Die Untersuchung der öffentlichen Parteienfinanzierung in drei westeuropäischen Demokratien (Italien, Österreich, Schweden) bietet die Grundlage für eine kritische, empirisch fundierte Würdigung der deutschen Gesetzgebung vom Dezember 1983. Dies kann die ethnozentrische Verengung der Auseinandersetzung über Zweckmäßigkeit, Formen und Verfahren öffentlicher Zuwendungen an politische Parteien überwinden helfen. Die Regelungen in anderen Ländern werden mit der zunächst abgeschlossenen deutschen Diskussion in der Weise verknüpft, daß die ausländischen Erfahrungen zu bestimmten Einzelfragen jeweils als empirisches Material für die Auseinandersetzung mit den einzelnen Elementen der jüngsten deutschen Novellierung des Parteienrechts dienen. Von den drei Vergleichsländern gehört Schweden (neben der Bundesrepublik Deutschland, Puerto Rico und der kanadischen Provinz Quebec) zu den Pionieren der öffentlichen Parteienfinanzierung in westlichen Demokratien, verbindet damit aber keinerlei Auflagen (Ausgabenbegrenzungen, Einnahmeverbote oder Rechenschaftspflichten). Italien kennt seit 1975 öffentliche Zuwendungen an die nationalen Parteien, das Verbot bestimmter Einnahmen und eine umfassende Rechenschaftspflicht. Die in Österreich praktizierten Formen öffentlicher Parteienfinanzierung gelten allgemein als Übernahme des „deutschen Modells", weisen allerdings in der rechtlichen Ausgestaltung beachtliche Unterschiede dazu auf. Die Erörterung dieser Beispiele erschließt relevante Aspekte für die verfassungspolitische (nicht ausschließlich verfassungsrechtliche) Würdigung der neuen deutschen Problemlösung.
„Die staatliche Parteienfinanzierung ... gibt es in diesem Umfang in keinem vergleichbaren Land." Diese Feststellung eines angesehenen Journalisten formuliert die — bis heute — in der öffentlichen Meinung verbreitete Auffassung: Bei der Finanzierung seiner Parteien befindet sich der westdeutsche Teilstaat seit Jahren auf einem Sonderweg. Die ambivalente Formulierung schafft freilich auch Raum für Zweifel. Was genau bildet den Stein des Anstoßes? Die staatliche Parteienfinan-zierung, ihr Umfang oder der fehlende „Gleichschritt" mit anderen Ländern? Mit der westlichen Demokratie in Deutschland vergleichbar sind in Europa u. a. Italien, Österreich und Schweden Wie die Bundesrepublik Deutschland kennen auch diese drei Staaten erhebliche öffentliche Zuwendungen an die politischen Parteien als Transferzahlungen, die im Sprachgebrauch dös politischen Alltags bei anderen Empfängern schlicht Subventionen heißen.
I. öffentliche Parteienfinanzierung als Subvention für die Demokratie?
Zu den besonderen Merkmalen der jüngsten Diskussion über Parteienfinanzierung in Deutschland gehören eine Verengung der Perspektive auf die spezifisch deutsche Situation und die übertriebene Fixierung auf verfassungsrechtliche Vorgaben. Die Bedeutung der öffentlichen Parteienfinanzierung als Schnittstelle aktueller Konfliktlagen des politischen Systems „westliche (liberale) Demokratie" läßt es allerdings dringend geboten erscheinen, die nationale Verengung der Diskussionsperspektive zu überwinden
Wesentliches Kennzeichen der modernen Demokratie ist der Parteienwettbewerb. Parteien als freiwillige Organisationen der Aktivbürgerschaft im politischen System Demokratie nominieren Kandidaten und bestreiten Wahlkämpfe Diese Tätigkeit der Parteien erfordert ausreichende Mittel, deren Beschaffung nicht zu Korruption, Abhängigkeit oder Startvorteilen führen darf. 1. Demokratie und Parteien im Wandel Die zum Jahreswechsel vollzogene Änderung des Grundgesetzes bildet den Abschluß eines Verfassungswandels; sie signalisiert Änderungen im demokratischen Alltag ebenso wie im Parteienverständnis. Früher galt es als selbstverständlich, daß die Tätigkeit politischer Parteien vollständig aus privaten Mitteln finanziert wurde: Mitglieder, Aktivisten, Sympathisanten und politische Nutznießer der einzelnen Parteien brachten in großen und kleinen Beträgen die erforderlichen Mittel auf. Diese Form der Geldbeschaffung hatte unterschiedliche Folgen; der Einfluß großer Geldgeber (NSDAP und Schwerindustrie) veranlaßte die Väter des Grundgesetzes, in Art. 21 Abs. 1 das verfassungspolitische Inter-esse an der Parteienfinanzierung zu markieren: „Die Parteien ... müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben." Seit dem 1. Januar 1984 fordert das Grundgesetz: „Die Parteien ... müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben."
Damit wurde die seit Jahren notwendige Schlußfolgerung aus einer ambivalenten verfassungspolitischen Stellung der Parteifinanzen gezogen: Einerseits ließ sich bislang argumentieren, das Grundgesetz weise mit seiner verfassungsrechtlichen Anerkennung der politischen Parteien als unverzichtbarem Element westlicher Demokratie in Deutschland auch alle durch Parteiaktivität verursachten Aufwendungen als „Kosten der Demokratie" dem politischen System (und damit öffentlichen Kassen) zu. Andererseits war die auf Einnahmen beschränkte öffentliche Rechenschaftslegung der Parteien nur sinnvoll, solange die Finanzierung der Parteien ausschließlich aus privaten Mitteln erfolgte.
Wenn heute — wie in fast allen westlichen Demokratien — ein erheblicher Teil der finanziellen Mittel politischer Parteien aus öffentlichen Kassen stammt, ergibt sich verfassungspolitisch der Anspruch auf Rechenschaft gegenüber den Wählern und Steuerzahlern. Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Änderung des Grundgesetztextes richtig und überfällig gewesen. Bereits die öffentliche Parteienfinanzierung (seit 1959) zog eine folgerichtige Konsequenz aus der verfassungsrechtlichen Anerkennung der Parteien. Urteile des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Materie setzten einen Verfassungswandel ohne Verfassungsänderung in Gang. Die Väter des Grundgesetzes konnten nicht voraussehen, daß für bedeutsame verfassungspolitische Fragen (Parteienfinanzierung) den Interpretationen des Bundesverfassungsgerichts eines Tages größere Bedeutung zukommen werde als dem Wortlaut des Grundgesetzes.
Die westdeutsche Verfassung steht, nach dem Willen des Parlamentarischen Rates, zur (nur durch Art. 79 GG eingeschränkten) Disposition der in Bundestag und Bundesrat agierenden Parteienvertreter. Dem Bundesverfassungsgericht kommt nur eine sekundäre Rolle zu: Soweit Verfassungswandel nicht Änderung des Grundgesetzes bewirkt, kann das Gericht durch Auslegung des unveränderten Textes politischen und sozialen Entwicklungen Rechnung tragen oder ihnen Schranken setzen. Diese Aufgabenzuweisung an die genannten Verfassungsorgane (Änderung des Wortlautes durch Bundestag und Bundesrat, Interpretation unveränderter Texte durch Bundesverfassungsgericht) scheint beim Thema Parteienfinanzierung geradezu auf den Kopf gestellt: Das Bundesverfassungsgericht hat durch seine bisherigen Urteile die gesetzgebenden Organe (und ihre tragenden Kräfte, die Parteien) so weit eingeschüchtert, daß bei der Gesetzgebung in Bonn lediglich Vorgaben aus Karlsruhe ausgeführt wurden.
Erst als die Parteien (vertreten durch den Bundesschatzmeister der CDU in seiner Eigenschaft als Finanzminister des Landes Niedersachsen) versuchten, durch eine Klage gegen das von ihnen geschaffene Parteiengesetz den gesetzgeberischen Gestaltungsraum auszuloten, hat das Bundesverfassungsgericht sich diesem Ansinnen entzogen und im Einklang mit der verfassungspolitischen Aufgabenverteilung bzw. in selbstkritischer Würdigung seiner bislang wegweisenden Rolle den politischen Gestaltungsauftrag der in Bundestag und Bundesrat agierenden Parteienvertreter betont. Dennoch hält sich die gerade in Kraft getretene Neuregelung der Materie — ungeachtet der Erfahrungen in anderen Ländern — ausschließlich im Rahmen der Vorgaben aus früheren Verfassungsgerichtsurteilen. 2. Erfahrungen anderer Demokratien Wie in der Bundesrepublik Deutschland erscheint auch in anderen westlichen Demokratien seit Jahren öffentliche Parteienfinanzierung als notwendig, weil das Spannungsfeld zwischen dem Prinzip freiwilliger Mitgliedschaft und den öffentlichen Aufgaben der Parteien auf andere Weise nicht überbrückt werden kann. Zunehmende Verbreitung und wachsende Bedeutung der Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln ist in westlichen Demokratien heute nicht mehr Ausnahme, sondern fast Regelfall. Von der öffentlichen Parteienfinanzierung werden Beiträge zur Verminderung der Korruptionsgefahr, zur Kontrolle des Interesseneinflusses, zum Abbau unterschiedlicher Startchancen und zur Sicherung gegen den Kostendruck erwartet.
In Österreich etwa wurde die 1975 eingeführte direkte Organisationssubvention auf geradezu klassische Weise begründet: Gegenüber den steigenden Kosten der Parteitätigkeit, insbesondere im Bereich der Kommunikationsmittel, erwiesen sich die bisherigen Einkommensquellen zunehmend als unzureichend. Eine Lösung für dieses — auch in anderen Ländern konstatierte — Dilemma bot die öffentliche Finanzierung. Die amerikanische Dependance Puerto Rico (1957), die Bundesrepublik Deutschland (1959) und die kanadische Provinz Quebec (1963) gehörten diesbezüglich zu den Pionieren. Inzwischen stellen die beiden großen Demokratien Nordamerikas ebenso wie Schweden, Italien und Österreich in unterschiedlichen Formen aus ihren Budgets regelmäßig erhebliche Mittel für die Parteitätigkeit bereit.
17 Zugleich haben viele Demokratien ihre „Regeln der Machtbewerbung" im letzten Jahrzehnt (insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Parteifinanzen) z. T. erheblich modernisiert. Freilich sind die Erfahrungen dieser Länder bei der in Deutschland gerade beschlossenen Regelung einer verfassungspolitischen Gestaltungsaufgabe wenig beachtet worden.
Gerade die international vergleichende Betrachtung kann unterschiedliche Verfahren der öffentlichen Parteienfinanzierung, Kostenkontrolle und Rechenschaftslegung einer empirisch fundierten Würdigung zugänglich machen. Für eine umfassend angelegte international vergleichende Betrachtung stehen freilich bislang weder ausreichende Informationen über Einnahmen und Ausgaben der Parteien noch hinreichend verläßliche Maßstäbe (z. B. Ausgaben pro Kopf) zur Verfügung. Der Finanzbedarf einzelner Parteien wird bereits durch die Größe des Landes und die Zahl der bei allgemeinen Wahlen zu besetzenden Ämter, die Kosten innerparteilicher Nominierungswettbewerbe und die Dichte der Parteiorganisation wesentlich beeinflußt. Auch die technische Abwicklung von Wahlen, die Organisation der elektronischen Massenmedien, Rolle und Selbstverständnis der nationalen Parlamente, Verwaltungsstrukturen und die Existenz parteinaher Institutionen wirken sich auf den Umfang der Parteitätigkeit aus.
Unbestreitbar erscheint, daß die Parteitätigkeit für moderne Gesellschaften ebenso unverzichtbar ist wie etwa die freie Wohlfahrtspflege Beide liegen im öffentlichen Interesse, stiften Nutzen für die Allgemeinheit, sind also prinzipiell zuschußwürdig. Dennoch verbinden sich mit der öffentlichen Parteienfinanzierung nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken und Nachteile für die jeweils betroffene Demokratie. 3. Gefahren öffentlicher Finanzierung In der tagespolitischen wie in der wissenschaftlichen Diskussion der einzelnen Länder wurde eine Fülle von nachteiligen Auswirkungen einer Parteienfinanzierung durch direkte, nicht zweckgebundene Zahlungen aus öffentlichen Kassen (Finanzhilfen, Subventionen) benannt, die sich regelmäßig unter der Generalklausel „Stützung des Status quo gegenüber politischen Innovationen" zusammenfassen läßt. Status-quo-orientierte Kräfte sind gleichermaßen inner-wie zwischenparteilich wirksam Die empirisch fundierte Würdigung solcher Gefahren verknüpft die Wirkungen der öffentlichen Parteienfinanzie-rung auf einzelne Parteien und das jeweilige Parteiensystem mit Konzepten wie Partizipation, Legitimierung, Identifikation, Zentralisierung oder Bürokratisierung. Hier sollen zur Illustration wenigstens einige Hypothesen angeführt werden:
Solange die Tätigkeit politischer Parteien durch knappe Finanzmittel begrenzt bleibt, werden Parteien sich entweder (mit den Risiken von Korruption, Skandal und Wahlniederlage) um eine Erweiterung ihres Ressourcenrahmens oder um eine Beschränkung ihrer Aktivität auf besonders Wesentliches bemühen. Die Bereitstellung öffentlicher Mittel beseitigt diese Ressourcenschranke, da die Parteien im Wege der „Selbstbedienung" die Subventionen für ihre Tätigkeit jederzeit beliebig erhöhen können. Die mit geringen Anstrengungen für die Funktionäre verbundene öffentliche Parteienfinanzierung hat wesentlich zur „Kostenexplosion" bei den Wahl-kämpfen und dem erheblichen Ausbau der hauptberuflich tätigen Parteiorganisation beigetragen. Kaack konstatiert einen „Kreislauf der Entfremdung", als dessen Ursachen er die „Professionalisierung der politischen Funktionsträger", den Wettbewerb der Volksparteien im „Kampf um Marktanteile" und eine Anspruchshaltung der Wählerschaft „bei gleichzeitiger Abstinenz von politischem Engagement" ausmacht Eine Parteiorganisation, die früher auf viele kleine Zuwendungen (Mitgliedsbeiträge, Spenden, Eintrittsgelder bei Veranstaltungen) oder freiwillige Mitarbeit ihrer Anhänger angewiesen war und des-halb engen Kontakt mit ihnen halten mußte, kann sich bei sicherer Finanzierung aus öffentlichen Mitteln stärker von den Merkmalen einer freiwilligen politischen Organisation entfernen. Innerhalb der einzelnen Partei stärkt öffentliche Parteienfinanzierung (insbesondere jede Transferzahlung an die Parteizentrale) die jeweilige Mehrheit gegenüber Minderheiten, den zentralen Apparat gegenüber lokalen Funktionären, die Hauptamtlichen gegenüber den Ehrenamtlichen
Im zwischenparteilichen Wettbewerb begünstigt öffentliche Finanzierung die Apparatparteien gegenüber den Komiteeparteien, die großen Parteien gegenüber kleineren und die etablierten gegenüber neuen Parteien. Gerade die Begünstigung etablierter Parteien wäre eine besondere Gefahr für den Parteien-wettbewerb als zentrales Mittel politischen Wandels im demokratischen Prozeß: Neue Parteien werden nicht ernsthaft ermutigt; im Gegenteil, ihnen werden zusätzliche Hindernisse in den Weg gelegt
In der durch verfassungsrechtliche Erwägung bestimmten Erörterung über das deutsche Parteienfinanzierungsgesetz hat neben dem Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Chancengleichheit und einer großzügigen Steuerbegünstigung von Spenden auch die Frage einer überwiegenden Staatsfinanzierung der Parteien eine besondere Rolle gespielt. Normative Grundlage aller damit verbundenen Vorbehalte ist die Befürchtung, die Parteien könnten sich aus der Abhängigkeit von privaten Geldgebern befreien und dafür vom Staat abhängig werden.
II. Abhängigkeit vom Staat — Juristisches Phantom oder politisches Risiko?
Abbildung 2
Tab. 2 a: Kategorien der Rechenschaftsberichte in Westeuropa (Einnahmen)
— natürlichen Personen — juristischen Personen — ausländischen Parteien — natürlichen oder juristischen Personen des Auslandes öffentliche Mittel — Gesamtst
Tab. 2 a: Kategorien der Rechenschaftsberichte in Westeuropa (Einnahmen)
— natürlichen Personen — juristischen Personen — ausländischen Parteien — natürlichen oder juristischen Personen des Auslandes öffentliche Mittel — Gesamtst
Auf den ersten Blick wirkt der Gedanke absurd, die Parteien könnten von einzelnen Staatsorganen oder gar von dem nur durch . solche Staatsorgane handelnden Rechtssubjekt „Staat" abhängig werden. Da der Staat als die politische Organisation aller Bürger verstanden werden kann und die Parteien durch ihre vom Volk legitimierten Vertreter die
Staatsorgane besetzen, erscheint die Identität zwischen Staat und Parteien in westlichen Demokratien soweit vorangetrieben, daß für eine Diskussion über die Abhängigkeit der Parteien vom Staat kein Raum bleibt. Den erläuternden Hintergrund bildet eine traditionelle Besonderheit der deutschen Staats-und Rechtslehre. 1. Rechtsdogmatische Ableitung Die durch öffentliche Parteienfinanzierung drohende „Staatsabhängigkeit" oder „Verstaatlichung" wurde erkannt, als das Bundesverfassungsgericht Gründe suchte, um der unkontrollierten Budgetfinanzierung der Parteien ein Ende zu setzen. Abweichend von seiner bis dahin durch Leibholz und dessen Lehre vom Parteienstaat geprägten Rechtsprechung erneuerte das Gericht den Gedanken einer prinzipiellen Trennung zwischen Staat und Gesellschaft: Die Parteien sind „frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen, dazu berufen,... in die Bereiche der institutionalisierten Staatlichkeit hineinzuwirken ... Das Verfassungsgebot der grundsätzlich staatsfreien und offenen Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen wehrt... jede staatlich institutioneile Verfestigung der Parteien ab ... Eine völlige oder auch nur überwiegende Deckung des Geldbedarfs der Parteien aus öffentlichen Mitteln ist nach allgemeiner Ansicht mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren" „Die eindeutige Zuordnung der Parteien zum Bereich der Gesellschaft, der vom verbindlichen staatlichen Entscheidungshandeln losgelöst ist, nimmt nicht zur Kenntnis, daß das Grundgesetz den historisch begründeten Dualismus von Gesellschaft und Staat in vielfältiger Weise und insbesondere durch die In-korporation der Parteien in das Verfassungsgefüge überwinden will." Die in dieser Frage seit 1966 erstarrte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist deshalb als „Rückfall in die Gedankenwelt des 19. Jahrhunderts" zu qualifizieren. Um so unverständlicher bleibt es, wenn daraus jene von allen Beteiligten (ohne einen Versuch der politischen Gegenwehr) akzeptierte Verfassungsinterpretation geworden ist, die jetzt erneut eine innovative Modernisierung des deutschen Parteienrechts verhindert hat. Verfassungsrechtliche Auslegungskunst vermochte freilich, aus der im grundsätzlichen verfahrenen Situation einen praktischen Ausweg zu erschließen. 2. Kasuistische Lösungsstrategie Das Bundesverfassungsgericht hält sowohl „jede staatlich-institutionelle Verfestigung der Parteien, als auch die überwiegende Dekkung des Geldbedarfs der Parteien aus öffentlichen Mitteln" für verfassungswidrig . Die zuerst genannte Schranke konnte rein nominalistisch bewältigt werden: Da die Parteien begrifflich nicht zum „Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit gehören", kommt dem Grad ihrer Verfestigung als gesellschaftliche Institution keine Bedeutung zu. Zwar haben die Parteien „ihren Tätigkeitsbereich ... fortschreitend erweitert... Diese Entwicklung vermochte (jedoch — Anm. d. Verf.) nichts an der im Grundgesetz normierten Stellung der politischen Parteien... zu ändern"
Die andere Schranke (überwiegende Finanzierung aus öffentlichen Mitteln) konnte durch juristische Kasuistik operationalisiert, durch entsprechende Gesetzgebung formalisiert und damit verfassungspolitisch weitgehend entschärft werden: Als „überwiegend" gilt im juristischen Alltag ein Sachverhalt, zu dem im Durchschnitt mehr als die Hälfte (also mindestens 50, 1%) der Fälle gehören. Sobald der Anteil öffentlicher Zuwendungen an den Gesamteinnahmen der Parteien im langfristigen Mittel von 49, 9 auf 50, 1% ansteigt, wird die verfassungsrechtlich bedeutsame „Staats-abhängigkeit" erreicht; solange dieser Fall nicht eintritt, besteht keine Gefahr.
Im Vorfeld der gesetzlichen Neuregelung haben die Sachverständigenkommission und ihr Kritiker von Arnim durch Modellrechnungen belegt, daß dieser Zustand noch nicht oder doch schon erreicht war. In beiden Berechnungen wird die verfassungsrechtlich entscheidende Fünfzig-Prozent-Grenze in der Weise operationalisiert, daß die Autoren den Anteil der öffentlichen Mittel an den von einer Partei in ihren eigenen Rechenschaftsberichten nachgewiesenen Gesamtmitteln bestimmen. Im Ergebnis zeigt sich, daß die deutschen Parteien im Zeitablauf um die vom Verfassungsgericht normierte Grenze pendeln.
Umstritten ist freilich, ob die Abgaben der Mandatsträger sowie die von Parlamentsfraktionen, politischen Stiftungen und parteieigenen Unternehmen durchgeführten Geldbewegungen in die Betrachtung einzubeziehen sind Spätestens seit der gesetzlichen Neuregelung fehlen dafür allerdings die erforderlichen Informationen. Jede Berichtspflicht, die materiell nicht alle einer „Konzernbilanz" vergleichbaren Informationen über die Finanzlage der jeweiligen Partei einschließt, liefert keine sinnvollen Daten für eine angemessene Bestimmung des Anteils der öffentlichen Finanzierung. Wenn die Fünfzig-Prozent-Grenze ein wichtiges Verfassungsgebot darstellt, dann darf für die Ermittlung der tatsächlichen Werte keine willkürliche Berechnungsgrundlage gewählt werden. 3. Realpolitische Probleme Verfassungspolitisch erweist sich die Fünfzig-Prozent-Grenze nur dadurch als nützlich, daß sie die Parteien einem verfassungsrechtlich abgesicherten Gebot der Mischfinanzierung unterwirft Die (neue) gesetzliche Regelung macht dies freilich (vorrangig) zur Auflage für die Gesamtpartei. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß in den einzelnen Parteien niemand die Finanzen der Gesamtpartei (und aller ihrer Gliederungen) soweit zu beeinflussen vermag, daß persönliche Verantwortung unterstellt werden kann. Da die Wahlkampfkosten für Bundestagswahlen und Europawahlen zusammen den höchsten Subventionsanspruch begründen, muß der Staatsanteil bei den Finanzen der Parteizentrale (wie in Italien und Schweden — vgl. Tab. 1) am höchsten ausfallen. Eine daraus resultierende Fixierung der Parteizentralen auf die öffentlichen Zuwendungen als einzige Strategie zur Bewältigung finanzieller Probleme ist jedoch verfassungspolitisch keineswegs wünschenswert. Der Hinweis auf die ambivalente Rolle der SPD bei der jüngsten Gesetzgebung mag hier als Beleg ausreichen.
Für eine angemessene Erörterung von Abhängigkeiten, die aus der öffentlichen Finanzierung resultieren, bildet im übrigen der Begriff „Staat" keinen sinnvollen Bezugspunkt. Durch öffentliche Parteienfinanzierung wird jede einzelne Partei potentiell abhängig — vom politischen Willen und der finanziellen Situation der mit ihr konkurrierenden Parteien sowie — von einer skandalisierenden Informationsgebung durch Massenmedien und der emotionalen Aufladbarkeit des demokratischen Massenpublikums.
Paltiel hat zu Recht darauf hingewiesen, daß erst die direkte Parteienfinanzierung auch Oppositionsparteien in den Genuß öffentlicher Mittel gebracht hat; den Regierungsparteien stehen solche Mittel traditionell zur Verfügung (Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, Einsatz von Personal und Material der Staatsverwaltung für parteipolitische Zwecke, Reptilienfonds) Das Risiko finanzieller Ab-hängigkeit droht nur Minderheitsparteien) und ergibt sich erst dann, wenn vor allem die Parlamentsminderheit Geld braucht, etwa um eine angemessene Medienresonanz ihrer politischen Aktivität zu erzeugen, oder wenn Parteien die Mehrheit bilden, die über ausreichende private Geldquellen verfügen In diesen Fällen zeigt sich, daß die verfassungspolitische Aufgabe (Chancengleichheit) mit dem konkreten Interesse einzelner Parteien, die jeweils eigenen Chancen in der politischen Auseinandersetzung (auch finanziell) zu verbessern, in Konflikt gerät.
Vor dem Hintergrund dieser Probleme erscheint es als angemessene Lösungsstrategie, wenn die Parteien in Deutschland, wie auch in Italien, Österreich und Schweden traditionell bestrebt sind, die mit der öffentlichen Parteienfinanzierung zusammenhängenden Parlamentsbeschlüsse nicht nach dem Mehrheitsprinzip, sondern einvernehmlich zustande zu bringen. Dadurch wird auch dem Ausstieg einer einzelnen Partei aus der Verantwortung für verfassungspolitisch als notwendig erachtete Beschlüsse zugunsten der tagespolitischen Opportunität vorgebeugt. Andererseits kann so dem (von besonders „kritisch" eingestellten Medien öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzenden) Verdacht einer „Selbstbedienung" der Parteien zu Lasten der Steuerzahler nicht entgegengewirkt werden. Ein Verfahren, das geeignet ist, willkürliche Maßnahmen zu Lasten politischer Konkurrenten durch deren Einbindung auszuschließen, muß auf die legitimierende Wirkung der demokratischen Mehrheitsentscheidung nach kontroverser Debatte verzichten. Die Bewältigung der mit den Parteifinanzen verbundenen Probleme bleibt auch insoweit eine Optimierungsaufgabe.
III. Optimierung der Finanzquellen als verfassungspolitische Gestaltungsaufgabe
Abbildung 3
Tab. 2b: Kategorien der Rechenschaftsberichte in Westeuropa (Ausgaben) Quellen: § 24 Parteiengesetz (i. d. F. vom 24. 7. 1967 bzw. 22. 12. 1983), BGBl. I S. 773 bzw. 1577 (Deutschland); Anlage zum Gesetz Nr. 195 v. 2. 5. 1974, Gazetta Ufficiale, S. 3594 ff. bzw. Dekret des Präsidenten der Abgeordnetenkammer v. 28. 7. 1982, Gazetta Ufficiale, S. 5479f. (Italien); Parteienvereinbarung vom 19. 12. 1980 (Schweden); § 4 Abs. 5 und 6 Parteiengesetz i. d. F. v. 16.12.1982 BGBI Nr. 643 (Österreich)
Tab. 2b: Kategorien der Rechenschaftsberichte in Westeuropa (Ausgaben) Quellen: § 24 Parteiengesetz (i. d. F. vom 24. 7. 1967 bzw. 22. 12. 1983), BGBl. I S. 773 bzw. 1577 (Deutschland); Anlage zum Gesetz Nr. 195 v. 2. 5. 1974, Gazetta Ufficiale, S. 3594 ff. bzw. Dekret des Präsidenten der Abgeordnetenkammer v. 28. 7. 1982, Gazetta Ufficiale, S. 5479f. (Italien); Parteienvereinbarung vom 19. 12. 1980 (Schweden); § 4 Abs. 5 und 6 Parteiengesetz i. d. F. v. 16.12.1982 BGBI Nr. 643 (Österreich)
Akzeptiert man die Notwendigkeit angemessener Mittel für eine erfolgreiche Tätigkeit politischer Parteien in westlichen Demokratien, dann stellt sich die Gestaltung der Parteienfinanzierung letztlich als Optimierungsproblem dar, dessen besondere Schwierigkeit im innovativen Charakter der erforderlichen Regelung liegt. Bislang ist es nämlich keiner westlichen Demokratie gelungen — Funktionsfähigkeit des Parteiensystems, — ständige Parteiorganisation mit hauptberuflicher Wahrnehmung von Aufgaben, — inflationsbedingt steigende Kosten der Parteitätigkeit bei prinzipiell unbegrenztem Aufgabenumfang, — Unabhängigkeit und Bürgernähe der Parteien sowie — transparente Beschaffung ausreichender Mittel durch die (verfassungsgesetzliche) Neuregelung der finanzwirtschaftlichen Aspekte des Parteienwettbewerbs auf Dauer befriedigend miteinander zu verknüpfen. 1. Notwendigkeit und Risiken privater Geldquellen Wenn die Verfasser des Grundgesetzes von den Parteien öffentliche Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel forderten, so unterstellten sie — in Übereinstimmung mit den eigenen politischen Erfahrungen und den politischen Verhältnissen ihrer Zeit — die ausschließliche Finanzierung politischer Parteien aus privaten Mitteln. Ganz auf dieser Linie hat die Parteienrechtskommission 1957 folgende Einnahmequellen der Parteien ins Auge gefaßt: Mitgliederbeiträge, Sammlungen, Erträge von Veranstaltungen und Veröffentlichungen, Spenden. Sach-und Dienstleistungen, Einnahmen aus Eigenbetrieben und Parteivermögen, Abführungen der Fraktionsangehörigen Eschenburg zog 1961 nur noch vier wesentliche Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht: „Beitragsleistungen der Mitglieder, Einkünfte aus Parteivermögen, private Spenden sowie ... Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln" Sieht man von den hier bereits genannten öffentlichen Subventionen ab, dann werden verschiedene Formen des Zugriffs auf private Mittel (der Parteien, ihrer Mitglieder und Anhänger) angeführt. Von diesen Einnahmequellen erscheinen als unproblematisch:
— (freiwillige) Beiträge und Spenden (von natürlichen Personen), — Überschüsse bei (politischen und gesellschaftlichen) Veranstaltungen der Parteigliederungen, — Gewinne (aus der regulären Geschäftstätigkeit) von parteieigenen Unternehmen (z. B. Druckereien und Verlage).
Die Zusätze weisen aber bereits auf wichtige Probleme hin; bestimmte Einnahmearten sind nämlich geeignet, das öffentliche Ansehen der Parteien als demokratische Institutionen zu diskreditieren:
— Machen Spenden von Wirtschaftsunternehmen und Verbänden die Parteien geneigter, deren Interessen zu vertreten?
— Sind alle Spenden und Beiträge „freiwillig" oder gibt es (de facto) Parteisteuern, Ämterkauf bzw. Provisionszahlung?
— Stammen Gewinne von Parteiunternehmen z. T. aus Pseudoaufträgen und Scheingeschäften (Anzeigen, Gutachten, Abonnements)? — Lassen sich durch Veranstaltungen (ohne Glücksspiele) überhaupt noch nennenswerte Überschüsse erzielen?
Der Versuch, diese Fragen realistisch zu beantworten, führt zu erheblicher Skepsis gegenüber den privaten Quellen der Parteienfinanzierung. Andererseits erfordert vor allem die Unabhängigkeit der Parteien von einseitigen Einflüssen nicht nur eine Orientierung der Ausgaben an den Einnahmen und eine Vielfalt der Finanzquellen, sondern auch den Vorrang der privaten vor der öffentlichen Finanzierung und den Vorrang der Kleinspenden vor den Großspenden
Auch die Sachverständigen-Kommission hält eine „Eigenfinanzierung" der Parteien (aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden) für die „demokratiegemäße", verfassungspolitisch zu bevorzugende, „optimale Finanzierungsart. Die von der Kommission erwogenen Vorschläge richten sich deshalb vor allem darauf, private Initiativen zur Finanzierung der Parteien frei-zusetzen und dadurch zugleich eine demokratische Belebung auszulösen" Dies soll vor allem durch verstärkte steuerliche Anreize geschehen: Beiträge und Spenden können nach dem neuen Gesetz bis zu DM 1 200 jährlich für jeden Steuerpflichtigen mit 50 % von der Steuerschuld abgezogen werden; zusätzliche Beiträge und Spenden mindern (unter bestimmten Bedingungen) das steuerpflichtige Einkommen von Personen und Körperschaften
Hier zeigt sich freilich ein Bruch mit dem von der Kommission formulierten Ziel einer „verstärkten Bürgerfinanzierung": „Spenden juristischer Personen an Parteien sind weiterhin zulässig" und verstärkt steuerlich begünstigt — ohne daß es sich hierbei um Bürger der Bundesrepublik oder Deutsche im Sinne des Grundgesetzes handelt. Das Recht der politischen Partizipation bei Wahlen beschränkt sich auf natürliche Personen, das Recht der politischen Artikulation durch Spenden steht auch Aktiengesellschaften zu.
Diese Diskrepanz ist eher finanzwirtschaftlich als verfassungspolitisch zu begründen. Die bisherige Erfahrung der Parteischatzmeister prägt offenbar die Erwartung des Gesetz-gebers: kleine Spenden von vielen Geldgebern gelten als unerreichbar; große Summen von wenigen Geldgebern lassen sich durch steuerliche Anreize hervorlocken. Wenn juristische Personen von der Steuerbegünstigung ausgeschlossen blieben, müßten ihre Führungskräfte Parteispenden aus dem persönlichen Einkommen oder Vermögen leisten — und genau dieses Engagement für die eigenen politischen Ziele und für die deutsche Demokratie trauen ihnen die Parteien (offenbar aus 1 leidvoller Erfahrung) nicht zu. „Die Begrenztheit der Selbsthilfemöglichkeiten erfordert deshalb zur Aufgabenerfüllung zusätzliche Finanzierungsformen" — nämlich öffentliche Subventionen. 2. Arten öffentlicher Förderung Eine finanzielle Förderung der Parteien durch öffentliche Mittel erfolgt in den westlichen Demokratien in sehr unterschiedlichen Formen. Neben direkten öffentlichen Zuwendungen an die Parteien findet sich eine Vielzahl von indirekten Subventionen: Das Problem der Abgrenzung zwischen den allgemeinen Kosten der Demokratie und den spezifischen Aufwendungen für politische Parteien stellt sich bereits bei den Einkommen und der Amtsausstattung von Berufspolitikern. Da diese Personengruppe gleichermaßen öffentliche Ämter wahrnimmt und parteipolitische Funktionen ausübt, erscheint eine Zuordnung der damit verbundenen öffentlichen Aufwendungen zu den Kosten des Staatsapparates bzw.der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinne ebenso möglich wie ihre Einschätzung als Kosten der Parteitätigkeit Ähnlich muß die Inanspruchnahme von Sendezeiten der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-und Fernsehanstalten für die Öffentlichkeitsarbeit von Parteien bzw. die Wahlwerbung gesehen werden. In Westeuropa steht gebührenfreie Zeit für werbende „Fernseh-und Radiosendungen ... — wenn auch in unterschiedlichem Umfang und auf verschiedener Basis — den politischen Parteien überall zu"
Eine andere Form der indirekten Parteienförderung bildet ein staatlicher Steuerverzicht, der die Parteien begünstigt. Dabei geht es weniger um die Befreiung der Parteien von der Zahlung bestimmter Steuern, sondern vor allem um einen Verzicht des Staates auf Einnahmen aus der Einkommensteuer. Der Verzicht auf öffentliche Einnahmen erfolgt in Deutschland, den USA und Kanada dadurch, daß Spenden (und Beiträge) an politische Parteien (und/oder Kandiaten) steuerlich abzugsfähig sind, also aus unversteuertem Einkommen geleistet werden Da bei progressiver Einkommensbesteuerung den einkommens-starken Spendern ein relativ hoher Steuersatz erspart bleibt, haben alle drei Länder neben dem Abzug vom steuerpflichtigen Einkommen auch einen (partiellen) Abzug von der Steuerschuld als Anreiz für die unteren Einkommensgruppen eingeführt. Italien, Österreich und Schweden kennen keine Steuerbegünstigung für Zuwendungen an politische Parteien.
Den Grenzbereich zwischen direkter und indirekter Parteienfinanzierung markieren öffentliche Zuwendungen an parteinahe Organisationen (wie etwa Jugendverbände, politische Stiftungen oder Zeitungsverlage). Während politische Stiftungen (mit Aufgaben in der Politikberatung und Funktionärsschulung) vor allem in Deutschland und Österreich (nicht aber in Italien und Schweden) namhafte öffentliche Zuwendungen erhalten, kennt die Bundesrepublik (im Gegensatz zu Italien, Österreich und Schweden) keine staatliche Presseförderung die gerade in den drei genannten Ländern in erheblichem Maße den Parteizeitungen zugute kommt und so die Parteien für ihre sonstige Tätigkeit finanziell entlastet.
Trotz dieser Vielfalt indirekter Subventionen für die Parteitätigkeit wird in westlichen Demokratien bei öffentlicher Parteienfinanzierung vor allem an drei Formen direkter Zahlung gedacht: die pauschale Erstattung von Wahlkampfkosten, laufende Zuschüsse für die Parteiorganisation und Haushaltsmittel für die Arbeit der Parlamentsfraktionen.
Die pauschalierte Erstattung der Kosten eines für angemessen erachteten Wahlkampfes findet sich bei allen Parlamentswahlen in Italien und in Deutschland. Da in der Bundesrepublik auf die Wahlkampfkostenerstattung Abschlags-und Restzahlungen über die gesamte Legislaturperiode verteilt werden, läßt sich hier ein fließender Übergang zu laufenden Organisationszuschüssen feststellen. Die Gewährung von Zuschüssen für die laufenden Kosten der Parteiorganisation ist in Schweden, Italien und Österreich stärker ausgeprägt als in irgendeiner anderen westlichen Demokratie.
Bei der Bereitstellung öffentlicher Mittel für die Parlamentsfraktionen bilden die vier hier betrachteten Länder ein abgestuftes Kontinuum: In Italien muß ein geringer Anteil der Organisationszuschüsse den Parlamentsfraktiorten zur Verfügung stehen; in Schweden bilden die Fraktionsmittel den quantitativ geringsten Teil der Parteienförderung (partistöd); in Deutschland ist die Gesamtsumme der Fraktionsmittel beachtlich (aber weder gesetzlich verankert noch inflationsgesichert). Lediglich in Österreich haben die Parlamentsfraktionen einen gesetzlich verankerten Anspruch auf dynamisierte Leistungen 3. Umfang und Besonderheiten des Mittelzuflusses Verwendungszweck und Zahlungsempfänger der einzelnen Formen öffentlicher Parteienfinanzierung sind wesentlich bestimmt durch die Struktur des politischen Systems. So zahlt Italien etwa nur an die nationalen Parteien, Schweden auf allen Ebenen des politischen Systems; Österreich und Deutschland fördern die Parteien im Bund und in den Ländern. Der Umfang der aus öffentlichten Mitteln gewährten Subventionen läßt sich derzeit für keine der hier erörterten westeuropäischen Demokratien verläßlich einschätzen. Für Italien fehlen Informationen über Regionen, Provinzen und Kommunen. In Westdeutschland liegt der Schwerpunkt der offenen Parteien-förderung (Parlamentsfraktionen, politische Stiftungen und Wahlkampfkostenerstattung) beim Bund, in Österreich bei den Ländern und in Schweden bei den Kommunen.
Zuwendungen der Gemeinden an die politischen Parteien müssen nach Art und Umfang der Leistungen als die Besonderheit der schwedischen Regelung gelten. Durch Gesetz vom 28. November 1969 wurden die Kommunen ermächtigt, den im jeweiligen Provinziallandtag oder Gemeinderat vertretenen Parteien finanzielle Zuwendungen zu leisten. Die kommunalen Gremien können die Höhe der Zahlung und den Verteilungsschlüssel selbst festsetzen, müssen aber jeder Partei pro Mandat den gleichen Betrag zukommen lassen Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes hatten ungefähr 90 % der Gemeinden und alle 24 Provinzen entsprechende Beschlüsse gefaßt; seit 1977 leistet jede Gemeinde derartige Zahlungen. Die Höhe der Zuwendungen pro Mandat lag 1977 zwischen 400 Kronen in einer kleinen Land-gemeinde und 50 000 Kronen in Stockholm. Insgesamt wurde damals von Provinzen und Gemeinden das Anderthalbfache der staatlichen Subventionen an die politischen Parteien ausgezahlt. Die Inflationsanpassung der kommunalen Zahlungen ist im einzelnen nicht zu ermitteln, weil die Festsetzung den Beschlußgremien der über 300 Gebietskörperschaften obliegt. Nach einer neueren Schätzung beträgt die insgesamt ausgezahlte Summe etwa 160 Mio. SKr (knapp 55 Mio. DM) jährlich, also ungefähr das Doppelte der staatlichen Leistungen Das schwedische Modell der direkten Organisationszuschüsse auf allen Ebenen des politischen Systems erscheint geradezu als Gegenpol zur deutschen Subventionspraxis mit intensiver indirekter Förderung und pauschalierter Erstattung von Wahlkampfkosten.
Die in Italien seit 1974 schrittweise eingeführte Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln verbindet — regelmäßige Zahlungen zur Erstattung von Wahlkampfkosten für die beiden Kammern des nationalen Parlaments, das Europäische Parlament und die Regionalräte (Wahlkampfkostenerstattung) mit — jährlichen Leistungen aus dem Staatshaushalt zum laufenden Finanzbedarf der Parteien und Parlamentsfraktionen (Organisationszuschüsse).
Als Organisationszuschuß werden z. Zt. jährlich fast 83 Mrd. Lire (137 Mio. DM) auf die in der Abgeordnetenkammer bzw. im Senat vertretenen Parteien verteilt. Die empfangsberechtigten Parlamentsfraktionen dürfen maximal 10 % des Forderungsbetrages für eigene Zwecke verwenden und müssen den Rest an ihre Parteizentrale weiterleiten. Zur Erstattung von Wahlkampfkosten (ohne Vorauszahlungen) wird für einen Wahlzyklus aller drei Ebenen insgesamt fast die gleiche Summe bereitgestellt wie für die jährlichen Organisationszuschüsse. Je nach Wahlart gelten unterschiedliche Beträge, Zugangsbedingungen und Verteilungsschlüssel (mit bzw. ohne Sokkelbetrag)
Die in Österreich praktizierte öffentliche Parteienfinanzierung vermittelt zunächst den Eindruck einer Variante des westdeutschen Modells Die Förderung der Parlamentsfraktionen (seit 1964) und der staatsbürgerlichen Bildung durch „politische Akademien" (seit 1973) auf Grund entsprechender Bundesgesetze bildet im wesentlichen eine verrechtlichte Form der in der Bundesrepublik Deutschland nur durch die Haushaltsgesetze bereitgestellten Fraktionsmittel und Global-zuschüsse an die politischen Stiftungen der Bundestagsparteien.
Während der Inflationsausgleich bei den Parlamentsfraktionen durch die Verknüpfung mit den Einkommen bestimmter Besoldungsgruppen des öffentlichen Dienstes perfekt geregelt ist, ergeben sich bei der schrittweisen Erhöhung der Bildungsmittel und der Organisationszuschüsse (seit 1975) regelmäßig „politische Kosten", die jedoch durch Verknüpfung mit der Presseförderung unter Kontrolle gehalten wurden. Die Anpassung der einzelnen Regelungen über die jährlichen Haushaltsansätze (und neuerdings auch über ergänzende Nachtragshaushalte) ist ebenso wie die Einführung von jährlichen Organisationszuschüssen an die nationalen Parteien (seit 1975) einvernehmlich erfolgt. Insgesamt flossen den österreichischen Parteien aus Bundesmitteln im Jahre 1983 über 160 Mio. ÖS (fast 23 Mio. DM) zu. Diese Subventionen machen nach Schätzung österreichischer Sachkenner in Wahljahren etwa 30%, sonst mehr als 50 % der Gesamteinnahmen der Bundesparteien und höchstens 30 % aller öffentlichen Geldleistungen für die Parteitätigkeit aus
IV. Strategien zur Kostendämpfung bei der Parteitätigkeit
Nicht nur die Einnahmen-, auch die Ausgabenseite der Parteihaushalte wirft erhebliche Probleme auf. Werden etwa die Einnahmen durch gesetzliche Regeln oder unter dem Druck der öffentlichen Meinung auf unproblematische Quellen begrenzt, dann stehen für die Finanzierung einer ständigen Organisation (Personal, Räume), für Wahlkämpfe und eine kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit zu wenig Mittel zur Verfügung Fließt das Geld reichlicher, nicht zuletzt aus öffentlichen Kassen, dann entfallen wichtige Bremswirkungen für eine prinzipiell grenzenlose Ausdehnung der Parteitätigkeit. 1. Verbot bestimmter Einnahmen Verschiedene Einnahmequellen der politischen Parteien gelten in westlichen Demokratien als unerwünscht, einige wurden deshalb für unzulässig erklärt. In Italien dürfen Parteien, die sich an den Wahlen beteiligen, seit 1974 keine Spenden von öffentlichen Körperschaften oder von Gesellschaften annehmen, an denen der Staat (direkt oder indirekt) mit mindestens 20 % beteiligt ist. Dieses Verbot wurde 1981 auf Abgeordnete, Regional-räte, kommunale. Mandatsträger, Kandidaten und innerparteiliche Gruppierungen (correnti) ausgedehnt. Ein Verstoß ist für Geldgeber und Empfänger mit Haftstrafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren sowie mit einer Geldbuße bis zum doppelten Betrag der rechtswidrigen Spende bedroht
Die Strafandrohnung des deutschen Parteien-gesetzes für unzulässige Spenden erstreckt sich auf das Zweifache der Spendensumme und die Pflicht zur Abführung der Spende an gemeinnützige Institutionen. Die deutschen Parteien dürfen seit 1. Januar 1984 keine Spenden von politischen Stiftungen, gemeinnützigen Organisationen und ausländischen Geldgebern annehmen. Ebenfalls unzulässig sind (über Berufsverbände) durchlaufende, anonyme und finale (in Erwartung eines Vorteils gewährte) Spenden Den Verzicht auf ein Verbot der Spenden von juristischen Personen begründet die Sachverständigen-Kommission mit dem Hinweis auf Umgehungsmöglichkeiten. Es fragt sich, ob aus genau diesem Grund nicht auch die nunmehr in Kraft gesetzten Spendenverbote vor allem symbolische Bedeutung haben.
Während Schweden auf derartige gesetzliche Regelungen der Parteifinanzen aus grundsätzlichen Erwägungen weiterhin verzichtet und die Implementation der italienischen Bestimmungen eher noch vorsichtiger einzuschätzen ist als die der deutschen, hat Österreich für die Begrenzung bestimmter Spenden einen anderen Weg als den des gesetzlichen Verbots beschritten. Seit 1975 müssen Berufsverbände, die an politische Parteien oder andere Organisationen freiwillige Zuwendungen leisten, auf diese Zuwendung eine pauschale Einkommensteuer von 35% zahlen Diese „Steuerstrafe" kann als „Bremse" für eine Spendenfinanzierung der politischen Parteien aus dem Bereich der Interessenverbände oder als Einladung zur Entwicklung von Vermeidungsstrategien angesehen werden. Ihre Wirksamkeit ist nicht anders einzuschätzen als die genereller Einnahmeverbote. Ähnliche Argumente werden häufig auch gegen Regelungen zur gesetzlichen Begrenzung der Parteiaufwendungen vorgebracht. 2. Ausgabenbegrenzung Während Schweden und die Bundesrepublik Deutschland auf jede gesetzliche Limitierung der Parteiausgaben verzichten, wird in Österreich seit 1975 eine Dämpfung der Wahlkampfkosten durch öffentliche Gegenüberstellung von Wahlkampfbudget und -ausgaben angestrebt: Die Parteien reichen einer „Kommission zur Überwachung der Wahlkampfkosten beim Bundesministerium für Inneres" einen Voranschlag ihrer in den letzten fünf Wochen vor der Wahl beabsichtigten Ausgaben sowie nach der Wahl eine Aufstellung ihrer in diesem Zeitraum tatsächlich getätigten Ausgaben ein. Die Kommission prüft, ob die (mitgeteilten) Ausgaben im Rahmen des Voranschlages bleiben und veröffentlicht spätestens drei Wochen nach der Wahl ihre entsprechende Feststellung sowie die Angaben der Parteien im Amtsblatt zur Wiener Zeitung
Offensichtliche Schwächen dieses Verfahrens sind die unrealistische Begrenzung des Wahlkampfzeitraumes und die Bestellung der Kontrollierten zu Kontrolleuren. Sicher erscheint, daß die Überwachung der Wahlwerbungskosten keinen relevanten Beitrag zur Kosten-dämpfung zu leisten vermag, auch wenn ein Vergleich der Ausgabenübersichten für 1975 bis 1983 den Eindruck konstanter, real also sinkender, Wahlkampfaufwendungen der österreichischen Parteizentralen im berichts-pflichtigen Zeitraum vermittelt.
Relativiert wird dies Ergebnis bereits durch den Hinweis auf eine jederzeit mögliche (tatsächliche oder abrechnungstechnische) Vorverlegung wahlrelevanter Ausgaben in die Zeit vor Beginn der offiziellen Kostenbegrenzung. Von dieser Möglichkeit haben die österreichischen Parteien offenbar verstärkt Gebrauch gemacht; das Wahljahr 1979 beispielsweise brachte trotz gleichbleibender Wahlkampfausgaben (im formellen Sinne) einen sprunghaften Anstieg der (gesondert veröffentlichten) Gesamtausgaben bei allen drei im Nationalrat vertretenen Parteien
Angesichts solcher Erfahrungen stellt der deutsche Verzicht auf eine gesetzliche Kostenbegrenzung die verfassungspolitisch richtige Lösung dar; die von der Sachverständigen-Kommission vorgeschlagene Parteienvereinbarung würde sich kaum anders auswirken als das österreichische Gesetz und erscheint deshalb überflüssig. Eine wirksame Begrenzung der „Kostenexplosion" bei den Wahlkampfausgaben kann nur bei den Anbietern der „aufwendigsten“ Werbemittel (in Deutschland also der Plakatflächen sowie der Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften) oder bei einer öffentlichen Kritik einzelner Aufwandsarten ansetzen. 3. Transparenz der Ausgaben Die ursprüngliche Vorschrift des Grundgesetzes zur Transparenz der Geldquellen hatte eine in der Debatte des Parlamentarischen Rates angesprochene, für den politischen Alltag der Bundesrepublik freilich nicht relevant gewordene Implikation: Die Finanzierung der Parteien sollte — bei entsprechender Abweichung vom Normalmaß des demokratisch Akzeptablen — von den jeweiligen Konkurrenten zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung gemacht, der wahlberechtigte Bürger zum Schiedsrichter über die politische Moral im Bereich der Parteienfinanzierung eingesetzt werden.
Dieser Gedanke wird durch die Vorschläge der Sachverständigen-Kommission und die ihnen im wesentlichen folgende Novellierung des Parteiengesetzes fortentwickelt: überhöhte Ausgaben der einen Partei für bestimmte Zwecke (etwa im Wahlkampf) sollen von der anderen als Argument der Wahlwerbung genutzt werden können. Als „antizipierte Reaktion" (C. J. Friedrich) darauf ist ein vorsichtiges Vorgehen finanzstarker Parteien bei aufwendiger Wahlwerbung zu erwarten. Die Grenzen der Wirksamkeit ergeben sich aus dem generellen Problem transparenter Parteienfinanzierung.
V. Parteifinanzen zwischen Verschleierung und Transparenz
Auch wenn die neue Fassung des Art. 21 GG den Anspruch auf Transparenz aller Aspekte der Parteifinanzen formuliert, sollte niemand die Illusion hegen, dies sei realisierbar: „Die Parteifinanzen sind... aus begreiflichen Gründen das wenigst durchsichtige Kapitel der Parteigeschichte und doch eines ihrer wichtigsten Verfassungspolitisch notwendig ist die deutliche Markierung der Grenze zwischen legitimer (prinzipiell für die Öffentlichkeit zugänglicher) Finanzgebarung und illegitimen (mit finanzwirtschaftlichen oder strafrechtlichen Sanktionen bedrohten) Transaktionen. 1. Regelungsbedarf Durch (ausreichende) Transparenz der (legitimerweise) verfügbaren Finanzmittel politischer Parteien kann zugleich einer Kostenexplosion im Bereich der Parteitätigkeit wirksam begegnet werden, wenn die zur Kontrolle aufgerufenen Massenmedien und gesellschaftlichen Organisationen für dieses Thema eine „kritisch räsonnierende Öffentlichkeit" (im Sinne von Habermas) herstellen.
Alle Länder mit entwickelten Rechenschaftssystemen gehen vom Prinzip der Einnahmen-und Ausgabenrechnung, also von der prinzipiell realistischen Annahme aus, daß Parteien als Organisationen des politischen Wettbewerbs jede von ihnen erreichbare Einnahme in relativ kurzer Zeit für wettbewerbsbedingt „notwendige" Ausgaben verwenden werden. Die gezielte Ansammlung von Vermögenswerten gehört ebensowenig zu den typischen Verhaltensweisen politischer Parteien wie die dauerhafte Verschuldung als Finanzierungsform vorstellbar ist. Ressourcenverschiebungen in zeitlicher und räumlicher Hinsicht werden folgerichtig vernachlässigt. Bei solchen Überlegungen bleibt allerdings unberücksichtigt, daß Parteien in Wahlkampf-situationen im Vorgriff auf künftige Einnahmen politisch als notwendig erachtete Ausgaben tätigen, in wahlkampffreien Jahren Rücklagen für Wahlkampfzwecke bilden und zwischen den Teilen einer Parteiorganisation in unterschiedliche Richtung und mit unterschiedlichen Größenordnungen Maßnahmen eines innerparteilichen Finanzausgleichs stattfinden können. Während Schweden und Italien solchen Zahlungen Rechnung tragen, ermöglicht allein die jetzt in der Bundesrepublik Deutschland eingeführte Vermögensübersicht auch die Kontrolle zeitlicher Transfers.
Von den Pionieren der öffentlichen Parteien-finanzierung hat nur Schweden die staatlichen und kommunalen Subventionen mit keinerlei Auflagen verbunden. Da die binnen-strukturelle Autonomie der Parteien nicht angetastet werden sollte, verzichteten Regierung, Parlament, Verwaltung und Justiz prinzipiell auf jede Einwirkung oder Kontrolle Überall sonst „waren gewisse Eingriffe in das interne Leben der Partei durch Auferlegung von Rechenschaftspflichten über die Parteifinanzen" der Preis für (mehr oder weniger) umfangreiche Subventionen der Parteiaktivität aus öffentlichen Kassen. Unter dem langjährigen Druck öffentlicher Erörterungen haben die im schwedischen Reichstag vertretenen Parteien freilich durch „privatrechtliche" Vereinbarung eine weitgehend vergleichbare Form der Rechenschaftslegung geschaffen. 2. Umfang und Gliederung der Rechenschaftsberichte Trotz der in allen vier Ländern bestehenden Rechenschaftspflicht kann von einer Transparenz der Parteifinanzen bisher nicht gesprochen werden. Zwar berichten die Parteien in Italien, Österreich und Schweden seit Jahren über ihre Einnahmen und Ausgaben, die Reichweite der jeweiligen Regelung ist jedoch stets geringer als selbst beim (alten) Parteien-gesetz der Bundesrepublik Deutschland. Rechenschaftspflichtig sind in den drei Ländern lediglich die nationalen Parteizentralen; bereits die Finanzgebarung der regionalen Gliederungen, aber auch die finanziellen Verhältnisse von Nebenorganisationen (z. B. Jugend-und Studentenverbände, Frauenorganisationen, „Bünde" oder parteieigene Unternehmen) sind in die Rechenschaftspflicht nicht einbezogen.
Die Gegenüberstellung der österreichischen Rechenschaftsberichte mit Informationen über die gesamte Finanzierung der ÖVP läßt erkennen, daß bei dieser Partei auf der Bundesebene (ohne Teilorganisationen) in Jahren ohne Nationalratswahl etwa ein Sechstel des finanziellen Gesamtvolumens sichtbar wird Die (alte) deutsche Regelung umfaßte zwar nicht die Finanzwirtschaft der Parlamentsfraktionen, der politischen Stiftungen und der parteieigenen Unternehmungen, schloß aber immerhin die regionalen Gliederungen (zwar ungesondert, aber vollständig) ein. Geht man davon aus, daß die Parlamentsfraktionen völlig, die Stiftungen überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, so machen die Rechenschaftsberichte der Parteien in Deutschland immerhin den größeren Teil der „Parteikonzerne" transparent.
Wenn die westdeutschen Parteien jetzt (und zwar für alle Organisationsebenen) über Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie den Stand ihres Vermögens öffentlich Rechenschaft ablegen müssen, dann wird damit die umfangreichste Rechenschaftspflicht in einer westlichen Demokratie begründet. Wie groß der hier erreichte Fortschritt im Hinblick auf eine Transparenz der Parteifinanzen ist, wird nicht nur durch den Vergleich mit drei anderen Ländern (s. Tab. 2) erkennbar, sondern auch durch einen kritischen Rückblick auf die bisher geltende Regelung.
Bis 1983 setzte das deutsche Parteigesetz (in Übereinstimmung mit dem alten Wortlaut des Grundgesetzes) seine Rechenschaftspflicht bei den Einnahmen an. Damit war keineswegs die Absicht verbunden, das Kostenniveau zu begrenzen, sondern nur der Anspruch, wirtschaftliche Abhängigkeiten sicht-bar zu machen. Die nunmehr beseitigten Schwächen dieser Regelung lagen neben der Auflösung des Zusammenhangs zwischen Einnahmen und Ausgaben vor allem im Verzicht auf die Gegenüberstellung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten und in der leichtfertigen Handhabung von Spenden-sammlern (Mittelsmännern) und (vermeintlich) anonymen Zuwendungen
Durch Zusammenfassung der Einnahmen unterschiedlicher Organisationsebenen ging bisher die angestrebte Transparenz der Einnahmensituation völlig verloren:
— Innerparteiliche Transferzahlungen zwischen verschiedenen Organisatonsebenen wurden nicht erkennbar gemacht.
— Einnahmen der untersten Gebietsverbände. wurden mit denen der Bezirks-bzw. Landesorgnisationen nur zusammengefaßt ausgewiesen. — Ausgewiesene Kredite zeigten nicht die im Laufe eines Jahres eingetretene Entwicklung der Nettoverschuldung, sondern lediglich die Neuaufnahme von Krediten, die am Jahresschluß noch nicht getilgt waren.
Diese Probleme sind durch die Neuregelung offenbar umfassend bearbeitet. Lediglich die durch Zusammenfassung in einer gemeinsamen Kategorie (Spenden) bedingte unzureichende Transparenz von Zuwendungen juristischer Personen (Unternehmen, Interessen-organisationen) blieb als Problem erhalten. Der Verzicht auf die gesonderte Erfassung der Abgaben von Mandatsträgern (in Österreich treffend als „Parteisteuer" bezeichnet) stellt die einzige Verschlechterung bei den Berichtskategorien dar. Als Ursachen für die entsprechende Entscheidung sind das Diäten-urteil des Bundesverfassungsgerichts und die bereits erörterte Fünfzig-Prozent-Grenze der Staatsfinanzierung anzusehen. 3. Kontrollverfahren In Italien muß der Rechnungsabschluß zunächst von einem satzungsgemäß zuständigen Organ der Partei bestätigt, bis zum 31. Januar in einer national verbreiteten Tageszeitung veröffentlicht und bis zum 28. Februar jedes Jahres dem Präsidenten der Abgeordneten-kammer eingereicht werden. Dieser prüft unter Einschaltung von drei vereidigten Wirtschaftsprüfern und im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Senats sowie den Präsidien beider Kammern die (formale) Richtigkeit der Abschlußrechnung
Der Abschlußbericht der Wirtschaftsprüfer, von denen je einer der DC, der PCI bzw.der PSI angehört oder nahesteht, gilt als praktische Voraussetzung für die Auszahlung der nächsten Organisationszuschüsse. Ergeben sich Verstöße gegen die gesetzlichen Regelungen, so sind die Zuwendungen nach dem Parteienfinanzierungsgesetz für die betreffende Partei auszusetzen. Für die Rechenschaftsberichte des Jahres 1983 werden die Wirtschaftsprüfer erstmalig (nach neuem Recht) von den Parteien einzelne Auskünfte verlangen können. Vorher müssen jedoch Einzelheiten des Auskunftsverfahrens (insbesondere die Aufgabenverteilung zwischen dem prüfungsberechtigten Präsidenten und den als rein technische Hilfsorgane gedachten Wirtschaftsprüfern) geklärt werden
Auch bei der jüngsten Novellierung in der Bundesrepublik Deutschland wurde davon abgesehen, wirksame Kontrollmechanismen einzuführen. Den Versuch der Sachverständigen-Kommission, den Bundesrechnungshof in die Kontrolle der Parteifinanzen einzuschalten), hat dieser durch geschickte Intervention im Gesetzgebungsverfahren abgewehrt Dieses Ergebnis ist sicher schon deshalb zu akzeptieren, weil es außerordentlich fraglich erscheint, ob die beim Rechnungshof zugrunde liegenden Kriterien der sachgerechten und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel auf die Tätigkeit der Parteien ohne weiteres anwendbar wären. Bedauerlich ist allerdings, daß keine andere öffentliche Dienststelle die notwendigen Kontrollaufgaben zugewiesen erhielt.
Im Präsidium des Deutschen Bundestages sind ebenso wie dem der italienischen Abgeordnetenkammer oder in der österreichischen Kommission zur Überwachung der Wahlwerbungskosten die Kontrollierten mit den Kontrolleuren identisch. Da erscheint das schwedische Kontrollverfahren als redlicher: Die Parteizentralen schicken sich gegenseitig die Rechnungsabschlüsse zu und halten diese Unterlagen für anfragende Interessenten zur
Verfügung Eine Kontrolle findet nur statt, wenn irgendjemand den Inhalt der Materialien zum Gegenständ öffentlicher Erörterung macht. Auch im Bereich der Parteienfinanzierung ist Öffentlichkeit keineswegs institutionell einfach irgendwo vorhanden. Sie muß durch (selbst-) bewußten Akt eines „Bürgeranwalts" erst hergestellt werden. Hierbei sind gerade die politisch engagierten Massenmedien in besonderer Weise gefordert.
Karl-Heinz Naßmacher, Dr. rer. pol., geb. 1941; Studium der Wirtschafts-und Sozialwissenschaften an der Universität Köln; Tätigkeit in der Erwachsenenbildung (Bergneustadt, Dortmund) und an Hochschulen (Köln, Wuppertal); seit 1975 Professor für Politikwissenschaft an der Universität Oldenburg (Schwerpunkte: westliche Demokratien, Kommunalpolitik). Veröffentlichungen u. a.: Das österreichische Regierungssystem, Opladen 1968; Politikwissenschaft I und II, Düsseldorf 19773 bzw. 19792; Demokratisierung der Europäischen Gemeinschaften, Bonn 1972; (zusammen mit Hiltrud Naßmacher) Kommunalpolitik in der Bundesrepublik, Opladen 1979; Regionale Tradition als Bestimmungsfaktor des Parteien-systems, in: W. Günther (Hrsg.), Sozialer und politischer Wandel in Oldenburg, Oldenburg 1981; Parteifinanzierung in Kanada — Modell für Deutschland?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 13 (1982) 3; (zusammen mit Hiltrud Naßmacher) Kommunale Gewerbepolitik in Mittelstädten, in: Archiv für Kommunalwissenschaften, 1 (1983) 1; Politische Parteien im internationalen Vergleich, in: Neue Politische Literatur, 28 (1983) 3.
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