Vom 7. bis 12. März 1983 fand in Neu-Delhi die 7. Gipfelkonferenz der Bewegung Blockfreier Staaten statt. An der Konferenz nahmen 99 der jetzt 101 Mitglieder der Bewegung teil sowie 18 Beobachter-und 28 Gästedelegationen. Die Ausgangsbedingungen vor dieser Konferenz waren schlecht. Die zeitweilige Entspannung zwischen den Supermächten hat einem neuen Kalten Krieg Platz gemacht.
Die internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind auf einem Tiefpunkt angelangt und schlagen mit besonderer Härte in den blockfreien und anderen Entwicklungsländern durch. Außerdem macht ein Bündel von inneren Problemen es den Blockfreien schwer, die internationale Herausforderung in genügender Weise zu beantworten.
— So hat die Tatsache der Vervierfachung der Mitgliedschaft von 25 (Belgrad 1961) auf 101 (Neu-Delhi) nicht nur zu einer Stärkung der Bewegung geführt, sondern gleichzeitig die Spannbreite unterschiedlicher Auffassungen und möglicher Konflikte verstärkt.
— Die Konflikte bilateraler Natur haben zugenommen, einschließlich kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedsländern. Es ist zu stärkeren Differenzierungen in der Einschätzung regionaler Probleme gekommen. — Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre hat nicht nur zu einer Vertiefung des Grabens zwischen Nord und Süd, sondern auch zu einer zunehmenden wirtschaftlichen Differenzierung unter den Blockfreien selbst geführt. Allem voran sind es die Differenzen zwischen erdölexportierenden und nichterdölexportierenden Ländern. — Die zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben zur Folge, daß eine größere Zahl von Ländern sich zur Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen in die Abhängigkeit der einen oder anderen Großmacht begeben hat, bzw. daß sich vorhandene Abhängigkeitsbeziehungen verstärkten. Möglicherweise wären alle diese Differenzen nicht so in den Vordergrund getreten, hätten die Blockfreien bei der Durchsetzung ihrer Forderungen, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet, mehr Erfolg gehabt. Aber der vor allem von den Industrieländern zu verantwortende Stillstand in dieser Frage verstärkte die Auseinandersetzungen über blockfreie Strategie und Taktik.
Nicht zuletzt aber wurde die Lage dadurch verschärft, daß unter dem Druck der Supermächte die grundlegende Ausrichtung der Blockfreien als unabhängige Kraft in den internationalen Beziehungen von einer Reihe von Ländern offen in Frage gestellt und von anderen faktisch unterlaufen wird. Insbesondere der von Kuba unternommene Versuch, die Blockfreien zum „natürlichen Verbündeten" Moskaus zu machen, hat zu einer zunehmenden Polarisierung innerhalb der Bewegung geführt. Es bestand zwar nie Aussicht, diese Auffassung durchzusetzen, auch war die Gefahr einer Spaltung der Blockfreienbewegung gering. Jedoch drohte eine Lähmung der Bewegung, ein Verlust der Handlungsfähigkeit durch interne Streitigkeiten.
Das 7. Gipfeltreffen stand deshalb vor der Aufgabe, einen Beitrag zur Überwindung der internen Schwierigkeiten zu leisten, um die Möglichkeiten der Blockfreienbewegung in den internationalen Beziehungen wieder zur Geltung bringen zu können Angeknüpft werden könnte dabei an einer Reihe von Aktivposten in ihrer bisherigen Tätigkeit:
— Ihr Beitrag zum Prozeß der Dekolonisierung darf nicht gering geschätzt werden. Ihre internationale politische Anerkennung von Befreiungsbewegungen und die z. T. gegebene materielle Hilfe hat nicht unerheblich die Position der Befreiungsbewegungen gestärkt.
— Obwohl in der Realisierung bisher wenig erfolgreich, haben sie dafür gesorgt, daß Abrüstungs-und Weltwirtschaftsfragen zu Themen der internationalen Tagesordnung wurden, die verstärkt im Rahmen des Systems der Vereinten Nationen diskutiert werden.
— Am bedeutendsten ist aber einzuschätzen, daß die Blockfreien durch den Verzicht, sich nach dem Zweiten Weltkrieg dem einen oder anderen Block anzuschließen, eine strikte Blockteilung der Welt verhindert haben. Sie haben damit eine Alternative für viele andere Länder gewiesen. Da angesichts der Bedeutung vieler Länder (z. B. Indien) auch die „Nichtmitglieder von Blöcken durch die Supermächte umworben wurden, ... nahm der Wert von Allianz-Mitgliedschaften ab, und die Teilung des Systems begann weniger rigide zu sein" Mit ihrer wachsenden Zahl wuchs das Gewicht der Blockfreien auch in der UN. Sie sorgten dafür, daß diese nicht länger ein politisches Instrument der USA blieb. Die Existenz der Blockfreien erwies sich so überhaupt als Voraussetzung dafür, daß die Vereinten Nationen ihre Rolle als Regulator in der Weltpolitik wahrnehmen können — Nicht zu unterschätzen sind auch die längerfristigen Auswirkungen der Aktivitäten der Blockfreien. Da ihre Bilanz „häufig unmeßbar (ist), weil ihre Prinzipien als Prozeß und Tendenzen in alle Strukturen, Regionen, Dokumente, Beschlüsse und Programme der UNO und der Weltgemeinschaft vorgedrungen sind" wird häufig übersehen, daß sie durch die Propagierung von neuen Verhaltensmustern in der internationalen Politik das internationale Verhältnis gegenüber Gewaltanwendung, Kriegen und Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder nachdrücklich verändert haben — eine Entwicklung, die sich auch im Völkerrecht niedergeschlagen hat.
Die folgende Darstellung versucht, die Entwicklung der Auseinandersetzung über ein „natürliches Bündnis" mit der UdSSR nachzuzeichnen und die wichtigsten Ergebnisse der7. Gipfelkonferenz darzustellen
I. Blockfreie: Mit oder ohne „Natürliche Freunde" und „Natürliche Feinde"?
Ausführlichere bibliographische Angaben sind in zwei Bibliographien zu finden: Klaus Fritsche, Die Bewegung der Blockfreien, Teil I, Dortmund 1981, Teil II, Dortmund 1982. Alle in diesem Aufsatz zitierten Materialien befinden sich in der Bibliothek der Dokumentationsstelle Bewegung Blockfreier Staaten, Dortmund.
Wesentliche Faktoren, die die Probleme der Blockfreien verschärft haben, liegen in den Einmischungen und Pressionen der Groß-mächte begründet, die direkt oder indirekt — vermittelst nahestehender oder abhängiger Länder — versuchen, die Blockfreienbewegung für ihre strategischen Interessen nutzbar zu machen. Weder die USA noch die UdSSR waren je bereit, die Blockfreien als unabhängige Kraft zu akzeptieren. Aus dem Blickwinkel amerikanischer Politik wurde die Blockfreiheit lange Zeit als „unmoralisch" abgelehnt. Auch die Sowjetunion stand ihr nach dem Zweiten Weltkrieg im Zeichen ihrer Zwei-Lager-Theorie feindlich gegenüber. Die seit dieser Zeit auf beiden Seiten stattgefundenen Veränderungen haben aber nichts daran geändert, daß die Blockfreien immer nur, wenn auch in unterschiedlichen Konzeptionen, unter dem Gesichtspunkt des Ost-West-Konflikts betrachtet werden
Diese Einmischung hat sich mit der wachsenden Bedeutung der Blockfreien seit Mitte dersiebziger Jahre verstärkt. Sie richtete sich dabei nicht nur auf einzelne Länder, sondern es wurde versucht, die grundlegende Ausrichtung der Blockfreienbewegung zu unterminieren. Wie haben die Blockfreien auf diese Versuche, insbesondere sie zum natürlichen Verbündeten Moskaus zu degradieren, reagiert? 1. Äquidistanz und Blockfreiheit Zu einem Schlüsselbegriff in der Auseinandersetzung über die Rolle der Blockfreien ist die „Politik der Äquidistanz" (die Politik des gleichen Abstands) geworden.
Während der Ostblock sie als Verrat an den Prinzipien der Blockfreiheit verurteilt, ist „Äquidistanz" für den Westen deren authentische Verwirklichung. Auch innerhalb der Blockfreien sind diese Stichworte aufgegriffen und zum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen geworden. Mit diesem Begriff wird vom prosowjetischen Flügel eine Politik — z. B. die Jugoslawiens — kritisiert, die sich mit der Politik beider Blöcke gleichermaßen kritisch auseinandersetzt.
„Äquidistanz" ist aber niemals eine Zielvorstellung der Blockfreienbewegung gewesen. Sie ist nämlich „kein Politologenkongreß ..., wo mit Zirkel und Lineal die eigene Selbst-entfernung in sogenannten Äquidistanzen’ vermessen wird... Die Bewegung der Blockfreien ist nun einmal keine neutralistische Institution, in der die öffentliche Meinung mit Stoppuhren zwischen den etablierten Blöcken geopfert wird. Sie steckt ihre Position nicht an den Blöcken ab, sondern hat eine eigene Position, aus der heraus Blockbildung abgelehnt wird, weil sie eben gerechtfertigte Positionsnahmen verhindert." Die Blockfreien-bewegung ist dabei „nicht feindlich gegen den einen oder anderen Block eingestellt. Sie besteht (aber) in der Anerkennung der Tatsache", so Julius Nyerere in Havanna 1979, „daß ein machtvoller Staat oder Block versucht ist, seine Macht zur Durchsetzung seiner Interessen einzusetzen, ungeachtet seiner Ideologie". Deshalb hätten die Blockfreien auch weder „permanente Feinde“ noch „permanente Freunde, geschweige denn natürliche". „Aber ich bin sicher, daß sie dauerhafte Interessen hat.“ Auf der Grundlage dieser eigenen Interessen werden dann die Blöcke konkret, je nach Verhalten in zur Diskussion stehenden Situationen beurteilt und sich ihnen gegen-über verhalten. Eine Position der Äquidistanz würde dagegen Passivität Vorschub leisten.
Bei dieser klaren Position stellt sich natürlich noch deutlicher die Frage, welche Ziele mit der Diskussion um die Äquidistanz verbunden sind. Aus prosowjetischer Sicht wird an dieser Position, die beide Blöcke für die krisenhaften Entwicklungen verantwortlich macht, kritisiert, daß „Freund und Feind" nicht klar unterschieden würden. Als Alternative formulierte Samora Machel: „Der Imperialismus ist unser Feind, unser wirtschaftlicher Feind, militärischer Feind, politischer Feind und kultureller Feind. Diese klare Definition unseres Feindes, zusammen mit unserer Einheit, ist der Schlüssel unserer Stärke" Und auf der Gipfelkonferenz in Havanna führte er weiter aus, daß der Feind versuche, „uns auf eine Position der Äquidistanz zwischen Imperialismus und Anti-Imperialismus festzulegen. Er versucht, uns davon zu überzeugen, daß der Feind des Non-Alignment die Rivalität zwischen den Blöcken ist, mit anderen Worten, daß der Imperialismus nicht der Feind ist“ Diese klare Definition des Feindes wird durch ebenso klare Worte zu den Freunden ergänzt. „Wir erklären", so Samora Machel an gleicher Stelle, „daß die sozialistischen Länder die natürlichen Verbündeten unserer Völker sind... Sie sind eine zuverlässige Stütze in unserem Kampf"
Aus diesen Worten wird das Ziel des sowjetischen Kampfes gegen die Theorien der Äquidistanz deutlich. Eine Umorientierung der Blockfreienbewegung hin zur UdSSR soll durchgesetzt werden. Mit den Worten Pham Van Dongs: „Die Versuche, die Bewegung auf ihre ursprünglichen Ziele zu reduzieren und den Akzent darauf zu setzen, daß sie unabhängig sein und außerhalb der Blöcke stehen müsse, (sind) praktisch darauf gerichtet, die Nichtpaktgebundenen-Bewegung von ihrem antiimperialistischen Ziel wegzuführen und widersprechen den Interessen des Kampfes unserer Völker."
Auf der anderen Seite steht das westliche Beharren auf Äquidistanz, bzw. die westliche Kritik, daß die Blockfreien in den letzten Jahren von dieser Position weit entfernt gewesen seien. Angesprochen wird damit die unverkennbare Tatsache, daß Blockfreie und Ost- block gemeinsame Positionen in einer Reihe von Fragen (z. B. Kolonialismus und Rassismus) eingenommen haben. Eine Vielzahl von gemeinsamen Abstimmungen in den Vereinten Nationen zeugt unter anderem davon. Eine solche Feststellung übersieht aber häufig, daß „dies ... eine Parallelität des sozialistischen Blocks mit den Blockfreien (ist), und nicht andersherum" Auch eine genauere Untersuchung des parallelen Abstimmungsverhaltens, die sich nicht mit der Erhebung statistischer Daten begnügt, zeigt, daß die Blockfreien sich nicht an den Versuchen der Sowjetunion beteiligten, auf Kosten der antikolonialen Bewegung „Punkte im kalten Krieg zu machen". „Gewöhnlich wurden in kolonialen Fragen zwei Resolutionen in die Vereinten Nationen eingebracht, eine durch die antikoloniale Gruppe von Ländern, die andere durch die Sowjetunion. Die ersten suchten eine Lösung, die so schmerzlos wie möglich sein sollte, während die anderen versuchten, anti-westliche Gefühle zu verschärfen."
Wenn dies ohne Aufgabe der Unabhängigkeit geschieht, warum sollen die Blockfreien dann nicht davon profitieren, „wenn die sozialistischen Staaten gewisse Anliegen der Blockfreien unterstützen, mit welcher Motivation dies auch immer geschieht... Dies ist eine klare Folge von Versäumnissen des westlichen Blocks und seiner Unfähigkeit, die sich verändernden historischen Kräfte zu begreifen und die Hauptziele der blockfreien Länder zu würdigen oder zu unterstützen ... Der Parallelismus zwischen den Blockfreien und dem sozialistischen Block ist natürlich hauptsächlich in historischen Umständen zu finden. Fast alle Blockfreien waren Opfer des westlichen Kolonialismus und Rassismus ..., und viele der Probleme, mit denen die Blockfreien heute konfrontiert sind, sind Folge der kolonialen Unterwerfung."
Unter diesen Umständen bedeutet das Insistieren des Westens auf „Äquidistanz" den Versuch, sich der berechtigten Kritik der Blockfreien zu entziehen bzw. diese zu entschärfen. . Äquidistanz" wird aber nicht nur als Maßstab für die Beurteilung der Blockfreienbewegung als Ganzes genommen, sondern ist gleichzeitig die Elle, an der die Politik der einzelnen Mitglieder gemessen wird. Damit erweist sich dieser Begriff somit nur als bisher letzter Versuch der Blockideologen, die Mitglieder der Blockfreienbewegung in weiße und schwarze Schafe einzuteilen. 2. UdSSR: „Natürlicher Verbündeter" der Blockfreien?
Obwohl der aufgezeigte Parallelismus nie dazu geführt hat, daß die Blockfreienbewegung zur Reserve Moskaus geworden ist, wird er dort als eine der Begründungen für das „natürliche Bündnis" genommen. Hinzu kommt, daß u. a. aufgrund der angesprochenen historischen Situation vielfach notwendige Kritik an der Sowjetunion unterblieb. So wurde in Belgrad 1961 die Tatsache nicht kritisiert, daß die UdSSR am Eröffnungstag der Konferenz eine H-Bombe zündete. Und während der Vorbereitungen zur Konferenz von Lusaka 1970 kam Moskau trotz des Einmarsches in die ÖSSR ungeschoren davon.
Doch der Streit um ein „natürliches Bündnis“ gewann erst seit der 4. Gipfelkonferenz von Algier (1973) an Bedeutung. Die im Vorfeld der Konferenz von Breschnew propagierte These wurde von Castro aufgegriffen. Seitdem versucht die Sowjetunion verstärkt, gestützt auf die prosowjetischen Kräfte innerhalb der Bewegung, in zwei Richtungen der Bewegung ihren Stempel aufzudrücken. Einerseits das Bestreben, die Kritik an den USA zu verstärken und im Sinne der These des „natürlichen Feindes" den Hauptschlag gegen sie zu richten, andererseits eine Überprüfung und Neufestlegung der Prinzipien der Bewegung zu erreichen, indem die Blockfreienbewegung an ihren „natürlichen Verbündeten" Moskau gebunden und ihre Mitglieder entsprechend in „fortschrittliche" und „reaktionäre" eingeteilt werden. a) Auf dem Weg nach Havanna In Algier hatte Fidel Castro noch alleine die These vom natürlichen Bündnis vertreten. Mit der Aufnahme Vietnams, Laos, Mocambiques und Angolas und einiger Umstürze in Mitgliedsländern verstärkte sich diese Fraktion. So wurde mit stärkeren Kräften auf der 5. Gipfelkonferenz in Colombo (1976) versucht, die vorhandene Bereitschaft auf gleichberechtigter Grundlage mit der UdSSR zusammenzuarbeiten — wie mit allen anderen Ländern auch —, dahingehend interpretieren zu lassen, „daß die Blockfreienbewegung und die sozialistischen Länder im Kampf gegen ihre gemeinsamen Feinde vereint wären" Da in Colombo aber auch beschlossen wurde, die 6. Gipfelkonferenz für 1979 nach Havanna einzuberufen und damit Kuba die Präsidentschaft für die folgenden drei Jahre anzuvertrauen, schienen die Zeichen für neue Vorstöße günstig. Während der Ministertagung des Koordinationsbüros in Havanna (15. bis 20. Mai 1978), eines der wichtigsten Treffen zwischen den Gipfeln von Colombo und Havanna verfocht Kuba erneut die These, „daß sich die Bewegung den . sozialistischen Ländern'anschließen müsse ... Unter dem Druck der übrigen Mitglieder des Büros ging es von diesem Standpunkt wieder ab, damit nach außen hin die Einheit gewahrt blieb." Das bereits durch die kubanischen Militäraktionen in Afrika gewachsene Mißtrauen verstärkte sich auf dieser Konferenz dadurch noch weiter, da von Kuba auch die „Unterscheidung zwischen . progressiven'und . reaktionären'Mitgliedern Bewegung" propagiert der wurde.
Dieses Mißtrauen schlug auf der zwei Monate später in Belgrad stattfindenden Außenministerkonferenz (25. — 30. Juli 1978) in Gegenaktionen um. Während die Vorstöße erfolglos blieben, Kubas Mitgliedschaft in der Bewegung und Havanna als Tagungsort für die Gipfelkonferenz in Frage zu stellen — ihre Verwirklichung wurde als Bedrohung der Einheit gesehen—, wurden in zwei anderen Fragen Marksteine für die Zukunft gesetzt. Auf inhaltlicher Ebene wurde gegen die Theorie des natürlichen Verbündeten eine offensive Gegenposition aufgebaut, nach der der „Hegemonismus“ ebenso eine Gefahr für die Blockfreienbewegung darstelle wie „Imperialismus, Kolonialismus und Neokolonialismus“. Seit dieser Konferenz gehört auch der „Kampf gegen den Hegemonismus“ zum Arsenal der Blockfreienresolutionen.
Damit aber nicht genug. Es gab verschiedene Vorstöße, um eine bessere Kontrolle der bevorstehenden kubanischen Präsidentschaft zu ermöglichei. „So wurde in Belgrad ein ungewöhnlicher Schritt unternommen, indem ein besonderes Büro des Büros (gemeint ist das Koordinationsbüro, KF) geschaffen wurde, um die hauptsächlichsten konstitutionellen und Repräsentationsprobleme zu studieren, mit denen die Bewegung konfrontiert war."
Diese Frage dominierte bis zur Gipfelkonferenz in Havanna die Arbeit des Koordinationsbüros in New York.
Ein Teil der dort gefaßten Beschlüsse diente der Verstärkung der Kontrolle Kubas. So die gegen kubanischen Widerstand durchgesetzte Erhöhung der Zahl der Mitglieder des Koordinationsbüros von 25 auf 36 und die Aufforderung auch an die Nichtmitgliedsländer, sich aktiv an der Arbeit zu beteiligen. Andere Maßnahmen wurden bereits im Juni 1979 auf der Ministertagung des Koordinationsbüros in Colombo in Kraft gesetzt. Es wurde den Kubanern aufgegeben, schon „in der ersten Woche des Juli 1979 den Resolutionsentwurf zirkulieren (zu) lassen ..", außerdem wurden die Mitglieder der Bewegung aufgefordert, „ihre Anmerkungen bis zur 1. Augustwoche 1979 einzureichen“ Gleichzeitig wurde beschlossen, daß das politische wie das ökonomische Komitee der Konferenz seine Arbeit bereits parallel zu der das Gipfeltreffen vorbereitenden Außenministerkonferenz aufnehmen sollten. So hatte man jetzt statt einer hektischen Woche Gipfelarbeit neun Wochen Zeit, „um Veränderungen und eine Strategie" gegen die kubanischen Vorstöße zu formulieren. „Als der Gipfel seine Arbeit eröffnete, begann sie auf der Grundlage eines bereits revidierten zweiten Entwurfs." b) Die Gipfelkonferenz von Havanna So waren bereits vor der Eröffnung der Konferenz die Weichen für eine Auseinandersetzung gestellt, die die Arbeit der gesamten Konferenz überschatten und belasten sollte. Die Gretchenfrage hieß: Wie hälst Du es mit Moskau?
Während im Plenum der Konferenz vor allem Tito und Nyerere auf der einen und Castro, Machel und Pham Van Dong auf der anderen Seite die gegensätzlichen Positionen formulierten wurde die eigentliche Schlacht um das Schlußdokument woanders geführt. Die Teile der Resolution, die sich mit bestimmten regionalen Problemen befaßten, wurden in den Regionalgruppen der Mitgliedsländer diskutiert. Die ersten 28 Paragraphen des Ent-wurfs aber, in denen die Prinzipien der Block-freiheit und die Einschätzung der internationalen Lage niedergelegt sind, kamen in die Obhut eines Redaktionsausschusses, zusammengesetzt aus Vertretern Algeriens, Kubas, Indiens und Jugoslawiens Nach der Bearbeitung durch diese „Viererbande" hatte die am Ende verabschiedete Schlußresolution kaum noch Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen kubanischen Resolutionsentwurf Für die hier diskutierte Fragestellung sind vor allen Dingen die — immer wiederkehrenden — Umarbeitungen von Bedeutung. So versuchte der kubanische Entwurf den in Belgrad aufgenommenen Begriff des Hegemonismus, der im Verständnis der Mehrheit die Politik der Sowjetunion kennzeichnet, als eine Funktion des Imperialismus und vor allen gegen die VR China gerichtet umzuinterpretieren. Unter anderem hieß es, daß die „Imperialisten, Kolonialisten und Rassisten ... andere reaktionäre Kräfte in ihren hegemonistischen und expansionistischen Bestrebungen“ ermutigen würden. Dieser Versuch blieb erfolglos.
Die Formel vom „Kampf gegen Imperialismus, Kolonialismus ... und gegen alle anderen Formen fremder Aggression, Okkupation, Vorherrschaft, Einmischung in innere Angelegenheiten und Hegemonie wie auch gegen die Politik der Großmächte und die Blockpolitik" wurde dem entgegengesetzt. Mit ähnlichen Formulierungen wurde auch der Versuch zurückgewiesen, den Antiimperialismus und Antikolonialismus der Blockfreien für die Bündniszwecke der Sowjetunion auszunutzen. Eindeutig steht dieser jetzt im „Kontext der Gegnerschaft gegen alle Formen der Beherrschung kleiner durch große Länder"
Der kubanische Entwurf enthielt auch den Versuch, die These vom „natürlichen Verbündeten" zu verankern. Dies geschah mit verschiedenen Formulierungen, normalerweise dadurch, daß von der Zusammenarbeit mit „anderen fortschrittlichen Staaten und Kräften“ gesprochen wurde, bzw. davon, daß es „notwendig ist, die gemeinsame Aktion der blockfreien Länder zu verstärken und sie. in Beziehung zu denen anderer Entwicklungsländer und progressiver Staaten zu setzen“ Von diesen insgesamt im Entwurf 16 mal vorhandenen Formulierungen wurden zehn gestrichen übrig blieb erstens ein Hinweis im Kapitel „Die blockfreie Politik und die Erstarkung ihrer unabhängigen Rolle“. Dort heißt es: „Die Konferenz konstatiert, daß auch andere friedliebende, freiheitsliebende und gerechtigkeitsliebende, demokratische und fortschrittliche Staaten und Kräfte mit den blockfreien Ländern an der Erreichung ihrer Ziele zusammengearbeitet haben, und spricht ihre Bereitschaft aus, die Zusammenarbeit mit ihnen auf gleichberechtigter Grundlage fortzusetzen.“ Dies ist eine Feststellung, die in früheren Resolutionen nicht vorgekommen ist. Zwar enthielten auch die Beschlüsse von Kairo, Lusaka und Algier Verweise auf die Zusammenarbeit mit „den Kräften der Freiheit, des Friedens und des Fortschritts" von Staaten war in diesem Zusammenhang aber nie die Rede.
Fünfmal findet die Zusammenarbeit mit „sozialistischen Ländern", „fortschrittlichen Staaten und Kräften" positiv in Abschnitten zum südlichen Afrika und Palästina Erwähnung. Dies bedeutet, daß die Anerkennung des Werts der sowjetischen Hilfe dort gemacht werden konnte, wo sie von besonderer Bedeutung in einem bestimmten, aktuellen Konflikt war
Da aber gegenüber den hier erwähnten Formulierungen im Schlußdokument sehr stark die unabhängige Position der Blockfreien und ihre Anti-Blockpolitik herausgestrichen wird, ist die Einschätzung gerechtfertigt, daß Kuba keinen Erfolg in seinen Bemühungen hatte, Anerkennung für die Theorie vom natürlichen Verbündeten zu finden. Diese Einschätzung wird dadurch bestärkt, daß nach Havanna keinerlei derartige Versuche mehr unternommen wurden. Dennoch drückt sich auch in den Grundsatzfragen der Kompromißcharakter dieses Dokumentes aus. Wie eingangs ausgeführt, versuchte der von Kuba angeführte Flügel nicht nur zu erreichen, daß sich die Blockfreien bewußt als Alliierte des „sozialistischen Lagers" bezeichnen, sondern ging gleichzeitig daran, eine Verschärfung der Kritik an den USA durchzusetzen und jede Kritik an der UdSSR zu unterbinden. Wenn schon nicht die UdSSR als natürlicher Verbündeter, dann sollte wenigstens die USA als natürlicher Feind der Blockfreien dargestellt werden — eine Auffassung, die aber ebensowenig mit den Grundprinzipien der Blockfreien übereinstimmt.
Dennoch hatte Fidel Castro in Havanna mit dieser Strategie mehr Erfolg. In den Schlußdeklarationen wurden die USA und die anderen westlichen Länder so scharf wie nie zuvor kritisiert. Dieser Versuch der Antagonisierung des Verhältnisses gegenüber den USA schlug sich auch in den von Castro vorgetragenen Thesen zu den Wirtschaftsproblemen nieder. „Er ironisierte die Bestrebungen um die Verwirklichung einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Diese hätte nämlich Zusammenarbeit mit dem Westen bedeutet; und demgegenüber sollte die Bewegung, wie er zusammen mit der Sowjetunion wünschte, eine antagonistische Haltung einnehmen ... Was blieb, war lediglich die verschwommen zum Ausdruck gebrachte These vom . Kampf'anstelle der These von Verhandlungen mit den industriell entwickelten Ländern. Damit wurde gleichzeitig eine Krise des gesamten Weltwirtschaftssystems in Abrede gestellt und durch eine These ersetzt, die von einem frontalen Zusammenstoß zwischen den Ländern um die Sowjetunion herum, einschließlich der Blockfreienbewegung, einerseits und den industriell entwickelten Ländern des Westens andererseits sprach. So wurde in Havanna auch auf wirtschaftlichem Gebiet eine neue Ära und ein Abweichen von den bei allen vorherigen Konferenzen festgelegten Programmen und Zielen verkündet."
In dieser Richtung versuchte Kuba auch seine Präsidentschaft in den der Havanna-Konferenz folgenden Jahren auszunutzen.
Mit der sowjetischen Invasion in Afghanistan trat eine weitere Komponente im Wirken Kubas in den Vordergrund. Durch die Verhinderung der Verurteilung der sowjetischen Militäraktion sollte nicht nur Moskau in Schutz genommen, sondern auch die ausschließlich c) Sind die USA der „Natürliche Feind" der Blockfreien? antiwestliche Ausrichtung der Bewegung zur Geltung gebracht werden. d) Die Blockfreien in der Afghanistan-Frage Nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan gelang es den Blockfreien über ein Jahr lang nicht, sich auf eine gemeinsame Stellungnahme zu einigen. Zwar kamen auf der Notstands-Sondertagung der Vereinten Nationen zu Afghanistan im Januar 1980 von den Blockfreien 59 der 104 Stimmen für eine Resolution, die den Abzug aller fremden Truppen aus Afghanistan forderte. Lediglich neun Blockfreie stimmten gegen die Resolution (Äthopien, Afghanistan, Angola, DVR Jemen, Kuba, Laos, Mocambique, Vietnam, Grenada), 17 enthielten sich und neun nahmen an der Abstimmung nicht teil.
In monatelangen Diskussionen scheiterte das Koordinationsbüro in New York bei der Suche nach einem Kompromiß. Auch eine Arbeitsgruppe, der u. a. Kuba, Guayana, Jugoslawien, Bangladesh, Singapur, Afghanistan, Algerien, Indien und Pakistan angehörten, erreichte Übereinstimmung lediglich darin, daß folgende vier Fragen die Schlüsselelemente des Problems darstellen: „Nichteinmischung von außen; Abzug aller ausländischen Truppen; Sicherung der nationalen Unabhängigkeit; Suche nach einer politischen Lösung". Dies erwies sich aber für eine konkrete Resolution als nicht tragfähig. Denn der u. a. von Kuba geforderten Priorität nach „Beendigung der Einmischung von außen“ widersetzte sich die Mehrheit, für die der . Abzug aller ausländischen Truppen" aus Afghanistan der Ausgangspunkt einer Lösung sein mußte.
Nichts lief in dieser Frage mehr, bis sich im Mai 1980 eine große Zahl von Staats-und Regierungschefs anläßlich der Beerdigung Titos in Belgrad trafen. Dort wurde der Vorschlag entwickelt, eine außerordentliche Ministerkonferenz noch im Juli 1980 durchzuführen. Auf der Tagesordnung sollten „die internationale Lage und die Rolle der Blockfreien" stehen. Der Tagungsort sollte in Afrika liegen. Es sah sich jedoch kein Land in der Lage, so kurzfristig als Gastgeber zu fungieren. Auch der Schachzug Kubas, seine Ablehnung der Konferenz in Zustimmung zu verwandeln und gleichzeitig Havanna als Tagungsort vorzuschlagen, stieß auf wenig Gegenliebe. So wurde auf einer Plenarsitzung der Blockfreien am 18. /19. Juni 1980 beschlossen, die für September 1981 geplante Außenministerkonferenz in Neu-Delhi auf Anfang des Jahres vorzuziehen. Sie fand vom 9. — 12. Februar 1981 statt. Diese Konferenz bedeutete einen schweren Rückschlag für die Sowjetunion Entgegen ihrem Willen und gegen die ursprünglichen Vorstellungen des indischen Resolutionsentwurfes forderte die Konferenz eine „politische Lösung auf der Basis des Rückzugs der ausländischen Truppen und des vollen Respekts für die Unabhängigkeit, Souveränität, territoriale Integrität und des blockfreien Status von Afghanistan und der strikten Einhaltung des Prinzips der Nichtintervention und Nichteinmischung"
Auch in der Folgezeit kam es immer wieder zu heftigen Debatten. So unternahm Kuba während der Ministertagung des Koordinationsbüros in Havanna (Mai/Juni 1982) den Versuch, diese Formulierung streichen zu lassen. Auf der anderen Seite führte die mangelnde Bereitschaft der UdSSR zum Truppenabzug dazu, daß die Forderung immer stärker wurde, die Sowjetunion endlich beim Namen zu nennen. Auf dem Treffen vor der 37. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York (4. — 9. Oktober 1982) führte dies zu einer Konferenzverlängerung um zwei Tage, da Kuba nur gestützt auf die Macht seiner Präsidentschaft eine entsprechende Formulierung verhindern konnte.
Diese Entwicklung macht deutlich, daß das Afghanistan-Problem einen tiefen Einschnitt für die Entwicklung der Blockfreien bedeutet hat. Der Einmarsch hat dazu geführt, daß sich bei der Mehrheit immer klarer die Notwendigkeit durchsetzt, sich auch mit dem sowjetischen Hegemonismus in entsprechender Weise auseinanderzusetzen.
II. Das 7. Gipfeltreffen der Blockfreien in Neu-Delhi
Das 7. Gipfeltreffen, das einen Beitrag zur Klärung dieser Fragen und zur Überwindung der vorhandenen Schwierigkeiten leisten sollte, türmte wegen des iranisch-irakischen Krieges neue Probleme auf. Aufgrund des Widerstands Teherans gegen den Tagungsort Bagdad und der offenen Drohung mit Militär -aktionen gegen die Konferenz war die Sicherheit der Delegationen nicht mehr gewährleistet.
In dieser Situation wurde aber auch deutlich, daß der Wunsch zur Überwindung der Schwierigkeiten vorhanden war. Nachdem man bis Ende Juli 1982 sich einer Vertagung der Konferenz widersetzt hatte, begannen am 2. August mit einem Schreiben Fidel Castros, in dem aus Sicherheitsgründen für eine Verlegung der Konferenz plädiert wird, die Konsultationen über diese Frage. Am 10. August erklärte der irakische Präsident Saddam Hussein in einem Schreiben an Indira Ghandi seine Bereitschaft, auf die Durchführung der Konferenz zu verzichten, und schlug Neu-Delhi als neuen Tagungsort vor. Am 29. August wurde in einem weiteren Schreiben Fidel Castros mitgeteilt, daß die Konsultationen einen Konsens ergeben hätten, die 7. Gipfelkonferenz in Neu-Delhi abzuhalten. Gleichzeitig wurde festgestellt, daß die Bereitschaft besteht, als Dank für die konstruktive Rolle des Iraks, dort die 8. Gipfelkonferenz durchzuführen 1. Die indische Konferenzvorbereitung Angesichts der kurzen Zeit, die für die Konferenzvorbereitung zur Verfügung stand, ging man in Neu-Delhi zügig daran, die Resolutionsentwürfe für die Konferenz vorzubereiten. Durch intensives Reisen der indischen Spitzendiplomaten bemühte man sich schon von Beginn an, sich durch eine Abstimmung mit einer Gruppe von ca. 40 Staaten breite Unterstützung zu sichern.
In dem im Februar veröffentlichten Entwurf der politischen und ökonomischen Resolution verzichtete Indien darauf, seine eigene nationale Position der Bewegung aufzudrängen. Zudem war der Entwurf und das Vorgehen der indischen Seite durch das Bemühen um Übereinstimmung in den Hauptfragen „Frieden, Abrüstung und Entwicklung" gekennzeichnet. Gleichzeitig zeichnete er sich durch eine verbale Zurückhaltung in Kritik den Supermächten an aus. Während dies bezüglich der UdSSR von indischer Seite nicht so sehr über-raschte, wurden auch die USA nur zweimal namentlich erwähnt, und dann noch nicht einmal in der Form einer scharfen Verurteilung. Bezüglich Nicaragua wurden die USA „aufgerufen", „eine konstruktive Position zugunsten von Frieden und Dialog" einzunehmen Und bezüglich des Panama-Kanals wurde festgestellt, daß das Gesetz „ 9670 des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika unvereinbar mit den Torrijos-Carter-Verträgen ist und diese verletzt" Durch die scharfe Kritik an der Politik der Blöcke, ihren Militärdoktrinen und ihrem Vorherrschaftsstreben betonte der Entwurf besonders stark die unabhängige Rolle der Blockfreien in den internationalen Beziehungen.
Die Suche nach Einheit bestimmte auch während der Konferenz selbst das indische Vorgehen. Auch wenn die so zugestande gekommenen Kompromisse manchmal auf Kosten klarer Aussagen gingen, hat der Verzicht auf Konfrontation Vertrauen und Selbstbewußtsein der Mitglieder gestärkt. 2. Die Kampuchea-Frage in Neu-Delhi Während die Frage der Suspendierung Ägyptens, eines der ungelösten Probleme des Havanna-Gipfels still und heimlich von der Tagesordnung verschwand, war die Frage der Vertretung Kampucheas auch in Neu-Delhi heftig umstritten. Wer sollte den Sitz einnehmen: Prinz Sihanouk für die Koalitionsregierung des Demokratischen Kampuchea oder Heng Samrin für die von Vietnam eingesetzte Regierung in Phnom Penh? Oder sollte die Politik des leeren Stuhls, die in Havanna beschlossen worden war, fortgesetzt werden?
Schon im Vorfeld wurde beschlossen, die Debatte auf die Außenministerkonferenz zu beschränken. Von allen Seiten, einschließlich Singapurs, war zu hören, daß der Gipfel sich mit den für die Bewegung wichtigeren Fragen befassen sollte. Die Bedeutung, die dieser Frage dennoch zukam, zeigt die Tatsache, daß sich die Außenminister drei Tage lang in Plenardebatten und inoffiziellen Konsultationen fast ausschließlich hiermit befaßten. 61 Außenminister ergriffen das Wort — ein absolutes Novum für die Blockfreien. Von ihnen sprachen sich 30 für Prinz Sihanouk aus, 24 für Heng Samrin, die restlichen 7 traten dafür ein, den Sitz frei zu halten. Aufgrund dieser Mehrheitsverhältnisse war es „nicht möglich, ... einen Konsens über die Vertretung der einen oder der anderen Partei zu erreichen". Es wurde weiter beschlossen, daß das „Koordinationsbüro, in der Eigenschaft als Ad-hoc-Komitee handelnd, ... beauftragt (wird), die Frage weiter zu prüfen und dabei alle Anregungen, die während der Debatte gemacht wurden, in Rechnung stellt und auf dieser Grundlage Empfehlungen der Außenministerkonferenz 1985" vorlegen wird
Dieses Ergebnis war allgemein erwartet worden. Warum aber dann trotzdem diese heftige Debatte? Zwei prinzipielle Fragen standen zur Disposition.
Zum einen ging es um die Stellung zur vietnamesischen Besetzung Kampucheas und der Installierung einer pro-vietnamesischen Regierung. Gegenüber der vietnamesischen Auffassung, daß es hier um das „legitime Recht auf Selbstverteidigung und das Recht, einer anderen Nation in der Selbstverteidigung" gegen ein Terrorregime zu helfen, ginge, wurde u. a. von Singapur, Nord-Korea und Jugoslawien hervorgehoben, daß „wir uns nicht mit ausländischen Interventionen und der Anwendung von Gewalt irgendwo in der Welt zufrieden geben wollen , sei es in Kampuchea oder sonstwo" (L. Mojsov, jugoslawischer Außenminister). Der Vertreter Zimbabwes erklärte, diese Länder würden sich jeder Intervention durch irgendeine fremde Macht den Rückzug aller fremden Kräfte fordern, damit das Volk von Kampuchea selbst darüber entscheiden kann, welche Regierung es haben will
Es ging aber um mehr als um die Vertretung Kampucheas. Singapur, das sich bis zuletzt diesem Konsens widersetzte, betonte, daß Festlegungen getroffen werden müßten, unter welchen Bedingungen ein Land aus der Bewegung ausgeschlossen oder suspendiert werden könne. Diese Frage stelle sich mit absoluter Dringlichkeit nach der Art und Weise, wie in Havanna die Entscheidung über die Vertretung Kampucheas gefallen sei, genauso wie nach dem damaligen Versuch, Ägypten aus der Bewegung auszuschließen. Was war in Havanna geschehen? Wie schon ausgeführt, können Beschlüsse in der Blockfreienbewegung nur gefaßt oder geändert werden, wenn ein Konsens hergestellt werden kann. In der Kampuchea-Frage hatte das Demokratische Kampuchea auch nach dem vietnamesischen Einmarsch den Sitz in der Bewegung behalten. Noch auf der Ministertagung des Koordinationsbüros in Colombo (Mai 1979), also zwei Monate vor dem Gipfel in Havanna, unterstützten 20 Mitglieder des Koordinationsbüros diesen Zustand, nur fünf waren für Heng Samrin. Dort wurden auch „die Vorschläge für die Teilnahme Yeng Saris ohne Mitspracherecht, als auch der vietnamesische Antrag, entweder beide Delegationen zuzulassen oder keine, zurückgewiesen''. So blieb Yeng Sari wohl da, nahm jedoch nicht an der Debatte teil Auf dieser Grundlage versprach Kuba, keine einseitigen Veränderungen vorzunehmen und die Vertreter des Demokratischen Kampuchea nach Havanna einzuladen.
Aber entgegen diesen Zusagen drehte Kuba als Gastgeber nun die „Beweislast" um. Es sperrte die kampucheanische Delegation von der Konferenz aus (sie wurden außerhalb Havannas faktisch interniert) und erklärte, daß Konsens hergestellt werden müsse, um den setzte Sitz neu zu besetzen. Kuba sich dabei einer über den heftigen Protest großen Zahl von Mitgliedsländern hinweg. So erklärt nicht nur der Widerstand gegen Vietnam, sondern auch die Furcht, einmal selbst Opfer einer solchen Manipulation zu werden, das Beharren Singapurs auf dieser Debatte. 3. Die Hauptthemen der Gipfelkonferenz Indira Ghandi, die indische Premierministerin und Präsidentin der Blockfreienbewegung für die nächsten drei Jahre, hatte in ihrer Rede zur Eröffnung den Hauptinhalt der Konferenz deutlich definiert: „Frieden, Abrüstung und Entwicklung". Diese Fragen bestimmten die Plenarreden wie die Arbeit im Politischen und ökonomischen Komitee, die die Aufgabe hatten, die vorgelegten Resolutionsentwürfe und die Veränderungsanträge zu einem Abschlußdokument zusammenzubringen Zur öffentlichkeitswirksameren Verbreitung der Konferenzergebnisse wurde zudem eine „Botschaft aus Neu-Delhi" und eine „Deklaration über collective self-reliance" verabschiedet, in denen die wesentlichen Konferenzergebnisse zusammengefaßt wurden. Zur Diskussion aller wichtigen Fragen rufen die Blockfreien dabei in ihrer „Botschaft aus Neu-Delhi" zu einem Treffen mit den Staats-und Regierungschefs anderer Länder auf, um gemeinsam eine gerechte, faire und schnelle Lösung für diese Probleme zu finden. Bereits Anfang April wurden entsprechende Einladungen von Indira Ghandi versandt. Bestimmend für die Konferenz war, daß sich die Teilnehmer — unabhängig von allen konkreten Beschlüssen — darum bemühten, zu tragfähigen Übereinkünften zu kommen, die vorhandenen Schwierigkeiten zu überwinden und die bestehenden Differenzen in den Hintergrund treten zu lassen. Gleichzeitig wurde versucht, vorhandene bilaterale Spannungen abzubauen. Noch während der Konferenz unterzeichneten Indien und Pakistan ein Abkommen über die Einrichtung einer „Gemeinsamen Kommission" zur Verbesserung ihrer zwischenstaatlichen Beziehungen. PLO-Chef Arafat traf mit dem libanesischen Präsidenten Gemayel zusammen. Die afrikanischen Staatschefs versuchten, weitere Schritte zur Lösung der OAU-Krise zu unternehmen. Unverkennbar war in Neu-Delhi das Bemühen, auch unter den Mitgliedern als stabilisierender Faktor zu wirken.
Was waren nun die Hauptergebnisse der Konferenz? a) Frieden und Abrüstung „Frieden und Abrüstung" war angesichts der sich verschlechternden internationalen Situation eines der Hauptthemen in Neu-Delhi und bedeutete nach über 20 Jahren eine Rückkehr zu den dominierenden Themen der Belgrader Konferenz. Da ein dauerhafter Frieden „die Beseitigung aller Formen von Vorherrschaft, Diskriminierung, Ausbeutung und Unterdrückung" voraussetzt, wird das Eintreten „für die Errichtung einer neuen Weltordnung" bekräftigt, die sich „auf dem Respekt für Unabhängigkeit, Gleichheit und Zusammenarbeit und der Verwirklichung des Trachtens aller Völker nach Gerechtigkeit, Sicherheit, Entwicklung und Wohlstand" gründet. Entscheidungen „über Fragen von lebenswichtiger Bedeutung dürfen nicht länger das Vorrecht einer kleinen Gruppe von Ländern sein, wie mächtig diese auch immer sind" Deshalb sei „die Demokratisierung der internationalen Beziehungen ... eine gebieterische Notwendigkeit unserer Zeit" Ein Hindernis auf dem Weg zu dieser neuen Ordnung sind nicht nur der Imperialismus, Kolonialismus, Neokolonialismus und alle Formen von Aggression, Einmischung oder Hegemonie, sondern auch jede Art von „Großmacht-und Blockpolitik". Gegenüber deren Politik „der Einmischung, Intervention, des Drucks, der Destabilisierung und der Besetzung" wird als Alternative eine „Politik der friedlichen Koexistenz und Zusammenarbeit auf der Basis von Gleichheit" gefordert.
Aus dieser Kritik an den Blöcken in Ost und West wird die Verpflichtung der Blockfreien gefolgert, „sich von Machtblöcken und gegeneinander verbündeten Gruppen fernzuhalten, deren Existenz die Welt mit einer umfassenden Katastrophe bedrohen" Darüber hinaus wird der Versuch der Blockideologen, „den Kampf der Völker für Unabhängigkeit und menschliche Würde als im Zusammenhang der Ost-West-Konfrontation stehend" zu betrachten, als Gefahr für den Frieden und die Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker verurteilt.
Die Verwirklichung dieser Anliegen ist ein Langzeitprogramm. Der atomare Holocaust bedroht aber hier und heute das überleben der Menschheit. Deshalb nehmen in den Beschlüssen von Neu-Delhi die Forderungen nach „allgemeiner und vollständiger, insbesondere nuklearer Abrüstung" breiten Raum ein. „Der Weltgeschichte größte Friedensbewegung", so eine Charakterisierung der Blockfreien durch Indira Ghandi, stellt dabei bewußt den Zusammenhang zu den „Friedensbewegungen in der ganzen Welt" her, die „zunehmend die Weisheit von Entscheidungen zur Verstärkung des Wettrüstens" in Frage stellen. „Weltweite Solidarität in der lebenswichtigen Frage des menschlichen überlebens ist heute nicht mehr nur ein hehres Ideal, sondern eine unbedingte Notwendigkeit."
Die Blockfreien fordern die Aufgabe der „Doktrinen des strategischen Gleichgewichts, der Abschreckung und der Konzepte eines begrenzten Atomkrieges" Zwar ist die Formulierung des indischen Resolutionsentwurfs fallengelassen worden, daß Abschreckung nur ein Deckname für atomaren Terrorismus sei, aber nach wie vor gilt als „unannehmbar, daß die Sicherheit aller Staaten und das überleben der Menschheit Geisel der Sicherheitsinteressen einer Handvoll atomwaffenbesitzen-der Staaten" sein soll. Zudem hat diese Abschreckungsstrategie nur „die Gefahr des Ausbruchs eines nuklearen Krieges erhöht und zu größerer Unsicherheit und Destabilität in den internationalen Beziehungen geführt“
Neben dieser grundsätzlichen Kritik werden eine Reihe von Abrüstungsmaßnahmen gefordert, z. B. „ein unverzügliches Verbot der Anwendung oder der Drohung mit der Anwendung von Atomwaffen .... Die Blockfreien fordern weiterhin ein „Einfrieren der Entwicklung, Produktion, Lagerung und Stationierung von Nuklearwaffen und die zügige Ausarbeitung eines umfassenden Vertrages über das Testverbot von Atomwaffen" Die Errichtung von atomwaffenfreien Zonen wird als eine „wichtige Abrüstungsmaßnahme" gesehen. Auf konventionellem Gebiet wird die schnelle Verabschiedung eines Vertrags über das Verbot chemischer Waffen gefordert Ansonsten verweist die Resolution auf die entsprechenden Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen, die beschleunigt durchgeführt werden sollen, um zu einem spürbaren Ergebnis zu kommen. b) „Friedliche Lösung von Streitfragen“ und der Krieg zwischen Iran und Irak Das Bemühen, den Krieg zwischen Iran und Irak zu beenden, ging in Neu-Delhi hinter den Kulissen weiter. Da dieser Konflikt aber nur symptomatisch für die zunehmende Zahl von Auseinandersetzungen zwischen den Blockfreien selbst ist (z. B. Äthiopien-Somalia, Vietnam-Kampuchea), wurde gleichzeitig über Möglichkeiten blockfreier Konfliktlösungsmechanismen diskutiert — ein Unterfangen, das noch zur Gründerzeit in Titos Eröffnungsrede zur Belgrader Konferenz zurückgewiesen wurde. Aus Angst vorSpaltungstendenzen schlug er vor, daß „man... die Regelung solcher Fragen der bilateralen Praxis überlassen bzw. sie auf dem Weg der gegenseitigen friedlichen Verständigung regeln" sollte. Man beschränkte sich in der Folgezeit auf das Eintreten für friedliche Rahmenbedingungen und auf Versuche, «ine Internationalisierung der Konflikte zu verhindern. Aber die Konflikte der letzten Jahre haben eine größere Dimension und Schärfe erreicht So wurde von Sri Lanka 1978 der Vorschlag zur Bildung einer „Kommission zur friedli-chen Lösung von Grenzkonflikten“ zur Ermöglichung präventiver Konfliktlösung vorgeschlagen. Im Gegensatz dazu sieht der 1979 von Jugoslawien vorgelegte Vorschlag nicht die Bildung einer ständigen Kommission, sondern die Bildung jeweiliger Ad-hoc-Komitees nach Zustimmung der Betroffenen vor. Keines der beiden Dokumente ist bisher verabschiedet worden. Der jugoslawischen Vorschlag wurde aber als Anhang zur Schlußdeklaration von Havanna genommen.
Auch in Neu-Delhi wurden keine institutioneilen Lösungen vorgeschlagen. Zum ersten Mal wurden aber weiter ausgeführte Prinzipien niedergelegt, auf deren Grundlage die Diskussion weitergeführt werden soll: „Die Unverletzlichkeit von anerkannten internationalen Grenzen, Nichteinmischung und Achtung des Menschenrechts auf freie nationale und soziale Entwicklung", friedliche Lösung in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen und regionalen Organisationen wie der OAU. Es wird bekräftigt, daß „Streitfälle zwischen benachbarten Staaten ausschließlich auf friedlichem Wege durch direkte Verhandlungen, Vermittlungen oder gute Dienste, die von den betroffenen Parteien akzeptiert werden, oder andere Maßnahmen, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind", gelöst werden sollen
Der Krieg zwischen dem Iran und dem Irak provozierte unabhängig von einer Grundsatzentscheidung sofortige Aktionen der Blockfreien Der erste Vorschlag zur Einrichtung eines „Good-will-Komitees', dem Algerien, Indien, Jugoslawien, Kuba, Pakistan, die PLO und Sambia angehören sollten, stieß auf große Schwierigkeiten. Der Irak lehnte die Teilnahme Algeriens ab, während der Iran darauf bestand. Auf der Außenministerkonferenz in Neu-Delhi (Februar 1981) wurde deshalb eine Modifizierung vorgenommen. Die Außenminister von Indien, Kuba, Sambia und der Chef der Politischen Abteilung der PLO wurden aufgefordert, „alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen", um zu einer Einstellung des Krieges zu kommen. Die Aktivitäten dieses Komitees waren aber ebensowenig erfolgreich wie die Mission der Islamischen Konferenz und des UN-Generalsekretärs. So führte dieser Konflikt zur Vertagung des 7. Gipfel-treffens und blieb Dauerthema in Neu-Delhi selbst Der irakische Vize-Präsident Taha Muhiddin Marouf schlug die Einrichtung eines Schlichtungsausschusses vor, dessen Spruch für beide Seiten verbindlich sein sollte. Der iranische Premierminister Mir Hossein Moussavi wies aber alle Vermittlungsbemühungen zurück und bekräftigte auf einer Pressekonferenz das Festhalten des Irans an seinem harten Kurs. Teheran sucht die Entscheidung weiter auf dem Schlachtfeld, um mit einem Sieg auch den Sturz Saddam Husseins zu erreichen.
Dieser Konflikt wurde auch bis zum Ende der Konferenz nicht gelöst. Da der Iran bis zuletzt darauf bestand, den Irak im Schlußdokument als Aggressor zu verurteilen, wurde vollständig darauf verzichtet, einen Passus über den Konflikt in die Schlußdeklaration aufzunehmen Statt dessen rief Indira Ghandi erneut zur Beendigung des Krieges auf. „Als Vorsitzende werde ich die Konsultationen fortsetzen und alle möglichen und angemessenen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels unternehmen.“ Infolge dieser Auseinandersetzung wurde auch der Ort der 8. Gipfelkonferenz noch nicht festgelegt. Zwar votierte die überwältigende Mehrheit für Bagdad, hofft auf eine baldige Beendigung des Krieges und will dann diesen Beschluß fassen. Eine endgültige Entscheidung wird spätestens auf der Außenministerkonferenz 1985 in Angola fallen c) Initiativen gegen Stillstand im Nord-Süd-Dialog Die wirtschaftliche Lage in der Dritten Welt ist katastrophal. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise sind für die Entwicklungsländer weitaus schwerer als für die industrialisierten Länder. Die Schuldenlast ist auf 600 Mrd. Dollar angestiegen; der Verfall der Rohstoffpreise hat 1981/82 zu einem Exportausfall von 150 Mrd. Dollar geführt; jährlich müssen allein 106 Mrd. Dollar für die Schuldentilgung aufgebracht werden. Gleichzeitig steigt der Protektionismus der Industrieländer, die Terms of Trade verschlechtern sich durch den Anstieg der Importwarenpreise und die entwickelten Länder scheinen zur Zeit kaum zu mehr als zur Klimaverbesserung bereit zu sein. Die Folgen dieser Entwicklung für die Lebensbedingungen von Milliarden von Menschen sind kaum vorstellbar.
Diese Situation fordert daher dringend die Entwicklung und Förderung neuer Aktionen und Strategien. Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen daher nicht neue Forderungen an den Norden, sondern neue Initiativen zur Überwindung des Stillstands im Nord-Süd-Dialog. Grundlage der Strategie ist für die Blockfreien nicht Autarkie oder Abkoppeln von den Ökonomien der industrialisierten Länder, sondern Zusammenarbeit mit ihnen. „In einer wachsend interdependenten Welt sind das wirtschaftliche Schicksal und die Stabilität beider Gruppen von Ländern mehr und mehr miteinander verflochten." Diese „Interdependenz ist jedoch wegen des gegenwärtigen ungerechten ökonomischen Systems asymmetrisch“ arbeitet zum Nachteil der Entwicklungsländer und hat zu einer Verschärfung der Weltwirtschaftskrise geführt. Die Errichtung einer neuen Weltwirtschaftsordnung sei deshalb nach wie vor eine dringende Notwendigkeit, um zu einer dauerhaften Gesundung der Weltwirtschaft zu kommen.
Auch aus politischen Gründen muß diese Forderung erfüllt werden. „Frieden und Entwicklung sind voneinander abhängig, und die internationale Gemeinschaft kann sich so lange keines dauerhaften Friedens sicher sein, solange die wirtschaftlichen Ungleichheiten zwischen den Nationen größer werden.“ Die Blockfreien forderten deshalb in Neu-Delhi „ein neues Konzept internationaler Sicherheit, das die Interessen aller Nationen und aller Völker am Überleben“ berücksichtigt. Auf dem Weg dorthin brachte Neu-Delhi einen Schwerpunktwechsel, um den Nord-Süd-Dialog wieder anzukurbeln. In den letzten drei Jahren hatte man sich darauf konzentriert, ein Zustandekommen der Globalverhandlungen über strukturelle Veränderungen des Weltwirtschaftssystems zu erreichen. Angesichts der gegenwärtigen Aussichtslosigkeit zur Verwirklichung dieser Forderungen, will man jetzt zuerst auf die Durchsetzung einer Reihe von Sofortmaßnahmen in den Bereichen drängen, die von besonderer Wichtigkeit für die Entwicklungsländer sind: Ressourcentransfer, Verschuldungsfragen, Rohstoffe, Energie und Nahrungsmittel. Im Zentrum steht dabei die Forderung nach einer internationalen Konferenz über Währung und Finanzen, um zu einer Reform des „ungerechten und überholten internationalen Wäh-rungs-und Finanzsystems“ zu kommen.
Der Plan für Globalverhandlungen wurde aber nicht aufgegeben. Ein indischer Konferenzsprecher erläuterte, daß die Sofortmaßnahmen „den Patienten am Leben halten" sollen, während die Globalverhandlungen als „langfristige Therapie" gelten. d) Politische Impulse für die Verstärkung der Süd-Süd-Beziehungen In dieser schwierigen Lage erhielt die Diskussion über die Süd-Süd-Beziehungen großen Auftrieb. „Zusammen besitzen die Entwicklungsländer große Märkte. Sie produzieren praktisch alle Rohstoffe und haben ein großes Reservoir an Arbeitskräften, technischen Fähigkeiten, Produktionskapazitäten und finanziellen Ressourcen." Angesichts dieser Möglichkeiten soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Entwicklungsländer dazu dienen, durch die Stärkung der Collective Self-Reliance die Verhandlungsposition der Dritten Welt gegenüber den Industrieländern zu stärken und ihre Verwundbarkeit gegenüber Pressionen und gegenüber den Folgen der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise zu vermindern. Jedoch dürfen die Erwartungen nicht zu hoch geschraubt werden. Seit der Verabschiedung des ersten „Aktionsprogramms für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ in Georgetown 1972 ist man über einen Erfahrungsaustausch im wesentlichen nicht hinausgekommen. Zwar hat sich der Handel zwischen den Entwicklungsländern zwischen 1970 und 1980 von drei auf sieben Prozent Anteil am Welthandel gesteigert, dies geht aber hauptsächlich auf die Steigerung des Ölpreises wie auf die Importe der OPEC-und anderer sogenannter Schwellenländer zurück.
Zwei Beispiele mögen die Langfristigkeit von Fortschritten in den Süd-Süd-Beziehungen verdeutlichen. So wurde bereits 1973 in Algier ein „Solidaritätsfonds für die ökonomische und soziale Entwicklung in den blockfreien Ländern" beschlossen. Bisher haben erst sieben Staaten diesen Vertrag ratifiziert, 16 haben ihn unterzeichnet und zwölf weitere haben ihre Bereitschaft erklärt, ihm beizutreten. Da er aber erst nach der Unterzeichnung von 40 Ländern in Kraft tritt, steht er immer noch lediglich auf dem Papier. Ein ähnliches Schicksal droht der seit 1976 diskutierten Bank der Entwicklungsländer, die durch Ressourcen der OPEC finanziert werden sollte. Diese zeigen zur Zeit jedoch dazu keine Bereitschaft, so daß der im Entwurf der ökonomischen Deklaration vorgesehene Gründungstermin 1985 in der Schlußfassung nicht mehr auftaucht, sondern nur die Existenz einer Studie zu diesem Bankprojekt mit Interesse zur Kenntnis genommen und auf die Stärkung der existierenden Finanzinstitutionen hingewiesen wird.
Einige andere Institutionen zum Erfahrungsaustausch arbeiten aber schon. Das „Zentrum für öffentliche Unternehmungen" in Jugoslawien ist seit längerer Zeit erfolgreich tätig. Das Statut für ein „Zentrum für Wissenschaft und Technik" in Neu-Delhi wurde verabschiedet, und in New York hat eine Dokumentationsarbeit über die Süd-Süd-Kooperation in Zusammenarbeit zwischen der „Gruppe der 77" und den Blockfreien begonnen, überhaupt soll in nächster Zeit ein Augenmerk darauf gerichtet werden, die Aktivitäten der Blockfreien und das . Aktionsprogramm von Caracas" der . Gruppe der 77'aufeinander abzustimmen. Alle diese Probleme machen deutlich, daß eine Süd-Süd-Beziehung zwar als politische Notwendigkeit empfunden wird, die Realisierung aber noch vor großen Schwierigkeiten steht. Sie kann deshalb auch aus diesem Grund kein Ersatz für eine Verbesserung der Nord-Süd-Beziehungen darstellen. e) Position zu einigen Regionalproblemen Ein großer Teil der Politischen Deklaration ist verschiedenen Regionalproblemen gewidmet. Im wesentlichen werden dabei aber bekannte Positionen der Blockfreien wiederholt.
Bezüglich Namibia wird die Unterstützung der SWAPO und ihre Forderung nach Unabhängigkeit bekräftigt; Südafrika und die USA werden scharf kritisiert. Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen der Unabhängigkeit Namibias und dem Abzug kubanischer Truppen aus Angola wird entschieden abgelehnt. Unterstützt werden auch die Befreiungsbewegungen in Südafrika selbst.
Eine wichtige Kontroverse gab es um die Frage des Indischen Ozeans, der zu einer „Zone des Friedens" erklärt werden soll. Scharf wird die Rivalität der Großmächte in diesem Raum verurteilt; die USA und die UdSSR werden zu Verhandlungen über die Reduzierung und Einstellung ihrer militärischen Präsenz aufgefordert. Es sollen Anstrengungen unternommen werden, um die Durchführung der UN-Konferenz über den Indischen Ozean für 1984 sicherzustellen. Streit gab es darüber, ob in diesem Abschnitt der amerikanische Stützpunkt Diego Garcia als einzige Basis beim Namen genannt werden solle. Dies wurde abgelehnt, gleichzeitig aber ein gesonderter Abschnitt beschlossen, der — das ist neu für die Blockfreien — die Rückgabe des Chagos Archipels, zu dem auch Diego Garcia gehört, an Mauritius fordert. Bezüglich des Nahen Ostens wird die Unterstützung der PLO bekräftigt und der in Fez verabschiedete Friedensplan der Arabischen Liga unterstützt. Auf Antrag Arafats wurde ein achtköpfiges Komitee gebildet, das der PLO-Führung Hilfestellung leisten soll Scharf werden Israel und die USA kritisiert. Eine Verurteilung des Abkommens von Camp David wird jedoch nur indirekt vorgenommen. In der Afghanistan-Frage wurden die Beschlüsse von 1981 wiederholt, ergänzt durch die Unterstützung der Friedensbemühungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Pakistan bestand aber erfolgreich darauf, daß ein direkter Verweis auf die indirekten Gespräche in Genf aus dem indischen Entwurf gestrichen wurde. Jeder Eindruck sollte vermieden werden, daß es sich hier um ein bilaterales Problem zwischen Afghanistan und Pakistan handele.
Großen Raum nehmen auch Latein-und Mittelamerika betreffende Fragen ein. Im wesentlichen werden jedoch die Beschlüsse der Ministertagung des Koordinationsbüros der Blockfreien in Managua wiederholt, einschließlich der dort erfolgten scharfen Kritik an den USA Aus europäischer Sicht ist noch von Bedeutung, daß die Konferenz die Initiativen der Gruppe der europäischen Neutralen und Blockfreien (N & N) im Rahmen der Madrider Nachfolgekonferenz der KSZE positiv würdigt und unterstützt und dafür eintritt, das Mittelmeer zu einer Zone des Friedens zu machen. f) Das Schicksal desKoordinationsbüros Ein wichtiger Beschluß der Konferenz wurde bezüglich der Arbeit des Koordinationsbüros getroffen. Das seit 1973 mit wachsender Mitgliedschaft bestehende Gremium wurde erneut vergrößert diesmal von 36 auf 66, oder besser gesagt: Jeder, der wollte, konnte Mitglied werden. Hierin drücken sich zweierlei Tendenzen aus. Zum einen hat in den letzten Jahren die Beteiligung an den Büro-Sitzun-gen beständig zugenommen, auch deshalb, weil die Bedeutung der dort behandelten Fragen anstieg. Deshalb der Wunsch vieler Mitglieder, die eigene Stimme zur Geltung zu bringen. Mit der Zahl der Bewerbungen wurde es aber zum anderen auch zunehmend schwieriger, eine konsensfähige regionale Verteilung der Sitze zu erreichen. Es wurden deshalb mehrere Vorschläge zur Veränderung der Strukturen des Büros diskutiert. Im Gespräch war eine zeitliche oder alphabetische Rotation. Dies erfuhr unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität der Arbeit jedoch keine Zustimmung. Mit der großen Erhöhung der Zahl der Mitglieder ging man so einerseits Besetzungsschwierigkeiten aus dem Weg. Gleichzeitig verringerte sich andererseits der Unterschied zwischen Koordinationsbüro und Plenum. Von nun an wird es noch schwieriger sein, das Koordinationsbüro als Leitungsorgan der Blockfreien zu bezeichnen. Das letzte Wort ist aber sicherlich noch nicht gesprochen. Die 8. Gipfelkonferenz wird sich erneut mit dieser Frage befassen müssen. 4. Weitere Zurückdrängung des kubanischen Einflusses Was bedeuten nun Konferenzverlauf und -ergebnisse für die Auseinandersetzung zwischen dem pro-sowjetischen Flügel und der Mehrheitsströmung, die die Unabhängigkeit von beiden Blöcken stärken wollte?
Mit dem von Indien vorgelegten Resolutionsentwurf war man auf der Seite des von Kuba geführten Flügels offensichtlich unzufrieden. Nur wenige Tage nach seiner Veröffentlichung versuchten kubanische Diplomaten in Neu-Delhi zu intervenieren. Und während der Konferenz erklärte M. Bishop, Premierminister von Grenada, daß sie versuchen würden, „fortschrittlichere Positionen in den Resolutionsentwurf zu bekommen" Ähnliches war von Nicaragua zu hören. Diese „Verbesserungsvorschläge" bezogen sich jedoch nicht mehr — und das ist sicherlich eine erstaunliche Erscheinung — darauf, daß die Prinzipien der Blockfreiheit im Sinne eines „natürlichen Bündnisses" mit Moskau verändert werden müßten. Auch in den Plenarreden war davon nichts mehr zu hören. Selbst die offenen Loblieder auf Moskau waren selten geworden. So erwähnte Fidel Castro in seiner zweistündigen Rede nur einmal die UdSSR. Samora Machel dankte für die Unterstützung, die verschiedene Staaten den Frontstaaten gegeben hätten, und hob dabei „insbesondere die sozia-listischen" hervor. Darüber hinaus unterstützte er die Vorschläge des Warschauer Paktes gegen das Wettrüsten. In diese Richtung gingen noch einige wenige weitere Redebeiträge. Der Grund für diesen erstaunlichen Wandel gegenüber der Konferenz von Havanna ist in zwei Dingen zu sehen. Zum einen war in den letzten Jahren klar geworden, daß ein Insistieren auf Durchsetzung dieser Position zu einer vollständigen Isolierung führen würde.
Daran bestand und besteht natürlich auch bei Kuba kein Interesse, zumal es in Neu-Delhi ein Lob für die Jahre seiner Präsidentschaft ausgesprochen haben wollte. Eine Fortsetzung der Konfrontation hätte dies unmöglich gemacht Dieser Verzicht bedeutete aber nicht, daß das Feld kampflos geräumt wurde. Es wurde versucht, den indischen Entwurf im Sinne der schon länger verfolgten Taktik dadurch zu „verbessern", daß die Kritik an den USA verschärft wurde. Hierin war man nicht erfolglos. „Es war wenig Zeit für Indien, um in allen Einzelheiten Konsultationen durchzuführen. Und aus diesem Grund — unter anderen — wurden wesentliche Verbesserungen durch die Einführung wichtiger neuer Elemente" in dem Entwurf gemacht. In den Abschnitten über das südliche Afrika, Palästina und Lateinamerika wurden scharfe Kritiken an den USA aufgenommen. Es wäre jedoch ein Fehler, dies als Maßstab für den sowjetischen Einfluß zu nehmen. Die Kritik an der amerikanischen Politik wird in den Reihen der Blockfreien als berechtigt empfunden, zumal die Reagan-Administration in den letzten Jahren fast alle erdenklichen Möglichkeiten genutzt hatte, um die Blockfreien vor den Kopf zu stoßen. Reagan war deshalb wahrscheinlich der beste Verbündete Kubas. Zusätzlich wurden einige Formulierungen gegenüber dem indischen Entwurf verändert bzw. neu eingeführt, die einen direkten Hinweis auf die „sozialistischen Länder" enthalten oder als solcher interpretiert werden können. So werden „alle Mitgliedstaaten der Bewegung und andere friedliebende Länder" aufgerufen, Zimbabwe gegen die Destabilisierungsversuche Südafrikas zu unterstützen In der Nah-Ost-Frage ruft die Konferenz alle Länder auf, „die die Befreiung von besetzten Ländern und die palästinensische Sache unterstützen, alle angemessenen Mittel gegen die Länder zu ergreifen, die Israel in der Verfolgung seiner Politik ermutigen, insbesondere die USA“ Und zum gleichen Problem drückt die Konferenz ihre Befriedigung über „die effektive Solidarität” aus, die „durch alle Staaten und Kräfte, die den Kampf des palästinensischen Volkes und der arabischen Nation" unterstützen, gegeben worden ist. Erwähnt werden „besonders die Länder der Organisation für Afrikanische Einheit, die sozialistischen Länder und die Organisation der Islamischen Konferenz. Die Konferenz lobt auch den fortgeschrittenen europäischen Standpunkt in der Nah-Ost-und Palästina-Frage” Aber auch diese Formulierungen bedeuten noch eine Abschwächung der positiven Würdigung des Ostblocks gegenüber den Resolutionen aus Havanna. Sie beziehen sich ausschließlich auf konkrete Situationen.
Zusammengenommen lassen diese Ergebnisse, wenn man bei einer Bewertung den gesamten Konferenzverlauf und den Haupttenor der Schlußdokumente mit berücksichtigt, nur die Schlußfolgerung zu, daß in Neu-Delhi der Einfluß der kubanischen Fraktion weiter geschwächt worden ist.
III. Mit etwas mehr Optimismus in die Zukunft
Die internationale Reaktion auf die Blockfreienkonferenz war unterschiedlich. Während ihre Ergebnisse in der Dritten Welt auf allgemeine Zustimmung gestoßen sind, äußerte sich das amerikanische Außenministerium unzufrieden. „Die unfairen Attacken im politischen Teil der Deklaration und das Fehlen von Kritik an der Sowjetunion beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit des Dokuments." Die Sowjetunion gibt sich dagegen nach außen hin zufrieden, macht aber in ihren Reaktionen deutlich, daß sie nur die anti-imperiali- stischen Elemente bei den Blockfreien unterstützen wolle — so der sowjetische Ministerpräsident Tichonow während seines Besuches in Belgrad kurz nach dem Gipfel Hervorstechend ist in der sowjetischen Presseberichterstattung darüber hinaus der Versuch, Gemeinsamkeiten in Fragen der Abrüstung hervorzustreichen, während den ökonomischen Fragen kaum Bedeutung beigemessen wird
Die Reaktion der westeuropäischen Länder scheint differenzierter ausgefallen zu sein. In der bundesdeutschen Presseberichterstattung schwankt man noch zwischen einem „erneuten Sieg der radikalen Minderheit" (Die Welt, 14. 3. 1983), einem „Erfolg der Gemäßigten" (Die Zeit, 18. 3. 1983) oder den „Blockfreien im Umbruch" (Stuttgarter Zeitung 15. 3. 1983), wonach „Die Blockfreien ... weiter gemäßigteren Kurs“ steuern (Neue Osnabrücker Zeitung, 14. 4. 1983). Es herrscht aber die Auffassung vor, daß in Neu-Dehli eine Tendenzwende eingetreten sei.
Wenn damit jedoch gemeint ist, daß nach dem beständig wachsenden sowjetischen Einfluß in der Blockfreienbewegung, durch den die Blockfreien in die Nähe Moskaus gerückt sind, jetzt eine Rückkehr zur Äquidistanz in greifbare Nähe gerückt ist dann ist dieser These von der „Tendenzwende" zu widersprechen. Denn die Blockfreienbewegung hat zu keinem Zeitpunkt ihre unabhängige internationale Position aufgegeben. Sie war auch unter kubanischer Führung kein Anhängsel Moskaus. Dennoch ist in Neu-Dehli eine Veränderung des Kräfteverhältnisses innerhalb der Blockfreienbewegung zum Ausdruck gekommen. Wegen der sowjetischen Invasion in Afghanistan und nach dreijährigen Erfahrungen mit der kubanischen Präsidentschaft hat die Kritik an der Sowjetunion zugenommen und wird sich, sollte diese nicht ihre Politik gegenüber den Blockfreien ändern, auch in Zukunft verschärfen. Die letzten drei Jahre haben in dieser Hinsicht zu einem Klärungsprozeß geführt, wichtige Erfahrungen machen lassen und die Reife der Bewegung erhöht.
Die Blockfreien haben also in prinzipieller Hinsicht ihre Unabhängigkeit von den Supermächten bestärkt. Dies wird aber in Zukunft nicht ausreichen; es müssen gleichzeitig verstärkte Anstrengungen unternommen werden, der praktischen Verletzung dieser Prinzipien entgegenzuarbeiten. Bei vielen Mitgliedsländern ist der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis nicht zu übersehen. Nur wenn dies erfolgreich geschieht, kann die Rolle der Blockfreien in den internationalen Beziehungen auch wieder gestärkt werden. Angesichts ihrer mangelnden Macht-möglichkeiten haben sie nur die Chance, als . moralische Kraft" Druck auszuüben, die öffentliche Weltmeinung zu mobilisieren und — vor allem — über das System der Vereinten Nationen für die Verwirklichung ihrer Ziele zu wirken. Dieser Druck wird jedoch nur dort wirksam sein können, wo die gemeinsamen Interessen durch gemeinsame Aktionen zur Geltung gebracht werden. Deshalb war es von besonderer Bedeutung, daß die Blockfreien in Neu-Delhi bemüht waren, sich auf die Fragen von „Frieden, Abrüstung und Entwicklung" zu konzentrieren, in denen das größte gemeinsame Interesse liegt. Auf diesen Gebieten sollen auch in den nächsten Monaten und Jahren die wichtigsten Initiativen durchgeführt werden, wobei man sich auch der Lösung bilateraler Probleme stellen muß.
Mit der verstärkten Hinwendung zu dem Problem des Friedens und dem damit verbundenen „Zurück zu Belgrad" beginnt darüber hinaus eine neue Phase in der Entwicklung der Blockfreienbewegung, die wieder stärker die Beziehungen zwischen den Supermächten zum Gegenstand blockfreier Politik macht.
In Neu-Delhi war das Bemühen, zu einheitlichen Positionen zu kommen, unverkennbar. Nach dreijährigem Konfrontationskurs herrschte die Suche nach Übereinstimmung vor. Wie lange dieses Bemühen aber Bestand hat und ob die in Neu-Delhi gefundene Plattform auch in Zukunft tragfähig sein wird, kann erst die Entwicklung der nächsten Jahre zeigen. In diesem Sinne schloß Indira Ghandi die Konferenz, indem sie erklärte, „daß die Konferenz ein Gipfeltreffen genannt wurde, aber wir haben in einem anderen Sinne nur das Basislager errichtet und haben noch einen langen Aufstieg zur Erreichung unserer Ziele und Ideale vor uns".
Liste der Teilnehmer der Gipfelkonferenz der Blockfreien in Neu-Delhi Mitglieder Ägypten, Äquatorial-Guinea, Äthiopien, Afghanistan, Algerien, Angola, Argentinien, Bahamas, Bahrain, Bangladesh, Barbados, Belize, Benin, Bhutan, Bolivien, Botswana, Burundi, Demokratische Volksrepublik Korea, Djibouti, Elfenbeinküste, Ekuador, Gabon, Gambia, Ghana, Grenada, Guinea, Guinea-Bissao, Guayana, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Jamaica, Jordanien, Jugoslawien, Kamerun, Kap Verden, Kenia, Kolumbien, Komoren, Kongo, Kuba, Kuwait, Laos, Lesotho, Libanon, Liberia, Libyen, Madagaskar, Malawi, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Mauretanien, Mauritius, Mocambique, Nepal, Nicaragua, Niger, Nigeria, Obervolta, Oman, Pakistan, PLO, Panama, Peru, Quatar, Ruanda, Sambia, Sao Tom und Princip, Saudi-Arabien, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, Somalia, SWAPO, Sri Lanka, Sudan, Surinam, Swasiland, Syrien, Tansania, Togo, Trinidad und Tobago, Tschad, Tunesien, Uganda, Vanuatu, Vereinigte Arabische Emirate, Vietnam, Yemen-Arabische Republik, Yemen-DVR, Zaire, Zentralafrikanische Republik, Zimbabwe, Zypern.
Beobachter Antigua und Barbuda, Brasilien, Costa Rica, Dominica, El Salvador, Mexiko, Papua Neu Guinea, Philippinen, Uruguay, Venezuela, Afrikanischer Nationalkongreß (ANC), Afro-Asiatische Völkersolidaritätsorganisation (AAPSO), Liga der Arabischen Staaten, Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), Organisation der Islamischen Konferenz, Panafrikanischer Kongreß von Azania (PAC), Sozialistische Partei Puerto Ricos, Vereinte Nationen.
Gäste Dominikanische Republik, Finnland, Österreich, Portugal, Rumänien, San Marino, Spanien, Schweden, Schweiz, Vatikanstaat, FAO, Internationales Rotes Kreuz, Internationale Konferenz zur Frage Palästinas, UN-ad-hoc-Ausschuß für den Indischen Ozean, UN-Kommissar für Namibia, UN-Ausschuß für die Ausübung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes, Rat der Vereinten Nationen für Namibia, UNCTAD, UNDP, UNESCO, UNIDO, UN-Sonderausschuß gegen Apartheid, UN-Sonderausschuß für Dekolonisierung, Welternährungsrat, Weltgesundheitsorganisation