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Die Spannungen in Sri Lanka zwischen Singhalesen und Tamilen | APuZ 26/1983 | bpb.de

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APuZ 26/1983 Die Staaten des Indischen Subkontinents im Wandel ihrer Binnen-und Außenbeziehungen Südasien auf dem Wege zu einer wirtschaftlichen Kooperation? Die Spannungen in Sri Lanka zwischen Singhalesen und Tamilen

Die Spannungen in Sri Lanka zwischen Singhalesen und Tamilen

Joerg Wolff

/ 29 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Ifi Sri Lanka gibt es neben den Singhalesen, die 72 % der gesamten Inselbevölkerung stellen, zahlreiche ethnische und religiöse Minderheiten. Während der britischen Kolonialherrschaft hatte ein gut organisiertes Bildungswesen der tamilischen Minderheit (20 %) den Ausbau einer dominierenden Stellung in Regierungsdienst, Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft erlaubt. Nach der Unabhängigkeit 1947 ging die an die Macht gekommene singhalesische Mehrheitsgruppe daran, das ihrer Meinung nach verschobene soziale und wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Die Ablösung des Englischen als Unterrichtssprache durch Singhalesisch, die Verteilung von Studienplätzen auf Regionalbasis und eine Bevorzugung von Singhalesen bei der staatlichen Einstellungspolitik haben die beruflichen Möglichkeiten der Tamilen eingeschränkt. Der 1974 erfolgte Ruf der Vereinigten Befreiungsfront der Tamilen (TULF) nach einem unabhängigen Tamilen-Staat führte zu einer Radikalisierung tamilischer Jugendlicher.

I. Demographische Grundlagen

Regierungen in Sri Lanka nach der Unabhängigkeit

Sri Lanka umfaßt eine Fläche von 65 610 qkm und hat damit etwa die Größe Bayerns oder Irlands. Die tropische Insel liegt wenige Grade nördlich des Äquators im Indischen Ozean an der Südspitze Indiens. 1981 lebten auf ihr 14, 95 Millionen Einwohner. 1. Benachteiligte Randgruppen In Sri Lanka existieren nicht nur ethnische, sondern auch religiöse Minderheiten. Darüber hinaus können durchaus auch die Angehörigen der unteren Kasten als Minderheiten bezeichnet werden. Sie sind benachteiligte Randgruppen, die um ihre Rechte kämpfen.

Die Singhalesen stellen etwa 72% der gesamten Bevölkerung der Insel und somit die Mehrheit. Sie sind keine geschlossene einheitliche Bevölkerungsgruppe, sondern lassen sich nochmals nach Konfession und Kasten-zugehörigkeit unterteilen. Es besteht eine buddhistische Mehrheit und eine christliche Minderheit sowie eine Govigama-Mehrheit (höchste der etwa 25 singhalesischen Kasten) und eine aus allen anderen Kasten bestehende Minderheit. Eine weitere Teilung in Tiefland-Singhalesen und Hochland-Singhalesen ist auch heute immer noch von einiger Bedeutung.

Die Tamilen stellen ungefähr 20% der Bevölkerung und sind damit die stärkste Minderheitengruppe der Insel. Wie die Singhalesen lassen sich auch die Tamilen konfessionell, ethnisch und kastenmäßig unterteilen, und zwar in die alteingesessenen Tamilen, die seit Jahrhunderten im Norden und teilweise auch im Osten leben, und die Hochland-Tamilen, die sogenannten Plantagenarbeiter südindischer Herkunft. Weiter gibt es eine hinduistische Mehrheit sowie eine sich unter Vella-Herrschaft befindliche obere Kastengruppe und weitgehend entrechtete und unterdrückte untere Kasten.

Darüber hinaus leben auch Mohammedaner in Sri Lanka, die sogenannten Moors und Malays, die zusammen etwa . 7 % der Inselbevöl)

kerung stellen. Hier handelt es sich um eine konfessionelle Minderheit. Noch zu erwähnen sind die Burghers als Nachkommen der ersten Kolonisten aus Portugal und Holland. Ihr Anteil beläuft sich auf weniger als 1 % der Bevölkerung.

Auf der Insel wird singhalesisch und tamilisch gesprochen. Die singhalesische Sprache wird zur indo-europäischen Sprachfamilie gerechnet. Demgegenüber ist das Tamilische drawidischen Ursprungs und kann als die wichtigste Sprache dieser Gruppe bezeichnet werden. 2. Die Bevölkerungsverteilung der Insel Betrachtet man die Bevölkerungsverteilung und -dichte der Insel bezogen auf die verschiedenen Nationalitäten und die Verwaltungsbezirke, so zeigt sich, daß ein Bevölkerungszuwachs im Laufe der letzten Jahrhunderte hauptsächlich in den traditionellen singhalesischen Gebieten stattgefunden hat. Danach war die Zunahme am stärksten in den Distrikten Badulla, Ratnapura, Kegalle, Matara, Nuwara Eliya, Kandy, Kalutara, Colombo und Kurunegala. Zwischen 1877 und 1971 ist die Bevölkerung Colombos um 55% gestiegen, Kandy registrierte eine vierfache Zunahme, Nuwara Eliya eine siebenfache, Kegalle eine fünfeinhalbfache, Badulla eine dreizehn-fache. Diese Bezirke weisen eine hohe Bevölkerungsdichte auf.

Von der Tamil United Liberation Front (TULF) wird der Vormarsch der Singhalesen in die traditonellen tamilischen Gebiete im Rahmen der Siedlungspolitik der letzten dreißig Jahre auf das schärfste kritisiert. Aber die Statistik zeigt, daß in den vergangenen Jahrhunderten sich auch Neuankömmlinge in singhalesischen Gebieten niedergelassen haben. So leben die Moors, Malays, Tamilen südindischer Herkunft, aber auch alteingesessene Tamilen im Südteil der Insel. Der Anteil von Tamilen südindischer Herkunft beträgt dort fast 1, 1 Mio., während die Moors 500 000 und die Sri Lanka Tamilen ungefähr 400 000 bis 500 000 Menschen umfassen.

Relevant ist auch die geographische Verteilung der verschiedenen Volksgruppen, besonders der Minderheiten, auf der Insel. Nach den letzten verfügbaren Zahlen der Volkszählung von 1971 lebten in Sri Lanka 1 415 576 Sri Lanka Tamilen, d. h. 11, 1% der Gesamtbevölkerungszahl von damals 12 711 143. Dieser Prozentsatz hat sich bis 1981 nur ganz geringfügig geändert. 750 000 Tamilen lebten in der Nordprovinz, 241 000 in den Bezirken Trincomalee und Batticaloa und ca. 60 000 im Bezirk Amparai. Folglich leben 365 000 Sri Lanka Tamilen (ca. 25%) in den singhalesischen Gebieten. Werden die Tamilen südindischer Abstammung mitgezählt, dann ergibt sich eine Gesamtzahl von 2, 6 Mill. Tamilen, von denen 800 000 in der Nordprovinz und 338 000 in der Ostprovinz leben. Dies bedeutet eine Gesamtzahl von 1, 138 Mill, in beiden Provinzen gegenüber 250 000 Singhalesen, ein prozentual äußerst kleiner Anteil der singhalesischen Gesamtbevölkerung. Dagegen leben mehr als die Hälfte aller Tamilen in den überwiegend von Singhalesen besiedelten Gebieten. So ist Colombo bevölkerungsmäßig die größte Stadt der Tamilen in Sri Lanka.

Die Moors und Malays, deren Anteil an der Gesamtbevölkerung etwa 7, 8 % beträgt, sind gleichmäßig über die gesamte Insel verteilt. Ihr Anteil in den von Tamilen besiedelten Gebieten betrug 1971 ca. 18%.

Von den 1, 2 Mill. Tamilen südindischer Herkunft lebten 1971 ungefähr 900 000 im Hoch-land, und zwar in drei Bezirken: Kandy, Nuwara Eliya und Badulla. Das Hochland bildete den historischen Kern des Kandy-Reiches. Nur 66 000 Tamilen südindischer Herkunft lebten 1971 in den Bezirken Jaffna, Vavuniya, Mannar, Trincomalee und Batticaloa. Folglich bestehen keine engen Kontakte zwischen den beiden Gruppen. Annähernd 100 000 Tamilen südindischer Herkunft leben in den Bezirken Colombo und Kalutara. Die Verteilung der Tamilen südindischer Herkunft und — noch wichtiger — ihre Stellung im Wirtschaftsgefüge würden jeden Versuch einer Umsiedlung in andere Gebiete, wie ihn etwa die Führung der TULF propagiert, die die Hochland-Tamilen innerhalb der Grenzen eines unabhängigen Staates unterbringen möchte, erschweren, wenn nicht gänzlich ausschließen.

Die Burghers, die Nachkommen der Holländer und Portugiesen, zählen ungefähr 44 000, von denen 31 000 in Colombo und 3 000 in Kandy leben.

II. Historische Entwicklung auf Ceylon bis zur Unabhängigkeit

1. Geschichtsschreibung im Streit Die Geschichtsschreibung Sri Lankas wird von einer Unstimmigkeit zwischen singhalesischen und tamilischen Historikern bestimmt, die zunehmend den Charakter einer Auseinandersetzung annimmt. Fußend auf altbuddhistischen Dokumenten (Mahawamsa) wurde bisher davon ausgegangen, daß auf der Insel verschiedene Einwanderungswellen nordindischen und damit indoarischen Ursprungs zwischen dem 6. und 4. Jahrhundert vor Christi zu verzeichnen waren. Diese Einwanderer verdrängten allmählich die Ureinwohner der Insel, die sogenannten Veddhas. Die Singhalesen waren demnach die Nachkommen der Indoarier. Tamilische Historiker stellen heute die These auf, daß die Urbevölkerung der Insel drawidischer Abstammung bzw. Herkunft war und eine hochentwickelte Kultur besaß. Daraus wird abgeleitet, daß die heutigen Tamilen als Nachkommen dieser Urbevölkerung die ältesten „Staatsangehörigen" seien und nicht die Singhalesen, die als „Spätankömmlinge" und indoarische „Eroberer" bezeichnet werden müßten.

Die singhalesische Geschichtsschreibung wiederum versucht zu beweisen, daß die heute im Norden der Insel ansässigen Tamilen von südindischen „Eindringlingen" abstammen, die sich im Zuge der ab dem 9. und verstärkt ab dem 12. Jahrhundert nach Christi einsetzenden südindischen Angriffe auf der Insel niedergelassen haben. Tatsächlich ist anzunehmen, daß von Anfang an eine Vermischung der verschiedenen Volksstämme einsetzte. Die alten Chroniken bestätigen, daß — sei es über militärische Aktionen oder durch Handelsbeziehungen — ständige Kontakte zwischen Südindien und Sri Lanka bestanden. Die Quelle des Mahawamsa beschreibt auch, daß es in der Geschichte immer wieder zu ethnischen Vermischungen, Heiratsverkehr etc. zwischen beiden Rassen kam — eine Tatsache, die im heutigen Sri Lanka kaum denkbar wäre. 2. Auseinanderentwicklung durch Einführung des Buddhismus Rein ethnisch betrachtet gibt es zwischen Singhalesen und Tamilen kaum Unterschiede. Diese liegen eher im konfessionellen und kulturellen Bereich. Die Einführung des Buddhismus im 3. Jahrhundert vor Christi und dessen rasche Verbreitung auf der Insel brachte den Beginn der sozio-kulturellen Auseinanderentwicklung. In Sri Lanka hatte die buddhistische Konfession eine erstaunliche Kraft zum überleben bewiesen und die vielen fremden Einflüsse unbeschadet überstanden. Dabei entwickelte sich der Buddhismus zum Fundament der singhalesischen Kultur und beeinflußte lle Lebensbereiche. Wie der Hinduismus der prägende Faktor der tamilischen Gemeinschaft war, so prägte der Buddhismus die singhalesische Gesellschaft. 3. Spannungselemente in der vorkolonialen Geschichte und Teilung Die Beziehungen zwischen Südindien und Sri Lanka waren nicht immer friedlicher Natur. Die Entstehung, Entwicklung und das Auseinanderfallen von König-und Kaiserreichen im südindischen Gebiet blieben nicht ohne politische Auswirkungen auf Sri Lanka. Die Chroniken berichteten über eine ganze Reihe süd-indischer Angriffe, aber auch von solchen in umgekehrter Richtung.

Nach dem Untergang der großen nordindischen Reiche — durch den Ansturm der Mohammedaner verursacht — wurden die politischen Beziehungen Sri Lankas zu den verschiedenen Königreichen in Südindien immer stärker. Die Insel geriet langsam, aber sicher in den Sog des Kampfes um die Herrschaft im südindischen Raum. Es kam zu wiederholten Angriffen aus Südindien, die im Laufe des 13. Jahrhunderts zur Entstehung und Konsolidierung eines unabhängigen tamilischen Reiches im Gebiet der heutigen Jaffna-Halbinsel führte. Dieses wurde zunächst von südindischen Herrschern, später dann von einheimischen Tamilen verwaltet. So kam es zur Teilung der Insel. Dem singhalesischen Reich im Süden stand ein unabhängiges tamilisches Reich im Norden gegenüber. 4. Einheit und Teilung der Insel unter den Kolonialmächten Die politische Einheit der Insel wurde zuletzt Mitte des 15. Jahrhunderts von einem singhalesischen König, in dessen Hof Tamilen wichtige Positionen besetzten, wiederhergestellt. Wenige Jahre nach seinem Tod zerfiel dieses Reich und ein eigenständiger tamilischer Staat entstand und behauptete sich wieder im Norden. Es bildete sich nunmehr ein zweites Zentrum der Singhalesen im Hochland. Dieses neue singhalesische Reich bestand schließlich bis zur Besetzung durch die Engländer 1815. Als die Portugiesen Anfang des 16. Jahrhunderts die Insel erreichten, gab es drei voneinander unabhängige Staaten: das tamilische Reich im Norden mit der Hauptstadt Jaffna, ein singhalesisches Reich mit der Hauptstadt in Kotte, und ein weiteres singhalesisches Reich mit dem Zentrum in Kandy.

Von diesen Staaten geriet als erstes das Kotte-Reich unter die Herrschaft der Portugiesen, die erst Anfang des 17. Jahrhunderts das Jaffna-Reich unterwerfen konnten. Damit verschwand der tamilische Staat, der ungefähr vier Jahrhunderte bestanden hatte. Der Norden der Insel blieb aber tamilisch; die Tamilen stellten die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auf der Halbinsel und im östlichen Landesteil, besonders an der Küste. Das singhalesische Reich im Hochland Überstand alle Angriffe der Portugiesen und Holländer, bis es 1815 von den Engländern bezwungen wurde. Bemerkenswert ist aber, daß selbst das Kandy-Reich stark unter südindischem bzw. tamilischem Einfluß stand, besonders seit Anfang des 18. Jahrhunderts. Als die singhalesische Königslinie ausstarb, ging die Thronfolge an die Angehörigen der Nayakkars, eines südindischen Herrscherhauses aus dem Malabargebiet, über. Somit war der letzte „singhalesische" König eigentlich ein Südinder. Interessanter noch ist die Tatsache, daß etliche singhalesische Adelige die Deklaration von 1815 (schriftliche Anerkennung der Herrschaft der britischen Krone durch die singhalesischen Fürsten) in tamilischer Schrift unterschrieben haben. 5. Britische Herrschaft und Aufstieg der Tamilen Die Periode der britischen Kolonialherrschaft ist von großer Bedeutung für die Minderheitenproblematik, da die unmittelbaren Ursachen des gegenwärtigen Konfliktes in den Entwicklungen dieser Zeit liegen.

Dem besonderen Status der vorwiegend tamilisch besiedelten Gebiete, die einst den Kern des unabhängigen Tamilenreiches bildeten, wurde durch die umfassende Einführung einer landesweiten, einheitlichen und zentralen Verwaltung durch die englische Kolonialmacht endgültig ein Ende gesetzt. Dieser neue Verwaltungsaufbau erfolgte bald nach der Eroberung des Kandy-Reiches und bedeutete für die bisherige tamilische Führungsschicht einen politischen Machtverlust. Den Tamilen ist es aber gelungen, diesen Verlust im Laufe des 19. Jahrhunderts bis zur Unabhängigkeit wettzumachen. Sie konnten eine dominierende Stellung im Regierungsdienst, den Verwaltungen der Wirtschaft und der Wissenschaft aufbauen. Dies hat, zwar nicht zur Rückeroberung der politischen Macht geführt, wohl aber zu einem umfassenden und nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Entscheidungsprozesse des Landes. Bis in die sechziger Jahre hinein hatte die tamilische Minderheit eine eindeutige prozentuale Mehrheit bei den Führungspositionen in diesen Bereichen. In bestimmten Berufsgruppen ist dies besonders augenfällig, wie z. B. im Ingenieurwesen, der Medizin und den Naturwissenschaften. Hier dominieren auch heute noch die Tamilen gegenüber den Singhalesen. Sie entwickelten sich neben den Burghers zur intellektuellen Oberschicht des Landes.

Dazu trug ein gut organisiertes Bildungswesen bei, das durch intensive und umfangreiche missionarische Tätigkeit (besonders der Amerikaner) auf der Jaffna-Halbinsel entstand und von den Tamilen tatkräftig ausgebaut wurde. Auch in den singhalesisch besiedelten Gebieten waren solche Missionsbestrebungen zu verzeichnen. Sie erreichten jedoch wegen der starken buddhistisch-religiösen Widerstände nicht die Breitenwirkung wie im Norden oder Osten und blieben deshalb vor allem auf die Städte im Küstengebiet beschränkt.

So wurden die Tamilen — d. h. die gebildete bzw. ausgebildete Elite — „der verlängerte Arm" der Engländer bei der Verwaltung des Landes — vor allem der singhalesischen Untertanen. Sie standen der Kolonialmacht stets loyal gegenüber. Ohne Zweifel wurde diese Situation durch eine geschickte Politik ausgenutzt, welche die Minderheiten gegenüber der Mehrheit begünstigte. 6. Nationale Selbstbestimmung und Bildung von Organisationen auf Nationalitätenbasis

Wandlungen im ökonomischen Bereich führten im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zur Heranbildung und zum Aufstieg einer neuen Oberschicht unter den Singhalesen, die sich aus der alten Kandy-Aristokratie und neuen finanzstarken Gruppen zusammensetzte. Im Zuge der Colebrooke-Reformen erfolgten Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts wirtschaftliche Umwälzungen, die vor allem die Erschließung des Hoch-landes für die Plantagenwirtschaft erbrachte. Diese neuen und stürmischen Wandlungen ließen die tamilischen Siedlungsgebiete mehr oder weniger unberührt. Die Nutznießer waren die Plantagenbesitzer und -arbeiter, die Händler und Transportunternehmer aus den singhalesisch besiedelten Gebieten. Auf den Plantagen arbeiteten freilich weder Singhalesen oder Tamilen aus dem Norden, sondern überwiegend Tamilen südindischer Herkunft, die zur Durchführung dieser neuen Tätigkei31 ten gewissermaßen als Gastarbeiter ins Land gebracht wurden. Da die ansässigen Tamilen aus geographischen bzw. räumlichen Gründen an diesen wirtschaftlichen Änderungen nicht partizipieren konnten, konzentrierten sie sich verstärkt auf Bildung und Ausbildung, bemühten sich um den Eintritt in die Verwaltung bzw.den Regierungsdienst und entschieden sich für die sogenannten freien oder intellektuellen Berufe.

Dieser ökonomische Prozeß ging mit einer langsam einsetzenden nationalen Selbstbesinnung einher. Sie trug zum Teil sehr ausgeprägte nationalistische und religiös-buddhisti* sehe Züge. Maßgeblich beteiligt an diesen Strömungen war die damalige singhalesische Führung unter den Senanayakas, die in der Folge auch den ersten Ministerpräsidenten des unabhängigen Sri Lanka stellten. Jene neue Oberschicht war auch die Treibkraft einer Bewegung, die Verfassungsreformen anstrebte. Sie organisierte sich 1919 im Ceylon National Congress und beanspruchte eine größere Beteiligung an der politischen Verantwortung. Obwohl viele Tamilenführer anfangs mit den Singhalesen zusammenarbeiteten, kam es bald zum Bruch, als die Frage der konkreten Machtverteilung zwischen den verschiedenen Volksgruppen erörtert wurde. Die Probleme konzentrierten sich um deren Vertretung in den neuzubildenden verfassungsmäßigen Gremien, vor allem in den gesetzgebenden Organen. Während die Tamilenführer auf ihrem Standpunkt beharrten, daß jegliche Vertretung auf der Nationalitätenbasis beruhen muß, meinten die Singhalesen ebenso hartnäckig, daß eine Vertretung nur auf territorialer Basis beruhen könne. Die Geschichte der Verfassungsreform bis zur Soulbury-Verfassung von 1946 ist zugleich die Geschichte dieser Auseinandersetzung, die von der Kolonialmacht dazu benutzt wurde, die Reformen möglichst lange hinauszuziehen.

1922 kam es zur Spaltung des Ceylon National Congress und zur Gründung von Organisationen auf Nationalitätenbasis, wie zum Beispiel der Tamil Mahajana Sabha (1921), der Sinhala Mahajana Sabha (1937), von S. W. R. D. Bandaranaike geführt, und des Tamil Congress (1944) unter der Führung von G. G. Ponnambalam. Nach den zweiten allgemeinen Wahlen 1936 unter der Donoughmore-Verfassung kam es zur Bildung eines rein singhalesischen Ministerrates, was das Mißtrauen der Minderheiten noch steigerte.

Folglich war der Tamil Congress, als eigentliche Sammlungsbewegung der Tamilen, in dem ersten Kabinett nach der Unabhängigkeit nicht vertreten. Die Regierung stand unter der Leitung von D. S. Senanayake und wurde von der United National Party (UNP) getragen. Die UNP wurde erst 1942 gegründet und setzte sich aus der damaligen singhalesischen Führung, die in den vierziger Jahren die Verhandlungen über den „ Dominion Status" mit der britischen Regierung geführt hatte, den Resten des Ceylon National Congress, der Sinhala Mahajana Sabha, der Muslim League und einigen Unabhängigen, darunter auch Tamilen, zusammen. Die Kräfteverteilung vor und während der Unabhängigkeit sowie die Abschaffung einer tamilischen Repräsentanz durch die Singhalesen führten zu einer Verschärfung der Minderheitenprobleme.

III. Die politische Entwicklung in Sri Lanka nach der Unabhängigkeit

Der erste ernste Konflikt bahnte sich durch die Verabschiedung von neuen Gesetzen zur Regelung der ceylonesischen Staatsangehörigkeit (1948— 1949) an. Insbesondere das zweite Gesetz von 1949 schaltete die Tamilen südindischer Herkunft, also die Plantagenarbeiter, von den politischen Grundrechten nahezu vollkommen aus. Der überwiegenden Mehrheit dieser Gruppe gingen die Bürger-und die Wahlrechte verloren. Sie wurden plötzlich staatenlos und hatten nun weder die ceylonesische noch die indische Staatsangehörigkeit. Die zur Gewährung der Staatsangehörigkeit erforderlichen Qualifikationen bzw. Beweise konnten nur von wenigen nachgewiesen werden.

Durch dieses Vorgehen verschaffte sich Premierminister D. S. Senanayake kurzfristig einige politische Vorteile. Es kam erstens zur Spaltung des Tamil Congress (TC) über die Frage der Staatsangehörigkeit und Bürger-rechte der Plantagenarbeiter. Der Führer des TC, G. G. Ponnambalam, wechselte zur Regie-B rungsseite über und wurde Kabinettsmitglied. Ein wesentlicher Teil, von S. J. V. Chelvanayakam geführt, schied aus und gründete die Federal Party (FP), die sich im Laufe der Zeit zur größten Partei der Tamilen entwickelte. Die Ausschaltung der Plantagenarbeiter südindischer Herkunft und deren Partei, der Ceylon Workers Congress (CWC), kam besonders den Wünschen der Hochlandsinghalesen entgegen. 1951 erfolgte die Gründung der Sri Lanka Freedom Party (SLFP), der der Rücktritt S. W. R. D. Bandaranaikes aus dem Kabinett und aus der UNP vorausgegangen war. Die SLFP vertrat damals vor allem die Interessen und Ideen der Singhalesen der politischen Mitte, der nationalistisch und religiös eingestellten Schichten, die den Einfluß und die Macht der Minderheiten mit Verdacht und Mißtrauen beobachteten. Als Minderheiten galten die Tamilen im Norden und im Hoch-land, die Mohammedaner, aber auch die Christen. Es wurde öffentlich von einer aus Tamilen und Christen bestehenden Machtelite gesprochen, welche den Staatsdienst, die Streitkräfte, die Polizei, aber auch die Privatwirtschaft majorisierte und ausgewechselt werden müsse. Eine starke Interessenvertretung dieser Schichten, die sogenannte Bewegung der fünf Gruppen („Pancha Maha Balavegaya", d. h.der buddhistischen Mönche, der einheimischen Heilpraktiker, der nicht englisch sprechenden Lehrer, der Bauern und der Arbeiter), unterstützte diese Forderungen und verlangte zudem noch die Ersetzung des Englischen als Sprache der Verwaltung und als Unterrichtssprache durch die Muttersprache des Singhalesischen, also der Sprache der Mehrheit. Die SLFP unterstützte diese Bewegung. Mit dem Ruf „Sinhala Only" siegte Bandaranaike und die von ihm geführte linksgerichtete Volksfront (MEP) bei den Wahlen von 1956. Die eher konservative UNP unter Kotalawela und Jayawardene wurde geschlagen, obwohl sie vor der Wahl dem Druck ihrer Anhänger unter den Singhalesen nachgab und dieselbe Parole sich zu eigen machte. Sie verlor ihre Glaubwürdigkeit unter den Tamilen. Die Anhänger der siegreichen SLFP betrachteten die Politik des „Singhalsese Only“ als einziges Programm und Allheilmittel, mit dem ihre Ziele nicht nur im kulturellen, sondern auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich zu lösen waren. Die Verabschiedung der „Singhalesen Only" -Gesetze (1956) und der dadurch ausgelöste gewaltlose Widerstand der Tamilenführer, vor allem der FP, wurde zum Anlaß der ersten Ausschreitungswelle im selben Jahr. Abgesehen von Colombo, wo tamilische Demonstranten von Singhalesen angegriffen wurden, kam es besonders in der Ostprovinz zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Singhalesen und Tamilen.

Kurz darauf erfolgten Verhandlungen zwischen der MEP-Regierung unter Bandaranaike und der FP unter Chelvanayakam (als stärkste Partei der Tamilen), die zum soge-nannten B-C-Pact, zum Bandaranaike-Chelvanayakam-Vertrag führten. Obwohl in den politischen Grundprinzipien keine Einigung erzielt werden konnte, wurde ein Übereinkommen getroffen, das möglicherweise zu einer dauerhaften und allseitig anerkannten Lösung geführt hätte, wenn es, wie vorgesehen, durchgeführt worden wäre. Dazu kam es aber nicht, da der Vertrag von Anfang an auf den aktiven Widerstand der Singhalesen bzw.deren Organisationen stieß. Daraufhin wurde der Vertrag, dem das Prinzip der regionalen Autonomie bzw. Selbstverwaltung zugrunde lag, von der Regierung für ungültig erklärt.

Kurz nach der Aufkündigung des Vertrages brach eine zweite Welle von Ausschreitungen aus. Sie erfaßten diesmal das ganze Land. Vorausgegangen war eine „Anti-Sri“ -Bewegung der FP in Jaffna, eine Protestbewegung gegen die Verwendung der singhalesischen Buchstaben „Sri“ auf den Kraftfahrzeugkennzeichen. Es gab Opfer auf beiden Seiten und die Regierung mußte den Ausnahmezustand erklären sowie die Streitkräfte einsetzen.

Die Wahlen vom März und Juni 1960 — nach der Ermordung von Bandaranaike — machten noch einmal die Bedeutung der Minderheitenfrage im politischen Bereich deutlich. Die nach den März-Wahlen gebildete UNP-Regierung von Dudley Senanayake wurde sogleich im Parlament durch die Stimmen der SLFP, der Linksparteien und der FP gestürzt. Die FP stimmte gegen die Regierung, weil ihre Forderungen abgelehnt wurden. Daraufhin griff die UNP scharf die FP an. Es wurde behauptet, die FP habe einen geheimen Vertrag mit der SLFP geschlossen. Es bestünde deswegen die Gefahr, daß die Tamilen ihren Plan eines föderativen Staatensystems auf diese Weise durchsetzen könnten. Trotzdem erlitt die UNP im Juni 1960 eine schwere Wahlniederlage. Anhänger der FP sowie die Tamilen insgesamt hatten die SLFP und andere Parteien in den Wahlkreisen, in denen eigene Kandidaten nicht aufgestellt worden waren, unterstützt. Schon 1961 kam es aber wieder zur Konfrontation zwischen SLFP und FP, als die Regierung zur Verwirklichung der Bestimmungen der „Sinhala Only" Gesetze überging. Dem setzte die FP eine großangelegte Verweigerungsbewegung bzw. Bürgerrechtsbewegung in Gestalt eines gewaltlosen Widerstandes entgegen. Nach dem Scheitern von Verhandlungen verhängte die Regierung den Ausnahmezustand über die Nord-und Ostprovinz und setzte die Streitkräfte ein. Die FP-Führung wurde zeitweilig unter Hausarrest gestellt. Eine für 1964 geplante Großaktion der FP wurde abgesagt, weil die Regierung durch eine Abstimmungsniederlage im Parlament stürzte. Die FP hatte selbstverständlich gegen die Regierung gestimmt.

Nach den Wahlen von 1965 gelang es der UNP in einer Koalition mit sieben anderen Gruppierungen, einschließlich der FP, an die Verantwortung zu kommen. Im Kabinett saß zum ersten Male nach 1953 ein Tamile als Minister für Gemeindeverwaltung. Die UNP-FP-Allianz währte aber nicht sehr lange. Obwohl einige bedeutende Zugeständnisse, wie z. B. Tamilisch als zusätzliche Sprache der Verwaltung und im Rechtswesen und die Verteilung von Land vorzugsweise an tamilische Bewohner in den Nord-und Ostgebieten, abgerungen werden konnten, wurde der in den Koalitionsverhandlungen vereinbarte 'Plan für regionale Selbstverwaltungsräte nicht durchgeführt. Dem stellte sich wiederum eine Opposition aus den Reihen der UNP-Regierungspartei selbst und der Singhalesen insgesamt entgegen. Der tamilische Minister reichte seinen Rücktritt ein und die FP trat aus der Koalition aus. Bei den Wahlen 1970 wurde die UNP vernichtend geschlagen, aber auch die FP mußte Verluste hinnehmen, obwohl sie ihre Stellung als stärkste Partei der Tamilen halten konnte.

In der folgenden linksgerichteten Volksfront-Regierung (1970— 1977) erhielt ein Tamile Kabinettsrang. Allerdings war er kein gewählter, sondern ein von der Regierung ernannter Abgeordneter und wurde von den Tamilen nicht als Vertreter ihrer Interessen betrachtet. Trotzdem hätte diese United Front-Regierung zumindest den Weg zur Lösung der dringendsten Probleme der Tamilen anbahnen können, wäre sie auf die Forderungen und Wünsche der gemäßigten Tamilen eingegangen.

Auch bei den Beratungen zur Ausarbeitung einer neuen republikanischen Verfassung konnte zwischen den Volksgruppen keine Einigung erzielt werden. Der Vorschlag der FP für ein Föderatives System sah einen aus fünf Regionen bestehenden Bundesstaat vor. Weitere Vorschläge über die Gleichberechtigung der tamilischen Sprache in den Nord-und Ostprovinzen wurden von der verfassungsgebenden Versammlung zurückgewiesen. Versuche, einen Kompromiß zu erzielen, schlugen fehl. Daraufhin verließen die FP und der TC die Versammlung und blieben den Beratungen fern.

In der Folge formierte sich 1972 zum ersten Mal die TUF (Vereinigte Front der Tamilen), die sich aus FP und TC unter dem Vorsitz von Chelvanayakam zusammensetzte. Daraus ist im September 1974 die TULF (Vereinigte Befreiungsfront der Tamilen) entstanden, damals einschließlich des CWC. Die alte Forderung der FP nach einem föderativen Staat wurde aufgegeben. Von dem Selbstbestimmungsrecht ausgehend, formulierte die Front ihre Hauptforderung nach einem unabhängigen Staat innerhalb der traditionell von den Tamilen besiedelten Gebiete. Das bildete auch den Kern des Wahlprogramms der TULF bei den Mitte 1977 abgehaltenen Wahlen. Aus den Wahlen ging die UNP von Jayawardene mit überwältigender Mehrheit als Sieger hervor. Der Führer der TULF wurde Oppositionführer.

IV. Die sozio-ökonomische Situation in Sri Lanka

Verallgemeinert kann gesagt werden, daß die •Wurzeln der Konflikte zwischen verschiedenen Volksgruppen in einem Vielvölkerstaat fast immer in der Verteilungssituation von knappen Mitteln und Ressourcen sowie im Streben nach einer Beteiligung am wirtschaftlichen Entwicklungsprozeß zu suchen sind. Die Schärfe dieser Konkurrenz hängt vom Ausmaß der bestehenden Knappheit und Armut ab. Die aufgrund einer bewußt verfolgB ten Kolonialpolitik der Begünstigung von Minderheiten entstandenen sozialen und ökonomischen Ungleichheiten und Unebenheiten haben sich nach Erreichung der Unabhängigkeit allmählich verstärkt und somit bemerkbar gemacht. Einmal an die Macht gekommen, ging die Mehrheitsgruppe dazu über, das soziale und wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, welches ihrer Meinung nach während der Fremdherrschaft zugunsten der Minderheiten verschoben worden war.

Aus von der Central Bank veröffentlichten Zahlen ist zu schließen, daß sich — abgesehen von den Tamilien südindischer Herkunft — zwischen 1963 und 1973 die Unterschiede des Pro-Kopf-Einkommens der verschiedenen Volksgruppen verringert haben. Differenziert man weiter, ist festzustellen, daß die Gruppe der Hochlandsinghalesen den größten Zuwachs zu verzeichnen hat. Man darf aber nicht vergessen, daß Plantagenarbeiter die überwiegende Mehrheit der Gruppe der süd-indischen Tamilen in Sri Lanka stellen. Wenn man die ländliche Bevölkerung unter den Hochlandsinghalesen mit den Plantagenarbeitern unter südindischen Tamilen vergleicht, zeigt sich ein leicht höheres Einkommen der letzteren. Ganz allgemein kann gesagt werden, daß das Pro-Kopf-Einkommen zwischen den Bevölkerungsgruppen einigermaßen gleichmäßig verteilt ist. Die traditionellen Oberschichten, die stets einen Hauptteil am Nationalvermögen besaßen, wurden während der Bandaranaike-Regierung von 1970— 1977 weitgehend enteignet und ihr Produktivvermögen verstaatlicht Dies betraf sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit. Die seit 1978 durch die ökonomische Liberalisierung neu entstandenen Schichten, die im Handel, dem Tourismus und dem produzierenden Gewerbe tätig sind, entstammen allen Bevölkerungsgruppen. Obwohl keine Zahlen verfügbar sind, kann aus Beobachtungen geschlossen werden, daß die Minderheiten der Sri Lanka Tamilen und der Moors hier ein leichtes Übergewicht haben.

Obwohl keine meßbaren Daten zur Erfassung eines Lebensstandards gegeben sind, lassen die vorhandenen Statistiken ebenfalls erkennen, daß zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen keine nennenswerten Unterschiede bestehen. So liegt z. B.der Stromverbrauch in den Gebieten der Sri Lanka Tamilen etwas höher als in anderen Zonen. Dagegen ist der Besitz an Haushaltsgeräten pro Haushalt größer in den städtischen Gebieten. 1. Bildung und Minderheiten Was das Bildungsniveau der verschiedenen Volksgruppen betrifft, deuten die Zahlen sowohl der Central Bank als auch des Marga Institutes auf keine nennenswerten Differenzen im Primär-und Sekundärbereich hin, ausgenommen bei den südindischen Tamilen, die im Sekundärbereich eine verhältnismäßig starke Ausfallquote der Schülerzahlen zu verzeichnen haben. Im höheren bzw. tertiären Bereich ist bei allen Gruppen ein Rückgang der Schülerzahlen zu vermerken, am stärksten bei den Sri Lanka Tamilen. Dies ist jedoch auf die Bildungspolitik der letzten Jahre zurückzuführen, die eine Vereinheitlichung der Bewertung und der Verteilung von Studienplätzen auf Distriktbasis erbrachte. Andererseits bietet der Bezirk Jaffna das beste Schulsystem der Insel. Wenn in Rechnung gestellt wird, daß die Tamilen einen bedeutenden Teil der Schülerzahl auch im Bezirk Colombo stellen, wird deutlich, daß sie anteilsmäßig an der höheren Bildung einen nicht zu leugnenden Vorsprung haben. 2. Arbeitslosigkeit und Minderheiten Über die Erwerbstruktur der Bevölkerung liegen nur spärliche neuere Daten amtlichen Charakters vor. Von Regierungsseite wird geschätzt, daß im Jahre 1981 ca. 857 000 Personen arbeitslos waren, was eine Quote von 15, 3 % ergibt. Werden die vorhandenen Zahlen unter den Gesichtspunkt der Bevölkerungsgruppen zusammengefaßt, ergibt sich das folgende Bild. Die höchste Arbeitslosenquote findet sich bei den Malays mit 21, 2%, gefolgt von den Tieflandsinghalesen mit 18, 6 %. Der Anteil der Hochlandsinghalesen betrug 13, 9 %, derjenige der südindischen Tamilen 10, 9 %. Am Ende stehen die Sri Lanka Tamilen und die Moors mit jeweils 5, 6 % bzw. 5, 3 %. Diese Aussagen ändern sich etwas, wenn die Arbeitslosenquote auf die arbeitsfähige Bevölkerung der verschiedenen Gruppen bezogen wird. Hier ist die prozentuale Quote am niedrigsten bei den südindischen Tamilen und bei den Sri Lanka Tamilen. Andererseits ist sie am höchsten bei den Malays mit 43 % und den Tieflandsinghalesen mit 30 %. Die Hochlandsinghalesen stehen an dritter Stelle. Es zeigt sich, daß die Arbeitslosigkeit mehr die Singhalesen als die Minder-35 heiten mit Ausnahme der Malays belastet. Darüber hinaus kann gefolgert werden, daß bei der Verteilung von vorhandenen Arbeits-möglichkeiten keine diskriminierenden Praktiken gegenüber den Minderheiten angewendet werden.

V. Die aktuelle politische Situation der Tamilen in Sri Lanka

1. Die Forderung nach Tamil Eelam Ein geeigneter Ausgangspunkt zur Analyse der gegenwärtigen Lage des Minderheitsproblems ist der „Eelam" -Beschluß der Vereinigten Befreiungsfront der Tamilen. Gemeint ist der 1974 erfolgte Ruf nach einem unabhängigen Tamilenstaat Ideologisch wurde der Beschluß durch das Selbstbestimmungsrecht begründet. Auf der Gründungsversammlung der TULF wurde im Mai 1974 beschlossen, daß die Restauration und Rekonstruktion des unabhängigen, souveränen, säkularen, sozialistischen Staates Tamil Eelam auf der Grundlage des jeder Nation innewohnenden Rechts auf Selbstbestimmung nunmehr unerläßlich sei, um überhaupt die Existenz bzw. das Überleben der tamilischen Nation zu gewährleisten. Die ideologische Begründung verrät das Vorhandensein mehrerer Strömungen in der TULF, was natürlich ist, da es sich um eine Sammlungsbewegung handelt, die eine ganze „Nation" zu erfassen versucht. Einerseits ist von einem säkularen und sozialistischen Staat die Rede, andererseits aber wird versucht, bewußt an die Tradition des alten Tamilenreiches anzuknüpfen. Der Ruf nach „Eelam" bildete den Kernpunkt des Wahlprogramms der TULF im Jahre 1977. 2. Radikalisierung tamilischer Jugendlicher Diese Forderung wurde 1972 von der TUF erhoben und später von der TULF übernommen und öffentlich vertreten. Schon 1956 hatte eine kleine und unbedeutende Tamilen-gruppe einen unabhängigen Staat verlangt, wurde aber damals nicht ernst genommen. 1970 wurde dieser Gedanke von den Wählern abgelehnt, als eine Gruppierung unter der Führung des aus der FP ausgeschlossenen Abgeordneten Navaratnam ihn zum Mittelpunkt ihres Wahlprogrammes machte. Die Wende setzte nach den Wahlen von 1970 ein. Bald wurde klar, daß die Volksfront-Regierung ihre Wahlversprechen nicht einlösen konnte. Darüber war vor allem die jüngere Generation im Süden und Norden sehr enttäuscht; schließlich kam es im südlichen Teil der Insel im April 1971 zum Aufstand.

Im Norden kam dieser Prozeß etwas langsamer in Gang. Der unmittelbare Anlaß war die Einführung des Systems einer Vereinheitlichung der Bewertung und der Vergabe von Studienplätzen auf Distriktbasis. Diese Maßnahmen der Volksfront-Regierung wurden besonders von tamilischen Jugendlichen der Jaffna-Halbinsel als diskriminierend aufgefaßt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt begann die Radikalisierung tamilischer Jugendlicher, die bald konkrete Formen annahm und zur Bildung der „Liberation Tigers" und anderer radikaler Gruppen führte. Gemeinsam war der Ruf nach einem unabhängigen, sozialistischen Tamilenstaat im Norden und Osten. Diese Jugendbewegung war von Studenten organisiert und grenzte sich zunächst von der FP ab. Erst die gemeinsame Opposition aller Gruppen gegenüber der neuen Verfassung von 1972 hat sie zusammengeführt.

Die Haltung der TULF zu den seither erfolgten zahlreichen Sabotageakten, Banküberfällen, Polizistenmorden usw. war immer zwiespältig. Auf der einen Seite konnte sie sich nie ganz offen zu ihnen bekennen, andererseits hat sie sich bis Oktober 1981 nicht zu einer klaren Absage an die Terrorakte und zu einer Abgrenzung gegen die gewaltanwendenden radikalen Gruppen durchringen können — obwohl sie dazu mehrfach von der Regierung und anderen gemäßigten Kräften unter den Tamilen aufgefordert wurde. Erst Anfang Oktober 1981, als sie ihren Parlamentsboykott aufgab, hat sie die kurz zuvor vorgefallenen Gewalttaten im Norden unmißverständlich mißbilligt. Interessant ist, daß die jüngsten Entwicklungen 1982 und 1983 so interpretiert werden können, daß die TULF ihren Einfluß auf eher radikale tamilische Jugendgruppen völlig verliert und ihre Führungsspitze von diesen gleichermaßen wie die verhaßten Singhalesen bekämpft wird. Viele dieser Gruppen driften zunehmend ins terroB ristische Lager ab, da ihrer Ansicht nach keine Verständigung mit der Regierung mehr möglich erscheint. 3. Sozio-ökonomische Ursachen der Eliten-konkurrenz Es kann festgestellt werden, daß das bestehende sozio-ökonomische System insgesamt die Mehrheit wie auch die Minderheiten gleich behandelt und die Verteilungsmechanismen im großen und ganzen gleichmäßig angewendet werden. Insoweit kann von einer Minderheitenproblematik nicht gesprochen werden, da die Mehrheiten aller Bevölkerungsgruppen offenbar ähnliche Voraussetzungen haben, zumindest keine allzu großen Abweichungen bestehen. Auf der Ebene der Eliten der einzelnen Gruppen ist allerdings eine nicht unerhebliche Konkurrenz um die Spitzenpositionen der Gesellschaft festzustellen. Diese Auseinandersetzung wird durch ökonomische Faktoren verschärft. Die Entstehung einer modernen Volkswirtschaft in Sri Lanka hat seit Jahrzehnten die Tamilen begünstigt, die aufgrund ihrer Bildungsvorteile immer hochqualifizierte Fachkräfte auf allen Ebenen für die ökonomische Entwicklung bereitstellen konnten. Die Anwendung der „Sinhala Only" -Gesetze, die Ablösung des Englischen als Unterrichtssprache durch Singhalesisch, die Verteilung von Studienplätzen auf Regionalbasis und eine Bevorzugung von Singhalesen bei der staatlichen Einstellungspolitik haben einerseits die beruflichen Möglichkeiten der Tamilen eingeschränkt, andererseits allzu hohe Erwartungen bei den Singhalesen über künftige soziale Aufstiege geweckt. Diese politisch erzeugten Haltungen haben die Elitenkonkurrenz der Mittel-und Oberschichten wesentlich verschärft und stehen heute noch einer Verständigung entgegen. 4. Größe und Bedeutung der TULF Um die Stärke der TULF bewerten zu können, sei auf zwei Wahlergebnisse von 1977 und 1981 verwiesen, die ein sehr differenziertes Bild ergeben, das aber den schon weiter oben angeführten Erläuterungen entspricht. Auf der Jaffna-Halbinsel kam die TULF 1977 auf 71, 8% der abgegebenen Stimmen, im Restgebiet der Provinz auf 57, 7%. In der Ostprovinz konnte die Front nur 28% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Geht man von der Zahl der Wahlberechtigten in beiden Provinzen aus, so kommt man auf 42, 2% für die TULF. Da diese Partei die Forderung nach „Eelam" zum Kernpunkt ihres Wahlprogrammes machte, kann aus diesen Ergebnissen geschlossen werden, daß sie nur auf der Jaffna-Halbinsel einen ziemlich starken Rückgang hat. Die Ostprovinz hat 1977 den Gedanken eines unabhängigen Staates entschieden abgelehnt. Dabei war sicherlich von Bedeutung, daß unter den TULF-Kandidaten kein einziger Mohammedaner war. Der CWC (Organisation der südindischen Tamilen), anfangs eine Gruppe innerhalb der TULF, distanzierte sich vom „Eelam" -Gedanken und trat bei den Wahlen 1977 als eine eigene Organisation auf. Es ist jedoch anzunehmen, daß die Masse der Plantagenarbeiter ihre Stimmen für UNP-Kandidaten abgegeben haben. Für 1977 muß betont werden, daß der Gedanke eines unabhängigen Staates nur auf der Jaffna-Halbinsel starken Anklang fand.

1981 wandelte sich das Bild bei den Distrikt-wahlen. Aufgrund von gewissen Solidarisierungseffekten gelang es der TULF, auch in der Ostprovinz über 50% zu bekommen. Im Schnitt erreichte sie 68, 8%, der Stimmen, wobei sie in Jaffna bei fast 80% lag. Obwohl der „Eelam" -Gedanke bei diesen Regionalwahlen naturgemäß nicht die Rolle wie 1977 spielte, gingen doch alle Regierungskommentare nach den Wahlen hierauf ein. Es ist festzustellen, daß sich immer mehr Tamilen hinter den Ruf eines unabhängigen, sozialistischen Staates stellen, da diese Forderung nach wie vor Inhalt des TULF-Programmes ist und bislang nicht widerrufen wurde, wenngleich 1982 leicht abschwächende Modifikationen nicht zu verkennen sind.

Die Präsidentenwahl 1982 wurde von der tamilischen Bevölkerung des Nordens und Ostens weitgehend boykottiert. Die Wahlbeteiligung lag nur bei 25%. Das ebenfalls 1982 durchgeführte Referendum zur Verlängerung der Legislaturperiode des gegenwärtigen Parlaments um weitere sechs Jahre wurde in den tamilischen Distrikten überzeugend abgelehnt. 5. Weitere Forderungen der Tamilen über „Eelam" hinaus lassen sich weitere Forderungen der Tamilen folgendermaßen formulieren: 1. Vergabe von Studienplätzen auf der Basis erzielter Leistungen. Abschaffung der Studienplatzverteilung auf Distriktbasis. Abschaffung des Quotenprinzips, d. h. Verteilung von Studienmöglichkeiten nach dem An-37 teil der verschiedenen Gruppen an der Gesamtbevölkerung. 2. Abschaffung der diskriminierenden Praktiken im Bereich der Arbeitsplatzbeschaffung. Erhöhung der staatlichen Investitionsquoten. 3. Sicherung und Gewährleistung einer gleichberechtigten Stellung der tamilischen Sprache durch die Verfassung.

4. Schutz der traditionell tamilisch-besiedelten Gebiete gegen Neuansiedlung durch Singhalesen im Rahmen der landwirtschaftlichen Siedlungsprogramme.

5. Einführung regionaler Autonomie im Norden und Östen, um eine selbständige Entwicklung dieser Landesteile zu gewährleisten.

6. Sicherung der Grundrechte durch die Verfassung. Es ist nicht zu leugnen, daß die gegenwärtige Regierung zur Zeit einen ernsthaften Versuch macht, durch Gespräche mit den Tamilen zu einem Konsens zu kommen. Indes geht die Konfrontation zwischen den Ordnungskräften der Regierung und den radikalen Kräften unter den Tamilen der Halbinsel weiter.

Ende 1982 und Anfang 1983 stiegen terroristische Anschläge im Norden wieder stark an. Verschiedene Todesfälle waren auf beiden Seiten zu beklagen. Erstmals wurden auch TULF-Führer von radikalen tamilischen Gruppen bedroht. Präsident Jayawardene ließ jedoch, trotz aller Zwischenfälle und Provokationen, die Kontakte zur TULF-Führung nicht abbrechen. Es ist zum Dialog zwischen Regierung und Tamilen gekommen. Da über einige Punkte, die den Einsatz von Ordnungskräften im Norden und ihr brutales Vorgehen betreffen, Einigung erzielt werden konnte, hat die TULF ihren Parlamentsboykott, der 1981 für einige Monate stattfand, aufgegeben.

Die Regierung setzt auf die integrierende Kraft der Dezentralisierung, die dem Prinzip der Selbstverwaltung entspricht. Durch ein Programm regionaler wirtschaftlicher Entwicklung hofft man, die breite Masse der ländlichen Bevölkerung stärker als bisher am Entwicklungsprozeß zu beteiligen. Man verspricht sich, auf diesem Weg regionale Ungleichheiten abzubauen und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu fördern. Dieses Programm, an sich ein richtiger Schritt, ist jedoch von der finanziellen Unterstützung der Zentralregierung abhängig. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Zentralregierung bereit ist, Teile ihrer Souveränität aufzugeben. 6. Tamilen und Oppositionsparteien Heute bekennen sich die meisten Oppositionsparteien mit nennenswertem Anhang zum Selbstbestimmungsrecht der Tamilen. Alle sprechen sich jedoch auch gegen die Teilung des Landes und folglich gegen „Eelam" aus, obwohl viele das Recht auf einen unabhängigen Staat im Prinzip anerkennen. Sie weisen auf die Gefahr einer fremden Einmischung im Falle der Teilung des Landes hin. Die Oppositionsgruppen treten für regionale Selbstverwaltung der von Tamilen bewohnten Gebiete ein sowie für die verfassungsmäßige Anerkennung von Singhalesisch und Tamilisch als Nationalsprache. Vor allem weisen sie auf die entscheidende Rolle einer raschen wirtschaftlichen Entwicklung für die Lösung der Minderheitenproblematik hin.

Auch innerhalb der SLFP, zur Zeit in zwei Gruppen gespalten, ist eine gewisse Selbstkritik in der Tamilenfrage zu erkennen. Es sind jetzt mehrere Tamilen in den Führungsgremien der Partei und ihre führenden Vertreter haben von der Notwendigkeit gesprochen, die berechtigten Forderungen der Tamilen anzuerkennen. Darüber hinaus ist es aber zu keiner grundsätzlichen Änderung der bisherigen Linie gekommen. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, daß die SLFP Mitglied einer losen Allianz mehrerer Parteien ist, der die LSSP, die MEP, die CP, aber auch die TULF angehören. 7. Die Minderheitenfrage und Indien Die Minderheitenfrage des Landes hat eine internationale Dimension. Der Südküste Indiens vorgelagert, beträgt die Entfernung zwischen der Insel und Indien an der schmälsten Stelle nur 22 Meilen. Sri Lanka liegt strategisch im indischen Ozean am Schnittpunkt der Seewege zwischen Ost und West. Es steht außer Zweifel, daß die* Inselgeschichte in allen historischen Epochen stark von Indien beeinflußt wurde. Für die Beziehungen zwischen Indien und Sri Lanka nach der Unabhängigkeit spielte und spielt die Frage der Tamilen südindischer Herkunft eine bedeutende Rolle. Das Problem ist ein Stück kolonialer Vergangenheit. Heute leben auf der Insel etwa 1, 2 Mio. Tamilen südindischer Herkunft überwiegend in den Plantagengebieten des Hochlandes. In den Augen der singhalesischen Bauern stellten die Plantagenarbeiter als konkurrierende Gruppe eine zunehmende Bedrohung ihrer Interessen dar. Obwohl die Frage der Tamilen südindischer Herkunft Thema mehrerer Konferenzen zwischen Indien und Sri Lanka über ihren Status war, konnte in der Zeit vor der Unabhängigkeit keine Einigung erzielt werden. Ende der vierziger Jahre wurden im Parlament die Gesetze über die Staatsangehörigkeit verabschiedet. Diese hatten zur Folge, daß den Tamilen süd-indischer Herkunft die Bürgerrechte aberkannt wurden. In Sri Lanka ihrer Rechte beraubt, wurden die staatenlosen Tamilen auch von Indien abgewiesen. Obwohl die Gesetze die Möglichkeit vorsahen, die ceylonesisehe Staatsangehörigkeit zu beantragen, war es für die überwiegende Zahl der Betroffenen einfach unmöglich, die erforderlichen Beweise vorzulegen. Außerdem ging die Bearbeitung der gestellten Anträge sehr schleppend voran. Erst 1962 wurde die Bearbeitungsphase abgeschlossen. Von 800 000 Anträgen wurden nur 134 188 positiv beschieden und die Staatsangehörigkeit gewährt.

Dies war ungefähr die Lage, als sich 1964 Frau Bandaranaike und Lai Bahadur Shastri mit dem Staatenlosenproblem befaßten. Die Verhandlungen mit Indien führten zu einem Vertrag, nach dessen Bestimmungen von insgesamt 950 000 Staatenlosen ca. 300 000 Personen die ceylonesische Staatsangehörigkeit gewährt wurde. 522 000 wurden von Indien übernommen, umgesiedelt, und die indische Staatsangehörigkeit zugesprochen. Status und künftiges Schicksal der restlichen 150 000 Menschen sollten in einem zweiten Vertrag zwischen den beiden Regierungen behandelt werden. Für die Ausführung der im Vertrag enthaltenen Maßnahmen war eine Laufzeit von 15 Jahren vorgesehen. Trotz mancher Schwierigkeiten bei der Ausführung muß festgehalten werden, daß der Vertrag eine faire politische Lösung darstellt. Die Abmachung wurde 1974 durch einen Folgevertrag ergänzt. Es wurde vereinbart, daß von den restlichen 150 000 Personen in Sri Lanka 75 000 die ceylonesische Staatsangehörigkeit und die anderen 75 000 die indische erhalten.

Dieser Folgevertrag ist nach einer zweijährigen Verlängerung am 30. Oktober 1981 abgelaufen. Die Ausführung der darin vorgesehenen Maßnahmen ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Beide Regierungen sind nicht übermäßig an einer schnellen Lösung dieser Angelegenheit, die wohl die menschlich bedrückendste Seite der Minderheitenproblematik darstellt, interessiert. 8. Tamilenfrage und die Außenpolitik Sri Lankas Die Gegensätze zwischen Mehrheit und Minderheiten, insbesondere zwischen den Singhalesen und den Tamilen, haben auch eine nicht zu unterschätzende regionale und internationale Komponente, die in der Außenpolitik der Insel eine zunehmend größere Rolle spielt.

Im Regionalraum bestimmt dieser Konflikt sehr stark das Verhältnis zu Indien. Während des Krieges zwischen Indien und Pakistan im Jahre 1971, also zwischen zwei mit Sri Lanka befreundeten Nationen, versuchte der Inselstaat sich streng neutral zu verhalten. Da dieser Krieg durch die Unabhängigkeitsbestrebungen einer politischen Minderheit, der Ostbengalen, ausgejöst wurde, zur Teilung Pakistans und der Entstehung eines neuen Staates führte, was auch für Sri Lanka denkbar gewesen wäre, kam es fast zu einer Krise zwischen Indien und seinem südlichen Nachbarland. Andererseits bestehen aber auch in Indien seit langem Forderungen zur Erlangung größerer regionaler Autonomie. Die indische Zentralregierung kann sich deshalb keine unüberlegte Unterstützung ähnlicher Bewegungen im Ausland leisten.

Die verstärkten Aktivitäten tamilischer Exil-gruppen bereiten der Regierung zunehmend Sorge. Diese haben am 14. Januar 1982 in London einen unabhängigen „Eelam-Staat" ausgerufen und eine Exilregierung begründet. Mit diesen im Ausland operierenden Gruppen bestehen zahlreiche enge Verbindungen zu den terroristischen Tamilenorganisationen im Norden der Insel sowie zu dem militanten Flügel der TULF. Dies stellt die Regierung vor die Aufgabe, ihre Außenpolitik auf solche Entwicklungen einzurichten. Weiterhin wird von ihr mit Sorge die offenkundige Zusammenarbeit der tamilischen Untergrundgruppen mit internationalen Terroristenorganisationen betrachtet; sie fragt sich auch, woher die finanziellen Mittel und die modernen Waffen stammen. So gesehen berührt das Minderheitenproblem in Sri Lanka Aspekte des Ost-West-Konflikts im Indischen Ozean, und es scheint, daß es ein zunehmendes Gewicht in der internationalen Machtpolitik erhält.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Joerg Wolff, geb. 1948; Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg und der Volkswirtschaftslehre (Wirtschaftspolitik) an der Hochschule St Gallen; 1975— 1977 Verwaltungsreferent und Leiter des Direktionsstabes im Klinikum der Universität Heidelberg; ab 1978 Mitarbeiter (Verwaltungsdirektorium) im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg; seit 1979 Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sri Lanka; Regierungsberater für Reformen in der öffentlichen Verwaltung Sri Lankas, Beratungsaufgaben überregionaler Art im Bereich der öffentlichen Verwaltung.