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Griechenland und die EG | APuZ 27/1983 | bpb.de

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APuZ 27/1983 Das Parteiensystem Italiens. Stabilität, Instabilität und Dynamik Spanien nach den Wahlen von 1982/83 Die Entwicklung von Parteiensystem und Wählerverhalten in der neuen spanischen Demokratie Portugals EG-Beitritt. Politische und wirtschaftliche Probleme Griechenland und die EG

Griechenland und die EG

Werner Gümpel

/ 22 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die griechische Wirtschaft hat in den Jahren der Assoziierung an die Europäische Gemeinschaft in ihrer Entwicklung spürbare Fortschritte gemacht. Dennoch ist es zweifelhaft ob sie bei Abschluß des Vertrages über die Vollmitgliedschaft schon genügend auf die Bedingungen des Gemeinsamen Marktes vorbereitet war. Die zu erwartenden Nachteile einer Mitgliedschaft wurden besonders von der damaligen politischen Opposition im Parlament herausgestellt. Diese hatte auch für den Fall einer Regierungsübernahme mit dem Austritt des Landes aus der EG gedroht. Davon ist heute nicht mehr die Rede-ein nicht unbegründeter Skeptizismus ist jedoch geblieben. Die Mitgliedschaft bringt eine Vielzahl von Problemen, die sich aus der Industrie-und Landwirtschaftsstruktur des Landes ergeben. Aus diesem Grunde strebt das Land eine Art Sonderstatus, zumindest aber Sonderhilfen der EG an. Weil so aber ein Präzedenzfall für den zu erwartenden Beitritt Portugals und Spaniens geschaffen würde, kann die EG den griechischen Wünschen nur begrenzt entgegenkommen. Dies ist auch wegen der immer knapper werdenden Finanzmittel der Fall. Da ein zu weitgehendes Entgegenkommen der EG die erwünschten Umstrukturierungen in der griechischen Wirtschaft verzögern und zu Fehlallokationen fuhren wurde — und erweiterte Finanzzuweisungen nicht möglich sind —, wird sich Griechenland in Zukunft stärker als bisher auf die Mobilisierung innerer Ressourcen einstellen müssen.

I. Der Weg in die Europäische Gemeinschaft

Am 9. Juli 1961 wurde der Vertrag über die Assoziierung Griechenlands an die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet. Damit begann ein Prozeß der wirtschaftlichen und politischen Annäherung an die sechs westeuropäischen Gründerstaaten der Gemeinschaft. Obwohl der Assoziierungsvertrag auf Initiative der Europäischen Gemeinschaft wegen der 1967 bis 1974 herrschenden Militärdiktatur unterbrochen wurde, konnte bereits fünf Jahre nach der Militärherrschaft und damit fast 18 Jahre nach Unterzeichnung des Assoziierungsvertrags am 28. Mai 1979 der Vertrag über die Mitgliedschaft Griechenlands in der Europäischen Gemeinschaft paraphiert werden; vorgesehen war aber eine Assoziierungsperiode von 22 Jahren.

Da der Unterzeichnung des Vertrages weniger wirtschaftliche, als vielmehr politische Motive zugrunde lagen, waren die Meinungen über die Notwendigkeit und den Nutzen einer EG-Mitgliedschaft in Griechenland zunächst geteilt. Während die «Neue Demokratie“ unter Ministerpräsident Karamanlis das Vorhaben mit aller Kraft forciert hatte, stellte sich die damals oppositionelle PASOK ebenso energisch dagegen. Noch nach der Unterzeichnung des Vertrages forderte ihr Vorsitzender Andreas Papandreou, daß der Beitritt rückgängig gemacht werden solle. Auch als er bereits Ministerpräsident war, schloß er ein Referendum der Griechen über den Verbleib Griechenlands in der EG nicht aus. Wenngleich dies nicht zuletzt ein politisches Manöver war, um dem EG-Ministerrat die Probleme seines Landes vor Augen zu führen, bewies allein die Möglichkeit einer solchen Drohung das Vorhandensein eines großen Potentials an Unzufriedenen in Griechenland. Andererseits gelang es Papandreou mit seinem Agieren, die seinem Land gewährten Privilegien und Sonderrechte kräftig auszubauen. Papandreou hat inzwischen seine Anti-EG-Haltung gemildert, wenn auch nicht ganz aufgegeben. Griechenland stellt zwar nach wie vor die Forderung nach Berücksichtigung seiner im Vergleich zu den anderen EG-Mitgliedem besonderen Lage, es strebt aber heute nicht mehr den Austritt aus der Gemeinschaft an. Auch die Forderung nach einer Neuverhandlung des Beitrittsvertrages scheint vom Tisch zu sein. Die Griechen haben erkannt, daß die EG ihnen eine Vielzahl von Vorteilen bringt. Diese drücken sich zu einem Teil in barer Münze aus, zum anderen Teil sind sie nicht quantifizierbar, wie z. B. die Möglichkeiten des freien Zutritts zum westeuropäischen Markt. Insgesamt jedoch setzt sich die Erkenntnis durch, daß die wirtschaftliche Entwicklung des Landes durch seine Mitgliedschaft in der EG gefördert und beschleunigt wird. Daß trotzdem Probleme bleiben und der Status eines Vollmitglieds nicht nur Vorteile bringt, ist unter den gegebenen Umständen selbstverständlich.

über die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Beitritts Griechenlands zur Europäischen Gemeinschaft gingen die Meinungen zwischen Griechenland und der Gemeinschaft zunächst auseinander. Während die damalige griechische Regierung sich spürbare Vorteile für die weitere wirtschaftliche Entwicklung versprach, beurteilte die EG-Kommission die Auswirkungen auf die griechische Industrie dagegen eher skeptisch. Sie war der Meinung, daß die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Industrie noch zu gering sei, um der Konkurrenz der entwickelten Industriestaaten im gemeinsamen Markt standhalten zu können -Die griechische Wirtschaftsstruktur unterschied sich in zu starkem Maße von der der westeuropäischen Staaten, insbesondere der Gründerstaaten der EG: Die Wirtschaftsentwicklung des Landes war sowohl sektoral als auch regional außerordentlich ungleichgewichtig erfolgt, was in beiden Bereichen zu „Wasserköpfen" geführt hatte. Einzige voll strukturierte Industriezweige waren (und sind noch immer) die Textil-, Bekleidungsund Lederindustrie. Alle übrigen Produktionsbereiche sind noch wenig diversifiziert. In den Grundstoffindustrien fehlen die weiterverarbeitenden Industriezweige fast völlig. Nur wenig verarbeitete Rohstoffe werden exportiert. Ähnlich ist die Lage in der noch jungen chemischen Industrie. Die Industrieproduktion als Ganzes ist noch so wenig diversifiziert, daß Griechenland besonders im Investitionsgüterbereich auf umfangreiche Im-porte angewiesen ist. Hier liegt eine der wesentlichen Ursachen für das Handelsbilanzdefizit des Landes

Den zweiten, ebenso problematischen Wasserkopf stellen die regionalen Ballungen der Wirtschaftsentwicklung dar. Etwa 37 Prozent der Industriebetriebe Griechenlands sind auf den Großraum Athen konzentriert. Weitere 10, 4 Prozent entfallen auf die Präfektur Saloniki. Dabei ist im Großraum Athen ein du Prozent entfallen auf die Präfektur Saloniki. Dabei ist im Großraum Athen ein durchschnittliches jährliches Wachstum der angesiedelten Industriebetriebe von 4, Prozent, in der Präfektur Saloniki von 2, 2 Prozent zu beobachten. Daraus ergibt sich die Bedeutung dieser beiden Ballungsräume für die Beschäftigung. Im Großraum Athen sind 42 Prozent aller in der griechischen Industrie beschäftigten Personen tätig, im Raum Saloniki 12, 3 Prozent 3). Auf das gesamte übrige Griechenland entfallen demnach nur 45, 7 Prozent der in der Industrie Beschäftigten. Zwar ist hier in den vergangenen Jahren eine gewisse Besserung zu verzeichnen, nach wie vor übt aber der Großraum Athen eine besondere Anziehungskraft auf die Neuansiedlung von Industriebetrieben aus, woran auch gezielte wirtschaftspolitische Maßnahmen nur wenig geändert haben.

Ein weiteres Problem, das sich auf die Wettbewerbsfähigkeit des Landes auswirkte und noch immer auswirkt, ist die Betriebsgrößen-struktur. Bei der Mehrzahl der griechischen Unternehmen handelt es sich um Klein-und Kleinstbetriebe. Sie entsprechen der griechischen Tradition und dem Bestreben der Mehrzahl der Griechen, selbständig tätig sein zu können. So ist die griechische Industrie vorwiegend handwerklich organisiert und auf den Binnenmarkt ausgerichtet. Die Kapital-ausstattung ist niedrig, finanzielle Reserven sind kaum vorhanden. Auch fehlt es an technischem und organisatorischem „know-how" 4). 95 Prozent aller Betriebe haben weniger als zehn Beschäftigte. Dieser großen Zahl von Kleinstbetrieben stehen nur einige wenige Großunternehmen gegenüber, so daß auch innerhalb Griechenlands die Marktstrukturen verzerrt sind.

Die von den EG-Behörden gegenüber einer Mitgliedschaft Griechenlands geäußerten Bedenken waren daher aus ökonomischer Sicht voll gerechtfertigt. Sie wurden auch von der damals in Opposition befindlichen PASOK voll anerkannt und in die politische Diskussion getragen. Es verwundert, daß die EG-Behörden dennoch den Vertrag vorbereiteten und zur Unterschrift brachten. Ob dieser Schritt richtig war, dürfte heute auch bei den Organen der Gemeinschaft bezweifelt werden.

II. Die Wirtschaftsentwicklung Griechenlands

Der Antrag auf Mitgliedschaft in der EG wäre unter den gegebenen Bedingungen wenig sinnvoll und vielleicht trotz der politischen Implikationen ohne Erfolgsaussichten gewesen, hätte die griechische Wirtschaft nicht trotz aller Ungleichgewichtigkeiten in den letzten Jahrzehnten eine konstante Aufwärtsentwicklung erfahren. Dadurch wurden wesentliche Voraussetzungen für den Eintritt in den Gemeinsamen Markt geschaffen. Sie hat zu einer spürbaren Anhebung des allgemeinen Wohlstandes geführt, wenngleich hier aus den bereits genannten Gründen ein starkes regionales Ungleichgewicht zu verzeichnen war und die beiden Hauptballungsräume vom Aufwärtstrend am meisten profitierten. Das Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung (in US-Dollar) wuchs in konstanten Preisen (Basis 1970) von 582 im Jahre 1960 auf 1 154 im Jahre 1975, 1 692 im Jahre 1980 und 1 631 im Jahre 1981. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 5, 4 Prozent. In laufenden Preisen belief sich das durchschnittliche Wachstum auf 14, 2 Prozent. Die Bruttoanlageinvestitionen verzeichneten preisbereinigt im gleichen Zeitraum ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 5, 8 Prozent, wobei der private Sektor mit 6, 5 Prozent den staatlichen Sektor mit 4, 1 Prozent weit übertraf. Seit 1980 ist jedoch ein Rückgang zu beobachten. Besonders stark wuchsen in diesem Zeitraum die Investitionen in das verarbeitende Gewerbe (8, 2 Prozent im Jahresdurchschnitt), in die Industrie (7, 6 Prozent) und in das Verkehrs-und Telekommunikationswesen (6, 9 Prozent) 5). In letzterem hat Griechenland inzwischen eine führende Stellung auf dem Balkan erobern können.

Abgesehen von der Inflationsrate, die zunächst sehr niedrig war, seit den sechziger Jahren aber ständig gestiegen ist, zeigten auch eine Reihe anderer gesamtwirtschaftlicher Daten eine günstige Entwicklung an, die den Entscheidungsprozeß bei der Aufnahme Griechenlands als Vollmitglied positiv beeinflußt haben. So war die Arbeitslosigkeit bis 1979 mit durchschnittlich nur zwei Prozent sehr niedrig. Heute liegt sie bei acht bis zehn Prozent. Diese Größe ist allerdings nur beschränkt aussagekräftig, da in Griechenland als arbeitslos nur derjenige gilt, der weniger als zehn Stunden in der Woche arbeitet. Auch dürfte es eine relativ hohe versteckte Arbeitslosigkeit gegeben haben und noch immer geben. Das gilt vor allem für die Landwirtschaft

Die Landwirtschaft stellte am Vorabend des EG-Beitritts den rückständigsten Sektor der griechischen Wirtschaft dar. Dort waren 31 Prozent der Bevölkerung tätig (heute geschätzt: 26 bis 29 Prozent), der Beitrag zum Bruttosozialprodukt belief sich aber nur auf 16 Prozent. Die aktive landwirtschaftliche Bevölkerung des Landes erfuhr schon damals eine ständige Abnahme durch die Abwanderung in die Agglomerationszentren Athen-Piräus-Saloniki; dadurch wurden die dort bestehenden Probleme noch verschärft.

Zu Besorgnis gab die Entwicklung des Außenhandels Anlaß, der immer größere Defizite brachte. Die Assoziierung mit der EG brachte hier keine Änderung. Vielmehr wuchs das Handelsbilanzdefizit von etwas über einer Milliarde US-Dollar im Jahre 1970 auf 2, 8 Milliarden US-Dollar im Jahre 1973 und 6, 8 Milliarden US-Dollar im Jahre 1980 (1981: 6, 7 Milliarden US-Dollar). Den Hauptanteil dieses Defizits brachte der Handel mit den Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Die Lücke zwischen Einfuhren und Ausfuhren verfünffachte sich hier in der Zeit von 1970 bis 1980. Im Handel mit der Bundesrepublik Deutschland lag das Wachstum des Defizits in diesem Zeitraum im Rahmen der Gesamtzunahme, , verdreifachte sich also „nur". Die Leistungsbilanz sieht allerdings mit einem Defizit von 2, 407 Milliarden US-Dollar erheblich günstiger aus (Zahl für 1981).

Den Außenhandel betreffend kann daher gesagt werden, daß die EG-Assoziierung für Griechenland eine Verschlechterung seiner Situation gebracht hat. Das entsprach keinesfalls den ursprünglichen Intentionen. Gleichzeitig ging der Anteil der EG-Staaten an der Gesamteinfuhr Griechenlands zurück. Dies widersprach der Absicht einer stärkeren Integration des Landes in den westeuropäischen Markt. Nach der Vollmitgliedschaft entwikkeln die Zahlen jedoch bisher eine umgekehrte Tendenz.

Die Struktur des griechischen Gesamtaußenhandels entwickelte sich zufriedenstellend und trug der fortschreitenden Industrialisierung des Landes Rechnung. So stieg der Anteil von Industrie-und Handwerksprodukten allein im Zeitraum von 1975 bis 1980 von 44 auf 63 Prozent, der Anteil der für den griechischen Export so wichtigen Lebensmittel und Getränke sank dagegen von 34 auf 24 Prozent. Auch die Tabakausfuhr erfuhr eine Minderung ihres Anteils von 30 auf 25 Prozent. In absoluten Zahlen war jedoch noch eine Steigerung zu verzeichnen.

Die Exporte konnten also diversifiziert werden. Das betraf nicht nur die Güterstruktur der griechischen Handelsbilanz, sondern auch die Regionalstruktur. Vor allem der Anteil der arabischen Länder am griechischen Außenhandel wuchs von 8 Prozent im Jahre 1972 auf über 20 Prozent im Jahre 1980. Der Anteil der osteuropäischen RGW-Länder an Griechenlands Exporten sank dagegen leicht; unter anderem war dies darauf zurückzuführen, daß einige bilaterale Clearingabkommen in ein konvertibles System umgewandelt wurden. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrags mit der EG wickelte Griechenland 9, 5 Prozent seiner Exporte und 6, 8 Prozent seiner Importe mit den Ländern des RgW ab (1980: Exporte: 10, 7 Prozent, Importe: 5, 9 Prozent). Der Handel mit diesen Ländern hatte somit eine beachtliche Größe erreicht, wobei sich die UdSSR zum Hauptaußenhandelspartner im Osten entwickelt hatte, gefolgt von Polen und Rumänien. Die Bedeutung des unmittelbaren Nachbarlandes Bulgarien blieb dabei relativ gering.

Die Außenhandelsentwicklung zeigt zwar ebenso wie die anderen hier herangezogenen volkswirtschaftlichen Daten, daß Griechenland in der Zeit seiner Assoziierung an die Europäische Gemeinschaft eine erkennbare wirtschaftliche Entwicklung erfahren hat und daß die Wirtschaft diversifiziert werden konnte. Dennoch sind griechische Autoren der Meinung, daß der Zeitraum nach der Assoziierung Griechenlands bis zum Vertragsabschluß über die Vollmitgliedschaft nicht ausreichend gewesen sei, um grundlegende Umstrukturierungen der griechischen Industrie zu erlauben. Dies zeige sich daran, daß die Mehrzahl der Industriezweige ihren relaB tiven Anteil am Gesamtergebnis des Industriesektors „mit bemerkenswerter Konsequenz“ beibehalten haben. Eine Ausnahme bilde nur die erdöl-und kohleverarbeitende Industrie, deren Anteil am Gesamtindustrieausstoß erheblich zugenommen, sowie die tabakverarbeitende Industrie, deren Anteil deutlich abgenommen habe

Dieser Aussage ist entgegenzuhalten, daß die meisten Sektoren in absoluten Zahlen eine spürbare Erweiterung erfahren haben, so daß das Angebot der Waren steigen konnte, was sich besonders bei der Betrachtung der Exportstruktur zeigt. Hinzu kommt, daß es der griechischen Industrie gelungen ist, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und damit die Produktivitätsunterschiede gegenüber den Industriesektoren der Gründerstaaten der EG zu vermindern. Diese generelle Verbesserung der Situation gilt freilich nicht für alle Industriezweige. So weisen nach einer griechischen Untersuchung für den Zeitraum von 1963 bis 1975 nur sieben von 20 Industrie-zweigen erster Ordnung eine Produktivitätsentwicklung auf, die um weniger als 20 Prozent von der Produktivitätsentwicklung des gesamten Industriesektors abweicht Wesentlich ist jedoch, daß die Arbeitsproduktivität gerade in jenen Sektoren eine Verbesserung erfahren hat, die im Wettbewerb mit den Partnern in der Europäischen Gemeinschaft von besonderer Bedeutung sind. Das sind die Zweige der Grundmetallindustrie, der erdöl-verarbeitenden Industrie und der chemischen Industrie. Sie weisen die größten Produktivitätsverbesserungen auf. Die niedrigsten Produktivitätszuwächse zeigten dagegen (wie auch schon in der Vergangenheit) die Textilindustrie, die Schuhindustrie und die Holz-und Möbelindustrie.

III. Probleme einer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft

Die sich aus dieser Entwicklung während der Assoziierungszeit ergebenden Probleme wurden von der damaligen griechischen Regierung durchaus richtig erkannt. Das zeigte sich in den Schwerpunkten, die für die Industrie-politik gesetzt wurden. Sie beinhalten eine stärkere Anbindung der Klein-und Mittelindustrie an die griechischen Exportindustrien durch die Förderung der betrieblichen Kooperation mit den Zulieferindustrien und die gezielte Heranführung der Klein-und Mittel-industrie an die Exportmärkte. Dies soll durch staatliche Hilfen zur Stärkung der Exportkraft geschehen, die vor allem auf den Bereich der Vermarktung industrieller Konsumgüter im Ausland zielen. Schließlich will der Staat mit gezielten Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsorganisation, der Produktionstechnik, der Vertriebssysteme usw. beitragen, da hier die Hauptschwächen der griechischen Klein-und Mittelindustrien liegen. Sie bringen Unzulänglichkeiten schon bei der Versorgung des griechischen Marktes und wirken sich im Außenhandel noch viel gravierender aus. Gleichzeitig soll die innerbetriebliche Effizienz der Klein-und Mittelindustrie verbessert werden

Die griechische Industriepolitik ist, so kann aus dem bisher Gesagten geschlossen werden, darauf ausgerichtet, der Industrie des Landes den Eintritt in den gemeinsamen Markt zu erleichtern und ihre Chancen zu vergrößern.

Einen besonderen Problembereich bei der Eingliederung Griechenlands in den gemeinsamen Markt stellt die Landwirtschaft dar. Ohnehin das Sorgenkind der Gemeinschaft und von Friktionen gekennzeichnet, bringt sie für ein Agrarland wie Griechenland besondere Probleme, zumal mehrere andere Mittelmeerländer als Konkurrenten auf dem Gemeinsamen Markt auftreten. Dabei hat die griechische Landwirtschaft gegenüber der Landwirtschaft der anderen EG-Länder mit einigen, ihre Entwicklung stark hemmenden Faktoren zu kämpfen. Am wichtigsten erscheinen hierbei die Zersplitterung des Besitzes und die damit verbundenen kleinen Betriebsgrößen. Produktivität und Fruchtbarkeit der landwirtschaftlichen Nutzfläche in den Semigebirgsregionen sind gering. Dort befinden sich aber ca. 50 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe. Diese Situation wird durch die starke Abwanderung vom Lande verschärft, die zu einer Überalterung der landwirtschaftlichen Bevölkerung und damit zu Arbeitskräfteproblemen in der Erntezeit, aber auch zur Entstehung von Sozialbrache führt. Die Arbeitsproduktivität ist daher auch in anderen Regionen gering. Allerdings gibt es (wie beispielsweise auf Kreta) auch sehr fortschrittliche und intensive Methoden der landwirtschaftlichen Produktion im Rahmen eines sich ausdehnen-49 den und sehr erfolgreichen Genossenschaftswesens. Nur kann dieses bisher für Griechenland nicht als die Regel bezeichnet werden. Die Zahl der Genossenschaften ist sogar noch geringer, als dies die Regierung wünscht. Ihr Anteil an der Erzeugung und Vermarktung der Agrarprodukte ist gegenwärtig nicht groß.

Diese Problematik war der EG bereits bei Abschluß des Assoziierungsabkommens wohl vertraut So wurde in dem Vertrag eine Harmonisierung der Agrarpolitiken und der Zoll-abbau für bestimmte, für Griechenland und die EG besonders wichtige Produkte (z. B. Gemüse, Frischobst, Tabak und Oliven für Griechenland, Fleisch, Fisch, Geflügel, Molkereiprodukte für die EG) innerhalb einer Periode von zwölf Jahren festgelegt.

Der Zollabbau war bis Mitte der siebziger Jahre durchgeführt, eine Harmonisierung der Agrarpolitiken jedoch erfolgte nicht. Da die Zölle im Rahmen des EG-Agrarprotektionismus eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen, entstanden Griechenland daraus erhebliche Schwierigkeiten. Seine Agrarerzeugnisse wurden faktisch nicht als Gemeinschaftserzeugnisse behandelt So wurden beispielsweise die Weinimporte der EG-Länder aus Griechenland trotz Zollreduktion begrenzt, in zwei Jahren wurden die Pfirsichimporte sogar zeitweise gestoppt (1977 und 1978). Griechenland selbst hielt ebenfalls seine administrativen Importkontrollen gegenüber Einfuhren aus der EG aufrecht Dem Agrarsektor kam aus diesen Gründen bei den Verhandlungen über eine Vollmitgliedschaft Griechenlands eine besondere Bedeutung zu. Nicht nur die Politiker der damals in Opposition stehenden PASOK fürchteten, daß der Beitritt zur Vernichtung einer großen Zahl bäuerlicher Existenzen im Bereich der Klein-und Mittelbetriebe und zu einer weiteren Abwanderung vom Lande führen würde. Dies wurde als besonders schädlich betrachtet da es zu einem Zeitpunkt geschah, in dem der industrielle Sektor nicht in der Lage war, freigesetzte Arbeitskräfte aufzunehmen

Unter diesen Umständen war es nur konsequent, daß Griechenland in dem Vertrag mit der Europäischen Gemeinschaft für die Integration in die gemeinsame Agrarpolitik eine generelle fünfjährige Übergangsphase gewährt wurde. Für bestimmte Güter, wie etwa frische und verarbeitete Tomaten sowie frische und haltbar gemachte Pfirsiche, wurde -dieser Zeitraum auf sieben Jahre erhöht. Innerhalb dieser Periode sollen die griechischen Preise für Agrargüter schrittweise an die Preise der EG angeglichen werden, was zwangsläufig zu Preiserhöhungen für die griechischen Verbraucher führt. Außerdem wurden spezielle Beihilfen für einzelne Gruppen griechischer Erzeuger vereinbart, die den Übergang zu den EG-Preisen erleichtern sollten. Die griechische Regierung mußte sich aber auch verpflichten, die mit dem EG-System nicht vereinbaren nationalen Beihilfen abzuschaffen.

Der Übergang zur Vollmitgliedschaft erwies sich daher vor allem für die Landwirtschaft, in nicht minderem Maße jedoch auch für die Kleinindustrie, als problematisch. Griechenland hatte in der Assoziationsperiode zwar seine wirtschaftliche Situation verbessert und den Abstand in der wirtschaftlichen Entwicklung zu den EG-Ländern verringern können, insgesamt stellte sich jedoch aus wirtschaftlicher Sicht die große Frage, ob das Land den Herausforderungen des Gemeinsamen Marktes gerecht werden könne.

Die seit Inkrafttreten des Vertrages vergangene Zeit ist zu kurz, um bereits jetzt beurteilen zu können, ob die pessimistischen Erwartungen breiter Kreise gerechtfertigt waren.

Griechenland selbst scheint die EG auch weniger aus wirtschaftlicher Sicht zu sehen, sondern mehr als ein Instrument zur eigenen politischen Profilierung im internationalen Bereich und damit zur politischen Aufwertung.

Daneben geht es ihm um die Durchsetzung einer Sonderbehandlung in weiten Teilen des ökonomischen Bereichs. Dieser Wunsch scheint aufgrund der besonderen Lage Griechenlands teilweise gerechtfertigt, teilweise geht es aber auch darum, die Ressourcen der EG für das Land optimal zu nutzen. So weist die griechische Regierung immer wieder auf die besonders schwierige wirtschaftliche Situation des Landes hin, die sich aus der Lage an der Peripherie der Gemeinschaft ergibt (so z. B. im Memorandum vom 19. März 1982).

Auch die strukturellen Schwierigkeiten der Wirtschaft werden hervorgehoben. Es sind aber gerade diese, die es hätten ratsam erscheinen lassen, den Eintritt des Landes in die Gemeinschaft erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen. In den griechischen Fünfjahresplänen soll die Anpassung an die Erfordernisse der EG verstärkt berücksichtigt werden, was darauf hinweist, daß nach wie vor die bei der Unterzeichnung des Vertrags vorhandenen Schwierigkeiten fortbestehen. Die griechischen Sonderwünsche haben in der EG inzwischen manche Verärgerung hervorgerufen und dem Lande zumindest den Ruf eingebracht, ein schwieriger Partner zu sein. Dabei geht es nicht nur um die Gewährung des Rechtes von Importbeschränkungen. Entsprechende Genehmigungen wurden von den EG-Behörden für bestimmte Roh-und Halbwaren, für Bekleidung, Möbel, alkoholische Getränke u. a. Güter zunächst für das Jahr 1983 erteilt. Ursprünglich hatte Griechenland Importbeschränkungen für 22 Produkte aus Ländern in-und außerhalb der EG verlangt, um sein Handelsbilanzdefizit abbauen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte die griechische Regierung auch ohne Rücksprache mit der EG die Landes-währung am 9. Januar 1983 drastisch abgewertet

Die griechische Regierung gibt sich jedoch nicht mit den Zugeständnissen der EG zufrieden. Vielmehr geht es ihr um eine besondere Unterstützung der westeuropäischen Staaten bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Landes in allen wesentlichen Bereichen. Die Gemeinschaft zeigt sich immer wieder bereit, den griechischen Wünschen entgegenzukommen. So wurden allein für das Jahr 1983 Mittel in Höhe von weitaus mehr als 2, 3 Milliarden DM aus den verschiedenen Fonds der Gemeinschaft zugesagt

Für die Zeit von 1985 bis 1991 wurden dem Land rund sechs Milliarden DM zum Ausbau der Land-und Forstwirtschaft, der Fischerei und des Verkehrswesens zugesagt. Darüber hinaus arbeitet die EG-Kommission zusätzliche Maßnahmen aus. Für den Ausbau des Fernmeldewesens wurde der Gesellschaft OTE ein Darlehen in Höhe von einer Milliarde Drachmen von der Europäischen Investitionsbank gewährt, weitere 1, 3 Milliarden Drachmen sind für die Anlage von Industrie-zonen und den Straßenbau bestimmt. Für Investitionen im Fernsprechwesen hat die Europäische Investitionsbank bereits Darlehen in Höhe von 7, 9 Milliarden Drachmen zur Verfügung gestellt.

Die Organe der Europäischen Gemeinschaft sind also durchaus bereit, die besondere Lage Griechenlands anzuerkennen und die griechischen Wünsche zu erfüllen. Sie wehren sich jedoch dagegen, dem Land einen Sonderstatus zu geben. De facto hat es diesen allerdings bereits, denn ihm wurde eine Vielzahl von Präferenzen eingeräumt, besonders im Bereich der Finanzierungsmechanismen der Gemeinschaft, aber auch, wie gezeigt, im Handelsbereich. Grundsätzlich hat jedoch die Gemeinschaft erklärt, daß sie nicht bereit ist, Abweichungen von bestimmten Gemeinschaftsregeln zu erörtern. So sähen die Griechen beispielsweise gerne einen „vorübergehenden und bedingten Schutz für neu errichtete Industriezweige", die Zulassung von Ausfuhrsubventionen für kleinere und mittlere Betriebe und die Befreiung von Produktionsbeschränkungen Hier will die Gemeinschaft nicht über die im Rahmen des Beitritts-protokolls gesteckten Grenzen hinausgehen. Der griechische Ministerpräsident dringt jedoch weiter auf zumindest vorübergehende Abweichungen von den Spielregeln der EG. Er hat dabei die volle Unterstützung des Wirtschaftsministers, der Rücksichtnahme auf die Schwierigkeiten im Bereich der griechischen Handelsbilanz wünscht. Er fordert eine „elastische Regelung" seitens der EG in Fragen des griechischen Außenhandels, der gegenüber dritten Ländern und den RGW-Staaten durch die EG-Regelungen beeinträchtigt werde. Er äußerte weiterhin den Wunsch nach einem Stillhalten der EG im Falle „gewisser protektionistischer Maßnahmen“ und eine Beteiligung der EG bei der Sanierung überschuldeter, aber lebensfähiger Industrieunternehmen

Die Griechen sind also keineswegs bescheiden. Sie versuchen vielmehr so viel wie möglich aus der Gemeinschaft herauszuholen, ohne selbst allzu viele Zugeständnisse machen zu müssen. Im Rahmen des EG-internen „bargaining" um die Finanzressourcen ist dies zweifellos legitim. Ob damit aber auch der griechischen Wirtschaft gedient ist, bleibt fraglich. Subventionen und Protektionismus führen zur Abschottung vom internationalen Wettbewerb und damit zur Konservierung der bestehenden Strukturen, die, wie gezeigt, nicht den Bedingungen des europäischen Marktes entsprechen. Der Anpassungsprozeß an die Regeln des Gemeinsamen Marktes und an die entwickelten Industriestaaten Westeuropas wird verzögert, wenn nicht unmöglich gemacht. Dies kann nicht im Interesse der Europäischen Gemeinschaft liegen, ist aber auch nicht im Interesse der griechischen Wirtschaft. Die EG nämlich wird ihren ohnehin überlasteten Haushalt nicht auf lange Fristen mit umfangreichen Hilfen für die griechische Wirtschaft belasten wollen Dies gilt um so mehr, als damit ein Präzedenzfall für die in Kürze abzuschließenden Verträge mit Portugal und Spanien geschaffen wird. Beide Länder könnten ähnliche Forderungen wie die Griechen im finanziellen Bereich und bei den Ausnahmeregelungen stellen. Dabei ist ohnehin offen, wie die mit der Mitgliedschaft dieser beiden Länder verbundenen Lasten von der Gemeinschaft finanziert werden sollen. Die griechische Wirtschaft jedoch würde bei einem zu starken Entgegenkommen der EG den Anschluß an die weltwirtschaftliche Entwicklung verpassen, der durch die Mitgliedschaft in der EG erleichtert werden soll. Damit bliebe der wichtigste Vorteil, den die EG bietet, ungenutzt. Der kurzfristige Aspekt eines Wohlstands-transfers kann diesen Vorteil nicht kompensieren. Griechenland steht mit seiner Mentalität allerdings nicht allein da. Vielmehr versuchen in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise immer mehr Mitgliedstaaten der EG, ihren Industrien mit wettbewerbsverfälschenden Förder-und Schutzmaßnahmen zu helfen. Die Behörden der EG sind zwar zu gewissen Zugeständnissen bereit, erkennen aber auch die möglichen negativen Folgen solcher Maßnahmen: Beihilfen können nicht nur zur Entstehung einer Beihilfenmentalität führen, die auch bei einer Besserung der Wirtschaftslage erhalten bleibt; sie bergen auch die Gefahr einer Fehlallokation von Ressourcen. Das gilt besonders dann, wenn eine solche Mentalität nicht nur aus einer Krise resultiert, sondern Teil der EG-Konzeption eines Landes ist. Letzteres scheint bei Griechenland der Fall zu sein.

Zweifellos ist besonders die Lage der griechischen Außenwirtschaft prekär. Der Bestand an Gold und Devisen schmilzt rapide dahin. Er sank von 1, 57 Milliarden US-Dollar im Jahre 1980 auf nur noch 1, 01 Milliarden US-Dollar im Jahre 1982. Mit protektionistischen Maßnahmen jedoch kann dieses Problem nicht gelöst werden.

Eine gewisse Entlastung bedeutet für Griechenland der Handel mit den osteuropäischen RGW-Ländern. Auch er ist defizitär, ermöglicht jedoch den Absatz von Agrarprodukten, die im EG-Raum schwer absetzbar sind bzw. dort in direkter Konkurrenz zu entsprechenden Erzeugnissen aus Italien und Frankreich stehen und in Zukunft auch noch gegenüber spanischen und portugiesischen Produkten zu bestehen haben. In den RGW-Ländern kann Griechenland den größten Teil seiner exportierten Zitrusfrüchte (1980: 88, 6 Prozent) absetzen. Bei Sultaninen und Rosinen haben die Oststaaten einen Exportanteil von 69, 3 Prozent. Der Osthandel hat für Griechenland sowohl in seinem Anteil am Gesamthandelsvolumen als auch in seiner Güterstruktur eine größere Bedeutung als beispielsweise für die Bundesrepublik Deutschland oder die anderen EG-Länder. Zwar sind insgesamt gesehen die Anreize zum Ausbau dieses Handels gering, da die von den Ost-staaten gebotenen Produktqualitäten häufig nicht dem Weltstandard entsprechen und gerade für Griechenland schon manchen Ärger gebracht haben. Darüber hinaus kann der Handel wegen des staatlichen Außenhandelsmonopols in den sozialistischen Ländern in der Regel nur wenig flexibel sein. Er ist in Volumen und Struktur erheblichen Schwankungen unterworfen, ihm fehlt also die Kontinuität, die gerade im Handel mit den EG-Ländern gesichert scheint Dennoch bietet er die Möglichkeit der Erschließung zusätzlicher Ressourcen und einer potentiellen Erhöhung des Handelsvolumens

Über den reinen Handel hinaus hat Griechenland mit den RGW-Staaten verschiedene Kooperationsabkommen geschlossen. Von einigen dieser Länder werden auch verschiedene Entwicklungsprojekte übernommen. Die Bezahlung erfolgt vorwiegend mit Agrarprodukten.

Der Osthandel ist daher für Griechenland von einigem Nutzen, und es scheint, soweit dies aus dem spärlich vorliegenden Material abgelesen werden kann, daß es die Griechen recht gut verstehen, auch im Handel mit dem Ostblock ihre Interessen und ihren Standpunkt durchzusetzen. Das zeigt auch das im Mai 1977 mit der Sowjetunion abgeschlossene Handelsabkommen, in dessen Rahmen die Zahlungen im Warenverkehr vom bilateralen Clearing auf freie Devisenbasis umgestellt wurde. Dies verhinderte jedoch nicht den Abschluß weiterer Kompensationsabkommen. Neben der Bundesrepublik Deutschland ist Griechenland das einzige EG-Mitglied, das über eine gemeinsame Grenze mit einem RGW-Land verfügt. Dies und die besondere Bedeutung des Osthandels für dieses Land macht den griechischen Wunsch nach gewissen Sonderregelungen verständlich, die ihm auch nicht versagt werden sollten.

IV. Die zukünftige Entwicklung

Die umfangreichen Kapitaltransfers und Ausnahmeregelungen, aber auch die Möglichkeiten, die der große europäische Markt bietet, dürften der griechischen Wirtschaft viele neue Entwicklungschancen bieten. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß der Anpassungsprozeß der griechischen Wirtschaft an die neuen Bedingungen kontinuierlich verläuft und nicht verzögert wird. Freilich wird dieser nicht ohne Friktionen verlaufen. Ein temporärer Anstieg der Arbeitslosigkeit und hohe Inflationsraten erscheinen unvermeidlich, ebenso wie die Zerstörung einer großen Zahl kleiner selbständiger Existenzen. Ob alle Erwartungen, die die griechischen Politiker bei der Abfassung ihres Beitrittsgesuchs zur Europäischen Gemeinschaft hatten, in Erfüllung gehen, bleibt fraglich Es scheint, als ob bei Griechenland — ebenso wie bei den neuen Aspiranten auf eine EG-Mitgliedschaft — einige grundlegende Mißverständnisse vorgelegen haben. So wurden und werden die Integrationsfortschritte in der Gemeinschaft ebenso überschätzt wie die Wirkungen der Integration. Die EG hat beispielsweise die Zölle und mengenmäßigen Beschränkungen im Handelsverkehr mit den Mitgliedstaaten abgeschafft, doch wurden damit nur relativ harmlose Handelshemmnisse beseitigt. Technische Normen oder nationale Ausschreibungsregeln können unter Umständen viel wirkungsvollere Einfuhrhemmnisse sein als Zölle. Auch wird der Marktzugang von Drittstaaten durch eine Vielzahl protektionistischer Maßnahmen erschwert. Jedes Mitgliedsland versucht hier, seine nationalen Interessen durchzusetzen. Der Fall Griechenland zeigt auch besonders deutlich, daß mit zunehmender Mitgliederzahl die EG-Organe immer schwieriger zu Beschlüssen gelangen, die Verhandlungen immer zeitraubender und die Beschlüsse immer verwaschener werden. Die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft wird also verringert. Vorliegende Analysen zeigen zudem, daß von den in der Gemeinschaft getätigten Investitionen vor allem die Kerngebiete profitieren, während die Randgebiete, zu denen Griechenland zu zählen ist, relativ und absolut vernachlässigt bleiben Wo bisher gewisse Struktureffekte erzielt wurden, sind sie mit hohen Subventionen bezahlt worden. So besteht die Gefahr, daß die regionalen Ungleichgewichte in der Europäischen Gemeinschaft vergrößert werden, weil diejenigen Gebiete, die durch ihre großräumige Lage und ihr Agglomerationspotential begünstigt sind, zunehmend Vorteile gewinnen. Durch die Konzentration der Investitionen im Kerngebiet der Gemeinschaft steigt die kaufkräftige Nachfrage in dieser Region, wodurch weitere Kapital-und Arbeitskräfteströme angezogen werden. Das kann eine Eigendynamik der Entwicklung zuungunsten der Randregionen auslösen, zu denen auch Griechenland zu zählen ist. Die gut ausgebaute Infrastruktur der Kernregion und verschiedene geographische Faktoren (Klima, Nähe zu den Weltverkehrsströmen usw.) verstärken den Effekt. Die Impulse in den Randgebieten bzw. im Raum der Süderweiterung werden daher sehr beschränkt bleiben.

Für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region ist die Entfernung vom bzw. zum Markt des Kernraums von Bedeutung. Sie bestimmt die Transportkosten und die Transportzeit. Hier ist Griechenland benachteiligt. Die Versand-und Empfangsweiten sind überdurchschnittlich groß. Bei in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Löhnen können die hohen Transportkosten nicht mehr durch niedrige Lohnkosten oder andere Kostenvorteile kompensiert werden. Im Gegenteil: Durch die hohen Inflationsraten im Lande sinkt die Wettbewerbsfähigkeit, wobei Abwertungen der Drachme nur eine temporäre Hilfe darstellen können. Die Situation der Randgebiete kann eine Verbesserung nur durch einen forcierten Ausbau der Infrastruktur erfahren, der allerdings die Transportkostennachteile nur mildern, nicht beseitigen kann. Von ihm dürften allerdings, wo die standortmäßigen Voraussetzungen hierfür gegeben sind, wirtschaftliche Entwicklungsimpulse zu erwarten sein. Wegen der Kapitalintensität von Verkehrsinvestitionen ist dies jedoch kein kurzfristiger Lösungsansatz. Die EG hat aber, wie an anderer Stelle gezeigt, bereits erhebliche Mittel zum Ausbau der griechischen Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung gestellt und wird dies wohl auch weiterhin tun.

Von besonderer Bedeutung sind auch weitere Bemühungen um die griechische Landwirtschaft. Ihr fällt es schwer, mit der kapitalintensiv wirtschaftenden Landwirtschaft der Kernregionen zu konkurrieren. Eine Erhöhung der Kapitalintensität in der griechischen Landwirtschaft bedeutet jedoch auch eine Freisetzung von Arbeitskräften und damit verbunden vermehrte Arbeitslosigkeit auf dem Lande bzw. vermehrte Abwanderung in die Ballungszentren des Landes mit den daraus resultierenden Problemen. Insofern muß hier sehr behutsam vorgegangen werden.

Bei der angespannten Haushaltssituation der EG kann kaum damit gerechnet werden, daß sie in Zukunft in der Lage sein wird, ihre finanziellen Hilfen zu steigern. Mit dem Beitritt Portugals und Spaniens dürfte sich vielmehr die Finanzlage der Gemeinschaft weiter verschlechtern, zumal die Bundesrepublik, die ohnehin der Hauptnettozahler der EG ist, nicht in der Lage ist, ihre Beiträge zu erhöhen. Von den anderen Mitgliedstaaten sind ebenfalls keine zusätzlichen Zahlungen zu erwarten. In Zukunft wird es in der EG daher schärfere Verteilungskämpfe um die knappen Finanzmittel geben. Das bedeutet, daß die einzelnen Länder sich stärker als bisher auf die Mobilisierung innerer Ressourcen und die Auffindung von Reserven konzentrieren müssen. Dies ist zweifellos für die Wirtschaft der betroffenen Länder, auch für die griechische Wirtschaft, gesünder als das Vertrauen auf die Finanzquellen der Gemeinschaft.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Stellungnahme zum griechischen Beitrittsgesuch. Bulletin der Europäischen Gemeinschaft, Beilage 2/76, Brüssel 1976.

  2. Vgl. . W. Hummen, Die entwicklungspolitische Strategie Griechenlands im Lichte einer Integration in die Europäische Gemeinschaft, in: W. Gumpel (Hrsg.), Griechenland und die EG, München-Wien 1980, S. 21 f.

  3. Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Zur Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft in Südeuropa, Schriften des DIE, Band 52, Berlin 1977, S. 25.

  4. Statistisches Jahrbuch Griechenlands für mehrere Jahre.

  5. Vgl. J. Hassid, Die griechische Industrie und die Europäische Gemeinschaft, in: W. Gümpel (Hrsg.), a a. O. (Anm. 2), S. 60.

  6. Ebd.

  7. Vgl. W. Hummen, a. a. O. (Anm. 2), S. 32.

  8. Vgl. P. Kasakos, Die griechische Landwirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft, in: W. Gümpel (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 2), S. 74.

  9. Ebd, S. 79.

  10. Vgl. Blick durch die Wirtschaft vom 7. 2. 1983.

  11. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. 3. 1983.

  12. Vgl. Handelsblatt vom 20. 9. 1982.

  13. Vgl. Blick durch die Wirtschaft vom 26. 4. 1983.

  14. Vgl. W. Gümpel, Möglichkeiten und Grenzen einer engeren Zusammenarbeit Griechenlands mit den RGW-Staaten, in: W. Gümpel (Hrsg.), a. a. O. (Anm. 2), S. 175 ff.

  15. Vgl. hierzu W. Gümpel, Die Bestrebungen zur wirtschaftlichen Integration in Europa und die europäische Peripherie, in: Europäische Rundschau, 10(1982) 4, S. 87 ff.

  16. Vgl. U. auf der Heide, Bodenschätze und Industriereviere in der Europäischen Gemeinschaft, in: EG-Magazin, (1980) 10, S. 16f.

Weitere Inhalte

Werner Gümpel, Dr. rer. pol., geb. 1930; ©. Professor, Vorstand des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Ost-und Südosteuropas der Universität München. Veröffentlichungen u. a.: Herausgeber dreier Buchreihen: Wirtschaft und Gesellschaft in Südosteuropa; Gegenwartsfragen der Ostwirtschaft; Die sozialistischen Staaten; Mitherausgeber verschiedener Zeitschriften (Osteuropa-Wirtschaft, Crossroads); Verfasser fachwissenschaftlicher Aufsätze in verschiedenen in-und ausländischen Zeitschriften.