Wie beim Nord-Süd-und Ost-West-Konflikt klaffen auch bei der westeuropäischen Integration objektive Notwendigkeiten und gouvernementale Gestaltung auseinander. Objektiv ist die Integration die folgerichtige Antwort auf die strukturellen wirtschaftlichen, sicherheits-und allgemeinpolitischen Interdependenzen und auf aktuelle Probleme wie Wirtschaftskrise und mangelnde internationale Durchsetzungsfähigkeit. Subjektiv hält aber Regierungspolitik an den primär nationalstaatlichen Inhalten und Strukturen des Entscheidungsprozesses fest. Dies widerspricht nicht nur einer mittelfristigen Zweck-rationalität, sondern auch den politischen Grundwerten der westeuropäischen Gesellschaften. Denn diese lassen sich letztlich nur durch eine Zusammenarbeit verwirklichen, die qualitativ und quantitativ weit über die bisherige europäische Praxis hinausgeht.
Funktionalistische und marxistische Integrationstheorien haben nach abstrakten Mechanismen oder „Gesetzmäßigkeiten" gesucht, um die Integrationsdynamik zu erklären. Ihr Hinweis auf nationalstaatliche Interessenkonkurrenzen erklärt aber weder ausreichend den Integrationsstillstand noch bietet er Ansatzpunkte für eine Überwindungsstrategie. Die Auffassung der EWG-Gründer, neben den objektiven Notwendigkeiten und dem Europa-idealismus auf die EG-Kommission als Hüter und Motor der Integration zu setzen, war dagegen sehr viel politiknäher. Sie gingen darüber zu Recht davon aus, daß objektive — auch strukturelle — Entwicklungen sich nur dann in konkrete Politik umsetzen, wenn sie von Akteuren aufgegriffen und durchgesetzt werden. Allein auf Akteure zu setzen, wäre voluntaristisch, allein auf objektive Entwicklung zu setzen, wäre idealistisch. Politische Strategiebildung muß daher objektive Entwicklungen mit Akteuren und umgekehrt verbinden. So richtig es war, daß man in den Gründerjahren nach einem die Integration tragenden Akteur suchte, so falsch war es, ihn allein in der EG-Kommission zu sehen. Denn diese besaß innerhalb der Mitgliedsländer weder politischen Einfluß noch Unterstützung. Sieht man einmal von der Entstehung von Integrationsakteuren wie Supranationalen Konzernen und Gewerkschaften ab, ist vor allem mit der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament ein neuer Typ von integrationsrelevanten Akteuren entstanden. Es handelt sich dabei um die Parteienföderationen wie z. B.den Bund der Sozialdemokratischen Parteien in der EG, die Europäischen Liberalen Demokraten und die Europäische Volkspartei. Parteienföderationen in Europa unterscheiden sich aufgrund ihrer Geschichte, ihrer Struktur und ihren Inhalten. Sie kooperieren weniger untereinander als in erster Linie mit ihren nationalen Mitgliedsparteien und ihren Fraktionen im Europäischen Parlament. Dies rechtfertigt einen von der Analyseebene her vertikalen Untersuchungsansatz, der sich auf eine Parteiföderation konzentriert. Der Bund der Sozialdemokratischen Parteien in der EG wurde dabei aus folgenden Gründen ausgewählt. Er ist erstens die einzige flächendeckende Parteienföderation der EG. Er ist zweitens die vom Mitglieder-und Wählerpotential her größte Parteienföderation und stellt eine der größten Fraktionen im Parlament. Drittens ist er diejenige Föderation, deren Mitgliedsparteien die meisten Regierungen in den EG-Ländern stellten bzw. ihr angehörten. Viertens gehört der Bund zu den ältesten Föderationen und verfügt mit der Sozialistischen Internationale, in der er als Regionalorganisation mitarbeitet, als einzige Föderation über eine über Europa hinausgreifende Parteienorganisation.
Vor diesem Hintergrund soll der Bund unter der Fragestellung untersucht werden, ob und wie er zum westeuropäischen Integrationsprozeß beiträgt bzw. ob und in welcher Weise er als einer der Integrationsakteure anzusehen ist. Ausgangshypothese ist dabei, daß der Bund gerade im Zusammenwirken mit Mitgliederparteien. Sozialistischer Fraktion und Sozialistischer Internationale von seinen politischen Inhalten und Möglichkeiten her als einer der potentiell wichtigsten Integrationsakteure angesehen werden kann, daß er aber auf Grund seiner eigenen Strukturen und der seiner Mitgliederparteien zur Zeit diese Möglichkeiten nicht voll ausschöpfen kann
I. Wirtschaftspolitik
Sozialdemokratische und sozialistische Parteien räumen wirtschaftspolitischen Fragen traditionell Vorrang in ihrer Programmatik und Politik ein Wirtschaftspolitik war und ist dabei nicht nur die Frage, wie über Wachstum Reformspielräume und Hebung des Lebensstandardes breiter Bevölkerungsschichten — und damit letztlich Legitimation — „erkauft" werden können, sondern auch eine Frage der Gesellschaftspolitik. Wirtschaftsdemokratie soll Beteiligung und Umverteilung, Kompensation soll Chancengleichheit grundlegend verbessern. Die Möglichkeit, daß die Kapitalseite die national und häufig auch richtungsmäßig zersplitterten Arbeiterbewegungen gegeneinander ausspielen könne, war maßgebliche Ursache zur internationalen Zusammenarbeit sozialdemokratischer und sozialistischer Parteien. Dies wurde erstmals nicht nur in der Gründung der Internationalen Arbeiterassoziation im Jahre 1884, sondern auch beim Auftreten der ersten westeuropäischen Integrationspläne deutlich. Als 1950— 1952 die EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) aufgebaut wurde, waren sich die Sozialisten „darüber im klaren, daß wichtige politische Entscheidungen nicht auf nationaler Ebene erreicht werden können Neben nationaler Beeinflussung wurde auch über internationale Zusammenarbeit erreicht, daß sich die EGKS Forderungen wie Mitbestimmung und Investitionsplanung zu eigen machte und die EWG den Wirtschaftsund Sozialrat erhielt.
Die wirtschaftspolitische Debatte im Bund konzentrierte sich vor allem auf drei Punkte:
auf das wirtschaftsdemokratische Modell, die langfristige Konjunktur-und Wachstumspolitik und Maßnahmen zum Abbau von Arbeitslosigkeit. Bei der Debatte über Wirtschaftsdemokratie stand der Bund — wie auch die Sozialistische Internationale — vor der Schwierigkeit, daß aufgrund unterschiedlicher geschichtlicher Entwicklungen unterschiedliche Modelle angestrebt wurden. Die mittel-und nordeuropäischen Sozialdemokraten wollten gesetzlich abgesicherte Mitbestimmung, reformierte Marktwirtschaft und indirekte Lenkung und Ausgleich. West-und südeuropäische Sozialisten forderten Arbeiterselbstverwaltung, Wirtschaftsplanung und Verstaatlichung. Die britische Arbeiterbewegung legte den Schwerpunkt auf innerbetriebliche Gewerkschaftsmacht, Verstaatlichung und Planung. Diese drei unterschiedlichen Vorstellungen führten inner-und außerhalb des Bundes vor allem in den frühen siebziger Jahren zu erheblichen programmatischen Konflikten, hinter denen sich aber auch Auseinandersetzungen um Führungspositionen verbargen Das programmatische Aufeinanderzugehen wurde insbesondere in dem Augenblick erleichtert, als sozialistische Parteien in Regierungsverantwortung eintraten und ihre wirtschaftsdemokratischen Reformprogramme durch einen pragmatischen Kurs ersetzten Damit waren zwar die programmatischen Unterschiede nicht behoben, die aktuellen Konflikte über das Wirtschaftsdemokratiemodell aber bis auf weiteres vertagt.
Wirtschaftsdemokratische Reformvorstellungen spielen in der politischen Arbeit und den programmatischen Aussagen des Bundes eine untergeordnete Rolle — wenn überhaupt Die grundlegenden Unterschiede vor allem zwischen der SPD, der PS (Frankreich) und der Labour Party (Großbritannien) waren zu groß und die inhaltliche Kompromißbereitschaft zu gering. Schließlich trug die Instrumentalisierung dieser programmatischen Unterschiede dazu bei, daß eine Einigung nicht erzielt werden konnte — und auch nicht sollte. So entstand das Paradoxon, daß der Bund auf europäischer Ebene in einer zentralen Forderung seiner Mitgliedsparteien auf nationaler Ebene weder aktiv wurde noch eine eigene Position bezog. Dies förderte weder seine Glaubwürdigkeit noch den für eine dynamische Integration notwendigen Einbezug der Gewerkschaften Die vorgeschlagene Politisierung des Bundes, die neue machtpolitische Konstellation innerhalb des Bundes und die Annäherung der inhaltlichen Positionen schließen nicht aus, daß nach oder auch parallel zur Überwindung der Wirtschaftskrise eine diesbezügliche Initiative entwikkelt werden kann. Ob das geschieht, hängt von den Entwicklungen innerhalb des Bundes, seiner Mitgliedsparteien und vor allem von den europäischen Gewerkschaften ab.
Der wirtschaftspolitische Schwerpunkt des Bundes liegt seit Ende der siebziger Jahre in erster Linie auf der langfristigen Konjunktur-und Wachstumspolitik in der EG. Ohne sich ausdrücklich auf Keynes zu beziehen, verfolgt der Bund keynesianische Strategien und wendet sich gegen den Monetarismus, dem er Deflation und Arbeitslosigkeit anlastet. Obwohl die gegenwärtige Programmatik des Bundes kein in sich geschlossenes neo-keynesianisches Konzept enthält, sind diese Grundlinien deutlich erkennbar. Wie bei traditonellen keynesianischen Vorstellungen sollen in erster Linie öffentliche Investitionen in der Infrastruktur und zur technologieintensiven Umstrukturierung des Industriepotentials einen Wachstumsimpuls setzen, dem dann die privaten Unternehmer folgen. Neu ist, daß diese Investitionen weniger zur Sanierung wettbewerbsunfähiger Unternehmen dienen, sondern vor allem die Zukunftsindustrien in ihren Wachstumschancen auf dem Weltmarkt stärken sollen. Dies setzt eine antiprotektionistische und wettbewerbsorientierte Politik voraus.
Parallel zu staatlichen Wachstumsinvestitionen soll Massenkaufkraft auch über den Ausbau des Wohlfahrtstaates vergrößert werden — auf Fragen seiner Finanzierbarkeit wird im einzelnen nicht eingegangen. Neu an den Vorstellungen ist die Bereitschaft, keynesianische Strategien zu europäisieren und zu internationalisieren. Durch den Ausbau des europäischen Regional-und Sozialfonds sollen qualitative und quantitative Wachstums-impulse ausgelöst werden, die über die EG koordiniert und finanziert werden. Derartige Maßnahmen haben eine dreifache Funktion: Sie bauen regionales Ungleichgewicht ab, sorgen für Wachstum und geben der EG ein wirtschaftspolitisches Eigengewicht, das auch zur Steuerung des westeuropäischen Wirtschaftsprozesses eingesetzt werden kann.
Schließlich sollen im Sinne des Berichtes der Unabhängigen Nord-Süd-Kommission über Entwicklungspolitik und andere internationale Wirtschaftsreformen Industrialisierung und Massenkaufkraft in der Dritten Welt gefördert werden, was sich in verstärkter Nachfrage nach Industrieprodukten aus den EG-Ländern auswirken soll. Wie bei der EG-Industriepolitik wird auch hier von einem ökonomischen und politischen Wettbewerb zwischen der EG und den USA bzw. Japan ausge-gangen, dem die EG offensiv begegnen soll Wieweit die Vorstellungen des Bundes zur Europäisierung keynesianischer Wachstumspolitik verwirklicht werden, hängt nicht zuletzt von der Frage ab, ob die EG-Mitgliedstaaten bzw. die Mitgliedsparteien des Bundes in den jeweiligen Regierungen bereit sind, der EG die notwendigen Finanzmittel bzw. Finanzierungsmodi zuzugestehen. Aber selbst Ansätze einer solchen Politik würden — selbst wenn sie nur eine Ergänzung traditionell nationalstaatlichen Keynesianismus darstellen — gewissermaßen von oben wichtige Integrationsimpulse setzen, auch wenn sie am nationalstaatlichen Grundproblem der Integration grundsätzlich nichts ändern würden. Trotz nationalstaatlicher Mittelknappheit und britischem Monetarismus besteht auf europäischer Ebene zwischen den Fraktionen, dem Parlament, der Kommission, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften diesbezüglich ein hohes Maß an Konsens-möglichkeit. Insofern bieten derartige Vorstellungen ein höheres Maß an Durchsetzungswahrscheinlichkeit als Initiativen in Richtung Wirtschaftsdemokratie.
Eine derartige potentielle Konsensbereitschaft besteht in den programmatischen Aussagen des Bundes und seinen Aktivitäten zum Abbau der Arbeitslosigkeit nicht. Direkte Arbeitsbeschaffung über eine Verringerung der Arbeitszeit auf 35 Wochenstunden durch EG-Gesetzgebung und Priorität bei der Arbeitsplatzsicherheit in der gesamten Wirtschaftspolitik sind gegenüber anderen Partei-föderationen und vor allem Wirtschaftsverbänden kontrovers und ihre Durchsetzungsfähigkeit gering. Sie sind aber innerhalb des Bundes am wenigsten umstritten und besitzen für das Wähler-und Mitgliederpotential des Bundes einen hohen Stellenwert. Angesichts der Mobilierungsprobleme im Europa-wahlkampf 1984, hinter denen auch die Glaubwürdigkeitsproblematik von Bund und Sozialistischer Fraktion steht, bietet sich hier ein den Bund integrierender und seine Wähler motivierender Schwerpunkt, mit dem nicht zuletzt auch die Handlungsschwäche hei den Fragen der Wirtschaftsdemokratie überspielt werden kann. Arbeitsbeschaffungsprogramme auf europäischer Ebene werden, selbst wenn der Bund sie durchsetzen kann, allein aufgrund der finanziellen Spielräume geringere Wirkungen zeigen als vergleichbare nationale Programme. Abgesehen von den arbeitsmarktpolitischen Folgewirkungen eines europäischen Keynesianismus ist es hier vor allem eine Frage von Motivierung, Glaubwürdigkeit und Aufklärung über die Möglichkeiten und Grenzen einer EG-Arbeitsmarktpolitik, die die integrationspolitische Bedeutung dieser Forderungen ausmachen. Die positive Identifizierung des Klienteis der S-Parteien mit einer EG, die sich ihrer Arbeitsplatzprobleme annimmt, ist langfristig erfolgversprechender als der Aufbau eines neuen Europanationalismus, der neue Feindbilder schaffen und schließlich auch auf das innere Klima zurückschlagen kann.
Im Rahmen seiner Politik der Verinhaltlichung hat der Bund in einer Fachkonferenz über Energiefragen versucht, die Kontroverse über Kernenergie, die eines der höchsten inhaltlichen Konfliktpotentiale enthielt durch Ausweitung und Versachlichung der Fragestellung zu entschärfen, was in wesentlichen Teilen auch gelang. Die in dieser Konferenz erarbeiteten Grundpositionen wurden dann dementsprechend vom letzten Kongreß übernommen und laufen im wesentlichen auf die Forderung nach Verringerung der Abhängigkeit vom — importierten — Öl, nach sparsamer Energieverwendung, nach der Suche und Erschließung alternativer und vor allem erneuerbarer Energiequellen hinaus. Inwieweit Energiepolitik in den Gesamtrahmen der EG-Wirtschafts-, Arbeitsplatz-und Regionalpolitik eingebunden werden kann und ob sich aus diesen Anfängen eine integrierte Energiepolitik entwickelt, bleibt abzuwarten Dies wird nicht zuletzt von nationalen Entwicklungen wie im erdöl-produzierenden Großbritannien und von Überlegungen abhängen, sich über eine Europäisierung der Energiepolitik bei entspre-chender Berücksichtigung der umweltpolitischen Ziele dem Druck nationaler Ökologiebewegungen zu entziehen
II. Globalpolitik
Für Bund und Fraktion spielt die EG-Globalpolitik neben und im Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik eine zunehmende Rolle. Hierbei geht es sowohl um inhaltliche Fragen als auch um die zusätzlichen Integrationsanreize. Im Rahmen dieser Diskussion zeichnen sich gegenwärtig fünf Schwerpunkte für die Rolle der EG im internationalen System ab:
Erstens — und dies gehört zu den traditonellen Schwerpunkten — geht es um die Position der EG in der gegenwärtigen Weltwirtschaftsordnung. Wirtschaftliche Interessen und aktuelle Probleme haben dazu beigetragen, daß der Bund offensiver als bisher die Konkurrenzsituation zwischen der EG auf der einen und den USA und Japan auf der anderen Seite betont. Dies geht weit über die Unterstützung der Grundlinien der EG-Kommissionspolitik, wie sie sich in den Agrar-und Stahlverhandlungen mit den USA und in den Verhandlungen über die japanische Export-und Importpolitik niederschlägt, hinaus. Der Bund fordert nicht nur eine stärkere wirtschafts-, finanz-und währungspolitische Eigenständigkeit, sondern will eine „Neue Internationale Geldordnung", in der die EG ihre wirtschaftspolitischen Forderungen wie Senkung der Leitzinsen, Kontrolle der Währungsparitäten, Steuerung der gesamten monetären Politik durchsetzen soll Dies setzt die Stärkung des Europäischen Währungssystems (EWS) und eine bessere Zusammenarbeit zwischen den EG-Ländern voraus. Daneben soll über die bereits erwähnte Industriepolitik die Konkurrenzfähigkeit der EG vor allem in den technologisch interessanten Bereichen gestärkt werden. Insofern unterstützt der Bund eine Politik, wie sie sich im Aufbau der europäischen Airbus-Industrie, einer europäischen kommerziellen Raumfahrt usw. andeutet. Wie im währungs-und finanzpolitischen Bereich geht es dabei darum, über eine stärkere und unabhängige Interessendurchsetzung die gegenwärtige Wirtschaftskrise zu überwinden und langfristig die internationale Position der EG zu verbessern. Integrationspolitisch bedeutsam ist dabei, daß dies weniger über nationale, sondern über europäische Politik erreicht werden soll. Die Strategie ist deutlich: Der Integrationsprozeß soll über wirtschaftlichen Konkurrenzdruck von außen vorangetrieben werden.
Wie schwierig dies ist, hat sich im Sonderfall der Energiepolitik gezeigt, wo die Nahostpolitik der EG wie auch deren energiepolitischen Programme einen zweiten globalpolitischen Schwerpunkt des Bundes darstellen. Die vom Bund immer wieder erhobene Forderung nach Unabhängigkeit spiegelt die Konkurrenzsituation zwischen EG und den USA bei der Lösung des Nahost-Konfliktes, der als Schlüssel zum euro-arabischen Dialog verstanden wird, wider. Allerdings haben die neueren Entwicklungen wie die Stärkung des amerikanischen Einflusses durch die Libanon-krise und die Schwächung der OPEC durch den Verfall des Ölpreises die Bedeutung und die integrationspolitischen Folgewirkungen dieses Politikbereiches verringert.
Im Gegensatz dazu hat die Tätigkeit der Nord-Süd-Kommission den dritten globalpolitischen Schwerpunkt der EG, die Nord-Süd-Politik, stärker als bisher in den Mittelpunkt der Diskussion des Bundes gerückt. Hierbei geht es nicht nur um die Fortsetzung und Ausweitung der traditionellen AKP-Politik, die allerdings nach wie vor das Kernstück der Dritte-Welt-Politik darstellt, sondern auch um die die progressive Umgestaltung des Nord-Süd-Verhältnisses. Dies ist eine Frage von wirtschaftlichen und politischen Interessen. Wirtschaftlich dient eine solche Politik der Ausweitung der EG-Handelsinteressen über den engeren AKP-Bereich (AKP = Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean) hinaus. Politisch, d. h. unter dem Gesichtspunkt einer langfristigen globalen Strukturreform, geht es um die Gewinnung von Bündnispartnern in der Dritten Welt und damit gleichzeitig um eine langfristige Begrenzung amerikanischer Weltordnungpolitik. Die Grundidee ist dabei, daß die EG als unabhängige politische Kraft die Führung in den Nord-Süd-Strukturreformen übernimmt und dabei ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen einbringt. Auch hier läßt sich eine indirekte integrationspolitische Zielsetzung erkennen: Indem die EG die politische Führungsrolle im Nord-Süd-Dialog übernimmt, sollen durch die damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten und Erfolge positive Rückwirkungen auf die Einigungsbemühungen einsetzen. Gleichzeitig sollen — auch über den Umweg der Dritten Welt — die Legitimation und politische Attraktivität der EG als politische Reformkraft deutlich gemacht werden.
Ähnliche legitimations-und motivierungspezifische Zielsetzungen kennzeichnen den vierten Schwerpunkt einer sozialdemokratisch-sozialistischen EG-Globalpolitik. Aus der Sicht des Bundes und der Fraktion soll die EG sich in erster Linie als Zivilmacht profilieren. Dabei geht es nicht nur um Attraktivität gegenüber den Friedensbewegungen oder um Anknüpfung an traditionelle Wert-und Programmvorstellungen der S-Parteien, sondern auch um die Entwicklung einer unabhängigen Position beim Abbau des Ost-West-Konfliktes. Wie bei der Wirtschafts-und Nord-Süd-Politik erleichtert die gegenwärtige Politik der USA bzw.der UdSSR ein Selbstverständnis, das die Aufrechterhaltung von Entspannung und Bemühungen zur Rüstungskontrolle und Abrüstung betont. Auch in diesem Bereich soll die EG eine eigenständige Funktion erreichen und ausüben, indem sie nach Auffassung der S-Parteien fortschrittliche Positionen aufrechterhält und zum internationalen Reformakteur wird. Dies wiederum setzt stärkere Zusammenarbeit voraus und wirkt sich auf den Integrationsprozeß positiv aus *
Der jüngste und fünfte Schwerpunkt, in dem sich wirtschaftliche und politische Interessen aus den bisherigen Bereichen miteinander verbinden, ist Lateinamerika. Dies hängt nicht nur mit den Erfolgen von S-Parteien und Sozialistischer Internationale in dieser Region zusammen, sondern focussiert politische Reformpolitik, Abgrenzung und Kooperation mit den USA Nord-Süd-Politik und Handelsinteressen in einer Region. Obwohl die Lateinamerikakonzeption des Bundes gegenwärtig noch nicht abgeschlossen vorliegt, besitzen die Aktivitäten von Bund und Fraktion inzwischen eine solche Dynamik und ein solches Gewicht, daß sie — in enger Zusammenarbeit und mitunter in begrenzter Konkurrenz zur Sozialistischen Internationale — auf eine weitere globalpolitische Rolle der EG hinweisen. Im Vergleich zur Wirtschaftspolitik dürfen die globalpolitischen Vorstellungen des Bundes und der Fraktion nicht überbewertet werden. Auch aus Sicht des Bundes liegen die wesentlichen Aufgaben der EG in Westeuropa. Globalpolitik ist daher weniger ein Wert an sich, sondern soll direkt und indirekt dazu beitragen, die Probleme der EG und ihrer Mitgliedsländer abzubauen und zusätzliche Anreize zur Integration zu geben. Das global-politische Selbstverständnis des Bundes von einem unabhängigen, fortschrittlichen und reformoffensiven Zivileuropa darf aber nicht unterschätzt werden. Es ist nicht nur Mittel zur eigenen Selbstfindung, zur Binnenintegration im Bund und in Fraktion und zum Aufbau einer eigenständigen politischen Leistung, die von nationalen Parteien und von Sozialistischer Internationale nicht erbracht werden kann, sondern auch zur Legitimation, Motivation und interessenmäßigen Begründung von verstärkten Einigungsbemühungen Die relativ geringen inneren Widersprüche, die politische Attraktivität nach innen und außen und die langfristig-inhaltliche Bedeutung einer integrierten EG-Globalpolitik geben den damit zusammenhängenden Integrationsanreizen vor allem zukünftig ein erhebliches Gewicht. Auch wenn Integration in erster Linie sich aus inneren Entwicklungen ergeben muß, sind die zusätzlichen Integra-tionsanreize, die sich aus einer solchen globalpolitischen Offensive ergeben, von erheblicher Bedeutung. Gerade hier unterscheidet sich der Bund grundlegend von anderen Parteiföderationen. Sein Vorsprung in globalpolitischem Selbstverständnis, Programm und Aktivitätsprofil ist nicht nur eine Frage von traditioneller internationalistischer Programmatik der S-Parteien, sondern auch das Ergebnis von politischen Organisationsstrukturen, eines leistungsfähigen internationalen Kommunikations-und Handlungsnetzwerkes und koordinierter Erfahrung in internationaler Politik.
III. Weiterentwicklung der EG
Auch innerhalb des Bundes sind die an die erste Direktwahl geknüpften Erwartungen einem pragmatischen Reformismus gewichen, der sich auf ausgewählte Bereiche konzentriert. In der Arbeitsteilung zwischen Bund und Sozialistischer Fraktion hat es zunehmend die Fraktion übernommen, konkrete Initiativen zur inhaltlichen und institutionellen Weiterentwicklung der Integration zu entfalten Dies liegt nicht nur an den sehr viel besseren konkreten Einflußmöglichkeiten der Fraktion auf EG-Entscheidungen, an ihren politischen Ressourcen und an den ihr zur Verfügung stehenden Kapazitäten, sondern auch an der höheren Geschlossenheit, wenn es um allgemeine und konkrete Fragen der Weiterentwicklung der Integration geht. Dagegen wurden die noch in den 1977/78 entwickelten Programmen des Bundes enthaltenen konkreten Forderungen nach Ausweitung der Kompetenzen des Parlaments, Reform der Agrarpolitik und Europäisierung weiterer Politikbereiche durch allgemeine Formeln ersetzt. So enthält die Resolution vom letzten Kongreß des Bundes lediglich die Forderung nach Demokratisierung und Effizienzsteigerung sowie eine allgemeine Absichtserklärung zur Unterstützung von Parlamentsinitiativen. Die konkrete Ausformulierung dieser Ziele unterblieb jedoch, und der Versuch, während des Kongresses die Vorstellungen der Fraktion zur Reform der Agrarpolitik aufzunehmen, scheiterte. Die Niedermayer-Untersuchung und die Analyse der jeweiligen nationalen Programme und Politiken zeigen, daß innerhalb des Bundes trotz der langen internationalistischen Traditionen erhebliche Meinungsunterschiede über den weiteren Integrationsausbau bestehen.
Es sind vor allem die dänische und britische Partei, die im Rahmen des Bundes — weniger in der Fraktion — Integrationsfortschritte befürworten. subjektive Bereitschaft, Die die westeuropäische Zusammenarbeit zu intensivieren, ist bei den Vertretern dieser Parteien nur halb so groß wie bei den anderen Mitgliedsparteien des Bundes Dies liegt vor allem an der Auffassung, daß angesichts der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse eine Integration in die EG mit zunehmender Kompetenzverlagerung auf konservativ bestimmte EG-Entscheidungsgremien den nationalen Reformspielraum einschränkt und in bestimmten Fällen den nationalen Reformstand durch EG-Entscheidungen wieder zurückdreht. Daß es aber bei weitem nicht allein diese beiden Parteien sind, die eine konsequente Integration ablehnen, wird bei der Frage nach dem langfristigen europäischen Zukunftsmodell deutlich. Während bei der christdemokratischen Föderation 88 % der Kongreßdelegierten das supranationale Modell dem internationalen vorziehen und die liberale Föderation noch 67 % Anhänger des supranationalen Modells aufweist, sind es beim Bund lediglich 47 %. Mit anderen Worten heißt dies, daß von einer Gruppe, der man von vornherein ein hohes Maß an europapolitischem Engagement unterstellen kann, die Mehrheit nicht bereit ist, in größerem Umfang nationale Kompetenzen auf die EG zu verlagern 29).
Dieses Bild wird noch deutlicher, wenn man die mittleren Parteieliten untersucht So ist es insgesamt erklärlich, daß der Bund, obwohl er aus seiner Interessenlage heraus supranationale Modelle anstrebt, nicht in der Lage ist, dies gegenüber seinen Mitgliedern durchzusetzen. Die Führung des Bundes hat daraus die Konsequenz gezogen, hier Zurückhaltung zu üben und die diesbezüglichen Initiativen der Fraktion zu überlassen, die im Vergleich zur Mitgliedschaft des Bundes eine sehr viel höhere Bereitschaft zur Integration aufweist Anstatt hier einen aussichtslosen Kampf einzugehen, hat sich der Bund auf zwei Bereiche konzentriert und sich hierbei gegenüber abweichenden Meinungen in seiner Mitgliedschaft durchgesetzt Der erste Bereich ist die innerhalb des Bundes — vor allem von Frankreich — umstrittene Süderweiterung der EG Hier betont der Bund vor allem die politische Argumentation. Erstens gehörten diese Länder zu Europa und damit zur EG und zweitens sei die Süderweiterung zur Stabilisierung der'dortigen Demokratien notwendig Die im Vergleich zum allgemeinen Stil der letzten Kongreßresolution und zu den innerhalb des Bundes vorhandenen Vorbehalten außerordentlich deutliche Unterstützung der Süderweiterung ist nicht nur Folge der erwarteten politischen Machtverschiebungen im Europäischen Parlament (EP) und des Einflusses der spanischen PSOE und der portugiesischen PSP in der Sozialistischen Internationale sowie ihrer engen Zusammenarbeit mit Parteien wie der SPD.
Der Bund verfolgt hier eine langfristig angelegte Erweiterungspolitik. Die spanische PSOE wurde Mitglied des Bundes, als die spanische EG-Mitgliedschaft zwar absehbar, aber noch nicht formell beschlossen war. Die griechische PASOK wurde in die Zusammenarbeit des Bundes bereits einbezogen, obwohl sie noch nicht einmal Mitglied der Sozialistischen Internationale ist Darüber hinaus versucht der Bund, politische Dienstleistungen für seine Mitgliedsparteien aus den Süderweiterungsländern aufzubauen und damit gleichzeitig seine Bedeutung für diese Parteien zu verdeutlichen. So wurde neben einer Reihe von politischen Funktionen während der Beitrittsverhandlungen eine Konferenz des Bundes in Madrid Ende 1981 durchgeführt, in der die Mitgliedsparteien für die Probleme der Süderweiterung sensibilisiert und vor allem die Parteien der Süderweiterungsländer für eine aktive Mitgliedschaft vorbereitet wurden Der Integrationsbeitrag dieser Maßnahmen ist zwar wenig spektakulär und in erster Linie von den Interessen des Bundes bzw.der Fraktion bestimmt. Seine langfristigen Auswirkungen im Hinblick auf eine reibungslose Integration der Südländer, auf die Nutzung des damit zur EG stoßenden politischen Potentials und die Vermeidung einer europapolitischen Resignation aus falschen Hoffnungen dürfen aber nicht unterschätzt werden. Inwieweit es gelingt, mit der Süderweiterung neue Impulse für den Integrationsprozeß zu erhalten, bleibt abzuwarten. Für die diesbezüglichen S-Parteien hat der Bund ein — gemessen an seinen begrenzten Möglichkeiten — großes Maß an Hilfen geboten. Der zweite Bereich steht mit der Ausweitung nach Süden in Zusammenhang und ist wegen seiner politisch-strukturellen Bedeutung für die Integrationsperspektiven wichtig. Parallel zur Süderweiterung hat der Bund Parteien aus europäischen Ländern, die nicht der EG angehören, als Beobachter aufgenommen und schrittweise mit immer weitreichenderen Einflußrechten ausgestattet. Es handelt sich dabei um folgende Parteien:
Det Norske Arbeiderparti (Norwegen) Sveriges Socialdemokratiska Arbetarreparti (Schweden)
Northern Ireland Labour Party (Nordirland) Sozialistische Partei Österreichs (Österreich) Sozialdemokratische Partei der Schweiz (Schweiz)
Israel Labour Party (Israel)
Malta Labour Party (Malta).
Das Interesse dieser Parteien, von denen einige erheblichen Einfluß in der Sozialistischen Internationale besitzen, hat sich nicht zuletzt deshalb dem Bund zugewendet, weil der Bund zunehmende politische und inhaltliche Aktivitäten entfaltete und in Zusammenarbeit mit der Fraktion internationales Gewicht erhielt. Aus der Sichtweise des Bundes sind bei dieser Ausweitung des Bundes drei Gedankengänge hervorzuheben. Erstens ist dadurch der alte Konflikt zwischen EG und EFTA auch auf Parteiebene überwunden und insbesondere das Mißtrauen der Parteien, deren Länder keine EG-Mitgliedschaft besitzen, gegenüber dem Bund als mögliche Konkurrenzorganisation zur Sozialistischen Internationale abgebaut. Zweitens sind damit langfristige Perspektiven für eine engere Zusammenarbeit der EG mit Norwegen und Schweden gelegt, die eine Norderweiterung nicht ausschließen. In und durch die Mitarbeit im Bund ist in der sozialdemokratischen Partei Norwegens und Schwedens ein Meinungsumschwung zugunsten der EG-Integration entstanden. Drittens verfolgt der Bund mit dieser Erweiterungspolitik konsequent eine groß-europäische Lösung — zumindest oder vorläufig auf Parteienebene —, deren langfristige Perspektiven nicht unterschätzt werden dürfen.
IV. Innerorganisatorische Widersprüche
Die inhaltlichen und organisatorischen Aktivitäten des Bundes insbesondere in den letzten drei Jahren und die der Fraktion seit 1979 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Bund in seinem Engagement für ein realistisches Vorantreiben der europäischen Integration an Grenzen stößt. Diese liegen nicht nur in der Zusammenarbeit mit anderen Parteienföderationen oder den geringen Kompetenzen des Europäischen Parlamentes, sondern auch in seiner eigenen Organisationsstruktur. Der Bund versteht sich — wie die Sozialistische Internationale — nicht als „europäische Überpartei und strebt dies auch nicht an. Er verlangt auch nicht von den Parteien, einen Teil ihrer Souveränität abzutreten“ Wie in der EG gilt auch für den Bund das Primat der nationalstaatlichen Mitglieds-partei, an dem die Sozialistische Internationale immer wieder auseinandergebrochen ist Im Gegensatz zur Sozialistischen Internationale ist es aber dem Bund trotz seiner Anstrengungen nicht gelungen, jene politische und inhaltliche Dynamik zu entwickeln, mit der die Sozialistische Internationale diese Strukturschwäche überwand. Dies liegt weniger an Personen, sondern in erster Linie an den internationalen Rahmenbedingungen und am Erfolg der gewählten Strategie. Er-* schwerend kommt hinzu, daß der Bund auf dem Wege zu einer Europäischen Partei bzw. die Fraktion auf dem Wege zu einem kompetenten Europäischen Parlament dies nur auf Kosten der nationalen Fraktionen und der Kompetenzen seiner Mitgliedsparteien erreichen kann. In dieser Konkurrenz ist der Bund von seinen Ressourcen, seinen Machtmitteln und seiner Binnenstruktur her unterlegen. Dies gilt insbesondere für die Fälle, wo eine Mitgliedspartei in der Regierung ist und allein schon aus diesem Grund der Dienstleistungen des Bundes weniger bedarf als in der Opposition. So spiegelt der Bund das Dilemma der EG nicht nur wider, sondern verfügt im Gegensatz zur EG nicht über konkrete Finanz-oder andere wirksame Anreize zur Kompetenzübertragung. Darüber hinaus ist sein Spielraum durch die Sozialistische Internationale zusätzlich eingeengt Mitgliedschaftserweiterung, Verinhaltlichung und das Anbieten europäischer Dienstleistungen gehören zu den wichtigsten Bestandteilen der Strategie des Bundes, diese Strukturschwächen wettzumachen. Trotz erster Erfolge und trotz seiner Unterstützung durch die Fraktion befindet sich der Bund erst im Vorstadium einer inter-oder gar supranationalen Organisation. Seine Zukunft hängt im wesentlichen von der Bereitschaft seiner Mitgliederparteien ab, ihn zu stärken. Aber gerade dies stößt wiederum an strukturelle Schranken. Trotz aller Tradition in Internationalismus, grenzüberschreitender Zusammenarbeit und Erfahrungen, in der Koordination und Harmonisierung unterschiedlicher S-Parteien, verfügen diese ihrerseits nicht über die nötige Binnenstruktur, die eine dauerhafte Öffnung ins Internationale oder Europäische schafft, erhält und ausweitet Internationale Arbeit oder Auslandsarbeit ist in allen S-Parteien auf einen kleinen Personenkreis begrenzt, durch extrem geringe innerparteiliche Transparenz gekennzeichnet und von anderen Arbeitsbereichen in der Regel isoliert. Eine dem Problem angemessene Internationalisierung hat — zumindest in den großen und die Arbeit des Bundes bestimmenden Mitgliederparteien wie Labour Party, Parti Socialiste und SPD — nicht stattgefunden. Dementsprechend besteht dort weder die notwendige Problemkenntnis noch die entsprechende Bereitschaft, europäische Lösungen anzugehen. Die Ansätze, die z. B. durch und über die Direktwahlen geschaffen wurden, sind bislang nicht ausgebaut worden — auch wenn die Mitgliedsparteien des Bundes hier weiter als ihre nationalen Konkurrenten sind.
Angesichts dieser doppelten Strukturschwäche ist es auch erklärlich, daß Auseinandersetzungen um die Führungsposition im Bund, wie sie sich insbesondere zwischen der PS und der SPD abgespielt haben, zwar häufig über Sachprobleme ausgetragen werden, nicht aber dazu beitragen, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und den Stand der inhaltlichen Zusammenarbeit gefördert haben. Das machtpolitische Ungleichgewicht im Bund zwischen den großen und den kleinen Parteien und die Art der Konfliktaustragung haben wiederholt dazu beigetragen, daß sich auf der einen Seite die integrationsinteressierten kleineren Parteien nicht durchsetzen konnten und auf der anderen Seite die großen Parteien, die ihre inhaltlichen und politischen Ansprüche nicht verwirklichen konnten, ihre außenpolitische Arbeit aus dem Bund in andere Gremien und vor allem in bilaterale Mechanismen verlagerten.
Die Geschichte des Bundes als Bund ist relativ kurz. Offiziell 1974 gegründet erfuhren die integrationsbereiten Kräfte im Bund ihre erste große Niederlage, als 1979 der Kongreß nicht das detaillierte und integrationsorientierte Programm, das nach zweijähriger Vorbereitung vom Büro zur Verabschiedung empfohlen wurde, übernahm. Die darauf eingeleitete Strategie des Bundes, in ausgewählten inhaltlichen Bereichen, durch eine schrittweise Ausweitung seiner Mitgliedschaft und durch den Umweg über neo-keynesianische und konjunkturpolitische, globalpolitische und Dritte-Welt-politische inhaltliche EG-Perspektiven die Existenzberechtigung und den politischen Wert des Bundes neben und nicht über der Arbeit seiner nationalen Mitgliederparteien hervorzuheben, hat begrenzte Erfolge gezeigt. Hiervon können langfristige Integrationsimpulse für die Gemeinschaft ausgehen, die von anderen Parteienföderationen oder von nationalen Regierungen nicht geleistet werden können. Die Zukunft des Bundes, seine inhaltlichen und politischen Möglichkeiten und Grenzen werden aber trotz aller inhaltlichen Möglichkeiten und Gelegenheiten durch die Fähigkeit und Bereitschaft seiner Mitgliedsparteien zur Integration bestimmt. Und diese sind bis jetzt zwar in Teilen ihrer Programmatik, nicht aber in ihrer Struktur internationalistisch. Solange sich dies nicht ändert, wird der Bund seine Rolle als Integrationsakteur — wenn überhaupt — nur begrenzt spielen können. Dies gilt nicht nur für den Bund, sondern auch für die anderen Parteienföderationen — und hier mitunter stärker. Ein europäisches Parteien-system, das auch die Fraktionsmitglieder einem EG-europäischen Legitimationszwang unterwirft, besteht erst in Ansätzen. Ohne dies werden aber alle Ziele nach einer demokratischen oder demokratischeren EG wenig Glaubwürdigkeit besitzen und ein Fortschritt im EG-Integrationsprozeß von den politischen Entscheidungseliten als sekundär, wenn nicht als ganz überflüssig bezeichnet werden.