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Friedensbewegung und nationale Frage. Zum Beitrag von Wilfried von Bredow, Friedensbewegung und Deutschlandpolitik, in: B 46/83, S. 34 — 46 | APuZ 3-4/1984 | bpb.de

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APuZ 3-4/1984 Entwicklungslinien deutscher Universitätsgeschichte. Die deutsche Universität als ständische und als funktionsorientierte Einrichtung Staatliche Hochschulpolitik in der Bundesrepublik. Daten, Strukturen und Tendenzen Hochschulreformpolitik Versuch einer Bilanz Friedensbewegung und nationale Frage. Zum Beitrag von Wilfried von Bredow, Friedensbewegung und Deutschlandpolitik, in: B 46/83, S. 34 — 46

Friedensbewegung und nationale Frage. Zum Beitrag von Wilfried von Bredow, Friedensbewegung und Deutschlandpolitik, in: B 46/83, S. 34 — 46

Kommentar und Replik

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Da die Friedensbewegung auch nach der Stationierung neuer Mittelstreckenraketen von Interesse bleiben wird, erscheint es notwendig, daß der Aufsatz von Wilfried von Bredow eine kritische Würdigung erfährt.

Seine Arbeit wird dort problematisch, wo er die vom Status quo abweichenden Wiedervereinigungs-und Neutralisierungsvorstellungen aus den fünfziger Jahren mit Argumentationslinien in der heutigen Friedensbewegung vergleicht. Er tut dies mit einem methodisch fragwürdigen Kunstgriff: nämlich indem er — diese scheinbar relativierend — auf entsprechende Auslandskommentare hinweist und zugleich „Argumentations-Meteorite“ (S. 34) alternativer deutschlandpolitischer Konzepte in der Friedensbewegung sammelt, die die Unterstellungen und Befürchtungen einer gewissen westlichen Publizistik als real begründet belegen. Es ist von Bredow zuzustimmen, daß heute eine neue deutschlandpolitische Diskussion aufkommt und eine Verknüpfung des Identitätsproblems der Deutschen mit dem Sicherheitskomplex stattfindet. Nur: Ist dies auf die Ökologieund Friedensbewegung zurückzuführen, oder ist es nicht ein Resultat der Krise, in die die Ost-und Entspannungspolitik gegen Ende der siebziger Jahre geraten ist?

Das Scheitern einer militärischen Entspannung in Europa und das Wiederaufleben von Konfliktstrukturen des „Kalten Krieges“ löste Reaktionen aus, die sich durchaus nicht nur auf Deutschland beschränkten. Es ist deshalb wenig plausibel, wenn von Bredow die bundesdeutsche Friedensbewegung von einem Teil der internationalen westeuropäischen Bewegung abtrennt, sie auf die deutschlandpolitische Ausrichtung reduziert und die These ableitet, daß die Friedensbewegung — oder maßgebliche Repräsentanten derselben — den „großen Konsens“ in der Deutschlandpolitik verlasse.

W. von Bredow bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die französische Perzeption. Als Kronzeuge wird vor allem Pierre Hässner zitiert, der den Standpunkt vertritt, daß eine deutsch-deutsche Annäherung westeuropäischen Interessen entgegenstehe. Er sieht solche nationalen Bestrebungen nicht nur in der Friedensbewegung, sondern auch bei einer Reihe von Sozialdemokraten wie Egon Bahr und Günter Gaus. Doch Hässners Personalisierung des Themas zeigt gerade die Problematik, die sich dadurch ergibt, daß politisch diffuse Entwicklungen an Einzelpersönlichkeiten oder den von ihnen geschriebenen Büchern festgemacht werden. Zwar ist es richtig, daß Günter Gaus (Wo Deutschland liegt, Hamburg 1983, S. 285) von „besonderen deutschen Interessen“ spricht, er favorisiert aber für eine gesamteuropäische Friedensordnung gerade „gaullistische Antworten in zwischenstaatlichen Beziehungen“

auch in den deutsch-atlantischen Beziehungen.

Solche Überlegungen taugen kaum als Belege für Wiedervereinigungskonzepte, die sich im übrigen auf das Grundgesetz und die allgemeinen Zielsetzungen unserer Außenpolitik berufen können. Sie deuten eher auf eine latente außenpolitische Konfliktlinie quer durch alle Parteien hin, die es auch zu Beginn der sechziger Jahre gab, nämlich auf den Antagonismus zwischen „Atlantikern" und „Gaullisten“. Solche Diskussionen, die sich vor allem auf die Wahrnehmung eigenständiger europäischer Sicherheitsinteressen beziehen, haben damals wie heute wenig mit Deutschlandpolitik, aber viel mit Westintegration zu tun. Auch die Tatsache, daß neuerdings wieder die Souveränitätsfrage problematisiert wird, ist kein Beweis für Nationalismus. Immerhin ist es nicht ganz uninteressant, zu erfahren, daß nach der Rechtslage, vor allem nach dem Deutschland-und Aufenthaltsvertrag, die Bundesrepublik weder ihr Territorium einseitig zur nuklearwaffenfreien Zone erklären kann, noch ohne die Zustimmung der westlichen Allianzpartner den Weg der Neutralität zu beschreiten oder sich an einer Neuen Europäischen Friedensordnung zu beteiligen vermag. Eine solche staats-und völkerrechtliche Einschränkung außen-und sicherheitspolitischer Optionen gibt es in keinem anderen westeuropäischen Land.

In seiner Studie nennt W. von Bredow vordringlich drei zentrale Topoi, die den Bezug von Deutschlandpolitik und Friedensbewegung belegen sollen. Zum einen hält er die Vorstellung einer „besonderen Gefährdung der Deutschen“ für einen „merkwürdigen Anachronismus“, dem weder moderne Waffentechnologien noch Militärstrategien entsprächen. Als Einwand gegen diese These sei darauf hingewiesen, daß nach dem Weißbuch 1983 in keinem NATO-Land mehr Streitkräfte und Waf-B fen stationiert sind als in der Bundesrepublik. Laut Weißbuch 1983 wird „kein westliches Land ... auf engem Raum militärisch mehr genutzt als die Bundesrepublik Deutschland ... In keinem westlichen Land wird mehr und auf engerem Raum geübt als in der Bundesrepublik Deutschland“ (Weißbuch 1983, Ziffer 238, 240). Auch die Dislozierungsdichte von chemischen und atomaren Massenvernichtungsmitteln ist außerordentlich groß. Zur hohen Konzentration von Truppen und Waffensystemen kommen neben den Cruise Missiles nun auch noch die ausschließlich auf bundesdeutschem Boden dislozierten Pershing II. Zusammen mit anderen militärischen Zielen, wie z. B.der Befehls-und Kommandozentrale EUCOM, ergeben alle diese Faktoren eine von keinem Experten bestrittene herausragende geostrategische Position der Bundesrepublik. Dies gilt für alle nur möglichen konventionellen, taktischen oder strategischen Krisenszenarien. Es ist also kein „merkwürdiger Anachronismus“, wie von Bredow meint, sondern eine zutiefst rational begründete Argumentation, wenn sich die Deutschen in beiden Staaten — auch in der DDR gibt es eine hohe Truppenkonzentration und eine Anhäufung chemischer und atomarer Trägersysteme und Massenvernichtungsmittel — besonderer Bedrohung bewußt sind.

In seiner zweiten These kritisiert der Autor die Auffassung von einer „gesamtdeutschen Verantwortung für den Frieden“, die sich aus historischer Schuld herleitet und aus der in einem paradoxen Umkehrverfahren eine deutsche Sondermission zur globalen Friedenserhaltung angestrebt werde. Dies mutet an wie Spiegelfechterei: Zweifellos werden die Deutschen, die durch die expansive Kriegspolitik und die Judenvernichtungen der Nationalsozialisten die halbe Welt mit unsäglichem Leid überzogen haben, den Völkern jetzt nicht ihr Friedensverständnis aufdrängen können. Aber wer in der Friedensbewegung vertritt denn implizit oder explizit überhaupt einen solch expansiven Pazifismus? Aus dem Schuldbewußtsein ergibt sich bestenfalls ein Verantwortungsgefühl, das sich eher in Zurückhaltung äußert, statt in der Anmaßung einer moralischen Führungsaufgabe, wie sie von Bredow in Teilen der Friedensbewegung am Werk sieht.

Seine dritte Argumentationskette, die sich auf die These vom „besetzen Land“ bezieht, dem von Besatzungsmächten Konflikte und Waffensysteme aufgenötigt werden, stützt sich auf Zitate, die in ihrem Stellenwert für die Friedensbewegung weit überhöht werden. Bredows Zitatensammlung erweckt außerdem den Eindruck, als ob die Verknüpfung von Deutschlandpolitik und Friedensbewegung in dieser selbst unwidersprochen bliebe. Dem ist nicht so, wie viele auch schriftlich dokumentierte Äußerungen belegen. So wird dem neuen Patriotismus von Peter Brandt und Herbert Ammon entgegengehalten, daß die deutsche Nation, soweit man sie historisch und geographisch überhaupt fixieren könne, immer undemokratisch und expansionistisch gewesen sei, beides keine irgendwie erstrebenswerten Ziele. Und Erhard Eppler erklärte im Mai 1982: „Frieden geht vor Wiedervereinigung. Die sicherste Methode, den Frieden zu gefährden und das Zusammenkommen der Deutschen unmöglich zu machen, wäre, jetzt das Thema Wiedervereinigung in den Vordergrund zu spielen“ (Gustav-Heinemann-Initiative, Frieden — Aufgabe der Deutschen, Stuttgart 1982, S. 92). Zitate wie diese weisen darauf hin, daß in der Friedensbewegung — vor allem übrigens in kirchlichen Gruppen, die kontinuierlich die deutsch-deutschen Beziehungen etwa auf Gemeindeebene pflegen — das Deutschlandproblem diskutiert wird. Aber insgesamt konnte die „nationale Frage“ in der Friedensbewegung ebensowenig konsensfähig werden wie in anderen gesellschaftlichen Gruppen. Die deutsche Frage, so die Gegenthese zu von Bredow, ist in der Friedensbewegung kein Issue, also kein Meinungen polarisierender Problemkreis, und wird sich in absehbarer Zeit auch nicht erkennbar in Organisationen, Parteien und Wahlen Ausdruck verschaffen. Ein deutschlandpolitischer Anachronismus in der Friedensbewegung kann auch nicht durch deren Bezugnahme auf Konzepte der Neutralität oder Nuklearwaffenfreiheit belegt werden. Gerade nuklearwaffenfreie Zonen sind keine Erfindung der Friedensbewegung oder deutscher Kommunalpolitiker, sondern ein konkretes Konzept der internationalen Beziehungen. In mannigfaltigen Vertragswerken zur Kriegsverhütung und Nicht-Weiterverbreitung von Kernwaffen haben sich die Staaten der Vereinten Nationen zur Sicherung des Weltfriedens für die Nuklearwaffenfreiheit engagiert. Sicher gibt es in einem so breiten Spektrum, wie es die Friedensbewegung umfaßt, auch Vertreter, die extreme Positionen zu markieren versuchen. Die ausschließliche Fixierung auf solche Standpunkte führt von Bredow zu der Behauptung, daß die deutschlandpolitischen Auffassungen in der Friedensbewegung einen Austausch an den Extremrändern von Links und Rechts ermöglichten (S. 44 ff.). Indem er „Marginaldebatten“ in den Mittelpunkt rückt, wird ein Bild der Friedensbewegung gezeichnet, das empirisch nicht haltbar ist. Diese Bewegung kann kaum als Ausdruck rand-ständiger Gruppen gewertet werden. Sie ist weder als Aussteiger-Syndrom interpretierbar, noch kann sie nur und ausschließlich als Erscheinungsform des Jugendprotestes oder des Generationen-konflikts erklärt werden. Plausibler erscheint es, in ihr den Ausdruck einer Akzeptanzkrise nuklearer Abschreckungsstrategien und einer Legitimations37 krise des parlamentarischen Mehrheitsprinzips zu erkennen.

Michael Strübel (Institut für Politikwissenschaft der Justus-Liebig-Universität, Gießen) * Mißlich ist eine geradezu sanftmütige Bezeichnung für die Situation, in der man sich unversehens befindet, wenn man ohne Rückendeckung irgendwelcher „Schulen“ und gar noch einigermaßen behutsam als Politikwissenschaftler Themen aufgreift, die in der Zunft offenbar als Bekenntnis-Themen angesehen werden. Das Thema Friedensbewegung gehört dazu — entweder wird zünftig auf sie eingeschlagen oder es werden mittlere bis gewaltige Heilserwartungen an sie geknüpft. Strübel findet die Friedensbewegung ganz prächtig und ihr Wirken erfolgreich. Das ist eine politische Einschätzung, über die ich mit ihm nicht streiten will. Meine eigene politische Einschätzung ist anders, aber das interessiert hier nicht.

Zu streiten ist jedoch über einige Behauptungen, Unterstellungen und Schlußfolgerungen Strübels in seinem Kommentar. Geradezu perfide ist z. B.seine leichthin geäußerte Behauptung, ich würde mit einem „methodisch fragwürdigen Kunstgriff“ arbeiten, mit einer „Zitatensammlung“, die falsche Eindrücke beim Leser erweckt, ich sei auf extreme Positionen „ausschließlich“ fixiert und könne deshalb kein angemessenes Urteil über die verschiedenen, unter dem Namen Friedensbewegung zusammengefaßten Gruppen und Strömungen in der Bundesrepublik abgeben. Strübel verwechselt hier das, was ihm nicht gefällt, mit methodischer Fragwürdigkeit. Dabei hat er nur schlecht gelesen („selektive Wahrnehmung“ kann man auch als Kunstgriff betreiben). Meine Hinweise auf „entsprechende Auslandskommentare“ waren sehr maßvoll, wie ich versichern kann. Sowohl in französischen als auch in amerikanischen Medien — und in der politisch interessierten Öffentlichkeit dieser Länder — ist die Besorgnis über die Wiederbelebung deutscher Neutralisierungsvorstellungen inzwischen weit kräftiger ausgeprägt (was großenteils mit der dramatischen Isolierung der Schmidt’schen Sicherheitspolitik in der SPD zusammenhängt).

Wie man da ernsthaft von „Unterstellungen und Befürchtungen einer gewissen westlichen Publizistik“ sprechen kann, ist für mich schwer nachvollziehbar, einmal abgesehen davon, daß die Formulierung ganz schön opak ist. Wer ist gemeint: Le Monde, Newsweek, die Neue Zürcher Zeitung, die Times oder die New York Times? Ich habe mich auch nicht auf Pierre Hässner bezogen, weil ich seine — im übrigen ja doch außerordentlich fairen — Anfragen beantworten und seine Irritationen „als real begründet belegen“ wollte (das Wörtchen real scheint unter Politologen den Platz einzunehmen, den im Umgangsdeutsch echt erobert hat). Es ging mir um den Aufweis westlicher Perzeptionen der Friedensbewegung in der Bundesrepublik. Solche Perzeptionen, wie begründet odei verzerrt sie immer sein mögen, gewinnen in der internationalen Politik häufig ein beachtliches politisches Gewicht. Und weil für die Bundesrepublik Deutschland und ihre Stellung in der internationalen Politik nach 1949 das Verhältnis zu Frankreich eine besondere Rolle gespielt hat und weiter spielen wird, halte ich es für hochinteressant, die französische Perzeption von Vorgängen in der Bundesrepublik mit ins Auge zu fassen.

Eine Reihe weiterer impliziter oder explizierter Behauptungen von Strübel können Satz für Satz entkräftet werden. Ich führe z. B. die Verknüpfung der Identitätsproblematik der Deutschen mit dem Sicherheitskomplex keineswegs auf die Friedensbewegung zurück, also braucht man mir das auch nicht vorzuwerfen. Ich reduziere die bundesdeutsche Friedensbewegung keineswegs auf ihre deutschlandpolitische Ausrichtung. Ich habe keineswegs den Eindruck zu erwecken versucht, als ob die deutschlandpolitischen Auslassungen von Brandt, Ammon u. a. in der Friedensbewegung unwidersprochen geblieben seien. Auf solche Lese-fehler Strübels des näheren einzugehen, ist lästig und letztlich auch überflüssig, weil ja inzwischen deutlich geworden sein muß, daß Strübel nicht nur meinen doch so kompliziert nicht geschriebenen Aufsatz völlig mißverstanden hat, sondern darüber hinaus in seiner Antwort mich und die Leser von etwas überzeugen möchte, was mein Aufsatz und meine anderen Arbeiten über Sicherheitspolitik schon früher zu belegen suchen. Es ist mir darauf angekommen zu zeigen, daß innerhalb des breiten Spektrums der Friedensbewegung Positionen existieren und an Bedeutung gewonnen haben, die erstens an deutschlandpolitische Alternativvorstellungen der fünfziger Jahre anknüpfen (und deshalb, mit Verlaub, anachronistisch sind, wie sie es im Grunde damals schon waren) und die. zweitens unter bestimmten Umständen mit rechtsextremen Vorstellungen zusammenfließen können oder könnten. Wenn Strübel so tut, als sei er enttäuscht, weil ich kein umfassendes Panorama der Friedensbewegung gezeichnet habe, kann ich nur die Achseln zucken — so ist das nun mal, wenn man umfangreiches Material entlang einer vorher präzisierten Fragestellung untersucht. Um so überraschender sind für mich deshalb Strübels Schlußbemerkungen, wonach es plausibel erscheint, die Friedensbewegung als Ausdruck einer Akzeptanzkrise nuklearer Abschreckungsstrategien und einer Legitimationskrise des parlamentarischen Mehrheitsprinzips zu sehen. Darüber sind wir uns anscheinend einig. Was uns dann wieder trennt, ist, daß ich das erste für ambivalent und das zweite für demokratie-bedrohlich ansehe. Wilfried von Bredow

Fussnoten

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