I. Vom Objekt zum Subjekt?
In enger Verknüpfung miteinander führten in den siebziger Jahren hauptsächlich drei Faktoren zu einer verstärkten Einbeziehung der Nord-Süd-Problematik in die Diskussion um die internationale Sicherheit: Zum einen waren dies behauptete oder wirkliche Erfordernisse der ökonomischen Sicherheit der westlichen Industrieländer (Energie-und Rohstoffversorgung, Absicherung der Bezugsquellen und Transportwege), zum anderen der verschärfte Austrag des Ost-West-Konflikts in der Dritten Welt (Konflikte in Asien, Afrika und Lateinamerika als „Süddimension" des Ost-West-Konflikts, Stellvertreterkriege, Ringen um Einflußsphären) und zum weiteren die erhöhte Kriegsgefahr aus dem Süden (wachsende Eskalations-und Internationalisierungsrisiken lokaler/regionaler Kriege in der Dritten Welt). Mithin wurde die Dritte Welt zunehmend als ein wichtiger Bestandteil der internationalen Sicherheitsproblematik gesehen und als ein möglicher Destabilisierungsfaktor des internationalen Sicherheitssystems erkannt
Doch blieb hierbei die vorherrschende Betrachtung der Dritten Welt eine eurozentrische; die Entwicklungsländer wurden als Objekt der Sicherheitspolitik, als eine Art von Sicherheitsrisiko für fremde Sicherheitsinteressen angesehen, nicht jedoch als ein Subjekt eigenständiger Sicherheitspolitik, das umgekehrt auch anderen Staaten gegenüber legitime Sicherheitsinteressen geltend machen kann. Doch angesichts des fortschreitenden Prozesses relativer Macht-Diffusion in den internationalen Beziehungen müssen die Länder der Dritten Welt als sicherheitspolitische Akteure zunehmend ernster genommen werden. Im Kern bedeutet Macht-Diffusion, daß immer mehr Staaten (vornehmlich in der Dritten Welt) durch Aufrüstung und Nutzung wirtschaftlicher und/oder strategischer Vorteile im „Spiel der Großen Mächte mitmischen" wollen und können Dies gilt insbe-sondere für die industriellen und nuklearen Schwellenländer, die als neue Regionale Vor-mächte oder Mittelmächte die althergebrachte Vorherrschaft der klassischen Mächte aufbrechen möchten „Theoretisch läßt sich diese Entwicklung als Übergang von einer duopolistisch bzw. oligopolistisch geprägten Sicherheitsstruktur zu einem multipolaren Weltsystem erfassen, in dem die Chancen auf unilaterale Kontrollierbarkeit und Steuerung von Konflikten ständig sinken." Im Rahmen dieser Lockerung der überkommenen oligarchischen Weltordnung betreiben die Länder der Dritten Welt zunehmend eigenständige Sicherheitspolitiken, sei es auf einzelstaatlicher, nationaler Ebene oder sei es auf der Ebene regionaler Sicherheitsgemeinschaften. Die Definition von Sicherheit und die Formulierung von Sicherheitspolitiken erfolgt dabei durch Herrschaftsgruppen, deren Legitimationsgrad und Stabilitätsgrundlage oftmals nicht sehr hoch und festgefügt sind. Bedroht werden diese Gruppen in ihrer eigenen Gesellschaft durch konkurrierende Elite-Fraktionen, durch unterprivilegierte Klassen und unzufriedene ethnische Minderheiten. Sicherheit, besonders die Innere Sicherheit, bedeutet daher die Absicherung der Vorherrschaft dieser Gruppen und ihres staatlichen Machtapparates gegenüber solchen Bedrohungen: „In dem Maße, in dem in Entwicklungsländern Staat und herrschende Eliten identisch sind, wird die Sicherheit des Staates zur Sicherheit der Eliten und damit eine Funktion der Herrschaftssicherung." Um in diesem Zusammenhang den Begriff der Sicherheit zu problematisieren, sollte man somit zwischen der „Sicherheit des Staates" (= Schutz der Machtgruppen und des von ihnen besetzten Staatsapparates vor Putschen, Revolutionen und Sezessionen) und der „Sicherheit des Volkes" (= Schutz der Bevölkerung insgesamt, von Teilgruppen der Bevölkerung, von Einzelpersonen vor Unterdrückung, Verfolgung, Ausbeutung und Vernachlässigung durch den Staat) unterscheiden
II. Sicherheitspolitik in Afrika: Rekolonisierung oder Pax Africana?
Die Problematik „Sicherheitspolitik und Dritte Welt" soll am Beispiel Afrikas exemplarisch erörtert werden. Dabei wird der bisher vernachlässigten Subjekt-Perspektive besonderes Gewicht zukommen
Afrika geriet in den letzten Jahren verstärkt in die sicherheitspolitischen Schlagzeilen: Gekennzeichnet durch Rohstoffreichtum (u. a. strategische Rohstoffe wie Erdöl, Uran und Chrom), vielfältige innere und äußere Konflikte (u. a. Westsahara, Tschad, Horn von Afrika, Zaire/Shaba-Provinz, Südliches Afrika), seine geopolitische Lage zwischen Atlantik und Indik mit wichtigen Transport-und Verbindungslinien (Kaproute, Suezkanal) wurde der afrikanische Kontinent in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre vielfach zum Objekt raumfremder Interventionen (UdSSR und Kuba in Angola und Äthiopien; die westlichen Länder Belgien, Frankreich und USA in Zaire und im Tschad) und zum Schauplatz eines verschärften Ost-West-Konflikts. In Erinnerung an die koloniale Aufteilung Afrikas im 19. Jahrhundert sprachen manche Beobachter in diesen Zusammenhängen schon von einer „Neuen Balgerei um Afrika" und von einer tendenziellen Rekolonisierung des Kontinents. Demgegenüber stand die unverkennbare „Krise der OAU", also der afrikanischen Staatenorganisation, die als kollektives Sicherheitssystem zur Erhaltung von Einheit und Frieden sowie zur Lösung von Problemen ohne Einmischung von außen gegründet worden war (Pax Africana, Afrika den Afrikanern!).
III. Afrikas Stellung im internationalen System
1. Afrika im Nord-Süd-Konflikt Im Zuge der europäischen Expansion nach Übersee und der Ausbreitung des Kolonialismus wurde Afrika in das westlich-kapitalistische Weltsystem eingegliedert Jahrhundertelang lag die Bedeutung Afrikas innerhalb dieses Systems in dem Reichtum seiner Rohstoffe begründet (früher z. B. menschliche Energie in Form von Sklaven, Gold, Elfenbein; heute z. B. Erdöl, Uran, Kupfer, Chrom). Heute sind vor allem die erdölexportierenden und teilindustrialisierten Länder Nordafrikas zu nennen, -der bedeutendste Erdölexporteur in
Afrika südlich der Sahara: Nigeria; die Vielfalt der übrigen exportorientierten Ökonomien mit ihrer unterschiedlichen Export-struktur (mineralische Rohstoffe, pflanzliche Rohstoffe, verarbeitete Waren) sowie das relativ stark industrialisierte und rohstoffreiche Südafrika. Doch trotz dieses Reichtums und seines Wirtschaftspotentials hat Afrika — verglichen mit Asien und Lateinamerika — eine eher periphere Position innerhalb der Weltwirtschaft inne.
Der Kontinent weist nur wenige industrielle Schwellenländer auf, ist überwiegend agrikulturell strukturiert, von der Natur oft benachteiligt (Wassermangel, Verwüstung) und weithin unfähig zur Versorgung seiner rasch wachsenden Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. „Von der Fläche her ein Riese, ist Afrika vom Einkommen her ein Zwerg, und ein besonders armer dazu" von den 34 Ländern der Welt, die im Jahre 1981 nur ein Jahres-Pro-Kopf-Einkommen von bis zu 400 Dollar verzeichneten, lagen 21 in Afrika, das einen besonders hohen Anteil an sogenannten Mangel-und Problemländern (LLDC-Länder = die ärmsten Länder der Erde, Insel-und Binnenländer, MSAC-Länder = besonders hart von der Ölkrise betroffene Länder) aufweist , Der Kontinent hatte auch schwer unter der Weltwirtschaftskrise der letzten Jahre zu leiden (Rückgang der Pro-Kopf-Einkommen, der Rohstoffexporterlöse, der Nahrungsmittelproduktion, Zunahme von Verschuldung, Dürre-und Hungerproblemen und sozialen Spannungen
Der Kolonialismus hinterließ Afrika nicht nur eine unterentwickelte Wirtschaftsstruktur, sondern auch ein „balkanisiertes", d. h. in eine große Anzahl von vielfach kaum lebensfähigen Einheiten aufgesplittertes Staatensystem (36 Staaten in Afrika südlich der Sahara haben nur eine Bevölkerung von bis zu 10 Millionen Einwohnern; zwölf haben sogar nur weniger als 1 Million). Dieses war zudem noch durch einen fast völligen Mangel an intra-kontinentalen Kommunikationsstrukturen (Eisenbahnen, Straßen, Nachrichtenverbindungen) gekennzeichnet war. Der kolonial überkommene Staat in Afrika erwies sich in der Regel als ein „schwacher Staat", weithin unfähig zur effektiven Regierung, Verwaltung und Versorgung . Die den ehemals kolonialen Staatsapparat im Zuge der Dekolonisation besetzenden nationalen Eliten Afrikas rückten vielfach als „Staatsklassen" in die Positionen der Kolonialherren ein und sicherten sich im Rahmen neokolonialer Abhängigkeitsverhältnisse durch die Kontrolle des „peripheren Staates" als Garanten der Exportproduktion ihre Macht-und Herrschaftsbasis.
Zwar bemühten sich afrikanische Regierungen und Staaten in der nachkolonialen Zeit um eine Diversifizierung ihrer Außen-und Binnenwirtschaften und um einen Abbau der historisch überkommenen externen Abhängigkeiten, doch bislang mit nur relativ geringem Erfolg. Gemeinsam mit anderen Ländern der Dritten Welt (Bewegung der Blockfreien, Gruppe der 77, AKP-Staaten) versuchten sie, Reformen in den Nord-Süd-Beziehungen (Neue Weltwirtschaftsordnung, EG-Assoziierung: Verträge von Lom) durchzusetzen und die Süd-Süd-Kooperation auszuweiten Vor die Alternative „Einheit oder Armut" gestellt betrieben die Afrikaner auch eine „Ökonomie des Panafrikanismus" (1980 OAU-Aktionsplan von Lagos für kollektive Self-Reliance und Entwicklung) und förderten die wirtschaftliche Zusammenarbeit untereinander (Regionale Kooperation und Integration in vielfältiger Form). 2. Afrika im Ost-West-Konflikt Infolge seiner wirtschaftlichen und staatlichen Schwäche nimmt Afrika auch innerhalb des internationalen Macht-und Staatensystems eine eher untergeordnete Stellung ein Doch gerade dieses „Macht-Vakuum" war zusammen mit dem Rohstoffreichtum Afrikas und den politisch-gesellschaftlichen Wandlungsprozessen in verschiedenen Regionen des Kontinents der wesentliche Grund dafür, daß Afrika in den letzten Jahren zunehmend in den Ost-West-Konflikt einbezogen wurde. Während die Supermacht-Rivalität in den sechziger Jahren (von der Kongo-Krise 1960— 1965 einmal abgesehen) relativ schwach blieb, verschärfte sie sich seit Mitte der siebziger Jahre zusehends. Die wichtigsten Stationen dabei waren der Krieg in Angola (Bürgerkrieg und Invasion durch Südafrika) 1975/76 und die damit einhergehenden Interventionen der UdSSR und Kubas zugunsten der MPLA der Ogadenkrieg zwischen Äthiopien und Somalia 1977/78 und der damit zusammenhängende Allianzwechsel am Horn von Afrika (UdSSR von Somalia nach Äthiopien, USA von Äthiopien nach Somalia) sowie die massive militärische Unterstützung des äthiopischen Revolutionsregimes durch die Sowjetunion und Kuba und schließlich die sogenannten „Shaba-Krisen" (1977/78 (im Süden des rohstoffreichen Zaire, der ehemaligen Provinz Katanga des früheren Kongo), in denen wohl zumindest indirekt von Angola, der UdSSR und Kuba unterstützte bewaffnete Kräfte durch das militärische Eingreifen westlicher Staaten (Belgien, Frankreich, USA) zurückgedrängt wurden.
Trotz der in Europa noch anhaltenden Entspannungspolitik trafen seit Mitte der siebziger Jahre in einer Art von „vorgeschobener Systemkonkurrenz" Ost und West in Afrika aufeinander: die UdSSR, z. T. vertreten durch Kuba die USA mit ihren afrikanischen Stellvertretern (vgl. z. B. Marokkos Rolle in den Shaba-Krisen!) und mit Frankreich, sozusagen dem „Kuba des Westens" oder dem „Gendarm der NATO" in Afrika In den beginnenden achtziger Jahren machte dann die Entspannungspolitik im Zuge der UdSSR-Intervention in Afghanistan, des Reaganismus in den USA und des Nachrüstungsstreits endgültig einem „Neuen Kalten Krieg" Platz, der sich auch auf die politischen Verhältnisse in Afrika auswirkte. Durch die neuartige interventionistische Politik der Sowjetunion (Fähigkeit zu weltweit ausgreifender militärischer Machtausübung) sah sich der Westen in seinem traditionellen Einflußbereich Afrika herausgefordert. Europäer wie Amerikaner wähnten nunmehr — wohl oftmals stark dramatisiert — ihre wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen durch den Zugriff der UdSSR bedroht (u. a. „Verlust" rohstoffreicher und geopolitischer Schlüsselländer und -regionen wie Südafrika, Zaire, Tschad, Horn von Afrika; Gefährdung der Kaproute und der Verbindungslinien im Indi-sehen Ozean; Störung regionaler Machtbalancen; Destabilisierung pro-westlicher Regime Die Sowjetunion hingegen betrieb in Verfolgung eigener strategischer und wirtschaftlicher Interessen eine Absicherung und Stärkung revolutionärer, sozialistischer und pro-sowjetischer Staaten in Afrika (namentlich Angolas, Mozambiques und Äthiopiens), unterstützte den Befreiungskampf gegen den Rassismus im Südlichen Afrika (Hilfe für die SWAPO und den ANC) und intensivierte ihren wirtschaftlichen Austausch mit afrikanischen Ländern Dabei stand sie nicht nur in Konkurrenz zu westlichen Mächten, sondern auch in Rivalität mit der VR China.
über Vertragswerke, Wirtschafts-und Militärhilfe sowie direkte und indirekte Interventionen suchten Ost und West ihre jeweiligen Einflußbereiche abzusichern und zu festigen und das gegnerische Lager zu destabilisieren und zu schwächen. Im Zuge seiner verschärften Eindämmungspolitik gegenüber der UdSSR in Afrika vertiefte der Westen (namentlich die USA und Frankreich) seine militärischen Bindungen an die Staaten Marokko, Tunesien, Zaire und eine Reihe anderer frankophoner Staaten (die z. T. in Zaire/Shaba als Stellvertreter westlicher Staaten fungierten), sowie an Ägypten, Sudan, Kenia und Somalia (Einbeziehung in die logistische Infrastruktur für die US-amerikanische Schnelle Eingreiftruppe) und wertete das eigene strategische Dreieck mit Israel und Südafrika sowie die Rolle Südafrikas als anti-kommunistischer „Wächter am Kap" auf Konterkariert werden sollte insbesondere der sowjetische Einfluß in Nord-, West-und Zentralafrika (namentlich in Libyen sahen die USA hier einen sowjetischen Stellvertreter) im Südlichen Afrika (Angola, Mozambique) und am Horn von Afrika (Äthiopien, Südjemen) 3. Afrika in der Weltmilitärordnung Im engen Zusammenhang mit der Nord-Süd-und Ost-West-Konflikt-Formation fügte sich Afrika auch in die Weltmilitärordnung ein. Der Begriff „Weltmilitärordnung" bezeichnet das weltweite Geflecht von Zusammenhängen und Abhängigkeiten in den Bereichen der Rüstung, der Waffenproduktion und des Waffenhandels, der Militarisierung und Militärherrschaft, der militärischen Ausbildung, der Militärbündnisse und -basen sowie der Kriegführung
In dieses Geflecht wurde Afrika insbesondere in den siebziger Jahren zunehmend einbezogen; doch blieb die Militarisierung des Kontinents insgesamt gesehen im Vergleich etwa zu den Regionen Asiens und Lateinamerikas immer noch auf relativ niedrigem Niveau Allerdings mehrten sich auch in Afrika die Anzeichen wachsender Militarisierung: Immer mehr und bessere Waffen erreichten den Kontinent, die Militärausgaben zahlreicher Staaten stiegen an, afrikanische Armeen nahmen an Personalstärke zu und differenzierten sich nach den Waffengattungen des Heeres, der Luftwaffe und der Marine, die Zahl der militärischen Staatsstreiche und Militärregime erhöhte sich, inner-und zwischenstaatliche Konflikte wurden verstärkt unter Rückgriff auf militärische Gewalt ausgetragen. Darüber hinaus wurde der Kontinent häufiger von raumfremden militärischen Interventionen heimgesucht, und etliche afrikanische Staaten gingen enge militärpolitische Bindungen mit außerafrikanischen'Mächten des westlichen oder östlichen Lagers ein. Während in den sechziger Jahren nur Südafrika und Ägypten waffentechnologisch anspruchsvolle Armeen unterhielten und von Mannschaftsstärke und Ausrüstung her zu einer regional ausgreifenden militärischen Rolle in Afrika fähig waren, zogen in den siebziger Jahren eine Reihe anderer afrikanischer Länder nach (u. a. Algerien, Libyen, Äthiopien, Nigeria, Marokko), indem sie moderne Waffensysteme erwarben (u. a. Kampf-panzer, Kampfflugzeuge und Lenkwaffen) und die Ausrüstung und Kampfkraft ihrer Armeen stetig verbesserten. Als Militärmächte mittleren Ranges folgen diesen Länder wie Tunesien, Kenia, Zambia, Mozambique, Sudan, Zaire, Tanzania, Uganda und Angola. Dabei blieb Afrika hochgradig von Rüstungsimporten abhängig; eine beachtliche Rüstungsproduktion in afrikanischen Ländern gibt es bisher nur in Südafrika und in Ägypten. Die wichtigsten Waffenlieferanten Afrikas sind neben den beiden Supermächten vor allem Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Italien, die Tschechoslowakei und Jugoslawien. Als Hauptempfänger sowjetischer Rüstungsgüter gelten Libyen, Algerien und Äthiopien, während die Empfänger amerikanischer Lieferungen neuerdings namentlich Marokko, Tunesien, Sudan, Somalia und Kenia sind Andere Länder wie z. B. Nigeria haben ihre Bezugsquellen von Waffen hingegen stark diversifiziert. Südafrika arbeitet rüstungstechnisch eng mit westlichen Staaten und mit Israel zusammen Besonders hohe Rüstungsausgaben und -importe tätigten in den letzten Jahren etliche auf dem Weltmarkt Überschüsse erzielende Exporteure von Mineralien und Erdöl: Südafrika, Nigeria, Zaire, Marokko, Algerien, Libyen und Zambia, so daß man in diesen Fällen von einem „Rentier-Militarismus" gesprochen hat Eine Reihe afrikanischer Länder unterhielt zudem enge militärpolitische Beziehungen mit außerafrikanischen Mächten (u. a. Versorgungseinrichtungen für die Flotten und Luftwaffen dieser Mächte, Abhaltung gemeinsamer Manöver, Stationierung von Militärberatern und Truppenkontingenten), so z. B. Angola und Äthiopien mit der UdSSR und Kuba, Ägypten, Sudan, Kenia und Somalia mit den USA, Djibouti, Gabun, Elfenbeinküste, Senegal und Togo mit Frankreich
Ein besonderes Problem im Zusammenhang mit der Position Afrikas in der Weltmilitärordnung stellt die Frage der Nuklearrüstung auf dem Kontinent dar. Als Kandidaten für atomare Schwellenländer gelten neben Südafrika Ägypten, Libyen, Zaire und Nigeria. Die OAU tritt seit ihrer Gründung gegen die nukleare Proliferation und für eine „Atomwaffenfreie Zone Afrika" ein; ursprünglich gegen die Atombombenversuche Frankreichs in der Sahara gerichtet, wendete sich diese Forderung später gegen die vermutete Atomrüstung Südafrikas Um dieser Herausforderung zu begegnen, haben sich in Afrika politische und intellektuelle Fürsprecher einer „Schwarzen Atombombe" hervorgetan (insbesondere der Politikwissenschaftler Ali Mazrui) deren Bau vor allem von Zaire und Nigeria betrieben werden sollte, um das Nuklearpotential Südafrikas konterkarieren zu können.
IV. Sicherheitspolitische Probleme in Afrika
1. Die innere Sicherheit Die „Sicherheit des Staates" in Afrika wird idealtypisch durch drei — oftmals miteinander verschränkte — Probleme gefährdet: durch die Nichtübereinstimmung von Staat und Nation, durch Klassenkonflikte, die sich häufig noch als ethnische Konflikte („Tribalismus") manifestieren, und durch die Machtansprüche rivalisierender Elite-Fraktionen.
Der typische afrikanische Staat ist eine künstliche, vom Kolonialismus produzierte „Staatsnation", jedoch kein — wie in Europa — historisch gewachsener „Nationalstaat" Die Gesellschaften der afrikanischen Staaten sind also im Regelfall durch ethnische Heterogenität und kulturellen Pluralismus gekennzeichnet, weisen kein „Nationalgefühl" im modernen Wortsinne auf (vielfach noch Vorherrschen primärer Bindungen an die ethnische Gruppe) und bestreiten oftmals — zumindest in Teilen — die Legitimität des Staates und seiner Führungsgruppen. Die afrikanischen Staatsklassen wiederum, die eine „Nationenbildung" betreiben wollen, können sich dabei nur eines „territorialen Nationalismus" auf der Grundlage kolonialer Grenzen und Verwaltungseinheiten bedienen. Jegliche separatistisch-sezessionistische Bestrebung einzelner Bevölkerungsteile bedroht daher nicht nur die territoriale Integrität des Staates, sondern auch die Legitimität der Staatsklassen und die Autorität des staatlichen Machtapparates. Vor diesem Hintergrund wird erklärbar, warum in Afrika — und zwar unabhängig von der sozioökonomischen Ordnung und ideologischen Orientierung — autoritär-zentralistische Regime vorherrschen, vielfach in Form einer Militärherrschaft, durch die am eindrucksvollsten die zentralstaatliche Zwangs-gewalt verkörpert wird. In Verbindung mit wirtschaftlichen Verteilungskämpfen führten derartige Widersprüche zwischen Staat und Nation zu den bisher schwersten und langwierigsten inneren Kriegen in Afrika: Nigeria/Biafra (1967— 1970), Sudan (1956— 1972), Tschad (1960ff), Kongo/Zaire (Katanga/Shaba, sechziger und siebziger Jahre), Äthiopien/Eritrea (1961 ff) Diese Sezessionskriege waren unter dem Blickwinkel der „Sicherheit des Staates" zugleich auch Anti-Regime-Kriege, die tendenziell den Zerfall des kolonial überkommenen Staates nach sich ziehen konnten, so wie es sich gegenwärtig im Tschad abzeichnet
Soziale Konflikte bzw. Klassenkonflikte sind in Afrika noch häufig mit ethnischen Konflikten verbunden. Unterprivilegierte bzw. unzufriedene Bevölkerungsgruppen drücken ihren Protest vielfach in traditionalen ethni-sehen, kulturellen und religiösen Formen aus: afrikanische Politiker mobilisieren bei sozialen und wirtschaftlichen Verteilungskämpfen gezielt primäre Loyalitäten — der manifeste Konflikt stellt sich dann oft als tribalistischer oder „Stammeskonflikt" dar. Eine Revolution im klassischen Sinne war die Zerschlagung des Feudalismus und der kaiserlichen Autokratie in Äthiopien. Ca. 16 Guerillabewegungen führen derzeit nationale und/oder soziale Befreiungskämpfe gegen afrikanische Regierungen
Im Kampf um die Kontrolle und Nutzung des Staatsapparates kam es in Afrika zu zahlreichen Staatsstreichen, Militärputschen und Regimewechseln, überwiegend handelte es sich dabei jedoch nur um einen Machtwechsel innerhalb der herrschenden Sozialschicht, also um eine Art von Eliten-Rotation; in manchen Fällen (z. B. bei einigen Militärputschen) aber ließen sich auch revolutionäre Züge bzw. Elemente des Klassenkampfes erkennen. 2. Die äußere Sicherheit Die „Sicherheit des Staates" nach außen wird in Afrika vornehmlich durch drei Probleme gefährdet: durch die Einmischung afrikanischer Staaten in die inneren Angelegenheiten anderer afrikanischer Staaten, durch Grenzkonflikte zwischen afrikanischen Staaten und durch den Konflikt der afrikanischen Staaten mit dem weißen, rassistischen Minderheiten-regime im Südlichen Afrika.
Unerwünschte Einmischungen in die inneren Angelegenheiten afrikanischer Staaten von Seiten anderer afrikanischer Staaten gab und gibt es in vielfältiger Form (Unterstützung von Oppositionsgruppen und Sezessionskräften, Subversion und Sabotage, offene militärische Intervention). Bekannte Beispiele sind u. a. die Einschleusung bewaffneter Kräfte durch Angola in Zaire 1977/78 (Shaba-Provinz), die Unterstützung ugandischer Exil-gruppen durch Tansania und dessen militärische Intervention gegen, das von Amin beherrschte Uganda 1978/79 sowie die Destabilisierungsaktionen Libyens in verschiedenen afrikanischen Staaten (u. a. in Ägypten, Sudan, Tunesien) und dessen militärische Intervention im Tschad 1980/81 ff. Das Konfliktpotential der in der Kolonialzeit willkürlich gezogenen afrikanischen Grenzen erwies sich offensichtlich in der nachkolonialen Zeit als nicht so groß, wie ursprünglich erwartet Hierzu trug sicher das Interesse fast aller afrikanischen Staatsklassen an stabilen Grenzen und Territorien ebenso bei wie die Tatsache, daß nicht die Grenzziehungen als solche schon Konflikte auslösen. Erst in Verbindung mit großen grenzüberlappenden ethnischen Minderheiten, Rohstoffinteressen in umstrittenen Grenzgebieten, politisch-ideologischen Streitigkeiten, konkurrierenden Ansprüchen auf regionale Vormachtstellung und strategischen Interessen raumfremder Mächte entfalten unklar delimitierte und demarkierte Grenzen ihr Konfliktpotential Da solche Bedingungen aber in den meisten Fällen (noch?) nicht gegeben waren, kam es oft nur zu einem diplomatisch-politischen Konfliktaustrag oder zu kleineren Grenzscharmützeln (z. B. Obervolta/Mali, Ghana/Togo, Libyen/Ägypten, Kenia/Äthiopien); zu militärischen Grenzkriegen eskalierten Grenzkonflikte nur in wenigen Fällen (als wichtigste Beispiele seien genannt: Marokko/Algerien 1963; später Westsahara-Konflikt zwischen Marroko und Algerien/Polisario; Somalia/Äthiopien 1963/64 und 1977/78)
Um einen Konflikt besonderer Art handelt es sich bei der Auseinandersetzung der afrikanischen Staaten mit dem weißen, rassistischen Minderheitenregime im Südlichen Afrika. Hierbei geht es einerseits um die Unterstützung des Befreiungskampfes schwarzer Guerillabewegungen und Mehrheitsgruppen gegen die Herrschaft der weißen Minderheit (SWAPO/Namibia, ANC/Südafrika), und andererseits um den Schutz der sogenannten Frontlinienstaaten (Angola, Mozambique, Zambia, Zimbabwe, Botswana und Tanzania) vor südafrikanischen Übergriffen und Vergeltungsschlägen. Seit Jahren findet zwischen Südafrika einerseits und den afrikanischen Befreiungsbewegungen und Konfliktrandstaaten andererseits ein unerklärter Krieg statt der von Guerilla und Anti-Guerilla, Terror und Gegen-Terror, Subversion, Destabilisierung und Kommandoaktionen sowie Luftangriffen gegen rückwärtige Basen der Guerilla und Flüchtlingslager in den Nachbarländern bis hin zu großflächigen Invasionen schwarz-afrikanischer Staaten (Südafrikas Invasion Angolas 1983) reicht. Wenngleich auch nicht alle Staaten des afrikanischen Kontinents diesen Konflikt als eine physische Bedrohung erfahren, so empfinden sie ihn doch zumindest als psychische Bedrohung und als eine zentrale politische Herausforderung. In der südafrikanischen Nuklearrüstung erkennen sie jedoch zunehmend auch eine sie alle unmittelbar betreffende potentielle physische Gefährdung. 3. Raumfremde Interventionen Eine Bedrohung besonderer Art stellen in Afrika die raumfremden Interventionen dar. Diese können von mehr indirekten Einmischungen (etwa in Form von ökonomischer Einflußnahme, Subversion, Spionage, Destabilisierung) bis hin zu eher direkten militärischen Eingriffen (etwa in Form der Entsendung von Militärberatern, Waffen oder gar Kampftruppen) reichen Im Mittelpunkt der sicherheitspolitischen Besorgnisse steht allerdings in Afrika die militärische Intervention. Hierzu ist zunächst anzumerken, daß sich die afrikanischen Staaten kollektiv (im Rahmen der OAU) grundsätzlich gegen raumfremde Interventionen ausgesprochen haben. Doch unterhalb dieser gesamtafrikanischen, kollektiv gesetzten Norm, raumfremde Interventionen als unerwünschten und unzulässigen Eingriff in die inneren Angelegenheiten des afrikanischen Kontinents abzuweisen, stellt sich das Problem differenzierter dar.
Denn die Mehrzahl raumfremder Interventionen wurde von einzelnen oder Gruppen afrikanischer Staaten durchaus für erwünschte und zulässige Eingriffe gehalten. Bei vielen Interventionen wirkten auch push-und pullFaktoren zusammen: Während die raumfremden Mächte ihre jeweiligen Interessen im Rahmen des Nord-Süd-und Ost-West-Konflikts abzusichern und etwaige „Macht-Vakuen“ auszufüllen trachteten, zogen afrikanische Staaten vielfach eben diese Mächte politisch bewußt und gezielt in ihre inneren und äußeren Konflikte hinein. Raumfremde Interventionen sollten auswärtige Feinde abschrecken oder regionale Machtbalancen aus-tarieren (z. B. UdSSR und Kuba in Äthiopien gegen Somalia oder in Angola gegen Südafrika; Frankreich und USA im Tschad gegen Libyen) oder die staatlichen Machtgruppen gegenüber innerer Opposition und Sezessionsbestrebungen absichern (z. B. Belgien, Frankreich und USA in Zaire, Frankreich in etlichen frankophonen Staaten, die UdSSR in Äthiopien). In manchen Fällen beteiligten sich gar afrikanische Länder indirekt als „Stellvertreter" raumfremder Mächte an solchen Interventionen (z. B. Marokko und eine Anzahl frankophoner Staaten im Rahmen der westlichen Stabilisierung des Mobutu-Regimes in Zaire/Shaba). Derartige Interventionen — von Ost wie von West — standen zudem auch durchaus im Einklang mit zentralen Normen des afrikanischen Staatensystems (z. B. Anti-Rassismus im Falle des sowjetischen Eingreifens in Angola, Wahrung der territorialen Integrität und Regimestabilisierung im Falle des östlichen Eingreifens in Äthiopien und des westlichen Eingreifens in Zaire und im Tschad). Nur wenige raum-fremde Interventionen waren wirklich politisch unerwünscht und völkerrechtlich unzulässig (z. B. die von Portugal unterstützten Söldnerangriffe auf Guinea 1970 und auf Benin 1977, der Sturz des Bokassa-Regimes in der Zentralafrikanischen Republik durch Frankreich im Jahre 1979).
So stellen sich raumfremde Interventionen als Sicherheitsproblem afrikanischer Staaten recht ambivalent dar: Während sie für einzelne oder Gruppen von Staaten sozusagen Elemente und Instrumente von Sicherheitspolitik sind, die Sicherheit schaffen, erweisen sie sich allenfalls für die Staaten und politische Kräfte, gegen die sie gerichtet sind, als Elemente und Instrumente von Unsicherheit, die Bedrohungsängste erzeugen und zu Gegenreaktionen herausfordern.
V. Sicherheitspolitische Ansätze und Konzeptionen in Afrika
In der Auseinandersetzung mit den eben skizzierten Sicherheitsproblemen entwickelten die Afrikaner verschiedene sicherheitspolitische Ansätze und Konzeptionen. Als gesamt-afrikanisches, kollektives Sicherheitssystem (ohne die weißen rassistischen Minderheiten-und Kolonialregime) gründeten die afrikanischen Staaten die Organisation für die Einheit Afrikas (OAU). Deren Hauptziel sollte die Schaffung bzw. Erhaltung von Frieden und Sicherheit in ganz Afrika sein, also die Herbeiführung einer „Pax Africana" Diesem Ziel dienten zentrale Normen (Beibehaltung kolonial überkommener Grenzen, Wahrung der territorialen Integrität, friedliche Streit-beilegung und Ablehnung raumfremder Interventionen) ebenso wie die politischen Konzepte der Blockfreiheit und der „Friedenszone Indischer Ozean" sowie die militärischen Projekte eines afrikanischen Oberkommandos (African High Command) und Befreiungskomitees (African Liberation Committee).
Im Bereich der bi-und multilateralen Grup-
pensicherheit kam es in Afrika im Laufe der Jahre zu einer Vielzahl von Vertragswerken, Verteidigungspakten und Zusammenschlüssen (u. a. Ägypten/Sudan 1977, Kenia/Äthiopien 1963 und 1979, Mozambique/Zimbabwe 1981). An sicherheitspolitisch besonders relevanten Gruppierungen sind vor allem die südafrikanische und westafrikanische Staatengemeinschaft SADCC und ECOWAS zu nennen. Auf der nationalen, einzelstaatlichen Ebene betrieben die afrikanischen Länder klassische, militärisch abgestützte Sicherheitspolitiken nach innen und außen; diesbezüglich ist hier das Beispiel Nigerias als einer aufstrebenden regionalen Vormacht in Afrika von besonderem Interesse. 1. Die OAU als kontinentales, kollektives Sicherheitssystem a) Die „Heilige Allianz" zur Sicherung des Status quo Die 1963 gegründete OAU basierte auf einem konservativen Grundkonsens: „Im Namen des Panafrikanismus wurde die Erhaltung des territorialen Status quo zum Prüfstein der afrikanischen Solidarität erklärt und damit eine gegenseitige Bescheinigung der Legitimität als Nationalstaat ausgestellt: Grundprinzipien waren die Respektierung von Souveränität, territorialer Unverletzlichkeit und des Rechts auf unabhängige Existenz sowie die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten einschließlich der Verurteilung von subversiven Tätigkeiten gegeneinander und auch die Verpflichtung zur friedlichen Regelung von Konflikten." Die konservative Grundhaltung der Mehrheit der afrikanischen Staats-und Regierungschefs kam am deutlichsten vielleicht in der OAU-Grenzresolution von 1964 zum Ausdruck, die sich für die Bewahrung der kolonial vererbten Grenzen aussprach. Im Rahmen dieses politisch-normativen Regel-werks der OAU als einer „Heiligen Allianz" zur Garantierung der „Sicherheit des Staates" hatten Sezessionsbestrebungen in Afrika bisher kaum eine reale Durchsetzungschance (vgl. z. B. Biafra, Südsudan, Eritrea)
Der sogenannten Krise der OAU in den beginnenden achtziger Jahren, die sich äußerlich an der Westsahara-und Tschad-Frage festmachte (Nichtzustandekommen der OAU-Gipfelkonferenz im Jahre 1982), scheint offenbar ein Zerbröckeln des ursprünglichen konservativen Grundkonsenses zugrunde zu liegen Bedingt war dieser Erosionsprozeß wohl durch eine Veränderung der Zusammensetzung der OAU. Ihr gehörten immer mehr Mitgliedstaaten an, die ihre Unabhängigkeit nicht durch friedlichen Verfassungstransfer, sondern durch Befreiungskämpfe erlangt (u. a. Angola, Mozambique, Guinea-Bissau, Zimbabwe) und/oder radikale innergesellschaftliche Wandlungen erreicht hatten (u. a. Revolution in Äthiopien) und der konservativen Staatengruppe ihre mehrheitsbildende Kraft in der OAU zunehmend streitig machten. b) Friedliche Streitbeilegung Artikel III/4 der OAU-Charta schreibt das Prinzip friedlicher Streitbeilegung fest. Zu diesem Zweck sah die Charta (Art XIX) die Schaffung einer „Kommission für Vermittlung, Schlichtung und Schiedssprüche" vor. Die OAU maß sich also durchaus die Rolle eines „Konfliktmanagers" zu. Doch erwies sich in der Praxis, daß ihre Fähig-und Möglichkeiten hierzu recht begrenzt waren Die Streitbeilegungs-Kommission wurde kaum in Anspruch genommen; infolge unzureichender Autorität, mangelnder Ressourcen und administrativ-organisatorischer sowie finanzieller Schwäche entwickelte die OAU eine nur geringe Konfliktregulierungskapazität. Hinzu kam offenbar die Furcht der Organisation, bei einer zu starken Verwicklung in die Konflikte ihrer Mitgliedstaaten Partei ergreifen zu müssen und dadurch die mühsam aufgebaute und erhaltene afrikanische Solidarität zu gefährden. Die OAU beschränkte sich daher weitgehend auf einen Abbau akuter Spannungen (z. B. Feuereinstellung im Falle des äthiopisch-somalischen Konflikts von 1964), also auf eine „Befriedung" von Konflikten, und wandte dabei sowohl direkte, formelle Methoden (z. B. Resolutionen, die als normative Restriktionen wirken sollten) als auch indirekte, informelle Methoden (z. B. Bereitstellung eines Forums für Vermittlungsaktionen und Kontakte, von „Komitees der Guten Dienste") an, leistete jedoch kaum einen Beitrag zu einer dauerhaften Lösung der Konflikte Die Beteiligung der OAU an der friedlichen Streitbeilegung vollzog sich dabei mehr innerhalb der Organisation als durch die Organisation; sie selbst trat in der Regel nicht als kollektiver Vermittler in einem Konflikt auf, sondern beschied sich mit der Förderung von Vermittlungsbemühungen einzelner afrikanischer Staaten oder Staatsmänner. Dennoch sollte die Rolle der OAU in einzelnen Konfliktfällen nicht unterschätzt werden (positive Beiträge leistete sie u. a. in folgenden Fällen: Algerien/Marokko 1963, Äthiopien/Somalia 1964, Tanzania/Uganda 1972, Guinea/Senegal 1971, Obervolta/Mali 1977).
In der Westsahara-und Tschad-Frage hat sich die OAU bislang redlich, aber vergeblich um eine friedliche Streitbeilegung bemüht. Im Zusammenhang mit dieser Frage kam es auch zu der in der Geschichte der Organisation bislang ausgeprägtesten Polarisierung innerhalb der Mitgliedschaft und zu der härtesten Belastungsprobe der Staatenorganisation. Symptomatisch für die Schwächen der OAU als Konfliktmanager war das klägliche Scheitern ihrer Friedenssicherungsaktion im Tschad. Eine Friedenstruppe der OAU, die von sieben afrikanischen Ländern kontingentiert werden sollte, wurde im März 1982 in den Tschad entsandt, um dort die Ende 1980 einmarschierten Truppen Libyens zu ersetzen und eine Feuereinstellung im dortigen Bürgerkrieg zu garantieren. Doch Libyen weigerte sich, den Abzug seiner Truppen mit dem Einrücken der OAU-Truppen zu synchronisieren. Nur drei afrikanische Länder (Nigeria, Senegal und Zaire) steuerten wirklich Truppenkontingente bei, und aus Mangel an eigenen Ressourcen mußte sich die OAU-Friedenstruppe mit der Bitte um technische und logistische Unterstützung an westliche Staaten und die Vereinten Nationen wenden. Bei der neuerlichen Zuspitzung des Bürgerkrieges (Kampf um die tschadische Hauptstadt Ndjamena) hielt sich die Truppe zurück und brach im Juni 1982 ihre Mission ab. c) African High Command /African Liberation Committee Der Zweck der OAU ist nach Art. II/1 u. a., die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten zu verteidigen und alle Formen des Kolonialismus in Afrika zu beseitigen. Zur Erfüllung dieses Zwecks befaßten sich die Afrikaner immer wieder mit dem Konzept einer gesamtafrikanischen Militärorganisation, die einer doppelten Aufgabe gerecht werden sollte, der Friedenssicherung im unabhängigen Afrika einerseits und dem Kampf gegen koloniale und rassistische Minderheitenregime im Südlichen Afrika andererseits. Um die Zusammenarbeit der afrikanischen Staaten in Militär-, Sicherheits-und Verteidigungsfragen zu verbessern und um das Konzept eines „African High Command" (AHC) zu erörtern, gründete die OAU ein „Verteidigungs-Komitee" (als OAU-Sonderkommission nach Art. XX). Die Grundidee eines AHC geht auf die panafrikanischen Bestrebungen Kwame Nkrumahs zurück, der sich anläßlich der Kongo-Krise von 1960 für eine gesamtafrikanische Militärorganisation einsetzte. In späteren Jahren wurde dieser Gedanke, meist im Zusammenhang mit Krisen und raumfremden Interventionen in Afrika, in verschiedenen Varianten immer wieder in die Diskussion eingebracht
Doch schon auf der ersten Sitzung des OAU-Verteidigungs-Komitees in Accra im November 1963 wurde der ghanaische Plan eines AHC von den meisten afrikanischen Staaten mit eben den Argumenten zurückgewiesen, die im Grunde bis heute gegen die Realisierung eines solchen Plans sprechen: das Mißtrauen der afrikanischen Staaten untereinander, die Einbuße an staatlicher Souveränität, die politisch-ideologische Heterogenität Afrikas, Finanzierungsprobleme, die Mängel im Bereich der militärischen Logistik und Kommunikation (Transport-, Nachrichten-und Versorgungsprobleme), die Unterschiedlichkeit der afrikanischen Armeen (in Kommandosprachen, Ausbildung, Ausrüstung, Waffenstandards etc.).
Im Dezember 1971 schlug das OAU-Verteidigungs-Komitee daher vor, anstelle des anspruchsvollen AHC eher bescheidenere regionale Verteidigungssysteme in Afrika aufzubauen, da die Zeit für ein integriertes, kontinentales Kommando noch nicht reif sei. Nigeria sprach sich im Jahre 1972 zumindest für eine „African Task Force" aus, deren Aufgabe die Unterstützung der Freiheitskämpfer im Südlichen Afrika sein sollte; einen ähnlichen Vorschlag („Collective Intervention Force") legte 1977 auch der damalige OAU-Generalsekretär vor.
Zu einer Pervertierung des AHC-Konzepts kam es im Jahre 1978, als im Zusammenhang mit der zweiten Shaba-Krise Frankreich die Idee einer „Panafrikanischen Streitmacht" propagierte, die dann auch unter Mitarbeit einiger frankophoner Staaten Afrikas Wirklichkeit und im Interesse raumfremder Mächte zur Stabilisierung des Mobutu-Regimes in Zaire eingesetzt wurde. Hier stand ein Instrument neokolonialer Einflußnahme gegen die originäre Idee einer afrikanischen Streit-macht zur Sicherung und Befreiung des Kontinents. Zu einer Wiederbelebung der Bemühungen um die Schaffung eines AHC kam es im Zusammenhang mit der Eskalation des bewaffneten Kampfes im Südlichen Afrika im Jahre 1983. Auf seiner 6. Tagung im Januar 1984 in Accra nahm das OAU-Verteidigungs-Komitee ein Militärprotokoll über die Gründung einer gesamtafrikanischen Verteidigungsorganisation an und verabschiedete eine „Deklaration von Accra zur Befreiung und Afrikanischen Sicherheit". Zielrichtung dieser Aktivitäten sollte die Unterstützung der Befreiungsbewegungen und Konfliktrandstaaten im Südlichen Afrika sein. Dieser Zielsetzung hatte sich bereits seit 1963 auch das African Liberation Committee (ALC), das Befreiungskomitee der OAU, verschrieben Gleich nach dem Ende der OAU-Gründungskonferenz konstituierte sich das ALC am 25. Juni 1963 in Dar es Salaam. Von Beginn an herrschte im Komitee ein weitgehender Konsens über die Notwendigkeit des bewaffneten Kampfes gegen Südafrika, Portugal und Rhodesien. Das ALC sah seine Aufgabe vor allem darin, „Volkskriege" zu koordinieren und einheitliche „Fronten" zu bilden; während es dabei im Falle Guinea-Bissaus (PAIGC), Mozambiques (FRELIMO) und Namibias (SWAPO) relativ erfolgreich war, gestalteten sich die Dinge in Angola, Rhodesien und Südafrika schwieriger (rivalisierende Befreiungsorganisationen). d) Blockfreiheit als Sicherheitspolitik Durch Art. III/7 der OAU-Charta wurde Blockfreiheit zum Prinzip afrikanischer Außenpolitik erhoben Blockfreiheit ist im Kern Sicherheitspolitik, da sie eine grundsätzliche militärpolitische Distanz zu den Machtblöcken in Ost und West gebietet, um nicht in deren Auseinandersetzungen verwikkelt zu werden Nach den im Jahre 1961 von den Gründerstaaten der Bewegung der Blockfreien beschlossenen und bis heute unverändert gültigen Kriterien von Blockfreiheit darf kein Mitgliedstaat militärpolitische Beziehungen zu Blockmächten unterhalten (Mitgliedschaft in einem multilateralen Bündnis, bilaterales Abkommen, Regionalpakt, Stützpunkt), wenn diese im Kontext mit Konflikten zwischen Großmächten stehen. Wenngleich auch diese Kriterien durchaus interpretationsfähig blieben, so machte der verschärfte Austrag des Ost-West-Konflikts in der Dritten Welt es den afrikanischen und anderen blockfreien Staaten doch zunehmend schwerer, sich an diesen Kriterien zu orientieren. Hatte noch die OAU-Gründungskonferenz 1963 eine umgehende „Beendigung der militärischen Besetzung des afrikanischen Kontinents und die Auflösung von Militärbasen" gefordert, so schwächte bereits im nächsten Jahr der OAU-Ministerrat auf seiner Sitzung in Kairo diese Forderung wieder ab: Er empfahl eine Auflösung von militärischen Verpflichtungen „so bald wie möglich" Bereits in den sechziger Jahren hatten verschiedene afrikanische Länder durch die Gewährung von Militärbasen an die USA (z. B. Äthiopien, Marokko, Libyen) gegen die Kriterien von Blockfreiheit verstoßen, da diese Basen als Teil der amerikanischen Eindämmungspolitik gegenüber der UdSSR durchaus im Kontext von Großmacht-Konflikten standen. In den siebziger und achtziger Jahren gingen aus sicherheitspolitischen Gründen immer mehr afrikanische Staaten militärpolitische Bindungen mit blockgebundenen Mächten ein (z. B. Äthiopien, Angola, Mozambique mit der UdSSR, Ägypten, Sudan, Somalia mit den USA, etliche frankophone Staaten mit Frankreich), die offensichtlich im Zusammenhang mit dem verschärften Austrag des Ost-West-Konflikt-s in Afrika standen. Hierbei ist festzuhalten, daß es vielfach erst innerund zwischenstaatliche Konflikte sowie gezielte Allianz-Politiken afrikanischer Regierungen waren, die den Kontinent immer tiefer in den Ost-West-Konflikt verstrickten. e) Friedenszone Indischer Ozean Die OAU unterstützte auch das von den Blockfreien und den Vereinten Nationen seit Anfang der siebziger Jahre propagierte Konzept einer Stützpunkt-, atomwaffen-und großmachtfreien Zone im Indischen Ozean. Durch den Rüstungswettlauf der Supermächte im Indik, den Ausbau der US-Inselbasis Diego Gar-cia und die militärische Zusammenarbeit zwischen dem Westen, Israel und Südafrika sahen sich insbesondere die afrikanischen Anrainerstaaten in ihrer Sicherheit bedroht Neben Störungen ihres Seeverkehrs konnten sie vor allem auch von unerwünschten Einmischungen raumfremder Mächte in ihre inneren Angelegenheiten oder in ihre Auseinandersetzungen mit Nachbarstaaten betroffen werden. Doch war es gerade das Unvermögen der Afrikaner, ihre Probleme untereinander selbst zu lösen, das mit dazu beitrug, die Idee einer Friedenszone Indischer Ozean immer unrealistischer erscheinen zu lassen. Ernsthafte Verhandlungen zwischen den USA und der UdSSR in den Jahren 1976/77 über eine Begrenzung des militärischen Aufbaus in der Region wurden — im Zusammenhang mit dem Konflikt am Horn von Afrika — seit Februar 1978 wegen der anwachsenden sowjetischen Militärpräsenz in Äthiopien von amerikanischer Seite nicht weiter fortgeführt. Vollends verschärfte sich dann die Supermacht-Rivalität in der Indik-Region im Gefolge der sogenannten Doppelkrise um Iran/Afghanistan, die auf Seiten der USA den beschleunigten Ausbau von Diego Garcia und den Aufbau der „Schnellen Eingreiftruppe" zur Folge hatte. Solange also afrikanische Anrainerstaaten in Verfolgung nationaler Sicherheitsinteressen selbst raumfremde Mächte in die Indik-Region hineinziehen, wird das Konzept der Friedenszone kaum eine Durchsetzungschance haben. f) Abwehr raumfremder Interventionen Vor diesem Hintergrund gewinnt die OAU-Position gegenüber raumfremden Interventionen an Gewicht. Im Grundsatz hat die OAU eine Art „afrikanischer Monroe-Doktrin" verkündet: „Afrika den Afrikanern". Ihrem Gründungszweck und ihren Zielen nach sollte sie für eine eigenständige afrikanische Problemlösung Sorge tragen und die Einheit, den Frieden und die Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent ohne raumfremde Einmischung befördern (Pax Africana). Zu einer intensiven Auseinandersetzung der OAU mit dem Problem raumfremder Interventionen kam es in den Jahren 1977/78 im Zusammenhang mit der Präsenz und dem Eingreifen der UdSSR und Kubas in Angola und Äthiopien sowie der Rettungsaktion des Westens für Zaire (Shaba-Krisen) Neben dem OAU-Gipfel vom Juli 1977 in Libreville/Gabun ist hier vor allem der OAU-Gipfel vom Juli 1978 in Khartum/Sudan von Bedeutung. Nach scharfen Debatten, in denen sich pro-westliche und pro-östliche Staaten gegenseitig beschuldigten, der einen oder anderen raumfremden Macht die Einmischung in Afrika ermöglicht zu haben, und das Eingreifen ihrer jeweiligen Patronagemächte zu rechtfertigen suchten, verurteilte die Konferenz schließlich jegliche Politik der Gewalt und Intervention in Afrika ungeachtet ihrer Herkunftsquelle und stellte sich allen Plänen zur Rekolonisierung des Kontinents entgegen Ferner hob der Gipfel hervor, daß die Verantwortung für die Sicherung des Friedens in Afrika ausschließlich eine Verantwortung der Afrikaner selbst sei, in die sich keinerlei ausländische Staaten einzumischen hätten.
Eine interessante mittlere Linie zwischen Ost und West in der Interventionsfrage vertrat Nigeria. Der nigerianische Staatschef Obasanjo verurteilte die Präsenz der Sowjetunion und Kubas zwar nicht, doch solle ihr Aufenthalt nicht zu lange dauern: „Den Sowjets und ihren Freunden sollte ich sagen, daß, obwohl sie nach Afrika eingeladen worden seien, um im Befreiungskampf und bei der Konsolidierung nationaler Unabhängigkeit zu helfen, sie dennoch ihre Aufnahme nicht überstrapazieren sollten. Afrika wolle nicht das eine koloniale Joch abwerfen, um sich dafür ein anderes wieder aufzuladen." Andererseits kritisierte Obasanjo, ohne allerdings die Namen der beteiligten Staaten zu nennen, die westlichen Fallschirmjäger-Einsätze in Zaire/Shaba als für Afrika unakzeptable Aktionen im Stile der Kanonenboot-Diplomatie des 19. Jahrhunderts. Zugleich machte er auch das Dilemma deutlich, in dem sich Afrika angesichts raum-fremder Interventionen befindet: „Wir afrikanische Führungsgruppen müssen auch erkennen, daß wir die ausländischen Mächte nicht bitten können, uns in Ruhe zu lassen, während es in den meisten Fällen unsere eigenen Handlungen sind, die diese Mächte mit einer Entschuldigung für ihre Einmischung in unsere Angelegenheiten versehen."
Wenngleich die OAU auch wiederholt normative Restriktionen gegen raumfremde Interventionen verhängte, so machen doch die Brüchigkeit des afrikanischen Staatensystems, die wirtschaftliche und militärische Schwäche des Kontinents sowie die politisch-ideologische Spaltung der OAU-Mitglieder solche Eingriffe von außen immer wieder wahrscheinlich und möglich. 2. Regionale, kollektive Sicherheitspolitiken in Afrika a) Die SADCC im Spannungsfeld des Südlichen Afrika Gegenüber der wahrgenommenen Bedrohung ihrer Sicherheit durch Südafrika schlossen sich verschiedene Staaten im Südlichen Afrika zusammen und suchten gegenseitigen Schutz in der „Southern African Development Coordination Conference" (SADCC) Allerdings ist die SADCC keine Sicherheitsgemeinschaft im engeren Sinne, die sich schwerpunktmäßig mit Militär-und Verteidigungsfragen befaßt, sondern eher eine Gruppierung von Staaten, die durch wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit ihre ökonomische und infrastruktureile Abhängigkeit sowie Störanfälligkeit von Seiten Südafrikas verringern wollen. Die SADCC entstand im Jahre 1979 durch eine Initiative der fünf Frontlinienstaaten (Angola, Botswana, Mozambique, Tanzania und Zambia). Ihre erste Gipfelkonferenz hielt sie im April 1980 unter Teilnahme von vier weiteren Ländern (Zimbabwe, Lesotho, Malawi und Swaziland) in Lusaka ab.
Der politische Grundkonsens der SADCC beruht auf der gemeinsamen Wahrnehmung einer Bedrohung von Seiten Südafrikas, auf der Ablehnung der rassistischen Apartheid-Politik und auf dem gemeinsamen Interesse der Mitglieder, ihre wirtschaftliche Abhängigkeit von Südafrika abzubauen. Unter dieser Zielsetzung erstreckt sich die Zusammenarbeit der SADCC-Länder vor allem auf das Verkehrswesen, die Industrie und die Landwirtschaft. Dabei wird die SADCC von westlichen Staaten maßgeblich unterstützt, die mit dieser Hilfe einer stärkeren sowjetischen Einflußnahme in der Region vorbeugen möchten.
Ob die SADCC auf Dauer ohne eine intensivere militärische und sicherheitspolitische Kooperation auskommen kann, steht dahin. Einzelne Mitgliedstaaten haben bereits, um den akuten militärischen Druck in einer wirtschaftlich schwierigen Lage zu mildern, bilaterale Verhandlungen mit dem Erzfeind Südafrika geführt (Waffenstillstand zwischen Südafrika und Angola sowie Sicherheitsabkommen zwischen Südafrika und Mozambique vom Februar 1984). b) Die ECOWAS im Spannungsfeld zwischen regionaler Vormacht (Nigeria) und raum-fremder Macht (Frankreich)
Wie die SADCC so entstand auch die „Economic Community of West African States" (ECOWAS) als Wirtschaftsgemeinschaft 1975 wurde sie auf Initiative Nigerias und Togos unter Einbeziehung von 16 Staaten, vier anglophonen (Ghana, Gambia, Sierra Leone, Nigeria), neun frankophonen (Benin, Elfenbeinküste, Guinea, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal, Obervolta, Togo), zwei lusophonen (Guinea-Bissau, Kapverden) und Liberia, in Lagos gegründet, um die regionale Kooperation in Westafrika voranzutreiben. Sechs frankophone Staaten (Elfenbeinküste, Obervolta, Niger, Mali, Senegal, Mauretanien) sind dabei zugleich Mitglied in der bereits 1973 gebildeten „Communaut des Etats de IAfrique de lOuest" (CEAO), die wirtschaftlich und sicherheitspolitisch eng mit Frankreich verbunden ist. Infolge unterschiedlicher kolonialer Vermächtnisse, Entwicklungsstrategien, Zugehörigkeiten zu Währungszonen und Größe sowie Ressourcenausstattung weist die ECO-WAS erhebliche Ungleichgewichte auf; vom Wirtschafts-und Militärpotential her kommt Nigeria eindeutig ein Übergewicht zu.
Im Unterschied zur SADCC begnügte sich die ECOWAS jedoch nicht allein mit der Wirtschaftskooperation, sondern verstärkte auch ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit
Verschiedene Grenzkonflikte in der Region (u. a. Mali/Obervolta 1974/75, Ghana/Togo 1976, Senegal/Guinea-Bissau 1976), der Angriff von fremden Söldnern auf Benin 1977 sowie das allgemeine Mißtrauen namentlich der frankophonen Staaten (Senegal) gegenüber einer regionalen Vormachtrolle Nigerias führten im Jahre 1978 zunächst zu der Annahme eines Nicht-Angriffs-Abkommens und dann im Mai 1981 (ECOWAS-Gipfeltreffen in Freetown) zu dem Abschluß eines regelrechten Verteidigungspaktes. Der Pakt (dessen Ratifizierung durch einige Mitglieder allerdings noch ausstehen soll) richtet sich im wesentlichen gegen drei Bedrohungen: gegen Aggressionen von Nichtmitgliedstaaten, gegen gewaltsamen Konfliktaustrag zwischen Mitgliedern (= Friedenssicherungs-Funktion)
und gegen von außen geschürte Konflikte innerhalb von Mitgliedstaaten. Als Instrumente des Paktes sollen die aus Einheiten der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Gemeinsamen Streitkräfte der Gemeinschaft („Allied Forces of the Community" /AAFC), ein Verteidigungsrat der Außen-und Verteidigungsminister sowie eine Verteidigungskommission der Stabschefs dienen.
Die praktisch-politische Bewährungsprobe der ECOWAS als Sicherheitsgemeinschaft steht noch aus. Verschiedene Probleme lassen Skepsis darüber aufkommen, ob der Verteidigungspakt wirklich effektiv funktionieren kann. Ähnlich wie bei dem Projekt eines „African High Command" ermangelt es auch der ECOWAS an einheitlicher militärischer Tradition, Ausrüstung und Bewaffnung sowie an leistungsfähiger militärischer Logistik und Kommunikation. Auch die Finanzierung gemeinsamer Einrichtungen und Aktionen muß geregelt werden. Die frankophonen Staaten der CEAO, die 1977 einen Nichtangriffspakt untereinander abschlossen, mißtrauen Nigeria, unterhalten enge militärpolitische Beziehungen mit Frankreich und sehen in der ECOWAS nur eine sicherheitspolitische Option neben anderen. Als politisch delikat und schwer durchsetzbar erscheinen auch Eingriffe von ECOWAS-Truppen in die inneren Konflikte von Mitgliedstaaten. 3. Nationale, individuelle Sicherheitspolitiken in Afrika: Nigeria als aufstrebende regionale Vormacht?
Nigeria weist die typischen Merkmale einer regionalen Vormacht auf: Es verfügt über ein enormes Wirtschaftspotential (ErdölökonoB mie), stellt eine beeindruckende Militärmacht dar und hat den politischen Willen, regionalen Einfluß auszuüben Allein schon von seiner Größe und Bevölkerungszahl (die Schätzungen liegen zwischen 80 und 100 Millionen Menschen) her scheint dem Land in Afrika eine Vorrangstellung zu gebühren. Seit 1970 übernahm der Erdölsektor eine Schlüsselfunktion für die nigerianische Volkswirtschaft (Anteil am BIP 20%, an den Exporterlösen 90%, an den Staatseinnahmen 80%). Die bis 1980 erzielten hohen Einnahmeüberschüsse nutzte das Land zur Finanzierung umfassender Investitionsprogramme in Infrastrukturbereichen wie Verkehr, Energie-versorgung, im Bereich der Verwaltung, der Verteidigung, zum Bau der neuen Hauptstadt Abuja, zum Ausbau des Bildungswesens sowie zur Diversifizierung der Industrie (Aufbau von Grundstoffindustrien). Demgegenüber blieb die Landwirtschaft, von der noch bis zu zwei Drittel der Bevölkerung abhängen, vernachlässigt; die landwirtschaftliche Produktion ging in den siebziger Jahren zurück, so daß Nigeria zu steigenden Nahrungsmittelimporten gezwungen war. Der ölboom hatte nicht nur ein sich vertiefendes Stadt-Land-Gefälle zur Folge, sondern auch sich verschärfende soziale Spannungen in den städtischen Regionen.
Die Armee Nigerias ist mit weit über 100 000 Mann und einem zunehmend moderner werdenden Waffenarsenal (Panzerfahrzeuge und Panzer, Kampfflugzeuge und Kampfschiffe) eine der größten und kampfstärksten Militär-organisationen des Kontinents Die Ausrüstung von Luftwaffe und Marine mit verbesserten Transport-und Landungskapazitäten soll sie offenbar zu effektiven Einsätzen im regionalen Umfeld befähigen. Die Militärausgaben des Landes stiegen von 1, 14 Mrd. US-Dollar im Jahre 1971 auf 2, 24 Mrd. US-Dollar im Jahre 1980 an
Die Innere Sicherheit Nigerias wird vom Trauma des Bürgerkrieges von 1967 bis 1970 (Biafra-Sezessionskrieg) beherrscht. Bis heute fürchten die Führungsgruppen des ethnisch-kulturell heterogenen Landes (Hausa/Fulbe, Yoruba, Ibo und zahlreiche Minderheitenvölker) nichts mehr als einen neuerlichen Bürgerkrieg und einen dadurch bedingten Zerfall des Staates. Nicht zuletzt deshalb wohl griff als Garant der territorialen Integrität und nationalen Einheit auch immer wieder das Militär in die nigerianische Politik ein und übernahm die Staatsgeschäfte (1966, 1975 und 1983). Doch wird Nigeria neuerdings auch von religiös stimulierten Unruhen im islamischen Norden heimgesucht (1980 in Kano, 1982 in Kano, Maiduguri, Bauchi, Kaduna) und — angesichts der seit einigen Jahren verschlechterten wirtschaftlichen Situation — auch von potentiellen Klassenkonflikten bedroht.
In seinem regionalen Umfeld übte Nigeria in den siebziger Jahren verstärkten wirtschaftlichen und militärischen Einfluß aus. An ökonomischen Instrumenten standen ihm hierbei die ECOWAS sowie bi-und multilaterale Entwicklungshilfeleistungen zur Verfügung. Militärisch strebte das Land eine friedensstiftende Ordnungsmachtrolle an, namentlich im Tschad-Konflikt. Hierbei konkurrierte Nigeria sowohl mit Libyen als auch mit Frankreich. Doch weder die Entsendung einer Interventionstruppe im Jahre 1979 noch die mehrmaligen Ansätze zur Streitschlichtung zwischen den Bürgerkriegsparteien und die Beteiligung an der OAU-Friedenstruppe von 1982 verschafften Nigeria den gewünschten Erfolg.
Gegenüber raumfremden Mächten und gegenüber Südafrika vollzog das Land in den siebziger Jahren einen Wechsel von einer eher konservativen und nach innen gerichteten Haltung zu einer eher nationalistischen und pan-afrikanischen Politik Nach seinen negativen Erfahrungen mit dem Westen im Bürgerkrieg (Frankreich unterstützte Biafra, die USA und Großbritannien verweigerten die gewünschten Waffen, so daß sich Nigeria an die UdSSR wandte) diversifizierte es seine Außen-und Rüstungsimportbeziehungen (u. a. beträchtliche Rüstungsimporte aus der Sowjetunion) Selbstbewußt und politisch ge-zielt setzte Nigeria auch seine auf dem Weltmarkt begehrte Ressource ein und betrieb eine erfolgreiche „Erdöldiplomatie" Gegen das Interesse der USA (einem der Hauptabnehmer nigerianischen Erdöls) und Südafrikas führte das Land nach dem Militärputsch von 1975 in Afrika eine von Erfolg gekrönte Kampagne für die Anerkennung der MPLA-Regierung in Angola durch und trat für eine positive Würdigung der sowjetisch-kubanischen Intervention im Südlichen Afrika ein. Ferner verhängte Nigeria ein Erdölembargo gegen Südafrika und vollzog im Jahre 1979 die Nationalisierung von BP, als diese versuchte, das Embargo zu umgehen. Innenpolitisch wird in Nigeria seit geraumer Zeit debattiert, ob sich das Land — nicht zu-letzt als Gegengewicht gegen die südafrikanische Atomrüstung — auf ein Nuklearprogramm einlassen solle; zumindest die Option auf einen Nuklearstatus wollen sich die Nigerianer wohl offenhalten
Nicht zuletzt die schwere Wirtschaftskrise der letzten Jahre (Rückgang der Erdöleinnahme, Zunahme der Verschuldung) machte allerdings die Brüchigkeit des nigerianischen Anspruchs auf regionale Vormachtstellung in Afrika deutlich Bei all seinen realen und potentiellen Vorzügen wird Nigeria daher auf Sicht wohl eher seiner Positur nach eine Vorrangstellung einnehmen. Militärisch (zumindest gegenüber Südafrika) sowie politisch und wirtschaftlich bleibt Nigeria jedoch ein „zahnund klauenloser Löwe"
VI. Zusammenfassung
Die vorstehende Darstellung führt zu insgesamt eher ernüchternden Einsichten: Die Afrikaner haben bislang allenfalls erste, bescheidene Grundelemente einer eigenständigen Sicherheits-und Friedensordnung zusammengefügt. Eine Pax Africana kam nicht zustande, eine sicherheitspolitische Gipfelkonferenz der OAU etwa analog zu dem OAU-Wirtschaftsgipfel von Lagos 1980 fand nicht statt. Die Gründe für diese desolate Situation liegen wohl in den gesellschaftlichen und staatlichen Strukturproblemen Afrikas ebenso begründet wie in der wirtschaftlichen Unterentwicklung und militärischen Schwäche des Kontinents. Den afrikanischen Führungsgruppen lag — aus kurzsichtigen Eigeninteressen — die „Sicherheit des Staates" meistenteils mehr am Herzen als die „Sicherheit des Volkes". Auf einer internationalen Konferenz über „Afrika und die Großmächte" in Ife/Nigeria im Jahre 1983 schloß der nigerianische Wissenschaftler Aluko seinen Vortrag mit der provozierenden, aber leider nicht unbegründeten These, daß „Afrika reif für eine Rekolonisierung durch die großen Industriestaaten würde", wenn es dem Kontinent nicht gelänge, „sein Haus in Ordnung zu bringen, die OAU in eine Position der Stärke zurückzuversetzen, innerstaatliche und zwischenstaatliche Konflikte zu reduzieren, die oftmals ernsthafte Sicherheitsprobleme aufwerfen"