Verderben viele Köche den Brei?
In einem kürzlich erschienenen Artikel für das New York Times Magazine hat Zbigniew Brzezinski, ehemals Sicherheitsberater Präsident Carters, die Art und Weise, wie sicherheitspolitische Entscheidungen in den Vereinigten Staaten getroffen werden, als „chaotisches Nicht-System" charakterisiert Das ist nicht nur die Klage eines ehemaligen, frustrierten Entscheidungsträgers, sondern eine Einschätzung, die von vielen Politikern und Politikwissenschaftlern gleichermaßen geteilt wird. Der vorliegende Essay über das außen-und sicherheitspolitische Entscheidungs„system" ist deshalb auch weit davon entfernt, ein in sich geschlossenes Modell zu konstruieren, mit dessen Hilfe Entscheidungsabläufe nachvollzogen werden könnten. Doch es lassen sich die Hauptakteure identifizieren, deren Zuständigkeiten und innere Organisation skizzieren sowie Grundmuster der Entscheidungsprozesse herausarbeiten. Das Hauptaugenmerk gilt dabei vor allem den Konflikt-strukturen im Verhältnis der am außenpolitischen Entscheidungsprozeß beteiligten Instanzen und den daraus erwachsenden Schwierigkeiten bei der Formulierung und Durchführung einer kohärenten Außenpolitik.
I. Die Exekutive
1. Alle Macht dem Präsidenten?
Die Geschichte der letzten fünfzig Jahre läßt wenig Zweifel, daß der Präsident der wichtigste außen-und sicherheitspolitische Entscheidungsträger innerhalb des Regierungssystems der Vereinigten Staaten ist. Verfassungsrechtlich muß er zwar die Zuständigkeit für bestimmte Zentralbereiche der Außenpolitik mit der Legislative teilen. Auch braucht er die Zustimmung des Kongresses, um seine außen-und militärpolitischen Programme finanzieren zu können, doch deren Formulierung und Durchführung ist seine Sache.
Der Präsident ist als Chef der Exekutive derjenige, der die Gesetze gewissenhaft auszuführen hat. Er ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte; er empfängt und entsendet Botschafter, er verhandelt mit auswärtigen Mächten. Von ihm wird erwartet, daß er auf die Entwicklungen der internationalen Umwelt reagiert und die außenpolitische Initiative ergreift. Seit Präsident Roosevelt haben alle Präsidenten, unterstützt durch Urteile des Obersten Gerichtshofes, von dieser Prärogative extensiven Gebrauch gemacht
Diese Entwicklung erklärt sich zum Teil dadurch, daß der Handlungsspielraum des Präsidenten in der Außenpolitik größer ist als in der Innenpolitik, wo er durch einen Wust von Gesetzen und Verordnungen eingeengt ist Außenpolitische Neuerungen scheinen leichter durchsetzbar als innenpolitische Reformen. Zumindest sind sie, wenn erfolgreich, spektakulärer. Der Reiz, mit einem neuen außenpolitischen Kurs seiner Amtszeit einen eigenen Stempel aufzuprägen, ist für jeden Präsidenten recht groß. Doch zwingt ihn auch die internationale Rolle der Vereinigten Staaten als globale Macht mit weltweiten Interessen zu einer intensiveren Beschäftigung mit außen-und sicherheitspolitischen Fragen. Alle Präsidenten sind während ihrer Amtszeit mit größeren internationalen Krisen konfrontiert gewesen, die ihre Zeit und Energie absorbierten, selbst wenn sie die Prioritäten lieber in der Innenpolitik gesetzt hätten.
Die mit diesen Entwicklungen verbundene Akkumulation von Machtbefugnissen beim Präsidenten ist oft als „Imperiale Präsidentschaft" kritisiert worden, die das traditionelle System der „checks and balances" zwischen den Gewalten zerstört habe. Doch ist die Machtfülle keineswegs eine Garantie für die problemlose Umsetzung der außen-und sicherheitspolitischen Pläne und Vorstellungen des Weißen Hauses in vollziehbare Entscheidungen. 2, Nicht klein zu kriegen: Der Nationale Sicherheitsberater Der Präsident verfügt heute über einen gewaltigen bürokratischen Apparat, der ihn bei der Formulierung und Durchführung der Außenpolitik unterstützen soll In seinem Mittelpunkt steht das erst in den dreißiger Jahren gegründete Präsidialamt (Executive Office of the President). Ursprünglich sollte das Amt nur eine geringe Anzahl von Mitarbeitern (executive assistants) umfassen, die im Hintergrund agieren. Man erwartete, daß sie weder Entscheidungen treffen, noch Anordnungen geben oder öffentliche Erklärungen abgeben würden. Heute sind im Executive Office rund 5 000 Mitarbeiter beschäftigt; sein Budget beläuft sich auf über 100 Millionen Dollar, und die „executive assistants" gehören zu den mächtigsten Männern in Washington. Allerdings haben sie außer der Loyalität zum Präsidenten keine andere Machtbasis. Er kann die führenden Stellen des Präsidialamtes ohne Zustimmung des Senates besetzen und braucht dabei keine parteipolitischen Rücksichten zu nehmen. Genau so einfach können die Amtsinhaber aber auch ausgetauscht werden.
Innerhalb des Präsidialamtes laufen die Fäden im Büro des Weißen Hauses (White House Office) zusammen, über den Berater des Präsidenten (Counselor to the President) und den sogenannten Stabschef (Office of Chief of Staff). Sie sind oft enge Vertraute des Präsidenten.
Die wichtigste Anlaufstelle im außen-und sicherheitspolitischen Bereich ist der Sicher-heitsberater (Assistant to the President for National Security Affairs) Er hat die Aufgabe, die Probleme zu ermitteln und zu definieren, die der Entscheidung bedürfen, die entsprechenden Entscheidungsvorlagen vorzubereiten und auf ihre Durchführung zu achten. Die Mitarbeiter des Sicherheitsberaters bilden zugleich den Stab des Nationalen Sicher-heitsrates (National Security Council = NSC). Der NSC wurde 1947 als Beratungsgremium des Präsidenten institutionalisiert, mit dessen Hilfe die Innen-, Außen-und Verteidigungspolitik in eine kohärente nationale Sicherheitspolitik integriert werden soll. Er ist neben dem Kabinett, in dem alle Minister und der Botschafter der Vereinigten Staaten bei den Vereinten Nationen vertreten sind, das höchste Beratungs-und Koordinierungsorgan innerhalb der Exekutive für außen-und sicherheitspolitische Fragen. Alle entsprechenden Entscheidungen werden in seinem Namen gefällt.
Laut Statut gehören dem Nationalen Sicherheitsrat der Präsident (als Vorsitzender), der Vize-Präsident (hauptsächlich aus Informationsgründen) und die Minister für Verteidigung und Auswärtiges an.
Der Direktor des Geheimdienstes CIA und der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs (Joint Chiefs of Staff) sind satzungsmäßige Berater des Gremiums. Entsprechend den anstehenden Themen können auf Einladung aber auch andere Behördenchefs, wie die Finanz-und Wirtschaftsminister oder der Direktor des Büros für Management und Haushaltsfragen (Office of Management and Budget), an den Sitzungen teilnehmen.
Das System des Nationalen Sicherheitsrates ist von den Präsidenten sehr unterschiedlich genutzt worden. Unter John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson kam den Nationalen Sicherheitsberatern eine einflußreiche Rolle zu, während der NSC als politisches Gremium praktisch bedeutungslos blieb. Präsident Richard Nixon baute zusammen mit seinem Sicherheitsberater Henry Kissinger ein komplexes NSC-System mit einer Vielzahl von Ausschüssen und Unterausschüssen auf. Doch im Endeffekt wurde es von Kissinger dominiert, der damit ein Instrument der Kontrolle über die anderen Behörden in die Hand bekam. Unter Präsident Carter wiederum wurde der erfolglose Versuch unternommen, die prominente Stellung des Sicherheitsberaters abzubauen. Sein Stab wurde verkleinert, die Anzahl der Ausschüsse verringert. Auch Präsident Reagan versuchte den Einfluß des Sicherheitsberaters zugunsten eines eher kollegialen Sicherheitsrates zurückzudrängen. Dem Sicherheitsberater wurde der Kabinettsrang wieder entzogen. Der Zugang zum Präsidenten erfolgte nur noch über dessen Berater, bei dem auch die Verantwortung für das Management des Stabes des NSC lag. Mit dem Ausscheiden Richard Allens und der Ernennung von Dick Clark, einem langjährigen engen Vertrauten Ronald Reagans, zum Sicherheitsberater, wurde auch dessen Rolle wieder gestärkt Clark hat ungehinderten Zugang zum Präsidenten, den er allmorgendlich über die Sicherheitslage informiert. Er bestimmt die Tagesordnung des NSC, „verwaltet" den Stab und bereitet die Entscheidungsunterlagen vor. Doch verfügt er nicht mehr über einen so gewaltigen Apparat wie noch Kissinger. Wie der neue Sicherheitsberater Robert C. McFarlane sein Amt gestalten kann, bleibt abzuwarten.
Die Sitzungen des NSC werden von interministeriellen Ausschüssen vorbereitet, die entsprechend ihren Aufträgen von den zuständigen Ministern oder dem Direktor der CIA geleitet werden. Diese sogenannten Senior Interdepartemental Groups — eine für Außenpolitik (SIG-FP), eine für Verteidigungspolitik (SIG-DP) und eine für Geheimdiensttätigkeiten (SIG-I) — werden von Sekretariaten unterstützt, die in den jeweils zuständigen Ministerien angesiedelt sind. Jeder Ausschuß verfügt über regionale und funktionale Unterausschüsse, geleitet von Führungskräften im Außen-oder Verteidigungsministerium und den Stellvertretenden Direktoren der CIA oder des FBI. Krisenmanagement liegt in der Zuständigkeit einer „Sonderlagen-Gruppe" (Special Situation Group), der der Vize-Präsident vorsitzt. Der Sicherheitsberater ist in all diesen Ausschüssen vertreten. Doch führt er in keinem den Vorsitz
Jeder Präsident hat ein legitimes Recht, das System des NSC so zu gestalten, daß es seinem Führungsstil am besten entspricht. Er kann dabei ohne den Sicherheitsrat auskommen. Doch ist es ihm kaum möglich, auf den Sicherheitsberater zu verzichten. 3. Und wer liebt mich? — Das Außenministerium Der starke Einfluß des Sicherheitsberaters ist fast durchweg Gegenstand der Kritik. Mehrere Dutzend großangelegte Studien zur Reform des außenpolitischen Entscheidungsprozesses sind in den letzten 25 Jahren erarbeitet worden. Alle beklagen den Machtverlust des Außenministeriums und plädieren für seine Stärkung Präsident Carter wie auch Präsident Reagan hatten bei Amtsantritt erklärt, daß sie den Außenminister zu ihrem außenpolitischen Hauptberater, ersten Sprecher bzw. „Statthalter“ der amerikanischen Außenpolitik machen wollten. Doch in beiden Fällen konnten sich die Außenminister nicht behaupten. Ziemlich rasch legten die Sicherheitsberater ihre Zurückhaltung ab und nahmen eine dominierende Position im Entscheidungsprozeß ein. Was in der politischen Diskussion allerdings meist als eine Auseinandersetzung zwischen einem ambitionierten Sicherheitsberater und einem ins Abseits gedrängten, einlenkenden Außenminister gesehen wird, ist mehr als nur ein Persönlichkeitskonflikt. Sie reflektiert sowohl Gegebenheiten moderner Außenpolitik als auch spezifische Konfliktstrukturen des amerikanischen Systems.
Der Secretary of State hat formalrechtlich eine hervorgehobene Position im politischen System der Vereinigten Staaten. Er ist nach dem Präsidenten der höchste Exekutivbeamte, was auch in der Sitzordnung des Kabinetts zum Ausdruck kommt. Von den innenpolitischen Zuständigkeiten, die in früheren Zeiten zu diesem Amt gehörten, sind dem Secretary of State kaum welche verblieben. Doch war zum Beispiel er der Adressat des Rücktritts-schreibens von Präsident Richard Nixon Der Außenminister zeichnet für die „generelle Richtung" und Ausführung der Außenpolitik verantwortlich. Er ist gleichzeitig der oberste Chef des Außenministeriums (Department of State). In seiner Abwesenheit wird er durch den Stellvertretenden Außenminister (Deputy Secretary of State) vertreten, der insbesondere für die innere Koordination der Auslandstätigkeit des Ministeriums, für multilaterale Verhandlungen und die Personalpolitik zuständig ist.
Auf der nächsten Stufe der Hierarchie stehen die vier Under Secretaries of State. Der Staatssekretär für Politische Angelegenheiten (Under Secretary for Political Affairs) gilt als drittwichtigster Mann im Amt. Er ist sowohl mit der interministeriellen Koordination als auch mit der Formulierung der Außenpolitik betraut. In das Ressort des Staatssekretärs für Sicherheitshilfe, Wissenschaft und Technologie fallen vor allem Waffenverkäufe und Militärhilfe. Der Staatssekretär für Wirtschaftsfragen ist zuständig für internationale Wirtschaftsbeziehungen. Schließlich gibt es noch den Staatssekretär für Management (Under Secretary for Managment), der eine Behörde verwaltet, die 24 000 Mitarbeiter beschäftigt und über 150 Botschaften im Ausland zu betreuen hat. Gleichrangig mit den Staatssekretären ist der Berater (Counselor) des State Department. Sie alle sind im Amt des Außenministers zusammengefaßt, das die erste politische Entscheidungsebene darstellt.
Darunter rangieren die Unterstaatssekretäre (Assistant Secretary of State). Fünf von ihnen sind Leiter der regionalen Büros (Afrika, Europa, Ost-Asien/Pazifik, Nahost/Südostasien und Interamerikanische Beziehungen). Daneben bestehen weitere elf funktionale Büros, von denen die wichtigsten, wie das Büro für Wirtschafts-und Handelsfragen und das Büro für Politisch-Militärische Angelegenheiten, ebenfalls von Assistant Secretaries geleitet werden. Das Büro für „Intelligence and Research" hält Verbindung zu den Nachrichtendiensten und befaßt sich mit langfristigen Problemen. Die Rolle des Planungsstabes ist überwiegend auf das Schreiben von Reden und die Sichtung von für den Außenminister bestimmten Memoranden und Dokumenten beschränkt.
Das State Department ist die älteste Institution unter den mit Außen-und Sicherheitspolitik betrauten Ministerien und Behörden. Es berät — so die Selbstbeschreibung seiner Aufgaben — den Präsidenten bei der Formulierung und Durchführung der auswärtigen Politik und führt sie aus, mit dem Ziel, langfristig Sicherheit und Wohlergehen der Vereinigten Staaten zu sichern. Dabei ist das Ministerium in ständigem Kontakt mit der amerikanischen Öffentlichkeit, dem Kongreß, anderen Ministerien und Behörden und ausländischen Regierungen; es handelt Verträge und Abkommen aus und spricht für die Vereinigten Staaten in der UN und weiteren 50 internationalen Organisationen
In der Praxis jedoch wird das Außenministerium seinem Anspruch nicht mehr ganz gerecht. Es gehört zu den Verlierern im zwi-schenbürokratischen Machtkampf um die Gestaltung der Außenpolitik. Auswärtige Politik erschöpft sich nicht alleine in Diplomatie. Militärische Macht, um abzuschrecken oder zu intervenieren, und verdeckte Operationen gehören ebenso zum Instrumentarium zur Durchsetzung und Wahrung amerikanischer Interessen gegenüber der internationalen Umwelt wie die Pflege außenwirtschaftlicher Beziehungen. In allen drei Bereichen muß sich das Ministerium die Zuständigkeit mit dem Verteidigungsministerium, der CIA und dem Wirtschafts-und Finanzministerium teilen. Es ist ein bezeichnendes Indiz, daß dem Außenministerium zwar die diplomatischen Missionen im Ausland und deren Chefs unterstellt sind, aber nur noch zwanzig Prozent des Botschaftspersonals dem Diplomatischen Dienst angehören (Foreign Service Officers). Vier Fünftel der Botschaftsangehörigen sind von anderen Ministerien oder Behörden abgestellt 4. Der Aufsteiger: Das Verteidigungsministerium Zentrale Bereiche der amerikanischen Außenpolitik — Bündnispolitik, Rüstungskontrollpolitik, Sicherheitshilfe und Waffenverkäufe, Stützpunktpolitik etc. — sind von militärpolitischen Erwägungen nicht zu trennen. Aus dem Auftrag des Verteidigungsministeriums, die militärischen Machtmittel zur nationalen Verteidigung und zur Durchsetzung außenpolitischer Ziele bereitzustellen und zu organisieren, folgt sein legitimes Mitspracherecht bei der Formulierung der außenpolitischen Gesamtstrategie.
Das Verteidigungsministerium entstand 1947 aus der Zusammenlegung der einzelnen -Mi nisterien für die Teilstreitkräfte und des Büros der Stabschefs unter Führung des neugeschaffenen Amtes des Verteidigungsministers (Secretary of Defense) -Im „Office of the Secretary of Defense“ sollen die Fäden zusammenlaufen, um die zivile Kontrolle über das Militär zu garantieren. Der Stellvertretende Verteidigungsminister (Deputy Secretary of Defense) leitet die täglich anfallenden Geschäfte. Die Beschaffung von neuen Waffensystemen wird im „Defense Resources Board“ beraten, in dem sowohl die Stabschefs als auch die Streitkräfteminister vertreten sind. Die letzte Zuständigkeit aber liegt beim Staatssekretär für Verteidigungsforschung und angewandte Technologie (Under Secretary for Research and Engineering). Während der Reagan-Administration sind ihm mehrere wichtige Behörden unterstellt worden, die früher unter militärischer Führung standen, darunter die Behörde für Fortgeschrittene Verteidigungsforschung (Defense Advanced Research Project Agency) und die Defense Nuclear Agency, die für die Entwicklung der Kernwaffen zuständig ist. Der Under Secretary for Research and Engineering gilt als die Nummer drei im Verteidigungsministerium. Der Under Secretary for Defense Policy zeichnet für das Management der militärpolitischen Aspekte verantwortlich. Er wird dabei unterstützt von den beiden Büros für Sicherheitspolitik und Sicherheitsfragen (Office of Defense Policy und Office of Defense Affairs). Sie werden von Unterstaatssekretären (Assistant Secretaries) geleitet. Weitere sieben Assistant Secretaries stehen anderen funktionalen Büros vor („Comptroller"; Öffentlichkeitsarbeit; Beziehungen zum Kongreß etc.)
Das Außenministerium ist zwar in den oben genannten Bereichen weiterhin federführend, es entscheidet über die Vergabe von Sicherheitshilfe und Waffenverkäufe, aber die Durchführung liegt beim Büro für Sicherheitsfragen im Verteidigungsministerium. Das State Department handelt Stützpunktabkommen aus, doch die Militärs entscheiden über Lage und Konditionen. Für die Rüstungskontrollpolitik ist die Abrüstungs-und Rüstungskontrollbehörde (ACDA) zuständig, die dem Auswärtigen Amt angegliedert ist, doch die sogenannte Nullösung, welche die Vereinigten Staaten zur Verhandlungsgrundlage der Genfer Gespräche zur Begrenzung nuklearer Mittelstreckenraketen in Europa gemacht hatten, ist ein Produkt des Büros für Sicherheitspolitik
Das Department of Defense hat sich im Verlauf des Kalten Krieges zu einer Mammutbürokratie entwickelt, die alle anderen Regierungsinstitutionen übertrifft. Das Pentagon beschäftigt rund eine Million zivile Angestellte und über zwei Millionen Militärpersonal. Sein Budget für das Haushaltsjahr 1983 beläuft sich auf über 250 Milliarden Dollar. Es vergibt jedes Jahr Aufträge in Milliardenhöhe an die Wirtschaft. Ganze Regionen und Wirtschaftszweige sind von der Rüstungsproduktion und damit von Entscheidungen des Verteidigungsministeriums abhängig. Das gibt ihm eine starke innenpolitische Klientel. Das Pentagon verfügt über gute Beziehungen zum Kongreß, vor allem zu den Senatoren und Abgeordneten, die aus Regionen kommen, in denen die Rüstungsproduktion einen Hauptteil der ökonomischen Aktivität ausmacht. In der zwischenbürokratischen Auseinandersetzung hat es deshalb oft ein besseres Durchsetzungsvermögen als das State Department, das ohne vergleichbare Unterstützung ist, die seine Sache in der Öffentlichkeit und — noch wichtiger — im Kongreß fördern könnte Die starke Stellung des Pentagon ist jedoch nicht einfach mit einem ungebührlichen Einfluß der Militärs gleichzusetzen. Die Ministerien der Teilstreitkräfte (Armee; Kriegsmarine (Navy) und Marines; Luftwaffe) sind heute Departements innerhalb des Verteidigungsministeriums. Sie werden von Zivilisten geleitet, die unter der Direktive des Verteidigungsministers mit dem Management und der Verwaltung der Streitkräfte beauftragt sind. Ihr Einfluß auf die großen sicherheitspolitischen Entscheidungen ist gering, obwohl es immer wieder Minister gegeben hat, die eigene militärpolitische Programme durchzusetzen versuchten
Das Militär wird innerhalb des Verteidigungsministeriums durch die Vereinigten Stabschefs (Joint Chiefs of Staff = JCS) repräsentiert. Dem Joint Chiefs of Staff gehören die Chefs der Teilstreitkräfte (der Oberbefehlshaber der Armee, der Luftwaffe, der Marines und der Kriegsmarine — Chief of Naval Operations) sowie der Vorsitzende an, der turnusgemäß aus den Reihen der Oberbefehlshaber kommt.
Formal ist der JCS dem Verteidigungsminister unterstellt und an seine Weisungen gebunden, doch hat er eine Sonderstellung Der JCS verfügt über einen eigenen bürokratischen Apparat (deutlich abgehoben vom Amt des Verteidigungsministers [OSD]), der mit der gesamten Koordinierung der Verteidigungsplanung befaßt ist und die strategischen wie logistischen militärischen Opera-tionspläne vorbereitet. In der Praxis heißt das, daß sich die Vereinigten Stabschefs mit Beschaffungsfragen ebenso auseinandersetzen wie mit Guerillabekämpfung oder Rüstungskontrollfragen. In dieser Kapazität arbeiten sie nicht nur dem Verteidigungsminister zu. Der Vorsitzende des JCS hat auch direkten Zugang zum Präsidenten, dessen militärischer Hauptberater er ist. Gleichzeitig unterstützt er den Obersten Befehlshaber bei der Ausführung von Befehlen, ohne allerdings direkte Befehlsgewalt gegenüber den über die ganze Welt verteilten Kommandobereichen (Unified and Specified Commands) zu haben. Der Präsident und der Verteidigungsminister sind in hohem Maße von den Informationen und Einschätzungen des JCS abhängig. Die Amtszeit der Joint Chiefs ist jedoch auf maximal vier Jahre begrenzt, und es ist der Präsident, der sie in dieses Amt beruft 5. Der Buhmann: Die CIA Das Image der Vereinigten Staaten wird heute in vielen Teilen der Welt stärker vom Ruf des Geheimdienstes CIA geprägt als vom Außenministerium und den ihm unterstehenden Informations-und Propagandainstitutionen der USIA (United States Information Agency).
Die Grundlage guter außen-und sicherheitspolitischer Entscheidungen sind zuverlässige Informationen. Bei der Reorganisation des außenpolitischen Apparates Ende der vierziger Jahre beschloß der Kongreß deshalb die Schaffung eines Zentralen Nachrichtendienstes (Central Intelligence Agency) und machte den Direktor der Behörde (Director of Central Intelligence) zum satzungsmäßigen Berater im NSC
Der Auftrag der CIA lautet auf Beschaffung, Auswertung und Verteilung von Auslandsinformationen, darunter auch solchen Informationen, die „anders nicht zu erhalten" sind Die CIA ist nicht die einzige Instanz, die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraut ist. Nicht weniger als zehn Stellen sind innerhalb der Administration in diesem Geschäft: das im State Department angesiedelte, wenig bedeutsame Bureau of Intelligence and Research, die Defense Intelligence Agency (DIA), welche die militärischen Geheimdien-ste koordinieren soll, die Nachrichtendienste der Teilstreitkräfte und die National Security Agency. Innerhalb des Finanzministeriums besteht eine Abteilung, die sich mit internationalem Drogenhandel und Wirtschaftsspionage befaßt. Das Energieministerium hat eine Nachrichtenabteilung, die Entwicklungen auf dem Nuklearsektor beobachtet. Daneben liefert das FBI (Federal Bureau of Investigation) Informationen über geheime Tätigkeiten ausländischer Regierungen innerhalb der Vereinigten Staaten
Die Kooperation zwischen den Diensten ist nicht sonderlich gut. Zwischen der DIA und der CIA besteht ein oft politisch motiviertes Konkurrenzverhältnis. Die CIA läßt alle Informationen durch ihr NFAC (National Foreign Assessment Center) auswerten, das so-genannte National Intelligence Estimates (NIE) anfertigt. Die Qualität dieser Analysen hat jedoch der Kritik häufig nicht standhalten können Die prominente Rolle, welche die CIA in der amerikanischen Nachkriegsgeschichte gespielt hat, beruht auch nicht auf ihrem Ruf als Nachrichtendienst im engeren Wortsinne.
Neben der Beschaffung und Auswertung von Informationen beauftragte das Gründungsstatut die CIA auch mit der Gegenspionage und „anderen Funktionen, welche zu nachrichtendienstlichen Tätigkeiten gehören, die die nationale Sicherheit betreffen". Aus dieser vagen Formulierung leitete der Nationale Sicherheitsrat Anfang der fünfziger Jahre das Recht zu „verdeckten Operationen“ (Covert Operations) durch die CIA ab. Im Laufe der Jahre entwickelte die Behörde deshalb operative Einrichtungen, die es ihr ermöglichten, praktisch eine eigene . Außenpolitik" zu betreiben, mit Beteiligung an Umstürzen ausländischer Regierungen, Unterstützung von Aufständen und Invasionen oder geplanten Mordanschlägen auf Politiker anderer Nationen. Nur ganz wenige dieser Aktivitäten waren nicht durch den entsprechenden Unterausschuß des Sicherheitsrates gedeckt
Die geringe Qualität der analytischen Arbeit des Dienstes und die Bloßlegung der teilweise grotesken Geheimoperationen führten in Verbindung mit der Aufdeckung illegaler Inlandsaktivitäten Mitte der siebziger Jahre zu einer Reihe von Reformen, mit denen die CIA kürzer an die Leine genommen werden sollte. Inlandsaktivitäten wurden verboten. Vor allem versuchte der Kongreß, stärkeren Zugriff auf die Auslandsoperationen zu bekommen. Die Reagan-Administration bemüht sich derzeit, einige der Restriktionen wieder zu lockern und läßt keine Zweifel, daß sie „covert operations" durch die CIA als unverzichtbares und legitimes Instrument der Außenpolitik ansieht 6. Was wird damit? Außenwirtschaftspolitik Die Bedeutung von Währungs-und Handelsbeziehungen für die internationale Rolle der Vereinigten Staaten war schon immer erheblich und wird weiter zunehmen. Das Außenministerium hat jedoch erst in der letzten Dekade institutionell auf diese Entwicklung reagiert, ohne dabei viel an Terrain gewinnen zu können
Internationale Finanzbeziehungen fallen in den Verantwortungsbereich des Finanzministers (Secretary of the Treasury). Das Handels-und Wirtschaftsministerium (Department of Commerce) hat die Zuständigkeit für den Außenhandel, ausgenommen den Agrarsektor, der vom Landwirtschaftsministerium vereinnahmt ist. Bei internationalen Handels-konferenzen sind die Vereinigten Staaten durch einen Beauftragten für Handelsfragen (U. S. Trade Representative) vertreten, der im Präsidialamt angesiedelt ist.
Anfang der siebziger Jahre wurde im State Department der Posten eines Under Secretary for Economic Affairs geschaffen, um dem Ministerium eine stärkere Stimme bei Entscheidungen über internationale Wirtschaftsfragen zu geben. Der Staatssekretär für wirtschaftliche Angelegenheiten ist Leiter der amerikanischen Vertretung bei der Weltbank-Gruppe und anderen Entwicklungsbanken. Er hat einen Sitz im Direktorium der Overseas Private Investment Corporation (OPIC), einer semioffiziellen Institution zur Förderung amerikanischer Auslandsinvestitionen. Schließlich leitet er den entsprechenden interministeriellen Ausschuß (Interagency Group — International Economic Affairs) des NSC, in dem auch Vertreter des Finanz-und des Wirtschaftsministeriums sowie des Büros des Beauftragten für Handelsfragen (USTR) sitzen.
Die außenwirtschaftlichen Entscheidungsprozesse sind noch nicht voll in das traditionelle außen-und sicherheitspolitische Entscheidungssystem integriert. Es bestehen derzeit Bestrebungen auf Seiten des Kongresses, die Regelung der Außenhandelsbeziehungen in einem neu zu schaffenden „kleinen, aber effizienten" Handelsministerium zusammenzufassen Doch ist nicht klar, wie es in das NSC-System eingebunden werden soll, wenn überhaupt.
Angesichts der Vielzahl der politischen und bürokratischen Institutionen, die an der Formulierung der Außen-und Sicherheitspolitik beteiligt werden müssen, deren Zuständigkeitsbereiche nie ganz eindeutig voneinander getrennt werden können und die entsprechend ihrem Auftrag oft miteinander konfligierende Interessen verfolgen, hängt der Erfolg eines Präsidenten entscheidend von seiner Fähigkeit ab, diese Kräfte unter Kontrolle zu halten und zu koordinieren. Die Praxis der Vergangenheit hat gezeigt, daß das Außenministerium nicht in der Lage ist, diese Aufgabe in Statthalterfunktion für den Präsidenten zu übernehmen. Sie wird deshalb notwendigerweise immer wieder auf den Sicherheitsberater zurückfallen, der zusammen mit seinem Stab die entscheidende Clearingstelle aller unterschiedlichen Interessen und Perspektiven in der Außen-und Sicherheitspolitik ist Der Nationale Sicherheitsberater ist mehr als nur ein Mitspieler im bürokratischen Prozeß; durch seine Nähe zum Präsidenten kann er gleichzeitig auch Schiedsrichter sein Sein Handicap ist dabei jedoch, daß sein Arm nicht weit genug reicht, um die Umsetzung präsidentieller Entscheidungen auch auf der unteren Ebene der Bürokratie zu garantieren Doch mit diesem Problem sind auch die Minister der einzelnen Departements konfrontiert. Das ist die zweite strukturelle Schwachstelle, die die außenpolitische Führungsrolle des Präsidenten schwierig macht. 7. Alles unter Kontrolle? Politische Führung und Bürokratie Das NSC-System gibt zunächst nur einen Rahmen ab, um Entscheidungsflüsse zu steuern. Doch werden sich immer informelle Kanäle der Entscheidungsfindung herausbilden und Entscheidungszentren oft woanders liegen als geplant.
Bestimmte Kategorien von Entscheidungsproblemen können besser auf anderen Ebenen gelöst werden als bei offiziellen Sitzungen des Sicherheitsrates. So trafen sich zum Beispiel während der Carter-Administration der Sicherheitsberater und die Außen-und Verteidigungsminister regelmäßig zum „Donnerstag-Lunch", um Entscheidungen vorzuklären, die von ihrer Anlage her nicht umfassend genug waren, um im Sicherheitsrat diskutiert zu werden, oder um Konflikte zu lösen, bei denen die unteren Ebenen der Bürokratie keine Einigung erzielen konnten Die täglich anfallenden Entscheidungen, welche die praktische Außenpolitik ausmachen, wie Anweisungen an die Botschafter oder Richtlinien für Unterhändler, werden oft auf Ebenen der Direktoren getroffen, ohne daß die Staatssekretäre oder Minister vorher konsultiert werden können. Die Direktiven des Präsidenten (Presidential Directives) — in der Reagan-Administration bislang ungefähr hundert — müssen dabei nicht notwendigerweise unterlaufen werden. Aber es kommt vor.
Die Kontrolle der politischen Führung über die Bürokratie ist ein Problem in jeder höher entwickelten politischen Ordnung. Das amerikanische Regierungssystem versucht dem beizukommen, indem bei jedem Präsidenten-wechsel zwischen 3 000 und 6 000 politische Beamtenstellen neu besetzt werden. Nicht nur die engeren Mitarbeiter müssen gehen. Der Stab des Sicherheitsberaters wird praktisch ausgetauscht und in den Ministerien greift der Personalwechsel bis hinunter auf die Ebene der Deputy Assistant Secretaries und der Direktoren der Büros. Dadurch soll dem neuen Präsidenten die Möglichkeit gegeben werden, seinen Zugriff auf die Bürokratie zu stärken, indem er Leute seiner politischen Orientierung in wichtigen Schaltstellen Plazieren kann.
Daß der gewaltige Personalwechsel — der urch häufige Rücktritte und Neubesetzungen während der Amtsperiode noch intensi-viert wird — keine größeren, ungewollten Diskontinuitäten hervorruft, erklärt sich dadurch, daß in der Außen-und Sicherheitspolitik die Mitarbeiter aus dem gleichen Personalreservoir kommen Der Einfluß des Ost-Küsten Etablishments, der Juristen der großen Rechtsanwaltbüros und der Banker in New York, der Absolventen und Professoren der Elite-Universitäten der Neuenglandstaaten ist zwar zurückgegangen. Die Mitarbeiter kommen, vor allem seit Carter und Reagan, auch aus den Forschungsinstitutionen und Firmen der Westküste und des Mittleren Westens. Doch Ausbildung und beruflicher Hintergrund sind überwiegend gleichgeblieben. Nicht wenige sind bereit, sowohl für eine demokratische als auch für eine republikanische Administration zu arbeiten. Vielfach ist der Wechsel nur eine Veränderung innerhalb der außenpolitischen Institutionen — von einem Posten im Außenministerium in eine höhere Position beim Stab des NSC; vom Stab eines Kongreßausschusses in eines der Ministerien. Andere werden aus den großen „Think Tanks" und Stiftungen rekrutiert, wo manches frühere Regierungsmitglied „überwintert", bis wieder eine Administration seiner Couleur das Ruder ergreift.
Das System des massiven Personalaustausches produziert jedoch nicht immer den gewünschten Erfolg. Die Neubesetzung der Ämter dient auch dazu, politische Schulden abzutragen. Rund zwei Drittel der 150 Botschafterposten zum Beispiel werden an politische Freunde des Präsidenten vergeben, als Dank für politische Treue. Oftmals sind die neuen Amtsinhaber schlecht für ihre Aufgaben präpariert und es fehlt ihnen an Fachkenntnissen. Befürworter des Systems behaupten zwar, daß es für ein Ministeramt weniger wichtig sei, ein ausgewiesener Experte zu sein als ein fähiger Manager, der das Vertrauen des Präsidenten hat, um die Bürokratie in den Griff zu bekommen. Doch in der Praxis tritt oft der umgekehrte Fall ein.
Alle Bürokratien entwickeln gemäß ihrem Auftrag eine eigene Sicht der Dinge und leiten daraus ihre spezifischen Interessen ab. Beamte halten über Jahre gehegte Pflänzchen am Wachsen und müssen mit jedem Führungswechsel fürchten, daß sie von den neuen Männern achtlos zertreten werden. Sie versuchen deshalb, ihr Gärtchen so gut wie möglich zu verteidigen — und ihre Position ist dabei nicht schlecht.
Die Beamten arbeiten eng mit den relevanten Interessengruppen und den zuständigen Ausschüssen im Kongreß zusammen. Dieses soge-nannte eiserne Dreieck bildet einen Macht-faktor in der amerikanischen Politik, an dem weder der Präsident und seine Mitarbeiter noch die politischen Spitzen der Ministerien leicht vorbeikommen. Nicht selten gibt es Obstruktion und Sabotage aus den Reihen der Bürokratie. Eines der beliebtesten Washingtoner Mittel dabei ist das „leak", die Zuspielung interner Dokumente und Informationen an die Presse oder den Kongreß, um die eigene Politik zu unterstützen oder der des Präsidenten zu schaden.
Durch den häufigen Wechsel geht oft auch das „institutioneile Gedächtnis“ auf der Führungsebene verloren. Zwar verbietet ein neues Gesetz, daß Akten aus der eigenen Amtszeit als persönliche Unterlagen beiseite geschafft werden, bevor die neue Administration die Amtsräume bezieht. Doch viele Handlungszusammenhänge lassen sich aus den Akten nur unzureichend rekonstruieren. Es braucht viel Zeit für den neuen Mann, sich in die Probleme einzuarbeiten, die für den zuständigen Beamten tägliche Routine sein können. Auch das gibt der Bürokratie einen enormen Einfluß, dem die Minister, die von den Informationen aus ihren Ministerien abhängig sind, in der Regel rasch unterliegen. Sie sind dann nicht mehr nur der Mann des Präsi-denten, sondern auch Sprecher der Interessen ihrer Bürokratie; sie sitzen also auf beiden Seiten des Zaunes.
Insofern sie — was beim Verteidigungsministerium eher der Fall ist als beim Außenministerium — bestimmte Interessengruppen repräsentieren, die für die Gefolgschaft des Präsidenten wichtig sind, gewinnen sie oft eine zusätzliche eigene Machtposition innerhalb des Kabinetts. Zwar kann der Präsident die Beschlüsse dieses Beratungsgremiums ignorieren; außerdem bedürfen die Minister zwar bei der Ernennung der Zustimmung des Senates, doch entlassen werden können sie alleine nach des Präsidenten Gutdünken. Aber keiner dieser Wege hilft ihm viel weiter, wenn er sich die Loyalität der Ministerien und Ämter sichern will.
Der Einfluß der Bürokratie sollte nicht überschätzt werden. Von Roosevelt bis Reagan haben es alle Präsidenten verstanden, die Bürokratie auszuspielen. Bei Nixons außenpolitischen Kursänderungen, wie der „NixonDoktrin" oder der Annäherung an China, wurde das Außenministerium eher über die Presse informiert als durch das Weiße Haus. Doch das State Department schwenkte rasch auf den neuen Kurs ein. Der Präsident wird durch die formale Organisation des außenpolitischen Entscheidungsablaufes und die bürokratischen Realitäten in seiner Handlungsfreiheit beeinträchtigt, aber nicht gelähmt
II. Ein schwieriger Geschäftspartner: Die Rolle des Kongresses
1. Das waren noch Zeiten: Parlament und Außenpolitik Die amerikanische Verfassung hat dem Präsidenten weitreichende Kompetenzen in der Außen-und Sicherheitspolitik gegeben. Doch entsprechend dem Gesamtsystem der „checks and balances" muß er auch hier die Verantwortung für wichtige Zuständigkeitsbereiche mit der Legislative teilen.
Der Präsident hat das Recht, „Verträge abzuschließen". Vor ihrer Ratifizierung jedoch muß der Senat gehört werden und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seine Zustimmung geben (Art. II See. 2). Der Präsident kann mehrere tausend Stellen in der Administration mit Leuten seiner Wahl besetzen. Doch müssen — mit Ausnahme der Mitarbeiter im Präsidialamt — alle politischen Beamten (seien es Minister, Botschafter oder Direktoren) vom Senat mit zwei Dritteln seiner Stimmen bestätigt werden. Gemäß Art. II See. 2 ist der Präsident der Oberste Befehlshaber der Streitkräfte (Commander in Chief). Aus diesem Titel hat er in rund zweihundert Fällen das Recht abgeleitet, amerikanische Streitkräfte zur militärischen Regelung von Konflikten einzusetzen, wenn es ihm erforderlich schien. Das Recht „Krieg zu erklären“ hat jedoch der Kongreß, der sich dazu fünfmal in der bisherigen Geschichte entschlossen hat. Die Entscheidung über Stärke und Aufbau der Streitkräfte liegt ebenfalls beim Parlament, dem die Verfassung zugesteht, . Armeen aufzustellen und zu unterhalten" und eine „Kriegsmarine bereitzustellen und zu unterhalten" (Art. II See. 8). Grundsätzlich müssen alle Mittel für außen-und sicherheitspolitische Programme vom Kongreß bewilligt werden, der mit der Budgethoheit einen gewaltigen Einflußhebel auf die gesamte Politik hat. Schließlich verfügt der Kongreß über eine Reihe parlamentarischer Mittel (Anhörungen, Untersuchungsausschüsse, öffentliche Debatte), um auf die Außenpolitik einzuwirken und das Handeln der Exekutive zu kontrollieren.
Die beiden Häuser des amerikanischen Kongresses — das Repräsentantenhaus mit 435 Abgeordneten und der Senat, in dem je zwei direkt gewählte Senatoren aus den 50 Bundesstaaten sitzen — sind grundsätzlich gleichberechtigte Organe. In außenpolitischen Fragen jedoch hat der Senat durch seine Beteiligung am Ratifizierungsprozeß internationaler Verträge eine gewisse Vorrang-stellung. Dieser Unterschied verliert jedoch immer mehr an Bedeutung durch die Tatsache, daß mehr als drei Viertel aller internationalen Abkommen Haushaltsmittel zu ihrer Realisierung bedürfen, die sowohl vom Senat als auch vom Repräsentantenhaus bewilligt werden müssen. Hier gilt wie bei allen anderen Gesetzgebungsverfahren das Prinzip, daß keine Kammer die andere überstimmen kann. Erst wenn beide Häuser sich in getrennter Abstimmung positiv für eine Maßnahme ausgesprochen haben und vorher bestehende Differenzen über den Gesetzentwurf in einem Vermittlungsausschuß geklärt worden sind, kann die „bill" dem Präsidenten zur Gegen-zeichnung vorgelegt werden. Mit seiner Unterschrift erlangt sie Gesetzeskraft. Der Präsident hat das Recht, eine „bill“, die nicht seinen Vorstellungen entspricht, abzulehnen. Sein Veto kann allerdings wiederum vom Kongreß mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen revidiert werden
Die Rolle des amerikanischen Parlaments in der Außenpolitik ist Schwankungen unterworfen. Es gab Zeiten, wo es erfolgreich auf Konfrontationskurs mit dem Präsidenten ging. Es folgten Phasen, wo es relativ unkri-tisch die Politik der Exekutive unterstützte, so vom Beginn des Kalten Krieges bis Ende der sechziger Jahre. Bis zu diesem Zeitpunkt ratifizierte der Senat ohne große Vorbehalte alle wichtigen sicherheitspolitischen Verträge und tolerierte den extensiven Gebrauch von Exekutivabkommen, die nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegen, aber oft gleich wichtige sicherheitspolitische Vereinbarungen enthielten. Die Bestätigung der vom Präsidenten vorgeschlagenen politischen Beamten erfolgte problemlos.
Der Kongreß verabschiedete mehrere Entschließungen (Resolutions), die dem Präsidenten Blankovollmacht zum Einsatz amerikanischer Streitkräfte in bestimmten Regionen der Welt gaben, ohne daß eine formelle Kriegserklärung des Parlamentes vorlag. Sowohl Senat als auch Repräsentantenhaus „finanzierten“ ohne Murren die militärischen Programme und waren bisweilen bereit, mehr für die Rüstung auszugeben, als die Administration verlangt hatte.
Doch Ende der sechziger Jahre zeigten sich Risse in der bislang glatten Kooperation zwischen Exekutive und Legislative. Der Kongreß ging wieder auf Konfrontationskurs. Mit dem Auseinanderbrechen des außenpolitischen Konsenses schwand auch die Bereitschaft, dem Präsidenten Gefolgschaft zu leisten. Die Watergate-Affäre erschütterte das Vertrauen in die Exekutive vollends. Der Kongreß reagierte auf diese Entwicklungen sowohl mit innerorganisatorischen Reformen als auch mit einer Änderung seiner Instrumente in der Auseinandersetzung mit der Exekutive. Die bittere Atmosphäre der Konfrontation, die während der siebziger Jahre das Verhältnis zwischen den beiden Gewalten prägte, besteht heute nicht mehr. Aber der „neue Kongreß" ist vom Präsidenten längst nicht mehr so leicht auf seine Linie zu bringen, wie das in den fünfziger und sechziger Jahren der Fall war 2. Jeder sein eigener Herr: Entscheidungen im „Neuen Kongreß"
In den USA ist die Kooperation zwischen Legislative und Exekutive grundsätzlich schwieriger als in den westlichen Demokratien. Der amerikanische Präsident, direkt vom Volk ins Amt gewählt, verfügt nicht über automatische Mehrheiten im Parlament. Alle republikanischen Präsidenten mußten sich im Laufe ihrer Amtszeit mit demokratischen Mehrheiten in einem oder beiden Häusern auseinandersetzen. Selbst wenn der Präsident und die Kongreßmehrheit von derselben Partei gestellt werden, garantiert das keineswegs weitgehende Übereinstimmung in zentralen Bereichen. Ein Demokrat aus den Südstaaten kann in außenpolitischen Fragen einem konservativen Republikaner immer noch weit näher stehen als seinem Parteigenossen aus einem der liberalen Neuenglandstaaten.
Das System kennt keinen Zwang zu straffer Parteidisziplin. Abgeordnete und Senatoren fühlen sich nur beschränkt dazu verpflichtet, den Präsidenten zu unterstützen. Solange dieser jedoch in den Führungsspitzen des Kongresses einen zuverlässigen Ansprechpartner hatte, auf den insofern Verlaß war, daß die getroffenen Vereinbarungen im parlamentarischen Entscheidungsprozeß durchgesetzt wurden, war ein hohes Maß an Zusammenarbeit gewährleistet. In der Mitte der siebziger Jahre kamen, unterstützt durch die Watergate-Atmosphäre, vor allem im Repräsentanten-haus die Kräfte zum Zuge, welche die traditionelle Führungsstruktur in Frage stellten. Für viele Abgeordnete und Senatoren hatte der Parteiapparat nur noch eine untergeordnete Bedeutung auf ihrem Weg zum Capitol Hill. Teilweise beruhte ihr Wahlerfolg gerade darauf, daß sie gegen das Parteiestablishment in Washington angetreten waren. Sie wollten sich deshalb auch nicht mehr der Parteiführung im Kongreß beugen
Mit dieser Revolte der siebziger Jahre wurde auch die Machtposition der Ausschußvorsitzenden erheblich angeschlagen. Der amerikanische Kongreß ist ein „Arbeitsparlament". Er sieht seine Hauptaufgabe nicht in der öffentlichen Debatte über Maßnahmen, welche die Regierung plant und unternimmt. Vielmehr versucht er, eigene detaillierte Vorstellungen zu entwickeln und durchzusetzen. Die Ausschußarbeit gewinnt daher einen ganz besonders hohen Stellenwert. Gesetze und andere Maßnahmen müssen erst von den zuständigen Ausschüssen beraten und befürwortet werden, bevor sie mit einer entsprechenden Empfehlung dem Plenum unterbreitet werden. Die wichtigsten Ausschüsse im Bereich der Außen-und Sicherheitspolitik sind einmal die Auswärtigen Ausschüsse der beiden Häuser (Senate Foreign Relations Committee; House Committee on International Relations). Verteidigungsfragen werden von deren Streitkräfteausschüssen behandelt (Armed Services Committees). Eine besonders wichtige Rolle — vor allem in der Rüstungspolitik — kommt auch den Unterausschüssen für Verteidigungsfragen der Bewilligungsausschüsse (Subcommittee on Armed Services of the Committee on Appropriation) zu, die den Kassenschlüssel in der Hand haben. Außenwirtschaftsbeziehungen fallen teilweise in die Zuständigkeit der Auswärtigen Ausschüsse, wenn nicht die Senatsausschüsse für Finanzen (Finance) und Bankwesen (Banking, Housing and Urban Affairs) bzw.der Ausschuß für Bankwesen im Repräsentantenhaus oder das „Committee on Ways and Means” (Ausschuß für staatliche Einnahmequellen) dieses Recht für sich in Anspruch nehmen. Im Zuge der Reform des Geheimdienstwesens wurde Ende der siebziger Jahre in beiden Häusern ein Permanent Select „Committee on Intelligence" eingesetzt, das die Aktivitäten der CIA überwachen soll
Die Zuständigkeitsbereiche der Ausschüsse sind — ähnlich wie auf Seiten der Administration — nie klar voneinander abzugrenzen. Zwischen den Komitees besteht deshalb oft ein Rivalitätsverhältnis, das durch inhaltliche Differenzen verschärft wird. Die Streitkräfte-ausschüsse sind in der Regel den Forderungen des Pentagon gegenüber aufgeschlossener und favorisieren eine Außenpolitik, die die militärische Komponente betont. Sie gelten deshalb als konservativer als die Auswärtigen Ausschüsse, welche Diplomatie und Verhandlungen in den Vordergrund rücken wollen.
Die aktuelle Politik eines Ausschusses wird in hohem Maße jedoch vom Vorsitzenden bestimmt. Er entscheidet zunächst, ob und wann eine vorgeschlagene Maßnahme behandelt wird. Er hat weitgehend freie Hand bei der Besetzung des Stabes, der die Projekte prüft und Empfehlungen vorbereitet. Der Ausschußvorsitzende leitet die Anhörungsverfahren, bei denen die Vertreter der Administration insgesamt mehrere tausend Stunden pro Jahr Rede und Antwort stehen müssen Er bestimmt den Ton dieser Hearings und wählt die Themen aus. Die Hearings dienen nicht nur der internen Informationsbeschaffung der Legislative, sondern sind auch ein Instrument der politischen Beeinflussung der Öffentlichkeit.
Der Vorsitz in einem Ausschuß fällt immer der Mehrheitspartei zu. In der Regel steht er dem Parteimitglied zu, das am längsten in diesem Komitee gedient hat (Senioritätsprinzip). Die Position der Ausschußvorsitzenden war deshalb lange Zeit unantastbar, wenn er aus einem sicheren Wahlkreis oder Staat kam. Mitte der siebziger Jahre wurde das Senioritätsprinzip von liberalen Abgeordneten durchbrochen und dem „caucus" — vergleichbar der Fraktionsversammlung — die Möglichkeit gegeben, über die Besetzung der Posten abzustimmen. Daneben wurde eine Reihe von anderen Reformen durchgeführt, die die Machtbasis der Ausschußbarone weiter schmälerten. In beiden Häusern wurde die Praxis unterbunden, daß ein Parlamentarier eine Vielzahl von Vorsitzen führt. Weiter wurde dem „Committee Chairman" das Recht entzogen, die Vorsitzenden der Unterausschüsse zu benennen. Auch bei der Zusammensetzung des Stabes wurden ihm Grenzen gesetzt. Der Minderheitspartei steht ein eigener „staff director" zu. Jedem Kongreßmitglied ist es außerdem erlaubt, für seine Ausschußaufgaben einen eigenen Stab zu bilden. Der Stab des Senate Foreign Relations Committee hat sich in den siebziger Jahren verdoppelt (1970: 34; 1979: 72), der des Committee on International Relations vervierfacht (1970: 21; 1979: 84). Insgesamt unterstützen heute mehr als 10 000 persönliche Mitarbeiter die Senatoren und Abgeordneten bei ihrer Tätigkeit: Vor 25 Jahren kamen die Parlamentarier noch mit einem Drittel aus. Neben diesen persönlichen Mitarbeitern stehen den Kongreßmitgliedern noch die wissenschaftlichen Dienste wie der Congressional Research Service, das Congressional Budget Office oder das General Accounting Office als Informationsquellen zur Verfügung
Mit diesem Zuwachs an Expertise ist der einzelne Senator oder Abgeordnete nicht nur von den Informationen der Administration, sondern auch von der etablierten Machtstruktur innerhalb des Parlamentes unabhängiger geworden. Die Vorsitzenden von Unterausschüssen oder die informellen Komitees, deren Zahl stark angestiegen ist, sind nunmehr in der Lage, eigene Politiken zu formulieren und durchzusetzen. Da das System des amerikanischen Kongresses generell Sperrminoritäten begünstigt, gewinnen diese Einzelkämpfer einen überproportionalen Einfluß
Die Diffusion der Machtstrukturen innerhalb des Kongresses hat auch die Einflußmöglichkeiten von politischen Interessengruppen vergrößert. Mit der Aufsplitterung der Entscheidungsträger im Kongreß ist die Zahl der Ansatzpunkte für die Lobbyisten gestiegen, über 12 000 Organisationen sind offiziell als Lobby am Kongreß registriert Ein nicht geringer und ständig wachsender Teil davon hat spezifische Interessen in der Außen-und Sicherheitspolitik: angefangen bei den Vertretern der Rüstungsindustrie über außenpolitische Interessengruppen wie Transafrica oder das Committee of the Present Danger bis hin zu ethnischen Vereinigungen wie das einflußreiche American Jewish Committee. Mehrere Dutzend ausländischer Staaten haben Rechtsanwaltsbüros, in denen oft ehemalige Mitglieder der amerikanischen Regierung sitzen, die mit der Vertretung der Interessen dieser Länder beauftragt sind Daneben existiert eine Vielzahl von Stiftungen und privaten Instituten, die bestimmte politische Ziele verfolgen. Sie alle versuchen, über den Kongreß Einfluß auf die Außenpolitik zu gewinnen. Sie geben den Abgeordneten und Senatoren Informationen, auf die diese nicht verzichten wollen oder oft auch nicht können. Darin liegt die Hauptstärke dieser Gruppen. 3. Nicht ohne uns: Das Parlament und der Präsident Die Auflösung der inneren Machtstruktur des Kongresses zugunsten der einzelnen Parlamentarier hat seine kollektive Machtposition gegenüber der Exekutive nicht geschwächt. Vielmehr hat er in den siebziger Jahren eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die den Handlungsspielraum des Präsidenten erheblich einengen können.
Ausgelöst durch die Erfahrungen des Vietnam-Krieges, verabschiedete der Kongreß im Herbst 1973 ein Gesetz, das ihm ein stärkeres Mitspracherecht beim Einsatz amerikanischer Streitkräfte geben sollte. Der sogenannte War Powers Act enthält zwei Kernbestimmungen. Die erste verpflichtet den Präsidenten, sowohl den Sprecher des Repräsentantenhauses (Speaker) als auch den Präsidenten des Senats pro tempore binnen vierundzwanzig Stunden über die Entsendung von Truppen in einen Konflikt zu informieren, wenn möglich zu konsultieren. Wenn der Kongreß, basierend auf dieser Information, den Einsatz der Streitkräfte nicht innerhalb von sechzig Tagen ausdrücklich in irgendeiner Form billigt, muß der Präsident bei Ablauf der Frist alle Truppen zurückbeordern. Sollten die Rückzugsbedingungen es erforderlich machen, kann der Termin mit Zustimmung des Kongresses um dreißig Tage verlängert werden.
Der erste Teil des Kriegsvollmachtengesetzes, die Informationspflicht, ist seit seiner Verabschiedung schon mehrere Male zur Anwendung gekommen. In all diesen Fällen war die militärische Aktion noch vor Ablauf der Informationsfrist beendet Als im Herbst 1983, im Zusammenhang mit der Stationierung von US-Truppen im Libanon, der eigentliche kritische Teil — die Terminierung des Einsatzes — zum ersten Mal zur Anwendung kommen sollte, weigerte sich die Reagan-Administration, den War Powers Act anzuerkennen. Der Kongreß willigte letztlich in einen Kompromiß ein, der dem Präsidenten es erlaubt, die „Marines" für weitere 18 Monate im Libanon zu belassen, ohne seine grundsätzliche Rechtsposition in der Kriegsvollmachtenfrage aufzugeben
Um die Ausgaben des Bundes besser kontrollieren zu können, hat das Parlament ebenfalls Mitte der siebziger Jahre eine Reform des Budgetgesetzgebungsverfahrens durchgeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Haushalte der Ministerien einzeln bearbeitet und verabschiedet. In einem ersten Schritt prüften die zuständigen Fachausschüsse die Budget-anforderungen und legten sie mit ihren Empfehlungen und Änderungen dem Plenum vor, das dann seine Zustimmung geben sollte, daß die Ausgaben innerhalb dieses Rahmens für den vorgesehenen Zweck getätigt werden können. In diesem ersten Schritt werden die sachpolitischen Entscheidungen getroffen, z. B. für welche Waffenprogramme Mittel zur Verfügung stehen sollten, welche Länder von der Auslandshilfe profitieren können. Die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes (Authorization) bedeutet jedoch nicht, daß die Gelder bewilligt sind. In einer zweiten Runde setzen sich deshalb die Bewilligungsausschüsse mit den Forderungen auseinander und bestimmen, wieviel Geld von dem zugestandenen Etat tatsächlich im nächsten Haushaltsjahr ausgegeben werden darf.
Das Manko des zweiphasigen Budgetverfahrens war, daß dabei Einzelhaushalte verabschiedet wurden ohne den Bezugsrahmen eines Gesamtbudgets und ohne Referenz zu den erwarteten staatlichen Einnahmen. Dieser Kontrollverlust ist vor allem in Zeiten hoher Defizite empfindlich zu spüren. Mit der Budgetreform von 1974 wurde eine dritte Stufe eingeführt. Der Kongreß verabschiedet vor der parlamentarischen Behandlung der einzelnen Haushaltsentwürfe eine Resolution, in welcher er ein vorläufiges Höchstlimit für die Gesamtausgaben festlegt. Diese Grenzen werden im Herbst mit einer zweiten Resolution bindend festgeschrieben. Die Ausschüsse müssen nunmehr innerhalb dieses Rahmens operieren. Die Entschließungen werden in den Budgetausschüssen vorbereitet, die sich bei dieser Arbeit vom Haushalts-amt des Kongresses (CBO) unterstützen lassen. Damit hat das Parlament nunmehr auch ein Pendant zum mächtigen Office of Management and Budget im Präsidialamt, das es in die Lage versetzt, den Haushalt der Administration gründlicher als bisher zu überprüfen
Eine dritte Entwicklung, die den Machtzuwachs des Parlamentes in den siebziger Jahren kennzeichnete, ist die Verabschiedung von Gesetzen, die dem Kongreß ein VetoRecht gegenüber der Politik der Administration einräumten. Im 1976 reformierten Rüstungsexportkontrollgesetz zum Beispiel behält sich der Kongreß das Recht vor, Waffen-verkaufe ins Ausland von einer bestimmten Summe an verbieten zu können — eine Bestimmung, von der Abgeordnete und Senatoren bereits mehrmals Gebrauch machten, ohne aber die dafür erforderlichen Mehrheiten zu gewinnen. Mehr als vierzig Gesetze mit entsprechenden Klauseln wurden seit Anfang der siebziger Jahre verabschiedet In einem Urteil des Obersten Gerichtshofes vom Frühjahr 1983 wurde diese Praxis jedoch als verfassungswidrig verboten
Weit wichtiger allerdings als diese neuen Verfahren wird für die Zukunft sein, ob das starke politische Selbstbewußtsein, das das Parlament in den siebziger Jahren unter Beweis gestellt hat, andauert. Zur Zeit deuten die Anzeichen noch darauf hin. Im Früjahr 1983 machte der Kongreß seine Zustimmung zu neuen strategischen Waffensystemen von dem Versprechen des Präsidenten abhängig, bestimmte Rüstungskontrollmaßnahmen zu ergreifen. Ronald Reagan war gezwungen, seine entsprechenden Zusagen in Briefen an die involvierten Parlamentarier festzuhalten, um grünes Licht für die Entwicklung der von ihm favorisierten schweren MX-Interkontinentalrakete zu erhalten
Der Präsident wird also weiterhin zur Durchsetzung seiner Politik nicht nur mit auswärtigen Mächten, sondern auch im Innern mit Vertretern der Legislative verhandeln müssen. Das Weiße Haus wie auch die Ministerien verfügen seit langem schon über eigene Abteilungen, die nur für die Pflege der Beziehungen zum Kongreß zuständig sind; sowohl im Verteidigungs-als auch im Außenministerium haben die Leiter dieser Büros den Rang eines . Assistant Secretary". Treffen mit der Kongreßführung und persönliche Gespräche mit Senatoren und Abgeordneten gehören zu den Pflichtaufgaben eines jeden Präsidenten, wenn er eine Politik erfolgreich durchsetzen will.
Seine Verhandlungsposition dabei ist nicht alleine durch die Machtdiffusion innerhalb des Parlaments und den Kontrollverlust der Führung im Kongreß geschwächt, die dazu geführt haben, daß er oft Schwierigkeiten hat, die entscheidenden Ansprechpartner zu gewinnen, die ihm eine Mehrheit verschaffen können. Mehr Mitglieder des Parlaments denn je sind bereit, die Konfrontation mit der Exekutive zu suchen und ihr, aus unterschiedlichen Motiven, eine Niederlage zuzufügen. 4. Die Vierte Gewalt: Kongreß, Präsident und öffentliche Meinung Ein Großteil der Auseinandersetzung zwischen Exekutive und Legislative vollzieht sich heute deshalb über die Medien und die öffentliche Meinung Hier hat der Präsident immer noch einen Vorteil. Es hat Senatoren und Abgeordnete gegeben, die mit Hilfe ihrer Ausschußarbeit die Aufmerksamkeit der Nation auf sich zogen und so entscheidend zu einem Stimmungswandel in der Öffentlichkeit beitragen konnten. Aber die meisten der Abgeordneten — die alle zwei Jahre wiedergewählt werden wollen — und, in geringerem Ausmaße, der Senatoren sind eher den Stimmungsschwankungen in ihren Wahlkreisen oder Heimatstaaten ausgesetzt, als daß sie sie beeinflussen. Die Meinungen dort sind zunehmend Ausdruck der öffentlichen Meinung im ganzen Land. Nur wenige Kongreßmitglieder verfügen über eine bundesweite Prominenz, welche die Aufmerksamkeit der überregionalen Zeitungen und Rundfunk-anstalten auf sich zieht. Der Präsident dagegen spricht mit der Autorität des Chefs der Exekutive. Seine Pressekonferenzen sowie die von ihm gehaltenen Reden können die Medien nicht ignorieren. Sie verbreiten seine Äußerungen sofort über das ganze Land. Dem Bericht allerdings folgt unmittelbar die Kommentierung durch die Medien, die manche bereits als die Vierte Macht bezeichnen. Erfolg und Mißerfolg der Politik des Präsidenten hängen deshalb in zunehmendem Maße davon ab, wie er sie in die Vorbereitung und Durchführung seiner Entscheidungen miteinbezieht. Das vertrauliche Gespräch mit Kommentatoren, die Hintergrundinformation für den Reporter und die Pflege guter Beziehungen zur Presse sind deshalb heute genauso wichtig wie das Geben und Nehmen in der Auseinandersetzung mit dem Kongreß und das überbrücken Interessen-gegensätze
III. Ziemlich holprig, aber es läuft
Für den außenstehenden Beobachter bietet die amerikanische Außenpolitik oft ein verwirrendes Bild, das nur vor dem Hintergrund der drei dominierenden Konfliktstrukturen im Entscheidungssystem verständlich wird. Der Präsident ist der wichtigste Entscheidungsträger, der das letzte Sagen hat, doch ist er nicht immer die beherrschende Figur im gesamten Prozeß. Innerhalb der Exekutive steht ihm ein gewaltiger bürokratischer Apparat zur Verfügung, der ihn beraten und bei der Durchsetzung seiner Politik unterstützen soll. Die Ministerien und Behörden jedoch haben ihre eigenen Interessen und entwickeln oft politische Vorstellungen, die mit den Plänen des Präsidenten nicht harmonieren. Sie versuchen deshalb, so viel wie möglich von ihrer eigenen Politik durchzusetzen. Zwar kann jeder Präsident bei seinem Amtsantritt Leute seiner Wahl in höheren Schaltstellen der Bürokratie plazieren, um so seinen Einfluß geltend zu machen. Doch zeitigt der damit einhergehende massive Personalaustausch bei jedem Regierungswechsel nicht immer den erhofften Erfolg.
Die an der Formulierung der Außenpolitik beteiligten Ministerien und Behörden sowie die Führungsspitzen stehen selbst untereinander in einem manchmal scharfen Konkurrenzverhältnis. Bedingt durch die Gegebenheiten der amerikanischen Außenpolitik in der Nachkriegszeit hat das Außenministerium in dieser Auseinandersetzung an Terrain verloren, vor allem gegenüber dem Verteidigungsministerium. Die Rolle des Koordinators der unterschiedlichen außenpolitischen Perspektiven fällt deshalb immer deutlicher dem Nationalen Sicherheitsberater zu, der damit automatisch in eine Vorrangstellung rückt.
Die Fähigkeit des Präsidenten und seiner Mitarbeiter, die konkurrierenden außen-und sicherheitspolitischen Instanzen innerhalb der Exekutive auf eine Linie zu bringen und die korrekte Umsetzung präsidentieller Direktiven durch die Bürokratie zu gewährleisten, ist allerdings noch keine Garantie für die erfolgreiche Durchsetzung seiner Politik. Er ist gleichermaßen auf die Kooperation des Parlamentes angewiesen, mit dem er sich außenpolitische Kompetenzen teilt und dessen Unterstützung er bei der Realisierung seiner Programme braucht. Die politische Rolle, die der Kongreß in der Außenpolitik spielt, ist Schwankungen unterworfen. Seit Anfang der siebziger Jahre ist er ein schwieriger Geschäftspartner. Das hängt zum einen mit dem wiedererstarkten kollektiven Selbstbewußtsein zusammen: Die Parlamentarier sind eher bereit als in den Jahren zuvor, ihre Rechte bei der Gestaltung der Außenpolitik geltend zu machen und den Handlungsspielraum des Präsidenten einzuengen. Zum anderen sind durch Auflösung der traditionellen Führungsstruktur innerhalb des Kongresses Macht und Einfluß der einzelnen Senatoren und Abgeordneten erheblich gestärkt worden. Sie sind deshalb auch eher willens und in der Lage, die Pläne des Weißen Hauses zu durchkreuzen. Gleichzeitig hat der Präsident mehr Schwierigkeiten, den richtigen Ansprechpartner im Kongreß zu finden, der ihm zu den erforderlichen Mehrheiten verhilft.
Der amerikanische Präsident ist diesen gegenläufigen und selbst widerstreitenden Kräften nicht hilflos ausgeliefert. Die jüngste Geschichte hat zwar gelehrt, daß er nicht über längere Zeit hin in der Lage ist, die dem System innewohnenden Schwierigkeiten dadurch zu lösen, daß er die zu beteiligenden Instanzen zu umgehen und auszuspielen sucht. Doch kann er viel dazu beitragen, die scharfen Kanten der Konfliktstrukturen abzuschleifen. Der Zwang, mit so vielen Entscheidungsträgern verhandeln zu müssen, garantiert außerdem eine hohe Beteiligungschance aller interessierten politischen Kräfte, wodurch die innenpolitische Basis der Außenpolitik solider werden kann. Dieses Zusammenspiel produziert zwar nicht selten unerwartete und irritierende Ausschläge in der amerikanischen Außenpolitik. Vom Ausbruch des Kalten Krieges bis heute zeigt der Gesamt-kurs jedoch eine erstaunliche Kontinuität.