I. Zur gesellschaftlichen Bedeutung der staatlichen Forschungs-und Technologiepolitik (FuTP)
In steigendem Maße werden seit einigen Jahren die Auswirkungen einer neuen technologischen Revolution auf die Arbeitsplatzstruktur im Inland und auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik diskutiert. Die gesellschaftspolitische Brisanz der Wirkungen des sich noch beschleunigenden technisch-organisatorischen Wandels hat die Bedeutung der staatlichen FuTP für die weitere Ausgestaltung zahlreicher Politikbereiche im Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit nachhaltig gestärkt.
Die zunehmende Bedeutung der staatlichen FuTP für andere Politikfelder macht es notwendig, die Ausgestaltung ihrer Ziele, Instrumente und Vollzugsformen genauer zu analysieren, um damit die Frage nach der Wirksamkeit bzw. nach dem Zielerreichungsgrad staatlicher Förderungsmaßnahmen beantworten zu können. Wir haben dies an anderer Stelle ausführlich vorgenommen; aus Raumgründen muß hier darauf verzichtet werden -
Neben einer institutionellen Betrachtungsweise des Politikfeldes ist jedoch ebenfalls die Frage von Bedeutung, wie die konkrete Ausgestaltung der staatlichen FuTP durch wichtige gesellschaftliche Interessengruppen mitbeeinflußt oder sogar mitgestaltet wird. Bei der Beurteilung von Leistungsfähigkeit und Zielrichtung staatlicher Politiken gilt es daher zu berücksichtigen, inwieweit das vorherrschende Kräfteparallelogramm es wichtigen gesellschaftlichen Interessengruppen ermöglicht, durch eine gezielte Einflußnahme Planung, Entwicklung und Vollzug von staatlichen Programmen in ihrem Sinne zu steuern. Im folgenden sollen daher die wichtigsten von einer staatlichen FuTP tangierten Interessen-organisationen, nämlich Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, daraufhin untersucht werden, wie sich ihr Verhältnis zur staatlichen FuTP seit Gründung der Bundesrepublik entwickelte und wie die aktuellen Einflußpotentiale beider Verbandsorganisationen auf das Politikfeld eingeschätzt werden können.
II. Das Verhältnis von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zur Forschungs-und Technologiepolitik (FuTP)
Die erste Phase: 1949 bis 1970 Die Gewerkschaften In den ersten Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland waren praktisch keinerlei forschungspolitische Aktivitäten der Gewerkschaften zu verzeichnen. Ebenso fand die Beschäftigung mit dem Themenbereich »technisch-organisatorischer Wandel" auf-grund der vorherrschenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen innerhalb der Gewerkschaften nicht statt So enthielt das Münchner Grundsatzprogramm des DGB von 1949, welches „eine politische Konzeption über die grundlegende Veränderung der Wirtschaftsund Sozialordnung" darstellte, ebensowenig wie das eher pragmatisch ausgerichtete Aktionsprogramm des DGB von 1955 konkrete Aussagen zu Fragen der technologischen Entwicklung oder gar zur Rolle des Staates in diesem Politikfeld.
Mit Blick auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung dieser Jahre verwundert dieses Desinteresse kaum: Wegen der Vordringlichkeit des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, bei einem schon bestehenden hohen technologischen Produktionsniveau, wurde auf eine intensivere staatliche FuTP weitgehend verzichtet Angesichts der Politik einer Bundesregierung, in deren wirtschaftsund ordnungspolitischen Vorstellungen einer gewerkschaftlichen Beteiligung am staatlichen Handeln nur geringe Bedeutung zukam, sowie einer Konzentration der Gewerkschaftsaktivitäten auf das damals naheliegendere Gebiet der Tarif-und Sozialpolitik konnte Forschung und Entwicklung kein politisch bewegendes Thema werden. Diese gesamtgesellschaftliche Ausblendung von Forschung und Technologie (FuT) als einem wesentlichen strukturbestimmenden Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung hatte damit zwangsläufig auch innerhalb der deutschen Gewerkschaften eine Nichtthematisierung zur Folge.
Die Verknappung des Arbeitskräftepotentials sowie der stärker werdende Druck der Weltmarktkonkurrenz erzwangen ab Ende der fünfziger Jahre die Umwälzung der technologischen Produktionsbasis auf ein im internationalen Vergleich wettbewerbsfähiges Niveau Automation hieß das Stichwort, das auch zunehmend die gewerkschaftliche Diskussion beherrschte. Besonders der IG Metall und ihrem damaligen Vorsitzenden Otto Brenner kommt das Verdienst zu, maßgebliche Impulse für diese Diskussion gegeben zu haben. So erklärte Brenner auf einer ersten Arbeitstagung des DGB zur Automation im Jahre 1958: „Die mit dem Stichwort Automation bezeichnete Technisierung... spielt eine entschei-dende Rolle in dem Entwicklungsund Umschichtungsprozeß, der heute unsere ganze Gesellschaft erfaßt"; ... „so bringt doch die durch sie (die Automation; d. V.) herbeigeführte Stärkung und Beschleunigung bereits vorhandener Tendenzen politische Gefahren mit sich, deren sich vor allem die Arbeitnehmer bewußt werden müssen"
Fünf Jahre nach diesem Beginn einer technologieorientierten Diskussion innerhalb der Gewerkschaften konnte der IG-Metall-Vorsit-zende auf einer internationalen Arbeitstagung seiner Organisation dann schon feststellen, daß während der letzten beiden Jahre der technische Fortschritt in der Bundesrepublik Deutschland in den Formen der Hochmechanisierung, der Automatisierung und der Verwendung neuer Werkstoffe stark zugenommen habe. Allein der Vollbeschäftigung sei es zu verdanken, daß die unerfreulichen Begleiterscheinungen dieser Entwicklung in Deutschland begrenzt werden konnten. Gewerkschaftsoffiziell wurde mit dieser internationalen Arbeitstagung zum ersten Male der politische Charakter des technischen Fortschritts deutlich angesprochen sowie der direkte Zusammenhang zwischen technologischer Entwicklung und Arbeitsplatzangebot bzw. -Struktur hergestellt. Gleichwohl: Staatliche FuTP, die Frage z. B. ihrer Adäquanz, die bestehende Interessenausrichtung sowie mögliche Strategien ihrer Beeinflussung tauchten in den gewerkschaftlichen Überlegungen jener Jahre noch nicht auf.
Intensiviert und inhaltlich vertieft wurde die gewerkschaftliche Debatte um die Ausgestaltung und die Folgen des technologischen Fortschritts dann auf verschiedenen Tagungen der IG Metall im Laufe der sechziger Jahre. Als Ergebnis von ihnen fand eine Erweiterung bisheriger gewerkschaftlicher Fragestellungen statt Nicht mehr nur Automation im engeren Sinne war das Thema, sondern auch Fragen der Gesundheits-, Bildungs-, Sozial-und Arbeitsmarktpolitik wurden im Kontext des technisch-organisatorischen Wandels behandelt Daneben schenkte man auch technologischen Entwicklungen in den USA erhöhte Aufmerksamkeit, da man annahm, daß diese Veränderungsprozesse mit zeitlicher Verschiebung auch in der Bundesrepublik eintreten würden. Für die Gewerkschaften wurde hierbei deutlich, daß sie bei Fragen der technologischen Entwicklung zukünftig ein verstärktes Mitspracherecht geltend machen müßten, um die ungesteuerten Auswirkungen dieses Prozesses auf ihre Klientel zumindest ansatzweise kontrollieren zu können. Als Steuerungs-und Kontrollinstrumente betrachtete man allerdings fast ausschließlich bestehende gesetzliche und tarifvertragliche Mitbestimmungsregelungen im Betrieb. Eine generelle Problematisierung z. B. von staatlichen Steuerungsleistungen in der FuTP bzw. die Entwicklung möglicher gewerkschaftlicher Alternativen zur inhaltlichen Ausgestaltung dieses Politikfeldes unterblieben jedoch. Die staatliche FuTP ihrerseits hatte sich indes ab Mitte der sechziger Jahre zu einem wichtigen Politikfeld entwickelt; dies zeigte sich z. B. in ihrer institutioneilen Verankerung auf der Ministerialebene des Bundes Das 1955 unter dem Namen „Bundesministerium für Atomfra-
gen" geschaffene Ressort erhielt über den Kernenergiebereich hinaus im Laufe der Jahre neue Zuständigkeiten vor allem im Bereich der Luft-und Raumfahrtforschung. Ab 1962 bildete es unter dem Namen „Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung“ ein Ressort mit einer umfassenden Aufgabenstellung für die Abwicklung und Koordinierung der Forschungsbemühungen des Bundes, das bei kontinuierlich steigendem Budget bald ein typisches Klientelministerium wurde. Die Rolle des Staates bei der Entwicklung und Durchführung der FuTP hatte sich damit in erheblichem Maße gewandelt: er war am Prozeß des wissenschaftlich-technischen Fortschritts zu einem direkt Beteiligten geworden, der be-müht war, in möglichst effizienter Weise die Interessen seiner Klientel in offizielle Politik umzusetzen.
Die Gewerkschaften hatten zu dieser Zeit weder bei der Formulierung inhaltlich-politischer Konzeptionen noch bei der Kontrolle über Vergabebedingungen und zu bewilligender Mittel eine nenneswerte Funktion. Der offiziellen Förderungskonzeption lag zwar nicht mehr die Prämisse ausschließlich autonomer Marktregulierung der technischen Entwicklung zugrunde, sondern die Einsicht, daß der Staat Orientierungsdaten für die technische Entwicklung zu setzen habe. Dies vollzog sich jedoch nicht in Anerkennung einer Auseinandersetzung teilweise konträrer gesellschaftlicher Interessen, sondern formal nur in einer Politikformulierung innerhalb des eher konservativ geprägten Staatsapparates, materiell im Dialog zwischen Administration und kapitalorientierten Interessen.
Festzustellen ist somit, daß die Gewerkschaften zumindest bis Ende der sechziger Jahre der wachsenden Bedeutung staatlicher FuTP nicht mit einer entsprechend erhöhten Aufmerksamkeit begegneten. Wenn von FuTP die Rede war, rückte das Problemfeld Automation in den Vordergrund; dies drückte sich u. a. in den Anfängen einer Rationalisierungsschutzpolitik aus. Was man hierbei vom Staat erwartete, waren flankierende Maßnahmen, die unerfreuliche Folgen des technischen Fortschritts abfangen sollten, ohne aber den notwendigen, über Marktentscheidungen ablaufenden technologischen Wandel regulierend zu beeinflussen. Faktisch fand damit eine Einengung gewerkschaftlicher Positionen auf einige, vordergründig aktuelle Einzelaspekte statt, ohne daß die deutschen Gewerkschaften aber über eine auch nur einigermaßen geschlossene Konzeption zu den gesellschaftlichen Auswirkungen des technisch-organisatorischen Wandels und über Strategien seiner Beeinflußbarkeit verfügt hätten.
Die Arbeitgeberverbände Staatliche FuTP fand in den Nachkriegsjahren innerhalb der Verbandsorganisationen der Arbeitgeber nur wenig Beachtung. Verfolgt man etwa die Geschäftsberichte von BdA (Bundes-vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände) und BDI (Bundesverband der Deutschen Industrie) bis Anfang der sechziger Jahre, läßt sich, analog zu den Gewerkschaften, kaum eine institutioneile Verankerung oder explizite Thematisierung des Problemfeldes „Technik und Wissenschaft" innerhalb beider Verbände feststellen. Staatliche FuTP blieb in dieser Phase beschränkt auf eine globale Förderung der allgemeinen Wissenschaftsund Hochschulpolitik. Konkrete staatliche Maßnahmen zur Förderung der unternehmensbezogenen Innovationsprozesse waren demgegenüber nicht notwendig Der technologische Wandel, der sich ab Ende der fünfziger Jahre in einem verstärkten Rationalisierungsdruck für die deutsche Wirtschaft bemerkbar machte, blieb in seinen Formen und Ausprägungen weitgehend von unternehmerischen Interessen her bestimmt. Zwangsläufig ergab sich deshalb aus diesem Prozeß für die Arbeitgeber keine Notwendigkeit, ein besonderes Augenmerk auf die Wirkungen und Folgen des technisch-organisatorischen Fortschritts zu werfen — ganz im Gegensatz zu den Gewerkschaften.
Die Forderungen der Arbeitgeberseite nach staatlichen Aktivitäten im Bereich der FuTP bleiben daher eher verhalten. Erwartet wurde von staatlichen Stellen eine intensive Pflege und Fortentwicklung des Hochschulbereichs, um einen ausreichend ausgebildeten Nachwuchs für eine weiterhin prosperierende Wirtschaft bereitzustellen.
Vorrangiges Ziel der staatlichen Aktivitäten bis Anfang der sechziger Jahre blieb somit folgerichtig das Bemühen, die Neuerungsaktivitäten, d. h. das in der Bundesrepublik vorhandene Innovationspotential in ausgewählten Schlüsselbereichen mittels einer forschungspolitischen Nachahmungsstrategie dem internationalen Standard anzupassen. Ein breiteres staatliches Engagement zur Förderung gesamtwirtschaftlich bedeutsamer Innovationsprozesse blieb dagegen aufgrund der auf Unternehmerseite noch weithin unklar entwik-kelten Interessenausrichtung primär auf die schon angeführten Förderschwerpunkte (Kernenergie, Luft-und Raumfahrtforschung) beschränkt.
Wesentlich intensiver gestaltete sich allerdings die institutionelle Verankerung von for-schungs-und technologiepolitischen Fragestellungen außerhalb der unternehmerischen Interessenverbände in ihnen nahestehenden Organisationen. Im Jahre 1949 wurde so z. B.der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft wieder errichtet (Erstgründung: 1920). Der Verband, in der Rechtsform eines gemeinnützigen, eingetragenen Vereins, versteht sich als Dienstleistungsorgan der Wirtschaft zur Förderung der Wissenschaft. Seine Einkünfte, in der Hauptsache Industriespenden, werden zu einem großen Teil den Selbstverwaltungsorganisationen der Wissenschaft zur Verfügung gestellt. Ein bedeutender Teil dieser Mittel geht so z. B. an die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft), wodurch sich wichtige unternehmensbezogene Einflußpositionen in den einschlägigen Entscheidungsgremien ergeben
Ebenfalls in den ersten Nachkriegsjahren begannen einige Wirtschaftsvereinigungen mit dem Versuch einer gemeinschaftlichen industriellen Forschung. Als sich im Jahre 1954 diese Einzelorganisationen zur „Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen" (AIF) zusammenschlossen, geschah dies bereits unter sanftem Druck staatlicher Stellen, insbesondere des Bundeswirtschaftsministeriums, das an einer einheitlichen forschungspolitischen Interessenausrichtung der Industrie interessiert war.
Weiterhin bildeten der Stifterverband und der BDI im Jahre 1957 einen „Gesprächskreis Wissenschaft und Wirtschaft". Dieser Gesprächs-kreis, der verschiedene Untergruppen umfaßte, berief Personen aus der Wirtschaft und aus den Hochschulen zu seinen Mitgliedern. Thematisch wandte man sich zunächst den allgemeinen Wechselbeziehungen zwischen Hochschule und Industrie zu. Mit der Veränderung von wirtschaftsund technologiepolitischen Rahmenbedingungen wurden aber auch zunehmend Themen aufgegriffen, die sich direkt mit der staatlichen Forschungspolitik auseinandersetzten.
Mit der schon erwähnten Gründung des Bundesministeriums für Atomfragen im Jahre 1955 konzentrierten die Arbeitgeberverbände in wachsendem Maße ihr Interesse auf die für eine Erhaltung von internationalen Wettbewerbspositionen wichtige FuTP. In den Prozeß der ministeriellen Planung und Entwicklung der ersten Programme (Atomenergie, Luft-und Raumfahrt) wurden die betroffenen Industriebranchen von der neu gegründeten Forschungsadministration eng integriert. Die diesen Großforschungsprogrammen zugrunde liegende Konzeption der Nachahmung amerikanischer und sowjetischer Entwicklungslinien mit der Erwartung eines „spin-off-Effek-tes“ (Übertragungseffekt) für andere Wirtschaftsbereiche wurde von den Unternehmen und ihren Verbandsorganisationen inhaltlich voll mitgetragen, da sie sich bei der konkreten Ausgestaltung der vom Umfang her bedeutsamen Förderprogramme hinsichtlich einer Begrenzung des eigenen Risikos voll durchsetzen konnten. Im Ergebnis führte diese vorherrschende Orientierung auf industriepolitische Zielvorstellungen letztlich in den sechziger und siebziger Jahren zu einem fast vollständigen Verzicht auf die Formulierung und Durchsetzung von staatlichen Ziel-und Handlungsalternativen mit dann längerfristig disfunktionalen Finanzierungsfolgen
Etwa Mitte der sechziger Jahre beginnt eine neue Phase der staatlichen Forschungspolitik. Sie ist durch einen grundlegenden technisch-ökonomischen Wandlungsprozeß gekennzeichnet, der vor allem durch die Rezession 1966/67 und längerfristig wirksame ökonomische Strukturveränderungen materiell bestimmt wird
Das Sichtbarwerden eines im Vergleich z. B. zu den USA massiven technologischen Rückstands bewirkt in dieser Phase eine Ergänzung der klassischen Förderschwerpunkte um eine Förderung von bereichsübergreifend wirkenden Technologien (z. B. Datenverarbeitung).
Zielvorgaben dieses Wandlungsprozesses der FuTP sind die Beseitigung bestehender technologischer Lücken und eine stärkere Diversifikation der staatlichen Förderbemühungen auf bisher nicht innovationsträchtige, aber im internationalen Vergleich potentiell wettbewerbsfähige Branchen. Komplementär zu diesen von Seiten der Industrie nachhaltig unterstützten Förderungsmaßnahmen erfolgt ein stärkerer Ausbau des institutionellen Förderbereichs (z. B. Fraunhofer-Gesellschaft) sowie eine stärkere Orientierung der staatlichen Förderungsbemühungen auf indirekte Maßnahmen (z. B. Sonderabschreibungen, Investitionszulagen), wie sie von Seiten der Arbeitgeber-und Industrieverbände schon seit längerem gefordert wurden.
Insbesondere der BDI reagierte auf diese fühlbare quantitative Ausweitung des staatlichen Forschungsengagements mit einer erhöhten Aufmerksamkeit für die FuTP des Bundes. Ein Gutachten über „Die Aufgaben der Industrie im Rahmen einer zeitgemäßen Forschungspo-litik" (das sogenannte Hennenhöfer-Gutachten) und ein Memorandum des Verbandes über die „gesamtindustrielle Bedeutung der Luft-und Raumfahrttechnik" nahmen inhaltlich zur forschungs-und technologiepolitischen Konzeption der damaligen Bundesregierung Stellung. Nachdrücklich wird darin die „Mitverantwortung des Staates für den industriellen Leistungsstandard'' durch Forschungsförderung hervorgehoben. Generell setzt sich mit Hilfe dieser Gutachten innerhalb der einschlägigen Verbände die Meinung durch, die FuTP als integralen Teil der gesamten Wirtschaftspolitik zu begreifen und demzufolge diesem Politikfeld eine breitere Aufmerksamkeit als bisher widmen zu müssen.
Die Einführung von Sonderabschreibungen (1965) und Investitionszulagen (1970) für FuE-Anlagegüter zur Stimulierung der durch die Rezession von 1966/67 gesunkenen unternehmensbezogenen FuE-Aufwendungen bildete auf staatlicher Seite den bis dahin wichtigsten Ausbauschritt hin auf ein indirekt und breit wirkendes Förderinstrumentarium. Parallel hierzu wurden vermehrt Forderungen aus dem Lager der Arbeitgeberverbände laut, das bisher überwiegend nur im Rahmen militärischer Projekte vorhandene direkte Instrumentarium der Forschungsförderung auszubauen. Speziell der BDI setzte sich dafür ein, „soweit wie möglich dem amerikanischen System der Direktaufträge an die Industrie“ und nicht dem britischen Modell der Auftragsvergabe an staatliche Laboratorien zu folgen. Die ab Ende der sechziger Jahre vom Umfang her stark gewachsene direkte Fördermittelvergabe an zivile Unternehmen im Rahmen der Programme „Datenverarbeitung“ und „Neue Technologien“ entspricht daher weitgehend diesen Forderungen von Arbeitgeber-und Industrieverbänden. Erleichtert wurde diese Konzentration auf direkte Förderungsinstrumente dabei sicherlich durch die Tatsache, daß sich die zuständige staatliche Forschungsadministration hiervon einen Bedeutungs-und Machtzuwachs erhoffen konnte, da mit dieser Form der direkten Forschungsförderung eine höhere institutionalisierte Steuerungsund Kontrollkapazität des federführenden Ministeriums zu erwarten war.
Parallel zu dieser intensivierten inhaltlichen und konzeptionellen Behandlung von fut-politischen Fragestellungen wurde eine verstärkte institutionelle Verankerung dieses Politikfeldes im Rahmen der Arbeitgeberverbände angestrebt.
Während der Jahre der „Großen Koalition" war im Zuge der „Konzertierten Aktion“ unter Federführung von Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) und Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) der Arbeitskreis . Automation" eingerichtet worden. Unter Mitwirkung der Tarifpartner sollte dieser den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel in der Bundesrepublik diskutieren und prognostizieren. Besonders der BdA schenkte diesem Arbeitskreis große Aufmerksamkeit, da man sich hiervon eine Einbindung der Gewerkschaften bei der Durchsetzung von technologischen Maßnahmen mit negativen Beschäftigungseffekten erhoffte. Ein vom BdA gegründeter, ca. dreißigköpfiger Arbeitskreis „Technischer Fortschritt und Strukturwandel" begleitete die Tätigkeit der Arbeitgebervertreter in diesem Arbeitskreis „Automation" kontinuierlich und war so in der Lage, ein etwa im Vergleich zu den Gewerkschaften ho-hes forschungsund technologiepolitisches Sachwissen anzusammeln
Die Gründung zahlreicher forschungs-und technologieorientierter Arbeitskreise ab Mitte der sechziger Jahre findet in der Einrichtung eines BDI-Präsidialarbeitskreises für Forschungspolitik im Jahre 1970 einen vorläufigen Höhepunkt. Dieses Beratungsgremium zentralisiert die bisherigen vielfältigen Verbandsaktivitäten und nimmt — in Gestalt einer kleineren Arbeitsgruppe — Einfluß auf die Konzeption und Durchführung staatlicher Förderungsmaßnahmen. Diese intensiven Aktivitäten versetzen die Arbeitgeberverbände in die Lage, in der in den siebziger Jahren als politische Querschnittsaufgabe immer bedeutsamer werdende FuTP vor allem im Vergleich zu den Gewerkschaften entscheidende Akzente zu setzen. Es gelang ihnen, ein enges Beziehungsgeflecht zur Forschungsadministration aufzubauen und Maßnahmen aller forschungsfördernden Ministerien eng mit den eigenen Vorstellungen abzustimmen. In Bezugnahme auf das Bundesministerium für wissenschaftliche Forschung und das Bundesministerium für Wirtschaft hält der Geschäftsbericht des Bdl 1968/69 fest: „In allen Fällen (wo neue Förderbereiche geschaffen wurden; d. V.) besteht erfreulicherweise von Anfang an eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Industrie.
Fazit:
Zusammenfassend war die Situation im Bereich der FuTP Ende der sechziger Jahre damit durch folgende Tendenzen gekennzeichnet:
— Fut-politische Fragen gewinnen im Staatsapparat organisatorisch und konzeptionell zunehmend an Bedeutung. Wachsende Finanzmittel stehen für die FuTP des Bundes bereit.
— In ihrer noch relativ jungen Diskussion um Funktion, Charakter und Auswirkungen des technischen Fortschritts problematisierten die Gewerkschaften — wenn auch nur ansatz-weise — die Rolle des Staates in diesem Prozeß. In diesem Diskussionszusammenhang stellten sie erste Forderungen an ihn, die sich allerdings fast ausschließlich auf Fragen der sozialen Sicherung und der Aus-bzw. Fortbildung konzentrierten, kaum aber die inhaltliche Konzeption der staatlichen Forschungspolitik selber berührten. Ihre Stellung zur staatlichen FuTP bleibt damit eher reaktiv; d. h. im Gegensatz zu den Arbeitgeber-und Industrie-verbänden verzichteten die Gewerkschaften weitgehend auf eine substantielle Einflußnahme auf den politischen Planungsprozeß.
— U. a. aufgrund dieser Selbstbeschränkung blieben die Gewerkschaften vom Prozeß der Konzipierung, Entwicklung und Kontrolle einer staatlichen FuTP weitgehend ausgeschlossen.
— Infolge veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen diskutierten die Arbeitgeberverbände eine verstärkte Anwendung von direkten staatlichen Förderungsstrategien. Ziel ihrer Forderungen ist die Ausdehnung der staatlichen Programmförderungspalette und eine Erweiterung der anzuwendenden Förderinstrumente.
— Mit Hilfe eines eigenen, fut-bezogenen Beratungsunterbaus entwickelten die Arbeitgeber eine enges Beziehungsgeflecht zur Forschungsadministration. Damit besitzen sie die Möglichkeit, wirksamer als die Gewerkschaften in administrative Planungs-und Entscheidungsprozesse einzugreifen und die FuTP des Bundes in zahlreichen Programmbereichen nach ihren Vorstellungen zu strukturieren und zu beeinflussen.
Die zweite Phase: ab 1970
Gewerkschaften Ende der sechziger Jahre veränderte sich die politische Situation in der Bundesrepublik als Folge der Bildung der ersten sozial-liberalen Koalition. Im Bereich der FuTP fand trotz dieser neuen politischen Mehrheitsverhältnisse zunächst keine prinzipielle Veränderung bisheriger Konzeptionen und Einflußmuster statt, wohl aber eine richtungsweisende Weiterentwicklung: Das einschlägige politische der neuen sozial-liberalen Zielsystem Koalition war gekennzeichnet durch eine Technologieund Modernisierungspolitik im Spannungsfeld zwischen den Interessen der abhängig Beschäftigten und der Unternehmenspolitik. Für die Gewerkschaften drückte sich diese veränderte Situation zunächst in einer verstärkten Rekrutierung ihrer Vertreter in solche öffentlichen Gremien aus, welche mit Fragen der FuTP befaßt waren. Mit zeitlicher Verzögerung folgte auch die Möglichkeit zur Einflußnahme auf die Formulierung einzelner staatlicher Programme (v. a. das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens").
Vor allem die offizielle Mitarbeit von Gewerkschaftsvertretern in der von der Bundesregierung 1971 eingesetzten „Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel" bewirkte bei den Gewerkschaften eine intensivierte Beschäftigung mit allen Teilbereichen der FuTP. Geschärft wurde durch die Kommissionsarbeit nicht nur der Blick für die sozialen Folgen neuer Technologien bzw. für die gesellschaftlichen Voraussetzungen einer sozialorientierten Beherrschung des technischen Wandels, sondern auch für die Interessengebundenheit wissenschaftlicher Erkenntnisse selbst. Allerdings: In den Aufmerksamkeitsbereich breiterer Teile der Organisation sowie der gewerkschaftlichen Führungsebenen drangen diese Erfahrungen wohl nur in den seltensten Fällen; schon gar nicht wurden sie für die Ausgestaltung der offiziellen gewerkschaftlichen Politik relevant.
Ganz anders verhielt sich dies bei den Aktivitäten im Bereich der „Humanisierung des Arbeitslebens". Angeregt durch eine Konferenz der IG Metall im Jahre 1972 mit dem Titel „Aufgabe Zukunft — Qualität des Lebens", in welcher die Tradition der Tagungen der sechziger Jahre zum Thema Automation fortgesetzt wurde, und einer DGB-Konferenz „Humanisierung des Arbeitslebens als gesellschaftspolitische und gewerkschaftliche Aufgabe“ im Jahre 1974 entwickelte sich bald eine intensive gewerkschaftsinterne Debatte. In dieser Phase stellten die Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung sowie für Forschung und Technologie im Mai 1974 das gemeinsame Forschungsprogramm „Humanisierung des Arbeitslebens" vor, in dessen Rahmen die Entwicklung menschengerechter Arbeitstechnologien und Arbeitsorganisationen gefördert werden sollte Die möglichen negativen oder positiven Auswirkungen des Programms wurden seither in der wissenschaftlichen Literatur und auf zahlreichen Tagungen immer wieder lebhaft und kontrovers diskutiert -Wir möchten deshalb hier, schon aus Platzgründen, auf eine eigene Bewertung verzichten. Festzuhalten bleibt, daß die Entwicklung eines eigenen Programmbereichs „Humanisierung des Arbeitslebens'1 (HdA) sicherlich zu den wichtigsten Erfolgen der Gewerkschaften auf dem Gebiet der FuTP in den siebziger Jahren zählt, da es hier zum ersten Mal gelang, gegen zahlreichen Widerstand einen gesellschaftspolitisch umstrittenen Förderungsbereich im Sinne der Gewerkschaften durchzusetzen. Ohne direkten Bezug zu dieser Debatte kam seit etwa Mitte der siebziger Jahre in den Gewerkschaften auch eine grundsätzliche Diskussion zu Fragen staatlicher FuTP in Gang.
Bereits der Bundesforschungsbericht IV, der im Gefolge der von der sozial-liberalen Koalition propagierten „Politik der inneren Reformen" reformeuphorisch den Versuch unternahm, in den Mittelpunkt der Forschungspolitik eine Orientierung am gesellschaftlichen Bedarf zu stellen, hatte verständliches Interesse bei den Gewerkschaften ausgelöst. Konn'ten sie doch bei einer solchen veränderten Konzeption von einer erheblichen Zunahme ihrer Einwirkungsmöglichkeiten auf das staatliche Handeln in diesem Politikfeld ausgehen.
Um so ernüchternder war es feststellen zu müssen, wie wenig eine solch formal veränderte Zielsetzung in der FuTP auf die tatsächliehe materielle Ausgestaltung der unterschiedlichen Förderungsbereiche durchschlug. Die konkrete Ausgestaltung der Implementationspraxis blieb in nahezu allen volumenmäßig relevanten forschungspolitischen Förderungsschwerpunkten trotz dieser stärker gesellschaftsbezogenen Zielorientierung auch weiterhin an dem dominierenden Globalzielwert „Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ ausgerichtet
Zahlreiche fut-bezogene Stellungnahmen der Gewerkschaften erfolgten in den darauffolgenden Jahren vor allem aus den Reihen der IG Metall, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie des wirtschaftsund sozialwissenschaftlichen Instituts des DGB. Organisatorisch wurde versucht, der zunehmenden Bedeutung fut-politischer Fragen durch die Gründung eines Referates „Wissenschaft und Forschung" beim DGB-Bundesvorstand im Jahre 1976 Rechnung zu tragen. Insgesamt blieb jedoch das fut-politische Profil der Gewerkschaften auch weiterhin weitgehend diffus. Favorisierte man z. B. bei der IG Metall strukturpolitische Konzepte einer Modernisierung der Volkswirtschaft, die auch im Bundesforschungsbericht V aus dem Jahre 1975 zumindest intentional angelegt waren, blieben andere Einzelgewerkschaften aufgrund ihrer unterschiedlichen Klientelstruktur zurückhaltender mit der Übernahme dieser technologie-politischen Konzeption
Auf institutioneller Ebene gerieten die Gewerkschaften ab 1978 verstärkt in den Sog neokorporatistischer Problemlösungsofferten vor allem von Seiten des Bundesministeriums für Forschung und Technik (BMFT). Die Propagierung eines technologiepolitischen Dialogs, einer Gesprächsrunde ähnlich der „Konzertierten Aktion", in der sich alle am Innovationsprozeß Beteiligten (Unternehmer, Gewerkschaften, Wissenschaftler und Staat) zusammenfinden sollten, um über Anwen-dungschancen und Risiken von Technologie zu sprechen, spielte in den Stellungnahmen des damaligen Forschungsministers Hauff eine bedeutende Rolle. Die zunächst recht spärlichen Reaktionen der Gewerkschaften auf dieses Angebot klangen eher verhalten, was einen gewissen Zwiespalt deutlich machte: Auf der einen Seite suchte man von gewerkschaftlicher Seite den Dialog, um damit eine stärkere materielle Einflußnahme z. B. auf die Ausgestaltung der unterschiedlichen forschungspolitischen Programme erreichen zu können. Auf der anderen Seite wollte man mit dem technologiepolitischen Dialog keiner Einbindung der Gewerkschaften in kontroverse Fragen Vorschub leisten. Insbesondere die zentralen forschungspolitischen Förderungsbereiche des Bundes, wie z. B. Datenverarbeitung und Informationstechnik, Technische Kommunikation, Elektronik, Produktions-und Fertigungstechnologien, spielten dabei aufgrund ihres Ziels einer Rationalisie-rungs-und Produktivitätssteigerung und der sich hieraus ergebenden Tendenz einer Freisetzung von Arbeitskräften eine gewichtige Rolle in den gewerkschaftlichen Überlegungen Anhand dieser Problematik zeigt sich deutlich das bis heute andauernde Dilemma der Gewerkschaften im Bereich der FuTP. Einerseits müssen sie, wollen sie ihrer Rolle als einem zentralen gesellschaftlichen Interessenverband gerecht werden, in wachsendem Maße neben den klassischen Tätigkeitsfeldern der Sozial-und Tarifpolitik in jenen Politikbereichen aktiv werden, welche die Arbeits-und Lebensbedingungen ihrer Klientel zunehmend beeinflussen. Andererseits stehen sie aber gerade im Bereich der FuTP vor der nicht zu lösenden Aufgabe, die z. B. an Weltmarkt-gesichtspunkten orientierten technisch-organisatorischen Entwicklungsprozesse als gesamtgesellschaftlich notwendig und relevant mittragen zu müssen und auch zu wollen, ohne aber gleichzeitig — im Gegensatz zu ihrem wichtigsten gesellschaftspolitischen Kontrahenten — in diesem Prozeß eine nennenswerte Beeinflussungs-und Steuerungsmöglichkeit zu besitzen. Dieses sturkturell angelegte technologiespezifische Machtvakuum erklärt das bis heute eher reaktiv angelegte Verhalten der Gewerkschaften in diesem Politikfeld. Einer aus gesamtwirtschaftlichen und gesamtgesellschaftlichen Gründen akzeptierten Einbindung in korporativistische Problemlösungsverfahren mit einem gleichzeitig bestehenden eigenen Defizit an ausreichenden Steuerungsmöglichkeiten zur Beeinflussung des technisch-organisatorischen Wandlungsprozesses steht der Zwang gegenüber, die negativen Folgen dieses Prozesses auf weite Bereiche unserer Gesellschaft in einer quasi Stellvertreterfunktion legitimatorisch abpuffern zu müssen.
Arbeitgeberverbände In den ersten Jahren nach der Gründung der sozial-liberalen Koalition bleibt die Grund-stimmung der Arbeitgeberverbände gegenüber der FuTP des Bundes weiterhin größtenteils positiv. Betont wird weiterhin die zentrale Rolle von Forschung und Entwicklung für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung. Dabei wird nicht nur eine gewisse Mitverantwortung des Staates in diesem Prozeß hervorgehoben, sondern diesem sogar die vorrangig gestaltende Funktion zugesprochen
Institutionell führen die Arbeitgeberverbände die in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eingesetzten Gremien fort und effektivieren deren Tätigkeit. Der Präsidialarbeitskreis für Forschungspolitik des BDI gewinnt hierbei rasch eine kompetente und zentrale Stellung für alle fut-politisch relevanten Fragestellungen. Berger, als langjähriger Beamter des BMFT mit der Materie vertraut, hält hierzu rückblickend fest, daß im BDI-Präsidialarbeits-kreis „die industriepolitische Abstimmung der Forschungspolitik bis hin zu den Vergabebedingungen für die industrielle Forschungsförderung" erfolgte
In ihren Vorstellungen über die Konzeption der staatlichen FuTP halten die Arbeitgeber-verbände zunächst an ihrer bisherigen Posi-tion fest, daß eine generelle Ausweitung des staatlichen FuE-Engagements grundsätzlich zu begrüßen ist. Zwei Faktoren führen dann aber nach und nach zu einer Revision dieser weitgehenden Zielübereinstimmung:
Das Erscheinen des Bundesforschungsberichts IV (1972), in dem im Zuge der sozial-liberalen Reformpolitik der Versuch unternommen wurde, die FuTP als Teil der Gesellschaftspolitik zu sehen und demzufolge forschungpolitische Maßnahmen am übergeordneten Ziel des „gesellschaftlichen Bedarfs" zu orientieren, verunsicherte große Teile der Arbeitgeberverbände nachhaltig. Eine angestrebte Neuordnung des fut-politischen Beratungswesen (1971), welche mit dem Ziel einer größeren Transparenz und dem Einbau „kritischer Elemente" von der Forschungsadministration in die Beratungsgremien lanciert wurde sowie die forcierte Diskussion um staatliche Ertragsbeteiligungen bei FuE-Zuwen-dungen und -Aufträgen trugen ebenfalls wesentlich zu diesen Irritationen bei. Noch gewichtiger erwies sich aber ein zweiter Vorgang: Seit 1968 waren die staatlichen Mittel für die direkte FuE-Förderung sprunghaft angestiegen, während die indirekte Förderung sich nur geringfügig erhöht hatte. Das Verhältnis beider Förderungsvarianten hatte sich schon von 1968 (ca. 1: 2) bis 1972 (ca. 1: 4) zu Lasten der indirekten Förderung verschlechtert. Ende 1971 beschloß nun das Bundeskabinett, die seit 1965 geltenden Sonderabschreibungsmöglichkeiten für FuE-Anlagegüter Ende 1974 auslaufen zu lassen; auch die seit 1970 geltende Investitionszulage für FuE-Anlagegüter wurde ab Anfang 1973 um 2, 5% gekürzt. Damit war klar, daß sich die Mittelverteilung noch einmal rapide verschlechtern mußte und ein realer Rückgang der indirekten Forschungsförderung zu erwarten war
Während ein Großteil dieser anvisierten Neuerungen ohne nachhaltige Konsequenzen für die Arbeitgeberseite blieb schuf die vorgesehene Veränderung zwischen direkten und indirekten Förderungsinstrumenten eine bis heute andauernde Konfliktursache zwischen Forschungsadministration und den Arbeitgeberverbänden. Bereits für den Berichtsraum 1970/71 hatte der BDI-Geschäftsbericht die Einsetzung einer besonderen Arbeitsgruppe des BDI-Präsidi-alarbeitskreises vermerkt, die sich „vor allem mit den geeigneten Methoden und Mitteln der staatlichen Förderung von FuE" befassen sollte Schon im nächsten Bericht konstatierte der BDI, daß „das bisher ausgewogene Verhältnis von direkter zu indirekter, insbesondere steuerlicher Forschungsförderung gefährdet erscheint. Ein neues Gesamtkonzept auf diesem Gebiet ist notwendig"
Die Forderungen nach einer Ausweitung der indirekten Förderung, mit den Argumenten „günstiges Forschungsklima", „mehr Markt-konformität", „für den Staat am kostengünstigsten" und „auf Kontinuität angelegt" wurden in den folgenden Jahren noch schärfer vorgebracht wobei die Arbeitgeberverbände von verschiedenen Seiten, wie etwa dem Sachverständigenrat beim BMWi oder der CDU/CSU-Opposition im deutschen Bundestag, nachhaltig Unterstützung finden Gezielte Forderungen, so z. B. nach einer steuerlichen Begünstigung von FuE-Personalkosten, wurden dabei ebenso thematisiert wie allgemein gehaltene, wirtschaftspolitische Appelle an die Adresse der Bundesregierung („Stärkung der Ertragskraft und der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen"). Vor einer breiten Öffentlichkeit konnten diese Vorwürfe an die offi-zielle FuTP deshalb gut legitimiert werden, weil die kritisierte Dominanz der direkten Forschungsförderung eine gravierende Förderungslücke für kleine und mittlere Unternehmen bewirkt hatte, während parallel hierzu Großunternehmen von dieser direkten Förderungsform deutlich profitierten.
Im Laufe der siebziger Jahre gewannen so auf Seiten der Arbeitgeberverbände vor allem ordnungspolitische Argumentationen an Gewicht, wobei die ideologisch angereicherte Diskussion um die Wirksamkeit des staatlichen Förderungsinstrumentariums im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand.
Trotz dieses grundsätzlichen Konflikts vermochten die Arbeitgeberverbände bis Ende der siebziger Jahre ihr Beziehungsgeflecht zu einschlägigen staatlichen und halbstaatlichen Einrichtungen weiter auszubauen. So wurden in einem gemeinsamen Memorandum von BDI und der „Arbeitsgemeinschaft der Großforschungseinrichtungen" (AGF) die „Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Großforschungseinrichtungen und der Industrie" dargestellt. Neben dem allgemeinen Ziel einer verbesserten Kooperation ging es dabei vor allem um eine noch stärkere Vertretung der Industrierepräsentanten in den Gremien der Großforschungseinrichtungen sowie um eine Verbesserung der personellen Mobilität zwischen beiden Bereichen. Die . Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereini-gungen" (AIF), die schon in den zurückliegenden Jahren ihre Leistungen auf kleine und mittlere Unternehmen konzentriert hatte, wurde als Projekträger des BMFT-Programms „Förderung der Vertragsforschung" und des BMWi-Programms „Personalkostenzulage" beauftragt und nahm hierdurch maßgeblich die inhaltliche Umsetzung und Durchführung dieser beiden Programme wahr.
Nur mäßiges Interesse zeigen die Arbeitgeberverbände dagegen für den vom damaligen Bundesforschungsminister Hauff initiierten „technologiepolitischen Dialog". Die mittlerweile (im Gegensatz zum Arbeitskreis . Automation" der späten sechziger Jahre) eher zu-rückhaltende Beurteilung solcher korporativistisch angelegter Politikformen spiegelt sich in der Wertung des BDI-Geschäftsberichtes 1979/80 wider, es handele sich hier um ein „auf Spitzenebene gebildetes Aussprachegremium".
Im Gegensatz zu der distanzierten und großteils kritischen Haltung gegenüber dem BMFT bleiben die fut-politischen Aktivitäten des BMWi von solcher Kritik weitgehend verschont. Vor allem mit den seit 1979 geltenden Personalkostenzuschüssen war das BMWi einer lange erhobenen Forderung der Spitzen-verbände nachgekommen, in diesem Engpaßbereich ein adäquates Instrument der indirekten Förderung zu kreieren Da innerhalb des Wirtschaftsressorts die für FuE-Förderung zur Vergügung stehenden Mittel inzwischen auch deutlich angestiegen waren (1979: 948 Millionen DM), geriet das Ministerium zunehmend ins Blickfeld der einschlägig interessierten Industrie Zugleich wurden die Auseinandersetzungen zwischen den Ressort-Spitzen vom BMFT und BMWi über die „richtige" forschungspolitische Konzeption der Bundesregierung schärfer, worin sich auch die bis heute andauernden ordnungspolitischen Unterschiede zwischen den politischen Leitungen beider Ministerien manifestieren.
III. Bestandsaufnahme und kritische Würdigung
Zieht man ein Resümee der bisherigen gewerkschaftlichen Aktivitäten im Bereich der staatlichen FuTP, so kann festgestellt werden, daß es trotz zuletzt intensiver Bemühungen bisher offenbar nur unzureichend gelang, ein geschlossenes Handlungskonzept für diesen Politikbereich zu entwickeln.
Nur in Ansätzen existieren Versuche, alternativ ein konsistentes Zielsystem für die FuTP des Bundes zu formulieren, das den Anspruch einer arbeitnehmerorientierten oder sozial-orientierten Forschungspolitik einlösen könnte Gewerkschaftliche Änderungsvorstellungen waren bisher meist ein Reflex auf jeweilige Modifizierungen und Gewichtsverlagerungen bei den forschungspolitischen Globalzielen des Bundes. Sie blieben damit insoweit reaktiv angelegt, als die bestehende Rationalität des forschungspolitischen Zielsystems nie grundsätzlich in Frage gestellt, sondern nur versucht wurde, eine formale Erweiterung der Globalzielebene zu erreichen, ohne den zweiten notwendigen Schritt, nämlich eine materielle Ausfüllung der konkreten Zielebenen von unterschiedlichen forschungspolitischen Förderungsschwerpunkten, hieran anzuschließen. Offen blieb zudem in der bisherigen innergewerkschaftlichen Diskussion die grundsätzliche Frage, ob es überhaupt angemessen ist, das Globalziel „Verbesserung der Arbeits-und Lebensbedingungen 1'quasi als Synonym für die Eigenschaft „arbeitnehmerorientiert/sozialorientiert" heranzuziehen und die „Verbesserung der Leistungsund Wettbewerbsfähigkeit“ als das entsprechende Ziel von Unternehmerinteressen zu deklarieren. Denkbar wäre ebenfalls, das letztgenannte Globalziel und den mit ihm verbundenen Grundsatz der Modernisierung im Sinne einer Arbeitnehmer-oder Sozialorientierung neu zu definieren und auf allen Programmebenen materiell auszugestalten. Auch wenn man anerkennt, daß gesellschaftliche Neuerungsprozesse sich primär an internationalen Wettbewerbserfordernissen orientieren müssen, könnte die bisherige einseitige Ausrichtung dieses dominanten Globalzielwertes auf ökonomische Verwertungsgesichtspunkte materiell mit neuen Inhalten gefüllt werden, anstatt die ebenso leichte wie folgenlose Forderung nach „Berücksichtigung von Humanisierungsaspekten in allen staatlichen Forschungsprogrammen" aufzustellen.
Fand die Debatte um die Ziele der FuTP in den letzten Jahren doch eine, wenn auch sehr uneinheitliche, Resonanz bei den Gewerkschaften, so blieb eine kritische Würdigung der gegenwärtigen forschungspolitischen Instrumente fast völlig vernachlässigt. Dies mag daran liegen, daß sich die Gewerkschaften mit ihren einschlägigen Vorstellungen in Überein-stimmung mit der formalen Konzeption des BMFT befinden, zumal dieses von Seiten der Arbeitgeberverbände und der Opposition im Bundestag heftig kritisiert wird. Konkret entschieden sich die Gewerkschaften in ihren Beschlüssen für ein forschungspolitisches Förderungsinstrumentarium, das ziel-und programmgebunden sein soll. Gewährleistet erscheint ihnen dies nur bei den sogenannten direkten Instrumenten, der institutioneilen Förderung und der Projektförderung, welche prinzipiell eine hohe Steuerungsfähigkeit des Staates zulassen. Eine indirekte Forschungsförderung, die nach Ansicht der Gewerkschaften keine ausreichenden administrativen Ein-wirkungsund Kontrollmöglichkeiten gewährleistet, wird demgegenüber abgelehnt. Auf der Ebene einer konkreten Wirkungsanalyse für fut-politische Instrumente erscheint eine solche Position jedoch völlig verkürzt. Betrachtet man die offensichtlichen Defizite der bisherigen Praxis — verfestigte Strukturen bei der institutioneilen Förderung, externe Determiniertheit bei der Projektförderung, die zur quasi institutioneilen Förderung wird —, erscheinen solche Aussagen in weiten Teilen unzulänglich. U. E. müßte daher der bisherige gewerkschaftliche Diskussionsstand in dreierlei Hinsicht erweitert werden. Zu fragen wäre nämlich, wie — beide Varianten der direkten Förderung aus ihrer strukturellen Verfestigung und ihrer externen Determiniertheit herausgeholt werden könnten, um dann eine effektive staatliche Steuerungsleistung überhaupt erst garantieren zu können;
— das bisher ungenügende indirekte Instrumentarium um solche indirekt-spezifischen Instrumente erweitert werden könnte, die in gewissem Umfang eine administrative Kontrolle über die Mittelverwendung gewährleisten und außerdem eine Förderungslücke für bestimmte Unternehmenstypen, die von der direkten Förderung bisher nur ungenügend erreicht werden (z. B. kleine und mittlere Unternehmen), füllen könnten.
— die existrierenden dysfunktionalen Folgeeffekte der vorherrschenden Förderinstrumente in betriebsgrößenspezifischer, sektoraler und regionaler Hinsicht gegebenenfalls beseitigt werden könnten
Bei der Frage der Wahl von angemessenen Instrumenten wird damit das schon angesprochene politikfeldbezogene Defizit der Gewerkschaften wiederum deutlich. Da sie aufgrund der spezifischen Organisation und Struktur des wissenschaftlich-technischen Neuerungsprozesses kaum substantielle Einflußmöglichkeiten auf die inhaltliche Ausgestaltung dieses Prozesses besitzen, konzentrieren sich die Gewerkschaften eher auf betriebsbezogene Mitbestimmungsregelungen (z. B. Einbezug von Betriebsräten bei fut-politi-sehen Einzelprojekten ihrer Firmen), oder sie verlassen sich auf die von ihnen perzipierte Kontrollund Steuerungskapazität administrativer Stellen.
Gerade im Bereich der direkten Projektförderung wurde aber durch die starke Ausweitung der staatlichen Förderungsbemühungen (z. Zt. ca. 2500 Förderungsprojekte allein beim BMFT) in den letzten Jahren die ohnehin defizitäre administrative Steuerungsund Kontrollkapazität weiter reduziert. Deshalb kann tendenziell nur bei politisch wichtigen Programmen von einer ausreichenden staatlichen Steuerungsund Kontrollfähigkeit ausgegangen werden, wie sie die Gewerkschaften als generell existierend voraussetzen.
Im Vergleich hierzu ergeben sich bei den Industrie-und Arbeitgeberverbänden folgende wichtige Punkte:
Geschlossen betonen die Arbeitgeberverbände die Einordnung der FuTP als Teil der gesamten Wirtschaftspolitik. Konsequent machen sie deshalb geltend, daß zusätzliche forschungspolitische Zielsetzungen nur insoweit praktikabel sind, wie sie mit den bestehenden inhaltlichen und ideologischen Vorstellungen von Wirtschaftspolitik vereinbar sind. Die .. Setzung allgemeiner forschungsfördernder Rahmenbedingungen", nicht aber das Außer-kraftsetzen des „marktwirtschaftlichen Lenkungsmechanismus" durch einen „strukturpolitischen Dirigismus" ist mit einer solchen Wirtschaftspolitik vereinbar. Forschungspolitik kommt in dieser Vorstellung eine „subsidiäre Gestaltungsfunktion" zu
Auf der Grundlage dieser ordnungspolitischen Einordnung von FuTP wird dann immanent folgerichtig das Globalziel „Steigerung der wirtschaftlichen Leistungs-und Wettbewerbsfähigkeit“ als wichtiger fut-politischer Zielwert abgeleitet. Zwar werden auch weitere fut-politischen Globalziele uneingeschränkt akzeptiert. Gemessen an diesem dominierenden, an ökonomischen Funktionsanforderungen orientierten Globalzielen erscheinen sie jedoch deutlich als nachgeordnet. Tatsächlich entspricht diese Einschätzung, wie wir an anderer Stelle nachweisen konnten der vorherrschenden Praxis einer eindeutigen Hierarchisierung von fut-politischen Global-zielen. Daher wird verständlich, daß die Bewertung der fut-politischen Ziele nie Gegenstand einer ernsthaften Kritik von Arbeitgeberseite war.
Betrachtet man die Position der Arbeitgeber-verbände zu dem von der Bundesregierung be-reitgestellten fut-politischen Instrumentarium, wird deutlich, daß sie sich diesem Teilbereich schon immer ausgiebig widmeten. Erweiterungen und Modifizierungen des fut-be-zogenen Instrumentariums gingen in der Vergangenheit deshalb meist mit auf Anstöße der Arbeitgeber zurück.
Seit geraumer Zeit steht die Forderung nach einer Verstärkung der indirekten Forschungsförderung im Mittelpunkt der einschlägigen Verlautbarungen von Arbeitgeber-und Industrieverbänden. Von ihnen hervorgehoben wird der Vorteil einer Breiten-und Multiplikatorwirkung sowie die hohe Marktkonformität dieser indirekten Instrumente. Zu selten in das Blickfeld dieser Verbände geraten sind dagegen bisher solche Instrumente, die zwar indirekt eingesetzt werden, aber doch eine spezifische Steuerungsleistung des Staates er-möglichen Zwar klang in einigen Stellungnahmen Interesse an einem solchen Förderungsinstrumentarium an, das zwar marktkonform« aber nicht marktneutral sein muß Bisherige kategorische Absagen der Arbeitgeber-verbände an eine Regionalisierung oder Sek-toralisierung der FuE-Förderung lassen jedoch befürchten, daß ein Großteil dieser indirekt-spezifischen Instrumente aus den schon angeführten ordnungspolitischen Gründen scheitern würde.
Versucht man an dieser Stelle ein vorläufiges Fazit zu ziehen, läßt sich folgendes festhalten:
Bei einem Vergleich des Verhältnisses der zwei wichtigsten gesellschaftlichen Interessengruppen zum Bereich der staatlichen FuTP zeigt sich deutlich der Versuch, dieses immer wichtiger werdende Politikfeld für die eigenen Verbandsinteressen zu finalisieren.
Daß diese politikfeldorientierten Einfluß-und Machtsicherungsstrategien der Gewerkschaften, vor allem aber der Arbeitgeber-und Industrieverbände so erfolgreich sind, liegt vor allem an einigen strukturellen Besonderheiten der FuTP. Auf diese wollen wir abschließend kurz eingehen.
In Gegensatz zu offiziellen Verlautbarungen, welche für das Politikfeld einen aktiven Steuerungsanspruch propagieren ist die FuTP des Bundes in weiten Bereichen eher reaktiv angelegt. Dies ergibt sich vor allem aus einem politikfeldspezifischen Mangel an konkreten Vergabe-und Kontrollkriterien der Forschungsadministration. Diese steht vor dem Problem, daß die materielle Ausgestaltung und Entwicklung in wichtigen Progammschwerpunkten weitgehend ihren Einwirkungen entzogen ist, da sie innerbetrieblich oder wissenschaftsintern ablaufen. Da das innovationsrelevante Detailwissen in der Forschungsadministration größtenteils nicht ver-fügbar ist und administrative Evaluierungskriterien für eine vergleichende Programmbewertung überwiegend nicht vorhanden sind, ergibt sich, verstärkt durch einen fehlenden Verwaltungsund damit auch Informationsunterbau, eine strukturell angelegte Informationsabhängigkeit der Forschungsadministration gegenüber ihrer Industrie-und Wissenschaftsklientel. Diese im Vergleich zu anderen Politikbereichen starke Informationsabhängigkeit zeigt sich deutlich beim BMFT-Beratungswesen, wo in einzelnen Fachausschüssen über 50 Prozent der Mitglieder aus Industriekreisen rekrutiert werden Da unter diesen Beratern wiederum überproportional stark wenige Großunternehmen vertreten sind ergibt sich zumindest die latente Gefahr, daß in zahlreichen Förderungsschwerpunkten von einer Interessenidendität zwischen potentiellen Informationslieferanten, Beratern und Adressaten der jeweiligen Politik ausgegangen werden kann. Schmitz et al. sprechen in diesem Zusammenhang vielleicht etwas überpointiert von einem „einseitig präokupierten Interesseneingabesystem der Industrie, (wobei) die an sich notwendigen Planungsleistungen (der Administration; d. V.) ersetzt werden durch Programme einer proporzkonsolidierten Repräsentation der an der Verwendung und Verwertung der Forschungsergebnisse interessierten Unternehmen“ Festzuhalten bleibt jedoch, daß durch die aus administrativer Sicht notwendige Rekrutierung von Informationslieferanten insgesamt eine selektive Beratungsund damit letztendlich auch eine einseitige ministerielle Entscheidungsstruktur und Implementationspraxis wahrscheinlich werden kann.
I Die Möglichkeit besteht, daß durch die Institutionalisierung einer selektiven Interessen-struktur im Informationseingabesystem eine systematische Bestandsaufnahme von Forschungsalternativen unterbleibt. Die Forschungsadministration läuft damit in Gefahr, als ideeller Sachverwalter einer „objektiv" notwendigen und auch seitens der jeweiligen Klientel hinreichend begründeten FuTP zu fungieren, ohne diesen Vorstellungen im Zweifelsfall eigene substantielle Programmalternativen gegenüberstellen zu können.
Innerhalb einer eher reaktiven Politikform, bei der fut-politische Entscheidungen primär an perzipierten Entwicklungsperspektiven oder an konkreten Störungen in Teilbereichen des ökonomischen Systems ausgerichtet sind verliert die offizielle FuTP damit einen Großteil ihrer grundsätzlich vorhandenen Steuerungsmöglichkeiten. Bei insgesamt beschränkten finanziellen Ressourcen muß unter solchen Bedingungen eine wünschenswerte, verstärkt strukturpolitisch ausgerichtete Forschungspolitik mit einem aktiven Politikverwirklichungsanspruch notwendigerweise marginal bleiben.