Am 18. September 1983 sind die beiden deutschen Staaten zehn Jahre Vollmitglied der Vereinten Nationen. Inwieweit ist heute noch bewußt, wie die Bundesrepublik, und die DDR Vollmitglied wurden?
— Meinungsumfragen in der Bundesrepublik ermittelten 1973 Desinteresse in weiten Teilen der Bevölkerung, aber auch kaum vorhandene Informationen über die UNO.
— Die DDR drängte in die UNO, die Bundesrepublik blieb abwartend.
— Beide, Bundesrepublik wie DDR, konnten wegen des Erfordernisses, daß alle Mitglieder des Sicherheitsrats einer Aufnahme zustimmen müssen, nur gemeinsam Mitglied werden. (Gegen die alleinige Aufnahme eines deutschen Staates hätte es Gegenstimmen gegeben.) — Die Vier Mächte sprachen eine gemeinsame Empfehlung aus, wobei der Vorbehalt für Deutschland als Ganzes ausdrücklich erwähnt wurde.
— Der Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik und der DDR vom 21. Dezember 1972, der am 8. November 1972 paraphiert wurde, schuf politisch die Voraussetzung für die Einbeziehung der DDR in das System der Vereinten Nationen.
— Gegen die Stimmen der CDU/CSU wurde das Beitrittsgesetz zu den Vereinten Nationen im Deutschen Bundestag verabschiedet; die beiden deutschen Staaten konnten 133. und 134. Mitglied der Weltorganisation werden. Die DDR erklärte ihr ihre Bereitschaft in der UNO und in den Sonderorganisationen gleichberechtigt und gleichverpflichtet mitzuarbeiten. — Drittstaaten sahen im Beitritt der beiden deutschen Staaten die Erledigung der deutschen Frage. In der Bundesrepublik gab es Erwartungen und Forderungen, insbesondere bei der CDU/CSU, die mit dem Tenor vorge-tragen wurden, die Regierung Brandt-Scheel müsse die deutsche Frage zum internationalen Thema machen.
Nicht zuletzt gab es Ungewißheiten und zahlreiche Fragen, die sich auf das Verhalten beider deutscher Staaten sowie ihr Verhältnis zueinander bezogen. Wird es zur deutsch-
I. Problemstellung und Fragen
deutschen Konfrontation kommen? Können sich beide — beschränkt — auf dem Feld der Zusammenarbeit verständigen? Welche Rolle spielt die deutsche Frage? Wie ist das Verhältnis der beiden deutschen Staaten bei ihrem Abstimmungsverhalten zu ihren jeweiligen Führungsmächten? Was werden die beiden deutschen Staaten zu den großen Themen der UNO beitragen?
Heute, nach zehn Jahren Mitgliedschaft und Mitarbeit, können bereits einige verallgemeinerungsfähige Aussagen und Prognosen über das Verhalten der beiden deutschen Staaten sowie über ihr Verhältnis zu zentralen Fragen der UNO gemacht werden. Interessante Fragen — schwierige Antworten Das Verhältnis von Staaten zur Weltorganisation sowie ihr Verhalten in dieser ist eine komplexe Angelegenheit. Im Falle der beiden deutschen Staaten kommt zur Komplexität noch die Kompliziertheit, zumal in rechtlicher Hinsicht.
Es ist erstaunlich, daß es bis heute lediglich ein Buch gibt, das die beiden deutschen Staaten in den Vereinten Nationen vergleichend ins Blickfeld nimmt 1). Weder die bundesdeutsche DDR-Forschung noch diejenigen, die sich in der DDR mit der Bundesrepublik befassen, haben sich dieses Themas angenommen. Ist es zu schwierig oder uninteressant? Uninteressant kann das Thema nicht sein; denn Politiker und Publizisten bei uns reden über dieses Thema, wenngleich nicht selten unter einem eingeengten Blickwinkel: Was kann die UNO für die „deutsche Frage" tun? Dies ist in der Tat ein Aspekt unter vielen möglichen. Es gibt andere (wichtigere) Fragen, die es zu beantworten gilt, wie etwa die: Warum konnten Bundesrepublik und DDR erst relativ spät Vollmitglied der Vereinten Nationen werden? Welche Zwischenbilanz läßt sich nach zehn Jahren Vollmitgliedschaft ziehen? Wie ist ihr Verhältnis zur UNO? Was machen sie in den Sonderorganisationen? Lassen sich aus der bisher gezeigten Mitarbeit im UNO-System verallgemeinerungsfähige Aussagen über Verhaltensmuster und Einstellungen herausarbeiten? Welches Abstimmungsverhalten zeigten Bundesrepublik und DDR im ersten Dezennium ihrer Vollmitgliedschaft? Wie passen ihre Vorschläge und Positionen in die internationale politische Landschaft? Wie mehrheitsfähig sind die Positionen der Bundesrepublik und die der DDR? Was tun Bundesrepublik und DDR für die Entwicklungsländer (multilaterale Entwicklungshilfe)? Gibt es in beiden deutschen Staaten so etwas wie eine intakte UNO-Forschung? Welche Prognosen für die nächsten Jahre lassen sich aus der Analyse ihrer bisherigen UNO-Politik ableiten? Welche Verhaltensmodi dominieren im Verhältnis beider deutscher Staaten zueinander? Kooperation, Kompetition oder Konfrontation? Und nicht zuletzt: Welche Rolle hat die „deutsche Frage" in diesen zehn Jahren gespielt? Zur Beitrittsgeschichte Die Frage, warum die beiden deutschen Staaten erst 24 Jahre nach ihrer Staatsgründung Vollmitglied der Weltorganisation werden konnten, lenkt die Aufmerksamkeit auf den deutschlandpolitischen Zusammenhang, den die Bundesregierung unter der Kanzlerschaft Willy Brandts (Außenminister Walter Scheel) hergestellt hat und der bis heute in den einschlägigen DDR-Publikationen entweder bestritten oder „einfach“ unterschlagen wird.
Ohne die „Aufnahmegeschichte" hier im einzelnen nachzeichnen zu können 2), sollen doch einige Anmerkungen vorangestellt werden, zumal sie von der DDR bisher trotz ihrer umfangreichen UNO-Literatur nicht thematisiert wurde und bei uns in Vergessenheit geraten zu sein scheint:
Erst 28 Jahre nach der Gründung der Vereinten Nationen und 24 Jahre nach der Konstituierung der beiden deutschen Staaten konnten die Bundesrepublik Deutschland und die DDR 1973 ihr Debüt als Vollmitglieder bei der Weltorganisation geben. Während die Bundesrepublik Deutschland seit den frühen fünfziger Jahren in allen Sonderorganisatio. nen der UNO mit Sitz und Stimme vertreten war und in New York einen offiziellen Beob. achterstatus hatte, gelang es der DDR trotz wiederholter Versuche erst am 21. November 1972 (einige Tage nach der Paraphierung des Grundlagenvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR), Mitglied einer Sonderorganisation (UNESCO) zu werden.
Bis zur Paraphierung des Grundlagenvertrages scheiterten alle Versuche der DDR, ihr Statusdefizit in der internationalen Politik auszugleichen und mit der Bundesrepublik Deutschland gleichzuziehen. Bis zur Erlangung ihrer Mitgliedschaft in der UNESCO blieb die UNO-Politik der DDR auf eine nichtformalisierte Ad-hoc-Partizipation beschränkt. Eine Alleinmitgliedschaft der DDR in der UNO war nach der UN-Charta und vom politischen Fahrplan der sozialliberalen Bundesregierung her nicht möglich. Nach der sog. Scheel-Doktrin war Voraussetzung für eine Mitgliedschaft der beiden deutschen Staaten in der UNO eine „akzeptable" Formalisierung der deutsch-deutschen Beziehungen. Die DDR hat diesen politischen Zusammenhang zwischen Grundvertrag und UNO-Mitgliedschäft zunächst heftig geleugnet, dann jedoch stillschweigend geduldet. Das Procedere für die Aufnahme von Staaten in die UNO ist in der Charta, insbesondere im Artikel 4, und in der Geschäftsordnung der Vereinten Nationen geregelt.
Die politischen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft sind fixiert in Art. 4. 2 der Charta: „Die Aufnahme eines solchen Staates als Mitglied der Vereinten Nationen erfolgt auf Empfehlung des Sicherheitsrates durch Beschluß der Generalversammlung." Der entscheidende Punkt ist der, daß alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates für den Aufnahmeantrag stimmen müssen. Gegen eine alleinige Aufnahme der Bundesrepublik hätte die UdSSR gestimmt, gegen eine alleinige Aufnahme der DDR hätten die drei Westmächte gestimmt (vermutlich auch die VR China).
Der enge politische Zusammenhang zwischen deutsch-deutschem Grundvertrag, Ausgang der Bundestagswahl (vom 19. November 1972) und der . Anerkennungswelle" der DDR als Vorläufer der UNO-Mitgliedschaft wird dadurch ausgedrückt, daß am Montag nach der Wahl, also am 20. November 1972, und nach vorher vollzogener Paraphierung des Grundlagenvertrages ein Vertreter des Bonner Aus wärtigen Amtes nach Paris flog, um für die Aufnahme der DDR in die UNESCO „grünes Licht" zu geben. Am Dienstag, dem 21. November 1972, wurde die DDR innerhalb von drei Minuten (!) Mitglied der UNESCO — mit demonstrativer Zustimmung der Bundesrepublik.
Mit der Veränderung des Stellenwerts der deutschen Frage in der Strategie der Westmächte und unter den Bedingungen diplomatischer Entspannung zwischen den USA und der UdSSR mußte die Bundesrepublik ihre Beziehungen zur DDR überprüfen. Es zeigte sich — zuerst 1968 in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und in der UNESCO —, daß es der Bundesrepublik Deutschland, die bereits seit den fünfziger Jahren Mitglied in allen Sonderorganisationen war, auf Dauer nicht möglich sein würde, ihre alleinige Präsenz gegen die forcierten Versuche der DDR, „gleichberechtigt" (so das erklärte Ziel) im UNO-System mitzuarbeiten, zu behaupten. Der Tatbestand, daß die DDR-Anträge auf Aufnahme in die WHO und in die UNESCO 1968 und 1970 nicht mehr — wie bis dahin — prinzipiell abgelehnt, sondern lediglich vertagt wurden signalisierte eine veränderte Situation. Ende der sechziger Jahre konnte die Bundesrepublik die Aufnahme der DDR in die WHO und die UNESCO nur noch mit dem Hinweis auf die bevorstehende Formalisierung des deutsch-deutschen Verhältnisses, die einer UNO-Aufnahme der DDR vorausgehen sollte, verhindern, also nicht mehr grundsätzlich, sondern nur noch temporär.
II. Die Bundesrepublik Deutschland und die DDR in den Hauptorganen
1. Zur Bedeutung des Abstimmungsverhaltens in der Generalversammlung Die methodische Zulässigkeit und die politische Notwendigkeit einer detaillierten Abstimmungsanalyse als eines wichtigen Indikators für die UNO-Politik eines Staates und die Konzentration auf die Generalversammlung (GV) ergeben sich aus einer Reihe von Überlegungen: Die GV ist zwar nur eines der sechs Hauptorgane der UNO, sie ist jedoch das einzige, das aus allen Mitgliedern der Vereinten Nationen besteht. Drei Gründe rechtfertigen die prioritäre Aufmerksamkeit für die GV:
1. Die DDR entzieht sich einem Vergleich dadurch, daß sie in acht von 15 Sonderorganisationen nicht vertreten ist, obgleich sie das Recht und — wie nicht wenige sagen — die Pflicht zur Mitgliedschaft hätte.
2. Die GV ist das einzige Hauptorgan, in dem beide deutsche Staaten „gleichberechtigt" und seit 1973 kontinuierlich vertreten sind. Die Bundesrepublik war 1977/78 nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat, die DDR 1980/81. Im Internationalen Gerichtshof (IGH) ist die Bundesrepublik durch Professor Mosler vertreten, die DDR nicht. Im Wirtschafts-und Sozialrat ist die Bundesrepublik stets Mitglied gewesen, die DDR mit Unterbrechungen. Im Treuhandrat, der mit der Aufgabe betraut ist, noch nicht unabhängige Kolonien in die Unabhängigkeit zu führen, sind beide nicht vertreten und werden auch nicht Mitglied werden. Im Generalsekretariat sind beide durch hohe Beamte repräsentiert.
Den Posten des Generalsekretärs werden beide wohl wegen des Neutralitätsgebots nicht besetzen können. Zudem handelt es sich bei den Hauptorganen der UNO — mit Ausnahme der GV — um Gremien mit begrenzter Mitgliederzahl, in die die sog. Regionalgruppen ihre Vertreter entsenden.
Die GV eignet sich deshalb für eine Abstimmungsanalyse, weil ihre Tagesordnung (meistens etwa 200 Punkte) den Problemhaushalt der internationalen Politik widerspiegelt. Die Staaten werden zu vergleichbaren Stellungnahmen gezwungen.
Aus der Außenpolitikforschung ist bekannt, daß jede Außenpolitik — und die UNO-Politik gehört dazu — zu ihrem Erfolg zweierlei bedarf: eines inneren Konsenses, also einer innenpolitischen Vertretbarkeit, und einer äußeren Kompatibilität, also Vereinbarkeit mit dem internationalen System.
Der Zweck ist hier die Erfassung der internationalen Position eines Staates, wie sie über die UNO vermittelt wird. Die internationale Position und damit die „äußere Kompatibilität“ bzw. „Inkompatibilität" läßt sich ausdrükken in der Vereinbarkeit einer Position mit jenen Gegenständen, die in der UNO diskutiert und in Resolutionsform gegossen werden. Das Abstimmungsverhalten und der Grad an Übereinstimmung des eigenen Verhaltens mit dem Abstimmungsergebnis gibt einen verallgemeinerungsfähigen Hinweis auf die Mehrheitsposition eines Staates. Neben diesem aktuellen Aussagewert der Kategorie hat die „äußere Kompatibilität" auch einen prospektiven Gebrauchswert: Sie gibt in etwa den Grad der Wahrscheinlichkeit an, mit der Staaten bzw. Staatengruppen Mehrheiten für sich und gegen andere mobilisieren können. Die Berechtigung der Anwendung dieser Kategorie ergibt sich aus drei Gründen:
1. Die Bemühungen beider deutscher Staaten — in-und außerhalb der UNO — zeigen, daß sie die Mehrheitsfähigkeit ihrer Positionen, ihrer Ziele und Mittel anstreben. Diese Aktivitäten werden nur unterschiedlich bezeichnet. Für die DDR ist die „äußere Kompatibilität" ein Synonym für die Formel vom „veränderten Kräfteverhältnis zugunsten des Friedens und des Sozialismus".
2. Die Antwort auf unsere Leitfrage erlaubt hinreichend gesicherte Aussagen darüber, wie mehrheitsfähig die Positionen der beiden deutschen Staaten sind, und über die Chancen, die UNO als Instrument zur Beförderung eigener Ziele gegen die des anderen einzusetzen.
3. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Positionen, Zielen und Mitteln eines Staates mit der internationalen Politik lenkt den Blick vom „Deutsch-deutschen" weg und die Aufmerksamkeit hin auf die Situation in der Weltorganisation. Bei allem Interesse, das hier verständlicherweise den deutschen Staaten in der UNO entgegengebracht wird, sollte nicht übersehen werden, daß die Bundesrepublik und die DDR lediglich zwei der nunmehr 157 Mitglieder sind.
Auch für die DDR ist das Abstimmungsverhalten eines Staates indikativ. So nimmt sie beispielsweise das von der Mehrheit abweichende Verhalten der USA als „eindeutigen Beweis für die destruktive Haltung" in Abrüstungsfragen Das eigene gilt der DDR als Beweis für konstruktives Verhalten. Obwohl die Zulässigkeit von Abstimmungsanalysen anerkannt wird, so zeigt sich jedoch bei näherem Hinsehen, daß die DDR bislang keine einzige vollständige Untersuchung über ihr Abstimmungsverhalten vorgelegt hat 2. Bilanz des deutsch-deutschen Abstimmungsverhaltens in den Vereinten Nationen
Eine Untersuchung des deutsch-deutschen Abstimmungsverhaltens im Zeitraum von 1973 bis 1982/83 auf der Grundlage von über 1 500 strittigen Resolutionen der Generalversammlung ergibt folgenden Befund:
1. Im Verhältnis zu den Führungsmächten: Während die DDR in zehn Jahren lediglich in sieben Fällen von ihrer Führungsmacht Sowjetunion abwich, ergibt sich im Verhältnis Bundesrepublik-USA ein völlig anderes Bild: Bei fast jeder zweiten strittigen Resolution stimmte die Bundesrepublik nicht mit den USA überein. Insofern lassen sich — bezogen auf die UNO — die USA nicht als Führungsmacht bezeichnen.
2. Im Verhältnis Bundesrepublik-DDR: Das Abstimmungsverhalten beider deutscher Staaten ist signifikant unterschiedlich; nur in Ausnahmefällen gab es bei strittigen Resolutionen Übereinstimmung.
3. Die DDR konnte bislang häufig mit der Mehrheit abstimmen, insbesondere bei Themen wie Naher Osten und Südliches Afrika. Die Bundesrepublik war oft in Minderheitenpositionen. 4. Beide deutsche Staaten haben sich aktiv an der Einbringung bzw. Miteinbringung von Resolutionen beteiligt, allerdings nie in bilateraler Kooperation, allenfalls bei nicht strittigen Resolutionen mit zahlreichen anderen Nationen (in der Regel 30— 40 Miteinbringer). Die Themen waren unterschiedlich: Während die DDR in ausgewählten Fragen der Abrüstung und der internationalen Sicherheit vorrangig aktiv wurde, konzentrierte sich die Bundesrepublik auf Vertrauensbildende Maßnahmen, Flüchtlingsfragen, Geiselkonvention und Menschenrechtsfragen allgemein. 3. Das Abstimmungsverhalten der beiden deutschen Staaten auf der 37. General-versammlung Das in der Tabelle 2 zum Ausdruck kommende Abstimmungsverhalten in den Haupt-ausschüssen der GV ist durchaus typisch insofern, als auch in den vorangegangenen Sitzungen der GV ähnlich abgestimmt wurde Die von der Mehrheit abweichende Quote der Bundesrepublik war erheblich höher als die der DDR. Die Art, wie in der UNO Probleme des Nord-Süd-Gefälles, Fragen der Abrüstung und der Menschenrechte, die Rolle der Befreiungsbewegungen und das Nah-Ost-Problem behandelt werden (ohne Ausschußberatung, 1. Hauptausschuß sowie 2., 3. und 4. Hauptausschuß), erleichtert der DDR das Mitschwimmen in der durch die Entwicklungsländer dominierten Mehrheit. Diese Mehrheitsverhältnisse kann man kritisieren, man sollte sie jedoch nicht ignorieren, indem etwa in der Bundesrepublik immer wieder verlangt wird, diese UNO mit „deutschen Problemen" zu befassen. Lediglich im fünften Hauptausschuß (wo es um Haushaltsfragen geht) häufen sich im Falle der DDR (an der Seite der UdSSR) die Nein-Stimmen. Im Falle der Bundesrepublik ist der häufige Gebrauch der Enthaltung kennzeichnend, was Spötter zu der Feststellung veranlaßte: In der UNO gibt es die Nein-und die Ja-Stimme und das „German-vote". 4. Unterschiede im Abstimmungsverhalten bei Abrüstungsresolutionen 1. Bei allen Resolutionen, die die atomare Abrüstung priorisieren, stimmt die DDR mit Ja; die Bundesrepublik verweigert sich einer Zustimmung und verweist auf die Gleichrangigkeit mit der konventionellen Abrüstung.
2. Allen Resolutionen, die die Abrüstung zu konkretisieren suchen und dazu etwa auf dem Wege von Studien die einzelnen Schritte operationalisieren wollen, begegnet die DDR mit Ablehnung, während die Bundesrepublik zu den Staaten gehört, die Resolutionen, welche versuchen, auf dem Wege von Studien Sachverhalte zu erläutern und zu konkretisieren, unterstützen. 3. Versuche, einzelne Waffensysteme zu isolieren und zu verbieten, werden von der Bundesrepublik zumeist mit einem Nein quittiert. Dies gilt etwa für Resolutionen zu Neutronenwaffen; dazu hat die DDR einen Entwurf vorgelegt.
4. Die DDR stimmt in Fragen der Abrüstung prinzipiell mit der Sowjetunion überein. Dies gilt auch für die Fälle, in denen die DDR nicht direkt betroffen ist, etwa bei kernwaffenfreien Zonen in Fernost u. ä. Die Bundesrepublik weicht bei etwa jeder zweiten Abrüstungsresolution von den USA ab.
Bei der jüngsten Generalversammlung (der 37.) stimmten die beiden deutschen Staaten lediglich in fünf von 41 strittigen Resolutionen identisch ab. Bei jeder achten Abrüstungsresolution also!
5. Verifikations-und Transparenzforderungen stoßen prinzipiell auf Ablehnung durch den Warschauer Vertrag, während die Bundesregierung hier zu den fordernden Staaten gehört, die dazu Resolutionsentwürfe vorgelegt haben.
Diese fünf signifikanten Merkmale im Abstimmungsverhalten beider deutscher Staaten im Abrüstungsbereich können auch als Merkmale ihrer bisherigen UNO-Politik schlechthin gelten, und es gehört nicht viel Prognose-fähigkeit dazu vorauszusagen, daß diese Charakteristika auch künftig bestimmend sein werden. 5. Die Arbeit der beiden deutschen Staaten in den sonstigen Hauptorganisationen a) Der Wirtschafts-und Sozialrat Im Wirtschafts-und Sozialrat (WSR) sind die beiden deutschen Staaten als Industrieländer und d. h. als Geber von Leistungen gefordert. Die numerische Dominanz der Entwicklungsländer sowie der Problemdruck, der von den Entwicklungsländern ausgeht, hat dazu geführt, daß sich der WSR primär mit Nord-Süd-Fragen beschäftigt.
Die DDR unterstützt die Entwicklungsländer in ihren Forderungen an die westlichen Industriestaaten, aber erklärt sich hinsichtlich ihrer Erfüllung für nicht verantwortlich. Während die DDR verbal die Entwicklungsländer im Ziel bestärkt, die „überkommene" internationale Wirtschaftsordnung durch eine neue zu ersetzen (ohne allerdings sagen zu können, wie diese im einzelnen aussehen soll), ist die Bundesrepublik bereit, die bestehende internationale Wirtschaftsordnung „weiter" zu entwickeln. In zentralen Fragen, wie Rohstoffindexierung, Gemeinsamer Fonds, Technologietransfer, Verschuldung, Marktöffnung u. ä„ unterscheiden sich die beiden deutschen Staaten erheblich, so daß es hier zu keinerlei Zusammenarbeit gekommen ist. b) Der Sicherheitsrat Nacheinander waren die beiden deutschen Staaten für zwei Jahre im „höchsten" Organ, im Sicherheitsrat (SR), vertreten. Für beide stand die zeitweise Mitgliedschaft wohl mehr unter der Überschrift „Mehr Bürde als Würde", denn sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR mußten unangenehme Entscheidungen (mit) treffen: Die Bundesrepublik an der Seite der USA bei Entscheidungen zum südlichen Afrika (Südafrika), die DDR an der Seite der UdSSR in der Frage der Verurteilung der Afghanistan-Besetzung. Immerhin gilt es festzuhalten, daß aus den ehemaligen „Feindstaaten" UNO-Mitglieder wurden, die im SR zeitweise die „Hauptverantwortung" für den „Frieden und die internationale Sicherheit“ trugen. c) Der Generalsekretär Die Bundesrepublik wie die DDR wurden von den Generalsekretären Kurt Waldheim und Javier Prez de Cullar besucht. Zugespitzt formuliert: Beide unterstützen eher den „Sekretär" als den „General". Die DDR hat dies jedoch deutlicher zum Ausdruck gebracht: Der Generalsekretär hat keine eigenen Befugnisse; er erfüllt seine Funktion als Dienender (insbesondere im Auftrag des Sicherheitsrats). Beide deutsche Staaten zeigen sich hinsichtlich einer politischen wie institutioneilen Stärkung des Amtes relativ zurückhaltend. Im Generalsekretariat sind die Bundesrepublik und die DDR immer noch erheblich unterrepräsentiert, im Falle der DDR deutlicher als in dem der Bundesrepublik. d) Der Internationale Gerichtshof Im „Hauptrechtsprechungsorgan“ der UNO, im „Internationalen Gerichtshof" (IGH), ist lediglich die Bundesrepublik vertreten. Im Schrifttum wird beklagt, daß es keine obligatorische Zuständigkeit des IGH gibt, der die Staaten automatisch unterworfen wären. Die DDR gehört zu jenen Staaten, die sich gegen jedwede Kompetenz des IGH zur „objektiven“ Streitschlichtung wenden. Da sich die beiden deutschen Staaten nicht dem IGH unterworfen haben, kann dieses Hauptrechtsprechungsorgan der UNO in Streitigkeiten zwischen den beiden deutschen Staaten überstaatlich nicht eingeschaltet werden. Die Bundesrepublik wie auch die DDR haben sich bekanntlich für den zwischenstaatlichen Verhandlungsweg entschieden. e) Der Treuhandrat Der Vollständigkeit halber soll noch kurz auf das sechste Hauptorgan verwiesen werden: auf den Treuhandrat (TR), der für beide deutsche Staaten mit Abstand die geringste Bedeutung hat. Der entscheidende Grund dafür ist, daß der Prozeß, die „Gebiete ohne Selbstregierung" in die Unabhängigkeit zu führen, bis auf einen winzigen Rest im wesentlichen abgeschlossen ist. Der TR hat praktisch keinen Aufgabenbereich mehr. Tabelle 3
III. Mitgliedschaft und Mitarbeit in den Sonderorganisationen der Vereinten Nationen
Wenn auch die Mitarbeit beider deutscher Staaten in den Sonderorganisationen hier nicht im einzelnen untersucht werden kann, so sollen doch folgende Charakteristika und Spezifika herausgestellt werden. 1. Die DDR ist lediglich in jeder zweiten Sonderorganisation vertreten, während die Bundesrepublik Deutschland in allen Sonderorganisationen Mitglied geworden ist. DDR-Vertreter werden in-und außerhalb der UNO we-gen ihrer Politik der selektiven Mitgliedschaft nicht nur von westlichen Staaten, sondern auch zunehmend von Entwicklungsländern gefragt, warum ihr Land Organisationen wie etwa die FAO (die größte aller Sonderorganisationen) boykottiert. Immerhin ist die DDR nach ihrem Selbstporträt ein „sozialistischer Industriestaat mit hochentwickelter Landwirtschaft" Die DDR wird beispielsweise auch bedrängt, Mitglied im Internationalen Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) zu werden, der ausschließlich den Interessen der Entwicklungsländer dient. Die angesprochenen DDR-Vertreter sind nicht in der Lage, ihre Politik der selektiven Mitgliedschaft und damit ihrer eingeschränkten Mitarbeit zu begründen.
In keinem Fall kann die DDR diese Politik mit dem Hinweis auf die „sozialistische Gesellschaftsordnung" begründen; denn in allen Sonderorganisationen, in denen sie nicht Mitglied ist, ist zumindest ein „sozialistischer" Staat vertreten. Dies gilt auch für die Weltbankgruppe. Die Politik der selektiven Mitgliedschaft kann als Verstoß gegen das Kooperationsgebot des Artikels 1, 4 der UNO-Charta wie gegen die Selbstverpflichtung der DDR in den fünfziger und sechziger Jahren gewertet werden, in den Sonderorganisationen mitarbeiten zu wollen. Selbst der Hinweis auf die UdSSR als Bestimmungsfaktor für die UNO-Politik der DDR vermag keine ausreichende Erklärung zu geben; denn die Sowjetunion ist immerhin in der Internationalen Zivil-Luftfahrt-Organisation (ICAO) vertreten. Ansonsten boykottiert sie dieselben Organisationen wie die DDR.
2. In denjenigen Sonderorganisationen, in denen beide deutsche Staaten Mitglied sind, ist festzustellen, daß die DDR zwar gleichberechtigt, nicht aber gleichverpflichtet ist. Sie nutzt zwar die Rechte (etwa zur Selbstdarstellung), versagt sich jedoch Leistungen, die über die Pflichtbeiträge hinausgehen. Ein Vergleich der materiell-finanziellen Mitarbeit fällt deutlich zugunsten der Bundesrepublik aus. In ausgewählten UNO-Programmen leistet die Bundesrepublik mehr als das Vierzigfache wie die DDR (UNICEF).
3. Die DDR bevorzugt eine mehr forumsorientierte Mitarbeit, die materiell nichts kosten, aber politisch viel bringen soll. Dabei steht nicht die organisationsspezifische Arbeit im Vordergrund, sondern die Propagierung der Abrüstung, so wie sie von der UdSSR buchstabiert wird. Unabhängig davon, ob es sich um die UNESCO, die WMO, die WHO oder die ILO handelt — die wichtigste Aufgabe der Sonderorganisation ist nach Lesart der DDR jeweils die Herbeiführung der Abrüstung! Dagegen beschränkt sich die Bundesrepublik auf die organisationsspezifischen Aufgabenfelder der einzelnen Sonderorganisationen. Sie lehnt ihre „Politisierung" ab, wenngleich gesehen wird, daß die Arbeit der Sonderorganisationen so unpolitisch nicht ist und es durchaus Zusammenhänge zwischen der Erhaltung des Friedens und der fachspezifischen Arbeit der Sonderorganisationen gibt.
4. Eine empirische Prüfung der Mitarbeit der deutschen Staaten in den Sonderorganisationen, in denen beide Mitglied geworden sind, auf den drei Ebenen „personelle Repräsentanz" „finanziell-materielles Engagement“ und „konzeptionelle Mitarbeit" zeigt im Ergebnis, daß ihre personelle Repräsentanz in den Sekretariaten der untersuchten Sonderorganisationen z. T. erheblich unterhalb des ihnen zustehenden Personalkontingents liegt. Im Falle der Bundesrepublik muß jedoch für die FAO, ILO und IAEO festgestellt werden, daß sie die sogenannte mittlere Quote erreicht hat und hier also nach UNO-Usancen nicht unterrepräsentiert ist. Dadurch, daß die Bundesrepublik bereits seit vielen Jahren Mitglied der meisten Sonderorganisationen ist, hat sie Startvorteile bei der personellen Besetzung. Die DDR hat offenbar „Kaderprobleme"; denn sie ist in den Sekretariaten der Sonderorganisationen trotz ihres Interesses an der Arbeit bestimmter Organisationen (WHO, UNESCO) erheblich unterrepräsentiert. Die finanziell-materielle Mitarbeit der beiden deutschen Staaten ist signifikant unterschiedlich. Während sich die Bundesrepublik über den Pflichtbeitrag hinaus an den zahlreichen Sonderprogrammen (die ausnahmslos den Entwicklungsländern zugute kommen) beteiligt, geht die DDR über ihre Pflichtbeiträge nicht hinaus.
IV. Bündniskonformität und Bestimmungsfaktoren
Sowohl die Bundesrepublik als auch die DDR verhalten sich bündniskonform, allerdings mit erheblichen Unterschieden. Im Verhältnis der DDR zur UdSSR zeigt sich eine Übereinstimmung in den Vereinten Nationen, die zwischen zwei souveränen und selbständigen Staaten einzigartig ist In über 1 500 Abstimmungen in der Generalversammlung läßt sich die Nichtübereinstimmung zwischen der UdSSR und der DDR an der vielzitierten einen Hand abzählen. Die DDR bestreitet diese Übereinstimmung nicht, sie interpretiert sie nur anders als hierzulande: Dies sei das Ergebnis der abgestimmten Außenpolitik zwischen zwei Bruderstaaten.
Ganz anders ist das Bild im Verhältnis Bundesrepublik und USA: Hier gibt es zahlreiche Abweichungen. Obwohl die EG trotz erheblicher Harmonisierungsversuche etwa im Rahmen der EPZ nicht einheitlich abstimmt, zeigt die Bundesrepublik hingegen einen hohen Grad von EG-Konformität (übertroffen lediglich von Luxemburg), überspitzt formuliert: Als Bestimmungsfaktor für das Abstimmungsverhalten der Bundesrepublik gilt die EG (EPZ) und nur in Ausnahmefällen die USA Im Falle der DDR läßt sich nur ein Bestimmungsfaktor ausmachen: die UdSSR!
In den Wandelgängen der UN in New York herrscht der Eindruck vor, daß das Abstimmungsverhalten der DDR in den Vereinten Nationen weniger in Ost-Berlin, sondern hauptsächlich in Moskau entschieden wird, was Folgen für die Verhandlungsfähigkeit beider deutscher Staaten hat. Die Bundesrepublik gilt allgemein als eigenständiger Verhandlungspartner, der sowohl gegenüber den anderen neun EG-Staaten als auch gegenüber den USA über ein hohes Einflußpotential verfügt. Die Bundesrepublik ist auch direkter Adressat von konkreten Wünschen und Forderungen. Ganz anders die DDR: Ihre Verhandlungsfähigkeit wird von UNO-Delegierten als extrem gering angesehen. Wenn die Entwicklungsländer konkrete Forderungen haben, so adressieren sie diese an den Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bzw. an die RGW-Führungsmacht, die UdSSR. Es ist bisher nicht bekannt geworden, daß die DDR in Problemlösungsfällen als eigenständiger Faktor angesprochen wurde. Wollen Staaten für ihre Resolutionen Unterstützung, so wenden sie sich direkt an die Sowjetunion in der wohl durchaus berechtigten Annahme, daß der Gewinn der Stimme der UdSSR „automatisch“ auch den der DDR bedeutet.
V. Die drei Erfordernisse der Arbeit der Vereinten Nationen
Der UNO-Generalsekretär hat bei seinem Besuch in der DDR in einem Toast auf drei Erfordernisse hingewiesen, denen die Vereinten Nationen und ihre Mitglieder prioritäre Aufmerksamkeit widmen sollen:
— „Notwendigkeit einer gerechten Weltwirt-
schaftsstruktur", — Abrüstung", — „Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen bei der Erhaltung des Friedens".
Alle drei „Erfordernisse" stehen in einem engen Zusammenhang. Hier soll in einer kurzen Übersicht die Frage beantwortet werden, welchen Beitrag die beiden deutschen Staaten zur Einlösung dieser Anforderungen geleistet haben. 1. Die Notwendigkeit einer gerechten Welt-wirtschaftsstruktur Bei der Betrachtung dieser Forderung sollten konzeptionelle, institutionelle und operativ-materielle Gesichtspunkte bzw. Beiträge unterschieden werden.
Konzeptionelles Anliegen ist die „Neue Welt-wirtschaftsordnung", die von der DDR unterstützt wird.
Institutionell geht es darum, welche Organe und Organisationen den Veränderungsprozeß tragen bzw. vorantreiben sollen. Der Westen (und damit die Bundesrepublik) unterstützt die Weltbankgruppe und das außerhalb der UNO stehende, aber mit UNO-Organen verbundene GATT (General Agreement on Tariffs and Trade). Die DDR hingegen kritisiert und bekämpft die Weltbankgruppe als „imperialistische Organisationen“. Sie setzt ganz auf die UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development), die soeben ihre VI. Welthandelskonferenz in Belgrad beendet hat Die UNCTAD ist jedoch keine selbständige Organisation, die über Mittel verfügte (wie die Weltbankgruppe), den ökonomischen Dekolonisierungsprozeß wirksam zu unterstützen. Die DDR möchte ebenso wie zahlreiche Entwicklungsländer Kompetenzen und Ressourcen von der Weltbankgruppe wegziehen und auf die UNCTAD verlagern, wo die Entwicklungsländer eine sichere Stimmenmehrheit haben. Die Bundesrepublik wendet sich wie die übrigen westlichen Staaten und viele Entwicklungsländer gegen eine solche Kompetenzverlagerung.
Deutliche Unterschiede zwischen beiden deutschen Staaten zeigen sich auch im operativ-materiellen Bereich. Dies wird einmal daran deutlich, daß die Bundesrepublik bereit ist, einen Teil ihrer Entwicklungshilfe als Kapitalhilfe zu multilateralisieren (also über die UNO verteilen zu lassen). Die DDR dagegen setzt ganz auf den bilateralen Weg, womit für sie ihre Entwicklungshilfe als außenpolitisches Instrument einsetzbar bleibt.
Auf der jüngsten UNCTAD-Sitzung wurde im übrigen ersichtlich, daß die kommunistischen Staaten in der Unterstützung der Forderungen der Entwicklungsländer an die Adresse der westlichen Staaten ihren Hauptbeitrag sehen. Als Industrienationen sind jedoch auch die beiden deutschen Staaten von der UNC-TAD aufgefordert, ihren Beitrag zur ökonomischen Dekolonisierung zu leisten. Dies soll in vier Bereichen geschehen: 1. Das Handelsvolumen ist zu steigern und dabei sind insbesondere die Märkte des RGW zu öffnen.
2. Die Entwicklungshilfe ist zu erhöhen, wobei immer noch als Ziel gilt, daß die Industrieländer 0, 75 % ihres Bruttosozialprodukts dafür zur Verfügung stellen.
3. Zumindest ein Teil der Entwicklungshilfe ist zu multilateralisieren.
4. Die Entwicklungshilfe als Form der Zusammenarbeit zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern ist zu diversifizieren.
Diese vier Prüfungskriterien sind nicht nur auf westliche Industriestaaten anzuwenden, sondern auch auf östliche. Wie sieht das Ergebnis der DDR-Entwicklungshilfe (die DDR spricht nicht von Entwicklungshilfe, sondern von „Wirtschaftshilfe") unter Berücksichtigung dieser Kriterien aus?
ad 1: Die kommunistischen Staaten wickeln seit Jahren lediglich max. 5 % ihres Außenhandels mit Entwicklungsländern ab. Dieser Prozentsatz ist relativ konstant; dies gilt auch für die DDR (4— 5 %) Konstant ist deshalb auch die Forderung der Entwicklungsländer an die osteuropäischen Staaten, ihren Handel mit den Entwicklungsländern zu steigern. ad 2: In der Regel weigert sich die DDR, ihre Entwicklungshilfe (Wirtschaftshilfe) zu quantifizieren. ad 3: Die Entwicklungshilfe (Wirtschaftshilfe) der DDR ist bilateral. Die DDR weigert sich, ihre Entwicklungshilfe über UNO-Organisationen verteilen zu lassen. Damit will sie ihre Wirtschaftshilfe außenpolitisch instrumentalisieren, wobei für die Vergabe nationale Gesichtspunkte der DDR entscheidend sind und nicht die der Entwicklungsländer.
ad 4: Die Wirtschaftshilfe der DDR, d. h. die Zusammenarbeit der DDR mit Entwicklungsländern, konzentriert sich auf einige wenige Staaten (darunter Kuba, Indien, Argentinien, Irak, Brasilien, Jemen, Angola). Es ist nicht erkennbar, inwieweit die DDR den am wenigsten entwickelten Entwicklungsländern Hilfe gewährt bzw. mit ihnen zusammenarbeitet. Legt man die vier genannten Maßstäbe an die Entwicklungshilfepolitik der Bundesrepublik an, so erscheint diese in einem erheblich besseren Licht als die der DDR, wenngleich auch die Bundesrepublik weit von den Forderungen der Entwicklungsländer entfernt ist Immerhin ist festzustellen
ad 1: Die Einfuhren aus Entwicklungsländern beliefen sich 1982 auf 37, 7 Mrd. DM, während der Export in Entwicklungsländer 1982 36, 8 Mrd. DM erreichte. Dies entspricht einem Anteil von 25 % am Außenhandel der Bundesrepublik.
ad 2: Die Bundesrepublik verfehlt immer noch (trotz geringfügiger Steigerung) das 0, 75%Ziel der UNO. Ihre öffentliche Entwicklungshilfe lag 1982 bei 0, 48 % des Bruttosozialprodukts. ad 3: Die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik ist zu einem Drittel multilateralisiert. ad 4: Die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik ist hochgradig diversifiziert (unter Einschluß der ärmsten Länder).
Nach Lage der Dinge ist es nun um so erstaunlicher, daß auf der VI. UNCTAD in Belgrad erstmalig absolute Zahlen und prozentuale Angaben über die Höhe der Entwicklungshilfe von der DDR genannt wurden. Wurde bislang die Forderung der UNCTAD, daß alle Industrieländer 0, 75 % ihres Bruttosozialprodukts den Entwicklungsländern zur Verfügung stellen sollten, strikt mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß die DDR als „sozialistisches" Industrieland damit nicht gemeint sein könne (Verantwortlichkeitsthese), so erklärte der Minister für Außenwirtschaft, Horst Solle, jetzt: Im Jahre 1982 leistete die DDR „Hilfe für Entwicklungsländer und nationale Befreiungsbewegungen im Gesamtumfang von 1 587, 7 Millionen Mark. Das entspricht 0, 79 Prozent ihres 1982 produzierten Nationaleinkommens. Diese Leistungen umfassen sowohl materielle als auch finanzielle Unterstützungen"
Dies ist im Grunde eine Sensation, weil die DDR einerseits ihre oben skizzierte Position verlassen hat und sich also prozentual und in realen Mark-Beträgen mit anderen vergleicht und andererseits damit an der Spitze (mit Schweden) und weit vor der Bundesrepublik (1982: 0, 48 Prozent) läge. Bisher lagen die westlichen Schätzungen bei 0, 04— 0, 10 Prozent! Um die von Solle genannte Entwicklungsleistung der DDR jedoch prüfen zu können, müßten Einzelheiten genannt werden. „Zusammenfassende Angaben dazu sind dem Sekretariat übergeben worden“, führte Solle aus. Diese Angaben sollten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. 2. Abrüstung Die Abrüstungsproblematik bestimmt quantitativ und qualitativ immer stärker die Generalversammlung der UNO. Formal zuständig ist der 1. Hauptausschuß. In den Grundsatzreden zu Beginn einer jeden Generalversammlung wie in den anderen Beiträgen spielt jedoch die Abrüstungsfrage eine entscheidende Rolle. Auf diesen Bereich entfielen mit 57 Resolutionen auch die meisten Abstimmungen der 37. GV. Damit ist in einem Organ, das von der Dritten Welt numerisch bestimmt wird und in dem in früheren Jahren Fragen der Nord-Süd-Politik die Hauptrolle spielten, die Abrüstungsfrage zu Recht ins Zentrum gerückt; denn von der Lösung dieser Frage hängt nicht nur Krieg und Frieden ab, sondern auch, ob es gelingt, den Ländern der Dritten Welt zu helfen.
Dennoch sind hier bei den einzelnen Staaten-gruppen Unterschiede erkennbar: Wenn es nach den Staaten des Warschauer Pakts ginge, würde sich die UNO — überspitzt formuliert — fast ausschließlich um Abrüstung kümmern, genauer gesagt: um die Vorschläge des Warschauer Pakts dazu.
Der Westen hält dieses Thema zwar auch für wichtig, wird jedoch (was unverständlich ist) durch den Warschauer Pakt in die Defensive gedrängt. Optisch sieht es für den Westen nicht gut aus, wenn er bei vorgelegten Resolutionen in die Position des Neinsagers gedrängt wird bzw. sich drängen läßt. Niemand würde den Westen daran hindern, in den Vereinten Nationen verstärkt Abrüstungsresolutionen einzubringen und darum zu ringen. Die Staaten der Dritten Welt verhalten sich in ihrer Mehrheit abwartend. Es ist hier keine durchgängig klare und eindeutige Präferenz für Ost oder West zu erkennen. Besonders aktiv sind Staaten wie Mexiko und Indien, die um die Wortführerschaft der „Blockfreien" kämpfen.
Abrüstung und internationale Sicherheit ist auch das übergreifende Stichwort zur Kennzeichnung der UNO-Politik der DDR, zumindest ihres deklarativen Teils, während die Bundesrepublik im Rahmen der UNO gelegentlich zwar auch Initiativen zur Abrüstung und zur internationalen -Sicherheit ergreift, aber daneben ihre Aufmerksamkeit auch anderen Fragen zuwendet. Bei der Auswertung des bisherigen Stimmverhaltens beider deutscher Staaten wie der Reden von UNO-Delegierten aus der Bundesrepublik und der DDR läßt sich feststellen, daß sich beide in der Problemdefinition sowie im Ansatz der Problemlösung erheblich unterscheiden.
Zu berücksichtigen ist hier, daß die Erfolgsquote in Fragen der Absrüstung denkbar gering ist. Selbst im Genfer Abrüstungsausschuß, in dem 40 UNO-Mitgliedstaaten vertreten sind, darunter die beiden deutschen Staaten, wird zwar intensiv verhandelt, aber gemessen am Output (Verträge) ist bislang wenig dabei herausgekommen. Insgesamt wird die Problemlösungskapazität der UNO in Abrüstungsfragen als gering eingestuft, auch von UNO-Diplomaten. 3. Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen Die dritte vom UNO-Generalsekretär genannte Aufgabe „Stärkung der Rolle der Vereinten Nationen“ umschreibt im wesentlichen folgende Vorhaben: — Bemühungen im Rahmen des Sonderausschusses für die Charta der Vereinten Nationen mit dem Ziel der Stärkung der Rolle der Organisation — Stärkung der UNO-Friedenstruppen — Stärkung des Sicherheitsrates — Unterstützung des Generalsekretärs in seinen Funktionen der „guten Dienste" und der Tatsachenermittlung — Befolgen von Beschlüssen des Sicherheitsrates und der Empfehlungen der Generalversammlung. Hier zeigen die beiden deutschen Staaten unterschiedliche Unterstützungsgrade: Die DDR hat sich strikt gegen jedwede Stärkung der Problemlösungskapazität der UNO durch eine Charta-Revision ausgesprochen Resolutionen, die sich für eine Stärkung der UNO (was auch die Unterstützung der Friedens-truppen betrifft) einsetzen, verweigert die DDR — im Gegensatz zur Bundesrepublik — ihre Zustimmung. Dabei kommt der UNO-Friedenstruppe als Peace-keeping-Unternehmung eine zunehmende Rolle zu. Doch findet diese Friedenstruppe bei der DDR sowohl materiell wie ideell keine Unterstützung, während die Bundesrepublik sich nicht nur an ihrer Finanzierung beteiligt, sondern durch Logistik-Flüge durch die Bundesluftwaffe die Friedenstruppe bei ihren Einsätzen tatkräftig unterstützt.
Beide deutsche Staaten haben ihre „Probleme" mit Empfehlungen der Generalversammlung. Ihr nicht genehme Mehrheitsentscheidungen der GV werden von ihnen in der Praxis ignoriert.
Bei der Stärkung des Sicherheitsrats (SR) kommt es nicht auf das „Ob", sondern das „Wie" an. Dazu sind Vorschläge gemacht worden, die von einer Erweiterung von derzeit Mitgliedern über eine frühzeitige Befassung des SR mit internationalen Konflikten bis hin zur Veränderung des Vetorechts gehen. Die DDR hat sich wie die Bundesrepublik an den Vorschlägen nicht beteiligt. Die DDR hat sich jedoch deutlicher als die Bundesrepublik gegen jedwede Veränderung ausgesprochen. Am deutlichsten hat sie vor der Veränderung (Abschaffung) des Vetorechts gewarnt. Dabei ist ihr Verhalten nicht frei von Widersprüchen: So kritisiert sie lediglich die westlichen Staaten und die VR China, wenn sie von dem ihnen prinzipiell konzidierten Vetorecht Gebrauch machen. Dieser Gebrauch wird nicht selten als Mißbrauch dargestellt. Im Falle der UdSSR wird das Vetorecht positiv dargestellt und gerechtfertigt 15).
VI. Exkurs: Kann die UNO die „deutsche Frage" lösen?
Der UNO-Generalsekretär hat im Juni 1983 nacheinander die beiden deutschen Staaten besucht. Vom 9. bis 13. Juni 1983 war er in Bonn, München und West-Berlin im Rahmen seines Besuches des Mitgliedlandes Bundesrepublik. Vom 29. Juni bis 3. Juli 1983 besuchte er Ost-Berlin und Dresden. Anläßlich dieses Besuches ist in der Bundesrepublik die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die UNO zur Lösung der deutschen Frage beitragen könne.
Weder die Bundesrepublik Deutschland noch die DDR sind 1973 Vollmitglied der UNO mit dem Ziel geworden, die „deutsche Frage“ zu lösen. Im Falle der DDR ist dies nur konsequent; denn für sie gibt es erklärtermaßen keine „offene deutsche Frage“ mehr. Die Bundesrepublik hat niemals während ihrer Mit-gliedschaft versucht, die deutsche Frage offensiv vorzubringen, um sie im Rahmen der Vereinten Nationen lösen zu lassen. Diese bilanzierende Feststellung führt zu zwei Fragen:
1. Warum haben die sozialliberalen Bundesregierungen niemals versucht, die deutsche Frage zum Problem der UNO zu machen?
2. Gibt es Anzeichen dafür, daß die neue Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl die deutsche Frage in der UNO vorbringen wird und ihr damit einen internationalen Stellenwert gibt?
Bundeskanzler Willy Brandt hat am 26. September 1973 in seiner Antrittsrede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York gesagt: „Wir sind nicht hier-hergekommen, um die Vereinten Nationen als Klagemauer für die deutschen Probleme zu betrachten oder um Forderungen zu stellen, die hier ohnehin nicht erfüllt werden können.“
Hat der ehemalige Bundeskanzler damit auf etwas verzichtet? Die damalige Opposition hat dies so gesehen. Sie hat immer wieder die sozialliberale Koalition aufgefordert, die deutsche Frage zum integralen Bestandteil bundesdeutscher UNO-Politik zu machen. Sie hat allerdings über diese Forderung hinaus niemals gesagt, wie dies geschehen soll. Insbesondere geht es um die Frage, welches Organ sich mit diesem Problem befassen soll.
Es kommen prinzipiell drei Hauptorgane der UNO in Frage: der Generalsekretär, die Generalversammlung und der Sicherheitsrat. Der Sicherheitsrat wird nach der UNO-Satzung aktiv, wenn der „internationale Friede“ und die „internationale Sicherheit" bedroht sind. Die deutsche Frage hat während der zehnjährigen Mitgliedschaft weder den internationalen Frieden noch die internationale Sicherheit bedroht. Eine Zuständigkeit des Sicherheitsrats war daher nicht gegeben. Der Generalsekretär der UNO wäre ein weiteres Hauptorgan, das hier theoretisch in Betracht käme. Er könnte die Aufmerksamkeit anderer Organe auf die deutsche Frage lenken, doch hat er dies nie getan. Der jetzige UNO-Generalsekretär, Perez de Cuellar, der kürzlich im Rahmen seines Besuches in der Bundesrepublik auch West-Berlin besuchte, sprach vom „Gefühl der Traurigkeit" angesichts der deutschen Teilung Doch er wies auf die Ohnmacht der Vereinten Nationen hin, die drängenden Probleme der Gegenwart zu lösen. Es ist durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich, daß der Generalsekretär mit dem Bundeskanzler auch über den Stand der deutsch-deutschen Beziehungen gesprochen hat, über die deutsche Frage offenbar nicht.
Bleibt noch die Generalversammlung. Hier ist festzustellen, daß der Bundesaußenminister während der jährlichen Generaldebatte im Herbst eines jeden Jahres die Weltöffentlichkeit auf die deutsche Teilung hinweist, aber auch deutlich macht, daß die Bundesregierung versucht, mit der DDR, auf dem Wege von Verhandlungen und Verträgen, die Teilung für die Menschen in Deutschland erträglicher zu machen. Bei diesem Hinweis und der Entgegnung seines Amtskollegen aus der DDR bleibt es dann auch. Spötter sprechen hier von einer „Deutschstunde", wenngleich dies nicht wörtlich zu nehmen ist; denn in Wirklichkeit handelt es sich mehr um eine „Erinnerungsminute" zur deutschen Frage.
Die zweite Frage ist, was die neue Bundesregierung in Zukunft tun wird. Obwohl nun schon seit Oktober 1982 im Amt, hat sie bislang keine Anstalten gemacht, das Thema der deutschen Frage aufzugreifen. Dazu hätte Helmut Kohl mindestens zweimal Gelegenheit gehabt. Er hat weder im letzten Herbst noch vor wenigen Wochen mit dem Generalsekretär der UNO über die deutsche Frage gesprochen. Auch gibt es keine Anzeichen dafür, daß in anderen Hauptorganen, etwa im Sicherheitsrat oder in der Generalversammlung, eine Änderung der bundesdeutschen UNO-Politik eingetreten ist bzw. eintreten wird. Es ist also unwahrscheinlich, daß es hier eine Wende gibt; denn allen verantwortlichen Politikern ist völlig klar, daß das, was in der Bundesrepublik als deutsche Frage bezeichnet wird, unterhalb jener Schwelle von Problemen liegt, für die die Vereinten Nationen zuständig sind. Hinzu kommt, daß die UNO keine überstaatliche Organisation ist, ausgestattet mit einer Weltregierung und einer Weltpolizei. Sie ist eine zwischenstaatliche internationale Organisation, in der Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnungen vertreten sind. Daraus folgt, daß sie überfordert wäre, wenn sie ein so heikles Problem wie die deutsche Frage im Sinne der Bundesrepublik lösen wollte. Zuständig für diese Frage sind immer noch die Vier Mächte. Dabei sollte es bleiben.
VII. Gibt es eine deutsch-deutsche Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen?
Vor dem Hintergrund der dargestellten Positionen sind die Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine formalisierte und kontinuierliche Zusammenarbeit im Sinne abgestimmter bzw. gemeinsamer Interessenverfol-gung zwischen der Bundesrepublik und der DDR im UNO-System äußerst begrenzt.
Einzige Ausnahme, wenn auch mit begrenzter Bedeutung, war von 1974 bis 1981 der personell und finanziell gemeinsam von der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und Österreich getragene deutschsprachige Überset29 zungsdienst der Vereinten Nationen, aus dem sich die DDR trotz nachhaltiger Bemühungen der Bundesrepublik um weitere Mitarbeit mit Wirkung vom 1. Januar 1982 zurückgezogen hat. Die DDR hat die Einstellung ihrer Mitarbeit und damit der Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik mit angeblich „fehlendem Bedarf für UNO-Dokumente in deutscher Sprache“ begründet.
Gleichwohl gibt es gelegentlich in den verschiedenen UNO-Organen bzw. Organisationen auf einer Ad-hoc-Basis deutsch-deutsche Kontakte, die vom Austausch von Informationen über bestimmte Absprachen bis zu wechselseitigen Unterstützungszusagen im Einzelfall (z. B. bei Kandidaturen, Entschließungstexten) reichen können. Diese Ad-hoc-Praxis, die allerdings durch die unterschiedliche Zielrichtung der UNO-Politik von Bundesrepublik und DDR begrenzt ist, wird von der Bundesrepublik Deutschland ermutigt und gefördert. Dazu einige Beispiele: a) Rüstungskontrolle und Abrüstung Gestützt auf die mündliche Konsultationsvereinbarung beim Abschluß des Grundlagenvertrages kam ab 1977 auf verschiedenen Ebenen ein deutsch-deutscher Meinungsaustausch über Rüstungskontrolle und Abrüstung in Gang.
Die Kontakte zwischen den beiden deutschen Staaten gingen bisher jedoch über den Meinungsaustausch nicht hinaus. Es ergab sich keine konkret auf das Procedere im UNO-System gerichtete Zusammenarbeit. b) UNO-Menschenrechtsausschuß Bei den Wahlen zum Menschenrechtsausschuß im September 1982 wurde mit der DDR auf Initiative der Bundesrepublik hin eine Absprache gegenseitiger Unterstützung getroffen. Sie war jedoch eine Ausnahme, da die DDR der osteuropäischen Regionalgruppe angehört und es dort bei Wahlen regelmäßig zu sogenannten „agreed slates" kommt. Daher können Gegenseitigkeitsabsprachen und damit entsprechende Angebote von Seiten der Bundesrepublik nur dann in Betracht gezogen werden, wenn bei der betreffenden Wahl — wie im Falle des Menschenrechtsausschusses — nicht nach Regionalgruppen gewählt wird. c) UNO-Sonderorganisationen Die beiden deutschen Staaten haben sich gelegentlich Unterstützung bei Kandidaturen zugesagt, z. B. zur Mitgliedschaft im Verwaltungsrat der internationalen Fernmeldeunion bei der ITU-Regierungskonferenz in Nairobi 1983.
In einigen Sonderorganisationen ist es auch zur Abstimmung der vier deutschsprachigen Mitgliedstaaten in übersetzungsfragen gekommen. So treffen sich im Rahmen der ILO jährlich Vertreter Österreichs, der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und der DDR reihum in den genannten Ländern zur Festlegung der Übersetzungen von ILO-Übereinkommen und -Empfehlungen ins Deutsche. Zwischen den UNESCO-Nationalkommissionen der vier deutschsprachigen UNO-Mitglieder werden Übersetzungen ausgetauscht, jedoch blieben langjährige Bemühungen der drei westlichen deutschsprachigen UNESCO-Kommissionen, die Nationalkommission der DDR zur Mitherausgabe der deutschen Ausgabe des UNESCO-Kuriers zu bewegen, bislang ohne Erfolg.
Innerhalb der WHO gibt es eine funktionierende Übersetzungsgruppe, die die Fachtermini ins Deutsche übersetzt. übereinstimmendes Vorgehen ist bei verschiedenen Sonderorganisationen (z. B. bei der ITU), insbesondere im Finanzbereich, zu beobachten. Dies scheint jedoch eher auf eine gleichgerichtete Interessenlage als auf echte kontinuierliche Zusammenarbeit zurückzuführen sein.
Insgesamt also gibt es Kontakte, aber keine kontinuierliche formalisierte Zusammenarbeit zwischen den beiden deutschen Staaten.