Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen: Weiterentwicklung oder Restriktion?
Jochen Bethkenhagen/Heinrich Machowski
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Zusammenfassung
Der Ost-West-Handel war 1981 am gesamten Welthandel nur mit einem Anteil von weniger als 4 vH beteiligt (1975 waren es noch 6 vH). Die politische Signifikanz, die in der westlichen Öffentlichkeit diesem Warenaustausch zuerkannt wird, ist demnach viel höher als seine ökonomische Bedeutung. Dieses Mißverhältnis zwischen dem politischen Stellenwert und dem ökonomischen Gewicht betrifft dabei die wichtigsten Bereiche der Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen. So ist z. B.derzeit die Zurückhaltung der internationalen Banken bei der Kreditierung des Ost-Handels sicherlich stärker ausgeprägt als dies für den Stand der Verschuldung Osteuropas bzw. die Höhe des Schuldendienstes dieser Länder gerechtfertigt erscheint; auch die Forderung nach einer restriktiveren gemeinsamen Kreditpolitik des Westens ist im Kern politisch motiviert. Ferner wird der Einfluß der westlichen Technologie auf das Wirtschaftswachstum in der UdSSR überbewertet, unabhängig von der Tatsache, daß der Anteil dieser Technologieimporte an den Investitionen relativ gering blieb und daß das sowjetische Wirtschaftssystem eine effiziente Nutzung dieser Technologie gar nicht zuläßt. Eine verstärkte Zusammenarbeit auf dem Energiesektor wird keineswegs — wie vor allem in den USA behauptet — die Abhängigkeit Westeuropas (und speziell der Bundesrepublik Deutschland) von der UdSSR gefährlich anwachsen lassen und damit eine Einschränkung der politischen Unabhängigkeit zur Folge haben; unter dem Blickwinkel der Diversifizierung der Bezugsquellen, der alternativen Importkosten und schließlich der Umweltfreundlichkeit sind höhere sowjetische Erdgas-bezüge nicht nur tolerierbar, sondern auch erwünscht. Der Ost-West-Handel wird derzeit nicht nur aus politischen Gründen in seiner weiteren Entwicklung bedroht. Die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsaussichten in Ost und West, der Schuldenstand der RGW-Länder und die zurückhaltende Kreditpolitik der westlichen Banken lassen auch das ökonomische Umfeld in einem ungünstigen Zustand erscheinen. Damit aber sind allein schon aus wirtschaftlichen Überlegungen die Chancen für eine Ausweitung des Ost-West-Handels eher gering einzuschätzen.
Als Ost-West-Handel wird im folgenden der Warenaustausch zwischen den sieben europäischen Mitgliedsländern des „Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (RGW) und den 24 Staaten der OECD verstanden. Für analytische Zwecke muß dabei von Fall zu Fall zwischen den kleineren RGW-Staaten auf der einen Seite und der UdSSR auf der anderen
I. Entwicklung, Struktur und Bedeutung des Ost-West-Handels
Die RGW-Ausfuhr in den Westen erreichte 1981 einen Umfang von 32, 4 Mrd. Transfer-Rubel (TRbl) 2), das waren umgerechnet 45 Mrd. US-$. Die RGW-Einfuhr aus dem Westen betrug dagegen 34, 5 Mrd. TRbl (48 Mrd. US-$). Nach zwei Jahren mit — überwiegend preisbedingten — hohen Zuwachsraten im Ost-West-Handel hat sich die Zunahme von Ausfuhr und Einfuhr 1981 damit erhe das waren umgerechnet 45 Mrd. US-$. Die RGW-Einfuhr aus dem Westen betrug dagegen 34, 5 Mrd. TRbl (48 Mrd. US-$). Nach zwei Jahren mit — überwiegend preisbedingten — hohen Zuwachsraten im Ost-West-Handel hat sich die Zunahme von Ausfuhr und Einfuhr 1981 damit erheblich verringert (vgl. Tabelle 1). Nach Abzug der — geschätzten — Preissteigerungen hat das Volumen des Ost-West-Handels im Berichtsjahr stagniert. Der Westhandel der kleineren RGW(6) -Staaten ist real sogar deutlich gesunken, demgegenüber hat der Westhandel der UdSSR auch real weiter zugenommen. Die Bedeutung des Ost-West-Handels im Weltmaßstab ist 1981 weiter zurückgegangen. Sein Anteil an der — nominalen — Weltausfuhr lag nur noch bei 3, 8 vH, und dies war deutlich weniger als 1975 (5, 8 vH), dem bisherigen Spitzenjahr in den Ost-West-Wirtschaftsbeziehungen. 1. Veränderungen in der Regionalstruktur Anfang der siebziger Jahre waren die RGW(6) -Volkswirtschaften und die Sowjetunion bei Importen und Exporten gleichermaßen in einem Verhältnis von 65 zu 35 am gesamten Ost-West-Handel beteiligt. Bei der RGW-Ausfuhr in den Westen ist der Anteil der Sowjetunion seither auf zuletzt 55 vH ge-Seite unterschieden werden. Die Untersuchung stützt sich grundsätzlich auf die Statistik der RGW-Länder. Nur bei der Behandlung der warenmäßigen Zusammensetzung des Ost-West-Handels wird auf die Außenhandelsstatistik der OECD zurückgegriffen, die gegenwärtig bis 1980 reicht 1). stiegen. In dieser Verschiebung spielten die sowjetischen Energieexporte eine bestimmte Rolle. Bei der RGW-Einfuhr aus dem Westen haben sich die Ausgangsproportionen erst Mitte der siebziger Jahre verändert. Seitdem drosselten die kleineren Länder Osteuropas als Anpassung an das wachsende Handelsdefizit das Wachstum ihrer Westimporte, so daß ihr Anteil zuletzt auf 47 vH fiel. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Eine überragende Bedeutung als Absatzmarkt für die RGW-Länder kommt der EG zu. Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts wurde rund die Hälfte der RGW-Ausfuhr dort abgesetzt, seit der ersten EG-Erweiterung 1973 beläuft sich dieser Anteil auf über 60 vH. Die USA waren mit 3 bis 5 Prozent beteiligt. Die Quote Japans an der Ausfuhr fiel von 7 vH (1970) auf 4 vH (1981).
Abbildung 12
Tabelle 4: Hypothetische Auswirkungen des Warenexports in die europäischen RGW-Länder und in die UdSSR auf die Zahl der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland Anteil in vH der Gesamtbeschäftigten des jeweiligen Wirtschaftszweiges Quellen: Statistisches Bundesamt: Fachserie 7, Reihe 7 und Fachserie 18, Reihe 1. — Input-Output-Rechnung des DIW. Berechnungen und Schätzungen des DIW.
Tabelle 4: Hypothetische Auswirkungen des Warenexports in die europäischen RGW-Länder und in die UdSSR auf die Zahl der Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland Anteil in vH der Gesamtbeschäftigten des jeweiligen Wirtschaftszweiges Quellen: Statistisches Bundesamt: Fachserie 7, Reihe 7 und Fachserie 18, Reihe 1. — Input-Output-Rechnung des DIW. Berechnungen und Schätzungen des DIW.
Bei der Einfuhr der RGW-Länder aus dem Westen haben die EG-Länder zwar auch den höchsten Anteil, er liegt aber um rund 10 Prozent unter dem Ausfuhranteil. Japans Rolle ist in diesem Zusammenhang (vor allem dank der Lieferung von Energieeinrichtungen) fast gleichmäßig von 5 vH (1970) auf 9 vH (1981) gewachsen. Das Gewicht der USA als Lieferland schwankte demgegenüber je nach den Getreidelieferungen zwischen 4 vH (1970) und 14 vH (1979). Allein aufgrund von Getreidelieferungen hatte die Sowjetunion im Zeitraum 1971 bis 1981 einen kumulativen Importüberschuß in der Handelsbilanz gegenüber den USA von 17 Mrd. US-$. In der gleichen Zeit betrug der Exportüberschuß der Sowjetunion gegenüber der EG 13 Mrd. US-$.
Von den Teilnehmerstaaten des westlichen Wirtschaftsgipfels hat die Bundesrepublik Deutschland unverändert die höchste Osthandelsverflechtung aufzuweisen (Anteil des RGW-Marktes 1981 an der Ausfuhr: 5, 7 vH und an der Einfuhr: 6, 2 vH demgegenüber weisen die USA den — mit großem Abstand — geringsten Verflechtungsgrad auf (Ausfuhr: 1, 9 vH, Einfuhr: 0, 6 vH). 2. Struktur der RGW-Ausfuh 7 vH und an der Einfuhr: 2 vH 3)), demgegenüber weisen die USA den — mit großem Abstand — geringsten Verflechtungsgrad auf (Ausfuhr: 1, 9 vH, Einfuhr: 0, 6 vH). 2. Struktur der RGW-Ausfuhr Die Zunahme der sowjetischen Westausfuhr ging ausschließlich auf das Plus bei Energie-rohstoffen zurück (+ 16, 5 vH). Auf diese Warenposition entfielen im Jahr 1981 bereits mehr als drei Viertel der Exporterlöse auf westlichen Märkten (1980: 71, 5 vH). Der Löwenanteil der Energieexporte bestand nach wie vor aus Mineralöl: Die UdSSR hat 1981 über 52 Mill, t auf dem OECD-Markt abgesetzt (das waren 8, 5 vH weniger als Vorjahr). Da der Durchschnittswert um — schätzungsweise — 20 vH gestiegen war, konnte sie für diese Menge rd. 10, 5 Mrd. TRbl erlösen. Die Einnahmen aus Erdgasexporten erreichten 2, 9 Mrd. TRbl (4 Mrd. US-$) und stiegen damit wesentlich schneller mit 59 vH (Menge:
+ 5, 5 vH; Preis: 50, 5 vH); sein Anteil an den gesamten Energieexporten der UdSSR erhöhte sich um sechs Punkte auf knapp 22 vH (Mineralöl: 1981 = 76 vH; 1980 = 81 vH).
Die sowjetischen Exporte von Maschinen, Ausrüstungen und Fahrzeugen (nach der RGW-Warenklassifizierung) betrugen demgegenüber 1981 nur 0, 9 Mrd. TRbl (— 5 vH gegenüber 1980), sie waren damit am gesamten Westexport des Landes nur mit 5 vH beteiligt (1980: 6 vH). Dies unterstreicht die anhaltende Exportschwäche der sowjetischen Industrie.
Betrachtet man die längerfristigen Veränderungen in der Warenzusammensetzung der sowjetischen Westausfuhr — dafür muß auf die OECD-Statistik zurückgegriffen werden —, dann zeigt sich, daß auf die Gruppe der Vorleistungsgüter inzwischen 95 vH des Westexports entfielen (1970: 88 vH). Die Gruppe der Fertigerzeugnisse war unverändert mit vier Punkten vertreten, der unbedeutende Rest waren Agrarerzeugnisse (1970: 7 vH).
Die Struktur der RGW(6) -Ausfuhr ist demgegenüber differenzierter. Auf die Position der Vorleistungsgüter entfiel hier — bei leicht ansteigender Tendenz (1980: 59, 5 vH; 1970: 52 vH) — mehr als die Hälfte aller Lieferungen. An Boden verloren haben die Agrargüter; ihr Anteil ging um 15 Punkte auf 12 vH zurück. Dieser Verlust ist sowohl durch die abnehmende Leistungsfähigkeit der nationalen Landwirtschaften in Osteuropa als auch durch die auf Autarkie abzielende gemeinsame Agrarpolitik der EWG verursacht worden. Den RGW(6) -Volkswirtschaften ist es im Laufe der letzten zehn Jahre gelungen, diese Verluste durch entsprechende Steigerungen bei Fertigwaren weitgehend wettzumachen (1980: 28, 5 vH; 1970: 20, 5 vH). Da in dieser Gruppe allerdings Güter verbrauchsnaher Industrien dominieren, machen sich hier sowohl hohe Zollmauern als auch andere protektionistische Maßnahmen westlicher Industriestaaten (in einem allerdings kaum quantifizierbaren Ausmaß) negativ bemerkbar. 3. Struktur der RGW-Einfuhr Die UdSSR dürfte 1981 auf dem OECD-Markt schätzungsweise 22 Mill, t Getreide gekauft haben (1980: ca. 19 Mill. t) 4). Die Importrechnung erhöhte sich um über 27 vH auf 2, 7 Mrd. TRbl (3, 8 Mrd. US-$) 5). 43 vH der importierten Menge stammten aus den USA (1980: 38 vH), allerdings haben die USA, bedingt durch das von Präsident Carter verfügte Teilembargo vom 4. 1. 1980, das Präsident Reagan am 28. 4. 1981 wieder aufhob, ihre führende Position als Getreidelieferant der UdSSR an Argentinien abgetreten (1981: ca. 15 Mill. t).
Das auf dem sogenannten kapitalistischen Markt gekaufte Getreide entspricht einem Anteil von 20 vH (1980: 16, 5 vH) des Inlandsaufkommens. Die Sowjetwirtschaft ist damit in beträchtlichem Umfang vom Weltgetreidemarkt abhängig. Dies ist sowohl das Ergebnis der eigenen Landwirtschaft Leistungsschwäche — die jährliche Erntemenge schwankte zwischen 136 Mill, t (1975) und 238 Mill, t (1979), und lag 1981 bei ca. 170 Mill. t 6) — als auch der Lebensstandardpolitik der sowjetischen Führung, die u. a. darauf abzielt, trotz des Mangels an eigenen Futtermitteln die Tierproduktion und den Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch zu halten. Dieses Ziel ist für die sowjetische Wirtschaftspolitik so wichtig, daß Getreideimporte aus dem nicht-sozialistischen Ausland für eine überschaubare Zukunft unabdingbar bleiben
An den gesamten Westimporten der RGW(7) -Länder waren Agrarprodukte aus OECD-Ländern mit einer Quote von 10 vH (1974) bis 20 vH (1980) beteiligt. Wichtigste Importwarengruppe waren in dieser Periode allerdings industrielle Vorleistungsgüter mit einem Anteil von knapp unter 50 vH, gefolgt von der Position Fertigwaren, deren Gewicht um 10 Punkte auf 33 vH gesunken ist Offensichtlich waren die osteuropäischen Volkswirtschaften bemüht, den Anteil der Vorleistungsimporte auf Kosten der Investitionsgüter konstant zu halten, mit anderen Worten: Die Westimporte waren für die laufende Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen und Halbwaren wichtiger, denn als Quelle für Technologie. Eine solche Importstrategie entspricht auch dem erwarteten Verhalten zentral geplanter Wirtschaften: Die laufende Planerfüllung ist viel wichtiger als das zukünftige Wachstum. Als eine weitere Hypothese für die Erklärung der Veränderung in der Importstruktur kommt hinzu, daß sich das Tempo der Sachkapitalbildung in Osteuropa in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre spürbar verlangsamt hat, die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote ist allenthalben — Rumänien allerdings ausgenommen — gesunken; dieser Trend soll die staatliche Investitionspolitik der RGW-Länder bis 1985 weiterhin kennzeichnen
II. Sonderprobleme des Ost-West-Handels
Abbildung 8
Tabelle 2: Daten zur Verschuldung der RGW-Staaten in konvertiblen Währungen Quellen: Angaben über die Brutto-Verschuldung nach Lawrence J. Brainard, Bankers Trust Company, New York. — Angaben über die RGW-Forderung an westliche Geschäftsbanken nach der Vierteljährlichen Berichterstattung der BIZ, Basel. — Angaben des DIW: Verschuldungsproblematik vermindert Wachstumschancen in der DDR. Bearbeiter: Doris Cornelsen. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 32/1982. — Angaben der ECE: Economic Survey of Europe in 1981, Genf 1982.
Tabelle 2: Daten zur Verschuldung der RGW-Staaten in konvertiblen Währungen Quellen: Angaben über die Brutto-Verschuldung nach Lawrence J. Brainard, Bankers Trust Company, New York. — Angaben über die RGW-Forderung an westliche Geschäftsbanken nach der Vierteljährlichen Berichterstattung der BIZ, Basel. — Angaben des DIW: Verschuldungsproblematik vermindert Wachstumschancen in der DDR. Bearbeiter: Doris Cornelsen. In: Wochenbericht des DIW, Nr. 32/1982. — Angaben der ECE: Economic Survey of Europe in 1981, Genf 1982.
1. Kreditpolitik: Gefahr durch Zurückhaltung des internationalen Bankensystems
Abbildung 9
Abbildung 9
Abbildung 9
Die Handelsbilanz der RGW-Staaten schloß 1981 mit einem Fehlbetrag von über 3 Mrd. US-$ab, das waren 500 Mill. US-$mehr als ein Jahr zuvor. Die RGW(6) -Staaten konnten ihr Defizit um über eine Mrd. auf rd. zwei Mrd. US-$verringern, für die UdSSR brachte das Jahr eine Verschlechterung um eine halbe Mrd. (1980) auf eine Mrd. US-$(1981).
Insgesamt haben die osteuropäischen Länder im OECD-Handel von 1971 bis 1981 einen kumulierten Passivsaldo in Höhe von 64, 5 Mrd. US-$hinnehmen müssen (RGW[6): 46 Mrd.; UdSSR: 18, 5 Mrd.). Zur Finanzierung dieses Importüberschusses mußten sich diese Volkswirtschaften hoch verschulden, im über den tatsächlichen Umfang der östlichen Kreditaufnahme liegen allerdings nur westliche Schätzungen vor.
Nach Angaben aus westlichen Bankkreisen (vgl. Tabelle 3) betrug die RGW-Verschuldung in konvertiblen Währungen per 31. 12. 1981 rund 75, 5 Mrd. US-$netto (das ist die Summe sämtlicher Verbindlichkeiten abzüglich der RGW-Forderungen an westliche Geschäftsbanken, die an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) berichten). Die Summe der Nettoverschuldung erhöhte sich damit gegenüber dem Vorjahr um rund 5 Mrd. US-$(1980: + 11 Mrd.).
Geht man von den internationalen Zinssätzen aus, die von der ECE (aus einem Durchschnitt von Euro-Währungen) geschätzt wurden, dann erhöhte sich die Zinsbelastung der RGW(6) -Volkswirtschaften 1981 um über 2 Mrd. auf 8, 2 Mrd. US-$, ihre Zinsendienstquote stieg von 27 auf 40 vH der Exporterlöse im OECD-Raum; im einzelnen schwankte diese Quote zwischen 15 vH (CSSR) und 83 vH (Polen). Dieser rasche Anstieg der Zinsbelastung ging dabei zu drei Viertel auf das höhere Zinsniveau zurück (eine Zinssenkung um ein Prozent würde für Osteuropa eine Entlastung von über 750 Mill. US-$bringen). Für die UdSSR ergibt diese Modellrechnung einen Zinsendienst von 1, 5 Mrd. US-$(+ 500 Mill.), das waren 6 vH der Westexporte — die sowjetische Wirtschaft dürfte unter ökonomischen Kriterien nach wie vor eine Kredit-adresse bester Bonität sein.
Kontrollrechnungen für einige Länder haben ergeben, daß der hier geschätzte Zinsendienst nach oben verzerrt sein dürfte. Der rapide Anstieg der Zinsendienstquote wird dennoch relativ gut wiedergegeben. Zu dieser auch in internationalem Maßstab recht hohen Schul-denlast der kleinen RGW-Länder kommt die allgemeine Vertrauenskrise in der Kreditwürdigkeit der RGW-Staaten hinzu, die im internationalen Bankensystem aufgrund der polniTabelle sehen und rumänischen Zahlungsunfähigkeit ausgebrochen ist. Für die RGW-Volkswirtschaften stehen gegenwärtig keine neuen Bankkredite zur Verfügung; im Gegenteil, die Banken bestehen auf der Rückzahlung der fälligen Kredite. Das beweist die Entwicklung der osteuropäischen Netto-Verschuldung bei den BIZ-Geschäftsbanken (in Mrd. US-$):
Die Kredittilgung konnte durch die RGW-Staaten im wesentlichen aus ihren Guthaben finanziert werden, die sich — 1t. BIZ-Statistik — von 15, 6 Mrd. (Ende 1980) auf 11, 8 Mrd. US-$(Ende Juni 1982) verminderten. Künftig müssen die RGW-Staaten einen Exportüberschuß in der Warenbilanz erzielen, um auf Dauer ihren Finanzverpflichtungen nachkommen zu können, und dies läßt sich gegenwärtig wohl nur durch eine Importdrosselung erreichen. Erschwert hat sich die Lage der RGW-Länder auf dem westlichen Kreditmarkt auch durch den kürzlich erzielten OECD-Konsens über die Mindestzinsen bei staatlichen Exportkrediten. Dieses Gentlemans Agreement vom 21. Juli 1982, das zunächst bis l. Mai 1983 in Kraft bleibt, schreibt im einzelnen folgende Mindestzinssätze für staatlich subventionierte Kredite vor (alte Zinshöhe):
Nach der jetzt gültigen Regelung gehören die UdSSR, die DDR und die CSSR der reichsten Ländergruppe an. Vor der Übereinkunft wur den alle RGW-Stäaten der zweiten Länder-gruppe zugerechnet.
Die Liquiditätskrise Mexikos und anderer lateinamerikanischer Schuldnerstaaten im Sommer dieses Jahres hat die weltweiten Finanzierungs-und Zahlungsprobleme dramatisch verschärft Es besteht zwar die Gefahr, daß die Banken durch eine übervorsichtige Reaktion die internationale Verschuldungskrise noch verschärfen. Die Notenbanken der westlichen Länder und der IMF versuchen aber, das internationale Bankensystem funktionstüchtig zu erhalten Für die RGW-Volkswirtschaft erwächst daraus die Hoffnung, daß die Banken ihre gegenwärtig rigide Politik ihnen gegenüber aufgeben werden. Allerdings müssen hochverschuldete RGW-Länder alle Anstrengungen unternehmen, um ihre Handelsbilanzen gegenüber dem Westen ins Gleichgewicht zu bringen. Das ist die einzige Chance, ihre Kreditwürdigkeit zu erhöhen. Einem solchen Umschwung in der Kreditpolitik der westlichen Banken stehen aber auch die politischen Belastungen im Wege, die gegenwärtig auch den Ost-West-Wirt-Schaftsverkehr beeinträchtigen. 2. Gemeinsame Osthandelspolitik des Westens?
Der amerikanische Präsident hatte nach Einführung des Kriegsrechts in Polen (13. Dezember 1981) eine Reihe von Wirtschaftssanktionen zunächst gegen Polen (23. Dezember 1981) und dann auch gegen die UdSSR (29. Dezember 1981) verhängt. Soweit diese Maßnahmen die Sowjetunion betrafen, ging es im Kern um ein Exportverbot von Energieausrüstungen, elektronischem Gerät (vor allem Computern) und Ausrüstungen, die eine fortgeschrittene Technologie verkörpern (high-technology materials Am 18. Juni 1982 hatte Präsident Reagan entschieden, seine gegen die UdSSR gerichteten Embargomaßnahmen auch auf ausländische Tochtergesellschaften amerikanischer Firmen und auf US-Lizenz-produktionen im Ausland auszudehnen. Diese Ausdehnung war eine extraterritoriale Anwendung amerikanischen Rechts, griff in bestehende Verträge ein und sollte die westeuropäischen Verbündeten und Japan veran-lassen, sich der amerikanischen Sanktionspolitik anzuschließen. Außerdem verlangten die USA eine Reduzierung des Kreditvolumens und eine Verschärfung der Kreditbedingungen im Ost-West-Geschäft.
Am 13. Dezember 1982 hat Präsident Reagan die Embargomaßnahmen in Zusammenhang mit dem Erdgas-Röhren-Geschäft wieder aufgehoben und mitgeteilt, daß er mit den Regierungen der anderen Teilnehmer des westlichen Wirtschaftsgipfels eine neue — restriktivere — Außenhandelsstrategie gegenüber den RGW-Staaten entwickelt habe. Kernstück sei — der Verzicht auf weitere Gasgeschäfte mit der UdSSR, solange nach Alternativlösungen gesucht werde, — eine Verschärfung der Exportkontrolle für strategisch wichtige Güter, — eine Harmonisierung der Kreditpolitik.
Gegenwärtig ist allerdings noch nicht abzusehen, welche Auswirkungen diese Ankündigung auf den Ost-West-Handel haben wird. Eine vertragliche Vereinbarung liegt noch nicht vor; Einzelheiten müssen erst noch festgelegt werden. Frankreich hat zu der Erklärung von Präsident Reagan bereits eine distanzierende Stellungnahme abgegeben.
Es ist im Westen weitgehend anerkannt, daß die Exportkontrolle im Rahmen des Co-Com 1) aus sicherheitspolitischen Überlegungen wichtig sind und in Zukunft je nach Bedarf erweitert werden sollten. Für eine Verbesserung dieses Kontrollmechanismus gibt es dennoch sachliche und politische Grenzen. Exportbeschränkungen von „sensibler" Technologie, die sowohl für militärische als auch für zivile Zwecke eingesetzt werden kann („dual-use-items"), sollten nicht, wie häufig gefordert wird, „verschärft" werden, wenn damit mehr als nur eine Anpassung der CoCom-Liste an den technischen Fortschritt gemeint ist. Denn die drei wichtigsten Grundlagen der CoCom-Kontrolle müssen im Inter-esse eines Fortbestandes dieses bislang erfolgreichen Instrumentariums unverändert bleiben: Informelle Basis (gentleman’s agreement), Einstimmigkeit und Geheimhaltung. Außerdem darf die CoCom-Liste nicht zu extensiv gestaltet werden: Wichtige westliche Industriestaaten — z. B. die Schweiz, Schweden und Österreich — gehören dem CoCom nicht an. Eine zu weitgehende Abgrenzung der „sensiblen" Technologie würde es diesen Staaten erschweren, sich freiwillig an den Exportkontrollen zu beteiligen — zum Nachteil der Industriekooperation zwischen westlichen Staaten
Die Forderung nach einer Verschärfung der Exportkreditbedingungen hatte bereits zu dem genannten OECD-Konsens über Mindestzinsen bei staatlichen Exportkrediten geführt. Damit ist es gelungen, die Wettbewerbsverzerrungen auf diesem Kreditmarkt wenigstens teilweise zu beseitigen. Eine darüber hinausgehende gemeinsame Kreditpolitik westlicher Geschäftsbanken gegenüber Osteuropa ist jedoch weder durchsetzbar noch aus wettbewerbspolitischen Gründen überhaupt wünschenswert.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen — zum Beispiel innerdeutscher Handel, Kreditabkommen Bundesrepublik Deütschland/Volksrepublik Polen von 1975 — sind spezifische kredit-und handelspolitische Vorteile für die RGW-Staaten im Ost-West-Handel nicht nachzuweisen Die Forderung nach Wegfall von Vorzugsbedingungen entbehrt also jeder Grundlage. Umgekehrt ist es aber eine Illusion zu glauben, daß die RGW-Länder durch spezifische handels-und kreditpolitische Erschwernisse zu politischen Konzessionen veranlaßt werden könnten.
3. Zur westlichen Diskussion über die sowjetischen Technologieimporte aus dem Westen
Abbildung 10
Abbildung 10
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Der Handel mit Osteuropa, darunter insbesondere der Warenaustausch mit der UdSSR, wird in der westlichen Öffentlichkeit auch als ein politisches Phänomen angesehen. Der hohe politische Stellenwert steht dabei in der Regel im Gegensatz zur tatsächlichen ökonomischen Bedeutung. In der — vielfältig emotional geführten -— Diskussion sind besonders diejenigen Stimmen zu hören, die diesen Handel entweder ganz ablehnen oder ihm zumindest sehr kritisch gegenüberstehen; das gilt in erster Linie in bezug auf die sowjetischen Technologiekäufe. Den Urteilen, die zum Teil auch von Fachleuten geteilt werden, kommt sicherlich zugute, daß es bisher aufgrund der sowjetischen Geheimniskrämerei unmöglich war, Kosten und Nutzen des Technologietransfers zu vergleichen.
Im folgenden soll die Bedeutung der westlichen Technologie für die sowjetische Wirtschaft diskutiert werden Grundsätzlich ist jeder internationale Handel, der auf eine ökonomisch rationale Art und Weise abgewickelt wird, für die beteiligten Volkswirtschaften von Vorteil. So profitiert die UdSSR davon, daß über den Westhandel Kapitalgüter bezogen werden, die sonst überhaupt nicht oder nur zu sehr hohen Kostenherzustellen wären. Hinzu kommt, daß auf diesem Wege jederzeit Güter eingeführt werden können, die dazu beitragen, sonst unvermeidliche Produktionsund/oder Versorgungsstörungen zu verhindern oder zu mildern — die sowjetischen Getreidekäufe der letzten Jahre sind das beste Beispiel für diese „Feuerwehr-oder Lückenbüßerfunktion" des Westhandels. Gleichwohl sollte man die ökonomischen Vorteile aus dem Westhandel für die UdSSR nicht überbewerten. Im internationalen Vergleich dürfen sie — angesichts der Größe des sowjetischen Binnenmarktes — eher gering sein: Der — grob geschätzte — Anteil westlicher Maschinen an den sowjetischen Ausrüstungsinvestitionen hat sich zwar in den siebziger Jahren verdoppelt, er betrug aber 1980 immer noch weniger als 10 %. Der Außenhandel insgesamt und der Westhandel im beson-deren können in der UdSSR nur einen sehr begrenzten Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten
Was den Spezialfall der Einfuhr westlicher Technologie angeht, profitiert die Sowjetunion wie jede rückständige Volkswirtschaft — und sie ist auf dem Gebiet der Ziviltechnologie gegenüber dem industrialisierten Westen im Rückstand — vom Technologietransfer aus den höher entwickelten Ländern. Dies gilt insbesondere für bestimmte Sektoren der Sowjetwirtschaft (z. B. Chemie, Automobilbau, westsibirischer Erdöl-und Erdgaskomplex), wo häufig westliche Maschinen (einschl. Röhren) und Technologien eingesetzt werden Im Rahmen des sowjetischen Gesellschaftssystems, in dem der Primat der Außenpolitik uneingeschränkt gilt, würde die Regierung aber eher wirtschaftliche Friktionen hinnehmen, als ihre außenpolitischen Entscheidungen revidieren Die indirekte Bedeutung des Technologieimports, nämlich der Einfluß der westlichen Technologie auf den technischen Fortschritt in der UdSSR, ist in der westlichen Literatur Gegenstand einer kontroversen Debatte. Hierbei geht es im wesentlichen um die Einschätzung der Rolle der importierten (exogenen) versus der heimischen (endogenen) Technologie. Wolf zitiert ökonometrische Untersuchungen, die zum Ergebnis gelangten, „that the marginal product of imported Western machinery is 15 times the marginal product of indigenous machinery. Other studies by the same author yield a marginal product for Western machinery from 8 to 14 times as great as that for domestic machinery. But other investigators question this finding that imported machines have a dispro-portionately productive effect on the Soviet economy"
Die Innovationsträgheit — wenn nicht gar Innovationsfeindlichkeit — des sowjetischen Wirtschaftssystems ist im Westen wohl bekannt und belegt Deswegen sind alle Zweifel darüber berechtigt, daß die Sowjetunion in der Lage wäre, die importierten Maschinen und Anlagen effizienter zu nutzen als die heimische Technologie. Oder wie das Bergson formuliert hat: „Technology transfer may be beneficient quite beyond the specific imports with which it is associated, but diffusion of new foreign technology in the USSR encounters the same obstacles as impede technological innovation there generally" Zerlegt man den gesamten Prozeß der technologischen Innovation in die vier Phasen: Forschung, Experimentier-und Versuchsarbeit, Überleitung in die Produktion („Nullserie") und Einführung in die Volkswirtschaft („Diffusion"), dann lassen sich die Ergebnisse von einer ganzen Reihe von Fallstudien wie folgt zusammenfassen: „In general, the authors believe that in the Overall process of technological innovation relativ to other countries, the Soviet Union does relatively well in the research phase, but less well in the production of actual innovation, and least well in the phase of diffusing innovations into the economy"
Der Einfluß der Technologieimporte auf das Wirtschaftswachstum sollte also nicht überbewertet werden. Die UdSSR wird kein zweites Japan werden: Eine nachhaltige Produktivitätssteigerung läßt sich in diesem Lande primär nicht über den Außenhandel, sondern vor allem nur mit binnenwirtschaftlichen Maßnahmen erreichen. 4. Ost-West-Zusammenarbeit auf dem Energiesektor Mit der am 13. November 1982 erfolgten Aufhebung der amerikanischen Embargomaßnahmen im Zusammenhang mit dem Erdgas-Röhren-Geschäft hat die Reagan-Administration ihre Einwände gegen eine Ost-West-Zusammenarbeit auf dem Energiesektor keineswegs aufgegeben. Vielmehr gehört zu den amerikanischen Forderungen nach einer gemeinsamen Osthandelspolitik des Westens u. a.der Verzicht auf weitere Gegengeschäfte (z. B. Gasgeschäfte) mit der UdSSR, solange nach Alternativlösungen gesucht werde.
Die wichtigsten Kritikpunkte am Erdgas-Röhren-Geschäft lassen sich wie folgt zusammenfassen: — Die westeuropäischen Länder, insbesondere aber die Bundesrepublik Deutschland, würden in eine zu starke Abhängigkeit ihrer Energieversorgung von der UdSSR geraten. Dies hätte nicht nur eine wirtschaftliche Gefährdung, sondern auch eine Einschränkung der politischen Unabhängigkeit bzw. Handlungsfähigkeit zur Folge.
— Durch die Erhöhung ihrer Erdgasexporte würde die Sowjetunion zusätzliche Devisen-einnahmen erzielen. Diese könnte sie zum Import westlicher Technologie und damit zur Erweiterung ihrer Rüstungskapazitäten nutzen. Bei dieser Argumentation werden indes eine Reihe von Fakten und sich mit großer Wahrscheinlichkeit abzeichnende Entwicklungen (bewußt?) übersehen
Zunächst muß in Erinnerung gerufen werden, daß die westeuropäischen Staaten wegen ihres Rohstoffmangels eine absolute Sicherheit ihrer Energieversorgung ohnehin nicht erreichen können. Nur durch eine Diversifizierung der Bezugsquellen läßt sich das Versorgungsrisiko vermindern. Da die westlichen Industriestaaten aber nicht nur ein langfristig gesichertes, sondern zudem auch noch ein kostengünstiges und umweltfreundliches Energieangebot anstreben, stellt sich die Frage, ob nicht gerade die vorgesehenen sowjetischen Erdgaslieferungen diesen Postulaten entsprechen. Die Frage der Abhängigkeit soll hier vor allem am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland untersucht werden. Dabei zeigt sich, daß die herausragende Bedeutung der Energie-rohstoffe für den sowjetischen Export auf dem Energiemarkt der Bundesrepublik keine Entsprechung findet. 1981 hatten Energieträger sowjetischen Ursprungs (20 Mill, t SKE) nur einen Anteil von 5, 3 vH Allein die Erdgaslieferungen in Höhe von knapp 12 Mrd. m 3 deckten rd. 20 vH des inländischen Erdgas-verbrauchs. Nach der vorgesehenen Erhöhung der sowjetischen Erdgaslieferungen um rd. 11 Mrd. m 3 würde sich den jüngsten Prognosen zufolge der sowjetische Anteil am Erdgasverbrauch auf 34 vH erhöhen. Ähnliche Anteile ergeben sich bei Realisierung der geplanten Vertragsabschlüsse auch für die anderen größeren westeuropäischen Staaten Bezieht man diese Lieferungen indes auf den gesamten Energieverbrauch der Bundesrepublik, so entsprechen sie lediglich einem Anteil von etwa 6 vH. Vorausgesetzt, daß die Erdölexporte der UdSSR bis dahin eingestellt sein werden, ergibt sich keine quantitativ höhere Abhängigkeit von sowjetischen Energielieferungen.
Für die Annahme eines deutlichen Rückgangs der sowjetischen Ölexporte in den Westen gibt es gute Gründe; sie ergeben sich allein schon aus den energiepolitischen Plänen der UdSSR 27). Sie sehen im einzelnen bis 1985 vor (vgl. Tabelle 3):
— einen hohen Produktionszuwachs bei Erdgas und Kernenergie — eine nur geringfügige Erhöhung der Erdöl-und Kohleförderung. Der geringe Zuwachs der Erdölproduktion dürfte zur Deckung des wachsenden Eigenbedarfs nicht ausreichen. Kürzungen der Westexporte werden also unvermeidlich sein. Die Bemühungen der UdSSR um die Ausweitung ihrer Erdgasexporte um 40 Mrd. m 3 müssen vor diesem Hintergrund gesehen werden. Sie zielen darauf ab, den sich abzeichnenden Rückgang der Erdölexporte durch steigende Erdgasexporte zu kompensieren. Daß die UdSSR hierfür dringend Ersatzprodukte benötigt, ergibt sich allein schon aus der herausragenden Bedeutung des Erdöls für den sowjetischen Westexport: 1981 erzielte sie durch den Verkauf von Erdöl und Erdölprodukten 60 vH ihrer Erlöse im Handel mit westlichen Ländern.
Bisher konnte die UdSSR aber lediglich 20 Mrd. m 3 an zusätzlichen Lieferungen kontrahieren. Dies entspricht — gemessen am Heizwert — knapp 17 Mill, t Erdöl. Der zu erwartende Rückgang des Olexports in den achtziger Jahren (1981 rd. 52 Mill, t) wird diese Menge aber voraussichtlich übersteigen.
Damit aber ergibt sich die folgende Schlußfolgerung: Die vorgesehene Erhöhung der Erdgasbezüge aus der UdSSR wird insgesamt die Abhängigkeit der Energieversorgung des Westens von der Sowjetunion langfristig nicht erhöhen. Es ist sogar unwahrscheinlich, daß diese Lieferungen den zu erwartenden Rückgang des Ölexports überhaupt ausgleichen werden. Damit aber wird die UdSSR auch keine zusätzlichen Deviseneinnahmen erhalten. Erhöhte sowjetische Erdgaslieferungen sind somit nicht nur tolerierbar, sie sind unter dem Gesichtspunkt der Diversifizierung der Bezugsquellen und der Umweltfreundlichkeit von Erdgas auch erwünscht.
Natürlich erhöhen die vorgesehenen Erdgas-bezüge die Abhängigkeit dieses Marktes von der UdSSR deutlich. Gegen mögliche Lieferunterbrechungen muß daher Vorsorge getroffen werden. Diesbezügliche Maßnahmen gibt es jedoch bereits. Hierzu zählen: (1) der Ausbau von Speicherkapazitäten, (2) die Installierung von Kapazitäten, die kurzfristig den Einsatz anderer Energieträger (öl, Kohle) erlauben und (3) die Möglichkeit, die Erdgasproduktion in Westeuropa kurzfristig zu erhöhen.
Bedacht werden sollte aber auch: Würde die UdSSR die Erdgaslieferungen aus politischen Gründen unterbrechen, wäre sie als verläßlicher Handelspartner auf Jahre hinaus diskreditiert Sie müßte dann auf Importe westlicher Technologie verzichten: die Aufwendungen für den Bau der Exportleitungen würden sich als teure Fehlinvestition erweisen. Somit kann mit einer politisch motivierten Lieferunterbrechung nur in einer extremen Situation gerechnet werde. Daß die Kosten einer derartigen Politik mit steigender Westhandelsverflechtung zunehmen, kann auch als politisches Argument für den Ausbau der Ost-West-Handelsbeziehungen betrachtet werden. In diesem Zusammenhang gehört aber auch die Warnung vor einem politisch motivierten Vertragsbruch des Westens, wie er von amerikanischer Seite gefordert wurde: Mit einem solchen Schritt hätte man nämlich gerade das getan, was Gegner des Osthandels der UdSSR häufig unterstellen, nämlich getroffene Vereinbarungen zu brechen, um politische Ziele durchzusetzen
Auch unter dem Aspekt der kostengünstigen Energieversorgung müssen die Erdgasbezüge aus der UdSSR positiv beurteilt werden. Die an der Gewinnerwirtschaftung orientierten westlichen Gasversorgungsunternehmen hätten diese Importe nicht getätigt, wenn ihnen kostengünstigere Alternativen zur Verfügung gestanden hätten. Damit wird aber auch deutlich, daß nicht nur die Abhängigkeit, sondern auch der Nutzen beiderseitig ist. Ein Handels-krieg wäre somit kontraproduktiv
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse besteht zumindest die Gefahr, daß die eingangs erwähnte amerikanische Forderung nach einem Verzicht auf weitere Erdgasbezüge aus der UdSSR („solange nach Alternativlösungen gesucht werde") sich als ein kostspieliger Sperriegel erweisen könnte. 5. Beschäftigungseffekte Der Zusammenhang zwischen Osthandel und Beschäftigungseffekten wird sowohl unter ökonomischen als auch unter politischen Aspekten kontrovers diskutiert. Extreme Standpunkte auf der ökonomischen Ebene kennzeichnen die Schlagworte „Ostexporte sichern Arbeitsplätze" und „Ostimporte vernichten Arbeitsplätze". Auf der politischen Ebene wird zuweilen darauf verwiesen, daß man sich auch exportseitig in eine gefährliche Abhängigkeit von sowjetischen oder osteuropäischen Importen begebe. Eine Analyse der Fakten zeigt indes, daß die Beschäftigungseffekte im allgemeinen überschätzt werden. Dies soll am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland verdeutlicht werden, die unter den OECD-Staaten die höchste Osthandelsverflechtung aufweist. 1979 waren in der Bundesrepublik 220000 Beschäftigte direkt und indirekt 31) vom Export in die UdSSR und in die übrigen osteuropäischen Staaten (ohne DDR 32)) abhängig. Bezogen auf die Gesamtbeschäftigung in der Bundesrepublik waren dies 0, 9 vH. Allein auf den Warenexport in die UdSSR entfiel ein Be-schäftigungseffekt von rd. 90000, das waren 0, 4 vH aller Beschäftigten. Diese Zahlen verdeutlichen, daß auch exportseitig keine gravierende Abhängigkeit vom Osthandel besteht; die Effekte sind zu gering, als daß sie der Sowjetunion einen politisch nutzbaren Hebel böten.
Auch bei sektoraler Betrachtung zeigt sich, daß in keinem Wirtschaftszweig die Beschäftigung in eine politisch brisante Abhängigkeit vom Ostexport geraten ist. Die höchsten sektoralen Abhängigkeitsquoten ergaben sich für die Bereiche Metallerzeugung und -bearbeitung (5 vH) sowie für den Maschinenbau (4 vH). Angesichts des realen Rückgangs des Ostexports der Bundesrepublik in den letzten Jahren dürften diese Quoten derzeit sogar noch niedriger sein. Für einige Betriebe kann das Ostgeschäft allerdings von gravierender, z. T. sogar von existenzieller Bedeutung sein. So geht aus den Geschäftsberichten der Firma Mannesmann AG — einem der größten Ost-exporteure der Bunderepublik — hervor, daß in den 70er Jahren durchschnittlich rd. 15 vH des Umsatzes der Inlandsgesellschaften mit den RGW-Staaten abgewickelt wurde (Ex-tremwerte 1976 und 1977 mit 18 vH und 8 vH).
Problematisch ist die Bewertung der negativen Beschäftigungseffekte aufgrund von Importen aus dem Osten. Vernichten diese Ein-fuhren tatsächlich Arbeitsplätze? Für die Importe aus der UdSSR wird man diese Frage negativ beantworten müssen, denn die gelieferten Rohstoffe könnten im Inland gar nicht produziert werden. Dies gilt überwiegend aber auch für die Importe aus den anderen RGW-Staaten. Diese Waren konkurrieren in der Regel nicht mit inländischen Produkten, sondern mit denen dritter Staaten. Würde z. B. Ungarn keine Lederwaren oder Textilien mehr liefern, so würden diese Erzeugnisse dann nicht im Inland produziert werden, sondern aus kostengünstiger produzierenden Schwellenländern importiert werden.
Somit kann folgendes Fazit gezogen werden: Die Beschäftigungseffekte des Osthandels sind ökonomisch durchaus positiv zu bewerten. Gesamtwirtschaftlich und sektoral betrachtet sind sie allerdings zu gering, als daß sie eine politisch bedenkliche Abhängigkeit begründen würden.
III. Ausblick: Keine Aussichten für einen Aufschwung des Ost-West-Handels
Abbildung 11
Tabelle 3: Primärproduktion der UdSSR 1980 bis 1985
Tabelle 3: Primärproduktion der UdSSR 1980 bis 1985
Der Ost-West-Handel wird gegenwärtig nicht nur aus politischen Gründen in seiner weiteren Entwicklung bedroht. Ein Blick auf die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsaussichten in Ost und West, den Schuldenstand der RGW-Länder und die risikobewußtere Kredit-politik der westlichen Banken lassen auch das ökonomische Umfeld in einem düsteren Zustand erscheinen. Bei der Einschätzung der künftigen Expansionsmöglichkeiten des Ost-West-Handels muß Pessimismus wohl mit Realismus gleichgesetzt werden.
Die Importmöglichkeiten der RGW-Länder unterliegen derzeit dem strengen Diktat der Zahlungsbilanz. Dies gilt in erster Linie für die kleineren osteuropäischen Staaten. Zwar haben sie bereits sehr deutliche Importbeschränkungen ergriffen; so waren — in SDR gemessen — die Importe im 4. Quartal des Jahres 1981 sogar noch niedriger als im seihen Quartal des Jahres 1974. Die getroffenen Maßnahmen haben aber bisher nicht ausgereicht, um die chronischen Handelsbilanzdefi-
zite (1981: 2 Mrd. US-Dollar) in Überschußpositionen zu verwandeln. Derartige Über-schüssesind aber dringend erforderlich, denn allein für die Zinszahlungen ergibt sich ein Finanzierungsbedarf von 7, 5 Mrd. US-Dollar. Dieser erhöht sich sogar noch um die erforderliche Reduzierung der Nettokredite (1. Halbjahr 1982: 3, 5 Mrd. US-Dollar gegenüber BIZ-Geschäftsbanken).
Eine derartig drastische Umkehr der Handelsbilanzen muß sich künftig unter folgenden ökonomischen Rahmenbedingen vollziehen: — Das Wirtschaftswachstum in den westlichen Industriestaaten wird kurzfristig, d. h. 1983, stagnieren. Mittelfristig ist allenfalls mit relativ geringen Steigerungsraten zu rechnen. — Auch Osteuropa ist von der weltweiten Rezession nicht verschont geblieben. In allen Ländern geht das Wachstum zurück; die Fünfjahrpläne sind inzwischen obsolet geworden. — Verschuldungsprobleme belasten nicht nur die Westhandelsbeziehungen der kleineren RGW-Staaten, sondern auch deren Han-del mit der UdSSR. Allein 1981 erhöhte sich das seit 1975 kumulierte Handelsdefizit von umgerechnet 8, 2 Mrd. auf 12, 6 Mrd. US-Dollar. Dies ist insofern bemerkenswert, als 1981 die UdSSR ihre Rohstofflieferungen in die kleineren RGW-Staaten nicht mehr erhöhte.
Aus diesen ökonomischen Rahmenbedingungen folgt:
— Die Aussichten für Exportsteigerungen sind äußerst ungünstig, da im Westen die Nachfrage nach Importgütern kaum wachsen wird und zudem die protektionistischen Tendenzen zunehmen.
— Handelbilanzüberschüsse sind damit nur durch drastische Importkürzungen zu erzielen.
Die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum in Osteuropa und damit auch auf die Zukunft des Ost-West-Handels sind gravierend. Künftig werden zwei wesentliche Wachstumsfaktoren der siebziger Jahre für die Wirtschaften im RGW entfallen, nämlich die kreditfinanzierten Importüberschüsse aus dem Westen und die steigenden — und zudem auch noch überwiegend kreditfinanzierten — Rohstoffimporte aus der UdSSR.
Aus diesen Überlegungen folgt aber auch, daß dem Verhalten der westlichen Banken eine Schlüsselfunktion zukommt. Je stärker sie auf eine Reduzierung der Nettoverschuldung der RGW-Staaten drängen, desto schwieriger wird die Wirtschaftslage im Osten bzw.desto stärker wird der Ost-West-Handel schrumpfen müssen. Das Interesse an einem zahlungsfähigen Schuldner dürfte bei aller Risikoabwägung aber einer solchen Politik Grenzen setzen.
Auch für die Sowjetunion verschlechtern sich die ökonomischen Rahmenbedingungen ihres Westhandels. Gegenwärtig ist nicht abzusehen, daß die öl-bzw. Rohstoffpreise wieder drastisch steigen werden; im Gegenteil, nominal und real gehen sie derzeit sogar zurück. Die überproportionale Ausweitung des sowjetischen Westhandels war aber gerade auf die durch die OPEC-Politik resultierende Verbesserung ihrer terms of trade ermöglicht worden und nicht durch eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exportwaren. Entfallen aber derartige „externe Effekte", so verschlechtern sich auch die Westhandelsaussichten der UdSSR.
Fazit: Für absehbare Zeit werden die RGW-Staaten eine leistungsbilanzorientierte Westhandelspolitik betreiben müssen. Angesichts der ungünstigen ökonomischen Rahmenbedingungen kann der erforderliche Überschuß in der Handelsbilanz nur durch weitere Importdrosselungen erreicht werden. Damit aber sind allein schon aus wirtschaftlichen Gründen die Chancen für eine Ausweitung des Ost-West-Handels gering; wahrscheinlicher ist indes ein weiterer realer Rückgang.
Heinrich A. Machowski, Dr. rer. pol, geb. 1936; seit 1969 Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin (West). Veröffentlichungen u. a.: Außenwirtschaftliche Reformen in den RGW-Staaten, 1970; Toward a socialist economic Integration in Eastern Europe, 1972; Integration im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe — Entwicklung, Organisation, Erfolge und Grenzen, 1976 (mit Jochen Bethkenhagen); Sowjetunion: Wachstumsfaktor Außenhandel, 1979; Die Verschuldung der Volksrepublik Polen gegenüber dem Westen: Gegenwärtiger Stand und Ausblick, 1980; RGW-Staaten und Dritte Welt: Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungshilfe, 1981 (mit Siegfried Schultz).
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