Das Atlantische Bündnis befindet sich in einer tiefgehenden Krise. Darüber scheinen sich Journalisten und Wissenschaftler auf beiden Seiten des Atlantiks weitgehend einig zu sein. Dem widerspricht allerdings teilweise der Eindruck von Kontinuität in der praktischen Politik der beteiligten Regierungen. Zwar gibt es unzweifelhaft deutsch-amerikanische Differenzen auf sicherheitsund wirtschaftspolitischem Gebiet, doch hat es ähnliche Differenzen immer wieder gegeben, und die offizielle Diskussion über die Einführung von nuklearen Mittelstreckenwaffen erinnert in erstaunlichem Maß an frühere Debatten über die Einführung von „taktischen" Kernwaffen oder die MLF (Multilateral Force) in den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren. Keine Anzeichen sprechen wirklich für einen dramatischen politischen Kurswechsel bei der deutschen oder bei anderen europäischen Regierungen und schon gar nicht für einen antiamerikanischen oder antiatlantischen Kurs.
Die politischen Alltagsprozesse innerhalb des Atlantischen Bündnisses werden von der „Krise" nicht sichtbar berührt; sie verlaufen mit dem gleichen Maß an Effizienz und Leerlauf, wie es für derartige Bürokratien typisch ist. Die Funktionsfähigkeit der NATO als politische Institution scheint nicht gefährdet zu sein.
Nicht einmal der Eindruck einer tiefgehenden Krise im Atlantischen Bündnis ist wirklich neu: „... Es sei nur an das Scheitern der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, Frankreichs Austritt aus der militärischen Organisation der NATO und die amerikanischen Handelsrestriktionen zu Zeiten des Finanzministers John Connally erinnert. Aber die gegenwärtige Krise in den europäisch-amerikanischen Beziehungen ist grundsätzlicher Natur; sie bedroht die Grundlage wenn nicht das Weiterbestehen der Zusammenarbeit sowohl innerhalb Westeuropas als auch in der atlantischen Welt“, so schrieb Karl Kaiser in einem 1974 erschienenen Artikel Diese Charakte-sierung der Situation in den frühen siebziger Jahren kann wörtlich auf die heutige Lage übertragen werden.
Will man den Ausdruck Krise nicht lediglich im Sinne einer Dramatisierung selbstverständlicher Meinungsverschiedenheiten zwischen den Allianzpartnern mißbrauchen, dann muß er sich auf Entwicklungstendenzen innerhalb des Bündnisses beziehen, die auf einen grundlegenden Wandel des politischen Systems zusteuern oder wenigstens auf Merkmale, die derartige Tendenzen andeuten. Hierfür mag das sich in der atlantischen Gemeinschaft verbreitende Gefühl eines langsamen, aber unaufhaltsamen Auseinanderdriftens in den die Politik diesseits und jenseits des At-: lantiks bestimmenden Überzeugungen in Frage kommen. Das drückt sich aus etwa in dem von deutschen Stimmen erhobenen Vorwurf, die „realpolitische" Bereitschaft der amerikanischen Administration unter Präsident Reagan, gegebenenfalls auch mit Regierungen zusammenzuarbeiten, deren Legitimation und Politik westlichen Demokratievorstellungen widerspricht, und ihre Überbewertung der Rolle militärischer Macht in den internationalen Beziehungen sei mit dem Grundkonsens der Atlantischen Gemeinschaft nicht mehr zu vereinbaren. Das kommt aber auch zum Ausdruck, wenn auf amerikanischer Seite die besorgte Frage aufgeworfen wird, ob die „lasche“ Reaktion der deutschen Regierung auf die Ereignisse in Polen nicht darauf hinweise, daß demokratische Werte und Normen in Deutschland noch weniger fest verankert sind als in anderen westlichen Staaten
Eine solche kulturelle Kontinentalverschiebung würde den Bestand des Atlantischen Bündnisses in der Tat gefährden. Zwar ist die NATO ein Zweckbündnis zur Verteidigung Europas gegen eine denkbare sowjetische In- vasion, doch wird zu Recht immer wieder darauf hingewiesen, daß das Bündnis nur dann wirksam sein kann, wenn es mehr ist als ein reines Zweckbündnis, d. h., wenn es zumindest auf gemeinsamen ordnungspolitischen Vorstellungen beruht. Hier soll selbstverständlich nicht der Versuch gemacht werden, die lang-fristige kulturelle Entwicklung in den Vereinigten Staaten und in Europa zu bewerten Vielmehr beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Beschreibung einiger sicherheitspolitischer Probleme, die im deutsch-amerikanischen Verhältnis gegenwärtig diskutiert werden.
I. Die Haltung gegenüber der Sowjetunion und zur Entspannungspolitik
Historisch gesehen waren es wohl die unterschiedlichen Reaktionen der Alliierten auf die sowjetische Invasion in Afghanistan, die erstmals zum Anlaß genommen wurden, von einer erneuten „Krise" der atlantischen Gemeinschaft zu reden. Die Amerikaner reagierten verhältnismäßig schnell, indem sie ihre Getreidelieferungen und den Transfer von Spitzentechnologien an die Sowjetunion gewissen Beschränkungen unterwarfen, einen Boykott der Olympischen Spiele in Moskau androhten und, vor allem, indem sie begannen, ihre militärische Präsenz in der Golfregion zu verstärken und der Sowjetunion ihre eigenen Sicherheitsinteressen in dieser Region klarzumachen. Die Bundesregierung reagierte langsamer. Sie erklärte sich zwar generell mit dem amerikanischen Vorgehen solidarisch, sie war bereit, die amerikanischen Restriktionen in bezug auf den Technologietransfer zu stützen und zu einer Verstärkung der westlichen Präsenz im Persischen Golf beizutragen, doch gab es auf deutscher Seite auch Kritik an der Art des amerikanischen Vorgehens. Der amerikanischen Regierung wurde nicht nur ungenügende Konsultation vorgeworfen, sondern es gab auch Stimmen, die von einer wahlkampf-bedingten amerikanischen Überreaktion sprachen. Auch ergaben sich erhebliche sachliche Differenzen im Hinblick auf die Art des deutschen Beitrags zur Verstärkung der westlichen Präsenz im Persischen Golf. Während die Vereinigten Staaten auf eine unmittelbare Präsenz des gesamten Bündnisses drängten, ging die Bundesregierung von einer . Arbeitsteilung" innerhalb des Bündnisses aus, wobei sie ihren Beitrag lediglich mittelbar durch eine stärkere Unterstützung Griechenlands, der Türkei und Pakistans leisten wollte. Generell wurde überdies deutlich, daß die Bundesregierung kein Interesse daran hatte, durch ihre Haltung in der Afghanistan-Frage die Ergebnisse und eine Fortsetzung der Ostpolitik zu gefährden. Ähnliche Differenzen zeigten sich auch in den Reaktionen auf die Errichtung eines Militärregimes in Polen. Während die amerikanische Regierung die Rolle der Sowjetunion beim polnischen Umsturz heraushob und den Vorgang in unmittelbare Nähe einer Intervention sowjetischer Truppen rückte, spielte es für die Reaktion der Bundesregierung eine entscheidende Rolle, daß es zum unmittelbaren Einsatz militärischer Macht durch die Sowjetunion nicht gekommen war. Auch hier blieb die Bundesregierung bemüht, den europäischen Entspannungsprozeß zu erhalten.
So hatte es den Anschein, als beruhten diese Differenzen auf einer grundsätzlich unterschiedlichen Haltung der amerikanischen und der deutschen Regierung zur Entspannungspolitik. Wenn auf diese Differenzen im folgenden näher eingegangen werden soll, ist dabei zu berücksichtigen, daß der Begriff Entspannungspolitik keinen eindeutig definierten politischen Sachverhalt umreißt. Es ist seit einigen Jahren geradezu intellektuelle „Mode" geworden, immer neue subjektive Definitionen von Entspannungspolitik zu präsentieren. Hier geht es lediglich darum, die gegenwärtig auf beiden Seiten politisch wirksamen Vorstellungen von Entspannungspolitik einander gegenüberzustellen
Ausgangspunkt für die deutsche Haltung zur Entspannungspolitik ist die Vorstellung, daß die Bundesrepublik ihre Sicherheit nicht allein auf die Fähigkeit zur militärischen Verteidigung stützen kann. Die militärische Verteidigung würde — ob konventionell oder unter Einsatz von Kernwaffen - selbst wenn sie in einem rein militärischen Sinn erfolgreich wäre, eine praktisch vollständige Zerstörung nicht verhindern können. Hierzu trägt die extreme Wirksamkeit der modernen Waffen ebenso bei wie die besondere strategische Situation der Bundesrepublik Deutschland. In einem abstrakten Sinn ist nach dieser Vorstellung die Verhinderung einer nuklearen Katastrophe mit militärischen Mitteln allein nicht möglich und Entspannungspolitik als „Kriegsverhütung“ mit nicht-militärischen Mitteln unverzichtbar. Eine Entspannungspolitik umfaßt danach etwa Maßnahmen zur Förderung der Kommunikation zwischen Ost und West mit dem Ziel eines Abbaus von Feindbildern und zur Formulierung gemeinsamer Interessen, die Verstärkung gegenseitiger Verhaltenserwartungen (vertrauensbildende Maßnahmen), die Förderung verschiedenster Formen der Zusammenarbeit und die Erleichterung einer friedlichen Austragung von Konflikten. Die besondere geostrategische Lage der Bundesrepublik akzentuiert also lediglich eine Situation, in der sich im Prinzip alle hochindustrialisierten Staaten befinden. So hat eine Stabilisierung der politischen Situation in Europa zwar allgemeine sicherheitspolitische Bedeutung; sie berührt die Sicherheit der Bundesrepublik aber in viel unmittelbarerer Weise als die Sicherheit der Vereinigten Staaten oder sogar Großbritanniens und Frankreichs.
Im Sinn der geltenden Abschreckungsdoktrin läßt sich sagen, daß die Bundesrepublik in besonderem Maße auf die Wirksamkeit der nuklearen Abschreckung auf allen Ebenen angewiesen ist. Wenn die Glaubwürdigkeit der amerikanischen strategischen Abschreckung für die Verteidigung Europas aufgrund der eingetretenen Verschiebungen im amerikanisch-sowjetischen Kräfteverhältnis zurückgeht, dann muß die Bundesrepublik in noch stärkerem Maß versuchen, ihre Sicherheit mit nicht-militärischen Mitteln, also im Rahmen der „Entspannungspolitik", zu verbessern. Sicherung mit nicht-militärischen Mitteln bezieht sich nach dieser Vorstellung auch auf die politischen Wirkungen militärischer Macht. Entspannungspolitik in diesem Sinn ist nicht Anbiederung an den Gegner oder Nachgiebigkeit, sondern soll die Gefahr einer Erpressung mit militärischen Mitteln und der „Finnlandi-
sierung" verringern.
Nach der Kuba-Krise entwickelten sich in Europa zusammen mit der amerikanisch-sowjetischen Detente verschiedene Prozesse, die trotz der gemeinsamen Überschrift Entspannungspolitik und obwohl sie auf der amerikanisch-sowjetischen Entspannung beruhten (ohne die sie nicht denkbar gewesen wären), eigenständige politische Substanz entwickelten. So diente die französische Entspannungspolitik nicht nur zur Aufrechterhaltung und Akzentuierung einer eigenständigen Großmachtrolle Frankreichs, sondern auch zur Instrumentierung französischen Einflusses auf die sich entwickelnde Nachkriegsordnung Europas. Demgegenüber ging es in der deutschen Ostpolitik, die zunächst als entspannungspolitischer Nachholprozeß begann, anfangs um „Normalisierung“ vor allem gegenüber den osteuropäischen Staaten, d. h. um einen Abbau der kriegsbedingten Isolierung Deutschlands nach dem Krieg, später um die Entwicklung einer eigenständigen internationalen Rolle und einer außenpolitischen „Identität". Die deutsche Form der Entspannungspolitik entwikkelte sich in diesem Zusammenhang nicht nur — wie verschiedentlich festgestellt wurde — zu einem wichtigen innenpolitischen Faktor, sondern darüber hinaus zu einem wichtigen Bestandteil außenpolitischen Profils. Es mag sein, daß in diesem Profil auch Anspielungen an Vorstellungen von einer unabhängigen deutschen Politik zwischen den Blöcken sichtbar wurden, die der Bundesrepublik gegenwärtig gern zum Vorwurf gemacht werden. Eine Revision der unter Adenauer getroffenen Entscheidung für die Westintegration ist jedoch niemals ernsthaft in Erwägung gezogen worden.
Entspannungspolitik als Normalisierung nach dem Krieg umfaßte immer den Versuch, die durch die Teilung Europas geschaffenen Probleme durch konkrete menschliche Erleichterungen zu entschärfen. So ist der Begriff der Entspannungspolitik in der Bundesrepublik auch heute noch unmittelbar mit Vorstellungen verknüpft, die sich auf die Erleichterung menschlicher Kontakte, Familienzusammenführung, die Liberalisierung des Reiseverkehrs und die Verbesserung der Möglichkeiten für Kommunikation und Kooperation auf wirtschaftlichen, kulturellen und anderen Gebieten beziehen. Wenn von den Ergebnissen der Entspannungspolitik geredet wird, dann steht das auf diesem Gebiet Erreichte zumeist im Vordergrund.
Die amerikanische Haltung zur Entspannungspolitik läßt sich demgegenüber sehr viel einfacher charakterisieren. Ganz allgemein gesagt ging es den Vereinigten Staaten in der Entspannungspolitik der sechziger und siebziger Jahre primär um die Institutionalisierung einer militärischen Pattsituation, sei es durch eine stärkere Einbindung der Sowjetunion in das internationale System, etwa im Rahmen der außenpolitischen Konzeption Kissingers, oder durch Rüstungskontrolle. Dieser Versuch wird von der gegenwärtigen amerikanischen Administration überwiegend als gescheitert betrachtet und dementsprechend werden die Wirkungen der Entspannungspolitik vorwiegend negativ gesehen. Die Tatsache, daß die Sowjetunion in militärischer Hinsicht seit Anfang der sechziger Jahre von einer Position eindeutiger Unterlegenheit zur vollen Parität mit den Vereinigten Staaten aufsteigen konnte und daß sie nicht zögerte, ihren militärischen Machtgewinn wo immer möglich auch in politischen Einfluß umzusetzen, wird von vielen Amerikanern zumindest in einen engen Zusammenhang mit der Entspannungspolitik gebracht. Nach dieser Auffassung hat die amerikanische Rüstungskontroll-und Entspannungspolitik vor allem irreale Erwartungen und Hoffnungen geweckt, die es der Regierung unmöglich machten, die erforderlichen Rüstungsanstrengungen in der politischen Öffentlichkeit plausibel zu machen.
Betrachtet man die amerikanischen und die deutschen Vorstellungen von Entspannungspolitik auf der Basis ihrer theoretischen Grundlagen, so erscheinen sie zwar weniger strikt entgegengesetzt als in der politischen Praxis, während andererseits ihre Probleme deutlicher werden:
Solange der volle Einsatz militärischer Macht irrational erscheint, ist Entspannung als „Kriegsverhütung''politisch zwar unverzichtbar, aber solange der Gewaltverzicht in den internationalen Beziehungen noch nicht institutionalisiert ist, ist Entspannungspolitik ihrerseits davon abhängig, daß militärische Macht ihren Einsatz wechselseitig irrational macht. Entspannung in diesem Sinn setzt Vertrauen, d. h. das Eingehen von Risiken voraus, die unter den gegenwärtigen Bedingungen der konventionellen politischen Klugheit unverantwortlich scheinen müssen, und jedes falsche Vertrauen, jedes bequeme Wunschdenken droht in der Tat die militärischen Grundlagen der Entspannung zu zerstören. Die sich aus der wechselseitigen Abhängigkeit von Entspannungspolitik und militärischer Machtpolitik ergebenden Probleme sind sehr viel schwerwiegender, als sie dem sicherheitspolitischen Laien normalerweise erscheinen
Die gegenwärtige amerikanische Administration hält diese Schwierigkeiten offenbar für unüberwindlich und versucht, ihnen dadurch zu entgehen, daß sie auf Entspannungspolitik einfach verzichtet. Das setzt allerdings voraus, daß militärische Macht wieder rational eingesetzt, ein Kernwaffenkrieg also gewonnen werden kann —, und genau das versucht die gegenwärtige militärische Planung der Reagan-Administration zu erreichen. Sicher wäre es falsch, der amerikanischen Regierung einfach zu unterstellen, sie wolle einen u. U. sogar lang andauernden Kernwaffenkrieg führen, doch geht sie offenbar davon aus, daß Abschreckung nur dann wirksam sein kann, wenn die Bereitschaft besteht, das vorhandene militärische Potential auch tatsächlich einzusetzen. Dies setzt in letzter Konsequenz die Möglichkeit voraus, auch einen Kernwaffen-krieg militärisch zu gewinnen.
Die Probleme dieser Konzeption sind nicht schwer vorauszusehen. Es wird schwierig sein, hierfür eine halbwegs plausible Strategie zu entwickeln: noch schwieriger ist es, das hierfür erforderliche Rüstungsprogramm zu finanzieren; am schwierigsten wird es jedoch sein, irgend jemanden davon zu überzeugen, daß sich die amerikanische Sicherheit dadurch erhöht. Wirtschaftliche Schwierigkeiten haben die Reagan-Administration schon jetzt zu einem sehr viel gemächlicheren Rüstungstempo gezwungen, als ursprünglich vorgesehen war. Und der Beginn der Genfer Verhandlungen über Mittelstreckensysteme (INF-Verhandlungen) sowie die Fortsetzung von SALT/START signalisieren, daß sich die amerikanische Regierung auf längere Sicht vermutlich der Notwendigkeit irgendeiner Form der Entspannungspolitik nicht wird entziehen können.
Sieht man von der Rüstungskontrolle ab, kann davon bisher jedoch keine Rede sein. Vor allem wird der deutschen Ostpolitik vorgeworfen, sie behindere eine westliche Eindämmung der sowjetischen politischen und militärischen Expansion und gefährde, indem sie Abhängigkeiten vom Osten schaffe, die westliche Sicherheit. Wenn die Bundesregierung an dieser Politik festhalte, verfolge sie letztlich rück-sichtslos ihre individuellen Interessen zu Lasten des Bündnisses.
Sicher kann sich die Bundesrepublik dem Vorwurf, subjektive Interessen zu verfolgen, nicht vollständig entziehen. Die besondere geostrategische Verwundbarkeit der Bundesrepublik trägt zur Ostpolitik ebenso bei wie wirtschaftliche Interessen und die aus der Teilung Deutschlands entstandenen Probleme. Doch läßt sich das gleiche auch für die amerikanische Haltung zur Entspannungspolitik sagen. Die Amerikaner werden kaum bestreiten können, daß hinter der Überzeugung, die Sicherheit des Westens lasse sich nur durch den Ausbau der militärischen Machtposition der Vereinigten Staaten erreichen, auch das Interesse an der damit erhofften Stärkung ihrer weltpolitischen Rolle steht. Die amerikanische Forderung nach Übernahme eines größeren Anteils an den gemeinsamen Verteidigungslasten durch die Alliierten steht dem nicht entgegen. Die bestehenden konzeptionellen Differenzen lassen sich daher von den subjektiven Interessengegensätzen nicht eindeutig trennen. Sie haben jedenfalls einen so grundsätzlichen Charakter, daß es gefährlich wäre, den Versuch zu unternehmen, die damit verbundenen Probleme innerhalb des Bündnisses auf der diplomatischen Ebene durch eine neue Grundsatzerklärung unter den Teppich zu kehren. Die sogenannten Harmel-Beschlüsse gingen davon aus, daß sich die Verteidigungs-und die Entspannungspolitik des Bündnisses gegenseitig ergänzen. Das entspricht zweifellos nicht mehr der amerikanischen Überzeugung. Es ist jedoch fraglich, ob unter den gegenwärtigen Umständen eine ausdrückliche Änderung oder Bestätigung dieser Beschlüsse erreicht werden kann, und jeder Versuch in dieser Richtung bringt die Gefahr mit sich, die Konflikte zu dramatisieren, bevor die Voraussetzungen geschaffen worden sind, mit ihnen umzugehen.
Hierzu wäre es vor allem nötig, den Dialog innerhalb der westlichen Gemeinschaft über die Entspannung, den es bisher allenfalls in Ansätzen auf der diplomatischen Ebene gibt, auf eine breitere Grundlage zu stellen. Solange es auf der akademischen Ebene oder im politik-nahen wissenschaftlichen Bereich kein Gespräch über den Inhalt von Entspannungspolitik oder entspannungspolitische Konzeptionen gibt, wird es in der Praxis schon Schwierigkeiten machen, die Reichweite des bestehenden Dissenses auszuloten. Darüber hinaus wäre zu prüfen, ob die bestehenden Konsultationsmechanismen innerhalb des Bündnisses nicht soweit verbessert werden können, daß sie auch in Krisensituationen, wie sie durch die sowjetische Invasion in Afghanistan oder den Umsturz in Polen verursacht wurden, eine Abstimmung erlauben, noch bevor politische Entscheidungen getroffen werden.
II. Der „NATO-Doppelbeschluß"
Die Entscheidung der NATO vom Dezember 1979, der sogenannte NATO-Doppel-beschluß, bildet den Anlaß wie auch den Hauptgegenstand der in den vergangenen Jahren entstandenen sicherheitspolitischen Grundsatzdebatte in der Bundesrepublik Deutschland. Für die in diesem Bereich aufgetretenen amerikanisch-deutschen Meinungsverschiedenheiten spielt die interne deutsche Diskussion eine entscheidende Rolle, denn die offiziellen Positionen der beiden Regierungen liegen in dieser Frage nicht allzu weit auseinander. Beide Regierungen haben sich öffentlich für die inzwischen begonnenen Verhandlungen über Mittelstreckensysteme und für die sogenannte Nulloption ausgesprochen, und beide Regierungen befürworten eine Durchführung des Nachrüstungsbeschlusses, wenn diese Verhandlungen nicht zu substantiellen Ergebnissen führen. Wenn trotzdem der Eindruck tiefgehender Meinungsverschiedenheiten entstanden ist, dann in erster Linie aufgrund der in der innerdeutschen Debatte an der Entscheidung der NATO geübten Kritik, die sich zum Teil gegen die Vereinigten Staaten, zum Teil aber auch gegen die Bundesregierung richtete. Die amerikanische Seite sieht in dieser Kritik offenbar (zu Recht oder zu Unrecht) mehr als eine lediglich interne deutsche Auseinandersetzung, nämlich eine politische Tendenz, deren Einfluß auf die Politik der Bundesregierung nicht zu unterschätzen ist.
Dabei wird von amerikanischer Seite darauf hingewiesen, daß die deutsche, nicht die ame-, rikanische Regierung den Anstoß zur Entscheidung der NATO gegeben habe. In der Tat läßt sich nicht bestreiten, daß es erstmals Bundeskanzler Helmut Schmidt war, der in seiner Rede vor dem International Institute for Strategie Studies in London 1977 auf die sicherheitspolitischen Probleme hinwies, die unter den Bedingungen einer durch SALT gefestigten strategischen Parität im amerikanisch-sowjetischen Verhältnis durch den Aufbau eines sowjetischen SS-20-Potentials für Europa entstehen. Auch war es vor allem die Bundesrepublik, die im Rahmen der amerikanisch-sowjetischen SALT-Konsultationen dafür eintrat, die Option einer Stationierung landgestützter Marschflugkörper (GLCM) in Europa offenzuhalten. Schon die Einbeziehung von GLCM größerer Reichweite in das Protokoll zu SALT II wurde von deutschen Beobachtern als bedenklich angesehen, obwohl eine Stationierung dieser Waffen vor Ende der Laufzeit des Protokolls aus technischen Gründen gar nicht möglich war, weil befürchtet wurde, daß die Vereinbarung eine präjudizierende Wirkung auf die SALT-III-Verhandlungen ausüben könnte.
Als sich aber nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan schon unter der Regierung Carter in den Vereinigten Staaten die Über-zeugung durchsetzte, das sowjetische Expansionsbedürfnis müsse durch einen stärkeren Ausbau der militärischen Macht der Vereinigten Staaten eingedämmt werden, und sich herausstellte, daß eine Ratifikation von SALT II in den Vereinigten Staaten innenpolitisch nicht durchsetzbar war, schlug auch in der Bundesrepublik die Stimmung um. In der deutschen Öffentlichkeit stieß die aggressive Rhetorik Präsident Reagans und sein grobgemustertes Bild der internationalen Beziehungen überwiegend auf Skepsis. Die spezifisch deutschen Erfahrungen mit einer militärisch ausgerichteten Außenpolitik mögen hierzu beigetragen haben, vor allem aber wurden in der Öffentlichkeit unterschwellige Befürchtungen vor einem Versagen der Abschreckung und einer nuklearen Katastrophe wieder aktiviert, die bei den verschiedensten politischen Gruppierungen, wie etwa in den linken Flügeln der SPD und F. D. P., bei Teilen der „Grünen" oder in den Kirchen, auf erhebliche Resonanz stießen (Friedensbewegung) Obwohl sich die Regierung immer wieder von der Kritik der „Friedensbewegung" am Nachrüstungsbeschluß distanzierte, mußte diese Entwicklung in den Vereinigten Staaten ernst genommen werden, weil der Einfluß der Friedensbewegung innerhalb der Regierungspartei verhältnismäßig stark war und es nicht sicher erschien, in welchem Umfang der Kanzler auf längere Sicht mit der Unterstützung seiner Partei in diesen Fragen rechnen konnte.
Die Reagan-Administration sah ihre Sicherheitspolitik jedoch als einen heroischen Versuch, in der langfristigen Entwicklung des amerikanisch-sowjetischen Kräfteverhältnisses, die zweifellos zugunsten der Sowjetunion verlaufen war, nach der Überwindung des Vietnam-Traumas eine historische Wende herbeizuführen, um damit die Voraussetzungen für ein Überleben westlicher Freiheits-und Demokratievorstellungen in der Welt auch für die Zukunft zu gewährleisten.
Es mag aus dieser Sicht naheliegen, in der deutschen Kritik einen Mangel an Engagement für westliche Demokratiemodelle und ein Liebäugeln mit totalitären Regierungsformen sowjetischen Musters zu sehen. Damit würde man die Realität jedoch wohl auf den Kopf stellen. Historisch gesehen lagen die Gefahren der politischen Entwicklung Deutschlands wohl eher in einer Kombination von bürgerlich-romantischer Politikverweigerung mit einer aus der Tradition des aufgeklärten preußischen Absolutismus stammenden Überbetonung des staatlichen Macht-und Ordnungsanspruchs. Jedenfalls lassen sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik sicher keine auffälligen Neigungen zu kommunistischen Ideologien oder gar sowjetischen politischen Ordnungsvorstellungen feststellen. Die in der Bundesrepublik an westlichen Demokratievorstellungen geäußerte Kritik übersteigt keineswegs das in anderen Ländern mit einer soliden Demokratiegeschichte übliche Maß. Wenn der neuen amerikanischen Regierung von deutscher Seite eine übertriebene Betonung militärischer Macht vorgeworfen wird, dann mag das aus amerikanischer Sicht falsch erscheinen, es spricht jedoch eher für als gegen eine zunehmend feste Verankerung westlicher Demokratievorstellungen in der Bundesrepublik In Wirklichkeit liegen die Ursachen für die entstandenen Differenzen (1) primär in den im Prinzip bekannten Problemen einer gemeinsamen nuklearen Abschreckungspolitik sowie (2) in einer unterschiedlichen Haltung zur Rüstungskontrolle, die eng mit den schon beschriebenen Unterschieden im Verhältnis zur Entspannungspolitik zusammenhängt. zu 1:
Es ist auffallend, in welchem Ausmaß sich die öffentlichen Diskussionen innerhalb des westlichen Bündnisses über nuklearstrategische Probleme wie die Stationierung von Thor/Ju-piter-Mittelstreckenraketen oder „taktischen" Kernwaffen in Europa, über die Errichtung einer „Multilateral Force" (MLF) oder den Nachrüstungsbeschluß immer wieder ähneln, nicht nur in den von Befürwortern wie Gegnern vorgebrachten Argumenten, sondern auch in der amerikanisch-europäischen und speziell amerikanisch-deutschen Interaktion. Besonders beunruhigend ist es dabei zu sehen, wie schwierig es offenbar ist, von den in früheren Krisen gewonnenen Erfahrungen in neuen Krisen Gebrauch zu machen.
Den Kernpunkt dieser Schwierigkeiten bildet nach wie vor das unvermeidbare Mißtrauen der Europäer gegenüber der Wirksamkeit der amerikanisch-strategischen Abschreckung in Europa, das ihren Niederschlag anfangs in der häufig gebrauchten Formel von der Unteilbarkeit des nuklearen Risikos fand. Unvermeidlich erscheint der Zweifel der Europäer, ob die Amerikaner im Fall eines europäischen Krieges tatsächlich bereit wären, ihre strategischen Waffen zur Verteidigung Europas einzusetzen, weil er nicht einem Mißtrauen gegenüber der amerikanischen Bündnissolidarität entspringt, sondern — zugespitzt formuliert — dem Vertrauen auf den amerikanischen „gesunden Menschenverstand". In den Bemühungen um eine „nukleare Teilhabe" in den sechziger Jahren und später um eine „Kopplung“ des amerikanischen strategischen Potentials an die europäische Verteidigung wurde immer wieder der Versuch gemacht, diesen Problemen durch Maßnahmen im Bereich der militärischen Planung, Organisation und Rüstung Rechnung zu tragen
Schon in der Debatte über die MLF wurde jedoch klar, daß alle diese Maßnahmen zwar marginale Verbesserungen bringen können, an der Struktur des Problems jedoch nichts ändern, wenigstens solange man am zwischenstaatlichen Charakter des westlichen Bündnisses festhält. Ihre wichtigste Wirkung liegt daher häufig auf der politisch-symbolischen Ebene, wenn sie nämlich die Bereitschaft beider Seiten ausdrücken, auch unter den Bedingungen nuklearer Abschreckung gemeinsame Sache zu machen.
Problematisch werden primär politische Maßnahmen dieser Art allerdings, wenn sie im technisch-militärischen Sinn eine Schwächung bedeuten. Aus diesem Grund wurden schließlich die in militärischer Hinsicht problematischen MLF-Pläne zugunsten einer Institutionalisierung der europäischen Beteiligung am nuklearen Planungsprozeß durch die Gründung der nuklearen Planungsgruppe (NPG) der NATO aufgegeben.
In der Frage der nuklearen „Kopplung" ist von diesen Erfahrungen bisher kaum Gebrauch gemacht worden. Auch hier wäre es nötig einzusehen, daß die Herstellung der üblicherweise geforderten militärischen und strategischen Bedingungen für eine nukleare „Kopplung", wie etwa einer ausreichenden Überlappung zwischen der nuklearen Zielplanung der NATO und der strategischen Einsatzplanung der Amerikaner oder die Bereitstellung eines Waffenspektrums, das einen nahtlosen Über-gang von einem regionalen Kernwaffenkrieg der NATO zum strategischer? Schlagabtausch zwischen den Supermächten gewährleisten soll, das sich aus der Struktur der nuklearen Abschreckung ergebende Glaubwürdigkeitsproblem nicht wirklich löst
Freilich ist hier die Situation insofern komplizierter, als sich Kopplungsmaßnahmen in der Regel auch militärisch rechtfertigen lassen. Nach traditionellen militärischen Kriterien kann die Verflechtung zwischen dem Verteidigungsdispositiv der NATO und dem strategischen Potential der Vereinigten Staaten als Zuwachs an Flexibilität und jeder Gewinn an Flexibilität als Ausweitung des militärischen Handlungsspielraums, d. h. eben als militärischer „Vorteil“ gewertet werden, auch wenn dieser bei vielen Kopplungsvorschlägen nur marginal ist So läßt es sich schwer bestreiten, daß die Einführung der westlichen Mittelstreckenwaffen den militärischen Handlungsspielraum der NATO zunächst einmal erhöht. Allerdings ist es kaum möglich, sich Szenerien vorzustellen, in denen dieser Vorteil für die Entscheidung eines Krieges ins Gewicht fiele. Es ist deshalb kaum zu bezweifeln, daß in der Frage einer Einführung westlicher Mittelstreckenwaffen in Europa nicht der militärisch-strategische, sondern der politisch-symbolische Wert ausschlaggebend wäre. Anders als bei der MLF lassen sich jedoch keine technisch-militärischen Gründe gegen ihre Einführung anführen.
Wenn die westlichen Mittelstreckenwaffen aber in erster Linie politischen Zusammenhalt demonstrieren sollen, dann darf man, wenn es um die Entscheidung über ihre Einführung geht, auch von den politischen Wirkungen dieser Entscheidung nicht abstrahieren. Es muß also gefragt werden, ob nicht Maßnahmen zur amerikanisch-europäischen „Kopplung" ihren Sinn verlieren, wenn sie selbst zum Gegenstand politischer Kontroversen innerhalb des Bündnisses werden. Die Antwort darauf hängt von der Art der ausgelösten Kontroversen ab. Politische Kontroversen gehören zum Alltag jedes Bündnisses, auch wenn sie sich bis zum „Familienkrach" zuspitzen. Wenn es dabei jedoch um die Funktionsfähigkeit oder die politischen Grundlagen des Bündnisses geht, dann wird die Durchsetzung sinnlos. Generell wäre es wie im Fall der MLF wünschenswert, auf Maßnahmen der militärischen „Kopplung" zu verzichten, soweit keine zwingenden militärischen Gründe dafür sprechen, und statt dessen auf Maßnahmen überzugehen, die der politischen Integration innerhalb des Bündnisses zugute kommen. Betrachtet man die fast ununterbrochene Kette schwerwiegender Auseinandersetzungen in dieser Frage seit Gründung der NATO, dann drängt sich die Vermutung auf, daß auf längere Sicht eine Verringerung der Abhängigkeit der westlichen Verteidigung von der strategischen Abschreckung der Amerikaner die Bündnisbeziehungen auf sicherheitspolitischem Gebiet erheblich entlasten würde. zu 2:
In den vergangenen Jahren ist der Eindruck entstanden, daß sich die deutsche und die amerikanische Haltung zur Rüstungskontrolle immer weiter voneinander entfernen. Der Bundesrepublik wird vorgeworfen, sie sei nicht bereit, nachdem sie lange Zeit im Zweifel die Rolle eines Bremsers bei den Rüstungskontrollverhandlungen zwischen Ost und West gespielt habe, jetzt die Lehre aus den bisherigen Erfahrungen mit den Verhandlungen zu ziehen, die der Sowjetunion lediglich dazu gedient hätten, die Amerikaner in bezug auf das Rüstungsniveau zu überflügeln; sie benutze die amerikanische . Zurückhaltung in dieser Frage, um als Befürworter der Rüstungskontrolle diplomatische Lorbeeren zu ernten und sich dem Zwang zu verstärkten Rüstungsanstrengungen zu entziehen. Umgekehrt wird den Amerikanern vorgeworfen, sie seien zu einer zynischen Politik der militärischen Macht übergegangen und nicht mehr in der Lage, die auf längere Sicht lebenswichtige Bedeutung der Rüstungskontrolle zu erkennen.
Festzuhalten ist zunächst, daß die Änderungen in der Haltung zur Rüstungskontrolle, die für die gegenwärtigen Divergenzen verantwörtlich sind, primär auf amerikanischer Seite stattgefunden haben. Die Haltung der Bundesrepublik zur Rüstungskontrolle hat sich seit Ende der sechziger Jahre kaum verändert. Schon damals stand sie der Rüstungskontrolle grundsätzlich positiv gegenüber. Nach dem Erfolg der NV(Nicht-Verbreitungs) -Verhandlungen wurde die internationale Rüstungskontrolldiplomatie allerdings praktisch vollständig von den bilateralen Beziehungen der beiden Supermächte geprägt. Einer Rüstungskontrollpolitik, die gleichzeitig Ordnungspolitik der beiden Supermächte war, mußte die Bundesrepublik notwendigerweise ambivalent gegenüberstehen. Es mußte der Eindruck entstehen, daß sich die Rüstungskontrollpolitik der Bundesrepublik vielfach darauf konzentrierte, unter Anerkennung der ordnungspolitischen Bedeutung der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen gegen wirkliche oder vermeintliche Beeinträchtigungen ihrer politischen Interessen anzukämpfen. Dies spielte bei SALT, wo die Europäer nur auf dem Weg der Konsultationen Einfluß nehmen konnten, naturgemäß eine größere Rolle als bei MBFR, wo sie unmittelbar beteiligt waren. Bei dem für SALT charakteristischen Konsultationsverfahren ließ es sich kaum vermeiden, daß Einwände der Europäer, etwa gegenüber der Einbeziehung von Marschflugkörpern in der Frage der Nichtumgehungsklausel, als Widerstand gegen die Rüstungskontrolle gedeutet werden konnten.
Mit der Verschlechterung des amerikanisch-sowjetischen Verhältnisses und zunehmenden amerikanischen Einwendungen gegenüber der Rüstungskontrolle, gab es für europäische Befürchtungen gegenüber dem amerikanisch-sowjetischen „Bilateralismus" keinen Anlaß mehr.
Für die deutsche Haltung zur Rüstungskontrolle war es schließlich von Bedeutung, daß die Ostpolitik trotz ihrer weitgehenden politischen Eigenständigkeit doch von einem Mindestmaß an Stabilität im amerikanisch-sowjetischen Verhältnis abhängig war. Ein Rückfall in den „Kalten Krieg" der fünfziger Jahre hätte nicht nur den Bewegungsspielraum der Bundesrepublik auf diesem Gebiet drastisch reduziert, sondern der Ostpolitik und anderen Formen der europäischen Entspannungspolitik sogar die Grundlage entzogen. In der Bundesrepublik und in anderen europäischen Staaten begann sich daher schließlich in den letzten Jahren ein allgemein politisch motiviertes Interesse an der Aufrechterhaltung des Rüstungskontrollprozesses durchzusetzen. Wenn von einem Wandel der deutschen oder der europäischen Haltung zur Rüstungskontrolle die Rede sein kann, dann allenfalls als Reaktion der praktischen Rüstungskontrolldiplomatie auf das Umschwenken der amerikanischen Position.
Der Wandel in der amerikanischen Haltung zur Rüstungskontrolle kann nicht einfach mit dem Regierungswechsel in Verbindung gebracht werden, denn die inneramerikanische Kritik an der amerikanischen SALT-Politik begann schon in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre an politischem Einfluß zu gewinnen, und zu einem Umschwung in der offiziellen Regierungshaltung kam es bereits als Reaktion auf die sowjetische Invasion in Afghanistan unter Präsident Carter. Erst der Wahlsieg Reagans verhalf jedoch der amerikanischen SALT-Kri-tik zum endgültigen Durchbruch.
Obwohl die Konturen der Reagan’schen Rüstungskontrollpolitik noch immer verhältnismäßig unscharf sind, lassen sich aufgrund offizieller Erklärungen zur Rüstungskontrolle und nach dem Beginn der INFund START-Verhandlungen einige allgemeine Merkmale angeben:
Zunächst soll der Stellenwert, den die Rüstungskontrolle bisher angeblich in der amerikanischen Außen-und Sicherheitspolitik innehatte, reduziert und der Verteidigungspolitik wieder der eindeutige Vorrang vor der Rüstungskontrolle eingeräumt werden. Um den militärischen Bedürfnissen besser Rechnung tragen zu können, sollen neue Kriterien für zukünftige Rüstungskontrollvereinbarungen entwickelt werden. An Stelle einer Begrenzung der Anzahl von Abschußanlagen soll in Zukunft versucht werden, Vereinbarungen an einem rechnerischen Maß für die Zerstörungsfähigkeit strategischer Waffen zu orientieren. Auch soll noch strenger als bisher auf die präzise Verifizierbarkeit aller Abkommen Wert gelegt werden. Was die Ziele der Rüstungskontrolle betrifft, so deuten die öffentlich bekanntgegebenen Ausgangspositionen für die Genfer INFund die START-Verhandlungen darauf hin, daß es den Amerikanern jetzt primär um quantitative Reduktionen geht, während Stabilisierungsziele im Sinne von Krisenstabilität keine erkennbare Rolle mehr spielen. Schließlich wird betont, daß Rüstungskontrolle als ein Element im Rahmen einer integrierten Außen-und Sicherheitspolitik nicht isoliert betrachtet werden dürfe. Viele sehen darin den Versuch einer Rückkehr zur sogenannten Linkage-Politik Nixons
Wie sich dieser Versuch einer generellen Neuorientierung auf die praktische amerikanische Rüstungskontrollpolitik auswirken wird, ist noch nicht sicher vorherzusagen. In der amerikanischen Administration scheint es gegenwärtig — bei aller Übereinstimmung in den Grundsätzen — eine Reihe gegensätzlicher Tendenzen zu geben, die in der praktischen Rüstungskontrollpolitik ganz unterschiedliche Auswirkungen haben können. Grob gesagt, lassen sich drei „Denkschulen“ unterscheiden:
Ein Teil der mit Rüstungskontrollaufgaben befaßten Mitarbeiter der Reagan-Administration — vor allem innerhalb des Pentagon — möchte sich auf Verhandlungen mit der Sowjetunion erst einlassen, wenn es gelungen ist, wieder eine Situation militärischer Überlegenheit der Vereinigten Staaten herzustellen. Eine zweite Gruppe wäre bereit in Verhandlungen einzutreten, sobald die Amerikaner ihre Entschlossenheit zur stärkeren Rüstung unter Beweis gestellt haben. Sie räumt der Rü-stungskontrolle insgesamt aber nur eine geringe Bedeutung ein. Eine dritte, vor allem im Außenministerium vertretene Gruppe ist an einer Fortsetzung des Rüstungskontrollprozesses trotz einer kritischen Haltung gegenüber den bisher erzielten Ergebnissen interessiert.
Es erscheint gegenwärtig noch zweifelhaft, ob der Beginn der INFund der START-Verhandlungen tatsächlich einen Sieg der zweiten oder dritten „Denkschule“ anzeigt. Die amerikanische Ausgangsposition in beiden Verhandlungen ist — soweit sie öffentlich bekanntgemacht wurde — zu offensichtlich an die inneramerikanische Friedensbewegung und an die europäischen Bündnispartner gerichtet und enthält zu wenig wirkliche Verhandlungsangebote an die Sowjetunion, als daß man auf den Verhandlungswillen der Amerikaner bereits sicher schließen könnte. Vieles deutet darauf hin, daß es in den kommenden Jahren bestenfalls zu einer Fortsetzung des Verhandlungsprozesses ohne greifbare Ergebnisse kommen wird.
Die diesem Kurswechsel der amerikanischen Rüstungskontrollpolitik vorausgegangene Kritik an SALT zeigt, daß seine Ursachen — bei aller Kritik an technischen Details — doch wohl in dem Eindruck gesucht werden müssen, SALT habe, wie die Entspannungspolitik im allgemeinen, zum Verlust der amerikanischen strategischen Vorrangstellung beigetragen. Der Verhandlungsprozeß habe in der amerikanischen Öffentlichkeit, in den politischen Eliten und der Administration völlig unrealistische Erwartungen im Hinblick auf die Bereitschaft der sowjetischen Führung erweckt, Beschränkungen im Ausbau ihrer militärischen Macht zu akzeptieren. Außerdem hätten die Verhandlungen schon allein aus technisch-bürokratischen Gründen innerhalb der Administration ein derartiges Gewicht erlangt, daß man von einem Ersatz der Außenpolitik durch Rüstungskontrolle sprechen könne, weiterhin habe die Regierung, um zu Verhandlungsergebnissen zu gelangen, Vereinbarungen akzeptiert, die der sowjetischen Seite klare Vorteile einräumen.
Hierzu ist allerdings anzumerken, daß Rüstungskontrolle in den Vereinigten Staaten zu keiner Zeit explizit zu einem Ersatz für Außenpolitik gemacht wurde. So werden etwa die programmatischen Erklärungen in den Reden Kissingers gerade durch einen umfassenden politischen Ansatz charakterisiert, in dem die Rüstungskontrolle zwar einen wichtigen, aber nicht dominierenden Stellenwert besitzt. Von der Konzeption her wurde die Rüstungskontrolle bisher von früheren amerikanischen Regierungen in der Regel als der militärischen Sicherheitspolitik gleichwertig bezeichnet, ohne daß es allerdings in der Praxis bisher gelungen wäre, tatsächliche Gleichwertigkeit durchzusetzen. Zwar läßt sich kaum bestreiten, daß ein verhältnismäßig großer Teil der in strategischen Fragen kompetenten Mitarbeiter der amerikanischen Administration in den „SALT-Prozeß“ eingespannt war, über die außenpolitische Orientierung ist damit aber noch nicht allzuviel ausgesagt.
Von deutscher Seite wird vielfach die Tatsache, daß sich das amerikanisch-sowjetische Kräfteverhältnis im strategischen Bereich zugunsten der Sowjetunion verschoben hat — bei allen Differenzen in der Bewertung der militärischen Situation im einzelnen —, nicht bestritten. Doch erscheint aus dieser Perspektive der Versuch, dies alles der vielfach inkonsistenten und insgesamt nicht übermäßig wirksamen amerikanischen Rüstungskontrollpolitik in die Schuhe zu schieben, ein wenig einäugig. Die bisher erzielten Rüstungskontrollvereinbarungen sind in den Vereinigten Staaten stets auch als Argument gebraucht worden, die Rüstungsanstrengungen auf den von der Vereinbarung nicht erfaßten Gebieten zu verstärken. Es wirkt nicht gerade überzeugend, wenn jetzt plötzlich der Rüstungskontrolle von denen, die ihr bisher immer skeptisch gegenüberstanden, einseitig — nämlich in ihrer Wirkung auf die Vereinigten Staaten — eine Wirksamkeit zugemessen wird, die sich selbst optimistische Befürworter der Rüstungskontrolle bisher in ihren kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt hätten.
Von der Theorie her sind solche Wirkungen selbstverständlich nicht auszuschließen. Eine betonte Rüstungskontrollund Entspannungspolitik kann übertriebene Erwartungen und „falsches“ Vertrauen bewirken, die zu einer Vernachlässigung der nötigen militärischen Anstrengungen verleiten können. Aber umgekehrt können auch eine forcierte Rüstungspolitik oder eine Außenpolitik, die primär auf militärische Macht setzt, das Entstehen von Vertrauen verhindern, ohne das substantielle Rüstungskontrollvereinbarungen nicht zustande kommen können. In der Bundesrepublik scheint jedenfalls der Eindruck vorzuherrschen, daß sich die möglichen wechselseitigen Beeinträchtigungen von Rüstungskontrolle und Rüstungspolitik bisher sehr viel stärker zu Lasten der Rüstungskontrolle als der Rüstung ausgewirkt haben. Der verhältnismäßig hohe bürokratische Aufwand für die Rüstungskontrolle erklärt sich zum großen Teil gerade aus der Notwendigkeit, mit der Rüstungskontrolle gegen den Strom der eingefahrenen bürokratischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen zu schwimmen.
So wie es gegenwärtig aussieht, werden sich diese Meinungsdifferenzen im amerikanisch-deutschen Verhältnis nicht kurzfristig auflösen lassen, auch nicht nach dem Regierungswechsel in der Bundesrepublik Deutschland. Es fragt sich also, ob es in diesem Bereich Mindestvoraussetzungen für eine sinnvolle sicherheitspolitische Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses gibt. Hierzu muß wohl die Aufrechterhaltung des Rüstungskontrollprozesses im amerikanisch-sowjetischen Verhältnis gerechnet werden, denn ohne ihn wäre an eine Fortsetzung der spezifisch europäischen Form der Entspannungspolitik nicht zu denken. Mit dem Beginn der INFund der START-Verhandlungen ist diese Voraussetzung zunächst erfüllt. Auf längere Sicht muß aber noch mehr erfüllt werden als lediglich die Bereitschaft, weiterzuverhandeln. Erst wenn es den Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren gelingen sollte, wieder zu einer Rüstungskontrollpolitik im weitesten Sinn zurückzufinden, die reale Aussichten auf konkrete Verhandlungsergebnisse bietet, kann damit gerechnet werden, daß Rüstungskontrolle als politischer Prozeß auch über die nächsten Jahre hinaus wirksam und damit ein Minimum an Gemeinsamkeit auf diesem Gebiet im amerikanisch-deutschen Verhältnis erhalten bleibt.
Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, daß eine solche Entwicklung immerhin denkbar ist:
Die Skepsis gegenüber der Rüstungskontrolle, die für die gegenwärtige amerikanische Administration so charakteristisch ist, bezieht sich offenbar in erster Linie auf die Rüstungskon-trollund besonders die SALT-Politik vorangegangener amerikanischer Administrationen. Ein erheblicher Teil der Beamten, der in der jetzigen amerikanischen Administration mit Rüstungskontrolle zu tun hat und den beiden zuletzt genannten Denkschulen angehört, wendet sich nicht generell gegen jede denkbare Form von Rüstungskontrolle. Der Umschwung der letzten Jahre in der amerikanischen Haltung zur Rüstungskontrolle bedeutet in dieser Sicht keine Abkehr, sondern eine Hinwendung zu einer realistischeren und damit besseren Form der Rüstungskontrolle.
Auch das Londoner Internationale Institut für Strategische Studien (IISS) macht in seinem Jahresüberblick „Strategie Survey" darauf aufmerksam, daß die Vorstellungen der Europäer von der Außenpolitik Reagans im wesentlichen durch dessen militante Wahlkampfäußerungen bestimmt worden seien. In Wirklichkeit habe Reagan sehr viel mehr Pragmatismus und Flexibilität gezeigt, als man ihm in Europa zugetraut habe. Trotz der massiven Kritik Reagans und seiner Berater an der bisherigen Rüstungskontrollpolitik im allgemeinen und SALT I/II im besonderen, hat sich die neue amerikanische Administration bisher — soweit ersichtlich — an die Regelungen der SALT-II-Vereinbarungen gehalten und hat auch die Kontakte innerhalb des im Rahmen von SALT I errichteten ständigen Beratungskomitees (Standing Consultative Committee) aufrechterhalten. Trotz des scheinbaren Übergewichts der ersten Denkschule, die Rüstungskontrollverhandlungen erst von einer Position militärischer Stärke wieder aufnehmen will, hat sich die neue Administration nicht nur zu Verhandlungen über die europäischen Mittelstreckenraketen bereitgefunden, sondern der Sowjetunion darüber hinaus auch Verhandlungen in anderen Bereichen der Rüstungskontrolle angeboten. Und sie war schließlich sogar bereit, die SALT-Verhandlungen in neuer Form (START) wieder in Gang zu setzen
Es mag sein, daß Präsident Reagan und seine Berater aufgrund der offensichtlichen Schwierigkeiten, die ursprünglichen Rüstungspläne zu finanzieren, des Widerstands durch die inneramerikanische „Friedensbewegung“ und der Kritik der Alliierten tatsächlich eine aus-gewogenere Haltung zur Rüstungskontrolle gewonnen haben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß es bereits seit einigen Jahren im akademischen Bereich Ansätze gibt, konzeptionelle Grundlagen für eine neue Rüstungskontrollpolitik zu entwickeln, die mit den von der Reagan-Administration vertretenen außenpolitischen Konzepten vereinbar wäre. Und viele derjenigen, die an diesen Arbeiten beteiligt waren, haben in der jetzigen Administration einflußreiche Stellungen übernommen Ob solche Aussichten auf eine „bessere" Rüstungskontrollpolitik der Reagan-Administration eine reale Grundlage haben oder lediglich den Versuch darstellen, die neue amerikanische Außenpolitik der inneramerikanischen Opposition und den Alliierten schmackhafter zu machen, wird sich erst im Lauf der Verhandlungen sagen lassen. Die amerikanischen Ausgangspositionen für START und die Genfer INF-Verhandlungen enthalten zweifellos Elemente, die sie für die ernsthaften Befürworter der Rüstungskontrolle attraktiv machen. Wenn sie tatsächlich zum Gegenstand von Vereinbarungen würden, könnte man sogar von einem sensationellen Durchbruch der Rüstungskontrolle sprechen. Das ist allerdings nicht zu erwarten, denn in ihrer jetzigen Form sind sie zu einseitig, um eine ernsthafte Verhandlungsgrundlage abzugeben. Es ist offensichtlich, daß die Flexibilität der Reagan-Administration auf diesem Gebiet in erster Linie auf die innerstaatliche Opposition und die Alliierten zielt. Ob daraus eine „bessere" Form der Rüstungskontrolle erwachsen kann, wird sich erst zeigen, wenn in den Verhandlungen Entscheidungen darüber getroffen werden müssen, an welchen Stellen militärische Zugeständnisse gemacht und in welchem Maß Unsicherheiten bei der Verifikation in Kauf genommen werden können.
III. Das militärische Kräfteverhältnis und die Lastenverteilung innerhalb des Bündnisses
Meinungsverschiedenheiten in konzeptionellen Fragen der westlichen Verteidigung oder in der Frage, gegen welche Bedrohungen sich der Westen verteidigen müsse (Bedrohungsanalyse), gehören zum Alltag der NATO. Eine zentrale Aufgabe des Bündnisses besteht gerade darin, aus den verschiedenen Wahrnehmungen, Meinungen und Konzeptionen der Mitglieder in diesen Fragen Grundlagen herauszudestillieren, die für eine koordinierte und effektive Verteidigung erforderlich sind (Integrationsfunktion). Dies geschieht weitgehend innerhalb der Verfahren, die im Bündnis für die gemeinsame Verteidigungsplanung institutionalisiert worden sind.
Dieser Integrationsprozeß läßt sich nicht beliebig beschleunigen. Ändert sich etwa die Verteidigungspolitik eines Bündnispartners, z. B. aufgrund eines Regierungswechsels, in einem Maß, daß dadurch der geschriebene oder ungeschriebene Konsens innerhalb des Bündnisses berührt wird, dann dauert es häufig eine geraume Zeit, bis ein neuer Konsens gefunden werden kann. So wurde beispielsweise die strategische Doktrin der flexiblen Erwiderung, die sich in den Vereinigten Staaten Ende der fünfziger Jahre durchsetzte, erst 1967 offiziell zur Grundlage der Strategie des Bündnisses erklärt.
Normalerweise vollzieht sich dieser Prozeß weitgehend ohne Beteiligung der politischen Öffentlichkeit. Es kommt jedoch immer wieder vor, daß einzelne Fragen zum Gegenstand öffentlicher politischer Auseinandersetzungen gemacht werden, weil sich die beteiligten Regierungen oder andere politische Kräfte in den Mitgliedstaaten eine Beeinflussung des Integrationsvorganges in ihrem Sinn erhoffen.
Zweifellos gehört der Prozeß der sicherheitspolitischen und strategischen Neuorientierung, der seit einigen Jahren in den Vereinigten Staaten im Gang ist, zu den Vorgängen, die einen umfangreichen Anpassungsprozeß innerhalb des Bündnisses nötig machen, unabhängig von der Frage, ob fixierte gemeinsame Grundsätze wie etwa die Harmel-Beschlüsse formell geändert werden müssen. Ungewöhnlich ist in diesem Zusammenhang weniger der Umfang der aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten, insbesondere zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland, als das Ausmaß, in dem die breitere politische Öffentlichkeit an den Auseinandersetzungen teilnimmt. Dadurch werden Fragen, wie die nach der Bewertung der sowjetischen Bedrohung und des militärischen Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West, der gerechten Verteilung der Verteidigungslasten zwischen den Bündnismitgliedern und der Reaktion auf eine Bedrohung vitaler Interessen außerhalb des Bündnisbereichs, zunehmend zum Gegenstand politischer Polarisation und tragen auf diese Weise dazu bei, den Eindruck des Auseinanderdriftens des Bündnisses zu erwecken.
Wenn die Verteidigungspolitik der Reagan-Administration in der Öffentlichkeit als heroischer Versuch stilisiert wird, die seit mehr als 15 Jahren andauernde politische und militäriB sehe Expansion der Sowjetunion zum Stillstand zu bringen, dann muß das Zögern der Europäer, sich diesem Kurs anzuschließen, als Mangel an Realismus erscheinen, für den irrationale Angst, Mangel an Verantwortungsbewußtsein und fehlende Bereitschaft, die für eine Erhöhung der Verteidigungsbemühungen erforderlichen wirtschaftlichen Opfer zu übernehmen, verantwortlich gemacht werden. Wenn andererseits in der Bundesrepublik das Festhalten an der bisherigen Form der Ostpolitik in der Öffentlichkeit zu einem durch höhere politische Einsichten gerechtfertigten Dogma gemacht wird, dann liegt es nahe, die neue amerikanische Sicherheitspolitik als Rückfall in die Barbarei einer rein militärischen Machtpolitik oder bestenfalls als mangelnder Realismus gegenüber den Gegebenheiten des „Atomzeitalters" anzusehen.
Nicht alle in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen sind für die weitere Entwicklung der deutsch-amerikanischen und europäisch-amerikanischen Beziehungen wirklich von Bedeutung. So spielen die Fragen, die mit der Bewertung des militärischen Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West und der sowjetischen Bedrohung Zusammenhängen, in der gegenwärtigen öffentlichen Debatte innerhalb der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten zwar eine nicht unerhebliche Rolle, doch verlaufen hier die Fronten eher quer durch die einzelnen Mitgliedstaaten, als daß sie die Amerikaner von ihren europäischen Bündnispartnern trennen. Schon ein Blick auf das hierzu veröffentlichte Zahlenmaterial zeigt, daß die Differenzen zwischen europäischen Instituten, wie etwa dem Londoner IISS und dem Stockholmer SIPRI, nicht geringer sind als die zu amerikanischen Angaben, etwa in den Jahresberichten des Verteidigungsministeriums. Außerdem handelt es sich hier um Fragen, die zwar politisch sind, d. h. von politischen Wertungen nicht getrennt werden können, deren Beantwortung jedoch ein hohes Maß an fachlicher Qualifikation voraussetzt; solche Fragen eignen sich daher für eine öffentliche Debatte wenig. Eine Verweisung in den internen Integrationsmechanismus der NATO wäre daher wünschenswert.
Von den gegenwärtig in der Öffentlichkeit diskutierten militärischen Fragen können neben den nuklearen Problemen vor allem zwei die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf längere Sicht beeinflussen. Zum einen die generelle Frage nach einer angemessenen Verteilung der wirtschaftlichen Belastungen innerhalb des Bündnisses, die in gewisser Weise alle gegenwärtig diskutierten Bündnisprobleme umfaßt, und zweitens die spezifischere Frage nach der Haltung gegenüber militärischen Bedrohungen außerhalb des Bereichs der NATO. zuj:
Das Thema Lastenausgleich ist innerhalb des Bündnisses selbstverständlich nicht neu. Doch ist die ursprüngliche Lastenverteilung zwischen den Bündnismitgliedern, die in den fünfziger Jahren erreicht wurde und damals etwa der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten Rechnung trug, später niemals mehr in vollem Umfang in Frage gestellt worden. Bei der militärischen Planung der NATO ging man, auch wenn es nicht um die Erhaltung, sondern um die Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Allianz ging, im wesentlichen von der bestehenden Aufteilung aus. Und in den amerikanisch-deutschen Verhandlungen zum „Burden Sharing" ging es primär lediglich um einen Ausgleich von Zahlungsbilanzungleichgewichten. Sie wurden daher mit dem Rückgang des amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits und der Einführung flexibler Wechselkurse konsequenterweise eingestellt. Selbst die wiederholten — auf die sogenannten Mansfield-Initiativen zurückgehenden — amerikanischen Drohungen in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren, einen Teil der in Europa stationierten Truppen abzuziehen, zielten weniger auf eine grundlegende Revision der bestehenden Lastenverteilung als auf eine Stützung der amerikanischen Forderungen nach Ausgleichszahlungen.
Die gegenwärtig von amerikanischer Seite gegenüber der Bundesrepublik und anderen europäischen Staaten erhobenen Vorwürfe lassen jedoch kaum daran zweifeln, daß der bisherige stillschweigende Konsens in dieser Frage nicht mehr existiert. Die Ursachen hierfür müssen in einer Kombination wirtschaftlicher und militärischer Entwicklungstendenzen gesehen werden. Seit den fünfziger Jahren hat sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der europäischen Partner im Vergleich zu der der Vereinigten Staaten beträchtlich erhöht. Soweit die Europäische Gemeinschaft als Einheit handelt, tritt sie den Vereinigten Staaten seit den frühen siebziger Jahren als gleichberechtigter Konkurrent gegenüber.
Hinzu kommt, daß die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Gemeinschaft immer wieder von starken Gegensätzen bestimmt wurden. Die gegenwärtigen Spannungen, die in der Presse teilweise schon als „Handelskrieg" apostrophiert wurden, akzentuieren lediglich eine Entwicklung, die nicht erst mit der gegenwärtigen amerikanischen Administration einsetzte.
Auf militärischem Gebiet sieht sich die amerikanische Regierung, nachdem sie mehr als 15 Jahre lang einem fast kontinuierlichen relativen Zuwachs sowjetischer militärischer Macht zugesehen hat, in einer Situation, in der sie ihre Verteidigungsanstrengungen Jahre lang einem fast kontinuierlichen relativen Zuwachs sowjetischer militärischer Macht zugesehen hat, in einer Situation, in der sie ihre Verteidigungsanstrengungen glaubt massiv erhöhen zu müssen, um ein sowjetisches Übergewicht zu verhindern. Nachdem die ursprünglichen Rüstungsplanungen der Reagan-Administration aus wirtschaftlichen Gründen massiven Einschränkungen unterworfen wurden, liegt die Forderung nach einer stärkeren Übernahme wirtschaftlicher Belastungen der neuen Verteidigungspolitik durch die Europäer nahe.
Die wirtschaftlichen Argumente treffen in Europa auch vielfach auf Verständnis. Zwar hat sich die Lastenverteilung innerhalb des Bündnisses in den siebziger Jahren ein wenig zugunsten der Vereinigten Staaten verschoben 14), doch ist der amerikanische Beitrag, gemessen an der wirtschaftichen Leistungsfähigkeit, noch immer zu hoch — und aufgrund der gegenwärtigen Rüstungsplanung wird er sich noch erhöhen.
Zum Teil wird dagegen geltend gemacht, die militärische Machtentfaltung der Vereinigten Staaten diene neben den gemeinsamen Bündniszielen doch ebenso der Abstützung spezifisch amerikanischer Großmachtinteressen. Die Lastenverteilung innerhalb der Allianz spiegele nur die besonderen militärischen Interessen der Vereinigten Staaten.
In diesem nicht neuen Argument zeigt sich eine auch für die gegenwärtige Situation charakteristische Schwäche der amerikanischen Position. Es fehlt nicht nur an brauchbaren „objektiven" Kriterien für den tatsächlichen Verteidigungsbeitrag der Bündnismitglieder, sondern vor allem an einem allseits akzeptierten Maßstab, an dem die „Angemessenheit" einer bestimmten Lastenverteilung im Bündnis gemessen werden könnte. Daher scheint es praktisch ausgeschlossen, eine neue Lastenverteilung am grünen Tisch auszuhandeln.
Aber auch ein amerikanischer Versuch, die Neuverteilung der Verteidigungslasten durch einen Abzug ihrer in Europa stationierten Truppen zu erzwingen, erscheint unplausibel. Zwar gibt es in der gegenwärigen amerikanischen Administration nicht wenige, die der Meinung sind, die Vereinigten Staaten sollten sich aus ihren europäischen Bindungen befreien, wenn sich die Europäer den amerikanischen Wünschen gegenüber nicht aufgeschlossener zeigen 15). Doch handelt es sich hier vielfach gerade um diejenigen, die am stärksten für einen globalen Ausbau amerikanischer Machtpositionen plädieren.
Hier liegt nun offenbar ein Zielkonflikt vor, denn nach den vorliegenden Berechnungen würde ein Abzug amerikanischer Einheiten aus Europa nur dann wirtschaftliche Vorteile bringen, wenn diese Einheiten in den Vereinigten Staaten aufgelöst und keine Vorkehrungen getroffen würden, entsprechende Einheiten im Krisenfall wieder nach Europa zu verlegen. Das würde dann zunächst einmal eine sehr deutliche Einschränkung des globalen militärischen Engagements der Vereinigten Staaten bedeuten, die von den der „Friedensbewegung" zuneigenden politischen Kräften in Europa als Bestätigung ihrer gelassenen Einschätzung der sowjetischen Bedrohung und des Kräfteverhältnisses zwischen Ost und West aufgefaßt werden könnte. Jedenfalls lassen sich die politischen Folgen eines einseitigen Truppenabzugs aus Europa nur schwer vorhersagen, und es besteht einige Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie den amerikanischen Intentionen genau entgegenlaufen würden.
Voraussichtlich wird sich der amerikanische Wunsch nach einer stärkeren Beteiligung der europäischen Bündnispartner an den gemeinsamen Verteidigungslasten daher allenfalls langsam, in kleinen Schritten durchsetzen lassen. Obwohl in der militärischen Planungsarbeit der NATO verbindliche Entscheidungen über die wirtschaftlichen Beiträge der Mitgliedstaaten nicht getroffen werden können, wird sich eine Neuverteilung der Lasten nur in diesem Rahmen verwirklichen lassen. zu 2:
Militärisches Engagement der NATO-Staaten außerhalb des Bündnisbereichs bildete immer wieder den Gegenstand amerikanisch-europäischer Kontroversen. Es sei nur an die Suez-Krise erinnert, als eine britisch-französische Invasion im Nahen Osten auf amerikanischen Druck hin aufgegeben werden mußte, oder an den Nahostkrieg vom Oktober 1973, als es aufgrund des amerikanischen Krisenmanagements zu Auseinandersetzungen über die Benutzung des Luftraums und militärischer Einrichtungen der europäischen Bündnispartner sowie um den Einsatz des in Europa stationierten militärischen Potentials der Amerikaner kam. Erst seit der sowjetischen Invasion in Afghanistan fordern die Amerikaner mehr als nur die Duldung ihres Krisenmanagements, nämlich die unmittelbare Beteiligung der Verbündeten an der militärischen Präsenz des Westens in diesen Regionen und an einer für den dortigen Einsatz bestimmten „schnellen Eingreiftruppe" (Rapid Deployment Force).
Die Argumente hierfür sind bekannt und sollen hier nur sehr vereinfacht wiedergegeben werden: Die westliche Abhängigkeit von Erdöllieferungen aus dem Nahen Osten oder dem Persischen Golf hat einen solchen Umfang angenommen, daß Störungen in der Ölversorgung von den westlichen Industriestaaten spätestens seit Anfang der siebziger Jahre als Sicherheitsproblem wahrgenommen werden. Kriegerische Auseinandersetzungen in diesen historisch instabilen Regionen können daher die westliche Sicherheit bedrohen und können in diesem Sinn von der Sowjetunion verursacht oder beeinflußt werden. Die Sicherung der Stabilität in diesen Regionen ist daher eine primäre politische und militärische Aufgabe des Westens. Obwohl im NATO-Bündnis nicht erwähnt, handelt es sich hier ihrem Wesen nach um eine gemeinsame Aufgabe des Westens, wobei die westeuropäischen Industriestaaten aufgrund ihrer starken Abhängigkeit vom Erdölimport einen substantiellen Anteil an den damit verbundenen Lasten tragen sollten.
Insoweit gibt es auch keine wesentlichen amerikanisch-europäischen Meinungsverschiedenheiten. Doch ergeben sich im einzelnen schwerwiegende Probleme. Hierzu gehören die folgenden Fragen: — Welche relativ stabile Formen politischer Ordnungen sind in den fraglichen Regionen auf längere Sicht vorstellbar?
— In welcher Weise können die Supermächte zur Stabilität dieser Regionen beitragen?
— Welche Politik betreibt die Sowjetunion im Nahen Osten und in der Golfregion? — Welche Rolle kann die militärische Macht des Westens bei der Sicherung der Erdölversorgung spielen?
— Wie werden mögliche militärische Aufgaben zwischen den westlichen Bündnispartnern aufgeteilt?
Die politische Auseinandersetzung innerhalb des Bündnisses konzentriert sich gegenwärtig primär auf die zuletzt genannten Fragen. Im Rahmen einer auf die Eindämmung der politischen und militärischen Expansion der Sowjetunion zielenden amerikanischen Außenpolitik steht für die Reagan-Administration auch in diesen kritischen Regionen die Kompensation des von der sowjetischen Macht ausgehenden Einflusses im Vordergrund. Nach dem Zusammenbruch des von den Vereinigten Staaten bestimmten Sicherheitssystems im Mittleren Osten Ende der siebziger Jahre und angesichts der geographischen Nähe der Sowjetunion muß sich der Westen nach amerikanischer Auffassung zunächst einmal um die glaubhafte „Projektion" seiner militärischen Macht in diesem Teil der Welt bemühen. Auch hierzu müssen die westeuropäischen Staaten einen direkten Beitrag leisten. Demgegenüber tendieren die Europäer zu einer Politik, die versucht, durch die Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit und kultureller Kontakte unter Berücksichtigung langfristiger Interessen der arabischen Staaten zu einer Stabilisierung dieser Regionen beizutragen. Die Notwendigkeit einer gewissen militärischen Absicherung wird vielfach nicht bestritten, doch wird von europäischer Seite immer wieder auf die Gefahren einer regionalen Destabilisierung aufgrund einer zu auffälligen militärischen Präsenz der Großmächte hingewiesen. Die Gefahr einer sowjetischen Einflußnahme wird nicht geleugnet, jedoch geringer eingeschätzt als von der amerikanischen Regierung. Es wird darauf verwiesen, daß die Europäer — da sie nicht durch Großmachtansprüche belastet sind — Möglichkeiten des politischen Einflusses besitzen, die den Vereinigten Staaten abgehen. Wenn der Westen diese Möglichkeiten nutzen wolle, müsse er eine Arbeitsteilung anstreben, bei der die Amerikaner überwiegend für die militärische Sicherung und die Europäer für die politische Stabilisierung verantwortlich wären.
Bei der Diskussion dieser Fragen im akademischen oder regierungsnahen wissenschaftlichen Bereich verlaufen die Frontlinien ebenso innerhalb der einzelnen Staaten wie zwischen Europäern und Amerikanern. Zu einer Polarisierung in der politischen Praxis kam es einmal aufgrund europäischer Ansätze zu einer erfolgreichen Kooperation bei der Entwicklung der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit mit den arabischen Staaten und bei der Entwicklung einer eigenständigen politischen Haltung der Europäer im Nahostkonflikt sowie zum anderen aufgrund der starken Betonung der Notwendigkeit militärischer Absicherung durch die Reagan-Administration. Es mag Ansatzpunkte für einen Teilkonsens geben. Auch in den europäischen NATO-Ländern wird die Notwendigkeit einer westlichen Sicherheitspolitik in den für die westliche Rohstoffversorgung kritischen Regionen überwiegend nicht bestritten. Es gibt sogar Anhaltspunkte dafür, daß einige Staaten — vor allem Großbritannien und Frankreich — bereit wären, sich an einer militärischen Präsenz der Vereinigten Staaten in diesen Regionen zu beteiligen. Auch haben die wichtigsten europäischen NATO-Staaten offenbar keine grundsätzlichen Bedenken, den Amerikanern im Krisenfall in bestimmten Grenzen Transitrechte einzuräumen oder der Verwendung von amerikanischen NATO-Streitkräften und -Einrichtungen zum Krisenmanagement zuzustimmen. Doch schon in der Frage einer möglichen Begrenzung derartiger Rechte durch die Europäer beginnen die Meinungsverschiedenheiten.
Sicher erscheint lediglich, daß die von vielen Amerikanern geforderte Lösung einer Einbeziehung der fraglichen Regionen in den Geltungsbereich der NATO auf absehbare Zeit keinen Konsens finden wird, ganz abgesehen davon, daß eine gemeinsame NATO-Politik im Nahen Osten wohl kaum die nötige Flexibilität und Differenziertheit entwickeln könnte, die in diesen Regionen erforderlich ist, wenn eine Stabilisierung erreicht werden soll. Die westliche Sicherheitspolitik wird hier weiterhin auf einseitiges oder bilaterales Vorgehen außerhalb des Bündnisses angewiesen sein, das allerdings innerhalb des Bündnisses oder im Rahmen anderer Konsultationsmechanismen koordiniert werden könnte. Besondere Schwierigkeiten entstehen hier auch auf Grund der besonderen politischen Situation in der Bundesrepublik und Japan. In der Bundesrepublik war die politische Entscheidung für die Wiederbewaffnung nach dem Krieg eng mit einer bewußten Beschränkung der eigenen militärischen Macht auf die kollektive Verteidigung gegen einen unmittelbaren militärischen Angriff verbunden, die ihren Niederschlag auch im Grundgesetz gefunden hat. Die unmittelbare Beteiligung an einer Eingreiftruppe zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen wäre mit diesen Beschränkungen — auch wenn es um ein sicherheitspolitisches Problem geht — kaum zu vereinbaren. Es erscheint sehr zweifelhaft, ob hierfür in der Bundesrepublik ein Konsens gefunden werden könnte. Jedenfalls ist es nicht auszuschließen, daß eine öffentliche Auseinandersetzung über diese Frage zur weiteren Polarisierung der sicherheitspolitischen Situation in der Bundesrepublik beitragen würde.