetzungen. Beide Faktoren — also Stärkung der Liquidität sowie des Eigenkapitals — werden in hohem Maße durch Mitarbeiterbeteiligungen gefördert. a) Liquiditätseffekte Es ist offenkundig, daß überall dort, wo das Mitarbeiterkapital über Eigenleistungen der Mitarbeiter finanziert wird, sich die Liquidität des Beteiligungsunternehmens erhöht. Die wichtigeren Liquiditätseffekte ergeben sich jedoch durch Unternehmenszuwendungen, die in Mitarbeiterkapital umgewandelt werden:
a) Gewähren Unternehmen den Mitarbeitern Zuwendungen zur Kapitalbildung, unabhängig davon, wie diese Zuwendungen bezeichnet sind, werden Gewinne in Betriebsausgaben umgewandelt Dies wird als Betriebsausgabeneffekt bezeichnet, denn für diese Kapitalzuwendungen braucht das Unternehmen keine Gewerbesteuer zu entrichten.
b) An den Betriebsausgabeneffekt schließt sich der Splitting-Effekt an. Nicht ausgeschüttete Gewinne werden bei den Kapitalgesellschaften mit 56% besteuert, und auch bei den mittleren und kleinen Unternehmen wird der Spitzensatz der Einkommensteuer von 56% ebenfalls sehr schnell erreicht. Das bedeutet, daß die Gewinnspitze, die nun in Form von Kapitalbildungszuwendungen abgetragen wird, im Regelfall mit 56% Einkommen-oder Körperschaftsteuer belastet wird. Durch die Übereignung der Kapitalbildungszuwendungen an eine Vielzahl von Mitarbeitern, bei denen die durchschnittliche Belastung mit Lohnsteuern derzeit bei 32, 5% liegt, erreicht man jedoch eine Senkung der Steuerbelastung. Um die Wirkung des Betriebsausgaben-und des Splitting-Effektes zu veranschaulichen, soll nachfolgendes Zahlenbeispiel, das auf einen Gewinn vor Steuern in Höhe von einer Million DM und einer Kapitalbeteiligungszuwendung an die Mitarbeiter in Höhe von 100 000 DM bezogen ist, den Liquiditätseffekt von Beteiligungsmodellen aufzeigen: Im Gegensatz zur Situation ohne Mitarbeiter-beteiligung ergibt sich durch eine Kapitalbildungszuwendung in Höhe von 100 000 DM eine Liquiditätserhöhung um 29 240 DM. Dies ist ein Liquiditätseffekt von knapp 30% des zugewendeten Kapitals.
Dieser Liquiditätseffekt wird im Einzelfall um so höher sein, je größer die Differenz der Steuerbelastung ist, der Mitarbeiter bzw. Unternehmen unterliegen. Liegt der für die Mitarbeiter gültige durchschnittliche Lohnsteuersatz unter dem hier verwendeten Wert von 32, 5% und/oder ist die Gewerbesteuerbelastung aufgrund höherer Hebesätze größer, ergeben sich noch deutlichere Finanzierungseffekte. Der Bundesfinanzhof hat mit seinem Urteil vom Mai 1982 (Az.: VI R 124/77) eine für Beteiligungsmodelle sehr wichtige Entscheidung gefällt und festgestellt, daß bei einer bestimmten Modellgestaltung die Abführung von Lohnsteuern erst nach Ablauf der vereinbarten Sperrfrist vorzunehmen ist. Dies wird mit Steuerstundungseffekt bezeichnet. Bei Unternehmen, die eine solche Modellgestaltung gewählt haben, verbleibt innerhalb der Sperrfrist ein Mehr an Liquidität in Höhe des jeweiligen Abführungsvolumens der Lohnsteuer. In Anlehnung an das gewählte Zahlenbeispiel verbleibt die Lohnsteuer in Höhe von 32, 5% im Unternehmen bzw. ist erst nach Ablauf der Sperrfrist abzuführen. Damit erhöht sich der Liquiditätseffekt von 29 240 DM bei regulärer Lohnsteuerabführung um 32 500 DM auf 61 740 DM. Bezogen auf die Zuwendungen in Höhe von 100 000 DM, bewirkt dies einen Liquiditätseffekt von 61, 7%. b) Kapitalstruktureffekte Seit Jahren ist über die mangelnde Eigenkapitalquote (Eigenmittel in Prozent der Bilanzsumme) bundesdeutscher Unternehmen im Vergleich zur ausländischen Konkurren sehr viel geschrieben worden. Einhelliger Tenor dieser Aussagen ist es, daß in verstärkte® Maße Bemühungen notwendig sind, die Eigenkapitalstruktur nachhaltig zu verbessern, zumal im Trend die Eigenmittel ständig abnehmen. So hat die Deutsche Bundesbank errechnet, daß die Eigenkapitalquote der Unternehmen von 30% im Jahre 1965 über 24% in 1975 auf 21% im Jahre 1980 gesunken ist. Nachdem Beteiligungsmodelle vielfach mit der Zielsetzung ins Leben gerufen werden, die Eigenkapitalausstattung zu verbessern, sind zwei Fragen von Bedeutung:
— Gelingt es den Beteiligungsunternehmen, eine stärkere Eigenkapitaldecke zu bilden?
— Inwieweit trägt das Mitarbeiterkapital zur Stärkung des Eigenkapitals bei?
Aus der vorstehenden Tabelle wird deutlich, daß die Beteiligungsunternehmen im Durchschnitt mit 31, 5% eine bessere Eigenkapital-ausstattung aufweisen als alle Unternehmen (20, 9%). Auch der jeweilige Branchenvergleich zeigt, daß die Eigenkapitalquoten der Beteiligungsunternehmen stets über dem Branchendurchschnitt liegen.
Dabei fallen die relativ hohen Eigenmittel der Beteiligungsunternehmen im Nahrungs-und Genußmittelgewerbe (44, 1 % gegenüber 23, 5%) sowie im Bauhauptgewerbe (21, 4% gegenüber 6, 3%) besonders auf.
Was den Anteil des Mitarbeiterkapitals am Eigenkapital der Unternehmen betrifft, so wurden in der erst rund 30jährigen freiwilligen Beteiligungspraxis schon recht beachtli~ ehe Ergebnisse erzielt: So beträgt das Mitarbeiterkapital im Durchschnitt 21% des Eigenkapitals in den Beteiligungsunternehmen, wobei sogar in jedem neunten Unternehmen (10, 8%) das Kapital der Mitarbeiter bereits über 50% erreicht hat.
Insgesamt ist damit festzustellen: Die Mitarbeiterbeteiligung ist ein erfolgreicher Weg, Liquidität und Kapitalbasis der Unternehmen zu stärken. Das wirtschaftspolitische Ziel, Investitionen und Wachstum der Wirtschaft zu fördern, wird auf diese Weise nachhaltig unterstützt. 2. Vermögenspolitische Auswirkungen Ende 1983 besaßen die Mitarbeiter der untersuchten Beteiligungsunternehmen ein Beteiligungsvermögen von insgesamt 5, 5 Mrd. DM. Gegenüber der ersten bundesweiten Erhebung aus dem Jahre 1977, die ein Mitarbeiter-vermögen von 2, 3 Mrd. DM aufzeigte konnte somit in einem Zeitraum von nur sieben Jahren erheblich mehr Vermögen (3, 2 Mrd. DM) in Mitarbeiterhand gebildet werden als in den ersten rund 25 Beteiligungsjahren zuvor.
Dieser Vergleich zeigt eindrucksvoll, daß der Vermögensbildungsprozeß in Mitarbeiter-hand gerade in jüngster Zeit an Umfang und Tempo in den Unternehmen spürbar zugenommen hat. Zugleich ergibt sich damit, daß gegenwärtig die beteiligten Mitarbeiter im Durchschnitt ein Kapital in Höhe von 10 000 DM besitzen — ein Betrag, der etwa dreimal so groß ist wie derjenige, den Arbeiter und Angestellte durchschnittlich auf ihrem Sparbuch haben Angesichts dieser Fakten ist es unverständlich, wenn aus dem Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften unter der Überschrift „Ist Vermögensbildung nur Vermögenseinbildung?" die Meinung vertreten wird, betriebliche Beteiligungen der Arbeitnehmer seien Vermögensbildung in Arbeitgeberhand
Mit einer Bestandsrechnung ist allerdings noch kein endgültiges Urteil über den wirklichen Vermögensbildungseffekt gefällt. Denn von betrieblicher Vermögensbildung, die von ihrem Charakter her langfristig angelegt sein muß, kann erst dann gesprochen werden, wenn die Mitarbeiter deutliche Bereitschaft bekunden, nicht nur Risikokapital zu erwerben, sondern es auch auf Dauer halten zu wollen. Anders ausgedrückt lauten die Fragen-stellungen daher:
— Sind Mitarbeiter zur betrieblichen Vermögensbeteiligung nur bereit, wenn die Unternehmen die Finanzierung übernehmen, öder sind sie auch bereit, mit eigenen Mitteln betriebliche Vermögensanteile zu erwerben? — Wie verhalten sich Mitarbeiter, wenn sie nach Ablauf der Sperrfrist über ihr Kapital verfügen können?
Was die erste Frage betrifft, so scheuen nach Auffassung des DGB Arbeitnehmer die Risiken einer betrieblichen Vermögensbeteiligung und interessieren sich deshalb nicht sonderlich dafür Dieses Urteil ist jedoch nur historisch gesehen richtig und trifft nicht mehr für die Gegenwart zu. In der Tat war die Bereitschaft der Arbeitnehmer, sich am Risikokäpital zu beteiligen, in den fünfziger und sechziger Jahren sehr gering. In den fünfziger Jahren beteiligte sich durchschnittlich nur jeder fünfte beteiligungsberechtigte Mitarbeiter (17, 5%) am Unternehmenskapital. Der Beteiligungsgedanke war noch weitgehend fremd, das individuelle Einkommen gering und demgemäß auch die Beteiligungsbereitschaft. In den sechziger Jahren zeigte die Beteiligungsbereitschaft gewisse Fortschritte: Bereits jeder vierte beteiligungsberechtigte Mitarbeiter (26, 7%) akzeptierte im Durchschnitt ein Beteiligungsangebot des arbeitgebenden Unternehmens. Aber auch damit war der Beteiligungsgedanke bei den Arbeitnehmern immer noch nicht sehr populär.
Erst in den siebziger Jahren wurde ein deutlicher Durchbruch erzielt. Seit dieser Zeit beteiligen sich etwa drei Fünftel (60, 6%) der beteiligungsberechtigten Mitarbeiter freiwillig am Kapital ihres Unternehmens. Die allgemein erheblich verbesserte individuelle Einkommenslage, verbunden mit erhöhten Ersparnisleistungen, sowie eine verstärkte öffentliche Aufklärung über die Notwendigkeit einer Beteiligung am Produktivvermögen auch seitens der Arbeitnehmer waren maßgebliche Faktoren für diese Entwicklung. Hinzu kommt noch der sogenannte Nachah-mungseffekt; denn in jedem Unternehmen sind Mitarbeiter, die sich in gehobenen Positionen befinden und dementsprechend einen besseren Überblick über den Gesamtbereich haben, leichter für eine betriebliche Vermögensbeteiligung zu gewinnen. Wenn dann im Laufe von Beteiligungsjahren sich mehr und mehr durch das praktizierte Beispiel der anderen der Nutzen der Vermögensbeteiligung herumspricht — vor allem, wenn erkannt wird, daß die Renditen deutlich über den Zinsen des Sparbuchs liegen —, ist in der Regel auch der übrige Teil der Belegschaft allmählich bereit, sich ebenfalls mit Eigenleistungen zu beteiligen und an den Unternehmensgewinnen zu partizipieren.
Was die Bereitschaft betrifft, das betriebliche Kapital auch auf Dauer zu halten, so hat sich eindeutig ergeben, daß beteiligte Mitarbeiter auch nach Ablauf der Sperrfrist ihr Beteiligungskapital im wesentlichen nicht veräußern. Die damit zum Ausdruck kommende Bereitschaft zur langfristigen Vermögensbildung ist demgemäß erheblich stärker ausgeprägt als unter den übrigen Arbeitnehmern. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an das Jahr 1977, in dem 25 Mrd. DM vermögenswirksame Leistungen frei wurden — eine in dieser Höhe bis dahin einmalige Größenordnung. Zugleich war dies auch eine günstige Gelegenheit, das Arbeitnehmer-Sparverhalten in seiner Gesamtheit zu testen. Das Ergebnis ist bekannt: Gut ein Drittel der im wesentlichen auf Geldkonten angelegten Beträge flossen in den Konsum In Gegensatz dazu veräußert nur etwa ein Fünftel der Mitarbeiter die Kapitalanteile, wenn sie verfügbar geworden sind.
Wesentliche Gründe für dieses vermögensbewußte Verhalten sind die mit der Beteiligungspraxis automatisch verbundenen stetigen Informationen über die Ertragskraft des eigenen Unternehmens, die die beteiligten Mitarbeiter die Notwendigkeit einer langfristigen Vermögensbildung leichter erkennen lassen. Hiermit hängt auch eng deren Erkenntnis zusammen, daß das Mitarbeiterkapital zur Stärkung der Finanzkraft des Unternehmens beiträgt und daß ein Teil der Gewinne durch das Mitarbeiterkapital erwirtschaftet wird. Deshalb will man nicht ohne schwerwiegende Gründe durch Abzug des eigenen Kapitals die Ertragsgrundlagen des Unternehmens schwächen und damit die eigenen Arbeitsplätze zusätzlich gefährden. Diese Erkenntnis gilt um so mehr in wirtschaftlichen Krisen.
Insgesamt kann festgestellt werden, daß die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ein Instrument ist, das die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand beträchtlich erweitert und zugleich einen Beitrag zu einer ausgewogeneren Verteilung des Produktivvermögens leistet. 3. Mitarbeiterrechte Die Realisierung von Beteiligungsmodellen erfolgt auf der Basis der rechtlichen Gegebenheiten, d. h. Arbeitsrecht, Schuldrecht und Gesellschaftsrecht setzen die Bedingungen, an denen sich jede Form der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zu orientieren hat Diese Rechte können als eine Art Mindestrechte interpretiert werden, weil sie vom Gesetzgeber vorgeschrieben und auch nicht durch vertragliche Absprachen einschränkbar sind. Es bleibt jedoch den Unternehmen unbenommen, von sich aus den beteiligten Mitarbeitern weitergehende Rechte einzuräumen in der Erwartung, dadurch wirtschaftlich erfolgreicher abzuschneiden.
Wie die Untersuchung des IW und der GIZ gezeigt hat, machen die Unternehmen nur spärlich von der Möglichkeit Gebrauch, den Mitarbeitern zusätzliche Mitwirkungsrechte zu übertragen. So erhalten nur in einem Siebentel der Beteiligungsunternehmen die Mitarbeiter Rechte, die über die gesetzlichen Mindestbestimmungen hinausgehen. Dies hängt vor allem mit der Befürchtung zusammen, die Mitarbeiter könnten über die gebildeten Beteiligungs-oder Partnerschaftsausschüsse ihre Rechte mißbrauchen. So wird vielfach bei der Einführung von Beteiligungsmodellen die zukünftige Arbeit von Beteiligungsausschüssen in düsteren Farben gesehen: Kampfabstimmungen und eine von Mißtrauen geprägte Zusammenarbeit werden erwartet, falsche Zahleninterpretationen aufgrund mangelnder Sachkenntnisse und nicht zuletzt eine Unterwanderung der Beteiligungsausschüsse von links befürchtet.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen ein völlig anderes Bild der alltäglichen Praxis. Die Mitarbeitervertreter nehmen ihre Aufgabe stets mit großem Ernst und verantwortungsvoll wahr. Sie sind in der Regel auch zu Weiterbildungsmaßnahmen bereit, um sich die notwendigen Kenntnisse anzueignen. Bemerkenswert ist hierbei, daß in die Beteiligungsausschüsse keine Mitglieder gewählt werden, die nur „das große Wort" führen, sondern daß die beteiligten Mitarbeiter hier starken Wert darauf legen, sachgerecht vertreten zu sein. In der Erhebung ist kein Fall bekanntgeworden, nach dem es im Beteiligungsausschuß zu Kampfabstimmungen gekommen ist In keinem der untersuchten Unternehmen mußte ein Schlichtungsausschuß oder eine dritte Instanz eingreifen. Hier setzten sich stets Vernunft und Sachlichkeit bei unterschiedlichen Interessenlagen durch.
Vor allem von den Geschäftsleitungen wurde den Beteiligungsausschüssen hohes Lob gezollt: Die gewählten Mitarbeitervertreter seien durchaus imstande, betriebliche Interessen vor egoistische Motive zu stellen und zeigten sich in den meisten Fällen als kompetente Sachwalter und aktive Mitstreiter für Unternehmensziele. Widerlegt wurde auch die Befürchtung, daß Mitarbeitervertreter sich gegen erforderliche Investitionen zur Wehr setzen. Die Notwendigkeit von Investitionen zu Lasten kurzfristig höherer Gewinne wurde von den Mitarbeitern eingesehen.
Die Bedeutung derartiger Ausschüsse für den langfristigen Erfolg von Beteiligungsmodellen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Ausschußmitglieder halten den Kontakt zur Basis der beteiligten Mitarbeiter und bringen dabei die gewonnenen Informationen in die Ausschußsitzungen ein. Aus der Sicht der Geschäftsleitungen sind die Ausschußmitglieder Sprachrohr zur Belegschaft, die notwendige Maßnahmen und Entwicklungen interpretieren. Auch ist nicht bekanntgeworden, daß neben den Betriebsräten bestehende Beteiligungsausschüsse in Konkurrenz zueinander treten und die Rechte des Betriebsrates einengen. Zum einen sind in der Regel Betriebsratsmitglieder auch in den Beteiligungsausschüssen aktiv und erweitern damit sogar ihre Kompetenzen, zum anderen wissen die Betriebsräte durchaus zwischen ihrer Betriebsverfassungsfunktion und den Aufgaben von Beteiligungsausschüssen zu unterscheiden.
Nach den Meinungen der befragten Geschäftsleitungen und Betriebsräte verbinden sich mit den Beteiligungsmodellen, die eine höhere Mitbestimmungsintensität beinhalten, erheblich bessere Auswirkungen, überraschend ist hierbei, daß dieses Urteil bei den Geschäftsleitungen sogar deutlicher ausfällt als bei den Betriebsräten; dies überrascht zumindest dann, wenn man die These zugrunde legt, daß beteiligte Mitarbeiter eher an weiteren Mitbestimmungsrechten interessiert seien, Geschäftsleitungen hingegen vielmehr bestrebt seien, ein höheres Maß an Mitbestimmung zu vermeiden. Daß also auch von den Geschäftsleitungen versichert wird, eine stärkere innerbetriebliche Mitbestimmungsintensität gefährde nicht das Erreichen der gesetzten Ziele, sondern fördere diese eher, rechtfertigt die Feststellung, daß die erhaltenen Mitbestimmungsrechte von den Mitarbeiten verantwortungsvoll und für die Unternehmenszielsetzung wirkungsvoll wahrgenommen werden. 4. Gesellschaftspolitische Aspekte Die betriebliche Vermögensbeteiligung ist in der Bundesrepublik nach wie vor nicht unumstritten. Wenn auch viele kritische Stimmen inzwischen verstummt sind und selbst die Bundesregierung nunmehr durch das Vierte Vermögensbildungsgesetz Mitarbeiterbeteiligungen ausdrücklich fördert, ist demgegenüber der Deutsche Gewerkschafts-Bund (DGB) unverändert ein entschiedener Gegner dieses vermögenspolitischen Weges geblieben. Während heute die öffentliche Meinung überwiegend in der kapitalmäßigen Beteiligung der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz einen Beitrag zur Integration der Arbeitnehmer in Betrieb und Gesellschaft sieht, befürchtet der DGB vielmehr eine Belastung des gesellschaftspolitischen Klimas.
Diese Ablehnung wird mit der Gefahr begründet, die zu Miteigentümern gewordenen Arbeitnehmer hätten kein Interesse mehr an den Gewerkschaften, sie würden den Arbeitnehmerorganisationen tendenziell entfremdet, sie schließlich verlassen und dadurch die Gewerkschaft in der Wahrnehmung ihrer gesellschaftspolitischen und sonstigen Aufgaben entscheidend schwächen: „Nunmehr Miteigentümer geworden, . brauchen'die betroffenen Arbeitnehmer nicht mehr die Gewerkschaftsorganisation und treten konsequent aus." a) Organisationsgrad,
Die Einstellung beteiligter Mitarbeiter zu den Gewerkschaften läßt sich am besten an de: Höhe des gewerkschaftlichen Organisationsgrades messen, denn Mitarbeiter, die davon überzeugt sind, daß ihre Interessen bei den Gewerkschaften in guten Händen sind, werden dort Mitglied werden oder bleiben.
Die Beteiligungsunternehmen weisen einen Organisationsgrad im Durchschnitt von 50, 9% aus. Verglichen mit dem Durchschnittswert der gesamten Wirtschaft von 35%, bringt dieser Vergleich zumindest kein Indiz, daß Beteiligungsunternehmen eine geringere Gewerkschaftszugehörigkeit aufweisen als Unterneh-men, die keine Mitarbeiterbeteiligung praktizieren. Dies allein widerlegt allerdings die Befürchtung noch nicht, daß beteiligte Mitarbeiter mit zunehmender Beteiligungspraxis die Gewerkschaften verlassen werden. Um dies zu messen, ist eine dynamische Analyse erforderlich, die in der Untersuchung in der Weise vorgenommen wurde, daß man die Organisationsgrade zum Zeitpunkt der Einführung der Mitarbeiterbeteiligung und zum Stichtag der Untersuchung ermittelte.
Das Ergebnis ist eindeutig: In mehr als vier Fünfteln der Unternehmen ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad trotz einer teilweise bis zu 30 Jahren andauernden Beteiligungszeit nicht gesunken. Zwei Fünftel der Unternehmen verzeichnen sogar Zuwächse und nur in einem Sechstel der Unternehmen ist eine Abnahme der Gewerkschaftsmitglieder zu registrieren. Die rückläufige Entwicklung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades in diesen Unternehmen ist jedoch keineswegs durch die Tatsache der Mitarbeiter-beteiligung verursacht Vielmehr wurden als auslösende Faktoren registriert: Struktureflekte in der Zusammensetzung der Belegschaft und eine aus Arbeitnehmersicht überzogene gewerkschaftliche Beitragspolitik. b) Streikbereitschaft Ein weiteres wesentliches Faktum für die Gewerkschaften ist die Frage, in welchem Maße Mitglieder den Streikaufrufen Folge leisten. In der Theorie ist der Interessenkonflikt eindeutig: Die Gewerkschaften müssen bei ihren Streikaufrufen übergeordnete Gesichtspunkte in Rechnung stellen; beteiligte Mitarbeiter können jedoch vor Augen haben, daß durch Streiks „ihre" Gewinne geschmälert würden. In der Praxis hingegen verhalten sich die beteiligten Mitarbeiter keineswegs entsprechend dieser These, vielmehr ist nach Meinung sowohl der befragten Betriebsräte als auch der Geschäftsleitungen im allgemeinen von Beteiligungsmodellen kein großer Einfluß auf die Streikbereitschaft zu beobachten.
In kleineren und mittleren Unternehmen allerdings ist das Bild konturenreicher. Im mittelständischen Unternehmen spielt • der Gedanke der betrieblichen Partnerschaft eine weitaus wichtigere Rolle als in Großunternehmen. Für viele Mitarbeiter — aber auch für viele Unternehmer — würde ein Streik das Scheitern der Partnerschaftsidee schlechthin bedeuten. Eine solche Auffassung wurde in gut 10% der mittelständischen Unternehmen in mündlichen Interviews von Geschäftsleitungen und Betriebsräten bestätigt. In diesen Unternehmen ist damit eine Reduzierung der Streikbereitschaft eingetreten; allerdings wurde deutlich, daß sich für die Unternehmer in diesen Unternehmen auch analog eine Aussperrung verbietet.
Freilich kann nicht allein davon ausgegangen werden, daß in solchen Fällen die Ursachen für die Streikverweigerung ausschließlich in der Mitarbeiterbeteiligung zu sehen sind. An-B dere Gründe, wie ein geringer gewerkschaftlicher Organisationsgrad oder die Furcht, durch einen Streik die Stellung des Unternehmens am Markt zu schwächen und dadurch möglicherweise den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren, sind vielfach ebenfalls vorherrschend für ein Nichtbefolgen von Streikaufrufen. Fazit: Beteiligungsmodelle können die Streikbereitschaft der Mitarbeiter beeinflussen, aber nur sehr schwach und dann eher in mittelständischen und kleineren Unternehmen. Dies ist ein Ergebnis, das von Gewerkschaften keineswegs mit Sorge aufgenommen werden muß und schon gar nicht ihre Ablehnung gegen Beteiligungsmodelle unterstützt. Im Gegenteil, besonders in den Beteiligungsunternehmen, in denen eine etwas geringere Streikbereitschaft angetroffen wird, zeigt sich ein weiterer wichtiger Erfolg: Mitarbeiterbeteiligungsmodelle bewirken eine gesteuerte Konfliktbewältigung. Das heißt nicht, daß Beteiligungsmodelle einen völlig neuen Menschentyp formen, aus Arbeitnehmern etwa Unternehmer machen. Sie fördern jedoch Bereitschaft und Fähigkeit zu einem ausgewogeneren Handeln der Interessenlagen im Betrieb. Hieraus entwickeln sich leichter tragfähige Übereinkünfte. Es werden demgemäß auch nicht etwa Konflikte zwischen Kapital und Arbeit aufgehoben, wie fälschlicherweise behauptet wird diese werden jedoch gemildert und verlagern sich mehr auf eine sachliche und emotionsfreie Ebene und ermöglichen dadurch für alle Betroffenen, leichter vertretbare Kompromisse zu erzielen.
Diese aus jahrelanger Beteiligungspraxis festgestellte Erfahrung kann von den Gewerkschaften durchaus akzeptiert werden, denn in einem solchen Klima des Verständnisses werden Mitarbeiterinteressen angemessen berücksichtigt, die sonst trotz Arbeitskämpfen nicht durchgesetzt werden. Daß dabei Gewerkschaften nicht überflüssig werden, sondern vielmehr in eine höhere Verantwortungsqualität hineinwachsen, ist den beteiligten Mitarbeitern klar und wurde ausdrücklich von den Betriebsräten in den Interviews hervorgehoben. c) Stellung der Betriebsräte Vom DGB wird eingewandt, die Rechte von Betriebsräten würden in Beteiligungsunternehmen eingeschränkt und dadurch die Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen unterlaufen Welche Meinung die befragten Betriebsräte selber haben, geht aus nachstehender Tabelle klar hervor.
Wie die Tabelle offenbart, müssen die herkömmlichen Vorstellungen des DGB in den Bereich der Utopie verwiesen werden, denn die Betriebsräte sehen in der Hälfte der Beteiligungsunternehmen (50, 4%) ihre Position in keiner Weise beeinflußt. Darüber hinaus bescheinigen über zwei Fünftel der Betriebsräte (42, 0%) sogar eine Ausweitung ihrer Befugnise durch die Kapitalbeteiligung, also genau das Gegenteil von dem, was der DGB erklärt hat. Nur in einigen wenigen Unternehmen (7, 6%) waren die Betriebsräte der Meinung, daß ihre Stellung etwas geschwächt werde. Dies war jedoch weniger modellbedingt, als vielmehr in der eigenen Einstellung begründet, da diese Betriebsräte, die ganz oder teilweise das Beteiligungsverfahren ablehnten und deshalb den Mitarbeitern den Erwerb von Beteiligungstiteln auszureden versuchten, erkennen mußten, daß die Mehrzahl der Belegschaft ihren Empfehlungen nicht folgte. Sie sahen hierin einen gewissen Autoritätsverlust und damit auch eine Schwächung ihrer Position. d) örtliche Gewerkschaften Ein weiteres wichtiges Kriterium für die zusammenfassende Beurteilung gewerkschaftli-eher Positionen ist die Frage, wie die örtlichen Gewerkschaften die ablehnende Meinungsfront des DGB vor Ort vertreten. Dabei ist das Ergebnis (vgl. Tabelle 6) überraschend. Statt der erwarteten überwältigenden Ablehnung nehmen die örtlichen Gewerkschaften überwiegend eine flexible Haltung ein, die, von geringen Fällen der Ablehnung abgesehen, vornehmlich Neutralität und volle Zustimmung aufzeigt.
Dieses'Ergebnis enthüllt einen Zwiespalt im Gewerkschaftslager, der offenbar mehr Unsicherheit verrät, als bislang vermutet werden konnte. Die von der Gewerkschaftsspitze getragenen theoretischen und wohl auch ideologisch sowie politisch geprägten vermögenspolitischen Leitlinien können offenkundig vor Ort von der eigenen Führung nicht durchgesetzt werden. Die örtlichen Gewerkschaften erkennen aufgrund ihrer praktischen Erfahrung, daß es sinnlos wäre und zudem die eigene Position unnötig schwächen würde, Mitarbeiterbeteiligungen pauschal abzulehnen, wenn nicht nur die Arbeitnehmer allgemein, sondern auch die eigenen Mitglieder und nicht zuletzt die Betriebsräte als die Sprecher und Vertreter der Arbeitnehmerinteressen im Betrieb einen gegenteiligen Standpunkt einnehmen.
Damit ergibt sich: Die vom DGB durch Beteiligungsmodelle befürchtete Schwächung der Geschlossenheit der Arbeitnehmervertretung wird durch seine eigene ablehnende Haltung allenfalls selber provoziert; denn nicht nur die Arbeitnehmerbasis, sondern auch die meisten Betriebsräte und überraschend große Teile der eigenen Organisation, vertreten durch örtliche Gewerkschaften, nehmen in der Frage der betrieblichen Vermögensbeteiligung einen positiven• Standpunkt ein.
III. Perspektiven betrieblicher Vermögensbeteiligung
Abbildung 3
Tabelle 3:
Verhältnis des Mitarbeiterkapitals zum Eigenkapital
Tabelle 3:
Verhältnis des Mitarbeiterkapitals zum Eigenkapital
Die in diesem Beitrag dargelegten Erfahrungen lassen die klare Schlußfolgerung zu: Die betriebliche Vermögensbeteiligung ist kein Irrweg, wie viele Skeptiker bislang fälschlich vermutet haben; sie ist vielmehr ein Instrument, das beiden Seiten eindeutig Vorteile bringt. Die Unternehmen erhalten erhebliche Finanzierungsmittel, gewinnen einen motivierten Mitarbeiterstamm und werden dadurch insgesamt leistungsfähiger; die Arbeitnehmer können ihre Vermögensbildung beträchtlich steigern und erhalten gesichertere Arbeitsplätze. Dennoch hat sich das Ausmaß freiwilliger Beteiligungsinitiativen — trotz bedeutender Fortschritte seit den siebziger Jahren — in Grenzen gehalten.
Mit dem am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Vierten Vermögensbildungsgesetz ist allerdings eine weitere Möglichkeit geschaffen, die die künftige Entwicklung zugunsten frei-
williger betrieblicher Vermögensbeteiligung in verstärktem Maße beeinflussen könnte. Denn erstmals werden Unternehmen und Mitarbeiter, die bereit sind, betriebliche Kapitalbeteiligungen einzugehen, spürbar in Form Von Prämien und Steuerbefreiungen geför13 dert. Schwerpunkt der Gesetzesnovellierung sind zwei Anreize:
— über die bisher möglichen 624 DM hinaus können weitere 312 DM vermögenswirksam angelegt werden. Allerdings werden nur Anlagen im Produktivkapital prämiert, wozu überwiegend die Formen der betrieblichen Beteiligungen zählen. Hierfür gewährt der Staat den Arbeitnehmern eine Sparzulage von 23% (33% bei Verheirateten mit mindestens drei Kindern). — Wenn Unternehmen Beteiligungsangebote unterbreiten, können Unternehmens-zuwendungen bis zu 300 DM pro Mitarbeiter jährlich steuer-und sozialabgabenfrei übereignet werden.
Damit schafft der Gesetzgeber eine neue Ausgangslage. Zwar wird kein Arbeitgeber verpflichtet, gegen seinen Willen Beteiligungen einzugehen, doch dürfte es für ihn sehr wohl interessant sein zu prüfen, inwieweit es jetzt sinnvoll sein könnte, seinen Mitarbeitern eine Beteiligung anzubieten. Zwei Gründe könnten für solche Überlegungen ausschlaggebend sein: — Dem Arbeitgeber steht erstmals eine große Angebotspalette verschiedenster Beteiligungsformen, die steuer-und prämienrechtlich gefördert werden, zur Verfügung. Sie reichen vom einfachen Mitarbeiterdarlehen über die stille Beteiligung und den Genußschein bis hin zur Belegschaftsaktie. — Bei voller Ausschöpfung der neuen gesetzlichen Möglichkeiten kann das Unternehmen seine Liquidität bis zum Sechsfachen erhöhen. Beispiel: Ein Unternehmer verwendet von seinem Gewinn 30 000 DM für eine Mitarbeiterbeteiligung mit einem Wert von 60 000 DM. Für diese 60 000 DM brauchen die Mitarbeiter nur eine Eigen-leistung von 30 000 DM zu erbringen, wobei für die 30 000 DM Unternehmenszuwendungen Steuerfreiheit und die 30 000 DM Eigenleistungen der Arbeitnehmer Prämien gewährt werden. Dem Unternehmen stehen somit 60 000 DM für Investitionen zur Verfügung, d. h.sechs-mal so viel wie ohne Vermögensbeteiligung; denn ohne eine solche Beteiligung bleiben dem Unternehmen von seinem Gewinn nach Steuern nur 10 000 DM.
Diese massiven Anreize werden auf beteiligungswillige Unternehmen und Arbeitnehmer ihre Wirkung gewiß nicht verfehlen: Die Unternehmer können auf diese Weise die Finanzkraft ihrer Betriebe nachhaltig stärken und die Kapitalbasis beträchtlich ausbauen, während die Arbeitnehmer jetzt die große Chance haben, Ersparnisse auf Anhieb mehr als zu verdoppeln und damit ihre eigene Vermögensbildung weiter zu forcieren. Zudem zeigen die in jahrelanger Praxis gesammelten Erfahrungen auf, daß in der betrieblichen Vermögensbeteiligung ein Weg gesehen wird, Arbeitnehmer stärker in Betrieb und Gesellschaft zu integrieren. So steht zu erwarten, daß die-mit dem Vierten Vermögensbildungsgesetz verbundenen Förderungsmaßnahmen den freiwilligen Beteiligungsinitiativen neue Impulse verleihen werden. Damit leistet eine solche Entwicklung, die künstliche Fronten zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern abbaut und durch partnerschaftliche Zusammenarbeit ersetzt, auch einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung des sozialen Friedens, ohne den ein störungsfreier Ausbau unserer Wirtschaft nicht möglich ist. ,
Hans-Günter Guski, Dr. sc. pol., Diplom-Volkswirt, geb. 1929; Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kiel; seit 1970 Leiter des Referats Vermögensbildung und Vermögens-politik im Institut der deutschen Wirtschaft. Veröffentlichungen u. a.: Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Eine Bestandsaufnahme (zus. mit H. J. Schneider), Köln 1977; Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Teil II: Ergebnisse, Erfahrungen und Auswirkungen in der Praxis (zus. mit H. J. Schneider), Köln 1983. Hans J. Schneider, Dr. rer. pol, Dipl. Handelslehrer, geb. 1944; Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg; seit 1975 geschäftsführender Gesellschafter der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit GIZ und GmbH; Schriftleiter der Fachzeitschrift „personal“. Veröffentlichungen u. a.: Herausgeber des „Handbuchs der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung", Köln 1977; Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Eine Bestandsaufnahme (zus. mit H. -G. Guski), Köln 1977; Betriebliche Vermögensbeteiligung in der Bundesrepublik Deutschland — Teil II: Ergebnisse, Erfahrungen und Auswirkungen in der Praxis (zus. mit H. -G. Guski), Köln 1983.
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