I. Einleitung
1. Gesamtbeschäftigungszahl und Personalkosten Zu Beginn der achtziger Jahre sind im öffentlichen Dienst rd. 4, 5 Mio. Arbeitnehmer tätig, von denen 3, 85 Mio. Voll-und 650 000 Teilzeitbeschäftigte sind. Damit steht jeder fünfte Erwerbstätige in den Lohn-bzw. Gehaltslisten der öffentlichen Hand; der öffentliche Dienst ist hierzulande der größte Arbeitgeber. Im internationalen Vergleich steht die Bundesrepublik im Mittelfeld der entwickelten westlichen Industrienationen, in denen die Zahl der öffentlichen Bediensteten z. T. absolut und relativ stärker zugenommen hat. Von grundlegender und entscheidender Bedeutung ist der unterschiedliche Rechtsstatus der drei verschiedenen Arbeitnehmergruppen: Dualismus von privat-rechtlichem Arbeitnehmerstatus von Angestellten und Arbeitern und öffentlich-rechtlichem Dienstverhältnis der Beamten. Bei einer Unterscheidung nach diesen Statusverhältnissen ergibt sich, daß Beamte (einschl. Richter) mit ca. 1, 75 Mio. die größte Gruppe bilden; die Zahl der Angestellten beträgt 1, 6 Mio., die der Arbeiter rd. 1, 1 Mio. 1).
Durch die Beschäftigungs-, Tarif-und Besoldungspolitik von Bund, Ländern und Gemeinden fallen Entscheidungen, die für die gesamte Finanz-und Wirtschaftspolitik des Staates von entscheidender Bedeutung sind. Tarif-und Besoldungsverhandlungen haben damit in hohem Maße politische Auswirkungen. Dies gilt besonders in Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit und wachsender Staatsverschuldung.
Steigende Personalausgaben können den finanziellen und damit den politischen Gestaltungsspielraum der öffentlichen Haushalte beträchtlich einschränken, zumal weitere feste Ausgabenblöcke finanziert werden müssen (u. a. laufender Sachaufwand, Transferzahlungen an Individuen und Verbände sowie an das Ausland). Ein immer größer werdender Teil der öffentlichen Einnahmen muß für die Bezahlung des Personals verwendet werden und steht damit für andere Aufgaben (besonders öffentliche Investitionsvorhaben) nicht zur Verfügung: Der Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden ist von rund einem Viertel in den Anfangsjahren der Bundesrepublik auf rund 35 Prozent im Jahre 1980 gestiegen. In absoluten Ziffern ausgedrückt bedeutet dies, daß für Personalaufwendungen ca. 200 Mrd. DM ausgegeben werden müssen. Besonders stark betroffen mit knapp über 50 Prozent sind die Haushalte der Länder (einschließl. Stadtstaaten), die aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Aufgaben-verteilungen u. a. für den personal-und damit kostenintensiven Bereich „Bildungswesen (einschl. Wissenschaft, Forschung, kulturelle Angelegenheiten)" verantwortlich sind; die Quote beim Bund beträgt ca. 22 Prozent (vor allem für Verteidigungsverwaltung und militärisches Personal), die der Gemeinden/Gemeindeverbände rund 30 Prozent (besonders Gesundheitswesen und allgemeine Verwaltung) 2. Zusammenhang von Investitions-und Personalausgaben Der Investitionsanteil an den Gesamtausgaben ist in den vergangenen Jahren stark zurückgefallen. Der Zusammenhang von Personal-und Investitionsanteil an den Gesamtausgaben ist immer dann besonders wichtig, wenn starke Gehaltserhöhungen anstehen oder wenn öffentliche Investitionen zur Wiederbelebung der Konjunktur notwendig wären. öffentliche Ausgaben für Investitionen (in Form von Bauten, Grunderwerb, aber auch Beteiligungen und Darlehen) sind in den vergangenen Jahren keine Stütze der wirtschaftlichen Entwicklung gewesen. Die Gründe liegen vor allem darin, daß diese Ausgaben weniger als die meisten anderen gesetzlich oder tarifvertraglich geregelt sind und deswegen kaum politische Risiken auftreten, wenn sie bei einer angestrebten Ausgabenverminderung gekürzt oder verschoben werden. Vor allem die Bundesbank hat diesen Zusammenhang, der einer antizyklischen Finanzpolitik zuwiderläuft, wiederholt kritisiert.
Dieser Sachverhalt gilt vor allem für die Gemeinden, deren Investitionstätigkeit in der Vergangenheit erheblich beeinträchtigt worden ist. Die ihnen zufließenden Steuern nahmen wesentlich langsamer zu als die ihnen durch das föderalistische Prinzip zugewiesenen Aufgaben (vor allem im Infrastrukturbereich). Ihre Verschuldung ist daher stärker gestiegen als die des Bundes und der Länder. Fast 90 Prozent der gemeindlichen Ausgaben sind gesetzlich oder vertraglich festgelegt, so daß die Investitionskraft gerade in dem Bereich relativ schwach ist, der zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen erbringt.
Während der Investitionsbedarf ständig wuchs, nahm der für Investitionsvorhaben zur
Verfügung stehende Anteil kommunaler Mittel in den vergangenen Jahren immer mehr ab. Als Folge geringerer Steuereinnahmen, steigender Soziallasten und rückläufiger staatlicher Zuweisungen rechnen die Kommunen für das laufende Jahr mit einem weiteren Einbruch ihrer Investitionen; aus dem Gemeindefinanzbericht 1983 geht weiterhin hervor, daß die Städte und. Gemeinden ihre Ausgaben auf dem Stand von 1981 einfrieren müssen Die Bürger mußten, wie der Deutsche Städtetag es formulierte, im vergangenen Jahr „spürbare Einschränkungen bis hin zur Schließung von Kindergärten, Bibliotheken und Bädern hinnehmen"; auch in diesem Jahr müssen Gebühren „auf breiter Front" angehoben werden. Angesichts der konjunkturellen Situation und zunehmender Arbeitslosigkeit wären aber verstärkte Anstrengungen der Kommunen notwendig.
Im folgenden soll zwei Fragen nachgegangen werden: — Welche Maßnahmen können öffentliche Körperschaften ergreifen, um die einleitend skizzierte Entwicklung zu bremsen? Welche Mittel werden ihnen in der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion empfohlen und wie realistisch sind diese Vorschläge?
— Was tun die Gewerkschaften und Interessenverbände der im öffentlichen Dienst Beschäftigten, um die Interessen ihrer Mitglieder durchzusetzen bzw. zu schützen?
II. Handlungsalternativen von Bund, Ländern und Gemeinden
1. Neuverschuldung und Finanzausgleich Eingegrenzte Finanzspielräume wurden im öffentlichen Bereich im wesentlichen nicht ökonomisch, sondern politisch „angegangen". Zum einen können Bund, Länder und Gemeinden versuchen, Finanzierungslücken durch eine erhöhte Kreditaufnahme am Kapitalmarkt zu überbrücken; dies birgt allerdings die Gefahr einer inflationären Entwicklung in sich; zudem bestehen haushaltsrechtliche Einschränkungen der Kreditaufnahme. Insbesondere die Gemeinden haben sich wiederholt — im Rahmen ihrer begrenzten Zugangs-möglichkeiten — weitere Finanzmittel auf dem Kapitalmarkt beschafft: Der zur Aufgabenbewältigung (u. a. Schul-und Gesundheitswesen, Bau-und Wohnungsmarkt) notwendige Bedarf übersteigt ihre Finanzkraft bei weitem, und auch die Zuweisungen und Darlehen von Bund und Ländern können keinen Ausgleich bewirken.
Diese Strategie einer Neuverschuldung hatte in der Vergangenheit zunächst politisch wenig negative Folgen. Wichtige Zusammenhänge waren von der Öffentlichkeit kaum zu durchschauen; damit war die Wahrscheinlichkeit von Reaktionen gering. Langfristig allerdings treten erhebliche Probleme-auf: Wegen des hohen Niveaus der Neuverschuldung werden die Zins-und Tilgungslasten selbst dann noch steigen, wenn die Neuverschuldung langsam abnimmt. 1976 überschritt der Anteil der Zinsen an den Gesamtausgaben zum ersten Male die Fünf-Prozent-Grenze; seitdem hat er sich bei Bund, Ländern und Gemeinden auf diesem hohen Niveau gehalten. Folglich tritt eine zunehmende Konkurrenz mit der Erfüllung anderer Staatsaufgaben ein! Seit 1974 ist eine starke Erhöhung dieser über Kredite finanzierten Ausgaben festzustellen, welche allerdings nicht verhindern konnte, daß der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben zurückging; die Haushaltsstruktur hat sich zuungunsten der investiven Ausgaben verändert. In den vergangenen Jahren waren die Erhöhungen der Kreditaufnahme politisch kontrovers zwischenRegierungsparteien und Opposition upd ökonomisch zumindest nicht unumstritten.
Zum andern kann versucht werden, über den Finanzausgleich, durch Änderung der Finanzausgleichsgesetze also, mehr Mittel zu beschaffen, worum sich u. a.der Deutsche Städte-und Gemeindebund wiederholt bemüht hat. Im Rahmen des Finanzausgleichs zwischen Bund, Ländern und Gemeinden erfolgt eine Umverteilung des Steueraufkommens, von der im wesentlichen die Gemeinden profitieren. Für diese stellen Zuschüsse (im Rahmen der sogenannten Gemeinschaftsaufgaben und Konjunkturprogramme) eine wichtige Einnahmequelle dar. Länder und vor allem Kommunen verfügen damit über eine Strategie, die der Bund nicht einschlagen kann: Sie können — ohne Änderung der Steuersätze — einen Mehraufwand ausgleichen, wenn es ihnen gelingt, zusätzliche Umverteilungen durchzusetzen. Dieser in der Vergangenheit mehrfach beschrittene Weg ist in der augenblicklichen Situation allerdings verschlossen. 2. Preis-und Steuererhöhungen Öffentliche Körperschaften können zusätzliche Personalkosten häufig nicht durch Preis-erhöhungen auf die Verbraucher abwälzen, was private Unternehmen oft vermögen. Diese Unmöglichkeit einer Überwälzung gilt bis zu einem gewissen Grad selbst für staatlich festgesetzte Preise, da deren Erhöhung das politisch hoch eingestufte Ziel eines (relativ) stabilen Preisniveaus weiter gefährden würde. Staatlich regulierten Preisen wird in der Offentlichkeit eine große Bedeutung beigemessen, die ihrer tatsächlichen Wichtigkeit für die Entwicklung des Preisniveaus nicht unbedingt zu entsprechen braucht.
Preiserhöhungen werden im öffentlichen Bereich nicht vermieden, weil in diesem Fall — wie in der Privatwirtschaft — die Nachfrage zurückgehen würde, sondern weil die Regierung politische Folgen befürchtet: Da die verantwortlichen Politiker aus Gründen der Wiederwahl Stimmenkalküle anstellen, sind sie bemüht, mögliche Stimmverluste bei der nächsten Wahl zu vermeiden.
Auch eine Steuererhöhung scheidet aus dem genannten Grund des Stimmenkalküls häufig aus. Im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung verfügt vor allem der Bund über diese Möglichkeit, während die Länder weitgehend und die Gemeinden vollständig von der Gesetzgebungshoheit über Steuern ausgeschlossen sind. Besonders den Gemeinden ist damit die Strategie einer Steuererhöhung nicht nur aus politischen, sondern auch aus rechtlichen Gründen genommen. Die Kommunen können lediglich Gebührenerhöhungen vornehmen (direkte marktähnliche Entgelte z. B. bei Schwimmbädern, Kindergärten, Kindertagesheimen, Volkshochschulen, Theatern, Museen), was seit einiger Zeit auch allerorten geschieht Weiterhin können sie die Hebe-sätze für die Gewerbesteuer erhöhen, was gegenwärtig überall diskutiert und in manchen Städten auch praktiziert wird. Diese Maßnahme wirft aus konjunkturellen Gründen jedoch erhebliche Probleme auf.
Falls der Bund eine Steuererhöhung im politischen Kräftespiel überhaupt durchsetzen kann, tritt ein weiteres Problem auf, da Steuererhöhungen in ihren Wirkungen nicht neutral sind; sondern ganz bestimmte Gruppen besonders benachteiligen: Wer soll zur Finanzierung des Mehraufwands herangezogen werden? Eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, die nicht zurückgezahlt wird, bezieht lediglich die besser Verdienenden in die Verteilung der Lasten ein; wenn steuerpflichtige Jahreseinkommen ab 50 000 DM (bei Ledigen) bzw. 100 000 DM (bei Verheirateten) einbezogen werden, sind ca. eine Mio. Arbeitnehmer betroffen. Demgegenüber trifft eine Erhöhung der Mehrwertsteuer alle großen Gruppen. Zur Erinnerung: Seit 1977 ist der Anteil der MWS am gesamten Steueraufkommen von rund 21 auf knapp 27 Prozent gestiegen. Ihre nächste Erhöhung (von 13 auf 14 Prozent) tritt zum 1. Juli 1983 in Kraft. Außerdem ist zu beachten, daß der Staat mit seiner Entscheidung über die Steuerquote zu-B gleich die Gewinnmöglichkeiten der Unternehmen und die (Netto-) Einkommen der privaten Haushalte steuert; damit beeinflußt er auch die Investitionsneigung und die Sparfähigkeit 3. Mechanisierung und Rationalisierung Es bleiben einige Alternativen übrig, die den öffentlichen Arbeitgebern immer wieder als mögliche Reaktionen auf Kostensteigerungen empfohlen werden. Unerwünschte politische Folgen in Form von Stimmverlusten bei der nächsten Wahl sind im Gegensatz zu den bisher genannten Maßnahmen hierbei kaum zu erwarten.
Eine Verminderung der Personalkosten kann versucht werden durch die beschleunigte Einführung arbeitssparender Technologien bzw. durch beschleunigten technischen Fortschritt. Seit einer Reihe von Jahren werden Überlegungen zur Mechanisierung und Rationalisierung in öffentlichen Verwaltungen angestellt, wobei u. a. die Verwendung von EDV-Anlagen eine wichtige Rolle spielt. Rationalisierungsmaßnahmen konzentrieren sich auf — staatliche und kommunale Wirtschaftsunternehmen, — kommunale Gemeinschaftsdienste, — die Verteidigungsverwaltung des Bundes. Neben der Modernisierung in der öffentlichen Verwaltung sind auch im Bereich der öffentlichen Betriebe solche Möglichkeiten vorhanden (besonders Versorgungsbetriebe, Verkehrsbetriebe, Betriebe zur Pflege, Wartung und Instandhaltung öffentlicher Anlagen und Einrichtungen).
Ein beträchtlicher Teil der Personalausgaben konzentriert sich allerdings in bestimmten Dienstleistungsbereichen, in denen Rationalisierungsmaßnahmen enge Grenzen gesetzt sind (u. a. Polizei, Kultusbereich). Zudem sind Produktivitätsfortschritte im gesamten Dienstleistungsbereich eher gering; das Aufspüren bislang ungenutzter Kapazitäten erweist sich im öffentlichen Dienst als außerordentlich schwierig. Eine solche „kostenorientierte Modernisierung" kann schließlich zu erheblichen Konflikten zwischen den Interessenorganisationen der Betroffenen und den öffentlichen Arbeitgebern führen 4. Einstellungsstopp Weiterhin kann versucht werden, durch einen teilweise oder völligen Einstellungsstopp eine Drosselung des Personalanstiegs zu erreichen oder die Beschäftigtenzahl sogar leicht zu senken. Hierbei wird ein normaler Fluktuationsverlust vorausgesetzt, der besonders durch Pensionierungen verursacht werden soll (sogenannter natürlicher Abgang). Aber auch diese Alternativen sind auf die Dauer nicht sehr erfolgversprechend: Beim absoluten Einstellungsstopp ist die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht mehr von politischen und gesetzlichen Erfordernissen abhängig, sondern von reinen Zufälligkeiten. Auch bei der sachlich häufig wenig gerechtfertigten Taktik der gezielten Nichtwiederbesetzung freiwerdender Stellen wird die Wirkung auf den Gesamtpersonalstand leicht überschätzt. Die Möglichkeit, auf diesem Wege verborgene Personalreserven aufzudecken, wird im Laufe der Zeit immer geringer und dauernd schwieriger. Ein undifferenzierter Einstellungsstopp — wie er zur Zeit immer wieder empfohlen und in einigen Bundesländern auch praktiziert wird — ist noch lange kein Rezept für Haushaltssanierung, zumal er auf Dauer wahrscheinlich zu einer Leistungsverschlechterung führt.
Schließlich trat in den vergangenen Jahren der Staat eine Einschränkung der Personalkosten auch aus einem anderen Grund nicht durch eine Politik des Personalabbaus erzielen: Im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern garantiert er seinen Beschäftigten die Arbeitsplätze weitgehend: Für Beamte gilt im Rahmen der sogenannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums das Lebenszeitprinzip; Angestellte und Arbeiter sind gemäß. Bundesangestellten-Tarif (BAT) nach 15 Dienstjahren und frühestens mit Vollendung des 40. Lebensjahres unkündbar. — Sogar die einfache Umsetzung von Personal scheitert häufig an erworbenen Rechtsansprüchen. Zumindest in Zeiten einer hohen Beschäftigungslosigkeit kann der Staat keine Erhöhung der Arbeitslosenquote durch Entlassungen seinerseits zulassen, da er durch seine (Wirtschafts-) Politik u. a. für ein hohes Beschäftigungsniveau zu sorgen hat. 5. Privatisierung Eine Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen mit dem Ziel einer Verkleinerung des öffentlichen Finanzbedarfs wurde in den letzten Jahren verschiedentlich vorgeschla37 gen. Solche Maßnahmen durchsetzen wollen u. a.
— CDU/CSU und Teile der FDP, — Bund der Steuerzahler und Zentralverband des Deutschen Handwerks, — der wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Finanzen und der Sachverständigenrat
Schließlich trat in den vergangenen Jahren auch der Bundesinnenminister bei Haushalts-einsparungen eher für eine Einschränkung der Staatsaufgaben ein als für einen Besoldungs-oder Beförderungsstopp.
Auch diese Alternative ist jedoch wenig erfolgversprechend, zumal sozial schwache Gruppen von solchen Leistungen ausgeschlossen würden, wenn bei der Notwendigkeit einer kostendeckenden Produktion im privaten Bereich Preissteigerungen eintreten. Erhalten bleiben müßte auch die Qualität der Leistungen sowie das flächendeckende und dauernd erbrachte Angebot. Wie die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, sind einer Privatisierung allenfalls bestimmte öffentliche Aufgaben im Rahmen der Versorgungsund Entsorgungsleistungen zugänglich. Diese werden aufgrund der zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bestehenden Aufgabenverteilung auf kommunaler Ebene erfüllt (besonders Müllabfuhr, Schlachthöfe, Wasser-und Energieversorgung, Personennahverkehr, Wohnungsvermittlung).
Die überwiegende Mehrzahl der in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren neu eingerichteten Stellen befinden sich jedoch in Leistungsbereichen, die für eine Privatisierung denkbar ungeeignet sind: Bildung, Sozial-und Gesundheitswesen, innere und äußere Sicherheit. Weiterhin müssen soge-nannte hoheitliche Aufgaben wegen entsprechender Regelungen im Grundgesetz (Art. 33 IV) auf jeden Fall von staatlichen Instanzen wahrgenommen werden. Forderungen nach Privatisierung stoßen also nicht nur auf politische, sondern auch auf verfassungsrechtliche Grenzen. Hinzu kommt, daß ein Personalabbau auch politisch kaum zu verantworten wäre, da er zu einer Erhöhung der Arbeitslosenquote führen würde. Schließlich lehnen auch die DGB-Gewerkschaften des öf-fentlichen Dienstes — nicht hingegen der DBB — Privatisierungsmaßnahmen kompromißlos und entschieden ab, so daß ähnlich wie bei der „kostenorientierten Modernisierung" erhebliche Konflikte'auftreten würden. Zudem besteht das Problem, daß gerade die wenigen gewinnträchtigen Bereiche der öffentlichen Dienstleistungspalette am ehesten privatisierungsfähig wären.
Durchgeführte Untersuchungen behaupten zwar gelegentlich Kostenvorteile bei privater Erstellung; die Aussagefähigkeit solcher Vergleichsstudien ist allerdings begrenzt Weiterhin bleibt zu fragen, ob die (höheren) Kosten bei Produktion im öffentlichen Bereich nicht durch gemeinwirtschaftliche Auflagen (mit-) verursacht werden. Schließlich muß auch beachtet werden, daß häufig die im öffentlichen Bereich erstellten Dienstleistungen erst die für die Privatwirtschaft notwendigen Rahmenbedingungen schaffen: Der öffentliche Dienst hat sich zu einem wichtigen Bestandteil der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Infrastruktur gewandelt. 6. Was tun?
Bei den genannten Reaktionsmöglichkeiten der öffentlichen Arbeitgeber auf Kostensteigerungen stellt sich die wichtige Frage: Werden nicht die dem politischen Willensbildungsprozeß ausgesetzten Grundsatzentscheidungen von Regierung und Parlament gerade durch die Verwirklichung solcher Maßnahmen beeinträchtigt? Sind nicht die Stellenvermehrungen in den entscheidenden Bereichen (besonders Bildung und Ausbildung, Polizei, Verteidigungsverwaltung, Gesundheitswesen) durch (ordnungs-) politische Entscheidungen der Parlamente — und damit indirekt der Mehrheit der Wähler — bedingt? Eine Verkleinerung des staatlichen Aufgabenkatalogs in einem quantitativ bedeutenden Ausmaß ist politisch nicht durchsetzbar und auch nicht unbedingt wünschenswert: Eine wirksame Verminderung von Personal dürfte ohne Reduzierung der staatlichen Aufgaben wenig realistisch sein; die Möglichkeit, Aufgaben abzugeben, ist wegen des Sozialstaatsgebots vergleichsweise bescheiden.
Die Personalausgaben, deren Anteil an den Gesamtkosten im öffentlichen Dienst größerS. ist als in der Privatwirtschaft, stellen den größten Ausgabenblock innerhalb der öffentlichen Haushalte dar. In der hitzigen öffentlichen Diskussion wird jedoch häufig übersehen, daß diese Tatsache weitgehend durch den Charakter der angebotenen Güter und Dienstleistungen bedingt wird: Ein hoher Anteil der Personalkosten ist gewissermaßen ein typisches Merkmal im gesamten Dienstleistungsbereich und damit auch von öffentlich erbrachten Dienstleistungen.
Aus den bisherigen Ausführungen sollte nun freilich nicht der Schluß gezogen werden, daß die öffentlichen Arbeitgeber gar nichts tun könnten. Sie werden in den kommenden Jahren aus mehreren Gründen bei den Personalkosten ansetzen müssen (u. a. bei Ministerialund Dienstalterszulagen, Beihilferegelungen, Zusatzversorgung bei Angestellten und Arbeitern, Arbeitsmarktabgabe für Beamte, Begrenzung der Gehalts-bzw. Lohnerhöhungen). Zum einen sind, wie eingangs skizziert, die Ausgaben für Investitionen bereits so entscheidend reduziert worden, daß weitere Kürzungen immer schwieriger werden; zum andern ist wegen des hohen Anteils der Personal-an den Gesamtausgaben eine Begrenzung mittelfristig unumgänglich.
III. Zu Strategie und Einflußmöglichkeiten der Verbände
1. Die Besoldungsvorstellungen der Dach-verbände Die beiden Dachverbände sind: Deutscher Beamtenbund (DBB) mit mehr als 820 000 Mitgliedern und Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) mit ca. 850 000 beamteten Mitgliedern in sieben der insgesamt 17 Industriegewerkschaften (vor allem Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands — GdED, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft — GEW, Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr — ÖTV, Gewerkschaft der Polizei — GdP, Deutsche Postgewerkschaft — DPG). Durch den Wettbewerb der Beamten-verbände ergibt sich eine Situation, die in anderen Bereichen — mit zumeist monopolisierten Interessenvertretungen wie bei privaten Arbeitgeberverbänden und der Landwirtschaft — kaum anzutreffen ist und die als untypisch für die bundesrepublikanischen Verhältnisse anzusehen ist: Zwei ungefähr gleich starke Spitzenverbände stehen sich gegenüber. Insgesamt handelt es sich im Besoldungsbereich um eine sowohl theoretisch interessante als auch praktisch wichtige Variante der Interessenvertretung von Arbeitnehmern: An die Stelle der Einflußnahme durch Tarifverhandlungen, wie sie für die Privat-wirtschaft und den Tarifbereich des öffentlichen Dienstes typisch sind, tritt im Besoldungsbereich der Lobbyismus der Beamten-verbände, d. h. die Beeinflussung der einkommenspolitischen Entscheidungen politischer Instanzen (Regierung und Parlament).
Die Vorstellungen der Dachverbände über Besoldungsforderungen sind normalerweise recht ähnlich. Der DGB betrachtet jedoch Tarif-und Besoldungsrunden als Einheit, d. h. er ist konkret daran interessiert, daß Beamte auch von der Entlohnung her wie Angestellte und Arbeiter behandelt werden. Dieses Konzept impliziert die Übertragung der Tarifverhandlungsergebnisse in gleicher Höhe und zum selben Zeitpunkt in die Gesetzentwürfe über Besoldungserhöhungen. Weiterhin hat der DGB mehrfach gefordert, strukturelle Verbesserungen der unteren Beamtengehälter, d. h. beim einfachen Dienst, vorzunehmen. Der DBB dagegen betont die Eigenständigkeit der Besoldung gegenüber der Tarifpolitik, indem er den Sonderstatus seiner Mitglieder betont. Diese Vorstellung manifestiert sich u. a. darin, daß verschiedentlich Erhöhungen gefordert werden, welche über die Abschlüsse im Tarifbereich hinausgehen. Bei einem puren Nachvollzug des Tarifabschlusses wird nach DBB-Auffassung das zuständige Parlament seines Einflusses auf die Besoldung beraubt.
Zwischenverbandliche Konflikte entstehen weiterhin dadurch, daß der DGB im Besoldungsbereich — ähnlich wie die DGB-Gewerkschaften im Tarifbereich — in den siebziger Jahren häufig eine Nivellierungspolitik verfolgt hat, welche sich in Forderungen nach Sockel-bzw. Mindestbeträgen und nach Kappungsgrenzen niederschlug. Diese Strategie ist auf wachsenden Widerstand des DBB gestoßen, der eine derartige Besoldungspolitik mit der Begründung ablehnt, daß diese dem Leistungsprinzip zuwiderlaufende Regelung mit den Grundsätzen des Beamten-und Besoldungsrechts nicht zu vereinbaren sei. Statt dessen fordert der DBB rein lineare Erhöhungen; er vertritt damit eine ähnliche Position wie die Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG) bzw. wie die Tarifgemeinschaft für Angestellte im öffentlichen Dienst, die innerhalb des Tarifbereichs an den Kollektivverhandlungen beteiligt sind.
Diese unterschiedlichen Forderungsstrukturen sind der folgerichtige Ausdruck allgemeiner Positionen der Dachverbände: Während der DGB die Einheit von Arbeitern, Angestellten und Beamten bzw. die Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes durchsetzen will, votiert der DBB für einen Sonderstatus des Berufsbeamtentums. 2. Einflußnahme durch Interessenverbände Gesetzlich vorgeschriebene Partizipationsrechte
Da die Beamtenorganisationen die Interessen ihrer Mitglieder nicht über Tarifverhandlungen, d. h. mit Hilfe von Streikdrohungen und Streiks, durchsetzen können, wird eine Einflußnahme durch lobbying um so wichtiger. Eine Möglichkeit, und zwar die formal-juristische, besteht darin, daß die Beamtenverbände über in den Beamtengesetzen verankerte Anhörungsrechte bei den öffentlichen Arbeitgebern verfügen, welche ihnen Möglichkeiten der Einwirkung und Einflußnahme bei einer ganzen Reihe für sie wichtiger Probleme eröffnen: Bei der Vorbereitung von Besoldungsneuregelungen ist ebenso wie bei anderen Gesetzesänderungen die Anhörung der Beamtenverbände durch das Bundesinnenministerium erforderlich, das im gesamten Verfahrensverlauf eine zentrale Position einnimmt. Diese Spitzenorganisationen haben damit ein Recht vollständig erreicht, welches die Politik vieler Verbände anstrebt, nämlich die gesetzliche Garantie einer Anhörung bzw. eine Institutionalisierung der Interessenvertretung. Die Interessenorganisationen der Beamten brauchen im Gegensatz zu anderen Verbänden nicht von sich aus aktiv zu werden, sondern die Bundesregierung ergreift die Initiative, indem sie zu Gesprächen einlädt. Andere
Verbände verfügen nicht über derartige Rechtsansprüche wie die Beamtenorganisationen. Diese aus beamtenrechtlichen Besonderheiten sich ergebenden Regelungen finden ihr Pendant in allgemein gültigen Vorschriften der Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) der Bundesministerien, welche die Beziehungen zwischen Ministerien und Verbänden umfassend festlegt. § 23 GGO besagt, daß die Ministerien bei der Ausarbeitung von Gesetzesinitiativen Vertreter von sachlich interessierten Spitzen-und Dachverbänden hinzuziehen können.
Das Resultat dieser beamtenspezifischen und allgemeinen Regelungen ist die Institutionalisierung des Verbandseinflusses innerhalb des politischen Entscheidungssystems in Verbindung mit einer Konzentration des Verbands-wesens und einer Privilegierung der Groß-bzw. Dachverbände, die damit eine ähnliche Sonderstellung genießen wie die Tarifpartner des privaten Sektors bzw. die Gewerkschaften im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes. Durch die bestehende Rechtsordnung werden den Dachverbänden institutionalisierte Formen der Einflußnahme im Rahmen des politisch-administrativen Systems eröffnet. Informelle Treffen zur Vorbereitung der eigentlichen Beteiligungsgespräche haben die Aufgabe, Meinungen und Vorstellungen der Beamtenverbände bereits frühzeitig in Erfahrung zu bringen. Danach leitet die Bundesregierung den von Beamten der Ministerialbürokratie vorbereiteten Gesetzentwurf, der als Grundlage der Beteiligungsgespräche anzusehen ist, den Spitzenverbänden zwecks Stellungnahme zu. An den verbandsinternen Abstimmungen werden innerhalb des DGB auch diejenigen Einzelgewerkschaften beteiligt, welche Beamte organisieren. Innerhalb des DBB formuliert der Hauptvorstand die Forderungen. Anschließend finden einmal oder mehrfach Beteiligungsgespräche statt, welche zu Revisionen (innerhalb) des Gesetzentwurfes führen können. Es ist im übrigen durchaus üblich, daß die offizielle Anhörung der Beamten-vertretungen vor Abschluß der Tarifverhandlungen stattfindet, und der Innenminister auf der Basis seines Angebots in den Tarifgesprächen Vorschläge für die Besoldungsregelung unterbreitet.
Der nächste Verfahrensschritt ist die Abstimmung der beteiligten Ministerien sowie die Entscheidung des Kabinetts über den (geänB derten) Gesetzentwurf. Anschließend muß — wie bei allen zustimmungspflichtigen Gesetzen — zunächst der Bundesrat über die Kabinettsvorlage beschließen, über deren Inhalt die Länder schon vorab orientiert worden sind. Die Zustimmung des Bundestages ist im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens auf jeden Fall erforderlich. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß die Besoldungsgesetze in jedem Fall der Zustimmung der Ländervertretung bedürfen, welche die Gesetz-entwürfe in bezug auf Länderkompetenzen, finanzielle Konsequenzen und administrative Praktikabilität überprüft.
Es besteht weitgehend Konsens daß die Beteiligungsgespräche faktisch durchaus Verhandlungscharakter haben: Die Beamtenverbände stellen wie die Gewerkschaften Forderungskataloge auf, die Diskussion wird partiell auch öffentlich geführt, die Politiker können wegen des von ihnen angestellten Stimmenmaximinierungskalküls Forderungen in aller Regel nicht pauschal zurückweisen.
Tatsächliche Partizipation Die Interessenorganisationen verfügen über kein institutionalisiertes Partizipationsrecht bei den beschlußfassenden Gremien Bundesrat und Bundestag, d. h. ihre formalen Beteiligungsrechte beschränken sich auf die Phase der Gesetzesvorbereitung. Diese juristische Regelung bedeutet jedoch nicht, daß später keinerlei Einflußchancen mehr bestehen; neben den durch die Rechtsordnung gesetzten formalen Rahmenbedingungen sind weitere Faktoren zu benennen, um den tatsächlichen Einfluß dieser Interessengruppen im politischen System bestimmen zu können.
Informelle Kontakte zu einzelnen Parlamentariern sind häufig und werden dadurch erleichtert, daß der Anteil der öffentlich Bediensteten an den Parlamentsmitgliedern überproportional hoch ist; er hat sich seit 1949 dauernd erhöht und liegt gegenwärtig bei über 40 Prozent Weiterhin ist in diesem Zusammenhang die Tatsache wichtig, daß öffentlich Bedienstete nicht nur im Parlament die größte interfraktionelle Gruppe bilden, sondern auch in den politischen Parteien maßgeblich an der Willensbildung beteiligt und überproportional häufig deren Funktionsträger sind.
Die skizzierte Verbeamtungstendenz hat Auswirkungen auf den parlamentarischen Willensbildungs-und Entscheidungsprozeß; sie setzt sich gewissermaßen automatisch in den Ausschüssen fort; vor allem dem Innenausschuß kommt hier eine besondere Bedeutung zu, da er für Beamtenfragen zuständig ist. Einerseits bedarf es dieser Experten und ihres Fachwissens, um Durchsetzungsstrategien für politische Programme zu entwerfen und das Steuerungspotential zu erhöhen; andererseits kann gerade in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden, daß etwa in Parlamentsvorlagen spezifische Gruppeninteressen eingehen, die als solche kaum noch erkennbar sind, da sie häufig in einer sachlich-objektiven „Verkleidung" erscheinen.
Der Einfluß der Ministerialbürokratie besteht sowohl im Prozeß der Gesetzesvorbereitung als auch bei deren Durchführung. In unserem Fall ist die Tatsache von Bedeutung, daß die Angehörigen der Ministerialbürokratie ebenfalls Beamte sind und insofern den Interessen dieser Statusgruppe wohlwollend gegenüberstehen, d. h. nicht als interessenneutrale Instanz, sondern als pressure group in eigener Angelegenheit angesehen werden können. Die Beamtenverbände stehen damit kaum vor dem für die übrigen Verbände typischen Problem, ihren Vertretern einen gesicherten Zugang zu den parlamentarischen Entscheidungsträgern verschaffen zu müssen.
Weiterhin dienen Gespräche der Verbands-funktionäre mit Spitzenpolitikern — etwa dem Bundeskanzler — der Interessendurchsetzung. Auch öffentliche Appelle bzw. Briefe oder Telegramme an verantwortliche Politiker und an die Bundestagsfraktionen mit der Aufforderung, bestimmten Regelungen zuzustimmen bzw. günstigere zu beschließen, gehören zum Interventionsinstrumentarium. Die schriftliche Form der Kommunikation wird vor und nach Beteiligungsgesprächen, aber auch unabhängig von diesen praktiziert, um eigenen Vorstellungen zum Durchbruch zu verhelfen
Insgesamt ergeben sich nicht nur bei der Vorbereitung und Beratung der Gesetzesvorlagen, sondern auch bei der Formulierung der Endfassung und bei der parlamentarischen Entscheidung Möglichkeiten der Beeinflussung, die formaler und/oder informeller Natur sind. Zwar handelt es sich rein juristisch lediglich um ein Konsultations-und Anhörungsrecht ohne Zustimmungserfordernisse bei der Gesetzesvorbereitung; tatsächlich sind jedoch wesentlich weitergehende Einflußnahmen der Interessenverbände festzustellen 12).
Da im öffentlichen Dienst überwiegend politische Mechanismen Steuerungsfunktion übernehmen, während in der Privatwirtschaft eher Marktmechanismen wirksam sind, ist diese Einflußnahme durch lobbying überaus effektiv im Sinne der sie einsetzenden Gruppe. Mit anderen Worten: Konflikte im Besoldungsbereich werden nicht wie in der Privatwirtschaft und im Tarifbereich des öffentlichen Dienstes von tarifpolitischen Machtpositionen her ausgetragen, d. h. unter Einsatz von Streik und Streikdrohung bei der institutioneilen Voraussetzung von Tarifautonomie, sondern eher mit politischen Mitteln wie lobbying durch Interessenorganisationen.
Gruppenspezifische Verbesserungen Bisher sind ausschließlich die formalen und informellen, den Dachverbänden zur Verfügung stehenden Einflußmöglichkeiten analysiert worden, die von besoldungspolitischer Bedeutung für die Gesamtgruppe der Beamten sind. Darüber hinaus gibt es wichtige, auf einzelne Gruppen innerhalb der Beamtenschaft gerichtete Möglichkeiten von Einflußnahmen. Hierbei sind vor allem die betreffenden Berufsverbände von Bedeutung, deren Aktivitäten häufig von den Spitzenorganisationen koordiniert werden.
Im öffentlichen Sektor wurden kollektive Statuspassagen vorgenommen, die sogar häufig individuelle Höhergruppierungen dominierten: Einzelne Lehrergruppen gelangten in mehreren Bundesländern aus der Besoldungsgruppe A 11 nach A oder von A 12 nach A 13, verschiedene Gruppen von Polizeibeamten wurden in bestimmten Bundesländern höhergestuft, gleiches galt für Absolventen der Höheren Technischen Lehranstalten sowie bei kommunalen Neugliederungen; Finanz-richter wurden automatisch mit den Dienstjahren von A 13 bis A 16 durchgestuft. Auch die infolge der Besoldungsneuregelungsgesetze geschaffenen spezifischen Verbesserungen der Stellenkegel für Beamte in Sonderlaufbahnen stellten derartige Strukturverbesserungen dar.
Zu den strukturellen Verbesserungen gehörten neben kollektiven Statuspassagen ohne faktische Änderung der Tätigkeitsinhalte auch Anhebungen bei der Dienstpostenbewertung, schnellere Beförderungen, Dienstalterzulagen, Familien-und Sozialzuschläge. Sie waren neben den regulären Tarif-bzw. Besoldungserhöhungen und der Zunahme von Planstellen, d. h.der Personalentwicklung, sogar die dritte entscheidende Determinante der Einkommensentwicklung im öffentlichen Dienst.
Derartige strukturelle Verbesserungen wurden in aller Regel getrennt von Tarif-und Besoldungserhöhungen durchgeführt. Sie blieben daher in der Öffentlichkeit entweder weitgehend unbemerkt oder wurden erst im nachhinein erkannt. Die aus den verschiedenen Strukturverbesserungen für die öffentlichen Haushalte sich ergebenden Konsequenzen infolge zusätzlich zu Tarif-und Besoldungszuwächsen entstehender Kosten wurden kaum erwähnt, so daß in der Öffentlichkeit leicht unzutreffende Vorstellungen über das tatsächliche Ausmaß von Einkommensverbesserungen hervorgerufen wurden.
Wegen dieses geringen Grades an Offenheit bzw. wegen des Mangels an Transparenz in der Personalkostenentwicklung war es andeB rerseits für die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) einfacher, derartige Verbesserungen zu ermöglichen, als Besoldungserhöhungen zuzugestehen, deren Publizität beachtlich war. Da ein überschreiten der vom Staat etwa im Jahreswirtschaftsbericht anvisierten gesamtwirtschaftlichen Orientierungsdaten gerade im öffentlichen Dienst von erheblicher Signalwirkung für die Privatwirtschaft gewesen wäre, boten sich indirekt-strukturelle Verbesserungen an, um Forderungen der Interessenverbände zu erfüllen, ohne negativ wirksam werdende Signale für die Lohnentwicklung in der Privatwirtschaft zu setzen.
Die Verbesserung des materiellen Status einzelner überschaubarer Gruppen hatte regelmäßig entsprechende Forderungen vergleichbarer anderer Besoldungsgruppen oder Lauf-bahnen zur Folge, die mit Gerechtigkeitsargumenten operierten bzw. Gleichbehandlung durch Wiederherstellung der ursprünglichen Abstände forderten. Es entstand eine Sogwirkung, die von den Interessenverbänden zur Durchsetzung weiterer Forderungen genutzt wurde Dieser Trend wurde dadurch verstärkt, daß der Anteil der öffentlich Bediensteten an den Mitgliedern aller westdeutschen Parlamente überdurchschnittlich hoch ist, wodurch ein nachdrücklicher Widerstand gegen Stellenanhebungen und ähnliche Verbesserungen, d. h. gegen Forderungen des eigenen Berufsstandes, verhindert oder zumindest erschwert wird.
Das wesentliche Resultat der beschriebenen Entwicklung ist die Wandlung des Stellenkegels innerhalb der vier Laufbahnen des einfachen, mittleren, gehobenen und höheren Dienstes in eine Zwiebel, d. h. eine zunehmende personelle Verdichtung in den jeweils höchsten Laufbahnstufen. Dieser Trend der sogenannten qualitativen Überbesetzung, der vom quantitativen einer puren Stellenvermehrung unterschieden werden muß, ist nicht nur beim Bund, sondern auch bei den Ländern und Gemeinden festzustellen. Diese Entwicklung ist vor allem im Besoldungsbereich eingetreten, aber auch im Tarifbereich ist bei Angestellten der Durchstieg (sogenannter Be-Währungsaufstieg)durch die Vergütungsgruppen häufig anzutreffen. Ein besonderes Beispiel stellt die Entwicklung innerhalb der Ministerialbürokratien von Ländern und Bund dar.
Diese Ausführungen über Strukturmaßnahmen müssen unter Berücksichtigung konjunktureller Bedingungen differenziert werden: Sowohl gruppenspezifische Verbesserungen als auch globale Erhöhungen im Rahmen der Tarif-und Besoldungspolitik ließen sich vor allem in Phasen florierender Konjunktur durchsetzen, wie die Entwicklung der späten sechziger und frühen siebziger Jahre deutlich gezeigt hat. Zwar bleiben auch in Zeiten ökonomischer Instabilität, d. h. knapper werdender finanzieller Mittel der Gebietskörperschaften sowie einer wachsenden Arbeitslosenquote, die aufgezeigten Einflußmöglichkeiten der Interessenorganisationen bestehen; eingeschränkt werden jedoch neben den in Tarif-und Besoldungsrunden durchsetzbaren Erhöhungen vor allem die Chancen kollektiven Aufstiegs, zumal Leistungs-und Anciennitätsprinzip möglicherweise auseinanderfallen. Weitgehend verhindert wird durch die Interessenpolitik der Dachverbände jedoch selbst in diesen Situationen ein möglicher Abbau von Leistungen. Dies kann anhand der Diskussionen um Einsparungsmöglichkeiten bei den verschiedenen Haushalts-entwürfen der letzten Jahre gezeigt werden. Durch die von den Interessenverbänden betriebene Verrechtlichung der Diskussion wird versucht, einmal erreichte Positionen zumindest festzuschreiben. Kollektive negative Statuspassagen — als Korrelat zu den beschriebenen positiven — sind auch in ökonomischen Krisen nur bei Neueinstellungen möglich, deren quantitative Bedeutung dann allerdings gering ist. 3. öffentliche Kritik und Reaktionen der Verbände Die Verhandlungsmacht der Interessenverbände im öffentlichen Dienst besteht vor allem in deren Fähigkeit, die politischen Kosten der Arbeitgeber — die hier zugleich Politiker sind — zu erhöhen, während in der Privatwirtschaft die Möglichkeit der Beeinflussung der ökonomischen Kosten der Arbeitgeber gewerkschaftliche Verhandlungsmacht bedingt. Die im öffentlichen Dienst tätigen Wähler können nämlich die politischen Kosten erhöhen, indem sie — wegen ihrer Meinung nach zu geringen Lohnsteigerungen — Stimmentzug androhen bzw. realisieren. Besonders während der Zeit der sozial-liberalen Koalition wurden derartige Drohungen von den Verbandsfunktionären verschiedentlich sogar offen ausgesprochen Dieser Droheffekt des Stimmpotentials von Verbänden wird dadurch verstärkt, daß Politiker ihre Entscheidungen unter der Randbedingung bestehender Unsicherheit treffen müssen.
Seit der ökonomischen Krise Mitte der siebziger Jahre hat sich die Kritik am öffentlichen Dienst erheblich verstärkt Insoweit Besoldungserhöhungen Gegenstand sind, tritt die öffentliche Meinung ein für eine möglichst geringe zusätzliche Belastung der öffentlichen Haushalte, ohne freilich in der Regel konkrete Zahlen zu nennen. Dies geschieht vor allem in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität mit wachsender Arbeitslosigkeit und zunehmender Knappheit öffentlicher Mittel; hierfür bietet die Entwicklung der vergangenen Jahre vielfache Belege. Bereits bei der bloßen Ankündigung von Forderungen werden diese als ungerechtfertigt bzw. überhöht bezeichnet, was wiederum besonders für den Besoldungsbereich gilt.
Da der Aktionsspielraum von Interessengruppen u. a. davon abhängt, wie die Verbandsbelange der Öffentlichkeit präsentiert werden können, muß zweierlei versucht werden; Zum einen müssen die eigenen Forderungen als möglichst positiv, d. h. als im Interesse großer Gruppen liegend, dargestellt werden; zum anderen muß an dem Verband geäußerte Kritik, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhöht, als ungerechtfertigt und überzogen dargestellt werden.
Die Interessenorganisationen — vor allem der DBB — versuchen, die seit geraumer Zeit zunehmende Kritik zu entschärfen; die sich abzeichnende Konfrontation wird als „deutliche Herausforderung zur Kommunikation" angesehen. Da die Verbände sich unter dem Zwang sehen, auf Tendenzen der öffentlichen Meinung und Argumentationen der Kritiker kontinuierlich zu antworten, wird u. a. eine intensive mittelbare und unmittelbare Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Die wichtigsten Kommunikationspartner im Außenbereich sind Parlamente, Regierungen, der vorparlamentarische Raum sowie Presse, Rundfunk und Fernsehen. Die Schlüsselrolle der Journalisten als „kritische Multiplikatoren" wird geschickt genutzt. Zu der unmittelbaren Öffentlichkeitsarbeit zählen u. a.
— öffentliche Ansprachen und Vorträge von Verbandsfunktionären, — Seminare des Bildungs-und Sozialwerks des DBB, — Flugblätter, Anzeigen, Broschüren, Dokumentationen und umfangreiche Publikationen in Form von Schriftenreihen.
Die seit 1959 jährlich stattfindenden beamten-politischen Arbeitstagungen sowie die alle vier Jahre durchgeführten Bundesvertretertage des DBB haben neben der Aufgabe der Binnenstabilisierung des Verbandes bzw.der Integration der Mitglieder vor allem die Aufgabe, geäußerte Kritik öffentlich zu widerlegen bzw. die Gruppeninteressen in der Öffentlichkeit zu propagieren. Führende Politiker aller im Bundestag vertretenen Parteien, der jeweilige Bundesinnenminister sowie vom DBB eingeladene Wissenschaftler nehmen regelmäßig an diesen Veranstaltungen teil, deren Publizität in den Massenmedien durchaus beachtlich ist.
Durch diese Anwesenheit von Repräsentanten des politischen Systems wird die Legitimität des Verbandes anerkannt. Stellungnahmen zu Beamtenproblemen im allgemeinen sowie zu Fragen der Besoldungs-und Tarifpolitik im besonderen werden häufig abgegeben, auch wenn derartige Angelegenheiten nicht unmittelbar zur Diskussion stehen. Politiker sind hierbei dem Druck ausgesetzt, grüppenspezifisch günstige Änderungen zu annoncieren, auf die später von den Interessenverbänden Bezug genommen werden kann. Schließlich ergeben derartige Tagungen Gelegenheit zu vertraulichen Vorgesprächen über Besoldungsfragen und andere materielle Forderungen zwischen Verbandsführung und zuständigem Minister.
IV. Schlußfolgerungen: Die Beamtenverbände im Verbandssystem
Verbände sind aufgrund der grundgesetzlich garantierten Tarifautonomie eingeteilt worden in solche, die staatliche Entscheidungen lediglich beeinflussen bzw. mitgestalten können (z. B. Bauernverband, Verbände der Kriegsopfer), und solche, die aufgrund zuerkannter autonomer Gestaltungsmöglichkeiten selbst Daten für staatliche Politik setzen können (Tarifparteien, Großinvestoren). Die Interessenorganisationen der Beamten sind der zuletzt genannten Gruppe zuzurechnen, obwohl sie nicht wie die Gewerkschaften über Kollektiwerhandlungs-und Streikrecht verfügen. Da sie nicht nur die staatliche Willensbildung beeinflussen, sondern auch Daten setzen, welche die staatliche (Wirtschaftsund Einkommens-) Politik zu beachten hat, kann durchaus von einem korporatistischen Verhältnis zwischen diesen Verbänden und dem Staat ausgegangen werden
Die zentrale These des liberal-pluralistischen Ansatzes innerhalb der neueren politischen Theorien, daß nämlich Verbandseinflüsse sich gegenseitig aufheben und neutralisieren, läßt sich auch und gerade am Beispiel der Beamtenverbände widerlegen. Diese gehören zu den wichtigsten und mächtigsten Interessengruppen in der Bundesrepublik. Die Mehrzahl der für Verbandsmacht verantwortlichen Bestimmungsfaktoren (u. a. Finanzkraft, Organisationsgrad, Prestige, rechtliche Privilegien, Wählerstimmen, Störpotential) ist gegeben bzw. hochgradig entwickelt.
Spezifische gesellschaftliche Interessen verfügen über ungleiche politische Durchsetzungschancen bzw. allgemeine Interessen großer Gruppen sind nur schwer zu organisieren. Es konnte gezeigt werden, daß partikulare Interessen kleiner Gruppen organisationsfähiger sind als allgemeine Interessen großer Gruppen Es ist nicht auszuschließen, daß die Verbandsmacht der Beamtenorganisationen im politischen System zu Lasten anderer Gruppen geht, zu denen ein Konkurrenzverhältnis bei der Aufteilung knapper Mittel besteht; dies gilt besonders für nicht oder nur schwer zu organisierende Interessen (u. a. Konsumenten im Wirtschafts-, Rand-gruppen im Sozialbereich). Die Filterwirkung des Verbändesystems bzw.seine allgemeine Auswahlfunktion läßt sich gerade am Beispiel der Beamtenverbände aufzeigen. Eine weitere Besonderheit des öffentlichen Dienstes gegenüber der Privatwirtschaft besteht darin, daß bei enger werdenden Verteilungsspielräumen nicht die Stelleninhaber (Arbeitsplatzbesitzer), sondern — und dafür um so heftiger — die Stellensuchenden benachteiligt werden. Die Beamtenverbände lösen die Zwitterstellung zwischen partikularer Interessenvertretung und solidarischer Gegen-macht deutlicher und eindeutiger zugunsten der zuerst genannten Alternative als die Gewerkschaften der Privatwirtschaft.
In den vergangenen Jahren ist zunehmend deutlich geworden, daß (Regierungs-) Politiker aus Gründen der Wiederwahl auch Argumente der übrigen Wählergruppen in ihr ökonomisch-politisches Gesamtmodell einbeziehen müssen Indem der öffentliche Dienst aufgrund der eingetretenen wirtschaftlichen Entwicklung zunehmend Zielscheibe der öffentlichen Kritik und Gegenstand der (tages-) politischen Diskussion geworden ist, sind Verhandlungsmacht und Einflußmöglichkeiten der Interessenverbände deutlich schwächer geworden
Die wohl deutlichsten Belege für diese These bilden die beiden letzten Besoldungsneuregelungen: Während (zumindest in den späten sechziger und gesamten siebziger Jahren) die von den tariffähigen Arbeitern und Angestellten erzielten Verbesserungen stets zeit-und inhaltsgleich in die entsprechenden Besoldungsgesetze übernommen wurden, wurde 1982 — gegen den energischen Protest der Beamtenverbände — eine zweimonatige Verzögerung der Besoldungserhöhung (um 3, 6 Prozent zum l. Juli 1982) festgeschrieben und dadurch eine Abkoppelung vom Tarifbereich eingeleitet Für 1983 wurde die „Anpassung" der Beamtenbesoldung (um 2 Prozent ab 1. Juli) sogar im vorhinein geregelt, während bisher das entsprechende Gesetz stets nach Abschluß der Tarifverhandlungsrunde erlassen wurde; die über viele Jahre praktizierte faktische Vorwegnahme der Besoldungsdurch die Tariferhöhung wurde damit aufgehoben.
Durch diese Maßnahme sollen vor allem die Tarifverhandlungen des öffentlichen Dienstes beeinflußt werden, bei denen die Arbeitgeber einen ähnlichen Abschluß anstreben; darüber hinaus sollen aber auch „Signale“ für die Lohnbewegung in der Privatwirtschaft gesetzt werden. Die Gewerkschaften halten diesen Schritt für einen eklatanten und direkten Eingriff in die Tarifautonomie und für eine Verordnung von staatlichen Lohnleitlinien.