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Zum Problem sozio-ökonomischer Bedingtheit der Nation | APuZ 20-21/1983 | bpb.de

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APuZ 20-21/1983 Der 17. Juni 1953 im Spiegel der DDR-Literatur Staat und Recht im „realen Sozialismus" am Beispiel der DDR Zum Problem sozio-ökonomischer Bedingtheit der Nation Artikel 1

Zum Problem sozio-ökonomischer Bedingtheit der Nation

Gerhard Wuthe

/ 34 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Beitrag geht von der Feststellung eines Desiderats in der westdeutschen Diskussion zur nationalen Frage aus: dem Verhältnis von Nation und sozio-ökonomischen Faktoren. Zu diesem Problem werden drei gesellschaftspolitisch relevante Grundpositionen vorgestellt: 1. Nation ist in ihrem Wesen vom Primat sozialökonomischer (klassenmäßiger) Faktoren bestimmt (SED-Führung). 2. Nation kann in ihrem Wesen nicht von sozio-ökonomischen Faktoren her begründet werden. Sie steht über den sozialen Gruppen und muß aus gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen herausgehalten werden (Unionsparteien und konservative Publizistik in der Bundesrepublik). 3. Nation ist auch von sozio-ökonomischen Faktoren bedingt, sie sind jedoch nicht das entscheidende Kriterium für die Wesensmerkmale nationaler Besonderheiten (bisherige sozialliberale Koalition). Es wird der Versuch unternommen, ein Konzept der Nation zu skizzieren, das in den Kontext gesamtgesellschaftlicher Entwicklung gestellt wird. Nation wird verstanden als ein sozio-kulturelles Subsystem, als Kommunikationsgemeinschaft, das in enger Wechselwirkung mit dem sozio-ökonomischen Subsystem (Volkswirtschaft) als arbeitsteilige Kooperationsgesellschaft steht, vermittelt durch das politische System, zu dessen Ausbildung als Nationalstaat die Nationenentwicklung tendiert. Diese Ausrichtung auf eine Staatsnation soll als Normalfall der Nationenbildung gelten. Kulturnation tritt nur in einer Ersatz-funktion auf, wenn äußere Bedingungen die Erlangung staatlicher Einheit verhindern. Aus methodologischen Gründen wie aus der Anschauung historisch-politischer Separations-Beispiele der deutschen Geschichte (Schweiz, Niederlande, Österreich) kann die These vom Primat der sozialökonomischen Faktoren für die Bestimmung des Wesens der Nation und der Verursachung von nationaler Teilung nicht gestützt werden. Für die heutige deutsche Situation bleibt jedoch das Problem, daß die Nation auf einen adäquaten Rahmen politischer Institution und wirtschaftlicher Kooperation verwiesen ist, um ihre Funktion als Kommunikationsgemeinschaft erfüllen zu können. Wenn diese Rahmenbedingungen das nationale Kommunikationsgeflecht auf lange Sicht beeinträchtigen, ist nationale Desintegration nicht auszuschließen. Als wirksame Mittel politischer Gegensteuerung kann nur auf eine optimale Gestaltung der ökonomisch-sozialen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik als Signalwirkung für die gesamt-nationale Einstellung der DDR-Bevölkerung sowie auf wirksame Unterstützung aller Möglichkeiten gesamtdeutscher Kommunikation zur Stärkung des nationalen Zusammenhalts verwiesen werden.

I. Zur aktuellen und grundsätzlichen Diskussion der „nationalen Frage"

Es bedurfte nicht erst eines Regierungswechsels, um der Diskussion der „nationalen Frage" in der Bundesrepublik neue Impulse zu geben. Trotz der Annahme einer Tendenz abnehmenden Nationalbewußtseins in der Bevölkerung, vor allem bei der jungen Generation, die eine staatliche Einheit Deutschlands nie erlebt hat, und trotz dahingeschwundener Chancen für eine konkrete Wiedervereinigungspolitik finden profilierte Beiträge zu dieser Frage noch immer starke Resonanz in der Öffentlichkeit Das gilt auch für die letzten zwei Jahre. Hier reichte der Spannungsbogen der Meinungen von der Skepsis eines Günter Gaus den Nationen-Begriff weiter verwenden zu sollen, bis zur verzweifelten Zuversicht eines, ein weites politisches Spektrum von links bis rechts umfassenden, „neuen Patriotismus", ausgedrückt in der Parole: „Die deutsche Einheit kommt bestimmt“

Die neue unionsgeführte Bundesregierung hat zunächst keine neuen Akzente gesetzt und die Kontinuität ihrer deutschlandpolitischen Linie betont. Kontinuität meint hier nicht nur Fortsetzung des von der sozialliberalen Regierung begründeten „vertraglich festgelegten Modus vivendi", sondern vor allem „Bekenntnis zur Präambel des Grundgesetzes, die das ganze deutsche Volk aufruft, seine Einheit in Freiheit zu vollenden" — eine gewiß unterschiedliche Koalitionen übergreifende Zielsetzung. Auch die Auseinandersetzungen in der Regierungskoalition seit Beginn dieses Jahres um eine „Wende" in der Deutschlandpolitik, die mit dem Vorstoß Bundesinnenminister Zimmermanns, die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Grenze in die Deutsche Frage einzubeziehen, eingeleitet wurden und die nach dem Fall Burkert und der Absage des Honecker-Besuchs einen Höhepunkt fanden sind durch die das ursprüngliche Konzept bestätigenden Feststellungen Bundeskanzler Kohls in seiner Regierungserklärung vom 4. Mai zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Für die Bewertung der nationalen Frage hat sich dabei substantiell nichts Neues ergeben. Eine Motivationsforschung, aus welchen politischen Gründen diese Kontroverse geführt worden ist, ist nicht unser Thema. Es soll aber deutlich gemacht werden, daß es mehr denn je darauf ankommt, das gewichtige, aber auch brisante Nationen-Problem aus den irrationalen Bezügen bloßer Wunsch-und Willensvorstellungen herauszuführen und auf eine objektive Grundlage zu stellen.

Deshalb soll hier auf ein Desiderat in der westdeutschen Diskussion zur nationalen Frage aufmerksam gemacht werden. Ein wesentlicher Aspekt, der zur gebotenen Objektivierung besonders beitragen kann, wird, wenn nicht völlig ausgeklammert, so doch stark vernachlässigt: das Verhältnis von Nation und sozio-ökonomischen Faktoren. Selbst „linke“ Autoren wie Peter Brandt und Herbert Ammon bei denen man eine gesellschaftskritische Sensibilität annehmen darf, beschränken sich vornehmlich auf außen-und sicherheitspolitische Argumente oder deuten allenfalls gesellschaftspolitische Zielvorstellungen für ein künftiges Gesamtdeutschland an.

Das ist um so verwunderlicher, als ja die Antithese, an der sich die Auseinandersetzung um die nationale Frage in Deutschland gegenwärtig immer wieder entzünden muß, nämlich die offizielle DDR-Version von den zwei deutschen Nationen, sich in ihrer theoretischen Begründung auf das Konzept einer „sozial-ökonomischen Bedingtheit" der Nation stützt.

Dieses fatale Versäumnis westdeutscher Forschung läßt sich nicht einfach mit der Entgegnung rechtfertigen, die Argumentation der SED-Führung sei eine offensichtlich politischen Zwecken dienende Manipulation und als solche nicht ernst zu nehmen. Damit können wir uns nicht begnügen. Es muß vielmehr gefragt werden, ob nicht mehr dahinter steckt, als bloß vordergründige ideologische Manipulation. Möglicherweise lassen sich mit bestimmten Fragestellungen besser begründete Einsichten für Analysen und Prognosen zu Prozessen der Nationenbildung und -entwicklung gewinnen. Jedenfalls verdient dieser Fragenkomplex in seiner gesellschaftspolitischen Relevanz, aber auch als gewichtiges theoretisches Problem sozialwissenschaftlicher Forschung eine gründliche Beschäftigung. Ein Blick auf das internationale Umfeld der Nationenforschung wird diese Einschätzung bestätigen. Ignoranz in der Fragestellung Nation und sozio-ökonomische Faktoren sollten gerade wir Deutsche in unserer Situation uns nicht leisten.

In einem früheren Beitrag ist diesbezüglich hauptsächlich auf die gesellschaftspolitische Relevanz des Frageinteresses in der Darstellung von Grundpositionen der Beziehung Nation und sozio-ökonomische Faktoren eingegangen worden. Diese Darlegungen sollen hier noch einmal kurz rekapituliert und zu Ansätzen eines Rahmenkonzepts weitergeführt werden. Damit wird der Appell an Kollegen in Sozialwissenschaften und Geschichtswissenschaft, dem Nationenproblem in seiner sozio-ökonomischen Bedingtheit systematisch und genetisch intensiv nachzugehen, erneuert.

Den Ausgangspunkt bildet die Annahme, daß das Konzept sozio-ökonomischer Bedingtheit (nicht Determination) der Nation ein zentrales Problem sozialwissenschaftlicher und historischer Forschung im Hinblick auf Tendenzen sozialen Wandels ist. über seine grundsätzliche wissenschaftstheoretische Bedeutung hinaus erhält es eine aktuelle gesellschaftspolitische Relevanz durch die besondere Konstellation der „Deutschen Frage". Wenn hier auch nicht eine Antwort im Sinne praktikabler Lösungsvorschläge erwartet werden kann, so doch vielleicht plausible Annahmen für künftige Entwicklungstendenzen.

In der weiteren Problematisierung lassen sich folgende Fragestellungen ableiten:

1. Wie ist die These der SED-Führung von der Entwicklung einer „sozialistischen Nation DDR“ im Gegensatz zur „bürgerlich-kapitalistischen Nation BRD“ zu beurteilen?

2. Läßt sich ein theoretischer Bezugsrahmen zur Erklärung des Phänomens „Nation" entwerfen, der eine Beziehung zu sozio-ökonomischen Momenten stringent impliziert?

3. Welche politischen Schlußfolgerungen lassen sich aus diesen Einsichten in der Funktion einer praktischen Politik-Beratung für die Verfolgung der „Deutschen Frage" ziehen?

Das Frageinteresse wird, bezogen auf zwei unterschiedliche Argumentationsebenen, von folgenden Kriterien bestimmt: 1. Evaluations-Ebene Frage der politischen Relevanz — hier ist in der Betrachtung der Positionen und Schlußfolgerungen nur eine wertende Stellungnahme als Zustimmung oder Ablehnung möglich, nicht eine Beurteilung „richtiger" oder „falscher" Argumente.

2. Kognitive Ebene Frage der wissenschaftstheoretischen Plausibilität, der logischen Stringenz und des empirischen Nachweises in einem Begründungszusammenhang. Diesen Kriterien haben sich politische Positionen und theoretische Ansätze je nach ihrem Anspruch zu stellen.

II. Grundpositionen in ihrer gesellschaftspolitischen Relevanz

Es sind drei Grundpositionen denkbar, die sich auch realtypisch nachweisen lassen. Diese werden hier skizziert und auf ihre mög-liehe jeweilige theoretische Begründung hin befragt. 1. Nation ist als historische Kategorie eine dialektische Einheit von sozialökonomischen (klassenmäßigen) und ethnischen Faktoren. Den sozialökonomischen (klassenmäßigen) Beziehungen kommt das Primat zu. Sie bestimmen das Wesen einer Nation und sind damit auch Unterscheidungskriterium für eine Typologie der Nationen.

Diese Position wird von der SED-Führung und ihren Theoretikern vertreten. 2. Nation kann in ihrem Wesen nicht von sozio-ökonomischen Faktoren her begründet werden. Sie steht über den sozialen Gruppen mit ihren Teilinteressen und muß aus gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen herausgehalten werden.

Diese Position wird als eindeutige Antithese zur Position 1 in der Bundesrepublik Deutschland staats-und parteipolitisch von den Unionsparteien repräsentiert, unterstützt durch eine engagierte konservative Publizistik. 3. Nation ist eine gesellschaftlich-historische Kategorie, die auch von sozio-ökonomischen Faktoren bedingt wird. Sie sind jedoch nicht das entscheidende Kriterium für die Wesensmerkmale nationaler Besonderheiten. Eine Nation kann mit verschiedenen Stadien sozio-ökonomischer Entwicklung verbunden sein. Allerdings können die im nationalen Rahmen ausgetragenen gesellschaftspolitischen Gegensätze für den Bestand einer Nation kritisch werden.

Diese Position nimmt zwischen den als extrem zu beurteilenden Standpunkten der Positionen 1) und 2) einen vermittelnden ein. Staats-und parteipolitisch wurde sie bisher durch die sozialliberale Koalition vertreten, was sicherlich auch weiterhin für die SPD in der Opposition gilt. Neueste, davon abweichende Aussagen der FDP sind bisher nicht bekannt geworden. Theoretisch unterstützt wurde diese Position durch einen überwiegend analytisch-empirisch orientierten Wissenschaftlerkreis, der sich auch an der Abfassung der „Materialien“ zum Bericht zur Lage der Nation beteiligte. 1. Nation als sozialökonomisch-klassenmäßig bestimmte Größe Die prägnanteste Formulierung der SED-Position in ihrer Verbindung von politischer Absicht und theoretischem Begründungsversuch hat bereits 1973 im Anschluß an den VIII. Parteitag der SED von 1971 das Politbüromitglied Hermann Axen in einem Vortrag gegeben:

»Die marxistisch-leninistische Theorie der nationalen Frage ignoriert keineswegs die ethnischen Aspekte, die dem Nationalen eigen sind. Sie berücksichtigt sehr wohl, daß bei der Formierung und im Leben von Nationen deren ethnische Grundlagen, die sich größtenteils bereits lange vor der Entstehung von Nationen herausgebildet haben, eine bestimmte Rolle spielen. Ins Nationale gehen natürlich die ethnischen Elemente ein. Es sind dies bestimmte, sich aus dem geographischen Milieu und aus langer historischer Entwicklung ergebende Besonderheiten, die in der Sprache, in spezifischen Zügen der Lebensweise, der Sitten, der Gebräuche und Traditionen ihren Niederschlag finden. In diesem Zusammenhang sei an den von Friedrich Engels erbrachten Nachweis erinnert, wonach die Arbeit, die Produktionstätigkeit einen entscheidenden Anteil an der Entwicklung der Menschheit und ihrer Sprachen hatte.

Die ethnischen Besonderheiten dürfen nicht geringgeschätzt werden, aber sie kennzeichnen nicht das Wesen der Nation, ihre sozialökonomische, klassenmäßige Struktur. Das Bestimmende, das Wesen unserer Nation in der DDR ist der Sozialismus, der Klassen-und sozialökonomische Inhalt unserer Gesellschaft."

Die SED-Führung behauptet, ihre Position beruhe auf einer wissenschaftlichen Theorie, die eine „exakt begründete Erklärung“ (Axen) für das Entstehen und die Entwicklung der Nationen sowie ihrer Wesensmerkmale bietet. Mit diesem Anspruch muß sie sich logischen und empirischen Kriterien stellen. Die dafür erforderliche kritische Auseinandersetzung wird im nächsten Abschnitt, der auf theoretische Begründungen eingeht, geführt werden. Erst danach kann die Frage beantwortet werden, ob es sich bei dieser Position um ein klassisches Beispiel ideologischer Manipulation handelt, das lediglich der Rechtfertigung politischer Zwecke als ideologischer Flanken-schutz einer rigorosen Abgrenzungspolitik zur Sicherung des Herrschaftsanspruchs der SED-Führung dient. 2. Nation als von sozio-ökonomischen Faktoren unabhängige Größe Die Distanzierung des Nationenbegriffs von gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen hat für die Unions-Position am deutlichsten Richard v. Weizsäcker formuliert: * „Ich meine, Nation ist ein Inbegriff von gemeinsamer Vergangenheit und Zukunft, von Sprache und Kultur, von Bewußtsein und Wille, von Staat und Gebiet. Mit allen Fehlern, mit allen Irrtümern des Zeitgeistes und doch mit dem gemeinsamen Willen und Bewußtsein hat diesen unseren Nationbegriff das Jahr 1871 geprägt. Von daher — und nur von daher — wissen wir heute, daß wir uns als Deutsche fühlen. Das ist bisher durch nichts anderes ersetzt.

Leider aber haben wir im Jubiläumsjahr der Reichsgründung, also im letzten Jahr, statt dessen von hoher und besonders hoher Stelle andere, zumeist kritische Äußerungen zu dieser Nation gehört Es war vorwiegend die Rede vom Widerstand weiter Teile der Gesellschaft gegen diese Nation, vom Riß zwischen Demokratie und Nation, von der Nation als dem Feld zur Erreichung gesellschaftspolitischer Ziele.

Natürlich war sie unvollkommen. Natürlich gibt es in unserer Gesellschaft heute mehr Integration als damals. Und auch nichts gegen gesellschaftspolitische Ziele! Es ist die Aufgabe von uns, von den Parteien, um diese Ziele demokratisch zu wetteifern. Aber die Nation muß diesem Wettkampffeld übergeordnet bleiben."

In diesem Nationenverständnis wird das Konzept der SED von der Klassendeterminiertheit der Nation strikt abgelehnt. Hierzu führt der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl aus:

„Die sogenannte sozialistische Nation der DDR ist ein Widerspruch in sich. Denn der Klassengedanke und der Nationalgedanke sind unvereinbar. Nur eines von beiden kann das Fundament politischer Ordnungsvorstellungen sein: entweder die Nation oder die Klasse."

Dabei bleibt kein Raum für die Annahme von Beziehungen zwischen nationalen und sozioökonomischen Komponenten als denkbares dialektisches Spannungsverhältnis innerhalb eines Gesellschaftsaggregats. Diese Position geht allerdings auch nicht von empirischen Befunden gesellschaftspolitischer Sachverhalte aus. Sie beschränkt sich darauf, die Nation aus jeglichem Bezug zu realen gesellschaftlichen Gegensätzen herauszulösen. Damit erhebt sie einen normativen Anspruch, zu dem man sich bekennen kann oder nicht. In ihrer Enthaltsamkeit gegenüber sozio-ökonomischen Einflußfaktoren ist diese Position für unsere theoretische Fragestellung irrelevant 3. Nation als von sozio-ökonomischen Faktoren bedingte Größe Für diese Position kann als charakteristisches Beispiel auf gesellschaftspolitische Aussagen zur Nation von Willy Brandt verwiesen werden:

„Im Begriff der Nation sind für uns wie für Kurt Schumacher geschichtliche Wirklichkeit und politischer Wille vereint. Aber, gemessen am Frieden, kann die Nation heute für uns nicht mehr das höchste aller Güter sein. Unser Patriotismus hat sich zugleich als europäische und weltpolitische Verantwortung zu verstehen.

Dies kann für uns nicht bedeuten, die deutsche Nation anderen zu überlassen, die mit diesem Begriff noch immer etwas meinen, was wiederholt gescheitert ist und gewiß nicht die Zukunft für sich hat. Wir dürfen die deutsche Nation — als Idee, als schwierige Realität und als künftige Möglichkeit — nicht ausspielen lassen gegen jene, die als europäisch und international verantwortliche demokratische Sozialisten dieser Nation eine Zukunft in guter Nachbarschaft zu anderen sichern wollen.

Hier gibt es eine Parallele zu unserem Staats-verständnis. Denn dabei geht es ja auch darum, daß wir den demokratischen Staat nicht denjenigen überlassen — und daß wir ihn nicht gegen die Sozialdemokraten durch diejenigen ausspielen lassen —, denen es im Kern um die Erhaltung von Vorrechten geht und die im Grunde davon leben, daß der Staat den Interessen von Inhabern und Nutznießern großer wirtschaftlicher Macht untergeordnet wird.“

Konsequent knüpft Brandt an Kurt Schumacher an, der mit seinem leidenschaftlichen Eintreten für die nationalen Belange des deutschen Volkes, verbunden mit dem Ringen um demokratische und soziale Neuordnung, der große Gegenspieler Konrad Adenauers in den ersten Jahren der Nachkriegszeit war. Hier eröffnet sich die Möglichkeit für eine komplexe Interpretation der „Deutschen Frage“, die auch sozio-ökonomische Momente einbezieht. Allerdings geht es auch hier um politische Überzeugungen, nicht um Erklärungsansätze für gesellschaftliche Entwicklungen. Ein unmittelbarer Bezug zu unserer Fragestellung ergibt sich jedoch im Hinblick auf die schon erwähnten „Materialien“ zum Bericht zur Lage der Nation, die im Auftrag der sozialliberalen Bundesregierung von einer unabhängigen wissenschaftlichen Kommission erarbeitet worden sind, die ihren eigenen Auffassungen frei folgen und auch Fragen behandeln konnte, die in Neuland führen Auch darauf wird im nächsten Abschnitt eingegangen.

Zuvor soll jedoch noch auf die Ausführungen des frühverstorbenen FDP-Generalsekretärs Karl Hermann Flach hingewiesen werden, mit denen er sich mit dem Verhältnis Nation und gesellschaftlich-politische Systeme auseinandergesetzt hat: „Wir müssen feststellen, daß sich eine Nation in verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Systemen präsentieren kann. Bisher war es üblich, daß das im Verlauf einer geschichtlichen Zeitfolge geschah. Neuerdings erleben wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen der Welt, daß dieses auch gleichzeitig geschehen kann. Wenn man diese Tatsache zur Kenntnis nimmt und wenn man weiß, daß sich politische und gesellschaftliche Systeme leichter verändern, als etwa die Nation sterben könnte, dann ist damit der Inhalt der Diskussion gegeben, die wir natürlich auch mit denen führen werden und führen müssen, die drüben in der DDR politische Verantwortung tragen. Ich darf in Klammern sagen: man kann diese Diskussion sogar von unserer Seite teilweise mit marxistischen Argumenten führen, wenn man das will; denn der Nationalitätenbegriff hat sehr verschiedene Auslegungen und Varianten“

III. Theoretische Begründungsansätze

Es ist nun zu fragen, welchen Aufschluß uns relevante Theorieansätze zur Bestimmung der Nation, ihres Wesens und ihrer Elemente, ihrer Bildung und Entwicklung in bezug auf sozio-ökonomische Bedingtheit vermitteln können und wie sie die dargestellten Grund-positionen stützen. 1. Herkömmliche Staatslehre Zunächst kann von der bekannten Unterscheidung eines westlichen, politisch akzentuierten Nationenbegriffs, in dem Staat und Volk als politische Willensgemeinschaft übereinstimmen, und einem mittel-osteuropäischen Nationenverständnis, das ethnisch-kulturell motiviert ist, ausgegangen werden. Dem entspricht die Unterteilung in Staatsnaüon und Kulturnation,.... in solche, die vorzugsweise auf einem irgendwelchen gemeinsam erlebten Kulturbesitz beruhen, und solche, die vorzugsweise auf der vereinigten Kraft einer gemeinsamen politischen Geschichte und Verfassung beruhen“ wie sie der Historiker Friedrich Meinecke (1908) getroffen hat Die herkömmliche deutsche Staatslehre beschreibt mit dem für sie konstitutiven Begriff des „Staatsvolks" eigentlich nicht die Staats-nation im französisch-angelsächsischen Sinne, weil ihr das Moment des erklärten politischen Willens fehlt. Dem Staatsvolk als Summe aller Staatsangehörigen, im juristischen Sinne einer durch die gleiche Staatsangehörigkeit verbundenen menschlichen Gemeinschaft, wird jedoch das Gesamtvolk im soziologischen oder auch im „natürlichen" Sinne (Laun) als „Nationalität" gegenübergestellt, als „die aus Abstammungsgemeinschaft, Geschlechtsvermischung und Angleichung (Assimilation) entstandene und durch die Gleichheit der Sprache zu geistiger Einheit verschmolzene sittliche Gemeinschaft des persönlichen Bekenntnisses"

Hier verbinden sich Momente der „Kulturnation“ mit der einer „Willensnation"

Die üblichen Definitionen, die sich auf die besondere deutsche Situation beziehen, akzentuieren indes die Momente der Kulturnation: „Im Deutschen wird meist zwischen Staat und Nation unterschieden und mit Nation ein Volk als Träger einer spezifischen Kulturgestalt bezeichnet, auch wenn es nicht in einem eigenen staatlichen Rahmen zusammengefaßt ist. Diese Unterscheidung hat geschichtliche Ursachen, ist aber von grundsätzlicher Bedeutung, weil staatliche Macht und Organisation etwas anderes sind als kulturelles Leben ... Man kann also die Nation bestimmen als eine auf der Grundlage langdauernder äußerer Lebensgemeinschaft gewachsene Form menschlicher Gemeinschaft, die Träger einer ihr eigentümlichen Kulturgestalt ist, durch die sie sich von anderen Gemeinschaften dieser Art unterscheidet.“

Gewiß impliziert . Äußere Lebensgemeinschaft" auch irgendeine Form wirtschaftlicher Tätigkeit und sozialer Struktur. Jedoch ist ein expliziter Bezug zu sozio-ökonomischen Faktoren als Begründungs-oder Unterscheidungskriterium für Nationen nicht gegeben. Insofern läßt sich auf einen Konnex dieser Nationenbestimmung zur Position zwei schließen, ohne daß dieser ausdrücklich hergestellt ist. 2. Marxismus-Leninimus Die SED-Führung bestimmt ihr Nationen-Konzept vom Marxismus-Leninismus her, der, „gestützt auf die Prinzipien des historischen Materialismus", allein „eine wirklich wissenschaftliche Lehre von der Nation und den nationalen Beziehungen entwickelt" habe, die „in der dialektischen Einheit der die Nation charakterisierenden Merkmale die entscheidende Bedeutung der sozialökonomischen, klassenmäßigen Faktoren hervorhebt“ Dieser Begründungszwang führt zu einem Dilemma. Einerseits müssen die Nationen-Probleme wie alle gesellschaftlichen Detailfragen vom Klassenstandpunkt her interpretiert werden. Andererseits muß die Bedeutung des nationalen Moments auch in der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung, etwa als „antiimperialistischer nationaler Befreiungskampf" womöglich auch in Westdeutschland, gewürdigt werden. Allerdings läßt sich dieses Dilemma auch weniger dogmatisch auflösen, als es die SED-Ideologen versuchen, wie noch zu zeigen ist Damit verbindet sich eine weitere Schwierigkeit. Im Argumentationsschema der kommunistischen Ideologie müssen alle Grundaussagen von der Autorität der Klassiker — Marx, Engels, Lenin — gedeckt werden. Dazu muß bei bestimmten Fragen auf Stellungnahmen in akuten politischen Kontroversen zurückgegriffen werden. In ihrer Situationsgebundenheit und polemisch überspitzten Form sind diese wenig geeignet, als Grundlage wissenschaftstheoretischer Konzepte zu dienen. Das trifft gewiß auch auf die verstreuten Anmerkungen von Marx und Engels zur nationalen Frage zu. Es ist jedoch evident, daß die Nation für das Marxsche Denken nur eine sekundäre Rolle spielt, keinen Eigenwert hat. Der Nationalstaat hat für ihn die Funktion, im Vorantreiben der kapitalistischen Entwicklung die Voraussetzungen für den wirksamen revolutionären Kampf des Proletariats und den Sieg des Kommunismus zu schaffen. Anders ist wohl die auch von Axen zitierte Einschätzung Lenins nicht zu verstehen: „Es unterlag für Marx keinem Zweifel, daß im Vergleich mit der Arbeiterfrage'die nationale Frage von untergeordneter Bedeutung ist."

Dem entspricht auch, daß Marx und Engels nur den großen, entwickelten „historischen Nationen" ein Existenzrecht zuerkannten, während sie den Bestrebungen kleiner, wenig entwickelter Völker auf nationale Selbstbestimmung kein Verständnis entgegenbrachten Diese Auffassung ist in sich konsequent, zeugt allerdings im Zeitalter des aufkommenden Nationalismus von geringem historischem Gespür.

Eine Geringschätzung der nationalen Frage war für Lenin nicht möglich. Er brauchte ein differenziertes Konzept, das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker als Impuls für antiimperialistische und antikolonialistische Bestrebungen nutzbar machen zu können, ohne das Primat des Klassenkampfes zu tangieren und um insbesondere auch die politischen Herrschaftsbedürfnisse der bolschewistischen Parteiorganisation zu wahren Konsequent hat hierfür Stalin das „höhere Recht“ der Arbeiterklasse auf Festi-gung ihrer Macht, d. h. die Vorherrschaft der Partei, dem nationalen Selbstbestimmungsrecht im Konfliktfall übergeordnet

Auch für die begriffliche Arbeit am Nationen-Konzept im Rahmen des historischen Materialismus ist auf Stalin zurückzugreifen. Seine zwischenzeitlich verworfene, unterdessen wieder begrenzt akzeptierte Definition (1913) nimmt in bezug zu den Grundtypen Staats-und Kulturnation eine eigentümliche Zwischenposition ein. Zum einen hat Stalin unter die konstitutiven Merkmale einer Nation den Staat ausdrücklich nicht aufgenommen, zum anderen jedoch mit der Kennzeichnung der Nation als eines geschlossenen Territorialverbandes sich einem etatistischen Nationsbegriff angenähert Von Stalin ist auch das Merkmal der „Gemeinsamkeit des Wirtschaftslebens" eingeführt worden, das die, allerdings als unzulänglich empfundene Grundlage für alle weiteren Bemühungen bildet, die Nation an sozial-ökonomische Faktoren zu binden. Stalin hat später (1929) noch einen weiteren begrifflichen Beitrag geleistet, der für die hier zu behandelnde Fragestellung wesentlich ist. Für Marx und auch für Lenin bestand noch nicht die Notwendigkeit, eine typologisierende Differenzierung von Nationen nach Gesellschaftsformationen vorzunehmen; gingen sie doch davon aus, daß mit dem Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus auch die Nationen allmählich aufgehoben würden. Erst für Stalin ergab sich hinsichtlich des . Aufbaus des Sozialismus in einem Lande" und der Selbstbehauptung des Sowjetstaats im „Großen Vaterländischen Krieg" das Erfordernis, einen „Sowjetpatriotismus", gestützt auf „sozialistische Nationen“, die sich aus den Trümmern der alten bürgerlichen Nationen entwickeln sollten, zu etablieren

Auf dieser Grundlage vollbringen die sowjetischen Nations-Theoretiker, von Rogev und Sverdlin über Fedossejew bis hin zu Bagramow, ihre Kärrnerarbeit, das Nationen-und Nationalitätenproblem im Vielvölkerstaat Sowjetunion mit den Herrschaftsbedürfnissen der Kommunistischen Partei ideologisch zu vermitteln Dabei gibt es Theorieansätze, über die sich durchaus diskutieren läßt. Das gilt etwa für die Frage „nach dem wechselseitigen Zusammenhang der klassenbedingten und der nationalen Probleme der gesellschaftlichen Entwicklung" Interessant ist auch Fedossejews Einteilung aller „Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens, die insgesamt die nationale Besonderheit von Völkern charakterisieren", in zwei Gruppen. Während die erste Gruppe — . Aspekte der sozial-ökonomischen und kulturellen Entwicklung der Völker" — keine speziellen nationalen Züge aufweist, sind die Komponenten der zweiten Gruppe, die sich aus den „Besonderheiten der Sprache, den nationalen Merkmalen der Lebensweise, der Kultur des Volkes, seinen Traditionen und seiner Psychologie, seinen Gewohnheiten und Riten“ ergeben, Ausdruck der dauerhaften, „spezifisch-nationalen Unterschiede"

Bezeichnend ist nun, wie die SED-Ideologen bei der Rezeption der sowjetischen Nationen-Diskussion vorgegangen sind, um ihr Pflicht-pensum der These von den zwei deutschen Nationen theoretisch bewältigen zu können. So bezieht sich Kosing auf die obige Textpassage bei Fedossejew, ohne sie wörtlich zu zitieren. Dabei werden die im russischen Original durchaus eigenwertigen „national-spezifischen Eigenschaften" zu „ethnischen Faktoren" heruntergespielt, denen nicht die bestimmende Rolle für den Inhalt der Nation zukommt Die Gesamtheit der ethnischen Faktoren hat Kosing auf den Begriff der „Na-tionalität" gebracht, der enger ist als der Nationenbegriff Diese Linie der Wesensbestimmung der Nation durch sozial-klassenmäßige Faktoren ist bis zu neueren Arbeiten, bei Kosing selbst, aber auch etwa bei Thomas Heubner eingehalten worden.

In einer derartigen dogmatischen Überdehnung des Prinzips des historischen Materialismus, der Determinierung der Nation durch sozialökonomisch-klassenmäßige Faktoren und der Reduzierung ihrer Wesensmerkmale auf die sekundäre ethnische Komponente der „Nationalität" wird die Kategorie der Nation zur bloßen Leerformel ohne Aussagewert und damit letztlich als Instrument der Begriffsbestimmung und Sacherklärung sinnlos und überflüssig. 3. Amerikanische Sozialwissenschaften In den „Materialien" zum Bericht der Lage der Nation wird ein Nationenbegriff vorgeführt, der „Nationen als ebenso historisch-politisch wie sozioökonomisch geformte und gestaltete Einheiten,... als besonders verdichtete Kommunikations-und Handlungsstrukturen.., in denen Menschen aufeinander bezogen und zu einer Einheit werden", versteht. Er nimmt auch die konstitutiven Merkmale der herkömmlichen Nationenvorstellungen auf und macht ihre Bedeutung verständlich, indem er sie als Funktionen behandelt, als „Bedingungen der Möglichkeit der für das Leben von Nationen notwendigen Intensität von Kommunikation“

Dieser Nationenbegriff wird ausdrücklich als den Arbeiten von Karl W. Deutsch stark verpflichtet erklärt -Deshalb ist als dritter relevanter theoretischer Ansatz , ein Rekurs auf diesen bedeutenden Vertreter der amerika-irischenSozialwissenschaften erforderlich. Der Gedankenreichtum der Publikationen Deutschs zum Nationen-Problem kann hier nur äußerst knapp auf unsere spezielle Fragestellung hin skizziert werden.

Nach der Interpretation Abraham Ashkenasis hat Deutsch einen theoretischen Rahmen entworfen, in dem die „Entwicklung des Systems Nationalstaat mit seinen administrativen und kommunikativen Zentren und Netzen,...seinen Mobilisierungsprozessen und seinen mächtigen und manipulierten Symbolismen" untersucht wird. Dabei wird der Nationalstaat „als ein System definiert, dessen Funktion es ist, die durch die Produktion erwirtschafteten Güter innerhalb einer geschlossenen Einheit zu verteilen sowie eine Präferenz und Sicherheit für konkurrierende Interessen herzustellen." Fügt man dem noch die Wertung hinzu, daß „die Notwendigkeit einer Kern-Produktion von Informationen, die Existenz manipulativer Eliten und einer kapitalistisch strukturierten Wirtschaft... wichtiger als territoriale und ethnische Bedingungen" sind so scheint man vom Nationenverständnis des Historischen Materialismus nicht weit entfernt zu sein. Allerdings erweisen sich auch die Darlegungen Deutschs als differenziert genug, um nicht einer einseitigen sozio-ökonomischen Determination des Nationenbegriffs anheimzufallen.

Deutsch spannt einen umfassenden weltgeschichtlichen Bogen, um den Entstehungsund Entwicklungsprozeß der Nationen zu charakterisieren. Die Problematik ergibt sich zum einen im Aufzeigen einer universalen Entwicklungstendenz, größere soziale Einheiten aufzubauen, aus lokaler Isolation zu universalen Imperien, von Stämmen zu Völkern und Nationen, als zyklisch wiederkehrende Integrationsmuster. Der damit implizierten Frage nach historischer Gleichförmigkeit wird die nach der Einmaligkeit geschichtlicher Ereignisse entgegengestellt. Die Antwort Deutschs geht weder von der Annahme aus, die Nation sei die „natürliche und universelle Form der sozialen Organisation", noch von der Auffassung, sie sei „ausschließlich das Produkt der neueren Geschichte und der westlichen Zivilisation“. Der gegenwärtige Entwicklungsprozeß der Nationen steht jedoch unter einem universalen Aspekt. Alle Völker sind in den Prozeß erwachenden nationalen Bewußtseins hineingezogen. Allerdings wird die Erweckung der Nationen bereits ergänzt durch das Suchen nach umfassender übernationaler Föderation als Grundlage einer „lebensfähigen Weltgemeinschaft“.

Der Schlüssel für die Erklärung der Besonderheit dieses Vorgangs liegt darin, daß alle sozialen Schichten, auch die vormals passive Masse der Bevölkerung, in sozial-ökonomischen und politischen Prozessen mobilisiert werden. Diese allgemeine Mobilisierung ist wesentlich für den Nationenbildungsprozeß.

Für diesen werden eine Reihe von Gleichförmigkeiten aufgewiesen, die die Wirkung sozio-ökonomischer Faktoren demonstrieren: — Übergang von der Subsistenzwirtschaft zur Tauschwirtschaft, — soziale Mobilisation ländlicher Bevölkerungen, — Entwicklung von Städten und Zunahme sozialer Mobilität, — Entwicklung grundlegender Kommunikationsnetze (Verbindung wichtiger Flüsse, Städte und Handelswege durch Verkehr), — Akkumulation und Konzentration von Kapital, Fähigkeiten und sozialen Institutionen, — Ausbildung von und Eigeninteresse Selbstbewußtsein als Motivation für Gruppenidentifikation, — Erwachen ethnischen Bewußtseins und Annahme nationaler Symbole, — Verbindung ethnischen Bewußtseins mit der Tendenz zur Ausübung politischen Zwanges, auch Transformation des eigenen Volkes in eine privilegierte Klasse.

Dieser Nationenbildungsprozeß hat folgende Ziele:

— Schaffung eines umfassenden stabilen Kommunikationsnetzes, — effektive Akkumulation ökonomischer Ressourcen sowie soziale Mobilisation von Arbeitskraft für die notwendige soziale Arbeitsteilung, — soziale Akkumulation und Integration von Erinnerungswerten und Symbolen, individuellen und sozialen Einrichtungen, — Förderung der Lernkapazität der Gesellschaft. Insgesamt stellt die Nation damit eine effektivere gesellschaftliche Organisation dar als die Stammes-Lokalismen oder die supranationalen, ohne Teilnahme der breiten Masse kulturell kommunizierenden Imperien. So wird sie als Mittel sozialen Fortschritts eingeschätzt, allerdings auch mit der fatalen Versuchung, in nationalistischer Übersteigerung die eigene Nation insgesamt zur privilegierten Klasse, zum „Herrenvolk“ zu erheben.

In der Rezeption des Nationen-Konzepts von Deutsch in den „Materialien“ finden sich auch Ansätze, unter Wahrung sozio-ökonomischer Bezüge Aussagen des Marxismus-Leninismus in ihrer Fragwürdigkeit evident zu machen. Das betrifft etwa den kritischen Hinweis auf Ordnungsmodelle, die Behauptungen der Höherwertigkeit bestimmter Nationen, sei es als ideologische Weltmission oder als historische Höherrangigkeit in der erreichten Stufe der Produktionsverhältnisse, enthalten und die einen „weltgeschichtlichem Auftrag" konstruieren, der „absolute Durchsetzungsmacht" rechtfertigen soll

Wichtig erscheint auch der Zusammenhang von nationaler Identifikation und Gleichheit der ökonomisch-sozialen Lebensverhältnisse, die die Homogenität einer Bevölkerung bestimmen: „Staatsbürgerliche Gleichheitsrechte setzen einen normativen Anspruch auch für die Gleichheit der materiellen Lebenslage. Die Bereitschaft zur Identifizierung mit einer politisch organisierten Einheit ist abhängig u. a. von den Lebenschancen, der Gleichartigkeit der Existenzsicherung und der als gerecht empfundenen Verteilung der individuellen Einkommenslagen."

Damit wird die „tatsächliche ökonomisch-soziale Lage“ der auf bloßen Behauptungen aufbauenden “ der -„Klassenlage marxistisch-leni nistischen Ideologie und ihren Schlußfolgerungen für eine „sozialistische Lebensqualität“ mit neuen sozialen Beziehungen der Klassen und Schichten in der „sozialistischen Nation" gegenübergestellt. Damit werden Fragen des Spannungsverhältnisses von sozialen Interessenkonflikten, nationaler Identifikation und staatspolitischer Loyalität empirisch begründet thematisiert, wie sie auch von marxistischen Denkansätzen her sachlich gerechtfertigt gestellt, in einer dogmatischen Verengung aber nicht konkret behandelt werden können.

IV. Versuch eines Konzepts

Nach diesem Exkurs ausgewählter relevanter Theorieansätze soll der Versuch gemacht werden, ein Konzept der Nation im Kontext gesamtgesellschaftlicher Ordnung und Entwicklung zu skizzieren. Zwar wird das Frageninteresse von der eingangs skizzierten dritten Position geleitet, die von der Annahme einer sozio-ökonomischen Bedingtheit der Nation ausgeht, doch schließt dies nicht aus, daß Elemente der Begriffsbildung und Problemstellung, die den anderen Positionen zugeordneten Theorieansätzen entsprechen, miteinbezogen werden. Dies ist gewiß ein eklektisches Vorgehen, doch muß das bei diesem Gegenstand nicht von Nachteil sein, wie die Fruchtbarkeit der Methode Deutschs zeigt

Zunächst erscheint es angebracht, den Begriff Nation nicht extensiv als Synonym für moderne politische Systeme, als Nationalstaat zu verwenden. Nation soll nur verstanden werden als ein sozio-kulturelles Subsystem, als Kommunikationsgemeinschaft auf der sozialen Grundlage einer ethnisch homogenen Großgruppe, eines Volkes. Ihre Wesensmerkmale lassen sich am besten verständlich machen, wenn man sie im Funktionszusammenhang der Nationenentwicklung erläutert. Der Bezugsrahmen für Nationenbildung und -entwicklung ergibt sich aus einer Annahme sozialen Wandels, der zur Ausbildung von leistungsfähigen sozialen Großaggregaten — sozialen Systemen mit funktional/struktural gegliederten Subsystemen — tendiert.

Diese Entwicklung vollzieht sich im Bereich der materiellen Produktion, ausgehend von den ursprünglichen, alle Lebensfunktionen umfassenden sozialen Einheiten über die geschlossene Hausgemeinschaft (oikos) hin zur wirtschaftlichen Großgesellschaft, die als Personengruppe gelernt hat, arbeitsteilig zu kooperieren (so etwa auch Deutsch), die dementsprechend Strukturen sozialer Schichtung (Klassen) ausbildet und deren Mitglieder und Untergruppen ein auf Eigeninteresse beruhendes Selbstbewußtsein (Klassenbewußtsein) entwickeln, verstanden als sozio-ökonomisches Subsystem, als Volkswirtschaft. Parallel dazu bildet sich im Bereich der sozialen Reproduktion und kulturellen Kommunikation ebenfalls ausgehend von den „natürli-chen" sozialen Kleingruppen Sippe und Stamm, als Stammesverbände amalgamiert und insofern nicht mehr bloß Abstammungsgemeinschaft, sondern schon sozial-kulturell vermittelt hin zur sozialen Großgruppe Volk, eine Personengruppe als Kommunikationsgemeinschaft, die fähig ist, Information über einen Themenbereich, der faktisch alle Kultur-inhalte umfaßt, leistungsfähig zu kommunizieren (ebenfalls im Sinne Deutschs). Inhalt und Form der kulturellen Kommunikation werden geprägt durch die Merkmale der gemeinsamen Sprache, der vielfältigen kulturellen Manifestationen, der eigentümlichen Wesensart. Auf dieser ethnischen Grundlage entfaltet sich individuelles und kollektives Selbstbewußtsein, das alle Mitglieder der Bevölkerung erfaßt, nicht zuletzt mitinitiiert durch Elemente eines sozio-ökonomischen Eigeninteresses. Mit diesem Mobilisationsprozeß ist Nationenbildung in Gang gekommen. Nation stellt sich als sozio-kulturelles Subsystem dar.

Unterstützt und vermittelt werden beide Bereiche der sozio-ökonomischen und der soziokulturellen Entwicklung durch die politische Organisation der Gesellschaft. Auf der Grundlage eines geschlossenen Territoriums erhebt sie Anspruch auf politische Herrschaft. In der Ausbildung einer rational legitimierten Herrschaft und bürokratisch organisierter Verwaltungsapparaturen strebt sie optimale Effektivität an. Als politisches System stellt sie das gesellschaftliche Subsystem dar, das auf die Funktion verbindlicher Entscheidungsherstellung ausgerichtet ist. Es regelt Interessenkonflikte über materielle Ressourcen und Verteilungsprobleme wie über soziokulturelle Normen und Werte. Es sichert in der Herstellung von Konsens die Integration der Gesellschaft. Dabei ist es selbst wieder angewiesen auf die Unterstützung der beiden anderen Bereiche durch materielle und ideelle Leistungen. Nationale Identität erweist sich als besonders geeigneter „support“.

Das nationale Selbstbewußtsein hat dementsprechend die Tendenz, sich in einem politischen Willen zu äußern, der auf Herstellung einer gemeinsamen politischen Organisationsform drängt. Ausdruck dieser politischen Gemeinsamkeit ist der Nationalstaat als eine integrierte Einheit von Institution (Staat) und Personengruppe (Staatsvolk, nicht als bloß formale Verbandsangehörige, sondern als durch politischen Willen geeinte Nation). Diese Entwicklung zur Staatsnation soll als Normalfall der Nationenbildung gelten. Damit ist die Ausbildung eines sozialen Großaggregats komplettiert, das der Gesellschaft Integration durch das politische System, Kooperation durch das sozio-ökonomische Subsystem Volkswirtschaft und Kommunikation durch das sozio-kulturelle Subsystem Nation gewährleistet.

Von diesen Rahmenbedingungen her wären nun Sonderfälle der Nationenbildung, sowie Möglichkeiten der weiteren Nationenentwicklung in jeweiligen historischen Konstellationen zu untersuchen. Dabei wird auch die Wirkung sozio-ökonomischer Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Es sollte jedoch klargestellt sein, daß dieses Konzept eine Determinierung des Wesens der Nation durch Überbewertung der sozio-ökonomischen Einflußmöglichkeiten ausschließt. Es ist nicht der dem sozio-ökonomischen Bereich zuzuordnende Sachverhalt einer bestimmten Gesellschaftsstruktur, auch als Klassenstruktur vorstellbar, der das Charakteristikum einer Nation ausmacht. Es sind allenfalls die Wechselwirkungen zu konstatieren, in denen nationale Besonderheiten einerseits das Grundmuster der Gesellschaftsverhältnisse prägen; insoweit als Ausdruck einer bestimmten Form sozialer Inhalte, wie es auch die marxistische Nationentheorie besagt, allerdings mit anderer Akzentuierung. Es sind andererseits Einflüsse gesellschaftlicher Antagonismen, oder auch eines sozialen Konsensus, die die Konsistenz des Nationalbewußtseins schwächen oder stärken können, ohne aber die Wesensmerkmale des Nationalcharakters in ihrem Kern zu tangieren. Schließlich wird man bestimmte Elemente kultureller Entwicklung funktional beiden Bereichen zuordnen müssen, wobei auch Wechselwirkungen in beiderlei Richtung anzunehmen sind. Dazu gehört das Medium Sprache, das sowohl wichtigstes Instrument sozio-kultureller Kommunikation als auch in seiner kommunikativen Funktion „das Hauptinstrument des menschlichen Handelsverkehrs" (Lenin) ist

Die Besonderheiten der Nationenbildung und -entwicklung lassen sich an Beispielen der „Deutschen Frage" veranschaulichen.

V. Nationale Besonderheiten und „Deutsche Frage"

Eine Abweichung von dem im vorigen Abschnitt angenommenen Paradigma liegt vor, wenn konstitutive Merkmale der Nation, etwa Gemeinsamkeit der Sprache, nicht gegeben sind. Dieses Problem kann hier nur gestreift werden, weil es nicht eigentlich unsere Fragestellung betrifft. Es ist für die „Deutsche Frage" auch nur insofern relevant, als der Separierungsfall der Schweiz in eine mehrsprachige Nation mündet. Dieser Fall wird in einem anderen Zusammenhang noch behandelt. Ein anderer Separierungsfall, Österreich, der ebenfalls noch unter anderem Aspekt aufzunehmen ist, durchkreuzt das vorgegebene Muster nicht. Es deckt auch den Sachverhalt mehrerer Nationen mit gleicher Sprache, sofern jeweils die Homogenität gewahrt ist. 1-Kulturnation — Staatsnation — Willens-nation Bedeutsamer ist für die „Deutsche Frage" die Konstellation, in der das nationale Streben nicht über kulturelle Kommunikation hinaus-gelangt, weil äußere Bedingungen die Herstellung staatlicher Einheit und damit die Ausbildung zur Staatsnation verhindern. In diesem Fall tritt in einer Ersatzfunktion die Kulturnation auf den Plan, ohne die Tendenz des Strebens nach staatlich-politischer Einigung aufzuheben. Das Spannungsverhältnis zwischen Staats-und Kulturnation hat die deutsche Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert wesentlich mitbestimmt. In der Verweigerung wie in der Übersteigerung der politischen Ansprüche, die aus dem Selbstverständnis kultureller Gemeinschaftlichkeit abgeleitet wurden, hat es seine verhängnisvollen Folgen gehabt.

Auch aus dieser Einschätzung, vornehmlich aber aus systematischen ist Gründen anzunehmen, daß das Zurückgehen einer bereits entwickelten Nation, die staatliche Einheit erfahren und durch äußere Umstände bedingt wieder verloren hat, auf den Standard einer bloßen Kulturnation nicht möglich ist. Deshalb erscheint es auch plausibel, zur Kennzeichnung der gegenwärtigen Situation in Deutschland den Begriff der „Willensnation“ als Ausdruck politischen Wollens nationaler Zusammengehörigkeit anzuerkennen. Für unsere Fragestellung ist anzumerken, daß das Problem Nation und fehlende Staatlichkeit auch den sozio-ökonomischen Bereich einschließt. Streben nach staatlicher Einheit heißt immer auch Streben nach wirtschaftlicher Einheit, nach einem einheitlichen Binnenmarkt. „Mir ist nicht bange, sagte Goethe, daß Deutschland nicht eins werde; unsere guten Chausseen und künftigen Eisenbahnen werden schon das ihrige tun. Vor allem aber sei es eins in Liebe untereinander, und immer sei es eins, daß der deutsche Taler und Groschen im ganzen Reiche gleichen Wert habe... Deutschland sei ferner eins in Maß und Gewicht, in Handel und Wandel... (Ekkermann, „Gespräche mit Goethe", 23. Oktober 1828).

Insofern erübrigt sich aus Gründen historischer Einsicht und systematischer Zuordnung das Konstrukt einer „Öko-Nation" in Analogie zur Kulturnation.

Es bleibt jedoch die Frage nach den Auswirkungen gravierender sozio-ökonomischer Entwicklungen für das Entstehen, die weitere Entwicklung, den Bestand wie auch die mögliche Trennung von Nationen. Können tiefgreifende Veränderungen in der Sozialstruktur oder die Zuspitzung sozio-ökonomischer Gegensätze eine Nation so — Klassenkämpfe — auseinanderreißen, daß sie nicht nur in einem durch äußere Einflüsse erzwungenen Zustand der Teilung leben muß, sondern in zwei völlig getrennte, ihrem Wesen nach verschiedene Nationen auseinanderfällt? Das ist das Kernproblem der „Deutschen Frage" heute. Es soll an den Fällen deutscher Teilung in Geschichte und Gegenwart kurz erläutert werden. 2. (Gesamt) deutsche Nation und Separationen Hierzu ist zunächst eine grundsätzliche Vorbemerkung erforderlich. Nationenbildung kann nach zwei Grundmustern, als endogener (Integration) und als exogener (Abgrenzung) Prozeß 38), erfolgen:

— In einem allmählichen inneren, von äußeren Faktoren nicht entscheidend bestimmten Reifungsprozeß werden von einem politisehen Machtzentrum aus kleinere lokale Einheiten durch Föderation und Assimilierung, aber auch durch gewaltsame Eroberung und Absorbierung in einem staatlich-politischen Rahmen integriert, der die Basis für den nationalen Mobilisierungsprozeß bildet.

— In einem äußeren Abgrenzungsprozeß gegenüber anderen politischen Einheiten, sowohl bereits ausgebildeten Nationen als auch national amorphen Universalreichen, formt sich nationale Eigenständigkeit in allmählichem Hinauswachsen wie auch in abrupter Trennung als freie Entscheidung wie auch unter äußeren Zwängen.

Der Weg der deutschen Nation ist verspätet, von Abgrenzungen durchkreuzt und unvollständig verlaufen, bis er in eine von außen erzwungene Teilung mündete. Hier ist nun die Frage zu stellen, inwieweit bei dieser Entwicklung sozio-ökonomische Faktoren eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Die Separation des Schweizer Volkes vollzog sich, erst 1648 völkerrechtlich bestätigt, faktisch etappenweise vom 13. bis 15. Jahrhundert gegenüber einem Reichsverband, der in empfunde sich der als Zwangsherrschaft -nen Habsburger Oberhoheit verkörperte und keine nationale Identifikation stiften konnte. Neben dem militärisch-politischen Abwehr-kampf freier Bauern und Bürger gegen eine Feudalmacht haben die aus der besonderen geographischen Lage erwachsenen Handels-und Verkehrsinteressen dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Eidgenossen starke Impulse verliehen. Der nationale Sonderweg der Schweiz ist jedoch von den Deutschschweizern allein, also auf einer homogenen sprachlich-ethnischen Grundlage begonnen worden. Die drei anderen Sprach-und Volksgruppen kamen erst später, zum Teil durch Eroberung hinzu. Erst nach der Französischen Revolution von 1789 erlangten sie den Status freier Mitglieder des Bundes und konnten damit zur Ausbildung der heutigen viersprachigen Nation beitragen.

Die Separation der Niederlande, ebenfalls 1648 sanktioniert, war bereits seit dem 15. Jahrhundert in durch burgundische und Habsburger Hausmachtinteressen geförderten Verselbständigungsbestrebungen politisch vorbereitet worden. Auch ökonomisch und kulturell hatte das Land eine Sonderentwicklung vollzogen, die bereits im 16. Jahrhundert stark ausgeprägte frühkapitalistische Züge mit industriellen Ansätzen zeigte. So ist denn auch der Höhepunkt dieser Entwick-B lung, der Freiheitskampf gegen Spaniens Fremdherrschaft, wesentlich sozio-ökonomisch motiviert. Er ist als bürgerliche Revolution sowohl Ausdruck der Klassenauseinandersetzung zwischen dem aufstrebenden fortschrittlichen niederländischen Bürgertum und der retardierenden, schmarotzenden spanischen Adelsmonarchie, als auch einer nationalen Mobilisation im Bündnis von Bürgertum, Adel und Volksmassen. Diese Abgrenzung vollzieht sich zwar infolge dynastischer Verquickung in Frontstellung gegen eine andere bereits ausgebildete Nation, Spanien, nicht aber als Trennung von einer Mutternation. Denn die Beziehung zum ohnehin national amorphen Reich war längst hinfällig geworden. Die Separation in der Separation der Niederlande, die des katholischen Adels und Bürgertums in den Südprovinzen, sowie der Eigen-weg des wallonischen Volksteils ist ein Sonderproblem, das für die Wechselwirkungen von sozio-ökonomischen und ethnisch-kulturellen Bezügen außerordentlich aufschlußreich ist. Wegen seiner relativ geringen Bedeutung für die „Deutsche Frage" muß es hier jedoch außer Betracht bleiben.

Die Separation Österreichs schließlich stellt sich innerhalb von 80 Jahren in drei Konstellationen jeweils anders dar. 1866 wurden die Deutschösterreicher aus dem Kalkül einer nationalstaatlichen Regelung in Deutschland ausgeklammert. Dies war die unvermeidliche Voraussetzung für die Lösung der „Deutschen Frage" im Bismarckschen kleindeutschen Sinne, der äußersten im damaligen Europa politisch durchsetzbaren Möglichkeit. Für die Deutschösterreicher war dieser Vorgang deutscher Teilung jedoch folgenschwer. Wurden sie doch auf eine Minderheitsposition in der Donaumonarchie ohne eigene nationale Entwicklungsperspektive abgeschoben. 1918 wurde das Bestreben „Deutsch-Osterreichs", mit seinem Rumpfstaat Anschluß an das Deutsche Reich zu finden, durch das Diktat der Alliierten verhindert. Die Österreicher wurden somit auf den Weg einer „Zwangsnation“ geschickt. 1945 hat sich nach dem Zwischenspiel des Großdeutschen Reiches und dessen Zusammenbruch dieser Vorgang so nicht wiederholt. Vielmehr ist anzunehmen, daß die Österreicher froh waren, diesmal einen eigenen separaten Weg gehen zu können, der sie aus dem Odium eines besiegten Landes herausführte und die Chance eröffnete, in einem ungeteilten Staat leben zu können. So läßt sich die Situation Österreichs heute als die einer „Vernunftnation" charakterisieren, die sich mit ihrem nationalen Sonderweg nolens volens abgefunden hat und das beste daraus macht.

In einer zusammenfassenden Beurteilung dieser drei Beispiele läßt sich feststellen, daß in den Fällen der Schweiz und der Niederlande sozio-ökonomische Momente eine wesentliche Rolle für die nationale Sonderung gespielt haben. Im Fall Österreich gilt das nicht; hier machtpolitische Interessen jeweils reine ausschlaggebend. Außerdem ist der österreichische Weg zur eigenen Nation nicht aus freiem Entschluß beschritten worden wie in der Schweiz und den Niederlanden. Jedenfalls fällt das Beispiel Österreich als Beleg für unsere Fragestellung aus. Aber auch die beiden anderen Beispiele können nicht zur Stützung der These dienen, daß sozio-ökonomische Gegensätze zwangsläufig zur Teilung einer Nation führen. Das „Heilige Römische Reich deutscher Nation" hat in seiner national unausgebildeten Gestalt weder gegenüber der Schweiz noch gegenüber den Niederlanden die entsprechende Bezugs-größe verkörpert, die ein solches Argument voraussetzt.

VI. Zusammenfassung

Versuchen wir nun, die dreigeteilte Ausgangsfragestellung zu beantworten, so kann die These der SED-Führung vom Primat der sozialökonomischen (klassenmäßigen) Faktoren für die Bestimmung des Wesens der Nation und damit des Unterscheidungskriteriums für die Nationen weder methodologisch in der Begriffsbestimmung hoch in der konkreten historisch-politischen Anschauung gestützt werden. Auch der DDR-Regimekritiker Robert Havemann hat dementsprechend von einem marxistischen Standpunkt aus die „sozialistische Nation" als „Unsinn" bezeichnet.

Auch ein weniger dogmatisch gehandhabter historischer Materialismus tut sich schwer mit dem Nationenproblem und kann die Nation im Schema Basis-Überbau nicht eindeutig orten. Er sollte akzeptieren, daß die Dynamik der Produktivkräfte des sozio-ökonomischen Bereichs nur einer der wesentlichen Impulse des sozialen Wandels ist. Auch der Mobilisierungseffekt der nationalen Integration ist ein eigenständiger Entwicklungsfaktor aus dem sozio-kulturellen Bereich, allerdings in enger Wechselwirkung mit politisch-institutionellen und sozio-ökonomischen Faktoren. Die Komplexität der gesellschaftlichen Entwicklungsprozesse läßt sich dementsprechend nur mit hinreichend differenzierungsfähigen Methoden erfassen. Es läuft auf eine Kombination von strukturalem Ansatz, in der Analyse der objektiven materiellen Grundlagen und der sozio-ökonomischen und politisch-institutionellen Strukturen eines Sozial-systems, und sozialpsychologiscbem Ansatz, in der Analyse der subjektiven Bewußtseinslagen, der Werthaltungen und Einstellungen, kurz der politischen Kultur einer Gesellschaft, hier bezogen auf das kollektive Selbstverständnis als Grundlage einer Kommunikationsgemeinschaft hinaus.

Damit bleibt jedoch das Problem, daß eine Nation auf einen adäquaten Rahmen politischer Institution und wirtschaftlicher Kooperation verwiesen ist, um ihre Funktion als Kommunikationsgemeinschaft erfüllen zu können. Nation ist zwar eine dauerhafte historische Größe, die ihren Zusammenhalt auch unter sich verändernden staatlich-politischen und sozio-ökonomischen Bedingungen wahren kann. Jedoch sind Desintegration oder Separation dann nicht auszuschließen, wenn diese Bedingungen das nationale Kommunikationsgeflecht auf lange Sicht beeinträchtigen. Hier nun ist zu fragen, was sich dazu für die nationale Frage in Deutschland heute in ihrem Spannungsverhältnis zwischen Festhalten an der Willensnation und mangelnden Bezugs-größen staatlich-politischer und wirtschaftlicher Integration sagen läßt.

Mit aller Vorsicht kann die Prognose gewagt werden, daß der Bestand der deutschen Nation tatsächlich nicht durch das Austragen gesellschaftlicher und ökonomischer Konflikte bedroht ist, sondern sehr viel weniger drama-tisch, aber desto wirksamer dann, wenn sich die Kommunikation zwischen den Menschen in Ost und West weiter verdünnt und die realen ökonomisch-sozialen Lebensverhältnisse sich weiter auseinanderentwickeln. Das Ergebnis wäre dann zwar nicht die „bürgerliche Nation BRD" auf der einen und die „sozialistische Nation höheren Typus DDR“ auf der anderen Seite, sondern die deutsche (Rumpf) nation in der Bundesrepublik und eine durch äußere politische Bedingungen auf den Weg gebrachte „Zwangsnation“ DDR ohne eigenen Identifikationsbezug.

Die aus dieser Einschätzung abzuleitenden politischen Schlußfolgerungen konzentrieren sich demnach auf die beiden Punkte Kommunikation und ökonomisch-soziale Lebensverhältnisse. Sie sind wirksamer als der Hinweis auf abstrakte sozio-ökonomische Ordnungsvorstellungen. In der Umkehrung des Satzes aus dem „Kommunistischen Manifest": „Die Arbeiter haben kein Vaterland" läßt sich Marx schon für ausgesprochen proletarische Lebensverhältnisse entgegenhalten: „Die Arbeiter haben manchmal nur das Vaterland“. Eine Einschätzung, die sich im Widerstand ausländischer Arbeiter gegen Assimilationsbestrebungen in der Bundesrepublik bestätigt. Um so mehr gewinnt die nationale Identifikation für den Bürger an Bedeutung, der sie mit einer sicheren sozialen Existenz verbinden kann. Insofern ist auch die Interpretation der „Deutschen Frage“ über das Ringen um kulturelle und staatliche Einheit hinaus als Streben nach Gewährleistung individueller Freiheitsrechte und sozialer Gerechtigkeit zutreffend.

Je besser sich die ökonomisch-sozialen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik darstellen, desto stärker wirken sie sich positiv auf die gesamt-nationale Einstellung der DDR-Bevölkerung aus. Für die Bevölkerung der Bundesrepublik läßt sich eine solche Aussage allerdings kaum treffen, auch nicht in umgekehrter Richtung. Die Anzeichen, daß bei anhaltender Massenarbeitslosigkeit das Interesse an einer Beschäftigungsmöglichkeit in der DDR und damit die Bereitschaft zu gesamtdeutscher Identifikation wachsen könnte, sind zu schwach.

Im Zusammenwirken von sozio-ökonomischen Faktoren und nationaler Identifikation sind demnach nur die DDR-Bürger durch die Signalwirkung der westdeutschen Verhältnisse indirekt zu beeinflussen. Die Deutschen in Ost und West sind jedoch durch gesellschaftspolitische Steuerungsmaßnahmen, die gesamtdeutsche Kommunikation in allen gesellschaftlichen Bereichen unterstützen, gleichermaßen in ihrem nationalen Zusammenhalt zu stärken, über diese Maxime für jede Deutschlandpolitik führt keine neue Erkenntnis hinaus.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Interview in Die Zeit Nr. 6 vom 30. 1. 1981.

  2. So der Titel des von Wolfgang Venohr herausgegebenen Sammelbands, Bergisch Gladbach 1982.

  3. U. a. Beitrag des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen Dr. Rainer Barzel für das Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung v. 15. 11. 1982.

  4. Vgl. Frankfurter Rundschau Nr. 25, 33, 35, 95, 96, 98, 101 v. 31. 1. /9. 2. /11. 2. /25. 4. /26. 4. /28. 4. /2. 5. 1983.

  5. Peter Brandt/Herbert Ammon (Hrsg.), Die Linke und die nationale Frage. Dokumente zur deutschen Einheit seit 1945, Reinbek 1981.

  6. Gerhard Wuthe, Nation und Gesellschaft. Anmerkungen zum Problem der sozioökonomischen Bedingtheit der nationalen Frage, in: Deutschland Archiv Nr. 2/1983, S. 131-141.

  7. Hermann Axen, Der VIII. Parteitag der SED über die Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR, Vortrag am 7. 6. 1973 auf der theoretischen Konferenz der SED-Bezirksleitung Berlin, abgedruckt in: Deutschland Archiv 2/1974, S. 192 ff.

  8. Richard v. Weizsäcker, Stellungnahme zum Bericht zur Lage der Nation 1972, in: Bulletin v. 26. 2. 1972.

  9. Stellungnahme zum Bericht zur Lage der Nation 1978 am 9. 3. 1978, in: CDU (Hrsg.), Freiheit — Einheit — Menschwürde. Dokumente zur Deutschlandpolitik, Bonn (o. J.), S. 70.

  10. Willy Brandt, Der Auftrag des demokratischen Sozialismus. Rede zum 20. Todestag von Kurt Schumacher am 20. 8. 1972, Sonderdruck, S. 18.

  11. Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1974, Vorwort, S. XIX.

  12. Bundestagsdebatte über den Grundvertrag am 15. 2. 1973, in: Das Parlament Nr. 8 vom 24. 2. 1973.

  13. Weltbürgertum und Nationalstaat, München 1962, S. 9 f.

  14. Rudolf Laun, Allgemeine Staatslehre im Grundriß, Hamburg 1961®, S. 52.

  15. Friedrich Hertz, Wesen und Werden der Nation, in: Jahrbuch für Soziologie, 1. Ergänzungsbd. 1927.

  16. Staatslexikon der Görres-Gesellschaft, Freibure i. Br. 1959, S. 886.

  17. Axen, a. a. O. (Anm. 7), S. 197.

  18. Ebenda; W. I. Lenin, Werke, Bd. 20, S. 441.

  19. Zu den Belegen vgl. die Zusammenstellung von Klaus Motschmann, Sozialismus und Nation. Wie deutsch ist die „DDR“, 1979; sowie: Albrecht Martiny, Marxismus und nationale Fragen, in: Deutschland Archiv, 11/1975, S. 1176ff. und Boris Meissner, Der sowjetische Nationsbegriff und seine politische und rechtliche Bedeutung, in: Meissner/Hacker, Die Nation in östlicher Sicht, Berlin 1977, S. 7 f.

  20. Vgl. Lenins ursprünglichen Entwurf der " niesen zur nationalen Frage und kolonialen Frage für den II. Kongreß der Kommunistischen Internationale (Sept. 1920), in: Ausgewählte Werke, Bd. II, Moskau 1947, S. 770.

  21. Auf dem XII. Parteitag der KPR, 23. 4. 1923, in: Stalin, Werke, Berlin (Ost) 1953, Bd. 5, S. 232.

  22. Nacionalnyj vopros i social-demokratija (Nationale Frage und Sozialdemokratie), in: Provesenie (Aufklärung), 1913, Nr. 3, S. 54; 1939 geringfügig verändert, in deutscher Übersetzung in: Werke, Berlin Ost) 1953, Bd. 2, S. 272.

  23. Stalin, Werke, Berlin (Ost) 1954, Bd. 11, S. 304 f.; zur Veröffentlichungsgenese vgl. Meissner, a. a. O. (Anin. 19), s. 9, 11. r

  24. Zur Eröffnung der Diskussion zur „Weiterentwicklung der Theorie der Nation“, verbunden mit einer Kritik an der Definition Stalins durch den Beitrag von Rogaev und Sverdlin, O ponjatii , nacija'(über den Begriff . Nation), in: Voprosy istorii (Fragen der Geschichte), 1/1966 ff.; vgl. Meissner, a. a. O., S. 15 ff.; ferner: Autorenkollektiv, Leiter P. N. Fedossejew, Leninizm i nacional’nyi vopros v sovremmenych uslovijach (Leninismus und nationale Frage unter den gegenwärtigen Bedingungen), Moskau 1972; deutsche Version: Der Leninismus und die nationale Frage in der Gegenwart, Moskau 1974; E. A Bagramow, nacional'nyi vopros v bor’b'e id'ei (Die nationale Frage im Kampf der Ideen), Moskau 1982.

  25. Leninismus, a. a. O. (Anm. 24), S. 15 f.

  26. Leninizm, a. a. O. (Anm. 24), S. 39 f.; die betreffende Passage, die Wolfgang Pfeiler in eigener Übersetzung nach dem russischen Original zitiert (vgl. Die Ostverträge — eine Fortsetzung der alten Politik mit anderen Mitteln?, in: Deutschland Archiv 2/1974, S. 128 f.), ist in der deutschen Version von 1974 nicht enthalten.

  27. Alfred Kosing, Theoretische Probleme der Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR, in: Deutsche Zeitschrift für Philosophie, 2/1975, S. 237 ff.

  28. Alfred Kosing/Walter Schmidt, Nation und Nationalität in der DDR, in: Neues Deutschland vom 15. 2. 1975; ferner Kosing, Theoretische Probleme, a. a. O.

  29. Ders., Nation in Geschichte und Gegenwart, Berlin (Ost) 1976; Autorenkollektiv, Leiter A Kosing, Dialektik des Sozialismus, Berlin (Ost) 1981; Thomas Heubner, Nation und Nationalität. Staatsbürgerschaft: DDR — Nationalität: deutsch — oder: Wie entwickeln sich Nationen?, in: Junge Generation, Nr. 10/1981, S. 33 ff.; in Kurzfassung referiert in: DDR-Report, 12/1981, S. 791f. Zum Nationen-Konzept der SED vgl. auch Jens Hacker, Das nationale Dilemma der DDR, in: Meissner/Hacker, a. a. O. (Anm. 19), S. 40 ff.; Ulrich Neuhäußer-Wespy, Nation neuen Typs — Zur Konstruktion einer sozialistischen Nation in der DDR, in: Deutsche Studien, 52/1975, S. 357 ff.

  30. Materialien, a. a. O. (Anm. 11), S. 70.

  31. A a. O., S. 139.

  32. Insbes. Nationalism and Social Communication, Cambridge (Mass.) 1966; ferner Nationenbildung und nationaler Entwicklungsprozeß — Einige Fragen für die politikwissenschaftliche Forschung (1966); Entwicklungsprozeß der Nationen — Einige wiederkehrende Muster politischer und sozialer Integration (1951), beides in: Nationenbildung, Nationalstaat — Integration, (Hrsg. A Ashkenasi/P, Schulze), Düsseldorf 1972, S. 16-49.

  33. Einleitung, a. a. O., S. 10.

  34. Materialien, a. a. O. (Anm. 11), S. 69 f.

  35. A a. O., S. 75.

  36. Einleitung Ashkenasi, a. a. O. (Anm. 32), S. 8.

  37. Werke, 5. -russ. Ausgabe, Bd. 24, S. 385, zitiert nach Fedossejew, Leninismus, a. a. O. (Anm. 24), S. 37.

  38. Zu diesem wissenschaftstheoretischen Hintergrund des Konzepts der Politischen Kultur vgl. auch Dirk Berg-Schlosser, Politische Kultur. Eine neue Dimension politik-wissenschaftlicher Analyse, München 1972, S. 13 ff., sowie neuerdings das politische Kulturkonzept als komplementärer Ansatz zur sozialstrukturellen Analyse bei Peter Reichel, Politische Kultur der Bundesrepublik, Opladen 1981, S. 18 ff., besonders S. 53, gestützt auf das „Standardmodell" zur Erklärung politischen Verhaltens bei Sidney Verba/Norman Nie, Participation in America: Political Democracy and Social quality, New York 1972.

Weitere Inhalte

Gerhard Wuthe, Dr. phil., Dipl. -Pol., geb. 1927, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Dortmund. Veröffentlichungen u. a.: Gewerkschaften und politische Bildung, Hannover 1962; Mitautor von: Menschenwürdige Gesellschaft, München 19693; Harmonie und Konflikt. Zur Struktur und Funktion sozialer Leitbilder, Saarbrücken 1972; Mitherausgeber und -autor von: Politikwissenschaft als Erziehungswissenschaft? Lehrerausbildung und sozialwissenschaftlicher Unterricht, Opladen 1974; Mitautor von: Demokratische Gesellschaft — Konsensus und Konflikt, München 19782; Die Lehre von den politischen Systemen, München 19812; Nation und Gesellschaft. Anmerkungen zum Problem der sozio-ökonomischen Bedingtheit der nationalen Frage, in: Deutschland Archiv, 2/1983, S. 131— 141.